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OLIVER STOCK
sungen werden teurer und dauern länger. Westliche Firmen, die in Russland produzieren, sind insofern betroffen, weil Im- und Exporte sowie Einkäufe im Land nicht mehr einfach möglich sind.
China als Profiteur
Russland hat aber schon Alternativen entwickelt und arbeitet an Umgehungslösungen. China ist so ein Land und wird laut Felbermayr von den Umgehungsgeschäften profitieren. Nach der Annexion der Krim, als Russland schon mit dem Swift-Ausschluss bedroht wurde, entwickelte die russische Zentralbank das eigene System SPFS. Die Bank of China ist ihr bislang einziger Kooperationspartner außerhalb Russlands. Mit China entwickelte Russland auch eine eigene Kreditkartenfirma, die den Rückzug von Visa und Mastercard abfedern soll.
Als mindestens so wirksam wie Swift erachten Experten die Maßnahmen gegen die Zentralbank, deren Vermögenswerte eingefroren wurden. Damit kann die Zentralbank ihre Devisenreserven und Goldbestände im Gesamtwert von 640 Milliarden US-Dollar zur Stabilisierung der Wirtschaft und vor allem zur Stützung des rasant abwertenden Rubel nicht mehr einsetzen. Das Worst-CaseSzenario wäre ein Währungscrash und ein Zahlungsausfall des Landes. Auch darauf setzt der Westen – im Wissen, dass die Sanktionen erst mittel- bis langfristig wirken und kurzfristig nicht zum Rückzug Russlands aus der Ukraine führen.
KARLHEINZ KOPF Wer sitzt am längeren Hebel?
Bleibt die Gretchenfrage: Wem schaden die Sanktionen mehr, was steht für beide Seiten auf dem Spiel? In einer ersten Einschätzung des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) und des Wifo wird Russland langfristig deutlich im Nachteil gesehen. „Halten Sanktionen lange an und sind sie umfassend, kann sich ihr politisches Wirkungspotenzial vergrößern. Nach einer Anpassungsphase im Welthandel wird Russland deutlich geschwächt dastehen, der Schaden für die Alliierten ist dagegen überschaubar“, sagt Felbermayr. Man könne hoffen, dass die Sanktionen auch dahingehend wirkten, dass der Widerstand im Land wachse.
DIE WELT BRAUCHT ÖSTERREICH JETZT
Die Alpenrepublik hat stets eine Sonderrolle in den Beziehungen des Westens zu Moskau gespielt. Das muss sie jetzt erst recht.
VITA OLIVER STOCK
Korrespondent Deutschland „Börsianer“
Als Korrespondent (55) des „Börsianer“ berichtet der gebürtige Deutsche über spannende Entwicklungen in der Finanz- und Wirtschaftswelt Deutschlands.
Österreich ist der engste Verbündete Russlands im Westen. Seiner Regierung gelang es 1955, die russischen Besatzer zum Abzug zu bewegen, wozu Deutschland 35 Jahre länger und eine Revolution im Osten brauchte.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist das Land die Brücke nach Moskau. Zahlreiche Unternehmen wie der Öl- und Gasriese OMV, der Baukonzern Strabag, das Öltechnologieunternehmen Petrowelt oder Banken wie Raiffeisen und Unicredit Bank Austria sind im Reich von Wladimir Putin stark engagiert. Wer durch Wien schlendert, kommt am Schwarzenbergplatz am neuen Palast von Lukoil vorbei, wo gerade dessen Westeuropa-Zentrale errichtet wird. Und ganz EUEuropa erinnert sich daran, als in Wien dem russischen Potentaten Putin 2014 der rote Teppich ausgerollt wurde, gerade als sich Russland auf der Krim anschickte, die Ukraine zum ersten Mal anzugreifen. „Wir gehören nicht zu jenen, die ständig diese Sanktionskeule schwingen, in dem Vertrauen, das würde das Problem lösen“, sagte der damalige Kanzler Faymann.
Und heute? Angesichts der Kriegsgräuel in der Ukraine sowie der weltweiten Empörung über Putins Angriffskrieg und angesichts harter Sanktionen des Westens und der EU gegenüber Putin und seinem System kann Österreich nicht abseitsstehen. Es macht mit, auch wenn es wehtut. Aber es könnte seine guten Beziehungen zu beiden Kriegsparteien nutzen. Es könnte seine Neutralität, die es immer hervorholt, wenn es nichts kostet, einmal aktiv ausspielen und zum Makler zwischen den Kriegsparteien werden. Nicht Ankara, nicht Tel Aviv und schon gar nicht Peking sind der Ort für Friedensverhandlungen, die diesem Krieg mitten in Europa ein Ende setzen müssen. Sondern es ist Wien. Die Welt braucht Österreich jetzt. Österreich muss endlich seine Sonderrolle nutzen. Doch davon ist offiziell bisher nichts zu vernehmen. n
Laut der IfW-Wifo-Studie würde ein Handelskrieg Russlands Wirtschaftsleistung jährlich um knapp zehn Prozent reduzieren, während der Westen im Schnitt nur ein Minus von 0,17 Prozent verkraften müsste. Österreichs Vergleichswert liegt bei 0,28 Prozent, Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer spricht von 0,4 bis 0,6 Prozent. Die EU sitzt demnach am längeren Hebel: Nur fünf Prozent ihrer Ausfuhren gingen 2020 nach Russland, während sie Abnehmer von 37,3 Prozent der russischen Exporte war.
Maschinenbau leidet
Erfahrungen gibt es, auch wenn sie nicht eins zu eins umgelegt werden können: Die 2014 gegen Russland verhängten Sanktionen und darauffolgende Gegenmaßnahmen kosteten Österreich laut dem Wifo ab 2015 400 bis rund 500 Millionen Euro an Bruttowertschöpfung. „Die Exporte fielen ab 2014 markant, allerdings ist nur ein Drittel des Rückgangs direkt auf die Sanktionen zurückzuführen“, sagt WifoExpertin Elisabeth Christen. 7.000 Jobs dürften betroffen gewesen sein. „Auch Ölpreisverfall, Rubelabwertung und der massive Wirtschaftseinbruch in Russland beeinflussten die Handelsbeziehungen mit Österreich und der gesamten EU stark.“ Von 2014 auf 2015 sanken die österreichischen Exporte nach Russland von 3,2 auf knapp zwei Milliarden Euro. Nach Russland gehen nur noch 1,5 Prozent aller Ausfuhren, 2014 waren es noch 2,5 Prozent. Am meisten betroffen von den Exportausfällen war laut Christen der Maschinenbau. „Je länger Sanktionen in Kraft bleiben, desto stärker verschieben sich die negativen Folgen auch in Bereiche, die von Konsumeinschränkungen der Haushalte betroffen sind, also Handel, Gastronomie und Bau.“
Heißt das für rund 650 heimische Firmen, die in Russland tätig sind, und jene 200 Firmen in der Ukraine Zähne zusammenbeißen und durchtauchen? Mitnichten. Der Schock ist spürbar, auch wenn nach außen angespannte Gelassenheit demonstriert wird. Kritik, wie sie anlässlich der nach der Krim-Annexion erlassenen Strafmaßnahmen 2014 zu hören war, bleibt dennoch aus. Nicht einmal aus der Wirtschaftskammer (WKO)
„Auch ohne Russland können wir Gewinne machen.“
JOHANN STROBL
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kommt ein kritisches Wort. Die Einschätzungen in den Chefetagen decken sich weitgehend: Man könne die Auswirkungen des Krieges und der Sanktionen mit möglichen wirtschaftlichen Verwerfungen noch gar nicht abschätzen.
RBI und OMV betroffen
Am meisten betroffen aus derzeitiger Sicht sind die Raiffeisen Bank International AG (RBI) und die OMV AG. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich machen die Forderungen österreichischer Banken in Russland insgesamt 17,5 Milliarden Euro aus, das Exposure deutscher Banken ist mit 8,1 Milliarden nicht einmal halb so hoch. Die RBI ist mit einem Kreditvolumen von 11,6 Milliarden Euro besonders stark involviert, wobei in der Russlandtochter „nur“ 2,4 Milliarden an Eigenkapital stecken. 2021 erwirtschaftete die RBI fast ein Drittel ihres Nettogewinns von 1,5 Milliarden Euro in Russland. Ein Rückzug aus Russland ist seit 17. März 2022 plötzlich kein Tabu mehr: „Wir prüfen alle strategischen Optionen für die Zukunft der Raiffeisenbank Russland bis hin zu einem sorgfältig gesteuerten Ausstieg aus der Raiffeisenbank in Russland“, ließ RBI-Vorstandschef Johann Strobl ausrichten. Eine Abschreibung der Bank würde die RBI 2,4 Milliarden Euro kosten. „Auch ohne Russland können wir Gewinne machen“, betonte Strobl in einem Conference-Call mit Investoren. Zweifellos sei die Lage jedoch sehr angespannt. Das spiegelt sich auch im Aktienkurs wider, der zweistellig nachgegeben hat. Vorerst setzt die Bank die Dividende aus.
Die OMV AG indes kehrt dem langjährigen Geschäftspartner den Rücken: Neue Investitionen gibt es nicht. In Summe seien Abschreibungen von 1,8 Milliarden Euro fällig, die im ersten Quartal im operativen Ergebnis schlagend würden. 987 Millionen Euro entfallen auf die Nord Stream 2 AG, weil man davon ausgeht, dass die Forderungen uneinbringlich sein werden. Weiters werde die 24,99-Prozent-Beteiligung am Gasfeld Juschno Rosskoje „strategisch überprüft“, das ziehe Wertberichtigungen von 500 bis 800 Millionen Euro nach sich. Überdies wurden die Verhandlungen mit Gazprom über den Erwerb einer 24,98-Prozent-Beteiligung an zwei Blöcken des Urengoi-Erdgas- und -Kondensatfelds beendet. Bis 2050 will die OMV AG komplett aus dem Öl- und Gasgeschäft ausgestiegen sein und sich auf Kreislaufwirtschaft und das Chemiegeschäft konzentrieren.
Zahlungsunfähig. Die Russland-Sanktionen zwangen die Sberbank Europe AG mit Sitz in Wien in die Knie.
Werke stoppen Produktion
Abseits von RBI und OMV AG zeigen sich bereits Verwerfungen: Der Papierhersteller Norske Skog stoppte wegen der enorm gestiegenen Gaspreise Anfang März 2022 die Produktion in Bruck an der Mur. Das BMW-Werk in Steyr steht ebenso still wie das MAN-Lkw-Werk, weil aus der Ukraine keine Kabelbäume geliefert werden. Ob das erst der Anfang ist? Viele Firmen spielen Krisenszenarien durch. Der TopMaschinen- und -Anlagenbauer Andritz AG macht zwar nur etwa drei Prozent seines Geschäfts in Russland, Konzernchef Wolfgang Leitner betont aber, dass eine Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts sowie die steigenden Rohstoffpreise die für das laufende Geschäftsjahr erwartete gute Entwicklung trüben könnten. Der steirische Nachbar Mayr-Melnhof Karton AG hat seine Fabrik in der Ukraine aus Sicherheitsgründen heruntergefahren, berichtet IR-Manager Stephan Sweerts-Sporck. „Wir produzieren in Russland für Russland, allerdingwird es schwieriger werden, Rohstoffe nach Russland zu bekommen“, erklärt er. Auch Kranhersteller Palfinger AG produziert in den fünf russischen Werken für den dortigen Markt. Längerfristig würden die Embargos das Wachstum dort limitieren. Weshalb sich die Palfinger AG künftig verstärkt auf Nord- und Lateinamerika konzentriert. Für den Baustoffkonzern Wienerberger AG ist das RusslandGeschäft mit einem Prozent des Umsatzes nicht relevant. Auch Ölfeldausrüster Schoeller-Bleckmann Oilfield AG (SBO) sieht derzeit noch keine Auswirkungen auf das Geschäft, das nur einen niedrigen zweistelligen Millionenbereich ausmache, so Konzernchef Gerald Grohmann. Die Voestalpine AG hat sich für die bisherigen Eisenerzimporte aus der Ukraine schon um Alternativen umgesehen. Die eigenen Lagerbestände sicherten die Produktion für die nächsten Monate ab. „Die Lage ist unübersichtlich, für Aussagen zu den Sanktionen ist es noch viel zu früh“, sagt Konzernsprecher Peter Felsbach. Der Umsatz in Russland dürfte im Geschäftsjahr 2021/22 einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag erreichen – bei einem erwarteten Ebitda von 2,2 Milliarden Euro sei das vernachlässigbar. Auch beim Versicherer Vienna Insurance Group AG (VIG) spricht man angesichts eines Prämienvolumens von rund 108 Millionen Euro in der Ukraine von keiner wirtschaftlichen Relevanz. Die Sorge gelte den 1.400 Mitarbeitern. In Russland ist die VIG gar nicht tätig, im Gegensatz zur Uniqa Insurance Group AG, die mit der
Raiffeisen Moskau zusammenarbeitet und auch in der Ukraine mit einer Million Kunden und 100 Millionen Euro Prämienvolumen der zweitgrößte Versicherer ist. Im Worst-Case-Szenario rechnet UniqaFinanzvorstand Kurt Svoboda mit einem Ertragsverlust von 30 Millionen Euro.
Sorge um Energieversorgung
Die größte Sorge der gesamten Wirtschaft gilt der Energieversorgung: Österreich bezieht 80 Prozent des gesamten Gasbedarfs aus Russland und ist das davon am meisten abhängige EU-Land. Während die USA bereits ein totales Embargo über russisches Erdgas und Öl verhängt haben, was angesichts der hohen Eigenproduktion weniger problematisch ist, zögert Europa. Wobei nicht nur Österreich auf der Bremse steht.
Die EU hat einen Plan vorgelegt, wonach sie innerhalb eines Jahres russische Gasimporte um zwei Drittel reduzieren und den Ausbau erneuerbarer Energien forcieren will. Die Energieregulierungsbehörde E-Control hält das für unrealistisch. Für die Industrie, auf die 40 Prozent des heimischen Gasverbrauchs entfallen, wäre das eine „existenzielle Bedrohung“, wie WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf betont. Sie müsste Produktionen stilllegen, was wiederum enorme Kosten verursachen und tausende Arbeitsplätze vernichten würde. „Wir dürfen uns nichts vormachen, kurzfristig geht kein Umstieg, die Abhängigkeit von russischem Gas wird bis 2030 bleiben“, sagt Kopf. Es fehlten auch Gesetze für die Umrüstung auf grünes Gas wie etwa Wasserstoff. Der Boss des Feuerfest-Spezialisten RHI AG, Stefan Borgas, bringt es auf den Punkt: „Wenn wir nicht genug Gas haben, geht unsere Produktion zurück. Weil unsere Produkte die Basis für die Stahl-, Zement-, Glas- und Kupferindustrie sind, stehen ein paar Wochen später dort die Öfen still.“ Borgas’ Plädoyer: „Bei der Industrie müssen die Politiker nicht mit der Gießkanne agieren, sondern die Gaszuteilungen so intelligent machen, dass wir möglichst viele Teile der Industrie weiterlaufen lassen können.“ n