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Der Buntspecht klopft

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Bach intensiv

Bach intensiv

Anleihen bei World Music, ein bissl Punkiges, Jazziges, Wiener Schmäh, dazu Verwirrspiel-Texte, Melancholie, schräge Hektik, ausgelassene Rhythmen und ein intensives Live-Erlebnis – Buntspecht eben.

VON ANGELA LAHRMANN

Die sechs Musiker, die sich den farbenfrohen Vogel zum Leitstern erkoren haben, veröffentlichten bereits ihr viertes Album – und offenbar geht es munter so weiter, wie ein entspanntes, spätsommerliches Interview in der Verschnaufpause nach einer Tour durch den deutschsprachigen Raum zu versprechen scheint. Entspannt? Ein Blick ins Internet vermittelt einen anderen Eindruck von der Band und ihrem Sänger Lukas Klein. Sound, Texte und Artwork wirken tendenziell unruhig, manchmal provokant, gegen den Strich gebürstet. Der Eindruck einer wilden Mischung aus Menschen, Stilen, Herkünften überwiegt.

Welche Art von Musik kann erwartet werden von diesen bunten »Vögeln«, den sechs Musikern zwischen 27 und 34, die bis auf den tschechischen Cellisten allesamt aus Wien stammen? Das frage ich an diesem träg-heißen Tag Lukas Klein. Im Internet gibt es einiges Irreführendes zu lesen über die Genres, derer sich die Band bedient. Schubladisierungen sollten stets vermieden werden, aber Hinweise, die das Verstehen erleichtern, sind erlaubt. »Wir sind eine Pop-Band, aber wir nehmen Anleihen bei verschiedenen Genres der World Music, und wir integrieren jazzige Elemente. Und unsere physische Art zu spielen hat schon auch etwas Punkiges.« Und ich solle bitte keinesfalls schreiben, dass sie Gypsy Swing machen, denn das wurde zwar verbreitet, sei aber Unsinn.

Moment, was genau ist gemeint mit »physische« Band? – Was die sechs verbindet, ist, Songs gemeinsam zu entwickeln, einander blind zu vertrauen, miteinander zu spielen, auf der Bühne nebeneinander und den gemeinsamen Rhythmus zu spüren. Wie wesentlich es ist, dass sie so aufeinander eingespielt sind, ist den Mitgliedern erst so richtig aufgefallen, als bei einer Tour der vertraute Cellist und der Drummer ausgefallen sind und durch zwei andere (wenn auch fantastische) Musiker ersetzt werden mussten. Die Interaktion, die auf der Bühne zwischen den Musikern und mit dem Publikum entsteht, dort, wo Musik passiert, wo alle Anwesenden miteinander schwingen – das ist es, was Buntspecht ausmacht. »Wir sind eine Live-Band«, fasst Lukas Klein zusammen.

Dennoch: Nach der Tour de Force durch die deutschen Lande, wo das Publikum vom Wiener Schmäh der Protagonisten angetan war, braucht es ein Innehalten, »Wieder-in-sich-Hineingehen«, Alleinsein. Nach der Tour erinnert Klein sich gern an die Zeit vor einem Jahr, als zuerst er an den Texten tüftelte und dann alle gemeinsam in kurzer Zeit ein ganzes Album im Proberaum schufen.

Wie entstehen die Songs von Buntspecht? Meist hat einer der Frontmen – »Ich musste mich erst daran gewöhnen, als solcher wahrgenommen zu werden.« – eine inhaltliche Idee. Lukas Klein und Florentin Scheicher wohnen im gleichen Haus, das erleichtert die Zusammenarbeit. Man tüftelt dann eine Zeit an verwirrenden, erstaunlichen Texte und dann kommen die Instrumentalisten dazu und bringen sich mit ihren Umsetzungsideen ein, damit aus den Gedanken ein Gesamtmusikkunstwerk entsteht: Jakob Lang (Kontrabass, E-Bass), Lukas Chytka (Cello), Roman Gessler (Saxophon), Florian Röthel (Drums, Percussion, als Grafiker verantwortet er auch das Artwork der Alben) und der Multiinstrumentalist ohne »ernsthafte« musikalische Ausbildung, aber mit umso mehr kreativer Kraft und Mut, Florentin (Melodica, Trompete und was ihm sonst noch so in die Hände fällt).

Es heißt zwar immer, Kunst kenne keine Kompromisse, erzählt Lukas Klein, aber bei ihrem gemeinsamen Musikmachen funktioniere das demokratische Entscheiden gut, alle haben eine ähnliche Grundidee von dem, was sie anstreben. »Das Bild von sich selbst löst sich in der Gruppe auf.« Wie das zu verstehen ist? »Wir wollen offen sein dafür, dass jeder ein Bild von sich selbst – und seiner Idee – hat, das sich durch die Sicht von außen und neue Ideen verändern kann. Darum fragen wir, wenn jemand eine für die anderen unverständliche Idee hat: Warum machst du das so? Dadurch verändern sich Ideen, manche müssen auch sterben.«

Der Text gibt das Tempo vor. Wobei: Jeder hat seinen eigenen Puls – Lukas empfindet sich als viel langsamer als der Drummer, der jeden Song viermal so schnell spielen würde … Dann wird wieder getüftelt, diskutiert, erklärt – und man einigt sich vielleicht aufs doppelte Tempo. »Das funktioniert gut«, höre ich Lukas immer wieder sagen. Wird es denn so gut weitergehen? So wie sie aktuell miteinander arbeiten: Ja, die gemeinsame Vision sei nach wie vor dieselbe. Und dazu gehört auch, dass alle sechs neue Eindrücke und Erlebnisse sammeln wollen. Vielleicht gehen sie über den Winter weg, vielleicht nach Marokko, zum Schreiben, Proben, um neue Stoffe zu finden und neue Rhythmen fürs nächste, wahrscheinlich wieder überraschend anders klingende Album.

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Do, 17/11/22 · 21.00 Uhr · Großer Saal

Buntspecht »Gedeihen & Gedingen«

Lukas Klein: Gitarre, Gesang; Florentin Scheicher: Trompete, Melodika, Gesang; Roman Gessler: Altsaxophon, Baritonsaxophon, Querflöte; Lukas Chytka: Violoncello; Jakob Lang: Kontrabass, E-Bass, Gesang; Florian Röthel: Schlagzeug, Percussion

Stehkonzerte: konzerthaus.at/SK

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59732

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