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SO DENKT DIE POLITIK

UKRAINE-KRIEG:

Die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine treffen auch die europäische Wirtschaft und die Kapitalmärkte mit voller Wucht. Der Börsianer hat bei den heimischen Parlamentsparteien nachgefragt, welche Maßnahmen und Hilfen es in der aktuellen Situation braucht.

TEXT JAKOB DUMFARTH

Die europäische Wirtschaft und Kapitalmärkte wurden mit voller Härte vom Krieg in der Ukraine getroffen. Der österreichische Leitindex ATX begab sich auf Talfahrt und rasselte temporär auf unter 3.000 Punkte. Die westlichen Staaten haben als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg umfassende Sanktionen (Seite 26) beschlossen. Diese beinhalten das Einfrieren der Vermögenswerte der russischen Zentralbank und russischer Oligarchen, den Ausschluss von sieben Banken am Zahlungssystem Swift, die Sperre des EU-Luftraums für russische Flugzeuge und das Verbot der russischen Staatsmedien RT sowie Sputnik. Privatpersonen bekommen die Auswirkungen an der Tanksäule oder der Supermarktkasse zu spüren. Laut Statistik Austria betrug die Inflation im Februar 2022 bereits 5,9 Prozent. Forderungen nach einem Embargo von russischem Öl und Gas kamen jüngst aufs Tapet. Der Börsianer hat bei den Parlamentsparteien nachgefragt, wie nach deren Einschätzung die wirtschaftlichen Schäden minimiert werden können und die Abhängigkeit zu russischem Öl und Gas reduziert werden kann.

Wie möchten Sie Unternehmen und Banken unterstützen, die durch

die Sanktionen schwere wirtschaftliche Verluste verzeichnen? - Die Sanktionen sind absolut notwendig angesichts des unprovozierten russischen Krieges in der Ukraine. Leider hat dies Auswirkungen auf heimische Unternehmen. Einige exportierende Unternehmen werden sich neu orientieren müssen. Für Unternehmen, die von den Sanktionen besonders stark betroffen sind, kommen Maßnahmen wie etwa die Kurzarbeit oder auch Kreditgarantien infrage. Bereits jetzt wurde im Rahmen der Internationalisierungsoffensive go-international durch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und die Außenwirtschaft Austria der WKÖ ein Unterstützungspaket für betroffene Unternehmen erstellt.

Wie kann man die Bevölkerung hinsichtlich der Inflation und Teue-

rung unterstützen? – Im Rahmen der ökosozialen Steuerreform mit einem Volumen von 18 Milliarden Euro wurden bereits die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer, die Erhöhung des Familienbonus oder die Anhebung des Pensionistenabsetzbetrages beschlossen und somit erhebliche Maßnahmen für die Entlastung der Menschen in Österreich beschlossen. Bei der aktuellen Inflation ist es notwendig, weitere Maßnahmen für den Erhalt der Kaufkraft zu setzen und den steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken.

Wie soll Österreichs Abhängigkeit gegenüber russischem Erdgas

reduziert werden? - Um die Grundversorgung der Menschen aufrechtzuerhalten und den Kreislauf der Wirtschaft nicht zu stoppen, ist die Sicherstellung von leistbarer Energie eine Grundvoraussetzung. Es nun geht darum, die Gasversorgung kurz- und mittelfristig sicherzustellen. Es sind Strompreiskompensationen für energieintensive Unternehmen oder das vorübergehende Aussetzen der Energiesteuern denkbar.

Karlheinz Kopf Finanzsprecher ÖVP

WAS BRAUCHT DIE WIRTSCHAFT JETZT?

Christoph Matznetter Wirtschaftssprecher SPÖ Erwin Angerer Wirtschaftssprecher FPÖ

Wie möchten Sie Unternehmen und Banken unterstützen, die durch die Sanktionen schwere wirtschaftliche Verluste verzeichnen? - Die SPÖ setzt sich für die Schaffung eines Krisenüberbrückungsfonds ein. Der Fonds soll in erster Linie rasch Liquidität für jene Unternehmen bereitstellen, die nicht nur von den Sanktionen, sondern auch von Problemen in der Lieferkette - wie zum Beispiel in der Automobilproduktion – betroffen sind. Verluste von Banken, die in den letzten zehn Jahren gute Gewinne gemacht haben, dürfen aber nicht dem Steuerzahler umgehängt werden.

Wie kann man die Bevölkerung hinsichtlich der Inflation und Teu-

erung unterstützen? - Die SPÖ hat dazu ein umfassendes Paket vorgestellt. Dazu zählt eine Erhöhung der Pendlerpauschale sowie eine Systemreform, sodass Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen die gleich hohe Pendlerförderung bekommen wie Hocheinkommensbezieher. Zurzeit bekommt der Manager mehr als das Doppelte an Pendlerförderung wie seine Mitarbeiter bei gleichem Arbeitsweg, und das ist nicht gerecht. Als Sofortmaßnahme schlagen wir die befristete Abschaffung der Mehrwertsteuer für Strom, Gas und Sprit vor sowie einen Preisdeckel bei Strom und Gas für niedrige Haushaltseinkommen. Für diese Einkommen soll es zusätzlich noch einen Teuerungsausgleich in der Höhe von 300 Euro geben.

Wie soll Österreichs Abhängigkeit gegenüber russischem Erdgas

reduziert werden? - Langfristig lässt sich – aufgrund von Kapazitätsengpässen etwa bei LNG – die Abhängigkeit nur durch große Investitionen in Energieeffizienz sowie die Umstellung auf erneuerbare Energien reduzieren. Diese Investitionen sollten sofort erfolgen. Der Staat wird heute höhere Defizite dafür in Kauf nehmen müssen, dafür schafft man aber mehr Arbeitsplätze und kann so in ein paar Jahren die Abhängigkeit reduzieren.

Wie möchten Sie Unternehmen und Banken unterstützen, die durch

die Sanktionen schwere wirtschaftliche Verluste verzeichnen? - Aus unserer Sicht wäre eine Unterstützung von Banken und Versicherungen, die mit ihren Tochtergesellschaften in ausländischen Märkten tätig waren und sind, durch den österreichischen Staat und damit den Steuerzahler klar abzulehnen. Bei sonstigen Unternehmen und hier insbesondere KMUs wäre eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen.

Wie kann man die Bevölkerung hinsichtlich der Inflation und Teu-

erung unterstützen? - Es braucht unbedingt Maßnahmen, um die Teuerung zu stoppen. Wie etwa Halbierung der Mehrwertsteuer auf Energieträger wie Strom, Gas und Heizöl; Einführung eines bundesweiten Heizkostenzuschusses in Höhe von 300 Euro sowie Deckelung der Energiepreise bei jenen Energieversorgern, die im Besitz der öffentlichen Hand sind; Halbierung der Mehrwertsteuer bei Treibstoffen und in weiterer Folge auch eine Reduktion der Mineralölsteuer; die ab Juli geplante CO2-Strafsteuer muss generell gestrichen werden. Stattdessen soll das Pendlerpauschale von 300 auf 450 Euro brutto und das amtliche Kilometergeld von 42 auf 50 Cent angehoben werden; Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel; Sozialpartner sollen Lohnabschlüsse ausverhandeln, die zumindest die Inflation abdecken.

Wie soll Österreichs Abhängigkeit gegenüber russischem Erdgas re-

duziert werden? – Derzeit sind die heimischen Gasspeicher nur zu rund 16 Prozent gefüllt. Die Speicherpflicht ist auf eine gesetzliche Basis zu stellen, um eine Pflichtnotstandsreserve für Erdgas zu schaffen, die den Verbrauch von 90 Tagen abdecken kann. Zudem braucht es einen Maßnahmenmix aus sofort umsetzbaren und zukunftsgerichteten Ansätzen, damit Versorgungsengpässe künftig kein Thema mehr sind.

600

Millionen Euro ist der Energiekostenausgleich schwer, den die österreichische Regierung am 23. März 2022 beschlossen hat. Hauptwohnsitze bekommen einen Gutschein von 150 Euro. Unternehmen mit energieintensiver Produktion können einen Teil der bezahlten Energieabgaben vom Finanzamt zurückfordern.

Simon Pötschko Pressesprecher der Klubobfrau GRÜNE Gerald Loacker Wirtschaftssprecher NEOS

Wie möchten Sie Unternehmen und Banken unterstützen, die durch die Sanktionen schwere wirtschaftliche Verluste verzeichnen? Soll

der Staat die Verluste der Unternehmen abdecken? - In solchen Fällen ist eine Kurzarbeit denkbar. Ein Fixkostenzuschuss oder Verlustersatz ist nicht notwendig, da es sich hierbei um ein unternehmerisches Risiko handelt.

Wie kann man die Bevölkerung hinsichtlich der Inflation und Teu-

erung unterstützen? – Die zentralen Punkte lauten: sozial treffsicher, ökologisch nachhaltig und ökonomisch vernünftig. Uns ist wichtig, dass Menschen, denen diese Teuerung das Leben wirklich schwermacht, das heißt jene mit geringem Einkommen, am meisten von staatlichen Maßnahmen spüren.

Wie soll Österreichs Abhängigkeit gegenüber russischem Erdgas re-

duziert werden? – Dafür sind drei Dinge zentral: - Bevorratung verpflichten / staatlich machen, weil der Markt offensichtlich nicht genug eingespeichert hat - Diversifikation - Raus aus Gas: Erneuerbare-Wärme-Gesetz und Transformationsfonds.

Wie möchten Sie Unternehmen und Banken unterstützen, die durch

die Sanktionen schwere wirtschaftliche Verluste verzeichnen? – Wer in oder mit Russland und der Ukraine Geschäfte macht, wusste jederzeit um das politische Risiko, das mit solchen Geschäftsverbindungen verknüpft ist. Und was die aktuelle Energiepreisentwicklung in Österreich betrifft: Die wird noch länger andauern. Wir brauchen Maßnahmen, die Österreich auch dauerhaft stemmen kann. Österreich ist ein Hochsteuerland, da kann man schon mit Kürzungen bei den Lohnnebenkosten eine erste, schnelle Entlastung sicherstellen.

Wie kann man die Bevölkerung hinsichtlich der Inflation und Teu-

erung unterstützen? - Die Abschaffung der kalten Progression ist der beste Inflationsschutz und sollte sofort umgesetzt werden. Diese Maßnahme würde alle Einkommenssteuerzahler entlasten. Wer unter der steuerlich relevanten Einkommensgrenze von 11.000 Euro pro Jahr liegt, ist auf weitere Transfers angewiesen und kann von den Ländern auf dem Weg der Sozialhilfe in Form von gesonderten Krisen-Heizkostenzuschüssen unterstützt werden. Grundsätzlich müssen wir vorsichtig sein, dass die Regierung nicht mit Populismus in Form von sehr viel Steuergeld die Inflation noch weiter anheizt.

Wie soll Österreichs Abhängigkeit gegenüber russischem Erdgas

reduziert werden? - Es wird einige Zeit dauern, die jahrelang fehlgeleitete Energiepolitik zu korrigieren. Wir müssen sofort unsere Gasversorgung aus anderen Quellen erhöhen - durch eine europaweit koordinierte Steigerung der LNG-Importe und nichtrussischer Pipelinekapazitäten und die Ausweitung der heimischen Biogasproduktion. Und wir müssen den Bedarf senken, indem wir die Sanierungsrate massiv erhöhen, den Heizungstausch vorantreiben und bei Industrieprozessen Alternativen zum fossilen Gas forcieren.

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