Börsianer 49. Ausgabe, Q2 2022

Page 96

SEITENBLICKE MARKTGEFLÜSTER

AUFRUHR AN DER TANKSTELLE Der Finanzminister lässt Milliarden springen, um Sprit und Heizen zu verbilligen. Es ist aber nicht die Aufgabe des Staates, mit der Gießkanne steigende Preise auszugleichen. Viel wichtiger wäre es, die inländische Produktion und die nötige Infrastruktur rasch hochzufahren.

N

VITA MARTIN KWAUKA Finanzjournalist Der leidenschaftliche Weinbauer (61) ist seit 23 Jahren Finanz- und Wirtschaftsjournalist. Zu den wichtigsten Stationen­des gebürtigen Deutschen zählen die lang­ jährige Chefredaktion des Magazins „Format“ und das seit 2015 von ihm organisierte Finanzjournalistenforum. Sein Steckenpferd ist die Altersvorsorge. Sich selbst beschreibt der studierte Agrarökonom als chronisch neugierig.

ichts bringt das Blut eines Au-

die Abschaltung vieler Kraftwerke wird

tofahrers so sehr in Wallung wie

die verbleibende Energie tendenziell

teurer Sprit. Dabei ist der Anteil

der Ausgaben für den Treibstoff an den Gesamtkosten eines Autos immer noch überschaubar. Wir nehmen als Beispiel einen neuen VW Golf mit 96 kW, der fünf Jahre lang insgesamt 100.000 Kilometer

„­Bekanntlich ist Benzin ja ein besonderer Saft.“ MARTIN KWAUKA

noch knapper und teuer werden lassen. Und was dann? Will der Staat künftig jede Teuerung abfedern und die Schulden späteren Generationen anlasten? Das kann nicht der Sinn sein. Natürlich müssen Menschen, die sich das Heizen nicht mehr leisten können, finanziell

gefahren wird. Laut ÖAMTC-Auto-Info

unterstützt werden. Das ist aber die Auf-

verursacht die Limousine in dieser Zeit Gesamtkosten von gut 40.000 Euro, der

Schnitt 1,344 Euro. Am Tag, als der Fi-

gabe der Sozial- und nicht der Steuerpo-

bei weitem größte Posten ist davon der

nanzminister jetzt das Füllhorn über die

litik mit der Gießkanne.

Wertverlust. Beim Tanken schluckt der

Autofahrer ausschüttete, war der Die-

Viel wichtiger ist es, das Problem an

BMW in der ÖAMTC-Kalkulation 5.900

sel an dutzenden Tankstellen für we-

der Wurzel zu bekämpfen und Österreich

Liter Benzin, das wären bei einem Liter-

niger als 1,79 Euro zu bekommen. Das

unabhängiger von Importenergie zu ma-

preis von 1,69 Euro knapp 10.000 Euro,

entspricht einer Gesamtverteuerung in

chen. Ja, es sind im aktuellen Paket der

also nicht einmal ein Viertel der Kosten.

elf Jahren von rund 33 Prozent (beim Su-

Bundesregierung auch 250 Millionen für

Besonders floriert das Geschäft mit teu-

perbenzin 22,5 Prozent). Zum Vergleich:

den Ausbau von Windkraft und Photo-

ren Luxuskarossen, so ist die Mercedes-

Der Index der Verbraucherpreise stieg

voltaik eingeplant. Aber das ist viel zu

G-Klasse bis zum Jahr 2024 ausverkauft.

seit 2011 um 23,7 Prozent, die Gesam-

wenig im Vergleich zu den kurzfristigen

Aber wehe, das Tanken wird teurer, dann

tinflation war in dieser Zeitspanne so-

Preisstützungen. Außerdem gibt es zu-

herrscht selbst im friedlichen Österreich

gar leicht höher als bei Super.

nehmend Probleme, den Solarstrom ins

Die normale Teuerung hat einen Po-

Netz fließen zu lassen, weil die Leitungen

litiker bisher zu keinen Spontanreaktio-

an einem sonnigen Tag viel zu schwach

Die Politiker sind prompt alarmiert.

nen verleitet. Aber bekanntlich ist Ben-

sind.

Insgesamt will die Koalition fast vier

zin ja ein besonderer Saft. Und weil es ja

Milliarden Euro verbraten, um die Fol-

eh schon wurscht ist, wird zusätzlich der

Steier­mark, dass allein in der Oststei-

gen der teuren Energiepreise zu dämp-

Pendlereuro gleich vervierfacht. Angeb-

ermark 600 Megawatt auf Einspeisung

fen. Und die Autofahrer werden, der Po-

lich sind die Maßnahmen bis Mitte 2023

warten. Mit dieser Leistung könne man

pulismus lässt grüßen, besonders gut

begrenzt. Den Autofahrern die Marie da-

an einem sonnigen Tag die gesam-

bedacht, mancher steigt sogar mit Ge-

nach wieder wegzunehmen wird ähnlich

te Steiermark versorgen. Aber eben nur

winn aus: Die Höhe der Pendlerpauscha-

schwer wie den Senf zurück in die Tube

theoretisch. Und, so die Energie Steier-

le wurde seit dem Jahr 2011 nicht mehr

zu drücken. Schließlich gibt es spätes-

mark, man werde in den kommenden

angepasst. Doch jetzt sitzt beim Finanz-

tens 2024 Nationalratswahlen.

zehn Jahren viel Geld in den Netzausbau

Aufruhrstimmung. Und das unisono in allen Einkommensschichten.

Vor

kurzem

warnte

die

Energie

minister das Geld locker, Pendler kön-

Und es gibt wenig Hoffnung, dass

stecken. Wäre es nicht viel sinnvoller,

nen um 50 Prozent mehr von der Steu-

Sprit, Strom und Gas in Zukunft wie-

alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass

er absetzen. Ein echtes Zubrot: Damals

der deutlich günstiger werden. Die Ab-

der saubere Strom seinen Weg findet, als

im Jahr 2011 kostete ein Liter Diesel im

kehr von fossilen Brennstoffen und

kurzfristig Milliarden zu verpulvern? n

96


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.