Börsianer 49. Ausgabe, Q2 2022

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FINANZPLATZ WIRTSCHAFT

sungen werden teurer und dauern länger. Westliche Firmen, die in Russland produzieren, sind insofern betroffen, weil Im- und Exporte sowie Einkäufe im Land nicht mehr einfach möglich sind.

China als Profiteur

„Abhängigkeit von russischem Gas bleibt bis 2030.“

die Sanktionen erst mittel- bis langfristig wirken und kurzfristig nicht zum Rückzug Russlands aus der Ukraine führen.

Wer sitzt am längeren Hebel? Bleibt die Gretchenfrage: Wem schaden die Sanktionen mehr, was steht für beide

KARLHEINZ KOPF

Russland hat aber schon Alternativen

Seiten auf dem Spiel? In einer ersten Ein-

entwickelt und arbeitet an Umgehungs-

Als mindestens so wirksam wie Swift

schätzung des Kiel Instituts für Weltwirt-

lösungen. China ist so ein Land und wird

erachten Experten die Maßnahmen ge-

schaft (IfW) und des Wifo wird Russland

laut Felbermayr von den Umgehungs­

gen die Zentralbank, deren Vermögens-

langfristig deutlich im Nachteil gesehen.

geschäften profitieren. Nach der Annexi-

werte eingefroren wurden. Damit kann

„Halten Sanktionen lange an und sind

on der Krim, als Russland schon mit dem

die Zentralbank ihre Devisenreserven

sie umfassend, kann sich ihr politisches

Swift-Ausschluss bedroht wurde, entwi-

und Goldbestände im Gesamtwert von

Wirkungspotenzial vergrößern. Nach ei-

ckelte die russische Zentralbank das ei-

640 Milliarden US-Dollar zur Stabilisie-

ner Anpassungsphase im Welthandel

gene System SPFS. Die Bank of China ist

rung der Wirtschaft und vor allem zur

wird Russland deutlich geschwächt da-

ihr bislang einziger Kooperationspart-

Stützung des rasant abwertenden Rubel

stehen, der Schaden für die Alliierten

ner außerhalb Russlands. Mit China ent-

nicht mehr einsetzen. Das Worst-Case-

ist dagegen überschaubar“, sagt Felber-

wickelte Russland auch eine eigene Kre-

Szenario wäre ein Währungscrash und

mayr. Man könne hoffen, dass die Sank-

ditkartenfirma, die den Rückzug von Visa

ein Zahlungsausfall des Landes. Auch da-

tionen auch dahingehend wirkten, dass

und Mastercard abfedern soll.

rauf setzt der Westen – im Wissen, dass

der Widerstand im Land wachse.

DIE WELT BRAUCHT ÖSTERREICH JETZT Die Alpenrepublik hat stets eine Sonderrolle in den Beziehungen des Westens zu Moskau gespielt. Das muss sie jetzt erst recht.

Ö

VITA OLIVER STOCK Korrespondent ­Deutschland „Börsianer“ Als Korrespondent (55) des „Börsianer“ berichtet der gebürtige Deutsche über spannende Entwicklungen in der Finanz- und Wirtschaftswelt Deutschlands.

sterreich ist der engste Verbün-

koil vorbei, wo gerade dessen Westeuro-

seinem System kann Österreich nicht ab-

dete Russlands im Westen. Sei-

pa-Zentrale errichtet wird. Und ganz EU-

seitsstehen. Es macht mit, auch wenn es

ner Regierung gelang es 1955, die

Europa erinnert sich daran, als in Wien

wehtut. Aber es könnte seine guten Be-

russischen Besatzer zum Abzug zu bewe-

dem russischen Potentaten Putin 2014

ziehungen zu beiden Kriegsparteien nut-

gen, wozu Deutschland 35 Jahre länger

der rote Teppich ausgerollt wurde, gerade

zen. Es könnte seine Neutralität, die es

und eine Revolution im Osten brauchte.

als sich Russland auf der Krim anschickte,

immer hervorholt, wenn es nichts kostet,

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs

die Ukra­ine zum ersten Mal anzugreifen.

einmal aktiv ausspielen und zum Mak-

ist das Land die Brücke nach Moskau.

„Wir gehören nicht zu jenen, die ständig

ler zwischen den Kriegsparteien werden.

Zahlreiche Unternehmen wie der Öl-

diese Sank­tions­keule schwingen, in dem

Nicht Ankara, nicht Tel Aviv und schon

und Gasriese OMV, der Baukonzern Stra-

Vertrauen, das würde das Problem lösen“,

gar nicht Peking sind der Ort für Friedens-

bag, das Öltechnologieunternehmen Pe-

sagte der damalige Kanzler Faymann.

verhandlungen, die diesem Krieg mitten

trowelt oder Banken wie Raiffeisen und

Und heute? Angesichts der Kriegs­

in Europa ein Ende setzen müssen. Son-

Unicredit Bank Austria sind im Reich von

gräuel in der Ukraine sowie der weltwei-

dern es ist Wien. Die Welt braucht Öster-

Wladimir Putin stark engagiert. Wer durch

ten Empörung über Putins Angriffskrieg

reich jetzt. Österreich muss endlich seine

Wien schlendert, kommt am Schwar-

und angesichts harter Sank­ tionen des

Sonderrolle nutzen. Doch davon ist offizi-

zenbergplatz am neuen Palast von Lu-

Westens und der EU gegenüber Putin und

ell bisher nichts zu vernehmen. n

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