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Blickpunkt Haydn
Haydn als gefeierter Star im Londoner Konzertleben. Paavo Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen auf den Spuren des britischen Humors der Londoner Symphonien
VON ALEXANDRA ZIANE
»Als Haydn im Orchester erschien und sich an das Pianoforte setzte, um eine Symphonie selbst zu dirigieren, verließen die neugierigen Zuhörer im Parterre ihre Sitze und drängten sich gegen das Orchester, in der Absicht, den berühmten Haydn in der Nähe besser sehen zu können. Die Sitze in der Mitte des Parterres wurden dadurch leer, und kaum waren sie leer, so stürzte der große Kronleuchter herunter, zertrümmerte und setzte die zahlreiche Versammlung in die größte Bestürzung. Sobald die ersten Augenblicke des Schreckens vorüber waren und die Vorgedrängten sich die Gefahr, der sie glücklich entflohen, denken, Worte finden, und zum Ausbruch derselben kommen konnten, drückten mehrere Personen ihren Gemüthszustand laut genug durch das Wort Mirakel! Mirakel! aus.«
Dieser Zwischenfall soll sich bei der Uraufführung einer Haydn-Symphonie im Londoner King’s Theatre 1795 zugetragen haben. Der Begeisterung für den weit gereisten Maestro Haydn verdankten also, glaubt man dieser von Albert Christoph Dies 1810 geschilderten Anekdote, mehrere Dutzend Menschen ihr Leben. Die Symphonie D-Dur Nr. 96 erhielt durch den spektakulären Vorfall ihren Beinamen »The Miracle«, auch wenn er sich wohl bei der Aufführung der Symphonie B-Dur Nr. 102 ereignet haben muss. Was auch immer geschehen war: »Davon weiß ich nichts«, antwortete Haydn, von Dies selbst dazu befragt.
GEORG AUGUST GRIESINGER, 1809
Ohne Zweifel begeisterte der Komponist jedoch das Londoner Publikum, an dessen Geschmack er sich bewusst orientierte. So spielte er in seinen Londoner Symphonien immer wieder mit dessen Erwartungen, überraschte es mit humorvollen Einfällen und musikalischem Augenzwinkern. Es war der Konzertunternehmer Johann Peter Salomon, der Joseph Haydn 1791/92 als Attraktion in die Stadt an die Themse geholt hatte. In den Jahren 1794/95 reiste er nochmals über den Kanal, wo er als »Shakespeare of Music« gerühmt wurde und für die große Musikbegeisterung der Menschen mitverantwortlich war.
Heute bilden seine Symphonien häufig nur den Auftakt zu einem Konzert, in dem dann ein gewichtigeres Werk aus einer späteren Epoche folgt. Dadurch, dass Haydn weder mit mit einer schicksalhaften Künstlerbiographie noch mit einem geheimnisvollen Tod aufwarten kann, steht er auch häufig innerhalb der Trias der sogenannten Wiener Klassiker nicht gerade im Mittelpunkt. Umso erfreulicher, dass Paavo Järvi sich nun mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen ganz dem Londoner Publikumsliebling widmet. Neben einer Ouverture seines Komponistenfreundes William Shield stehen sowohl die Symphonie Nr. 96 »The Miracle« als auch die Symphonie Nr. 102 auf dem Programm, darüber hinaus die »Mit dem Paukenwirbel«, die Haydn für seine letzte Saison als »Composer in Residence« in London komponiert hat. Die Überraschung, mit der Haydn hier aufwartet, verrät bereits der später verliehene Titel. Wer sein Bild von »Papa Haydn« zurechtrücken möchte, sollte dieses Konzert nicht verpassen. Bereits Johannes Brahms schrieb angesichts der Londoner Symphonien: »Das war ein Kerl! Wie miserabel sind wir gegen sowas!«
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Sa, 03/12/22, 19.30 Uhr · Großer Saal
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Paavo Järvi: Dirigent
»Haydn – The Shakespeare of Music«
»Haydn auf der Londoner Bühne«
Joseph Haydn: Symphonie B-Dur Hob. I/102, Symphonie D-Dur Hob. I/96 »The Miracle«, Symphonie Es-Dur Hob. I/103 »Mit dem Paukenwirbel«, William Shield Ouverture zu »Rosina«
https://konzerthaus.at/konzert/eventid/59862
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So, 04/12/22, 18.30 Uhr · Großer Saal
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Paavo Järvi: Dirigent
»Haydn – The Shakespeare of Music«
»Haydn auf der Londoner Bühne«
Joseph Haydn: Symphonie B-Dur Hob. I/102, Symphonie D-Dur Hob. I/96 »The Miracle«, Symphonie Es-Dur Hob. I/103 »Mit dem Paukenwirbel«, William Shield Ouverture zu »Rosina«
+ So, 17.00 Uhr · Schubert-Saal Musik im Gespräch
Ulrich Leisinger im Gespräch mit Erwin Barta
»Oh! meine Sprache verstehet mandurch die ganze Welt«. Haydn & Mozart – London & Wien
Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59864