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Malerei, Musik, Dichtung
Drei Künste, ein Ereignis: Christoph Ransmayr trägt seine Balladen vor, Anselm Kiefers Aquarelle fließen als Bilderstrom über eine Leinwand, Wolfgang Muthspiel bringt dazu seine Gitarren zum Klingen.
VON ALEXANDRA ZIANE
Am Anfang war das Wort. Christoph Ransmayr, weithin bekannt für Romane wie »Die Schrecken des Eises und der Finsternis«, »Cox oder Der Lauf der Zeit« oder »Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte des Tötens«, verfasste Balladen und Gedichte, die im Band »Unter einem Zuckerhimmel« erscheinen sollten. Den deutschen Künstler Anselm Kiefer, assoziiert mit Asche und Blei, inspirierten diese zu fließenden Aquarellen mit Zitaten aus den Gedichten. Auf dem Podium des Mozart-Saals gesellt sich zu dem Konzert der Künste noch Gitarrist Wolfgang Muthspiel, der die Verwandlung von Worten in Malerei zum Klingen bringt. Die Bilder Kiefers werden auf eine große Leinwand projiziert, während Christoph Ransmayr selbst seine Balladen vorträgt und Wolfgang Muthspiel spielt – alles verdichtet zu einem einzigen Ereignis.
Das Konzert der Künste bestimmt ihre Geschichte seit den Ursprüngen. Nicht immer traten sie in trauter Harmonie auf. In der Renaissance etwa nahmen sie im sogenannten »Paragone« einen Wettstreit miteinander auf und rangen um Vorherrschaft. Davon zeugen Aussagen des Universalgenies Leonardo da Vinci, der die Malerei eine stumme Dichtung nannte und die Poesie eine blinde Malerei. Gleichzeitig inspirierten sich die Künste von jeher gegenseitig. Zur Zeit von Leonardo da Vinci illustrierte Sandro Botticelli in Florenz etwa Dantes Gesänge der »Göttlichen Komödie«. Mit 92 teilweise kolorierten Federzeichnungen schmückte er in einem kostbaren, für die Medici bestimmten Manuskript des Dichters Visionen von Hölle, Fegefeuer und Paradies.
Der Band »Unter einem Zuckerhimmel« ist nicht die erste Zusammenarbeit zwischen Anselm Kiefer und dem österreichischen Schriftsteller. Im Jahr 2002 erschien Christoph Ransmayrs »Der Ungeborene oder Die Himmelsareale des Anselm Kiefer«, ein dünnes Bändchen, das ein einfühlsames Porträt des bildenden Künstlers zeichnet – das Resultat einer Einladung Anselm Kiefers zu seinem Rückzugsort, einer stillgelegten Seidenfabrik in Südfrankreich, der Christoph Ransmayr folgte. Die Künstler verbindet ein Hang zum Mythischen, beide machten sich in der Vergangenheit auf zu Reisen in die Weiten der Welt – Erfahrungen, von denen ihre künstlerischen Erzeugnisse noch heute profitieren.
Im Wiener Konzerthaus stellt Christoph Ransmayr nun, mit musikalischen Intermezzi von Wolfgang Muthspiel, seinen neuen Gedichtband vor. »In den ersten jener abenteuerlichen, von Rätseln erfüllten Jahre, die manchmal schwärmerisch Kindheit genannt werden, habe ich Erzählungen vor allem als Gesänge gehört.« Diesen Gesängen seiner Vergangenheit folgend begibt sich der Dichter laut Verlag in Balladen und Gedichten auf abenteuerliche Reisen nicht nur ins Hochgebirge, in das Blau des Himmels oder an den Meereshorizont, sondern durch die Zeit – und trägt sie zu den Farb- und Klangwirbeln vor. Drei Künste, ein Ereignis!
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Do, 01/12/22, 19.30 Uhr · Mozart-Saal
Christoph Ransmayr · Wolfgang Muthspiel
»Unter einem Zuckerhimmel« Balladen und Gedichte. Illustriert von Anselm Kiefer
Christoph Ransmayr: Lesung, Wolfgang Muthspiel: Gitarren
Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/60271