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Wien im Wandel: Auf Mozarts und Mahlers Spuren
Aufbruchstimmung in der Residenzstadt. Eine Fährtenlese mit den Wiener Symphonikern und Omer Meir Wellber.
VON ISABEL NEUDECKER
EINE METROPOLE – VIELE WELTEN.
Um 1800, Mozarts Tod lag neun Jahre zurück, zählte Wien 215.000 Einwohner:innen. Ungefähr hundert Jahre später, etwa zu jener Zeit, als der musikalische Weltenbürger Mahler sein Amt als Hofoperndirektor antrat, zählte sie 1,7 Millionen Einwohner:innen. Sowohl an der Wende zum 19. als auch an jener zum 20. Jahrhundert galt Wien als Sehnsuchtsort vieler, die Glück suchten.
»HIER IST DOCH GEWISS DAS CLAVIERLAND!«
Im Juni 1781 schrieb ein begeisterter Mozart: »mein fach ist zu beliebt hier, als daß ich mich nicht soutenieren sollte. Hier ist doch gewis das Clavierland!« Der Ausruf eines exzellenten Pianisten und Komponisten, dem genau bewusst war, dass in Wien nicht nur Theater und Oper, sondern auch die Klaviermusik zählte. Gerade erst aus der Salzburger Anstellung ausgestiegen, versuchte Mozart sein Glück als freischaffender Künstler. Die gesellschaftspolitischen Veränderungen spielten ihm dabei in die Hände: Nicht zuletzt durch eine sich entwickelnde Öffentlichkeit, die dem Bürgertum eine rege Partizipation am Konzertleben ermöglichte, konnte sich Mozart als Komponist und Interpret beweisen. Die Residenzstadt zog Publikum von nah und fern an; das Unternehmertum, das Konzertreihen organisierte, florierte, und Mozart, der als Planender wie auch Ausführender mitgestaltete, konnte nicht über Langeweile klagen. Dem Vater schrieb er: »Übrigens bin ich, die Wahrheit zu gestehen, (…) letzthin müde geworden – vor lauter Spielen – und es macht mir keine geringere Ehre, daß es meine Zuhörer nicht wurden.« Als er bei einer Akademie am 10. März im k.k. National-Hoftheater sein virtuoses Klavierkonzert C-Dur K 467 vorstellte, befand sich Mozart am Zenit seines Schaffens. Der 27-jährige Pianist Jan Lisiecki, u. a. mit dem Diapason d’or ausgezeichnet, in dessen Händen das Werk beim kommenden Konzert der Wiener Symphoniker liegt, ist übrigens nur wenig jünger als sein Urheber bei der Uraufführung: 29 Lenze zählte Mozart damals, 27 zählt Lisiecki heute.
Während Jan Lisiecki sich Mozart als Interpret nähert, hat es sich Peter Eötvös zur Aufgabe gemacht, als Komponist »in Dialog« mit dem Klassiker zu treten: Von ausgewählten Fragmenten Mozarts inspiriert, lässt uns sein Werk »Dialog mit Mozart« in ein – höchst unterhaltsames – Zwiegespräch mit Mozarts Musik und ihrer zeitgenössischen Reflexion treten.
»... LEIDER BIN ICH EIN EINGEFLEISCHTER WIENER …«
Rund hundert Jahre nach Mozart versucht ein weiterer Musiker, in der Residenzstadt Wurzeln zu schlagen: zuerst als Student am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde und an der Universität, ab 1897 als Hofoperndirektor. 1908, nachdem er Wien bereits Richtung New York verlassen hat, schreibt Gustav Mahler von der Sehnsucht nach der Habsburgermetropole, wo er – allen Spannungen zum Trotz – heimisch geworden war. Auch Mahlers Wien blüht und gedeiht: Es ist ein Umfeld, in dem vieles möglich scheint. Die pluralistische Erfahrungswelt der Ringstraßenzeit und des Fin de Siècle lässt viele Denkweisen wie auch Kunstrichtungen zu und zieht namhafte Persönlichkeiten, darunter Herzl, Freud, Kraus und eben auch Mahler, in ihren Bann.
In Wien gründet Mahler einen Hausstand: 1902 wird Tochter Maria Anna geboren. In Wien – und in seiner Villa in Maiernigg am Wörthersee – entsteht seine fünfte Symphonie. Eine völlig neue Art des symphonischen Schreibens ist es, die er hier vertritt. »Niemand capiert sie!«, beklagt sich der Komponist. Die charakterliche Vielfalt der fünf Sätze, das Ausreizen der tonalen Möglichkeiten fordern die Zeitgenoss:innen heraus, denn sie zeigen in einem Wien des Aufbruchs auch einen »neuen Mahler«: Auf diese Fährtenlese nehmen Sie die Wiener Symphoniker unter dem Dirigat von Omer Meir Wellber mit.
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Mo & Di, 14 & 15/11/22, 19.30 Uhr · Großer Saal
Wiener Symphoniker · Lisiecki · Wellber
Jan Lisiecki: Klavier; Omer Meir Wellber: Dirigent
Peter Eötvös: Dialog mit Mozart. Da capo für Orchester (15/11/22); Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert C-Dur K 467; Gustav Mahler: Symphonie Nr. 5
Karten (14/11/22): konzerthaus.at/konzert/eventid/59708
Karten (15/11/22): konzerthaus.at/konzert/eventid/59835