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3. Teil: Interview
POTENZIAL FÜR RÜCKSCHLÄGE
Bastian Gries, globaler Leiter Investment Grade & Asset Allocation bei Oddo BHF Asset Management, mahnt davor, die Folgen der Zinswende auf die Bondmärkte zu unterschätzen. Die Ausfallraten dürften Gries zufolge allerdings nur moderat steigen.
TEXT RAJA KORINEK
Zinsbewegung. Anleger rechnen bereits wieder mit einer Konjunkturabschwächung, sagt Bastian Gries.
Es war ein kleines Aufflackern nach einer monatelangen Talfahrt: Nach dem Ausbruch der Ukraine-Krise profitierten kurzzeitig deutsche Staatsanleihen einmal mehr als sicherer Hafen. Deren Kurse setzten den Abschwung danach allerdings wieder rasch fort. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.
Herr Gries, ist das Ende einer langjährigen Hausse bei sicheren Häfen nunmehr er-
reicht? - In einer ersten Reaktion auf den Kriegsausbruch sind die Kurse sowohl bei US-Treasuries als auch bei deutschen Bundesanleihen gestiegen. Inzwischen überwiegt aber wieder die Sorge steigender Inflationsraten und damit einhergehend das allmähliche Ende der lockeren Geldpolitik in vielen Regionen der Welt. In solch einem Umfeld verlieren bereits emittierte Bonds meist an Wert, sie sind derzeit mit einer historisch geringen Verzinsung ausgestattet. Das weitere Rückschlagpotenzial bei den Kursen deutscher Bundesanleihen ist deshalb groß. Zur Portfolioabsicherung macht eine CashPosition mehr Sinn.
Nicht alle Großanleger dürfen aufgrund ihrer Anlagerichtlinien größere Cash-Posi-
tionen halten. Gibt es Alternativen? - Geldmarktfonds eigenen sich ebenfalls. Sie investieren in sehr kurz laufende Papiere. Weil Anleger bei dieser Anlageklasse rasch wieder an ihr eingesetztes Kapital kommen, halten sich das Ausfallrisiko und somit auch die Kursschwankungen in Grenzen. Wir raten zu soliden Emittenten mit einer Bonitätsnote von zumindest einem „AA-“ und einer durchschnittlichen Laufzeit von maximal drei Monaten.
Die steigenden Energiepreise treiben die Inflation zusätzlich an und dämpfen den Konjunkturausblick. Ist gar eine Stagflation, ein Umfeld steigender Inflation bei gleichzei-
tigem Konjunkturrückgang, denkbar? - In den USA preist die Zinskurve inzwischen eine Wachstumsverlangsamung ein. Die Zinsdifferenz hat sich zwischen zwei- und zehnjährigen Treasuries Mitte März auf beinahe null Prozent verflacht. Das bedeutet, Anleger rechnen künftig bereits wieder mit einer Konjunkturabschwächung und damit allmählich sinkenden Zinsen. Auch das Risiko einer Stagflation hat sich deutlich erhöht. Dennoch gilt es abzuwarten, wie sehr sich die steigenden Energiepreise und Probleme bei den Lieferketten auf die Konjunktur auswirken, insbesondere falls die Energiepreise wieder sinken sollten.
Die EZB hat auf ihrer jüngsten Sitzung verkündet, das Anleihekaufprogramm APP aller Voraussicht 2022 zu beenden. Davon hatten vor allem Peripherieländer wie das hochverschuldete Italien profitiert. Wie wird es mit entsprechenden Staatsanleihen weitergehen? - Die Risikoaufschläge bei Staatsanleihen aus der Peripherie gegenüber deutschen Bundesanleihen dürften weiter steigen. Allein Mitte März waren die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen auf rund 1,96 Prozent geklettert, während deutsche Pendants bei rund 0,36 Prozent rentierten. Grund zur Sorge sehe ich in der Entwicklung aus aktueller Sicht jedoch nicht. Die EZB will eine Fragmentierung der Eurozone vermeiden und könnte notfalls gegensteu-
ern, falls die Kurse italienischer Staatsanleihen allzu kräftig fallen. Auch die EU hat zuletzt wichtige Schritte gesetzt, etwa mit dem Start des 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“. Das hat die Glaubwürdigkeit der Eurozone immens gestärkt.
Sie managen unter anderem den Oddo BHF Sustainable Credit Opportunities Fund, der zuletzt einen nennenswerten Anteil des Portfolios in europäische Bankanleihen investierte, etwa in die italienische Banca Intesa Sanpaolo sowie die spanische BBVA. Manch ein Emittent sorgte zuletzt mit seinem Russland-Exposure aber für Schlagzeilen. Wie
gehen Sie vor? - Der Russlandanteil am Gesamtgeschäft ist bei europäischen Banken im Großen und Ganzen überschaubar. Wir haben jedoch den Anteil nachrangiger Anleihen reduziert und im Gegenzug bei vorrangigen Bankanleihen aufgestockt, wobei wir unter anderem auch bei großen Instituten aus Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien fündig wurden. Die Branche ist insgesamt gut aufgestellt, die Kapitalausstattung im Vergleich zur Finanzkrise von 2008 weitaus höher.
Sie nutzen Chancen auch anderswo, beispielsweise im Telekomsektor mit Papieren der Deutschen Telekom. Worauf achten
Sie bei der Branchenwahl? - Generell sind wir derzeit dem Telekomsektor wohlgesinnt, da die Branche eine gute konjunkturelle Resistenz aufweist und die Unternehmen, in die wir investieren, wenig Berührungspunkte zu den geopolitischen Spannungen haben. Wir sprechen hier meist von sogenannten nationalen „Champions“ der Branche, die über große Kapitalstrukturen verfügen, mit ihrem Geschäft sehr gute Cashflows generieren und in der jüngeren Historie häufig auf Schuldenreduzierung und die Verbesserung der Bilanzen fokussiert waren. Etwas Vorsicht lassen wir demgegenüber im Versorgersektor walten. Hier ist bei einigen Unternehmen die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen recht hoch, was derzeit zu einer erhöhten Unsicherheit führt.
Die jüngsten wirtschaftlichen Turbulenzen werden sich vermutlich auf die Ausfallraten bei den Schuldnern weltweit auswirken.
Müssen sich Anleger sorgen? - Grundsätzlich sollte man verstärkt auf eine gute Bonität und auf ein breit diversifiziertes Geschäftsmodell der Emittenten achten. Noch signalisieren die Märkte aber keine Nervosität. Die globale Ausfallrate für das gesamte Bonitätsspektrum bei Unternehmensanleihen wird auf die kommenden zwölf Monate bei rund 2,7 Prozent erwartet und liegt damit noch immer weit unter dem langjährigen Durchschnitt von 4,5 Prozent.
Insbesondere der US-Hochzinsmarkt rückte jüngst ins Rampenlicht vieler Anleger aufgrund des hohen Anteils an Energieemitten-
ten. Lohnt sich noch der Blick? - Die Preise für Energieanleihen aus dem Segment haben zuletzt kräftig zugelegt, weshalb US-Hochzinsanleihen im Vergleich zu US-Bonds aus dem Investment-GradeBereich derzeit verhältnismäßig teuer sind. Das gilt auch im Vergleich zu europäischen Hochzinsanleihen und Bonds aus den Schwellenländern. Aktuell gibt es interessantere Chancen.
% MEINE RENDITE
Bastian Gries, globaler Leiter Investment Grade & Asset Allocation bei Oddo BHF Asset Management, mahnt angesichts steigender Infationsraten und der damit einhergehenden Zinswende zu Vorsicht bei Anleiheinvestments. Dies gilt vor allem für sehr solide, äußerst gering verzinste Bonds. Gries erklärt in diesem Zusammenhang auch, weshalb er in einzelnen Branchen, etwa bei Bank- und Telekomanleihen, dennoch fündig wird. Und weshalb man trotz der Energiehausse bei entsprechenden Branchenbonds Vorsicht walten lassen sollte. n