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Vokal: Christian Gerhaher

Als »florales Bild, wie eine Rose mit fünf Blättern« erscheinen Christian Gerhaher die Rückert-Lieder von Gustav Mahler, dessen Werk ihm besonders am Herzen liegt

VON OLIVER BINDER

Christian Gerhaher begreift und beherrscht die hohe Kunst des Liedes. Gewissenhaftigkeit, Ausdrucksstärke und Sensibilität zeichnen seine Interpretationen aus. Sentimentalität ist seine Sache nicht. Dem Sentiment aber gibt er gerne nach, sobald es ums Menschsein geht. Das verbindet ihn mit der Musik von Gustav Mahler. »Es ist eine Musik«, erzählt er in seinen Gesprächen mit Vera Baur (»Halb Worte sind’s, halb Melodie«, 2015), »die immer den kleinen Mann achtet, und das ist etwas, was ich gar nicht hoch genug schätzen kann: dass man sich eben nicht über andere erhebt.«

In Mahlers Liedschaffen nehmen jene fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert eine besondere Stellung ein, die rund um das Jahr 1900 komponiert und erst nachträglich als Zyklus herausgegeben wurden. Für Gerhaher stellen sie einen Komplex dar, »der ohne Tragik auskommt, allerdings nicht ohne existenzielles Empfinden.«

Mahlers Auswahl der Verse scheint durchaus persönlich motiviert. »Blicke mir nicht in die Lieder« ist die Bitte eines schöpferisch tätigen Menschen, ihm nicht vor Vollendung seines Kunstwerkes in die Werkstatt zu blicken. Luftig, licht und luzide entspinnt sich das zarte, schon durch die Worte allein klangvolle »Ich atmet einen linden Duft«.

»Um Mitternacht« ragt als metaphysischer Solitär mit hymnischem Durchbruch aus dem sonst eher intimen Liederkreis heraus. »Liebst du um Schönheit« hingegen ist ganz dem irdischen Dasein gewidmet, liebevolle Ironie und beschwörende Emphase in einem. Über die große Elegie »Ich bin der Welt abhanden gekommen« (die Rede ist vom Rückzug in Liebe und Kunst) sagte Mahler selbst: »Das ist Empfindung bis in die Lippen hinauf, die sie aber nicht übertritt! Und: das bin ich selbst!« Wenn Christian Gerhaher dieses Lied mit zärtlicher Beiläufigkeit singt, dann wohl deshalb, weil es ihm »wie eine sentimentalische Spielerei vor[kommt], die einen deshalb ja nicht unberührt zurücklassen muss.«

Die Orchesterfassung dieser fünf kostbaren Rückert-Lieder gestaltet Christian Gerhaher nun gemeinsam mit dem Swedish Radio Symphony Orchestra unter der Stabführung seines Mahler-erfahrenen Chefdirigenten Daniel Harding (die Klavierfassung ist einige Tage danach mit der Sopranistin Louise Alder und dem Pianisten Joseph Middleton zu erleben). Eingebettet in zwei wirkmächtige Tondichtungen – Hugo Alfvéns düster-schwärmerische Schärensage und Richard Strauss’ ekstatische Nietzsche-Paraphrase »Also sprach Zarathustra« – zeigt der Liederzyklus die wundersame Gelassenheit seines Schöpfers:

Für mich ist Mahler eine rundum geglückte Person. Ich sehe in ihm keinen Misanthropen, keinen Weltverächter, kein Ekel, das rumrannte und andere Leute desavouiert hat. Ich finde ihn eine gelungene Mischung aus nur zu berechtigter Weltskepsis, aber auch Liebe zu dieser Welt in dem, was sie bietet.

Christian Gerhaher

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Di, 05/03/24, 19.30 Uhr · Großer Saal

Swedish Radio Symphony Orchestra · Gerhaher · Harding

Christian Gerhaher, Bariton
Daniel Harding, Dirigent

Hugo Alfvén: A legend of the Skerries op. 20 · Gustav Mahler: Fünf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert · Richard Strauss: Also sprach Zarathustra. Tondichtung frei nach Friedrich Nietzsche op. 30

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60835

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Do, 14/03/24, 19.30 Uhr · Mozart-Saal

Liederabend

Louise Alder

»Young lovers«

Louise Alder, Sopran
Joseph Middleton, Klavier

Lieder von Gabriel Fauré, Nadia Boulanger/Stéphane Raoul Pugno, Gustav Mahler, Aaron Copland, Ned Rorem und Richard Rodgers

Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60857

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