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MARTIN KWAUKA

AUFRUHR AN DER TANKSTELLE

Der Finanzminister lässt Milliarden springen, um Sprit und Heizen zu verbilligen. Es ist aber nicht die Aufgabe des Staates, mit der Gießkanne steigende Preise auszugleichen. Viel wichtiger wäre es, die inländische Produktion und die nötige Infrastruktur rasch hochzufahren.

„Bekanntlich ist Benzin ja ein besonderer Saft.“

VITA MARTIN KWAUKA

Finanzjournalist

Der leidenschaftliche Weinbauer (61) ist seit 23 Jahren Finanz- und Wirtschaftsjournalist. Zu den wichtigsten Stationen des gebürtigen Deutschen zählen die langjährige Chefredaktion des Magazins „Format“ und das seit 2015 von ihm organisierte Finanzjournalistenforum. Sein Steckenpferd ist die Altersvorsorge. Sich selbst beschreibt der studierte Agrarökonom als chronisch neugierig.

Nichts bringt das Blut eines Autofahrers so sehr in Wallung wie teurer Sprit. Dabei ist der Anteil der Ausgaben für den Treibstoff an den Gesamtkosten eines Autos immer noch überschaubar. Wir nehmen als Beispiel einen neuen VW Golf mit 96 kW, der fünf Jahre lang insgesamt 100.000 Kilometer gefahren wird. Laut ÖAMTC-Auto-Info verursacht die Limousine in dieser Zeit Gesamtkosten von gut 40.000 Euro, der bei weitem größte Posten ist davon der Wertverlust. Beim Tanken schluckt der BMW in der ÖAMTC-Kalkulation 5.900 Liter Benzin, das wären bei einem Literpreis von 1,69 Euro knapp 10.000 Euro, also nicht einmal ein Viertel der Kosten. Besonders floriert das Geschäft mit teuren Luxuskarossen, so ist die MercedesG-Klasse bis zum Jahr 2024 ausverkauft. Aber wehe, das Tanken wird teurer, dann herrscht selbst im friedlichen Österreich Aufruhrstimmung. Und das unisono in allen Einkommensschichten.

Die Politiker sind prompt alarmiert. Insgesamt will die Koalition fast vier Milliarden Euro verbraten, um die Folgen der teuren Energiepreise zu dämpfen. Und die Autofahrer werden, der Populismus lässt grüßen, besonders gut bedacht, mancher steigt sogar mit Gewinn aus: Die Höhe der Pendlerpauschale wurde seit dem Jahr 2011 nicht mehr angepasst. Doch jetzt sitzt beim Finanzminister das Geld locker, Pendler können um 50 Prozent mehr von der Steuer absetzen. Ein echtes Zubrot: Damals im Jahr 2011 kostete ein Liter Diesel im Schnitt 1,344 Euro. Am Tag, als der Finanzminister jetzt das Füllhorn über die Autofahrer ausschüttete, war der Diesel an dutzenden Tankstellen für weniger als 1,79 Euro zu bekommen. Das entspricht einer Gesamtverteuerung in elf Jahren von rund 33 Prozent (beim Superbenzin 22,5 Prozent). Zum Vergleich: Der Index der Verbraucherpreise stieg seit 2011 um 23,7 Prozent, die Gesamtinflation war in dieser Zeitspanne sogar leicht höher als bei Super.

Die normale Teuerung hat einen Politiker bisher zu keinen Spontanreaktionen verleitet. Aber bekanntlich ist Benzin ja ein besonderer Saft. Und weil es ja eh schon wurscht ist, wird zusätzlich der Pendlereuro gleich vervierfacht. Angeblich sind die Maßnahmen bis Mitte 2023 begrenzt. Den Autofahrern die Marie danach wieder wegzunehmen wird ähnlich schwer wie den Senf zurück in die Tube zu drücken. Schließlich gibt es spätestens 2024 Nationalratswahlen.

Und es gibt wenig Hoffnung, dass Sprit, Strom und Gas in Zukunft wieder deutlich günstiger werden. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen und die Abschaltung vieler Kraftwerke wird die verbleibende Energie tendenziell noch knapper und teuer werden lassen. Und was dann? Will der Staat künftig jede Teuerung abfedern und die Schulden späteren Generationen anlasten? Das kann nicht der Sinn sein. Natürlich müssen Menschen, die sich das Heizen nicht mehr leisten können, finanziell unterstützt werden. Das ist aber die Aufgabe der Sozial- und nicht der Steuerpolitik mit der Gießkanne.

Viel wichtiger ist es, das Problem an der Wurzel zu bekämpfen und Österreich unabhängiger von Importenergie zu machen. Ja, es sind im aktuellen Paket der Bundesregierung auch 250 Millionen für den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik eingeplant. Aber das ist viel zu wenig im Vergleich zu den kurzfristigen Preisstützungen. Außerdem gibt es zunehmend Probleme, den Solarstrom ins Netz fließen zu lassen, weil die Leitungen an einem sonnigen Tag viel zu schwach sind.

Vor kurzem warnte die Energie Steiermark, dass allein in der Oststeiermark 600 Megawatt auf Einspeisung warten. Mit dieser Leistung könne man an einem sonnigen Tag die gesamte Steiermark versorgen. Aber eben nur theoretisch. Und, so die Energie Steiermark, man werde in den kommenden zehn Jahren viel Geld in den Netzausbau stecken. Wäre es nicht viel sinnvoller, alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass der saubere Strom seinen Weg findet, als kurzfristig Milliarden zu verpulvern? n

MARTIN KWAUKA

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