VERLAG DIE WERKSTATT
Mit vielen seltenen und unverรถffentlichten Fotos
TRIBUT AN EINE LEGENDE
BILDNACHWEIS Alle Fotos von: Mirrorpix, PA Photos, Trinity Mirror Ausnahmen: Horstmüller: S. 24/25, 26/27, 28, 29 (3), 30 (2), 31 (2), 32/33, 49 (2; o. + M.), 99. Imago: S. 2, 6/7, 10/11, 12/13, 14/15, 75 (o.), 78/79, 79, 82, 88 (2), 89 (2), 100, 101 (2), 104 (2), 110/111. dpa / picture alliance: S. 35, 73 (o.), 74 (2.), 76/77, 80/81, 83 (o.), 84, 85, 86/87, 96 (o.), 107. Louisville Images, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0: S. 106 (u.). Don Sniegowski, Flickr, CC BY-NC-SA 2.0, S. 106 (o.r.). New York City Department of Transportation, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0: S. 106 (o.l.).
IMPRESSUM Aus dem Englischen von Bertram Job. Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel Ali. The Greatest: A Special Tribute bei Trinity Mirror Media, Liverpool. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Copyright © Trinity Mirror 2016 Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe: 2016 Verlag Die Werkstatt GmbH Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno, Calbe Gedruckt in Ultra HD Print
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ISBN 978-3-7307-0311-3
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INHALT Ein Kämpfer vor dem Herrn · 16 Ali vs. Germany · 24
Zwei Kämpfe – zwei Siege Ali vs. Mildenberger 29 Ali vs. Blin 31 Ali vs. Besmanoff 34
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Ali vs. Europe · 36
Henrys Hammer 43 Der englische Sommer Stippvisiten 49
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Zweiter Anlauf: der Kampf des Jahrhunderts · 54 Aufeinandertreffen der Champions Niederlage gegen Frazier 59
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Alis Camp: zweite Heimat in den Bergen · 62 Der König von Kinshasa · 70
Alis Stachel 72 Der K.o., der um den Globus ging
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Thriller in Manila · 80 Ali vs. Frazier III
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Gipfel des Absurden – Ali vs. Inoki · 88 In den hohen Runden · 90 Das dritte Mal Champion Ali vs. Holmes 94 Ali vs. Berbick 96
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Das zweite Leben · 98
Next Stop Germany 100 Ali im Ruhestand 102
Der 10. Juni 2016 · 106 Alle Kämpfe · 108 Zeittafel: Lebenslauf · 109 5
25. Februar 1964 Muhammad Ali (damals noch unter seinem früheren Namen Cassius Clay) schlägt für viele überraschend Sonny Liston in Miami und wird zum ersten Mal Weltmeister. Liston gab nach sieben Runden frustriert und an der Schulter verletzt auf. Clay brüllte nach seinem Sieg immer wieder „I shook up the world!“ und „I am the greatest!“ in die Mikrofone.
8. März 1971 Muhammad Ali verliert in New York
gegen Joe Frazier im Kampf um den Weltmeistertitel. Dies war seine erste Chance, den Titel nach der langen Zwangspause zurĂźckzuerobern.
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„Souls have no colour.“
Muhammad Ali
EIN KÄMPFER von Bertram Job Das vermutlich letzte Interview war keines im klassischen Sinne mehr. Im September 2015 wurde aus der Redaktion von Sports Illustrated per Fax eine Reihe von Fragen an Lonnie Ali geschickt, zur Weiterleitung an den dreifachen Ex-Champion. Zwölf Tage später faxte dessen vierte Ehefrau die Antworten zurück. Es ist müßig zu fragen, wie sie genau zustande kamen – was zählt: dass sie in der Ausgabe vom 5. Oktober in einem achtseitigen Artikel abgedruckt wurden. Vier Tage nachdem das renommierte Magazin in Alis Geburtsstadt Louisville seine Auszeichnung für Sportler, die sich um die Verbesserung der Welt verdient gemacht haben, erstmals als „Muhammad Ali Legacy Award“ vergab.
„Wie möchten Sie als Sportler in Erinnerung bleiben?“, lautete eine der Fragen. Die Antwort: „Als bester Schwergewichtler aller Zeiten.“ „Und als Mensch?“ „Als ein guter Mensch, der sich bemüht hat, zu jedem freundlich zu sein.“ Zwei Wünsche für die Zeit nach ihm, die ein Dreivierteljahr später, am 3. Juni 2016, begonnen hat. Der erste hätte unter anderen Umständen sehr unbe-
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EINLEITUNG
scheiden wirken können, der zweite erscheint vom Anspruch her entschieden demütiger. Wenn nicht alles täuscht, haben jedoch beide Wünsche gute Chancen, in Erfüllung zu gehen. Weil Muhammad Ali, am 17. Januar 1942 als Cassius Marcellus Clay geboren, in beiden Disziplinen überzeugt hat. Auf dem Höhepunkt seiner denkwürdigen Ringkarriere wirkte er großartiger, schneller und eleganter als alle Schwergewichts-Champions vor oder nach ihm. Allenfalls Jack Johnson und Joe Louis oder der frühe Mike Tyson können in mancher, aber eben nicht in jeder Hinsicht mithalten. Dazu kommt dieser ganz besondere Abdruck, den er auf diesem Planeten hinterlassen hat und der tatsächlich einzigartig ist. Kein anderer habe in der Geschichte des Sports so viele Menschen erreicht und bewegt, schickte ihm der britische TV-Sender BBC zwei Tage nach seinem Tod mit 74 Jahren hinterher. Das könnte verklärend wirken, wäre es nicht längst „Common Sense“. Auf allen Kontinenten, über sämtliche Herrschafts- und Glaubensströmungen hinweg hat Ali über Jahr-
Kein anderer hat in der Geschichte des Sports so viele Menschen erreicht und bewegt … v.l.n.r.: Cassius Clay Jr. im Alter von zwölf Jahren. Der Jungstar mit Nachbarskindern – in der Mitte seine spätere, vierte Frau Lonnie.
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zehnte eine Aufmerksamkeit ausgelöst, die weit über seinen Sport hinausgeht. Man musste nicht mal ein erklärter Box-Aficionado oder überhaupt nur Zaungast des vielfach angezweifelten Showsports sein, um sich für dieses Gesamtkunstwerk zu interessieren. Muhammad Ali hat Öffentlichkeit gesucht, solange er es konnte. Und als er es nicht mehr konnte, oder nur noch eingeschränkt, suchte die Öffentlichkeit ihn, bis zum Schluss. „Die Leute wollen wissen, dass es Ali gut geht“, hat Lonnie dazu gesagt, „es ist eine Erinnerung an die Jugend. Wenn er okay ist, sind sie okay.“ Politiker und Kulturgrößen, Schauspieler und ehemalige Boxchampions reihten sich in den Trauerzug ein, der am Morgen des 10. Juni 2016 nach zweistündiger Fahrt durch die Straßen von Louisville am Cave Hill Friedhof endete. Und welche Prominenz ballte sich am Nachmittag bei der Trauerfeier in einer Großarena an der Main Street vor und hinter dem Rednerpult! Geistliche aller Weltreligionen, Ex-Präsidenten, Familienmitglieder und Häuptlinge: Alle verneigten sie sich vor einem Mann, dessen Name heute mit Ausgleich und Weltfrieden in Verbindung gebracht wird – obwohl er mit Unterbrechungen 21 Jahre damit zugebracht hat, andere Menschen in einem durch vier Seile markierten Ringquadrat physisch zu zerstören. „Es gibt kein Vergnügen in einem Kampf“, hat er mal gesagt, „aber bei einigen meiner Kämpfe war
EIN K ÄMPFER VOR DEM HERRN
es ein Vergnügen, sie zu gewinnen.“ Und es war ein Vergnügen, das zu verfolgen. Vom Olympiasieg 1960 in Rom, der ihm als 18-jähriges Halbschwergewicht gelang, zumindest bis zum dritten, unerbittlichsten Duell mit Joe Frazier, dem „Thrilla in Manila“ (1975). Vielleicht auch noch ein Stück weiter, bis zu dem Abend in New Orleans im September 1978, als er, schon 36, im Rückkampf mit Leon Spinks ein drittes Mal den kostbaren Titel gewann. Also noch mal „Gottes großer Zeh“ wurde, wie der amerikanische Romancier Norman Mailer den Nimbus eines Champions im Schwergewicht bezeichnete. Der letzte sportliche Triumph: Er war eine Spätblüte, wie man im Nachhinein weiß, und auch grandiose Täuschung. Weil er die allermeisten, inklusive seiner selbst, dazu verführt hat, an eine Fortsetzung zu glauben. So folgten die letzten beiden Kämpfe, Holmes und Berbick, von denen es heißt, dass man sie besser vergessen sollte. Aber natürlich sitzt das einfach nicht drin. Nicht bei so einem, der überall auf der Welt Leute dazu gebracht hat, zu jeder nur denkbaren Uhrzeit den Fernseher einzuschalten – immer wieder gespannt, ob der vorlaute Held seine stolze Saga weiter ausbauen könnte oder „über Nacht alt“ geworden sei, wie man so sagt. Manche seiner 61 Kämpfe (56 Siege) waren schnell vergessen, völlig zu Recht: Aufbaukämpfe der üblichen Art oder Vergleiche, bei denen er von vornherein klar überlegen war. Der gealterte
Archie Moore, der gealterte Floyd Patterson. Der überforderte Brian London, der überforderte Jürgen Blin. Andere waren dafür sehr erstaunlich – und einige sensationell. Kämpfe des Jahres, des Jahrzehnts, des Jahrhunderts. Die großen Bravourstücke des Boxers Muhammad Ali nahten immer dann, wenn er vermeintlich schwächer, weil physisch unterlegen war. Und trotzdem Goliath schlug. So wie im Februar 1964, als er in Miami den bulligen Sonny Liston forderte – einen damals für unangreifbar gehaltenen Champion, der nach sechs frustrierenden Runden einfach auf seinem Stuhl sitzen blieb. Während sein Bezwinger aus dem Ring in Richtung der Reporter bellte: „I told you so! I told you so!“ Oder im Oktober 1974, als Berichterstatter vor dem „Rumble in the Jungle“ in Kinshasa hinter seinem Rücken um Alis Gesundheit fürchteten – und dann erlebten, wie der noch bulligere, noch unangreifbarere George Foreman ausmanövriert wurde. Nicht mehr so tänzerisch, doch umso gewitzter, kühner in der Strategie. Weniger schlaggewaltig, und doch durchdringender in der flinken Kombination der Treffer; weniger massig, dennoch auffallend stark und zäh: Beson-
Ali während einer Demonstration gegen Filme mit starken gewalttätigen und sexuellen Inhalten, wobei er seinen US-amerikanischen Kontrahenten Ken Norton verunglimpft, weil dieser in einem solchen Film mitspielte.
„I told you so! I told you so!“ 19
ALI VS. GERMANY
Ali beim Training in Frankfurt vor dem Kampf gegen Karl Mildenberger.
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ALI VS. MILDENBERGER
ALI VS. MILDENBERGER
„DAS IST AUCH KEIN ÜBERMENSCH“, gibt sich Karl Mildenberger im Anlauf zum 55. Kampf in seiner Profikarriere überzeugt. Damit ist Muhammad Ali gemeint, den der amtierende Europameister aus Kaiserslautern, Nummer vier der Weltrangliste, am 10. September 1966 um dessen WM-Titel fordert. Es ist die erste Schwergewichts-WM auf deutschem Boden, und Mut ist unabdingbar, wenn der 1,86 Meter große Linksausleger sein Publikum im Frankfurter Waldstadion überzeugen will. Sagt ihm ein Teil der Presse doch nach, so zu boxen, wie Inter Mailand Fußball spielt: ohne echtes Risiko. Davon kann an dem groß inszenierten Abend keine Rede sein. Vor annähernd 40.000 Zuschauern entscheidet sich „Milde“ dafür, von Beginn an unbequem zu sein. Manche seiner Haken zum Körper finden ihr Ziel, immer wieder sucht der Herausforderer den Schlagabtausch. Aber Alis Fäuste fliegen einfach schneller. Zum Ende der fünften Runde bringen sie den Pfälzer das erste Mal, in Runde acht das zweite Mal und in Runde zehn zum dritten Mal zu Boden. Mildenberger wird zunehmend langsamer, sein Drama ist jetzt nicht mehr aufzuhalten. Mitte des zwölften Durchgangs nimmt der englische Ringrichter Teddy Waltham den über beiden Augen gezeichneten Deutschen zu Recht aus dem Kampf. Für den Sieger ist es der schwerste Kampf seit den Begegnungen mit Sonny Liston, wie er danach beteuert – vielleicht ein wenig zu höflich. Für den tapferen Verlierer, den begeisterte Zuschauer auf Händen in die Kabine tragen, wird es der Eintritt in die ewige Ruhmeshalle: Diese Niederlage zählt mehr als seine 53 Siege bis 1968.
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ALI VS. EUROPE
oben: Der Brite Richard Dunn schlägt sich zwar tapfer, hat aber nicht die Klasse Alis. Der Kampf im Mai 1976 in der Olympiahalle in München endet in der fünften Runde. unten: Im Juni 1975 gewinnt Ali einstimmig nach 15 Runden in Malaysia gegen Joe Bugner.
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STIPPVISITEN
Irgendein Europäer, irgendein Ort: So scheint das vage Rezept zu lauten für Alis Auftritte zwischen den wirklich markanten Kämpfen in den Siebzigern. In Zürich demoliert er den Norddeutschen Jürgen Blin (1971), in San Juan auf Puerto Rico den Belgier Jean Coopman und in München Richard Dunn aus West Yorkshire (beide 1976). Nur der Niederländer Rudy Lubbers (Jakarta, 1973), der ungarisch-britische Joe Bugner (Las Vegas, 1973, und Kuala Lumpur, 1975) und der in Montevideo geborene Spanier Alfredo Evangelista (1977, Landover, USA) kommen jeweils über die volle Distanz. In Dublin wird mit Alvin Lewis 1972 sogar ein amerikanischer Profi der dritten Reihe zu einem Duell ohne Titel einbestellt. Ali testet auf diese Weise manchmal seine Form, manchmal seine Bekanntheit, streicht lukrative Börsen ein – und kann auf vier Kontinenten seinen Anspruch untermauern, „The People’s Champion“, also eine universale Marke zu sein.
Britische Rivalen: Vor dem Duell mit Richard Dunn sucht der Champion PR-trächtigen Streit (oben), in den Kämpfen mit Joe Bugner in Las Vegas und Kuala Lumpur muss er jeweils über die volle Distanz gehen.
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„Ali war so schön und mutig, wie wir gern wären, und in den letzten drei Jahrzehnten seines Lebens so schutzlos und zäh, wie es viele von uns sind.“ THOMAS HÜETLIN, DER SPIEGEL
„Ali hatte schon während seiner Zeit als Faustkämpfer die Sphäre des nur Sportlichen verlassen. In einer Ära, in der Pop den Kulturbegriff weitete, schwang Ali sich zum Star auf, der souverän die Grenzen zwischen Kultur und Unterhaltung und Politik niederriss.“ CHRISTOPH ALBRECHT-HEIDER, FRANKFURTER RUNDSCHAU
„Der junge Mann, der als Verräter denunziert wurde, wurde in die ikonische Figur unserer Zeit transformiert, eine mitfühlende Figur, die alle Rassen zu transzendieren scheint.“ JOYCE CAROL OATES, NEW YORK TIMES
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„Was blieb und bleibt ist die Erinnerung an einen sehr eigensinnigen Athleten, der auf einzigartige Weise Leistung und Show verband, aber niemals um Taten verlegen war, die seine großen Worte bewährten.“ JÜRGEN KAUBE, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
„Es ging nicht nur um Sport, sondern auch um Gnade. Muhammad Ali war ein Messias, nicht mehr und nicht weniger. Und wie jeder anständige Messias hinterlässt er uns seine frohe Botschaft auf dem Hintergrund eines gewaltigen Scheiterns.“ GEORG SEESSLEN, DIE ZEIT
„Eine Haltung haben, dafür geradestehen. Ein Opfer bringen. Klingt alles staubig, ja ja. Aber nichts macht einen größer als das. Keine boxerische Glanztat, kein Rap-Gedicht. Der Tod von Ali berührt die Leute auch deshalb, weil er als Sportler ein Mann war, der sich berühren ließ vom Unrecht in der Welt.“ HOLGER GERTZ, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
Olympia 1996 in Atlanta: Muhammad Ali darf das Feuer der Spiele entzünden. 111
Er war der wohl größte und bedeutendste Sportler aller Zeiten. Geboren im Januar 1942 in Louisville, Kentucky, als Cassius Clay, wurde er unter seinem selbst gewählten Namen Muhammad Ali zu einer der charismatischsten Persönlichkeiten im Sport. Ali wollte die Welt verändern, er kämpfte nicht nur gegen seine Kontrahenten, sondern auch gegen Krieg, Armut und Sklaverei. Seine Fans begeisterte er im Ring, und bis zuletzt bewegte er die Menschen mit seinem Kampf gegen die Parkinson-Krankheit. Dieses Buch erzählt Alis Leben in vielen großformatigen und unveröffentlichten Fotos sowie kompakten Texten. Es geht um seine legendären Boxkämpfe mit dem „Rumble in the Jungle“ als Höhepunkt und um sein Leben außerhalb des Rings. Denn auch abseits des Sports war er ein besonderer Mensch, der seine zahlreichen Fans faszinierte.
„In seiner Gegenwart mochten sogar jene Leute Ali, die Ali nicht mochten.“ BIOGRAF THOMAS HAUSER ISBN 978-3-7307-0311-3 VERLAG DIE WERKSTATT