JACQUES OFFENBACH
LES CONTES D’HOFFMANN
INHALT
S.
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DIE HANDLUNG S.
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ÜBER DIESES PROGRAMMBUCH S.
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SEIN INNERSTER AUSDRUCK IM GESPRÄCH MIT BERTRAND DE BILLY S.
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LES CONTES DʼHOFFMANN IM KONTEXT MATTHIAS BRZOSKA S.
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DIE SUCHE NACH UNSICHTBAREN FÄDEN IM GESPRÄCH MIT ANDREI ȘERBAN S.
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EINE MEHRFACHBEGABUNG MIT NAMEN AMADEUS ULRICH MÜLLER
S.
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DIE NACHT IM OKTOBER ALFRED DE MUSSET S.
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NÄCHTLICHER SCHWÄRMER & SKURRILER SATIRIKER OSWALD PANAGL S.
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DREI FRAUEN E.T.A. HOFFMANN S.
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AUS DEN TAGEBÜCHERN EDMOND & JULES DE GONCOURT S.
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AUS-DRÜCKEN VON GEFÜHLEN ROTRAUD A. PERNER
E.T.A. HOFFMANN – IN REALITÄT & AUF DER BÜHNE ULRICH MÜLLER
DIE ZWEITE AUFFÜHRUNG
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DAS PRINZIP HOFFMANN – SCHRITTE EINER ANNÄHERUNG OSWALD PANAGL
NACH DEM GROSSEN BRAND NEUE FREIE PRESSE
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HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN IM REPERTOIRE OSWALD PANAGL
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HOFFMANN – EINE ROMANTISCHE FIGUR? WALTER DOBNER
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IMPRESSUM
Des cendres de ton cœur réchauffe ton génie, dans la sérénité souris à tes douleurs ! La Muse apaisera ta souffrance bénie ! Mit der Asche deines Herzens entzünde dein Genie, lächle in Gleichmut über deine Schmerzen ! Die Muse wird dein gesegnetes Leid befrieden ! MUSE, EPILOG
JACQUES OFFENBACH
LES CONTES D’HOFFMANN OPÉRA FANTASTIQUE in einem Prolog, drei Akten und einem Epilog Text JULES PAUL BARBIER
ORCHESTERBESETZUNG 2 Flöten / 1 Piccolo 2 Oboen / 1 Englischhorn 2 Klarinetten / 2 Fagotte 4 Hörner / 2 Trompeten 3 Posaunen / 1 Harfe Schlagwerk Violine I / Violine II Viola / Violoncello / Kontrabass BÜHNENMUSIK Flöte / Harfe / Glocke
URAUFFÜHRUNG 10. FEB 1881 Opéra-Comique, Salle Favart (Paris) ÖSTERREICHISCHE ERSTAUFFÜHRUNG 7. DEZ 1881 Ringtheater in Wien ERSTAUFFÜHRUNG IM HAUS AM RING 11. NOV 1901 Wiener Hofoper SPIELDAUER
3 H 30 MIN
INKL. 2 PAUSEN
DIE HANDLUNG PROLOG Der Dichter Hoffmann sitzt an seinem Schreibtisch. Die Geister von Wein und Bier erscheinen und lösen sich auf. Hoffmanns Muse tritt auf und schwört, dass sie ihn vor den Gefahren der Liebe beschützen will. Sie wird sich in Nicklausse verwandeln, einen jungen Studenten, der Hoffmann begleiten soll. Stadtrat Lindorf fängt Andrès ab, den Abgesandten der schönen Opernsängerin Stella, die an diesem Abend in Don Giovanni auftritt. Lindorf besticht Andrès, damit ihm dieser ein an Hoffmann gerichtetes Billett Stellas überlässt. Der Brief ist eine Liebeserklärung an den Dichter und enthält außerdem den Schlüssel zu ihrer Garderobe. Der alte, aber mächtige Lindorf hat vor, Hoffmann an diesem Abend seine Geliebte abspenstig zu machen. In Luthers Weinstube richten die Kellner schon die Tische her. Ungestüme Studenten rufen nach Wein, beschimpfen Luther, trinken auf Stella und warten ungeduldig auf Hoffmann. Hoffmann erscheint mit Nicklausse. Er wirkt gequält, düster, schwermütig, aber die Studenten drängen ihn, das lustige Lied vom Zwerg Klein-Zack zu singen. Während des Gesanges gleiten seine Gedanken ab und er beschreibt plötzlich eine schöne Frau. Die Studenten bringen ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Die Kellner entflammen den Punsch. Hoffmann erblickt Lindorf und erkennt in ihm seinen Nebenbuhler und ewigen Widersacher in Glück und Liebe. Die Studenten werden von Neugier erfasst und möchten von Hoffmann den Namen seiner Geliebten hören. Es gibt drei, antwortet er: die Puppe Olympia, die Künstlerin Antonia und die Kurtisane Giulietta. Die Studenten beschließen, nicht zur Opernaufführung zurückzukehren, sondern ihre Pfeifen zu rauchen und Hoffmanns Erzählungen von seinen drei Lieben zu hören.
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DIE HANDLUNG
1. AKT OLYMPIA Der leidenschaftliche Physiker und verschrobene Erfinder Spalanzani hat einen vollkommenen Automaten mit so menschlichen Zügen konstruiert, dass er die Puppe als seine Tochter Olympia ausgibt. Heute Abend wird er Olympia in die Gesellschaft einführen. Er zählt darauf, dass seine neueste Schöpfung ihm helfen wird, 500 Dukaten wiederzugewinnen, die er beim Bankrott seines Bankiers Elias verloren hatte. Der erste Gast erscheint früh: Es ist Spalanzanis Schüler Hoffmann, der Olympia von ferne verehrt. Hoffmann bleibt einen Moment lang mit ihr allein, und ein Blick genügt, dass er sich in Olympia verliebt. Nicklausse warnt ihn vor der Liebe zu einer Puppe mit Emailaugen. Hat er eine Vorahnung? Coppélius kommt herein und stellt sich als Spalanzanis Freund vor. Tatsächlich will er jedoch die Augen, die er für Olympia hergestellt hat, zurückfordern, wenn Spalanzani ihn nicht bezahlen kann. Vorher versucht Coppélius, Hoffmann seine seltsamen Erfindungen aufzuschwatzen – Barometer, Hygrometer und schöne Augen. Nicklausse ist misstrauisch, aber Hoffmann erwirbt eifrig eine Zauberbrille, durch die er Olympia als verklärtes Traumbild sieht. Coppélius fordert von Spalanzani seinen Anteil am Gewinn, doch dieser schickt ihn mit einem ungedeckten, auf den bankrotten Elias ausgestellten Scheck weg. Die eingetroffenen Gäste bestaunen die reizende Olympia, die eine Arie vorträgt und dabei von Cochenille auf der Harfe begleitet wird. Ihr vorzüglicher Gesang wird gelegentlich von seltsamen mechanischen Geräuschen unterbrochen, doch Hoffmann, geblendet von seiner Zauberbrille, lauscht hingebungsvoll. Im Tête-à-tête mit Olympia erklärt er ihr seine Liebe und wähnt sich wiedergeliebt. Doch der ersten Umarmung entzieht sie sich. Nicklausse stürzt herein und berichtet von bedenklichen Gerüchten über Olympia, die in der Gesellschaft die Runde machen. Hoffmann verwirft die Warnung und läuft hinter seiner Geliebten her. Coppélius schwört Rache gegen Spalanzani, der ihn mit einem wertlosen Scheck betrügen wollte. Die Gäste kehren zurück. Hoffmann tanzt einen Walzer mit Olympia, die ihre Schritte zu rasendem Tempo steigert. Hoffmann stürzt und zerbricht seine Zauberbrille. Olympia muss hinausgeführt werden. Coppélius wartet bereits und zertrümmert die Puppe. Hoffmann erkennt seinen Wahn: Er hatte sich in einen Automaten verliebt.
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DIE HANDLUNG
2. AKT ANTONIA Eine junge Frau singt ein wehmütiges Lied von seiner verlorenen Liebe. Antonia Crespel träumt davon, eine so berühmte Diva zu werden, wie ihre verstorbene Mutter es war. Aber sie weiß nicht, dass sie nicht nur die herrliche Stimme, sondern auch die tödliche Krankheit ihrer Mutter geerbt hat. Um das Leben Antonias zu retten, muss ihr Vater alle Aufregung und Anstrengung von ihr fernhalten. Er verbietet ihr den Gesang und auch jeglichen Umgang mit ihrem Bräutigam Hoffmann. Crespel weist den alten, tauben Diener Frantz an, niemandem Zutritt zu gewähren. Frantz ist gerne allein und singt sich seinen Ärger von der Seele. Hoffmann stürzt herein, auf der Suche nach Antonia, die herbeieilt, als sie seine Stimme vernimmt. Die beiden erklären einander ihre Liebe und tauschen ein Eheversprechen aus. Hoffmann bittet sie um ein Lied. Sie ist ihm gerne gefällig, doch ein Schwächeanfall lässt sie kaum das Lied beenden. Als Crespel zurückkommt, läuft Antonia weg, während sich Hoffmann versteckt. Frantz meldet Doktor Miracle, den Hausarzt der Familie. Crespel beschimpft den Doktor und nennt ihn einen Mörder, der seine Tochter vernichten wird, so, wie er ihre Mutter auf dem Gewissen hat. Miracle stellt seine hypnotischen Kräfte unter Beweis. Hoffmann erkennt, dass Antonia in Gefahr schwebt: Wenn sie singt, wird sie sterben. Auf sein Drängen hin verspricht Antonia zögernd, ihren Gesang und ihren Traum vom Ruhm aufzugeben. Miracle kehrt wieder und bedrängt Antonia, ihr Talent nicht für ein biederes Bürgerglück zu opfern. Zunächst widersteht sie der Versuchung, doch als Miracle das Bildnis ihrer Mutter sprechen lässt, kann sie sich nicht mehr länger zurückhalten – sie muss singen. Angestachelt vom dämonischen Doktor, singt sich Antonia zu Tode. Verzweifelt stürzt sich Crespel auf Hoffmann, doch Nicklausse hält den gramverzehrten Vater zurück. Es ist zu spät: Der Teufel hat wieder den Sieg davongetragen, unter Beihilfe seines Dieners Frantz.
3. AKT GIULIETTA Die schöne Kurtisane Giulietta und Nicklausse singen eine Barcarolle auf die Liebesnacht. Aus Liebeskummer ist Hoffmann zum Zyniker geworden, der dem Trinken und Spielen den Vorzug vor Frauen gibt. Schlémil und Pittichinaccio
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DIE HANDLUNG
buhlen um Giuliettas Zuneigung. Nicklausse verspricht Hoffmann, dass er ihn beim ersten Anzeichen einer Verliebtheit mit Gewalt wegschleppen würde. Hoffmann spottet: Nur ein Narr verliert sein Herz an eine Kurtisane. Nach dem Abgang der beiden Freunde erscheint Dapertutto und schwört, dass Hoffmann sein Herz verlieren würde – an die berückende Giulietta. Eine Frau verkauft ihre Seele für ein glitzerndes Schmuckstück, sagt Dapertutto und lockt Giulietta mit einem Diamanten. Um ihn zu bekommen, muss Giulietta ihm versprechen, Hoffmann sein Spiegelbild abzulisten – so, wie sie Schlémil den Kopf verdreht hat, um seinen Schatten zu bekommen. Giulietta setzt alle ihre Künste ein, um Hoffmann zu erobern. Seine Ehrlichkeit berührt sie – einen Moment lang scheint es, als ob sie ihn retten möchte. Doch Hoffmann unterliegt ihrem Bann und bietet ihr nicht nur sein Spiegelbild, sondern auch sein Leben und seine Seele dazu. Schlémil findet die beiden in trauter Zweisamkeit und wird von rasender Eifersucht gepackt. Nicklausse versucht vergeblich, Hoffmann zur Abreise zu bewegen. Dieser ist über den Verlust seines Spiegelbildes bestürzt, fühlt sich aber zugleich an die Geliebte gebunden. Die Gondeln tragen Giulietta fort. Hoffmann fordert von Schlémil den Schlüssel zu ihrem Gemach. Für das Duell der beiden leiht Dapertutto Hoffmann seinen Degen. Schlémil wird tödlich verwundet. Hoffmann nimmt den Schlüssel, doch er sucht Giulietta vergebens: Vor die Wahl gestellt, hat sie der Liebe den Diamanten vorgezogen.
EPILOG So enden Hoffmanns Erzählungen, die Geschichte seiner drei Lieben. Als Nicklausse meint, dass Stella die Verkörperung seiner drei Geliebten sei, greift Hoffmann seinen Mentor in trunkener Wut an. Bis Stella kommt, hat sich Hoffmann bereits sinnlos betrunken. Andrès, der jetzt in Lindorfs Diensten steht, stellt Stella dem Stadtrat vor, der sie triumphierend zu seinem Wagen führt. Die Muse kehrt zu ihrer wahren Gestalt zurück. Sie verspricht, Hoffmanns Leiden zu lindern, und erklärt ihm, dass die Liebe im Leben nur ein Trugbild sei: Die wahre Liebe gibt es nur in der Kunst. Das ganze Ensemble stimmt in das Finale ein: »On est grand par l’amour et plus grand par les pleurs.« Der leidende Dichter kehrt an den Schreibtisch zurück, um seine Suche in der Kunst fortzusetzen.
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ÜBER DIESES PROGRAMM- BUCH Im Wettlauf mit dem Tod hat der todkranke Jacques Offenbach sein letztes Bühnenwerk Les Contes d’Hoffmann geschaffen – eine fantastische Oper, in deren Mittelpunkt der romantische Dichter E.T.A. Hoffmann steht, dessen Liebesbeziehungen durch einen dämonischen Widersacher stets zu Fall gebracht werden. Letztlich konnte Offenbach der Nachwelt nur ein Fragment hinterlassen, um deren Vervollständigung seither ständig gerungen wird. Über die musikalische Besonderheit dieser letzten Oper Offenbachs spricht der Dirigent der Wiederaufnahme 2024, Betrand de Billy, ab Seite 10. Seinen inszenatorischen Zugang zum Werk erläutert Regisseur Andrei Şerban ab Seite 18, Eckpunkte zum Dichter und Opern-
ROLANDO VILLAZÓN als HOFFMANN
Namensgeber Hoffmann liefert Ulrich Müller (ab Seite 22). Der Kulturwissenschaftler Oswald Panagl steuert diesem Programmbuch zahlreiche Texte bei, unter anderem schreibt er über die Hoffmann-Aufführungsgeschichte im Haus am Ring (ab Seite 73). Rotraud A. Perner untersucht die Oper aus psychoanalytischer Sicht (ab Seite 64), Walter Dobner fragt ab Seite 35, inwiefern Hoffmann eine »romantische Figur« ist, der Katastrophe des Ringtheaterbrandes in Wien im Zuge einer Hoffmann-Aufführung wird ab Seite 68 gedacht. Die Verknüpfung zwischen der Hoffmann-Oper und dem Dichter Hoffmann wird durch Ausschnitte aus Werken des Autors, die in engem Bezug zur Opernhandlung stehen, ab Seite 55 verdeutlicht.
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ANDREAS LÁNG & OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT BERTRAND DE BILLY
SEIN INNERSTER AUSDRUCK ll
Jacques Offenbach schrieb zahllose Operetten und fünf Opern. Immer wieder wird gesagt, dass es bei ihm keine unterschiedlichen Stile für diese unterschiedlichen Genres gab, sondern immer nur einen Offenbach-Stil, egal, ob für Oper oder Operette. Würden Sie dem zustimmen? bb Ich würde eher sagen: Es gibt Offenbach und es gibt den Les Contes d’Hoffmann-Offenbach, also den Komponisten der letzten OffenbachOper. Und diese ist in den von ihm fertiggestellten Teilen in vielem anders als alles zuvor von ihm Geschriebene. Dieses Phänomen eines letzten, plötzlich »anderen« Werks gibt es übrigens bei etlichen anderen Künstlern auch. Es ist verblüffend zu sehen, wie ein Komponist am Ende seines Opernschaffens plötzlich etwas ganz Neues macht. Denken wir an Verdi mit Falstaff, an Wagners Parsifal, an Rossini mit Guillaume Tell. Oder schauen wir in die bildende Kunst: Ich habe in der Albertina vor einigen Jahren
in einer Ausstellung die letzten Gemälde von Claude Monet gesehen. Welche Überraschung! Plötzlich malte er wie ein Matisse oder wie Picasso. Verrückt, oder? In diesem Zusammenhang fiel mir eine Studie ein, in der Sterbende gefragt wurden, was sie im Leben bereuen. Die Antwort war häufig: Nicht genug gelebt zu haben, nicht genug geliebt zu haben und nicht ausreichend das getan zu haben, was man wirklich wollte. Was bedeutet das nun in unserem Zusammenhang? Dass sich am Ende eines Schaffens mit einer großen Ehrlichkeit noch einmal zeigt, was Künstler wirklich wollen, was ihnen wichtig ist. Im Falle von Offenbach zeigt sich das in den hinterlassenen Fragmenten von Contes d’Hoffmann! Er sprach noch kurz vor seinem Tod davon, dass er die Uraufführung dieser Oper so gerne erleben würde. Das war ihm leider nicht vergönnt. Aber die von ihm noch fertiggestellten Teile sind sein innerster, ehrlichster Ausdruck. ll Die Oper bringt den großen deutschen Romantiker E.T.A. 10
SEIN INNERSTER AUSDRUCK
Hoffmann ins Spiel. Inwiefern lassen sich Verbindungen von Hoffmann zu Offenbach schlagen? bb Nun, es ist kein Zufall, dass Offenbach sich von dieser sehr vielschichtigen und auch tragischen Figur angezogen fühlte und vielleicht auch Elemente seiner Persönlichkeit in sich gesehen haben mag. Hoffmann kam ja ursprünglich von der Musik, komponierte und arbeitete als Kapellmeister und sah zunächst das Schreiben nur als Zweitbegabung. Daneben arbeitete er weiter in seinem Justizberuf und widmete sich auch der bildenden Kunst. Er musste sich in seinem Leben immer auf das Härteste durchschlagen. Offenbach dagegen wurde als frühe musikalische Begabung erkannt und von den Eltern auf das Äußerste gefördert. Große Teile seiner Laufbahn verliefen höchst erfolgreich, bis die Zeitumstände ihm gegen Ende seines Lebens gewisse Schwierigkeiten bereiteten. Also, bei Vergleichen muss man sehr vorsichtig sein. Die Übereinstimmungen zwischen Offenbach und Hoffmann wären zwar sehr romantisch – aber kaum wirklich belegbar… ll Aber beide waren Genies ihrer Zeit. bb Posthum ist das ja keine Frage; nur Offenbach war zu seinen Lebzeiten wesentlich berühmter und erfolgreicher als Hoffmann. Er machte ja auch ohne Probleme die erstaunlichsten Wandlungen durch, wenn es für seinen Beruf oder sein Privatleben nötig war. Der deutsche Jakob wurde zum französischen Jacques und posthum zum Inbegriff französischen Musikantentums, und
der Jude zum Katholiken, wenn es darum ging, die Frau seiner Wahl heiraten zu können. Hoffmann mäanderte zwischen seinen vielen Begabungen hin und her. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, aber sein Ruhm war dann doch vor allem ein posthumer. Die Bedeutung und der Einfluss auf die nächsten Generationen weit über das deutsche Sprachgebiet hinaus erlebte er nicht einmal im Ansatz! ll Und dann Offenbachs Verwandlung am Ende, bei Contes d’Hoffmann: Was macht das Werk so außergewöhnlich, was ist das Neue, das man erlebt? bb Es ist schon eine große Tragik, dass es Offenbach nicht vergönnt war, die Gesamtkonzeption zumindest in vollständiger Skizze zu hinterlassen. Der wichtigste, nämlich der letzte Akt, existiert ja nur im Libretto, das der Zensurbehörde vorgelegt werden musste, aber musikalisch ist so gut wie nichts da. Das öffnet natürlich weit das Tor für alle Spekulationen: Vielleicht ist es ein Resümee seines Schaffens? Oder sehen wir die Oper als Don Giovanni-Fortsetzung und zwar in dem Sinne, dass Don Giovanni der große Suchende ist, der dem Phantom der einzig wahren, »idealen« Partnerin nachjagt und verschiedene Facetten – Mutter, Ehefrau, Geliebte, Vertraute, beste Freundin und so weiter – in einer Person finden will? Die unterschiedlichen Frauenfiguren in Contes d’Hoffmann wären, so betrachtet, Anteile einer idealisierten, herbeifantasierten Gesamtperson, von der die Titelfigur träumt. Offenbach wollte möglicher11
IM GESPRÄCH MIT BERTRAND DE BILLY
weise so ein allumfassendes Ideal auch musikalisch schaffen: Also alle denkbaren Facetten in einer Oper! Vom Unsinn, den die betrunkenen Studenten in der Weinstube singen, bis hin zur größten Schönheit und zu den tiefsten Emotionen. Natürlich – wie sollte es denn bei Offenbach auch anders sein – ist auch der Humor wesentlich, es gibt Momente in Contes d’Hoffmann, bei denen man herzlich lachen kann, und selbst in den tragischen Momenten bleibt immer ein Augenzwinkern. Jacques Offenbach will in Contes d’Hoffmann alles miteinander versöhnen und zusammenführen. ll Eine der zentralen Fragen zu dieser Oper ist jene nach der Fassung. Das Werk wurde von Offenbach nicht vollkommen finalisiert und es existieren mehrere mögliche Spielversionen. Gibt Ihnen dieses Offene mehr Freiheit? bb Für diese Wiederaufnahme sehe ich es als selbstverständlich, dass wir exakt jene Fassung spielen, die an diesem Haus 1993 zur Premiere gekommen ist. Ich finde Andrei Şerbans Inszenierung nach wie vor eine szenische Lösung, die ausgezeichnet funktioniert. Wir frischen das Ganze auf – aber wir ändern nichts an der Struktur. Interessanterweise bin ich gerade auch inmitten der Arbeit an einem neuen Hoffmann in Berlin. Da arbeite ich mit der Regisseurin seit Monaten an einer eigenen Fassung des Werks. Man muss bei diesen Fassungen natürlich immer auch das Haus mitbedenken, für das eine Neuproduktion entsteht: Wenn es sich um einen Stagionebetrieb oder ein Festival han-
delt, also ein Theater, das nur eine Aufführungsserie mit nur einer Besetzung spielt, dann kann man sich in puncto Fassung ein bisschen austoben. In einem Repertoiretheater wie der Wiener Staatsoper ist das weniger sinnvoll; da braucht es eine Version, die möglichst viele internationale Sängerinnen und Sänger beherrschen. Eine Raritätenfassung wäre in diesem Falle unbrauchbar. ll Sie sprachen darüber, dass Offenbach als Deutscher nach Frankreich kam. Was schrieb er als ehemaliger Schüler des Pariser Konservatoriums? Französische Musik? Was wäre ein Beispiel für die französische Klangwelt in Contes d’Hoffmann? bb Schauen Sie – das ist so eine Frage, die sich im Grunde gar nicht beantworten lässt, weil sie die historische Entwicklung völlig außer Acht lässt. Was war denn »französische Musik« um 1836, als Offenbach mit seinem Vater nach Paris kam? Die großen Namen waren Cherubini, Rossini, Bellini oder Spontini. Halévy, Offenbachs Lehrer, lernte bei diesen aus dem Ausland zugezogenen Großmeistern. Was man heute als »französisch« bezeichnet, wurde doch posthum festgelegt, und uns gilt heute nichts französischer als Offenbach – nur: gibt es das alles wirklich? Die sicherlich bekannteste Nummer der Oper, die Barcarolle – sie stammt bekanntlich aus einer anderen Offenbach-Oper, nämlich aus den Rheinnixen –, könnte man als Vorläufer des musikalischen Impressionismus sehen – denken Sie nur an die Harfenbegleitung! Aber es ist nahezu 12
SEIN INNERSTER AUSDRUCK
unmöglich, solche Fragen seriös zu sicherlich voller und runder klingen. beantworten. Aber macht das etwas? Nein – ganz ll Joseph Haydn sagte einmal im Gegenteil! Ich vermisse mittlerin Hinblick auf seine Musik: weile geradezu schon diesen schö»Meine Sprache verstehet nen runden, warmen Klang, wenn man durch die ganze Welt.« ich nicht in Wien bin. SelbstverDavon unabh ängig gibt es ständlich verlangt das französische aber trotzdem bei jedem Repertoire eine gewisse TranspaKompon isten nat iona le renz, Flexibilität und oft auch LeichInterpretationstraditionen. tigkeit, aber beides steht in keinem Man spielt beispielsweise Widerspruch zum Wiener Klang. Britten in seiner Heimat Ich konnte zuletzt an der Wiener nu n ei n ma l a nders a ls Staatsoper unter anderem Roméo etwa in Mitteleuropa. Wie et Juliette, Faust, Dialogues des Cars ieht e s d ie sb e z ü g l ich mélites und Guillaume Tell machen – mit Offenbach aus? Was und es hat mir größte Freude bereitet. macht ein französisches Das Orchester weiß durch die lange Spitzenorchester im Falle Zusammenarbeit, was mir wichtig von Les Contes d’Hoffmann ist, und ich kenne die hiesige Traanders als das Orchester der dition, die ich in die Interpretation Wiener Staatsoper? ganz selbstverständlich mit einbinde. bb Ich habe vor wenigen Wochen Das Ergebnis war französische Mu[Herbst 2024] mit dem Orches- sik, der etwas Wiener Charme beitre National de France im Pariser gemengt war. Ist doch fantastisch, Théâtre des Champs Elysées neben oder? Und was Offenbach betrifft Mozarts Requiem auch Poulencs – nun, er war ja, wie gesagt, gebürgrandiose Sept Répons des ténèbres tiger Deutscher. So wie sein Vater – aufgeführt. Also französisches Re- übrigens ein mehr als passabler Geipertoire mit einem französischen ger –, von dem er viel musikalisches Orchester. Natürlich, die ganz spe- Wissen aufgenommen und dann mit zielle Leichtigkeit, der etwas trocke- den eigenen Erfahrungen am Parinere Klang – insbesondere bei den ser Konservatorium und als Cellist Streichern –, den wir da zu Gehör in der Opéra-Comique vereinigt hat. gebracht haben, wird sich andern- Diese unterschiedlichen Quellen orts mit einem anderen Orchester spiegeln sich nicht zuletzt auch in so in dieser Form nicht einstellen. Les Contes d’Hoffmann. Hier in Wien würde dieselbe Musik
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MATTHIAS BRZOSKA
LES CONTES DʼHOFFMANN IM KONTEXT Jacques Offenbach erwarb die Vertonungsrechte an Barbiers und Carrés altem Schauspiel in seiner Zeit als Direktor am Théâtre de la Gaîté gleichsam nebenbei: als Zugabe zu dem patriotischen Schauspiel Jeanne dʼArc, das Offenbach von Charles Gounod vertonen ließ. Mit der Vertonung der Contes begann Offenbach jedoch erst, als sein Nachfolger Albert Vizentini 1875 beschlossen hatte, das Théâtre de la Gaîté zum Nachfolger des Théâtre-Lyrique zu machen, das 1872 in Konkurs gegangen war. Vizentinis Theater nahm 1876 den Namen Opéra National Lyrique an. 1877 setzte sich Vizentini mit Offenbach in Verbindung – die Aufführung wurde für die Saison der Weltausstellung von 1878 geplant. Aber schon im Jänner 1878 machte auch Vizentini Pleite. Auch wenn das Werk nach Offenbachs Tod in einer Dialogfassung an der Opéra-Comique (am 10. Februar 1881) uraufgeführt wurde, entspricht die ursprüngliche durchkomponierte Fassung mit Rezitativen zweifellos der intendierten Werkgestalt. Denn Offenbach verhandelte 1879 parallel auch mit der Wiener Hofoper über eine Aufführung, an der Rezitative üblich waren, und komponierte auch an den Rezitativen weiter. Er vollendete davon nur etwa ein Drittel – den Rest komponierte Ernest Guiraud im Auftrag der Erben JACQUES OFFENBACH
nach. Somit sind Les Contes dʼHoffmann Offenbachs einziger Beitrag zur Gattung der durchkomponierten Oper mit ernstem Sujet (abgesehen von der für Wien komponierten »romantischen Oper« Die Rheinnixen, die aber in den deutschen Gattungskontext gehört). Eine unglückliche Aufführungsgeschichte und eine undurchsichtige Quellenlage führten dazu, dass die intendierte Werkgestalt erst in der von Michael Kaye und JeanChristophe Keck vorgelegten Ausgabe aufführbar wurde, insbesondere mit dem noch von Guiraud komplettierten Finale des Giuletta-Aktes. Erschwerend kommt hinzu, dass zwei Erfolgsnummern der Oper von fremder Hand hinzukomponiert wurden, die nie von Offenbach oder seinen Librettisten so geplant waren – die Spiegelarie des Dapertutto und das Septett –, und seitdem unausrottbar zum Werkbestand gehören. In den zeitgenössischen Presseankündigungen werden Les Contes dʼHoffmann meist umstandslos als Grand Opéra bezeichnet. Dieser Klassifizierung entspricht die äußere fünfaktige Anlage und eine über das Werk hinausweisende philosophische – oder wenigstens parabelhafte – Werkaussage im Sinne der Unvereinbarkeit von Kunst und Leben (Kunst und Liebe). Diese Merkmale konnte die zeitgenössische Presse dem Schauspieltext entnehmen,
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MATTHIAS BRZOSKA
der in Paris ja seit Langem bekannt war. Freilich enden damit auch die Gemeinsamkeiten des Werkes mit der Grand Opéra: Die lockere Reihung der Handlungsepisoden und die distanzierende Erzählweise widersprechen den dramaturgischen Prinzipien der Gattung. Vielmehr sind Les Contes dʼHoffmann ein Werk, das mit verschiedenen Gattungstraditionen spielt und diese reflektiert. In den Rahmenakten ist es die dem Fass entsteigende Figur der Muse/Nicklausse, welche jene distanzierende Erzählperspektive herstellt, die an Brechts episches Theater – bzw. dessen musiktheatralische Umsetzung durch Weill u.a. – erinnert. Vorbilder gibt es aber in Offenbachs eigenem Œuvre, etwa in der Figur der öffentlichen Meinung in Orphée. Musikalisch verweist Offenbach ebenfalls auf die entwickeltere Opéra bouffe: Chornummern, Couplets und das abschließende Duett entsprechen deren Formrepertoire. Allerdings montiert Offenbach in Hoffmanns Klein-Zach-Couplets unvermittelt einen Mittelteil ein, dessen lyrische Emphase reines Drame lyrique ist, um Hoffmanns Erinnerung an die Geliebte hervorzuheben. Robert Didion hat den zweiten Akt als »eine die Operette streifende Groteske« bezeichnet. Kleingeschrieben und mit Akzent ist damit die Bezugsgattung benannt: die »opérette«, also die französische Gattungsbezeichnung für die frühen Einakter Offenbachs. Die Handlung entspricht nämlich exakt jener »physique amusante«, die Offenbachs Vorgänger, der Zauberkünstler Lacaze, in seinem Theater auf den Champs-Elysées aufführte: Ein Mensch verliebt sich in eine lebensechte mechanische Puppe. Auch musikalisch hält sich Offenbach an den Text seines allerersten Privilegs: Er komponiert
Dialogszenen, bei denen nie mehr als drei Personen gleichzeitig singen – auch nicht im Finale –, strophische »Couplet«-Formen und eine »Chansonette«, nämlich die Air Olympias als Einlagelied der mechanischen Puppe. Olympias sonstige Rolle ist eine Pantomime und auch die Tanzszene ist durch das Privileg gedeckt, da sie nicht mehr als fünf Tänzer benötigt. Die Nutzung des Chores wäre immerhin mit einer Sondergenehmigung des Ministeriums zulässig gewesen. Im Olympia-Akt reflektiert Offenbach, sowohl der Handlung wie auch der musikalischen Struktur nach, die Zeit seiner eigenen Anfänge, in der die Opérette noch zur Kategorie der Jahrmarktsspektakel gehörte. Das Drame lyrique evoziert der zentrale Antonia-Akt. Dem entspricht die psychologische Tiefendimension der Handlung, die, wie Sieghart Döhring gezeigt hat, nur als theatralische Konkretion der inneren Projektionen der Hauptfigur verständlich ist. Am deutlichsten wird dies im Motiv der »Stimme der Mutter aus dem Grab«, aber auch die Figur des »Einflüsterers« Miracle erscheint als »innere Stimme« Antonias, von der sie selbst nicht weiß, ob es sich um die Stimme des Versuchers oder die der göttlichen Bestimmung handelt. Die Liebe Antonias zu Hoffmann ist ebenso ambivalent, da zweifelhaft bleibt, ob sie ihn oder seine Musik liebt. Den diskursiven Charakter dieses Aktes unterstreicht, dass Nicklausse hier zum ersten und einzigen Mal aus der Rolle fällt und zur Muse zurückmutiert: Ihre Romance ist parabelhaft auf die Musik selbst bezogen und bindet die Mittelakte an den »Kunst versus Leben«-Diskurs der Rahmenakte zurück. Auch musikalisch hält sich Offenbach an die Stilhöhe und an das For-
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LES CONTES DʼHOFFMANN IM KONTEXT
menrepertoire des Drame lyrique. Der Akt exponiert jede der drei Hauptfiguren mit einer eigenen »Romance«. Die Romance ist traditionell die paradigmatische Sologesangsform der Opéra comique; von hier aus wanderte die Form in das Drame lyrique ein, das sie zur Charakterisierung der seriösen Charaktere nutzt. Die einleitende Romance der Antonia verweist mit ihrem ausgeweiteten Mittelteil auf die Expressivität des Drame lyrique. Stilistisch hiervon deutlich abgehoben sind die Couplets der Dienerfigur, die ebenfalls sowohl in der Opera comique wie im Drame lyrique ihren Platz gehabt hätten. Die zweisätzige Duettform, die im Zentrum des Aktes steht, gehört ebenfalls zum Formenrepertoire des Drame lyrique. Mehrsätzige Formanlage und die für die Gattung typische kammermusikalische Expressivität kennzeichnen das abschließende Trio. Der cabalettenartige Duktus des Schlusssatzes hebt den Todesmoment der Antonia durch den typischen Satzcharakter der »großen«, dramatischen Form hervor. Den Giulietta-Akt assoziierte Didion mit dem Grand-Guignol. Das Théâtre du Grand-Guignol – ein Schauertheater mit zweideutigen »Attraktionen« – wurde allerdings erst 1897 gegründet. Für die Handlung des Giulietta-Aktes genügen die blutigen Melodramen der Vorstadttheater als theatergeschichtlicher Bezugspunkt, deren Effekte auch die Dramaturgie der Grand Opéra geprägt haben. Offenbach kleidet den Akt denn auch in das musikalische Gewand der Grand Opéra. Dafür steht
paradigmatisch bereits die akteröffnende Barcarolle ein, die jene »Couleur locale« herstellt, die für die Grand Opéra typisch ist. Ihre Wiederholung durch den Fernchor während des pantomimischen Duells zwischen Hoffmann und Schlémil ist für die »multimediale« Faktur der Grand Opéra typisch. Sie evoziert hier nicht nur »venezianisches« Lokalkolorit, sondern fungiert gleichzeitig als musikalische Chiffre für jene schwül-erotische Atmosphäre, in der sich Hoffmann durch den Mord an Schlémil endgültig verliert. Die große Koloraturarie der Giulietta als Chiffre der Verführung ist ebenfalls ein Formtopos der Grand Opéra – ebenso wie das mehrsätzige Duett mit cabalettenartigem Schlusssatz, das den Kulminationspunkt der Handlung – die Abtretung des Spiegelbildes – charakterisiert. Das turbulente Finale komprimiert mit seinen überraschenden Handlungsstationen ein mehrsätziges Handlungsfinale der Grand Opéra: Erkenntnis des Helden, dass er getäuscht wurde, Spottchor, Auftritt der Sbirren, Wahnsinnsszene und schließlich Mord sind in einen einzigen, musikalisch durchgängigen Formverlauf integriert. Offenbachs Oper Les Contes dʼHoffmann ist nicht nur dem Sujet nach eine »Künstleroper«. Vielmehr reflektiert Offenbach in der musiktheatralischen und formalen Struktur seiner letzten Oper die Gattungstraditionen seiner Zeit. Somit trägt die Oper nicht nur die typischen Züge eines »Spätwerks«, sondern auch die einer Epochensumme.
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ANDREAS LÁNG IM GESPRÄCH MIT REGISSEUR ANDREI ȘERBAN
DIE SUCHE NACH UNSICHTBAREN FÄDEN al
Sehr geehrter Herr Șerban, inwieweit entspricht der Charakter der Titelfigur in Contes d’Hoffmann tatsächlich der realen Figur des Dichters? Ist der Opern-Hoffmann in gewissen Aspekten nicht auch ein Alter Ego des Komponisten Jacques Offenbach? aş Es handelt sich um eine echte, fast symbiotische Mischung: Offenbachs Persönlichkeit unterschied sich natürlich gewaltig von jener des Dichters E.T.A. Hoffmann, dennoch scheint er sich während der Arbeit an der Oper Contes d’Hoffmann in gewissem Sinne in einen Doppelgänger Hoffmanns verwandelt zu haben: Die Tonsprache entwickelte sich im Geiste Hoffmanns, dessen Welt zwischen Realität und fantastischer Projektion, zwischen sichtbarer und unsichtbarer Welt ebenso. Andererseits erscheinen viele der Probleme aus der tatsächlichen Biographie Hoffmanns beziehungsweise die Probleme einiger Charaktere aus dessen Dichtungen in dieser Oper gefiltert durch die Brille der sonderbaren, leicht ironischen, schrullig-verrückten Per-
sönlichkeit des Komponisten. Anders gesagt: Offenbach hat sich in Hoffmann hineingefühlt, hineingedacht, ihn aber zugleich aus seinem Blickwinkel heraus interpretiert. al Unterscheidet sich die Herangehensweise des Regisseurs an eine in jeder Hinsicht fantastische Oper wie sie Contes d’Hoffmann nun einmal ist, von der Herangehensweise an ein Werk konventionelleren Zuschnittes? aş Grundsätzlich verlangt jeder Komponist eine je eigene Herangehensweise und jedes Stück eine je eigene Herangehensweise. Wenn wir uns allerdings zu sehr in stilistischen und formalen Fragestellungen verlieren, vergessen wir sehr rasch, warum wir überhaupt Kunst machen. Denn die eigentliche Aufgabe eines Künstlers und aller an der Entstehung eines Kunstwerks beteiligten Menschen besteht in der Suche nach jenen unsichtbaren Fäden, die Musik, Handlung und Leben miteinander verknüpfen und uns helfen, Antworten auf die Frage nach dem Sinn unseres Daseins zu geben. Und diesbezüglich ist die Herangehensweise eines Regis-
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DIE SUCHE NACH U NSICH T BA R EN FÄ DEN
seurs an alle Opern gleich: Schaffe ich aus dem mir anvertrauten Werk jene Essenz herauszuschälen, die tiefergehende Fragen aufzeigt und/oder vielleicht beantwortet – oder nicht? al Viele Aspekte des menschlichen Lebens sind in Contes d’Hoffmann bewusst verborgen, übertrieben, verzerrt. Muss der Regisseur all diese Elemente aufschlüsseln, um sie dem Publikum quasi zu offenbaren? aş Nein! Dechiffrieren bedeutet die Auflösung des Mysteriums – und wenn ich eine Beschädigung des Kunstwerkes verhindern will, muss ich das in ihm innewohnende Mysterium zu erhalten trachten. Ein Mysterium kann man nicht erklären, am ehesten noch vereinfachen, aber dann verliert es seine Komplexität. Nein, die Aufgabe des Regisseurs ist es, das Publikum dahin zu bringen, sich auf das Mysterium, auf ein vorhandenes Paradoxon einzulassen, es zu erleben und durchzuleben. al Sie sprachen im Zusammenhang mit Contes d’Hoffmann einmal von der psychologischen Realität … aş Nun, wir haben hier eine Geschichte vor uns, die einerseits drei angenommene Aspekte der Frau an sich aufzeigt und zugleich die Unfähigkeit des Künstlers, das alltägliche Leben zu meistern. Denn so kreativ und schöpferisch jemand in seiner Kunst auch sein mag, so verloren kann derjenige im eigentlichen Leben sein, wenn er auf die Straße und in eine tatsächliche Beziehung zu anderen Menschen tritt. Dieses Stück ist ein sehr guter Spiegel für alle Künstler. al Hoffmann ist also kein Opfer der Kunst? aş Nein!! Er ist ein Opfer des Lebens. al Wie gültig ist die Schlussaussage
von Contes d’Hoffmann, nach der das Leid größer macht als alles andere und das eigentliche Glück in der Kunst zu finden ist? aş Zumindest für Künstler trifft die Aussage sicher zu, zumal für den Künstler des 19. Jahrhunderts, der nicht versucht hat sich dem Leben zu stellen, sondern sich in die Kunst geflüchtet hat. al Nun wird Hoffmann von der Muse vorgeführt, dass er sein Glück in der Kunst und nicht im Leben suchen sollte – und just dieser Weg hat sich für Antonia als tödlich herausgestellt. aş Bei Antonia kommt allerdings noch dieser seltsame freudianische Aspekt dazu, ihr merkwürdiges Verhältnis zu ihrem Vater, zu ihrer Mutter, weiters die Krankheit in der Familie, also diese dunkle Wolke, die über der Familie schwebt. Hoffmann ist ja im Gegensatz zu ihr physisch vollkommen gesund. Das Paradoxe ist jedoch, dass Hoffmann aus ihrem Sterben neuen Stoff für seine eigene Kreativität schöpft. al Ist Contes d’Hoffmann frauenfeindlich, wie gelegentlich kolportiert wird? aş Nein, überhaupt nicht. Wir sehen ja die einzelnen Frauenf iguren, also Olympia, Antonia, Giulietta und Stella aus der Sicht Hoffmanns, und der missversteht sie gründlich. Hoffmann versucht, die Frauen zu erreichen, zu besitzen, was er nicht schafft. Der Fehler, das Versagen liegt auf seiner Seite, nicht auf jener der Frauen. Nicht die Frauen sind böse, sondern er, Hoffmann, kann nicht mit ihnen umgehen. al Sind auch die vier Bösewichte nur aus der Sicht Hoffmanns negative Charaktere? aş Ich sehe sie eher als Provokateure, als Dämonen. Die wichtige Funktion
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der Dämonen, oder ganz allgemein des Teufels, besteht darin, durch Schwierigkeiten, durch Probleme, durch Provokationen unser Verständnis von der Welt, von uns selbst zu erhöhen. Ohne den Teufel wäre unsere seelische Entwicklung vermindert. Das Problem Hoffmanns besteht darin, dass er durch diese dämonischen Widersacher zwar provoziert wird, aber in seinen Reaktionen auf diese Provokationen versagt – und in die Kunst flüchtet, was einer Flucht vor den Schwierigkeiten des Lebens gleichkommt. Hoffmann vermag somit ausschließlich in und durch die Kunst Erkenntnis über sich selbst zu erlangen.
al
In Wien wird eine eigene Fassung von Contes d’Hoffmann gezeigt, wie kam diese zustande? aş Es würde wahrscheinlich viel zu weit greifen, wenn ich alle Überlegungen aufzählte, die zu dieser Fassung geführt haben. Mir ging es vor allem darum, dass am Schluss dieses große, oratorienhafte Finale steht, diese Quasi-Apotheose, in dem Hoffmann an seinem Schreibtisch gezeigt wird: Dem einzigen Ort, an dem er stets als Sieger hervorgeht, dem einzigen Ort, an dem er zu Hause ist – mit den Tintenklecksern an der Wand und den Ideen und Träumereien, die seine Fantasie hervorgebracht hat.
Das Interview entstand 2014.
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MARINA REBEKA als ANTONIA
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EINE MEHRFACH- BEGABUNG MIT NAMEN AMADEUS In der Inschrift auf seinem Grab zu Berlin rühmten ihn seine Freunde mit eben diesen Worten: »Ausgezeichnet im Amte, als Dichter, als Tonkünstler, als Maler.« Und Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann, geboren 1776 in Königsberg und im Alter von 47 Jahren im Jahre 1822 in Berlin verstorben, der seinen dritten Vornamen aus Verehrung zu Mozart in Amadeus änderte, war tatsächlich eine aufsehenerregende Mehrfachbegabung: Sein Brotberuf war der eines Juristen. Nach vorheriger Unterbrechung seiner Jus-Karriere wurde er 1816 Gerichtsrat am Kammergericht in Berlin. Er war ein höchst korrekter, effizienter und sehr menschlicher Beamter. Das bewahrte ihn aber nicht davor, dass er kurz vor seinem Tode wegen seiner liberalen politischen Ansichten und einer Satire auf den preußischen Polizeidirektor in Schwierigkeiten mit seiner vorgesetzten Behörde kam und ihm ein Verfahren drohte. Hoffmann war, nach ersten juristischen Tätigkeiten, viele Jahre als Musiker und Theaterkomponist in Bamberg, Leipzig und Dresden tätig, hat zahlreiche Kompositionen der verschiedensten Art geschaffen, und er betrachtete die sehr erfolgreiche Uraufführung seiner Oper Undine am Berliner Schauspielhaus (3. August 1816) als Höhepunkt seiner künstlerischen Karriere. Neuere Aufführungen dieses Werkes zeigen tatsächlich eine beträchtliche Qualität, und es ist etwas zu bedauern, dass dieses sehr frühe Beispiel einer
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deutschen romantischen Oper durch Lortzings gleichnamiges (und gleichfalls sehr gutes) Bühnenwerk in den Hintergrund gedrängt worden ist. Als Musikkritiker war er einer der ersten, der das Außergewöhnliche in Beethoven erkannte. Als Zeichner war er immerhin begabt genug, dass er in persönlichen Notzeiten mit dem Verkauf von Bildern sein Los lindern konnte – und er war auch mit dem Zeichenstift ein so treffsicherer Satiriker, dass er, weil er als junger Regierungsrat im damals preußischen Posen einige Offiziere derart ätzend karikiert hatte, für zwei Jahre in den äußersten Osten strafversetzt wurde. Bis heute Weltgeltung hat Hoffmann aber vor allem als Schriftsteller, als Verfasser von Novellen (Sammlungen: Fantasiestücke in Callots Manier, Nachtstücke, Die Serapionsbrüder), Märchen (z.B. Der Goldene Topf ) und Romanen (Die Elixiere des Teufels, Lebensansichten des Katers Murr). Speziell außerhalb des deutschsprachigen Raumes gilt er bis heute als der herausragende deutsche Romantiker, und sein teilweise exzentrischer Lebensstil und die Fantastik seiner Werke haben schon früh die Fantasie des Publikums angeregt. Kennzeichnend für seine Erzählungen ist die Mischung von Groteskem, Unheimlichem und Übersinnlichem mit bürgerlicher Schein-Idyllik und Komik, wobei er auch immer wieder musikalische Themen darstellte. Dies brachte ihm eine große und begeisterte Leserschaft ein. Diese konnte aber nicht (und wollte wohl auch nicht) allzu genau zwischen der Person des Künstlers Hoffmann und dem Inhalt seiner Werke unterscheiden, und so entstand das bekannte, wenn auch irreführende Schlagwort vom »Gespenster-Hoffmann«.
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E.T.A. HOFFMANN – IN REALITÄT & AUF DER THEATER- BÜHNE Hoffmann war mit seinem fast zwergenhaften Wuchs und dem mächtigen Kopf eine auffällige Erscheinung; unterstrichen wurde dies noch durch eine oft exaltierte Art sich zu bewegen. Frühe Legenden rankten sich um seinen Berliner Freundeskreis (1818 Gründung der sogenannten »Serapionsrunde«) und vor allem um seine Zechabende in der Eckstube des Weinhauses Lutter [!] & Wegner in Berlin, insbesondere mit seinem Freund, dem berühmten Schauspieler Ludwig Devrient. Dass er dem Wein in starkem Maße zusprach und er unter dessen Einfluss ein geradezu begnadeter und faszinierender Unterhalter war, wird von vielen bezeugt; dass er jedoch auch selbst (wie viele der von ihm dargestellten Figuren) Zeichen von Geisteskrankheit zeigte, gehört in den Bereich der üblen Nachrede. Ein schweres Rückenmarksleiden, das möglicherweise mit seinem Lebensstil zusammenhing (dass es Syphilis war, lässt sich nicht nachweisen), machte ihn 1822 bettlägrig; es ist überliefert, E.T.A. HOFFMANN
dass er aber trotz rasch fortschreitender Lähmung bis zuletzt seinen Humor und seine geistige Kraft nicht verloren hatte. Sozusagen mitten beim Diktieren (denn er konnte nicht mehr selbst schreiben) starb er, verlangte aber kurz zuvor noch, mit dem Gesicht gegen die Wand gekehrt zu werden. Ganz besonders beliebt war Hoffmann von Anfang an in Frankreich: Er galt und gilt als Musterbeispiel deutscher Romantik, welche dort ja bis heute eine besondere Anziehungskraft hat. In diesen Zusammenhang gehört das Theaterstück von Jules Barbier und Michel Carré (Les Contes d’Hoffmann, Paris 1851), welches Barbier dann später für Offenbach als Libretto bearbeitete. In der Theater- und Operngestalt Hoffmann wurde die schon früher beim Lesepublikum zu beobachtende Vermischung von Leben und Werk endgültig vollzogen, und diese Figur wurde dann – verstärkt noch durch die vielen späteren Bearbeitungen der Oper – zum Musterbeispiel des genia-
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len, das reale Leben aber nicht meisternden Künstlers. Jene Bearbeitungen waren deswegen notwendig, weil die weder im Text noch in der Komposition wirklich fertiggestellte Oper vieles unklar lässt, insbesondere hinsichtlich des Schlusses. Eine Revision der unbestreitbaren späteren Verfälschungen wurde seit dem Zweiten Weltkrieg versucht. Am folgenreichsten war die berühmte Inszenierung an der Berliner Komischen Oper (1958), die der aus Österreich stammende Regisseur Walter Felsenstein akribisch vorbereitet hatte (und die übrigens unter der Leitung des Regisseurs Georg Mielke später auch verfilmt wurde). Es war ein folgenreicher Einfall der beiden französischen Theaterautoren Barbier und Carré, die Person des Künstlers Hoffmann mit Personen aus dessen Erzählungen zu kombinieren, den Autor also in dessen eigene Fantasiewelt zu versetzen. Einige Motive, etwa Hoffmanns Zechabende, seine vielbewunderten alkoholseligen Erzählungen und Fantastereien, eine unglückliche Liebespassion sowie die Bedeutung, die Mozarts Don Giovanni für ihn hatte, sind der realen Biographie des romantischen Künstlers entnommen oder aus ihr herausgesponnen. In den drei »Erzählungen« der Oper werden jedoch, bei genauem Hinsehen, nicht Leben und Werk in unzulässiger Weise vermischt, sondern die Bühnenfigur Hoffmann imaginiert sich in berühmte Erzählungen des Schriftstellers Hoffmann hinein. Während die Rahmenhandlung Motive aus Ritter Gluck, Klein-Zaches genannt Zinnober und Der Goldene Topf verwendet, verarbeiten die einzelnen Akte insbesondere die Erzählungen Der Sandmann (Olympia), Rat Krespel (Antonia) und Die Abenteuer der Silves-
ternacht (Giulietta). Allerdings wussten Offenbach und sein Librettist offenbar tatsächlich nicht, wie das Stück eigentlich zu Ende gehen sollte, und diese Unklarheit führte dann fast notwendigerweise zu den bereits erwähnten verfälschenden Bearbeitungen (die natürlich stets »gut gemeint« waren). Die in Hoffmanns Erzählungen so einprägsam und virtuos verwendete »kombinatorische Methode« war so überzeugend und erfolgreich, dass sie viel später in einer modernen Hoffmann-Oper wieder verwendet wurde: Nämlich dem an der Dresdner SemperOper unter der Regie von Joachim Herz 1989 uraufgeführten und im wahrsten Wortsinne »mehrschichtigen« Goldenen Topf (Libretto: Ingo Zimmermann, Musik: Eckehard Mayer). Zur internationalen Rezeptionsgeschichte des Künstlers E.T.A. Hoffmann passt es sehr genau, dass nicht nur sein Werk vor allem in Frankreich besonderen Ruhm erlangte, sondern dass auch die Oper über Hoffmann (Uraufführung an der Pariser OpéraComique am 10. Februar 1881, vier Monate nach Offenbachs Tod) zuerst dort ein großer Erfolg geworden ist. Selbst, dass das Wiener Ringtheater am Abend nach der deutschsprachigen Erstauff ührung (7. Dezember 1881) infolge einer Gasexplosion abbrannte, es dabei vierhundert Tote gab und diese größte Theaterkatastrophe des Jahrhunderts Hoffmanns Erzählungen zum »Unglücksstück« abzustempeln drohte, konnte den schließlich internationalen Siegeszug dieses Werkes nicht verhindern: Neben Carmen ist es die bis heute meistgespielte französische Oper geworden. Offenbachs Opernerfolg sollte aber den Ruhm und Ruf seiner Hauptfigur,
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nämlich des historischen Künstlers E.T.A. Hoffmann, nicht verdunkeln oder verfälschen: Die Oper Offenbachs könnte ja auch Anstoß dafür sein, sich die Musik des Mehrfach-Genies Hoffmann wieder anzuhören (was dank Aufnahmen leicht möglich ist) –
und vor allem: dessen bis heute faszinierende Texte wieder zu lesen und sich von ihnen in die Grenzbereiche zwischen bürgerlicher Alltagsrealität und unheimlichster Fantastik, zwischen Bewusstsein, Traum und Wahnsinn entführen zu lassen.
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DAS PRINZIP HOFFMANN – SCHRITTE EINER ANNÄHERUNG WERK & WIRKUNG Der Reiz, die Anziehung und die Ausstrahlung eines Kunstwerks entsprechen keineswegs seiner eindeutigen Lesart, seiner selbstverständlichen Botschaft, seiner allgemein akzeptierten Aussage. Ganz im Gegenteil – zwischen künstlerischer Wirkung und eindimensionaler Anlage waltet zumeist das Verhältnis der umgekehrten Proportion. Wo die Wissenschaft um präzise Sätze bemüht ist, überlässt die Kunst die Deutung mit Vorliebe den Interpreten, den Lesern, den Hörern. Und wenn es in der Ethik auf klare Gebote und unmissverständliche Normen ankommt, so hält es die Ästhetik mit dem mehrwertigen, vielfältig schillernden Angebot. Was der Schöpfer in sein Kunstprodukt an Einsichten, an Erfahrung, an Zusammenhängen und Deutungsmustern einbringt, liegt kaum je für den billigen Zugriff offen, sondern will erst entdeckt, erarbeitet, aus den Teilen neu zusammengesetzt werden: vom nachvollziehenden Künstler und vom Publikum, vom Einzelnen und der Gemeinschaft –
und das stets aufs Neue und immer wieder anders. Das Werk löst sich aus seinem historischen Entstehungszusammenhang und geht seinen eigenen Weg. Die Absichten des Schaffensprozesses und die Ergebnisse der Rezeption ziehen nicht immer am gleichen Strang und in dieselbe Richtung.
DIE DREI BILDER EINER FRAU Der Mann und die drei Frauen ist als Konstellation im dramatischen Kunstwerk typisch, womöglich archetypisch angelegt. Der ausgesetzte trojanische Prinz Paris im Angesicht der drei Göttinnen stammt aus dem antiken Mythos. Seine Entscheidung im Wettstreit der Konkurrentinnen gilt über den aktuellen Schönheitsbewerb hinaus prinzipiellen Lebenswerten des Menschen. Paris am Scheideweg hat sich gegen die Macht und die Weisheit für die Liebe entschieden und damit einen verhängnisvollen Krieg verursacht. Das Ethos von Hera und die Vernunft von Pallas Athene sind in dieser exemplarischen
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Ursituation den irrationalen Gaben der Aphrodite unterlegen. Wenn sich in der Zauberflöte Tamino am Anfang drei Damen der nächtlichen Königin gegenübersieht, wenn in Wagners Ring des Nibelungen die drei Rheintöchter Alberich ebenso wie Siegfried begegnen, so schwingt aller Neuheit der Problemstellung und aller Selbstständigkeit des Stoffes doch ein altes Motiv nach. Der Dichter Hoffmann steht vor keiner Wahl und hat nichts zu entscheiden. Er hat sich vor Jahren in die Sängerin Stella verliebt und ist ihr blindlings gefolgt: Der lyrische Mittelteil der Ballade vom Klein-Zack mit seinem assoziativen Übergang vom vorgetragenen Lied zur biographischen Enthüllung lässt darüber keinen Zweifel. Dass diese frühe Liebesgeschichte auch seine Lebensbahn von den Schienen gesicherter Bürgerlichkeit weg und in die dichterische Existenz geführt hat, darf ersichtlich angenommen werden. Der Liebesverrat Stellas an Hoffmann ist der Handlung des ersten Bildes ebenso deutlich abzulesen, wie er im Detail unklar bleibt. Sie hat ihn hintergangen, verlassen, aufgegeben, ihre Wege haben sich getrennt. Nun lenkt sie ein, will zu ihm zurück, für immer oder nur für ein flüchtiges Gastspiel, wie sie es als Künstlerin nebenan im Opernhaus gibt: als Donna Anna übrigens und in jenem Don Giovanni Mozarts, der gleichfalls seinen Titelhelden drei Frauen gegenüberstellt. Was Hoffmann dann in seinen drei Erzählungen vorführt und vollzieht, ist nicht bloß ausgeschmückte Erinnerung und fantastische Fabulierlust, sondern Trauerarbeit im Zeitraffer und die sichere Erkenntnis der versperrten Rückkehr – in eine intakte Liebesbeziehung ebenso wie in einen bourgeoisen
Lebensstil. Dass sich in den Frauenbildern der drei Episoden Facetten von Stellas Wesen ebenso spiegeln, wie Erscheinungen der Entstehungszeit der Oper darin Gestalt gewinnen, hat die Rezeptionsgeschichte von Hoffmanns Erzählungen so einhellig wie variantenreich beschrieben. Die abrufbare, gesteuerte Automatik der Koloraturen, der manisch getriebene Egoismus, die opportunistische erotische Verfügbarkeit sind für Hoffmann die Vexierbilder von Stellas Psychogramm. Die lebensechte Marionette, die femme fragile und die femme fatale, beschäftigten als Wunschideen wie als Zwangsvorstellungen den öffentlichen Diskurs der Zeit. Diesen doppelten Gehalt, diese angelegte Spannung und Wechselwirkung zum erlebbaren ästhetischen Ereignis werden zu lassen, ist ein Kennzeichen bedeutender Kunst.
DICHTER & GESELLSCHAFT Der Dichter als Inbegriff des kreativen Künstlers auf der Spitze der gesellschaftlichen Pyramide, Hand in Hand mit dem Herrscher, als poeta laureatus von den Menschen verehrt und bewundert, war einst ein klassisches Ideal gewesen. Den Vertretern einer romantischen Wende hat sich nicht bloß die Realität anders dargestellt, sondern auch die Illusion war kein erstrebtes Ziel mehr, die Utopie hatte ausgedient. Aus der Bezugsperson geistiger Orientierung ist ein sozialer Außenseiter geworden, aus der Zierpflanze der Herrscherhöfe ein Reibebaum für die bürgerliche Lebensordnung, ein Tagträumer, ein Verleugner der Wirklichkeit, bisweilen schier ein Narr.
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E.T.A. Hoffmann wurde gerade im Frankreich des 19. Jahrhunderts als das Musterbild eines hemmungslos subjektiven Schriftstellers, als nachtseitige Persönlichkeit, als beispielhafter Vertreter einer bizarren Romantik angesehen. Manche Züge dieses vielschichtigen Charakterklischees sind in die Bühnengestalt des Dramas von Barbier und Carré eingegangen und haben danach die Kunstfigur von Offenbachs fantastischer Oper geprägt. So bildet Hoffmanns gespanntes und konfliktträchtiges Verhältnis zu seiner Umgebung, zur Gesellschaft, in der er steht oder in die er gerät, ein durchgängiges Motiv, vielleicht sogar das Leitthema der Handlung. Schon in das studentische Milieu des Weinkellers, das den Einzelgänger aufzunehmen bereit ist, tritt er verstimmt und verdrossen ein. Er ist »auf totem Gras im Eishauch des Nordwinds« gelaufen, »dort an der Tür auf einen schlafenden Säufer getreten« und: »Bei Gott, dieser Kerl hat mir Lust gemacht! Saufen! Und, wie er, in der Gosse schlafen!« Hoffmann führt sich also mit Worten und einer Vorstellung ein, die symptomatisch auf den Ausgang des Stückes und sein persönliches Ende darin vorausweisen. Seinen Zechgenossen in dieser Lebenswelt der Wirtsstube bedeutet er das unbehauste Original, den Conférencier, den der Beifall berauscht und beflügelt: Ein Ballon, den man bei gutem Wind steigen und nach seinem Absturz unbeachtet liegen lässt. Für den Rat Lindorf als Vertreter eines bourgeoisen Selbstverständnisses ist Hoffmann nur ein verachtetes soziales Feindbild, ein Subjekt und Individuum allenfalls in der negativen Bedeutung der heutigen Umgangssprache. Der Dichter Hoffmann bleibt auch in den drei erzählten oder fingierten
Episoden seiner künstlerischen Biographie als ein Unangenommener und Ausgegrenzter in der Isolation. Der Versuch, sich in die seltsame physikalische Welt von Spalanzanis Kabinett zu integrieren, scheitert mit der Zerstörung der Puppe Olympia. Und die geladenen Gäste des Empfanges fügen zum Schaden des Verblendeten noch den Spott: »Hahaha! Die Bombe platzt! Er liebte einen Automaten.« Auch der Versuch, in der bürgerlichen Welt von Crespels Haus Fuß zu fassen, misslingt dem Dichter gründlich. Er gilt dem um Antonias Gesundheit besorgten Vater als Verführer, als personifizierte Gefahr für die familiäre Wohlfahrt. Als die Tochter unter der Beschwörung Doktor Miracles stirbt, stürzt sich Crespel auf den schuldlosen Hoffmann: »Elender! Du, du hast sie getötet!« Die radikalste Spielart der Ablehnung und Gegnerschaft aber erfährt der Dichter im Palast Giuliettas in Venedig. Der »fremde Blick«, mit dem Hoffmann zunächst sein Ambiente betrachtet, schützt ihn nicht vor einem stufenweisen Niedergang, der ihn mit dem verlorenen Spiegelbild seiner Identität beraubt, in einem sinnlosen Duell zum Mörder werden und schließlich mit knapper Mühe seine nackte Existenz retten lässt.
DIE GESCHICHTE VON KLEIN-ZACK Die dramatische Situation lässt mehrere Deutungen zu: Hoffmann möchte im Prolog die Erinnerungen abschütteln, die Stellas Anblick auf der Bühne in ihm erweckt hat: »Das Leben ist kurz! Man muss es heiter nehmen, wie es kommt! Man muss dem Abenteuer zutrinken, zusingen und zulachen!«
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Doch was er singt, ist nicht das zuerst vorgeschlagene Lied von der Ratte: Die Studenten wollen die Geschichte von Klein-Zack hören, und Hoffmann stimmt sie sogleich an. Mit dem literarischen Wissen um die Erzählung vom boshaften »Klein Zaches genannt Zinnober« des historischen E.T.A. Hoffmann und aus der Beschreibung der abstoßenden körperlichen Eigenschaften des Zwerges ließe sich unschwer auf die Verspottung eines Nebenbuhlers und Widersachers, vielleicht sogar des ewigen Gegenspielers Lindorf, schließen. Doch warum denkt Hoffmann, was die französische Textfassung mit dem zweideutigen Ausdruck »traits de sa figure« grammatikalisch möglich macht, inmitten der Ballade assoziativ an die entschwundene Geliebte und verliert sich in Träumereien, aus denen ihn die Kumpanen erst mühsam zurückholen
müssen: »Wen zum Teufel schilderst du da? Klein-Zack?« Die Überleitung zur dritten Strophe, aber auch deren Inhalt, weist der Deutung des Liedes eine andere Spur: »Klein-Zack ist mehr wert, so missgestaltet er auch war!«, heißt es da, und der Text schildert den Gnom im Zustand jener Trunkenheit, in die auch Hoffmann bald verfällt. Die Wiederaufnahme des KleinZack-Themas mit einer letzten Strophe im Epilog fügt eine weitere Nuance hinzu. Der Missgestaltete, der sein Herz an eine Frau hängt, sie mit Gefühlen und Dukaten beschenkt, um schließlich betrogen zu werden, ist zwar dem Text nach auf Lindorf gemünzt. Doch wirft der Zerrspiegel der Parodie Hoffmann endlich sein eigenes Portrait zurück, die Larve und das Sinnbild eines verwirkten und verspielten Lebens.
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HOFFMANN – EINE ROMANTISCHE FIGUR? VERSUCH EINER ANNÄHERUNG Ob Ernst Theodor Amadeus Hoffmann an dem Bild, mit dem ihn Jacques Offenbach in seiner einzigen, unvollendet gebliebenen Oper zeichnet, Gefallen gefunden hätte? Mit der Kunstform, in die gewissermaßen sein Porträt gestellt wurde, wäre er gewiss sehr einverstanden gewesen. »Allerdings halte ich die romantische Oper für die einzig wahrhafte, denn nur im Reich der Romantik ist die Musik zu Hause«, legt er seine eigene ästhetische Überzeugung dem Dichter Ludwig in seiner Novelle Der Dichter und der Komponist aus dem ersten Band seines Zyklus Die Serapionsbrüder in den Mund. Ludwig lässt in diesem Zusammenhang auch keinen Zweifel, dass nur der »geniale, begeisterte Dichter« eine »wahrhaft romantische Oper« dichtet. Denn »nur dieser führt die wunderbaren Erscheinungen des Geisterreichs ins Leben; auf seinem Fittiche schwingen wir uns über die Kluft, die uns sonst trennte, und einheimisch geworden in dem fremden Lande, glauben wir an die Wunder, die als notwendige Folgen der Einwirkung höherer Naturen auf unser Sein sichtbarlich geschehen und alle die starken, gewaltsam ergreifenden Situationen GAËLLE ARQUEZ als NICKLAUSSE DMITRY KORCHAK als HOFFMANN
entwickeln, welche uns bald mit Grausen und Entsetzen, bald mit der höchsten Wonne erfüllen.« Daher, resümiert Ludwig, soll in der Oper »die Einwirkung höherer Naturen auf uns sichtbarlich geschehen und so vor unseren Augen sich ein romantisches Sein erschließen«. Momente, auf die man auch in Offenbachs Opéra-Fantastique en cinq actes Les Contes d’Hoffmann trifft. »Eine zum Gefühlvollen, zum Idealisieren, zum Wunderbaren, Märchenhaften und Fantastischen neigenden Weltauffassung und -darstellung«, liest man in einem Lexikon als Versuch einer sehr allgemeinen Definition für »Romantik«. Einer jener vielen Begriffe, die längst Gemeingut geworden sind, auch wenn im Detail darunter oft sehr Unterschiedliches verstanden wird. Was nicht zuletzt damit zusammenhängt, ob dieser Begriff in einem sehr allgemeinen, umgangssprachlichen Sinn verwendet oder jeweils aus dem Blickwinkel eines bestimmten Bereichs gesehen wird. Schließlich lässt sich damit eine geistes-und stilgeschichtliche, in etwa den Zeitraum zwischen den Revolutionsjahren 1789 und 1848 umfassende Epoche ebenso
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beschreiben wie eine literarische Entwicklung, die von der englischen Lake-School ausgegangen ist und wenig später auch in Deutschland Fuß gefasst hat. Vorerst im Kreis der Jenaer Romantiker Ludwig Tieck, der Gebrüder Schlegel und Novalis, der in seinem Roman Heinrich von Ofterdingen mit der »blauen Blume« gewissermaßen das Logo, wie wir heute sagen würden, der Romantik kreiert hat. Zu ihren maßgeblichen Vertretern zählen auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, Achim von Arnim, Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff und eben E.T.A. Hoffmann. Diese literarische Strömung blieb nicht auf Deutschland beschränkt, wie die Werke von Madame de Staël, Victor Hugo oder Alfred de Musset in Frankreich, Lord Byron in England, Alexander Puschkin in Russland, Alessandro Manzoni in Italien oder – der Frédéric Chopin zu seinen Balladen inspirierende – Adam Mickiewicz in Polen beweisen.
ROMANTIK? EINE WELTANSCHAUUNG Die Frage, welchen Zeitraum die Romantik in der Musik umfasst und wie man sie am besten umschreiben kann, ist schwieriger zu beantworten. Selbst ein so ausgewiesener Kenner dieser – wie er es nennt – »Weltanschauung«, der deutsche Musikwissenschaftler Peter Rummenhöller, wagt keine klare Antwort. Schließlich, so seine feste Überzeugung, könne man »Romantik immer nur als Symptom an einem Werk, an einem Komponisten diagnostizieren, ein Komponist kann sogar zeitweise Romantiker sein (wie Schumann) oder romantische Tendenzen aufweisen (wie Beethoven), er kann
seinem Profil nach ganz unromantisch sein und doch romantische Züge haben (wie Brahms).« Eine Sicht, wie sie bereits in dem berühmten Artikel »Romantik« von Friedrich Blume aus der von ihm edierten ersten Folge der Enzyklopädie Die Musik in Geschichte und Gegenwart bekannt ist: »Die Wörter ›romantisch‹ und ›Romantik‹, ursprünglich aus der Literatur des 18. Jahrhunderts stammend, gehören seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts zum alltäglichen Wortschatz der Musik, ohne jemals eine ganz fest umrissene Bedeutung angenommen zu haben. Auch in der Musikgeschichtsschreibung haben sie sich fest eingebürgert, so vage ihr Gebrauch von Anfang an bis zur Gegenwart geblieben ist und so sehr zu bezweifeln ist, ob mit ihnen eigentlich ein Stil, eine Technik, ein Formenkanon oder nur eine allgemeine künstlerische Anschauungsweise, eine geistige Haltung bezeichnet wird. Gewiss scheint, dass sie zur Abgrenzung einer geschichtlichen Epoche ungeeignet sind.« Selbst ein so ausgewiesener Kenner der klassischen und romantischen Musikliteratur wie Alfred Einstein vermag in seinem Buch Die Romantik in der Musik keine Klarheit zu diesem Thema zu schaffen. Er versucht den Begriff Romantik aus dem gegensätzlichen Paar von Klassik und Romantik, Theatralik und Intimität, Subjektivität und Objektivität, Klarheit und Tiefe sowie absoluter und Programmmusik festzumachen, ohne dass ihm dies schließlich den Weg zu einer klaren Begriffsbestimmung weist. Für den Dichter-Komponisten E.T.A. Hoffmann, der sich stets mehr der Musik als der Dichtung zugezogen fühlte – so schrieb er 1812: »Zum Musiker bin ich nun einmal geboren,
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das habe ich von meiner frühesten Jugend an in mir gefühlt und mit mir herumgetragen. Nur der mir innewohnende Genius der Musik kann mich aus meiner Misere reißen – es muss jetzt etwas geschehen, etwas Großes muss geschaffen werden im Geiste der Bach, Händel, Mozart, Beethoven!« – ist Musik, wie er in seinen Phantasiestücken in Callots Manier ausführt, grundsätzlich die »romantischste aller Künste, beinahe möchten man sagen, allein echt romantisch, denn nur das Unendliche ist in ihr Vorwurf.« Schließlich schließe die Musik dem »Menschen ein unbekanntes Reich auf; eine Welt, die nichts gemein hat mit der äußeren Sinnenwelt, die ihn umgibt, und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle zurücklässt, um sich einer unaussprechlichen Sehnsucht hinzugeben«. Schon als Jugendlicher befand E.T.A. Hoffmann, dass er zu viel Wirklichkeit in sich trage und fürchte, sein »Künstlerkörper« werde bald nicht mehr zu gebrauchen sein. »Hoffmann hat häufig Figuren dargestellt, die nicht in ihrem Körper zu Hause sind, der Hund Berganza, Klein-Zaches, der Mönch Medardus und auch Johannes Kreisler. Wenn in der Leidenschaft der Liebe das Begehren erwacht und an die Grenzen des eigenen, ungeliebten Körpers stößt – dann kann das Drama beginnen. Hoffmanns Figuren sind oft nicht ganz dicht, sie entwichen ins Imaginäre. Das Begehren drängt aus der Körperwelt hinaus zu den enigmatischen Bildern, zum Imago. Der »Held« schaut das Bild einer Frau und verliebt sich. Es muss ein Bild sein, noch nicht die Person. Die Beziehung beginnt also mit einem beglückenden Selbstbezug, mit dem Erlebnis der eigenen Einbildungskraft«, konstatierte Rüdiger Saf-
ranski durchaus mit Blickwinkel auf das Sujet der auf Texten Hoffmanns basierenden, unvollendet gebliebenen Offenbach-Oper Les Contes d’Hoffmann, schon vor Jahren kenntnisreich.
KEINE TRAGIK OHNE IRONIE Aber wie heißt es schon in E.T.A. Hoffmanns Serapionsbrüder: »Es gibt eine innere Welt, und die geistige Kraft, sie ist in voller Klarheit, in dem vollendetsten Glanz des regsten Lebens zu schauen, aber es ist unser irdisches Erbteil, dass eben die Außenwelt, in der wir eingeschachtelt, als der Hebel wirkt, der jede Kraft in Bewegung setzt. Die inneren Erscheinungen gehen auf in dem Kreise, den die äußeren um uns bilden und den der Geist nur zu überfliegen vermag in dunklen, geheimnisvollen Ahnungen.« Doppelbilder, Spiegelbilder, das ist es, was Hoffmann, der wider eigenem Willen, nur dem Wunsch der Eltern gehorchend, den Juristenberuf ergriff, wenngleich er sich immer schon der Kunst hinzugezogen hatte, zeit seines Lebens bewegt hat. Eine Dichotomie von Imagination und Wirklichkeit. Ein »Meister darin, das Unerträgliche in die erträgliche Leichtigkeit des imaginativen Spiels zu verwandeln. Keine Tragik ohne Ironie«, zieht Safranski gleich eine Parallele zwischen Hoffmann und Jacques Offenbach. Beide begnadete, von beißendem Sarkasmus beseelte Spötter, die trotzdem geliebt werden wollten. Das erklärt auch Offenbachs Sujet-Wahl. Sieht er doch in dem Dichter-Musiker eine Art Spiegel seiner selbst. Abgesehen davon, dass er zu Ende seines Lebens, damit während der Arbeit an seinem Hoffmann, selber
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ausgesehen habe »wie irgendein durchsichtig blasser, schwermütig lächelnder Geist aus den Serapions-Brüdern«, wenn man dem Kritiker Eduard Hanslick glauben will, der Offenbach selbst gut kannte. »War auch dieser Satiriker im innersten Kern seiner Natur ein lyrischer, wehmütiger Mensch, der sich betäuben musste, um nicht zu zweifeln, und uns belügen, um nicht sich selbst die Wahrheit einzugestehn?«, setzt Oskar Bie in seinem berühmten Buch über die Oper seiner Analyse über Les Contes d’Hoffmann als grundlegende Bemerkung voraus, um schließlich festzuhalten: »Puppen wollte er zum Singen bringen, und sie ließen die reizendsten Walzer erklingen, bis sie ihm zersprangen. Kurtisanen wollte er mit zauberischer Fadheit einlullen, aber sie vernichteten ihn, indem sie ihm sein Ebenbild stahlen. Virtuosinnen wollte er in den Triumph ihrer Kunst herauslocken, aber sie starben, indem sie ihm sangen. Und immer war es derselbe Feind, der Puppenmacher, Schattenstehler und Lebenstöter, der ihm die Liebe verdarb. Jetzt sitzt er, von der Gicht geplagt, und phantasiert diese Oper der Oper und schreibt eine Musik so anmutig und innig, so gerade und echt, erst tänzerisch, dann schwelgend, zuletzt zärtlich, wie er sich nie erinnern kann, nur geahnt zu haben«, führt Bie nicht nur die wesentlichen Handlungsstränge von Offenbachs einziger Oper beziehungsvoll mit deren vermutlichem Schaffensprozess zusammen, sondern legt damit auch den Fokus auf den diese Oper stetig beherrschenden Wechsel von Realität und Vorstellung. Die Idee, Hoffmann in der Oper als Darsteller in einigen seiner dramatisierten Dichtungen auftreten zu lassen, war nicht neu. Sie findet sich
schon in jenem drei Jahrzehnte vor Entstehung der Oper vollendetem Dramafantastique von Jules Paul Barbier und Michel Florentin Carré verwirklicht, was später zur Grundlage von Offenbachs Hoffmann-Oper wurde mit dem auch aus dieser Genesis erklärenden Untertitel »Opéra-fantastique en cinq actes«. Bei der Figur des Hoffmann dachte Offenbach erst einmal an einen Bariton. Im Zuge von Proben, bei der er in seiner Pariser Wohnung einige Nummern seiner neuen Oper erstmals der Öffentlichkeit vorstellte, wurde ihm offenkundig bewusst, dass man die hier auf die Bühne gestellte Zerrissenheit eines Menschen, der bald erkennen muss, dass man langfristig an jeder Illusion scheitert, dass sich eigene Fähigkeiten auf Dauer nicht verdrängen lassen, der Kauf eines Spiegelbilds nie ohne den Verlust der eigenen Seele einhergeht und übermäßiger Alkoholgenuss nie folgenlos bleibt – wie es Erwin Ringel in seiner psychoanalytischen Studie dieses Sujets herausstreicht –, mit der strahlenden Kraft und Wandlungsfähigkeit eines Tenor wohl noch effektiver zeigen kann. Denn auch dafür steht diese gleichermaßen auf Teilen des Werks von Hoffmann wie seines Lebens basierende Offenbach-Oper: als Beispiel für den steten Widerstreit zwischen echten Gefühlen und bald verpuffenden äußeren Effekten, wie sich nicht zuletzt in den Schattierungen der von Hoffmann geträumten, sehr verschiedenen Frauengestalten – wohinter sich nichts anderes als die Projektion ein und derselben Frau verbirgt – zeigt. Dass Hoffmann dabei immer wieder deren Reizen verfällt, obwohl er bei nüchterner Betrachtungsweise erkennen müsste, dass sein Scheitern vorprogrammiert ist, lässt ihn
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HOFFMANN – EINE ROMANTISCHE FIGUR?
als Phantasten (Safranski), der mit seinem eigenen Schwanken zwischen Illusion und Realität nie wirklich zurecht kommt, ansprechen.
IMMER INTERESSANT, NIEMALS LANGWEILIG Daraus den Schluss zu ziehen, Offenbachs Darstellung des Hoffmann wäre gewissermaßen der Inbegriff einer romantischen Figur, griffe allerdings zu kurz. Hoffmann repräsentiert vielmehr die Vielschichtigkeit eines Menschen, der durch seine künstlerische Ambition dem Fantastischen, Märchenhaften, auch Gefühlvollen vermutlich mehr Stellenwert in seinem Leben einräumt als der mehr auf die nüchternen Realitäten bezogene Mensch. Solches fördert naturgemäß zuweilen auch überschäumende Fantasie zutage, lässt an ungewöhnliche, wenn nicht gar völlig unerwartete Situationen denken. Trotzdem muss auch Hoffmann erkennen, dass man sich am Ende der Wirklichkeit, damit der realen Wahrheit nicht entziehen kann. Sie lässt sich letztlich in keiner
noch so kunstvoll erdachten und auch anderen gegenüber virtuos dargestellten Illusion ertränken. Versteht man Offenbachs Les Contes d’Hoffmann vor diesem Hintergrund als Parabel über die sprichwörtlichen »zwei Seelen in einer Brust«, dann liefern diese fünf Akte auch eine Reihe von Antworten, wie man in sehr verschiedenen Situationen mit der eigenen Individualität umgehen kann, ohne auf der Strecke zu bleiben, wird aber ebenso auf die Gefahren hingewiesen, wenn es nicht gelingt, Realität und Fantasie entsprechend zu trennen. Solcherart verbirgt sich in diesem »Hoffmann« weit mehr als die – auch klanglich – brillante Zurschaustellung romantischer Weltanschauung und Lebensphilosophie. Wie sagte schon Eduard Hanslick in seiner berühmten Besprechung über die erste Wiener Aufführung von Hoffmanns Erzählungen, wie Les Contes d’Hoffmann damals bezeichnet wurde: »Im Ganzen also ein merkwürdiges, in seiner Art alleinstehendes Werk, das uns bald erfreut, bald aufregt, immer interessiert, niemals langweilt.«
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ALFRED DE MUSSET
DIE NACHT IM OKTOBER POET
Wenn ich dir jetzt mein Leiden wollte künden, fällt mir dafür kein rechter Name ein. War’s Liebe, Narrheit, Stolz? Ich kann es nicht ergründen, auch nicht, wenn dieses Leid ein Beispiel könnte sein. Gleichwohl erfahre denn, wie es geworden, da wir am Herd uns fanden diese Nacht. Die Leier nimm, komm’ her, begleit’ es mit Akkorden, wenn leise die Erinnerung erwacht!
MUSE
Doch eh’ den Sang wir tönen lassen, – Poet, bist du auch ganz befreit? Bedenke: Sprechen sollst du heut’ ganz ohne Lieb’ und ohne Hassen. Und fühlst du, dass als Trösterin ich blieb an deinen Tagen haften, sorg’, dass an deinen Leidenschaften ich ohne jede Mitschuld bin.
POET
Ich bin von dieser Krankheit so genesen, dass ich oft zweifle, ob es wirklich war. Denk’ ich der Orte, wo Gefahr für mich gewesen, beut’ statt dem meinen sich ein ander Antlitz dar. Drum, Muse, sei getrost! Vom Hauch, der dich getragen, lassen wir zwei uns treiben wie vom Wind. Süß ist’s, zu lächeln, süß ist’s auch, zu klagen Um Schmerzen, die schon fast vergessen sind!
MUSE
Wie eine Mutter tief in Schweigen bewacht den Schlaf der Kinderschar, so will ich mich jetzt zitternd neigen dem Herzen, das verschlossen war. Sprich, Freund, – schon hör’ ich durch die Saiten klagend und schwach ein Tönen gleiten, das Anteil nimmt an deinem Leid. Und jetzt, – in strahlend hellem Lichte
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DIE NACHT IM OKTOBER
kommen wie leichte Traumgesichte die Schatten der Vergangenheit! POET
Tage der Arbeit! Aller Schmerzen Lethe! O Einsamkeit, du dreimal teurer Traum! Gott sei gepriesen drum, dass ich betrete aufs neue diesen alten Studienraum. Das arme Plätzchen, wo der Lampenschimmer auf kahle Wände, staub’ge Stühle fällt, und du, o Muse, machst aus diesem Zimmer meinen Palast und meine kleine Welt! Gott sei gelobt, so singen wir denn heut’! Ja, ihr sollt tief in meine Seele schauen, und wissen sollt ihr alle ungescheut das Böse, das uns kommen kann von Frauen. Denn, Freunde, eine Frau war’s und ein Wahn, mein ganzes Wesen konnte es euch zeigen, und diese Frau, ihr war ich untertan, so wie der Sklave ist dem Herrn zu eigen. Verhasstes Joch! Ich sah vorübergehen die Jugend und mit ihr des Herzens Kraft, – und doch, bei meiner Herrin, zauberhaft, hab ich, zwar flüchtig nur, das Glück gesehen! Am Bachesrand, wenn zwischen grünen Matten wir schritten über silberweißen Kies, wenn uns der Zitterespe bleicher Schatten im Dunkel schon von fern die Wege wies, – noch seh’ ich, wie im Mondenstrahl, im vollen, der schöne Leib in meinem Arm sich bog, – genug davon! Wie hätt’ ich wissen sollen, dass damals mir das Schicksal log! Das war gekränkter Götter Zorn allein, sie wollten sich an einem Opfer rächen. Drum straften sie, als wär’ es ein Verbrechen, mein kurzes und verstoh’lnes Glücklichsein.
MUSE
Von Erinn’rung mild umglommen, lebt auf, was dir widerfuhr. Zauderst du, auf dieser Spur wiederum zurückzukommen? Ist es nicht ein böses Zeichen schöner Zeit nicht froh zu sein? Will dich Grausamkeit erreichen, junger Mann, tu’ du desgleichen, lächle deiner ersten Pein!
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ALFRED DE MUSSET
POET
Oh nein. Mein Unglück soll mich nimmer quälen, und ohne Leidenschaft will schlicht und klar ich, Muse, dir vom Traum, vom Wahnsinn auch erzählen, und dir berichten, wann und wie es war. Es war, noch denk’ ich dran, in einer Herbstnacht Brausen, traurig und kalt, ohn’ jeden Sternenschein. Der Wind, mit leisem, monotonem Sausen wiegte im müden Hirn die dumpfen Qualen ein. Der Herrin harrt’ ich seit geraumen Stunden und lauschte in das Dunkel rings um mich. Da hab’ ich plötzlich wilde Angst empfunden, weil der Verdacht der Untreu’ mich beschlich. Öd’ war der Platz, auf den ich niederschaute, Pechfackeln huschten, leuchteten empor, und stöhnend klang’s, wie wehe Menschenlaute, so oft der Wind strich durch das off’ne Tor. Um wahr zu sein: weiß Gott, was mich getrieben, ich überließ mich wunderlichem Trug, sammelte still den Mut, der übrig mir geblieben, und fuhr zusammen, wenn die Stunde schlug, sie kam noch nicht. Still, mit gesenktem Haupte späht’ ich den Weg entlang in finst’rer Nacht. Du glaubst es nicht, weil kaum ich selbst es glaubte, was dies unsel’ge Weib in meiner Brust entfacht. Ich liebte sie, nur sie, und, ohne sie zu leben, schien mir ein Los, wogegen Streben nichts. Doch hab’ ich diese Nacht mir heiße Müh’ gegeben, das Band zu lösen lächelnden Gesichts. Ich nannte hundertmal sie eine Ungetreue, zählte die Schmerzen, die sie mir getan, – doch als ich ihrer Schönheit dacht’ aufs Neue, zerstob der Kummer wie ein eitler Wahn. Es kam der Tag. Von Stund’ zu Stunde müder, war ich, im Erker sitzend, eingenickt. Beim Morgengrauen öffnet’ ich die Lider und hab’ geblendet rings um mich geblickt. Da plötzlich, wo die schmalen Wege gehen, hör’ auf dem Kies ich Schritte leis’ und sacht. Gott steh’ mir bei, sie ist’s, ich kann sie sehen! Sie naht. Wo kommst du her? Wo warst du diese Nacht? Gib Antwort – warum kommst du erst am Morgen? Wo hat dein schöner Leib die Nacht durchwacht? Ich weine hier im Haus in tiefen Sorgen, an welchem Ort, – wem hast du zugelacht? Schamlose du, wie soll ich es mir deuten,
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KS NEIL SHICOFF als HOFFMANN
KOPFZEILE
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ALFRED DE MUSSET
dass deine Lippen mir noch jetzt entgegenglühn? Welch fürchterlicher Durst will dich verleiten, in die erschöpften Arme mich zu ziehn? Hinweg! Verschwinde, meiner Herrin Schemen, tauch’ wieder tief in deines Grabes Raum. Lass mich für immer von der Jugend Abschied nehmen, und an dich denken wie an einen Traum! MUSE
Oh komm’ zur Ruh’, lass dich beschwören, ich bitt’ dich, Lieber, schweige still! Kannst deiner Wunde du nicht wehren, wenn sie sich wieder öffnen will? Ach, ist es denn so tief gegangen? Und dieser Erde Not und Bangen verlöscht nur langsam, wo es brennt. Vergiss, mein Kind! Du sollst im Innern dich nimmer jener Frau erinnern, die niemals meine Lippe nennt!
POET
Fluch dir, die zuerst von allen schnöde an Verrat gedacht, und, da ich dem Zorn verfallen, mich um den Verstand gebracht! Fluch dir, Frau mit düstern Blicken, deren Durst nach Seligkeit tief im Schatten ließ ersticken meines Lebens Frühlingszeit! Deine Stimme, deine Nähe und dein Lächeln falsch und kühn wiegten meines Herzens Wehe, dass es mir wie Glück erschien. Deiner Reize wild’ Verführen Bracht’ mich der Verzweiflung nah, wenn mich Tränen nicht mehr rühren, ist’s weil ich dich weinen sah! Fluch dir, weil mein Herz gewesen schlicht und einfach wie ein Kind, wollt’ in Lieb’ zu dir genesen blumengleich, im Morgenwind. Leicht war wohl dies Herz zu quälen, da es ohne Bollwerk war. Seine Unschuld ihm zu stehlen, war noch leichter offenbar. Fluch dir! Meinem ersten Sehnen warst nur du der Gegenstand,
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DIE NACHT IM OKTOBER
und es hat ein Quell von Tränen auf den Wangen mir gebrannt. Ach, er fließt nun Stund’ auf Stunde, unversiegbar, fließt und fließt, denn er kommt aus einer Wunde, die sich niemals wieder schließt. Doch in seinen bitt’ren Fluten wasch’ ich mich von Sünden rein, und dein Bild, einst voller Gluten, wird für mich voll Abscheu sein! MUSE
Poet, es ist genug. Um eines Weibes kränken, und wenn dein Irrtum auch nur währte einen Tag, schmäh’ diesen Tag nicht, willst du ihrer denken, denn Liebe erntet nur, wer achten mag. Ist es zu viel für schwache Menschenseelen, nach Leiden, Kampf und Streit versöhnt zu sein, erspare dir des Hasses grauses Quälen, und lern’ vergessen, kannst du nicht verzeihn! So wie die Toten ruhn im Schoß der Erden, so schlafe ein Gefühl, das ausgebrannt. Solch’ Heiligtum muss auch zu Asche werden, auf diese Reste lege nicht die Hand! Warum, erblickst du selbst dich wegwärts wandeln, siehst du gekränkte Lieb’ nur, Traum und Trug? Meinst du, die Vorsehung wird grundlos handeln, und wähnst du, dass zerstreut der Gott war, der dich schlug? Sein Schlag, er wollte dich vielleicht bewahren, oh Kind, er öffnete dein Herz damit! Ein Lehrling ist der Mensch, das Leid macht ihn erfahren, und keiner kennt sich, der nicht Schmerzen litt! Es ist ein hart Gesetz, doch ward es früh gegeben, und ist so alt als unser Erdenkreis, dass uns das Unglück erst muss aus der Taufe heben, und dass man alles zahlt mit diesem wehen Preis.
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NÄCHTLICHER SCHWÄRMER & SKURRILER SATIRIKER VERWEHTE IRONIESIGNALE IN EINER FANTASTISCHEN OPER DER ZWEIFACHE HOFFMANN Als Jules Barbier und Michel Carré für die Saison 1850/51 des Pariser Théâtre de l’Odéon in bewährtem Gleichschritt ihr Schauspiel Les Contes fantastiques d’Hoffmann verfassten, hatte sich der Titelheld kaum drei Jahrzehnte nach seinem realen Tod von einer historischen Person in eine sagenhafte Figur verwandelt. Gerade in Frankreich galt er als exemplarischer Vertreter einer schwarzen Romantik, geistvoll, geisterhaft und begeisternd zugleich, in der es spukte und nur selten mit rechten Dingen zuging. Allerlei seltsame Gestalten begegneten sich selbst und einander, die Wirklichkeit verlor sich in grotesken Facetten, Untote trafen auf Wiedergänger, Kunst löste sich vielfach in Künstlichkeit auf. Und über allem waltete ein kritischer Esprit, der mit dem schieren Entsetzen seinen makabren Spott trieb, politische Missstände in absurdes Geschehen ›verrückte‹ und die vorgeblich beste aller möglichen Welten zu einen Jammertal der Irrungen und Wirrungen umdeutete.
Auch in seiner deutschen geistigen Heimat war die Ambivalenz von Hoffmanns dichterischem Werk, sein Balanceakt zwischen glasklarer Diagnose samt messerscharfer Analyse und den literarischen Verfahren der ironischen Brechung, ja, destruktiven Zerstörung, Gegenstand literaturkritischer Diskussion. Der Zeitgenosse Jean Paul schreibt in seiner Vorrede zu den Phantasiestücken in Callot’s Manier von »launiger Verkleinerung« und im artifiziellen Bereich von »ekeln Kunstliebeleien«, bei denen der Schriftsteller »seinen satirischen Feuerregen auf die musikalische Schöntuerei niederfallen« lässt. Für Adelbert von Chamisso ist der Kollege »jetzt unstreitig unser erster Humorist«, und Heinrich Heine führt als sein vorzügliches poetisches Merkmal an, dass er »mit allen seinen bizarren Fratzen sich doch immer an der irdischen Realität festklammert«. Wenn Joseph von Eichendorff eine Generation später die künstlerische Bilanz der romantischen Epoche zieht, kommt er freilich nach den eigenen ästhetischen Maßstäben zu einem weniger freundlichen
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SZENENBILD
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Urteil: »Glimpf und Schimpf, Verstand und Überschwenglichkeit, Grauen und schallendes Gelächter, Rührung und ironischer Hohn ringen und fressen hier, wie die bekannten beiden Löwen, einander in Verzweiflung wechselseitig auf, dass nichts als die Schweife übrig bleibt.«
AUTHENTISCHE RESTE IN DEN ERZÄHLTEN ERZÄHLUNGEN Der Doppeltgänger (sic!), wie dieser Typus noch bei seinem Archegeten Jean Paul heißt, ist ein zentrales personelles Versatzstück, eine unter verschiedenen Namen wiederkehrende ›stehende Figur‹ im Gestaltenrepertoire unseres Dichters. »Doch« – so lautet der Bescheid einer klugen Deutung seines Œuvres – »ist der Doppelgänger, wie er in Hoffmanns Werken auftritt, keineswegs die ›Replik‹ des ›Ich‹, sondern dessen Widersacher«. Sollten demnach auch die dämonischen Gegner des Titelhelden im Libretto der Oper, die notorischen Bösewichter und Unholde, ob sie nun Coppélius, Miracle oder Dapertutto heißen, keine eigentlichen Gegenspieler darstellen, sondern für ausgelagerte Wesenszüge oder verdrängte Schattenseiten des Charakters des Protagonisten stehen, gleichsam weggelegte und abgelehnte Eigenschaften bündeln und verkörpern? Ein strukturelles Moment, das – im Kern konstant, im Detail variabel – durch alle Episoden des Textbuchs von Les Contes d’Hoffmann mäandert, sind die merkwürdig irrlichternden dienstbaren Geister, die sich im literarischen Werk des Poeten vielerorts festmachen lassen. Allesamt sind sie deformiert, verbogen, pervertiert, in der
Fron ergraut, ihren Aufgaben kaum noch gewachsen. Die sprichwörtlichen treuen Diener ihrer Herren verkommen zu bösartigen Subjekten und taugen nur noch zu Objekten des Spotts. In der Handlung der Oper büßen solche dekadenten Chargen gerade jene Qualitäten ein, die sie eigentlich für ihre Rolle prädestinieren. Andrès, das Faktotum der Sängerin Stella, ist zwar wortkarg, wie sich’s gehört (er antwortet nur ›einsilbig‹ mit »oui«, »non«, »ah!«, »bon«), doch gibt er gerade damit Geheimnisse preis und ist für ein gutes Trinkgeld bestechlich. – Cochenille in Spalanzanis physikalischem Institut vermag, im Dienst verschlissen, seiner Funktion als Bote und Conférencier nur noch stotternd zu genügen: »Le-e souper vou-vous attend«, »Vo-oilà!« und »A-attention!« entfährt seinem ›Lautsprecher‹. – Frantz im Haushalt Crespels soll besonders wachsam sein und mit spitzen Ohren ungebetene Gäste fernhalten oder mit guten Ausreden abweisen. Doch dieser Cerberus wider Willen ist fast ertaubt – vielleicht hat ihn ja sein Gebieter zu oft angebrüllt –, verhört sich daher ständig und leistet durch Fehlverhalten dem schleichenden Unheil Vorschub. – Pittichinaccio im Giulietta-Akt schließlich, verwachsen, zynisch und schadenfroh, ein randständiger Parasit der verkommenen Gesellschaft, profitiert am Ende sogar erotisch vom Elend Hoffmanns, indem er »in die Gondel steigt und Giulietta ihn zu sich herabzieht und umschlingt«. Jede der drei Geschichten, die im Libretto die emotionalen Abenteuer des Protagonisten und seine progressive seelische Zerrüttung vorführen, fußt bekanntlich – mit Verschiebung der Perspektive und Erweiterung des
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Horizonts – in einer originalen Erzählung des Autors. Und manche der satirisch-ironischen Pointen finden sich, dem veränderten Genre gemäß freilich in eher homöopathischer Verdünnung, im ursprünglichen Kontext wieder. In diesem essayistischen Rahmen muss ich mich auf wenige Andeutungen beschränken. In der Erzählung Der Sandmann, die dem ersten Erlebnis des Helden in der Oper zugrunde liegt, verfällt Hoffmann liebesblind den Reizen eines Automaten, wobei sich die symbolische Brille der Illusion sogar in einem konkreten Requisit manifestiert. Hinter den stereotypen Antworten der Puppe vermutet der Schwärmer Tiefsinn und das klare Bekenntnis starker Gefühle. In der eigentlichen Geschichte wird diese ›Einfalt‹ sogar der üblichen Geschwätzigkeit des Liebesdiskurses gegenübergestellt: »Er saß neben Olimpia, ihre Hand in der seinigen, und sprach hochentflammt und begeistert von seiner Liebe in Worten, die keiner verstand, weder er noch Olimpia. Doch diese vielleicht; denn sie sah ihm unverrückt ins Auge und seufzte einmal übers andere: ›Ach – ach – ach!‹ – worauf denn Nathanael also sprach: ›O du herrliche, himmlische Frau!‹ [...]«. In der Konkurrenz zwischen dem Physiker Spalanzani und dem gespenstischen Scharlatan Coppélius (im Original der Italiener Coppola) geißelte der Schriftsteller offensichtlich den eifersüchtelnden Wettstreit und Prioritätenkampf zwischen Vertretern von wissenschaftlichen Disziplinen. In der Oper sind davon nur ein kurzer Disput und das Vernichtungswerk des geprellten Brillenmachers geblieben. In der Novelle werden wir dagegen zu Zeugen
eines verbal wie brachial handfest ausgetragenen Zwists. Im Mittelakt der Oper dominiert der tragische Ernst der Situation vor allen ironischen Zutaten, sieht man von den erwähnten Eskapaden des Dieners Frantz, gipfelnd in den verstiegenen künstlerischen Ambitionen seines Arientextes, einmal ab. Doch liefert die unheimliche, hermetische Atmosphäre des gesamten Bildes immerhin Anlass genug zu einem Rückblick auf das Original. In der Handlung von Rat Krespel ist dieser Titelheld selbst eine kuriose Figur, leidenschaftlicher Künstler und minutiöser Geigenbauer, der nicht nur die Anatomie seiner Instrumente untersucht, sondern sie auch in einem frenetischen Rausch vollendet zum Klingen bringt. Auch in dieser Version hatte Antonia eine Sängerin zur Mutter, deren schrulliges und launenhaftes Gehabe der Erzähler keineswegs verschweigt. Der Herr Rat musste die Allüren jener Diva Angela schon bald nach der Hochzeit erfahren, als sie dem geigenden Gemahl mit den Worten »bestia tedesca« seine Violine aus der Hand riss und an einem Marmortisch in tausend Stücke zerschlug. Krespel aber wusste sich drastisch zu helfen, denn »wie aus dem Traume erwacht, fasste er Signora mit Riesenstärke, warf sie durch das Fenster ihres eigenen Lusthauses und floh, ohne sich weiter um etwas zu bekümmern, nach Venedig, nach Deutschland zurück«. Nach der Geburt Antonias kam es freilich zur Versöhnung des Paares, und Angela folgte dem Gatten an seine neue Wirkungsstätte. Sogar ihre Capricen im Umgang mit Komponisten hat die Primadonna nunmehr abgelegt, was den Erzähler zu einer Pointe verführt: »Übrigens habe man alle Ursache, […] es sorgfältig zu verschweigen, wie Angela kuriert worden,
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da sonst jedes Tages Sängerinnen durch die Fenster fliegen würden.« Die venezianische Episode der Oper strotzt und funkelt geradezu von satirischen Anspielungen, besonders auf die Auswüchse einer verblendeten Gesellschaft, die Merkmale einer verkehrten Scheinwelt und die Erschütterung eines Wertekanons, bei der real wie symbolhaft das fixierte Spiegelbild die Wirklichkeit verdeckt, sogar auflöst oder aus ihrem gewachsenen Zusammenhang reißt. Im Abschnitt Die Geschichte vom verlornen Spiegelbilde der Erzählung Die Abenteuer der Silvesternacht gerät der Verlust der Identität von Erasmus, dem Pendant zum Dichter Hoffmann in der Oper, zu einem übersinnlichen Ereignis. »Erasmus sah, wie sein Bild unabhängig von seinen Bewegungen hervortrat, wie es in Giuliettas Arme glitt, wie es mit ihr im seltsamen Duft verschwand. Allerlei hässliche Stimmen meckerten und lachten in teuflischem Hohn; erfasst von dem Todeskrampf des tiefsten Entsetzens, sank er bewußtlos zu Boden […].«
VERDICHTUNG IN DER NUSSSCHALE Ein dramaturgisches Meisterstück ist dem Librettisten Jules Barbier in der Rahmenhandlung geglückt, als er das Kunstmärchen Klein Zaches genannt Zinnober des historischen E.T.A. Hoffmann zur »Légende de Kleinzach« kondensierte, die der Titelheld auf Wunsch seines studentischen Publikums zum Besten gibt. Das Original aus der Spätzeit des Dichters zählt zu seinen besten Schöpfungen, indem er eine geradezu entfesselte Vorstellungsgabe mit beißender sozialer und politischer Ironie THOMAS EBENSTEIN als CHOCHENILLE
verschränkt. Die titelgebende Kunstfigur, ein zwergenhaftes, verkrüppeltes Kind, avanciert dank der launischen Gunst einer Fee, aber auch infolge von Protektion, Unverstand und Massenhysterie zu einer mächtigen Person, die ihre unerhörten Befugnisse schamlos ausnützt und boshaft gegen unerwünschte Konkurrenten einsetzt. Hoffmann selbst charakterisiert das Werk als Produkt einer »ironisierenden Phantasie«, und die Literaturkritik erkennt darin »eine düstere Allegorie auf alle Aberrationen, in die eine Herdengesellschaft sich verliert«. Unwillkürlich denkt man dabei an die leichtgläubige Menge im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Aber auch das Flohlied des Mephisto in Goethes Faust bietet sich für spontane Assoziationen an, wenn in dessen Text das Ungeziefer sogar Ministerämter besetzt und die Honoratioren am Hof der stechenden Plage durch die Flöhe hilflos ausgeliefert sind, denn »sie durften sie nicht knicken und weg sie jucken nicht«. An einer sprachlichen Schaltstelle, welche die französische Grammatik möglich macht, schweift Hoffmann in seiner Arie mit der Phrase »Quant aux traits de sa figure« unvermittelt von der Beschreibung der Gesichtszüge des Zwerges ab und wendet sich im lyrischen Mittelteil schwärmerisch dem Liebreiz einer weiblichen Gestalt zu. Ist es allzu kühn, auch in diesem Übergang eine durchschimmernde Reminiszenz an die authentische Prosa des Dichters Hoffmann zu vermuten, von der ja sonst nur äußerliche Kennzeichen des Monsters in die Ballade eingegangen sind? Denn immerhin gelingt es der gütigen Fee, wenn sie mit ihrem magischen Kamm die Haare von Klein Zaches
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strählt, jenen Zauber auszulösen, der dem Gnom und Wechselbalg übernatürliche psychagogische Kräfte verleiht. Die poetische Spannweite zwischen Dämonie und Ironie, von enthusiastischer Begeisterung und sarkastischem Spott, die dem Dichter E.T.A. Hoffmann eignet, hat seine Biographin Gabrielle Wittkop-Ménardeau beispielhaft auf den Punkt gebracht: »Seine Geschichten sind mit einem gefrorenen Teich
vergleichbar, auf dem alltägliche Menschen Schlittschuh laufen; sie haben ihren Zivilstand, einen Beruf, eine soziale Stellung. Aber das Eis ist so durchsichtig, dass man darunter allerlei bizarre Gestalten ahnen kann, die in smaragdgrünem Abgrund aus der Tiefe aufsteigen, dahingleiten, verschwinden oder verweilen. Manchmal bricht das Eis ein und einer der Menschen versinkt.«
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DREI FRAUEN OLYMPIA AUS DER SANDMANN / NACHTSTÜCKE Nathanael fand eine Einladungskarte und ging mit hochklopfendem Herzen zur bestimmten Stunde, als schon die Wagen rollten und die Lichter in den geschmückten Sälen schimmerten, zum Professor. Die Gesellschaft war zahlreich und glänzend. Olympia erschien sehr reich und geschmackvoll gekleidet. Man musste ihr schöngeformtes Gesicht, ihren Wuchs bewundern. Nathanael war ganz entzückt; er stand in der hintersten Reihe und konnte im blendenden Kerzenlicht Olympias Züge nicht ganz erkennen. Ganz unvermerkt nahm er deshalb Coppolas Glas hervor und schaute hin nach der schönen Olympia. Ach! – da wurde er gewahr, wie sie voll Sehnsucht nach ihm herübersah. »Mit ihr zu tanzen! – mit ihr!« das war nun dem Nathanael das Ziel aller Wünsche, alles Strebens; aber wie sich erheben zu dem Mut, sie, die Königin des Festes, aufzufordern? Doch – er selbst wusste nicht, wie es geschah, dass er, als schon der Tanz angefangen, dicht neben Olympia stand, die noch nicht aufgefordert worden, und dass er, kaum vermögend einige Worte zu stammeln, ihre Hand ergriff. Der Professor Spalanzani schritt langsam durch den leeren Saal, seine Schritte klangen hohl wider,
und seine Figur, von flackernden Schlagschatten umspielt, hatte ein grauliches, gespenstisches Ansehen. »Liebst du mich – liebst du mich, Olympia? – Nur dies Wort! – liebst du mich?« So flüsterte Nathanael, aber Olympia seufzte, indem sie aufstand, nur »Ach – ach!« – »Ja, du mein holder, herrlicher Liebesstern«, sprach Nathanael, »bist du mir aufgegangen und wirst leuchten, wirst verklären mein Inneres immerdar!« – »Ach, ach!« replizierte Olympia fortschreitend. Brennendes Verlangen im Herzen, beschloss Nathanael, gleich am folgenden Tage Olympia anzuflehen, dass sie das unumwunden in deutlichen Worten ausspreche, was längst ihr holder Liebesblick ihm gesagt, dass sie sein eigen immerdar sein wolle. Schon auf der Treppe, auf dem Flur vernahm er ein wunderliches Getöse; es schien aus Spalanzanis Studierzimmer herauszuschallen. – Ein Stampfen ein Klirren – ein Stoßen – Schlagen gegen die Tür, dazwischen Flüche und Verwünschungen. »Lass los – lass los – Infamer – Verruchter! – Darum Leib und Leben darangesetzt? – ha ha ha ha ! – so haben wir nicht gewettet – ich, ich hab’ die Augen gemacht – ich das Räderwerk – dummer Teufel mit seinem Räderwerk – verfluchter Hund von einfältigem Uhrmacher – fort mit dir – Satan – halt – , Peipendreher – teuflische Bestie! – halt – fort – lass los!« Es waren Spalanzanis und des grässlichen
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DREI FRAUEN
Coppelius Stimmen, die so durcheinander schwirrten und tobten. Hinein stürzte Nathanael, von namenloser Angst ergriffen. Der Professor hatte eine weibliche Figur bei den Schultern gepackt, der Italiener Coppola bei den Füßen, die zerrten und zogen sie hin und her, streitend in voller Wut um den Besitz. Voll tiefen Entsetzens prallte Nathanael zurück, als er die Figur für Olympia erkannte; aufflammend in wildem Zorn wollte er den Wütenden die Geliebte entreißen, aber in dem Augenblicke wand Coppola, sich mit Riesenkraft drehend, die Figur dem Professor aus den Händen und versetzte ihm mit der Figur selbst einen fürchterlichen Schlag, dass er rücklings über den Tisch, auf dem Phiolen, Retorten, Flaschen, gläserne Zylinder standen, taumelte und hinstürzte; alles Gerät klirrte in tausend Scherben zusammen. Nun warf Coppola die Figur über die Schulter und rannte mit fürchterlich gellendem Gelächter rasch fort die Treppe herab, so dass die hässlich herunterhängenden Füße der Figur auf den Stufen hölzern klapperten und dröhnten. – Erstarrt stand Nathanael – nur zu deutlich hatte er gesehen, Olympias toderbleichtes Wachsgesicht hatte keine Augen, statt ihrer schwarze Höhlen; sie war eine leblose Puppe.
ANTONIA AUS RAT KRESPEL / DIE SERAPIONSBRÜDER Der Klang von Antonias Stimme war ganz eigentümlich und seltsam, oft dem Hauch der Äolsharfe, oft dem Schmettern der Nachtigall gleichend. Die Töne schienen nicht Raum haben zu können in der menschlichen Brust. Antonia, vor Freude und Liebe glühend, sang und sang alle ihre schönsten Lieder, und B ... spielte dazwischen, wie es nur die KS ELĪNA GARANČA als NICKLAUSSE
wonnetrunkene Begeisterung vermag. Krespel schwamm erst in Entzücken, dann wurde er nachdenklich – still – in sich gekehrt. Endlich sprang er auf, drückte Antonia an seine Brust und bat sehr leise und dumpf: »Nicht mehr singen, wenn du mich liebst – es drückt mir das Herz ab – die Angst – die Angst.« Der Doktor, dessen Miene vom Anfang des Gespräches von tiefer Bekümmernis zeugte, erwiderte: »Genug, Antonia leidet an einem organischen Fehler in der Brust, der eben ihrer Stimme die wundervolle Kraft und den seltsamen, ich möchte sagen, über die Sphäre des menschlichen Gesangs hinaustönenden Klang gibt. Aber auch ihr früher Tod ist die Folge davon, denn singt sie so fort, so gebe ich ihr noch höchstens sechs Monate Zeit.« Den Rat zerschnitt es im Innern wie mit hundert Schwertern. Sein Entschluss war gefasst. Er sagte Antonia alles, er stellte ihr die Wahl, ob sie dem Bräutigam folgen und seiner und der Welt Verlockung nachgeben, so aber früh untergehen, oder ob sie dem Vater noch in seinen alten Tagen nie gefühlte Ruhe und Freude bereiten, so aber noch jahrelang leben wollte. Antonia fiel dem Vater schluchzend in die Arme. Er sprach mit dem Bräutigam, aber unerachtet dieser versicherte, dass nie ein Ton über Antonias Lippen gehen sollte, so wusste der Rat doch wohl, dass selbst B ... nicht der Versuchung würde widerstehen können, Antonia singen zu hören. Auch die Welt, das musikalische Publikum, möcht’ es auch unterrichtet sein von Antonias Leiden, gab gewiss die Ansprüche nicht auf, denn dies Volk ist ja, kommt es auf den Genuss an, egoistisch und grausam. Der Rat verschwand mit Antonia. Sie schmiegte sich nun mit der innigsten, kindlichsten Liebe an
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Krespel. »Ich will nicht mehr singen, aber für dich leben«, sprach sie oft lächelnd zum Vater, wenn jemand sie zum Gesange aufgefordert und sie es abgeschlagen hatte. Solche Momente suchte der Rat indessen ihr soviel wie möglich zu ersparen, und daher kam es, dass er ungern mit ihr in Gesellschaft ging und alle Musik sorgfältig vermied. In einer Nacht war es dem Rat so, als höre er im Nebenzimmer auf seinem Pianoforte spielen. Er wollte aufstehen, aber wie eine schwere Last lag es auf ihm, wie mit eisernen Banden gefesselt vermochte er sich nicht zu regen und zu rühren. Nun fiel Antonia ein in leisen hingehauchten Tönen, die immer steigend und steigend zum schmetternden Fortissimo wurden, dann gestalteten sich die wunderbaren Laute zu dem tief ergreifenden Liede, welches B ... einst ganz im frommen Stil der alten Meister für Antonia komponiert hatte. Krespel sagte, unbegreiflich sei der Zustand gewesen, in dem er sich befunden, denn eine entsetzliche Angst habe sich gepaart mit nie gefühlter Wonne. Plötzlich umgab ihn eine blendende Klarheit, und in derselben erblickte er B ... und Antonia, die sich umschlungen hielten und sich voll seligem Entzücken anschauten. Die Töne des Liedes und des begleitenden Pianofortes dauerten fort, ohne dass Antonia sichtbar sang oder B ... das Fortepiano berührte. Der Rat fiel nun in eine Art dumpfe Ohnmacht, in der das Bild mit den Tönen versank. Als er erwachte, war ihm noch jene fürchterliche Angst aus dem Traume geblieben. Er sprang in Antonias Zimmer. Sie lag mit geschlossenen Augen, mit holdselig lächelndem Blick, die Hände frommgefaltet, auf dem Sofa, als schliefe sie und träumte von Himmelswonne und Freudigkeit. Sie war aber tot.
GIULLETTA AUS DIE GESCHICHTE VOM VERLORENEN SPIEGELBILDE / FANTASIESTÜCKE IN CALLOTS MANIER Ist ja doch Italien das Land der Liebe. Der Abendwind säuselte wie in sehnsüchtigen Seufzern, wie Liebeslaute durchwallten die Orange- und Jasmindüfte das Boskett. Erasmus war bei dem ersten Blick so ganz besonders zu Mute geworden. Das Auge fest geheftet auf Giulietta, mit erstarrten Lippen saß er da und konnte kein Wort hervorbringen, als die Jünglinge laut Giuliettas Anmut und Schönheit priesen. Da fragte Giulietta scherzend: »Soll ich denn eure Donna sein?« Aber Erasmus warf sich wie im Wahnsinn vor Giulietta nieder, drückte ihre beiden Hände vor seine Brust und rief: »Ja, du bist es, dich habe ich geliebt immerdar, dich, du mein Engelsbild! – Dich habe ich geschaut in meinen Träumen, du bist mein Glück, meine Seligkeit, mein höheres Leben!« Wenn Giulietta sang, war es, als gingen aus tiefster Brust Himmelstöne hervor, nie gekannte, nur geahnte Lust in allen entzündend. Ihre volle wunderbare Krystallstimme trug eine geheimnisvolle Glut in sich, die jedes Gemüt ganz und gar befing. Schon verkündete ein roter Schimmer den Anbruch der Morgenröte, da riet Giulietta das Fest zu enden. Es geschah. Erasmus schickte sich an, Giulietta zu begleiten, sie schlug das ab und bezeichnete ihm das Haus, wo er sie künftig finden könnte. Giulietta empfing den Erasmus mit all’ der wunderbaren Anmut und Freundlichkeit, die ihr eigen. Der wahnsinnigen Leidenschaft, die den Eras-
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DREI FRAUEN
mus entflammt, setzte sie ein mildes, gleichmütiges Betragen entgegen. Nur dann und wann funkelten ihre Augen höher auf, und Erasmus fühlte, wie leise Schauer aus dem Innersten heraus ihn durchbebten, wenn sie manchmal ihn mit einem recht seltsamen Blicke traf. Nie war Giulietta liebenswürdiger gewesen, noch niemals hatte sie so ohne allen Rückhalt ihm ihre innigste Liebe merken lassen. Sie standen gerade vor dem schönen breiten Spiegel, der in der Wand des Kabinetts angebracht war und an dessen beiden Seiten helle Kerzen brannten. Fester, inniger drückte Giulietta den Erasmus an sich, indem sie leise lispelte: »Lass mir dein Spiegelbild, du innig Geliebter, es soll mein und bei mir bleiben immerdar.« – »Giulietta«, rief Erasmus ganz verwundert, »was meinst du denn? – mein Spiegelbild?« – Er sah dabei in den Spiegel, der ihn und Giulietta in süßer Liebesumarmung zurückwarf. »Wie kannst du denn mein Spiegelbild behalten«, fuhr er fort, »das mit mir wandert überall und aus jedem klaren Wasser, aus jeder hellgeschliffenen Fläche mir entgegentritt?« – »Nicht einmal«, sprach Giulietta, »nicht einmal diesen Traum deines Ichs, wie er aus dem Spiegel hervorschimmert, gönnst
du mir, der du sonst mein mit Leib und Seele sein wolltest? Nicht einmal dein unstetes Bild soll bei mir bleiben und mit mir wandeln durch das arme Leben, das nun wohl, da du fliehst, ohne Lust und Liebe bleiben wird?« Die heißen Tränen stürzten der schönen Giulietta aus den schönen dunklen Augen. Da rief Erasmus wahnsinnig vor tötendem Liebesschmerz: »Muss ich denn fort von dir? – muss ich fort, so soll mein Spiegelbild dein bleiben auf ewig und immerdar. Keine Macht – der Teufel soll es dir nicht entreißen, bis du mich selbst hast mit Seele und Leib.« Giuliettas Küsse brannten wie Feuer auf seinem Munde, als er dies gesprochen, dann ließ sie ihn los und streckte sehnsuchtsvoll die Arme aus nach dem Spiegel. Erasmus sah, wie sein Bild unabhängig von seinen Bewegungen hervortrat, wie es in Giuliettas Arme glitt, wie es mit ihr im seltsamen Duft verschwand. Allerlei hässliche Stimmen meckerten und lachten in teuflischem Hohn; erfasst von dem Todeskrampf des tiefsten Entsetzens, sank er bewusstlos zu Boden, aber die fürchterliche Angst – das Grausen riss ihn auf aus der Betäubung, in dicker dichter Finsternis taumelte er zur Tür hinaus, die Treppe hinab.
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EDMOND & JULES DE GONCOURT
AUS DEN TAGE- BÜCHERN Von Kroll aus bringt der Wagen uns durch Palaststraßen über ratterndes kleines Pflaster, ich weiß nicht, wohin, vor eine erleuchtete Tür, an der ein Plakat hängt. In der Tiefe eines Hofs treten wir in einen von Gaslicht strahlenden Saal. Etwa zehn Frauen liegen, in Gruppen oder allein, an den Tischen und Diwans, in tierischen Posen hingeflegelt, müde und von der Prostitution dumpf ermattet. In der Mitte spielt ein kleiner Klavierspieler von 15 Jahren, mechanisch, blond und blicklos, gewaltsam die Nacht mit Musik füllend. Ab und zu erhebt sich der Sopran eines auf einem Diwan hingeflezten Weibes und gellt in den Lärm des Geklimpers. Manchmal öffnet sich die Türe im Hintergrund und zwei Frauen kommen herein, schreiten mit Schritten von Wiedergängerinnen und setzen sich. Sie haben flache, puppenhafte mechanische Gestalten, und man sucht unwillkürlich, wo man sie wie Olympia aufziehen kann. Schnippisch taucht eine Närrin auf, von einem Holbeintyp, eine wahre törichte Jungfrau, spielt mit Früchten auf einem Teller, knabbert und lacht, wie man im Traum lacht.
KS BRYN TERFEL als COPPÉLIUS
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EGON FRIEDELL
»DASS OFFENBACH ABER AUCH EIN TIEFES UND ZARTES HERZ BESASS, WÜRDE ALLEIN SCHON DIE BARCAROLLE BEWEISEN.«
ROTRAUD A. PERNER
AUS-DRÜCKEN VON GEFÜHLEN So lange wir uns nicht entkörpern und unsere Sinne nicht scheiden können von unserem Geist, müssen wir die Schwärmerei nicht von uns verscheuchen, sie ist uns das, was einem Gemälde das Colorit ist, sie erhöht jede Idee, die unseren Geist beschäftigt, sie verbreitet über uns bei jedem Gedanken von Glück eine wohltätige Empfindung eines sanften Entzückens.
E.T.A. Hoffmann am 12. Jänner 1795 an Theodor Gottlieb von Hippel
Wenn Hoffmann zu Ende der »narrativen« Oper Offenbachs, von allzu viel Punsch betäubt, nicht mehr ansprechbar ist, tröstet ihn seine Muse: »Ich bin es, deine Muse, die treu dir und ergeben, Die dir die Tränen trocknet und Rosen streut ins Leben, Die stets mit zarter Hand die ird’schen Gluten kühlte, Die deine Wunden heilte, die deine Leiden fühlte. O Hoffmann, gehöre m i r !«
DIE MUSE – EINE MUTTERFIGUR? Aber zeigt sich diese Muse nicht als eine Ersatzmutter, die wie viele realen Mütter »keine andren Göttinnen neben mir« duldet und damit die masochisti-
sche Neigung einimpft, nur ja keine für ein zufriedenstellendes Alltagsleben passende Frau zu lieben? Eine, die auch, getarnt im dämonisch-fürsorglichen Aspekt als Dr. Miracle, in die Liebesidylle eindringt: »...Was der Himmel dir einst in Fülle hat verliehn / Willst du in den Schatten / Gemeinen Alltags ziehn?« Die aber auch vielleicht schon früh des Sohnes Begabung »für Höheres« erkannt hat und ihn vor Unverständnis, Enttäuschungen und Ausbeutungen bewahren wollte? Der Psychoanalytiker Theodor Reik (1888-1969) entschlüsselt in Aus Leiden Freuden (1940) hinter missglückten Beziehungsambitionen unbewusste Strafbedürfnisse für unmoralische Triebregungen. Die erste Strafinstanz ist aber die Mutter ... und Anlass ist meist eine Verletzung ihrer Disziplin- und Reinheitsvorstellungen.
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AUS-DRÜCKEN VON GEFÜHLEN
Disziplin ist ja auch das, was durch den Automat Olympia symbolisiert wird: ohne Eigenleben hat sie genau das, was dem leidenschaftlichen Hoffmann mangelt. Damit zeigt sich die Paartherapeuten vertraute Partnerwahl nach dem Ergänzungsprinzip (das bei ausbleibender wechselseitiger Weiterentwicklung später zu Vorwürfen »Warum bist du nicht wie ich?« und Trennung führt). Dass Olympia nur »Väter« besitzt und keine Mutter, erspart darüber hinaus Konkurrenzen. Hoffmann hängt in dieser seiner Entwicklungsphase noch am Äußerlichen; er sucht noch keine inneren Werte. Das Spüren eigener Innerlichkeit hingegen macht verletzlich und ängstlich: Man sorgt sich für die geliebte Person. Diese Sorge richtet sich auf Antonia. Auch Antonia ist mutterlos. Das bietet Hoffmann die Chance, sich ihr in traditioneller Bindungsabsicht zu nähern. Und wieder rechnet er nicht mit der Durchkreuzung seiner Absichten durch eine dämonische Vaterfigur. Selbst, dass er derartigen Unholden jedenfalls im venezianischen Rotlichtmilieu und noch dazu in professionalisierter Manier begegnen wird, ahnt der Naive bei seinem ersten Versuch, sich als zielgerichteter Mann und nicht nur als Schwärmer einer erfahrenen Frau zu nähern, wiederum nicht. Man könnte also mit Reik subtilen Masochismus feststellen: »Jeder kennt Leute, die ihre Leiden sozusagen zur Schau tragen. Das Leiden im Masochismus hat eine solch deutliche auf die Umgebung gerichtete Außenseite, eine für die Umwelt bestimmte Fassade. Ohne Aufmerksamkeit von Seiten der Umwelt verliert das Leiden viel von seinem genussreichen Charakter.« Wie unbeabsichtigt wechselt ja auch der
Opern-Hoffmann vom Lied über KleinZack zur Offenbarung seiner Liebe, ganz im Sinne von »Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über« – wie wenn er sich selbst das Stichwort geben wollte um Mitleid und Beifall, kurz gesagt Aufmerksamkeitsenergie zu erheischen.
DER MYTHOS VOM LEIDENDEN KÜNSTLER Für religiöse Bedürfnisse ortete Sigmund Freud im Unbehagen in der Kultur deren Ursprung in »Ableitung von infantiler Hilflosigkeit und der durch sie geweckten Vatersehnsucht«, die »durch die Angst vor der Übermacht des Schicksals dauernd erhalten wird«. Aber zählt nicht auch das Verlangen nach erotischer Liebe zur Sehnsucht nach paradiesischem Glückserleben? »Das Leben, wie es uns auferlegt ist, ist zu schwer für uns«, weiß Freud, und »um es zu ertragen, können wir Linderungsmittel nicht entbehren«. Und davon zählt er dreierlei auf, nämlich »mächtige Ablenkungen, die uns unser Elend gering schätzen lassen«, wozu er nebst dem Hinweis auf Wissenschaft auch Voltaire zitiert, der seinem Candide Gartenarbeit rät, »Ersatzbefriedigungen, die es verringern« wie die Kunst, und »Rauschstoffe, die uns für dasselbe unempfindlich machen«. Eine »Technik der Leidabwehr«, die Freud beschreibt, »bedient sich der Libidoverschiebung«, also »Triebziele solcherart zu verlegen, dass sie von der Versagung der Außenwelt nicht getroffen werden können«, denn: »Die Sublimierung der Triebe leiht dazu ihre Hilfe. Am meisten erreicht man, wenn man den Lustgewinn aus Quellen psychischer und intellektueller Arbeit genügend zu erhöhen versteht.«
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ROTRAUD A. PERNER
Erhöhen, veredeln – diese Ratschläge zur Triebbewältigung findet man auch in religiös angehauchten Erziehungs ratgebern. Allerdings gesteht Freud ein, die Schwäche dieser Methode läge darin, dass sie nicht allgemein verwendbar, da nur wenigen Menschen zugänglich sei. Aus dieser »Technik« aber den Umkehrschluss ziehen zu wollen, dass künstlerische Betätigung oder intellektuelle Arbeit Leid und Leidabwehr voraussetze, erscheint doch als oberflächliches Trösten all derjenigen, die sich als nicht kreativ wähnen und vor Unzulänglichkeitsgefühlen schützen wollen – und das sind jene, deren Kreativität schon als Kleinkinder nicht gefördert oder verboten, oft noch dazu vermiest wurde. Man braucht nur etwa die Zeichnungen von Kindern, bevor sie in die Schule kommen, mit denen danach zu vergleichen, wenn sie auf die angeblichen Erfordernisse von Staat und Gesellschaft, sprich Wirtschaft (ohne Berücksichtigung des Wirtschaftssektors Kunst!) gleich geschaltet werden sollen. Der von Freud in die Psychoanalyse eingeführte Ausdruck »Sublimierung« evoziere sowohl »sublim«, was mit Größe und Erhabenheit verbunden sei, als auch den chemischen Vorgang, durch den ein Körper direkt vom festen in den gasförmigen Zustand übergeführt würde, deuten Laplanche und Pontalis in ihrem Vokabular der Psychoanalyse. Hinter beiden Erklärungen lugt ein Geist der Minderwertung des Körperlichen, besonders aber auch des Sexuellen hervor; er herrschte zur Zeit Hoffmanns (1776-1822), Offenbachs (1819-1880) und auch Freuds (1856-1932). Gegenwärtig dominiert eine Art GegenGeist, allerdings in kommerzialisierter Form; die Balance der Optionen verfeh-
len allerdings beide »Geister«.
SUBLIMATION ALS SELBSTBEREICHERUNG Der Genfer Germanist Jean Starobinski schreibt in Psychoanalyse und Litera tur, er sähe eine Aufgabe der Literaturwissenschaft darin, sich nicht auf die Analyse der »vorgestellten« Welt zu beschränken, sondern ihr Augenmerk auf die »imaginative Potenz« innerhalb des menschlichen Kontextes zu richten, aus dem sie entspringt. Es sind nicht bloß Leidenszustände, aus denen diese »imaginative Potenz« erwachsen kann – es sind Spannungszustände, und diese können durchaus erfreuliche sein, wie wohl alle wissen, die mit Kindern oder Jugendlichen Feste vorbereiten, oder die ohne Perfektionszwänge oder Ablehnungsängste Liebesbriefe schreiben. Dieser Spannung im Mehrfachsinn des Wortes bedarf es, wenn etwas frei gesetzt werden soll bzw. wird: Egal, ob sich eine Zelle teilen will, ein Pfeil die Bogensehne verlässt oder ein Gesang die Kehle, ein Schritt ins Unbekannte gewagt wird oder auf einen ersehnten Menschen zu – immer braucht Aktivität neuronale Erregung, nur heißen sie die meisten Menschen nicht als quasi »bräutliche Vorfreude« willkommen, sondern nennen sie Lampenfieber oder Prüfungsangst – eine Folge ehrgeizträchtiger Erziehung und/oder Spotterfahrungen.
ODER DOCH NUR DEPRESSION? Ohne Anerkennungsenergie wenden viele ihr kreatives Potenzial nach innen und das kann zur Wurzel depressiver Reaktionen werden. »Die Depression,
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als deren Hauptmerkmal man einen Verlust an Selbstachtung ausmachen kann, ist eine Pathologie der Größe. Die depressive Person ist der Aufgabe der Selbstwerdung nicht gewachsen«, formuliert der Soziologe Alain Ehrenberg (in Kreation und Depression). Aber ist es nicht gerade umgekehrt, dass Depression als quasi Ruhe vor dem Sturm das Vorstadium zum nötigen Aggressionsschritt zur kreativen, zur künstlerischen Selbstentfaltung sein könnte und sollte? Und dass es nur der Anleitung zum Umgang mit musischen Fähigkeiten und Techniken bedarf, um Gefühle in solch einer Form auszudrücken, dass andere davon prosozial berührt werden? (Was übrigens für den Ausbau der musischen Fächer im Schulunterricht spricht: Man lernt dadurch Gefühlsausdruck und Kreativität und damit eine andere Form, sich von emotionalem Druck zu befreien, als nur über Gewalttaten.) Heutzutage würde Hoffmann wohl eine Gruppentherapie aufsuchen und seine im Lebensverlauf üblicherweise mehr oder weniger oft auftretenden Enttäuschungen samt der gesund machenden emotionalen Reaktionen den Gleichgesinnten kundtun, und irgendwer in der Gruppe würde ihn mit seinen Illusionen und Verhaltensmustern konfrontieren und vielleicht würde sich Hoffmann dann nicht mehr in »ausgezeichnete« Frauenfiguren »verschauen«, sondern sich in Herzenswärme mit einer ebensolchen Durchschnittsfrau »begnügen«. Die Werke seines beachtlich vielseitig umfangreichen Schaffens besäße die Allgemein-
heit dennoch: Man muss nicht leiden, um Eindrücke künstlerisch auszudrücken – man muss nur die Wahrnehmung schulen, die Kreativität fördern und sich von unverständigen Spöttern nicht kränken lassen.
UND DER HISTORISCHE HOFFMANN? Schon aus der Wahl seines Inspirationsnamens Amadeus kann man schließen, dass der penible und respektierte Jurist Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann in sich ein Wachstumspotenzial spürte, das mit einer kontinuierlich verlässlichen Berufsausübung in der sachlich-trockenen Rechtskunde Spannungen auslösen musste. Solch vielfältige Begabungen wie seine als Musiker (Komponist und Kapellmeister), Zeichner (und Karikaturist) und Schrift steller, von seiner Tätigkeit als Musikkritiker ganz zu schweigen, übten einerseits den Druck aus, immer wieder über sich selbst hinauswachsen zu können – andererseits aber auch seine Existenz und die seiner Familie zu sichern; immerhin musste der kritische Freigeist doch einige Male sein juristischen Arbeitsfelder verlassen, da er seine Reputation sowohl durch seine bildhaften Karikaturen gefährdete wie auch durch seine literarischen, in denen man unschwer Vorgesetzte erkennen konnte, die ihm zu konservativ oder repressiv schienen – und dies stärkt durchaus die Sichtweise Theodor Reiks, dass masochistische Impulse Publikum suchen.
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DIE ZWEITE AUF- FÜHRUNG ... DER RINGTHEATER-BRAND Der 8. Dezember 1881 war ein Feiertag. Viele Wiener erfreuten sich an diesem schönen, aber frischen Wintertag bei einem Spaziergang über den Ring. Hunderte hatten sich an der Tageskasse des Ringtheaters Karten gekauft: Die Premiere von Hoffmanns Erzählungen am Vortage war ein toller Erfolg, positive Kritiken lockten zahlreiche Zuschauer an. Der neue Theaterdirektor, Franz Jauner, konnte mit der Inszenierung dieses Werkes von Jacques Offenbach zufrieden sein: Die zweite Aufführung am Abend des 8. Dezember versprach ebenso erfolgreich zu werden … »Ich war soeben im Begriffe, mein Opernglas dem Futteral zu entnehmen, als ich plötzlich bemerkte, wie der Bühnenvorhang in seltsam aufbauschende Bewegung gerät. Wie durch einen starken Druck wird er in den Zuschauerraum hineingedrängt. Im selben Augenblick wird unterhalb der Courtine ein Spalt frei und durch diesen trifft mein entsetzter Blick auf eine Feuerflamme, die vom Bühnenpodium hervorzüngelt. Augenblicklich ergreife ich meine Begleiterin am Arme und dränge dem mittleren Sitzgange zu – aber schon ist mit einem Schlage alles Licht erloschen. Dichte Finsternis umfängt uns. Wir werden auf die Parkettstiege hinausgedrückt und ich erfasse mit beiden Händen das Geländer. Da fühle ich – entsetzlich! – dass meine Verwandte nicht mehr an meinem Arme ist. Ich schreie ihren Namen. Sie erwidert den Ruf. Wir fassen uns wunderbarer Weise nochmals im Finstern, werden widerstandslos fortgedrängt – dem Ausgange zu – und sind gerettet. Hinter uns flammt das Haus.«
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NEUE FREIE PRESSE, 10. DEZEMBER 1881
NACH DEM GROSSEN BRAND Herzzerreißender Jammer, die erschütternde Wehklage von jählings in ihren teuersten Angehörigen getroffen und tiefgebeugten Familien erfüllt heute die Mauern dieser Stadt. Nach Hunderten zählt bereits die Menge der Unglücklichen, von denen man weiß, dass sie, eingepfercht zwischen den Mauern des brennenden Schauspielhauses, erdrückt, zerstoßen, zertreten, im Qualme erstickt oder von der Flamme verzehrt worden sind. Von Stunde zu Stunde schwillt die entsetzliche Liste der Opfer an; zagend sehen wir seit gestern Hiobsposten jeder nächsten Minute entgegen; es ist, als ob der würgende Tod unser fröhliches, kunstsinniges Wien sich zu einer raffinierten Orgie der Verzweiflung ausersehen hätte, und noch immer ist des namenlosen Elends kein Ende abzusehen. Die Bestrebungen der Parteien, die Kämpfe der großen und die Intrigen der kleinen Politik – sie ziehen sich scheu zurück vor der Majestät dieses gigantischen Schmerzes; denn das entfesselte Element, der uralte, heimtückische Erbfeind der Menschen kennt keinen Unterschied der Parteien, der Klassen, des Besitzes, der Intelligenz. Eine Stunde des Entsetzens hat uns unwiderstehlich, unvergesslich die große Lehre von der Gleichheit der Menschen gepredigt, hat uns gezeigt, dass die menschliche Gesellschaft noch andere Aufgaben hat, als das unaufhörliche
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NACH DEM GROSSEN BRAND
Ringen um Erwerb, Besitz und Macht; hat uns daran erinnert, dass der Staat noch etwas anderes ist, als die Arena für den Wettlauf und die Jagd nach wirklichen und eingebildeten Gütern, dass er vor allem der Ausdruck der Solidarität allgemein menschlicher Interessen, eine Vereinigung zur Sicherheit des Eigentums, der Freiheit, jedenfalls des Lebens sein sollte. Sollte! Ist er es aber auch? Wir verwenden viel mehr Wachsamkeit als nötig auf die Ausschreitungen der Geister und viel weniger Wachsamkeit als nötig auf die Sicherheit der Leiber!
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HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN IM REPERTOIRE Die besonderen Umstände der frühen Aufführungsgeschichte dieser Oper, vor allem aber das Stigma, das dem Werk seit dem Brand des Wiener Ringtheaters vor der zweiten Vorstellung anhaftete, haben Hoffmanns Erzählungen erst als 197. Stück im Haus am Ring auf die Bühne gelangen lassen. Die Erstaufführung in der Ära Gustav Mahler (und unter der persönlichen Leitung des Hausherrn) am 11. November 1901 folgte einer gestrafften Fassung, die auf die Figuren von Stella, Lindorf und Andrès im Vorspiel und Epilog verzichtete. Als Titelheld agierte damals Fritz Schrödter, die drei Frauen wurden von Marie Gutheil-Schoder verkörpert, in der Trias Coppélius/Dapertutto/Miracle war Josef Ritter zu hören, in den drei Buffo-Rollen der auch als Mime berühmte Hans Breuer. Bis zum Jahr 1926 stand diese Inszenierung in 188 Vorstellungen auf dem Spielplan der Hof- bzw. später Staatsoper. Den Hofmann übernahmen Georg Maikl und Karl Aagard Østvig, der Tenor wichtiger Strauss- und Korngold-Premieren, und einmal als Gast Richard Tauber; die Bösewichte wurden zu bedeutenden Rollen von Wilhelm Hesch, Hermann Wiedemann, Emil Schipper und Alfred Jerger. Alle drei Frauenrollen haben danach nur Selma Kurz und Berta Kiurina gesungen, in der Folge wurde die Trennung nach verschiedenen Stimmcharakteren LUCA PISARONI als COPPÉLIUS
eher die Regel als die Ausnahme. Als Antonia und Giulietta ließen sich von den legendären Sängerinnen des Hauses etwa Maria Jeritza und Lotte Lehmann hören, nur als Antonia Elisabeth Schumann und Luise Helletsgruber. Eine Neuinszenierung in veränderter Fassung erlebte die Oper am 19. November 1930 unter dem Dirigenten – und damaligen Staatsoperndirektor – Clemens Krauss. Lothar Wallerstein hat in der Ausstattung von Oscar Strnad inszeniert. Die Besetzung mit Alfred Piccaver (Hoffmann), Wilhelm Rode (Baritonrollen), Erich Zimmermann (Buffi) und den Damen Adele Kern (Olympia), Eva Hadrabová (Giulietta), Margit Schenker-Angerer (Antonia) lebte noch lange in der Erinnerung Wiener Opernfreunde fort. In den 39 Aufführungen des Werks bis 1936 waren als Hoffmann Kolomán von Pataky und gastweise der junge Julius Patzak zu erleben, die Bariton partien übernahm Karl Hammes, die Dienerrollen William Wernigk, während mit Jarmila Novotná zeitweise wieder eine souveräne Interpretin aller drei Frauen zur Verfügung stand. Die Ächtung von Jacques Offenbach aus rassistischen Gründen während der NS-Diktatur ließ eine Neuinszenierung von Hoffmanns Erzählungen erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu. Im Behelfsquartier des Theaters an der Wien hat
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das Team Josef Krips, Oscar Fritz Schuh und Robert Kautsky das Werk am 24. Oktober 1945 neu herausgebracht. Anton Dermota, Paul Schöffler, Irmgard Seefried (in allen drei Frauenrollen!) und Peter Klein machten die Premiere zu einem großen Publikumserfolg, der die Oper bis zum 27. September 1955 nicht weniger als 183mal auf dem Spielplan erscheinen ließ: mit Julius Patzak, Hugo Meyer-Welfing, Walther Ludwig, Rudolf Schock, aber auch Wolfgang Windgassen und Sándor Kónya als Hoffmann, mit Hans Hotter, Karl Kamann, Josef Metternich, George London und Theo Baylé als alternierenden Widersachern des Protagonisten und einer Vielzahl wechselnder Besetzungen der Frauenrollen: u.a. Emmy Loose, Wilma Lipp, Ruthilde Boesch, Ilse Hollweg und Rita Streich als Olympia, Sena Jurinac, Maria Cebotari, Emmy Funk, Elfriede Trötschel, Carla Martinis, Judith Hellwig als Antonia, Hilde Konetzni, Ljuba Welitsch sowie Daniza Ilitsch als Giulietta. Die Dirigate dieser zehn Jahre teilten sich die Hauskapellmeister Rudolf Moralt, Felix Prohaska, Wilhelm Loibner, Meinhard von Zallinger und Heinrich Hollreiser. Am 7. Jänner 1956 wurde diese Inszenierung in das wiedereröffnete Haus am Ring übernommen. Unter der Leitung von Heinrich Hollreiser bzw. Berislav Klobučar waren in insgesamt nur zehn Aufführungen Rudolf Schock, Karl Kamann und Peter Klein in den männlichen Hauptrollen, Rita Streich (Olympia), Teresa Stich-Randall (Antonia) und Ljuba Welitsch sowie Christel Goltz (Giulietta) eingesetzt. Die junge Christa Ludwig übernahm die Hosenrolle des Nicklausse. Die überfällige Neuinszenierung fand schon in der zweiten Saison der
Direktion Herbert von Karajan statt: In einer Doppelpremiere der Oper am 26. und 27. Oktober 1957 sangen Anton Dermota bzw. Ivo Zidek den Hoffmann, Paul Schöffler/Walter Berry die Bösewichte, Teresa Stich-Randall/Wilma Lipp die Antonia, Ira Malaniuk/Gerda Scheyrer die Giulietta und Christa Ludwig/Dagmar Hermann den Nicklausse. Mimi Coertse (Olympia) und der unermüdliche Peter Klein (Buffopartien) waren in beiden Vorstellungen zu hören. Die Interpretation des Teams Antonio Votto, Adolf Rott und Robert Kautsky war bei Publikum wie Presse kein voller Erfolg, außerdem erlebte die Produktion in anderthalb Jahren nur 19 Reprisen, in denen immerhin Waldemar Kmentt als Titelheld, Walter Berry in den Baritonpartien und Erika Köth (Olympia) interessante Besetzungsalternativen boten. Auch die nächste Neuproduktion der Oper unter der Leitung von Josef Krips und in der Bühnenrealisierung durch Otto Schenk, Günther Schneider-Siemssen und Hill Reihs-Gromes war als Doppelpremiere mit wechselndem Sängeraufgebot konzipiert. Am 16. Oktober 1966 gestalteten Waldemar Kmentt (Hoffmann), Otto Wiener (Baritonrollen), Anja Silja (in allen Frauenpartien) und Gerhard Stolze (Buffi) die tragenden Rollen; am 22. Oktober 1966 alternierten Jean Cox, Thomas Tipton, Lucia Popp (Olympia), Wilma Lipp (Antonia), Ruth Hesse (Giulietta) und – noch immer – Peter Klein. Die letzte von insgesamt 87 Aufführungen dieser Inszenierung ging am 21. November 1977 über die Bühne. Davor hatten u.a. William Blankenship, Josef Hopferwieser und William Cochran den Titelhelden, Ernst Gutstein, Eberhard Waechter, Franz Grundheber und Gottfried Hornik seine Widersa-
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cher, Sylvia Gészty, Edita Gruberova und Arleen Augér die Olympia, Lotte Rysanek die Antonia und Gertrude Jahn die Giulietta sowie Heinz Zednik die tenoralen Diener gesungen. Die aktuelle Produktion in der Inszenierung Andrei Şerbans feierte am 20. Dezember 1993 eine in jeder Hinsicht triumphale Premiere. Kein Wunder also, dass sich die Produktion nach mehr als dreißig Jahren immer noch großer Beliebtheit erfreut. Zu den wichtigsten Interpreten der Hauptpartien zählten Natalie Dessay, Stefania Bonfadelli und Daniela Fally als Olympia, Barbara Frittoli, Soile Isokoski, Inva Mula, Adrianne Pieczonka, Ildikó Raimondi, Krassimira Stoyanova und Marina Rebeka als Antonia,
Eliane Coelho und Nadia Krasteva als Giulietta, Elīna Garanča, Angelika Kirchschlager, Sophie Koch und Stephanie Houtzeel als Nicklausse, Plácido Domingo, Neil Shicoff, Rolando Villazón, Francisco Araiza, Luis Lima und Giuseppe Sabbatini in der Titelrolle, Heinz Zednik, Herwig Pecoraro, Thomas Ebenstein und John Dickie in den Buffo-Rollen, Bryn Terfel, Ruggero Raimondi, Samuel Ramey, James Morris und Monte Pederson als Sänger der vier Bösew ichte. Die Wiederaufnahme am 13. Dezember 2024 wurde von Bertrand de Billy dirigiert, es sangen unter anderem John Osborn (Hoffmann), Nicole Car (Antonia), Serena Sáenz (Olympia und Giulietta) und Alex Esposito (Vier Bösewichte).
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IMPRESSUM JACQUES OFFENBACH
LES CONTES D’HOFFMANN SPIELZEIT 2024/25 (PREMIERE DER PRODUKTION: 20. DEZEMBER 1993, WIEDERAUFNAHME: 13. DEZEMBER 2024) Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ Musikdirektor PHILIPPE JORDAN Kaufmännische Geschäftsführerin DR. PETRA BOHUSLAV Redaktion SERGIO MORABITO, ANDREAS LÁNG & OLIVER LÁNG Gestaltung & Konzept EXEX Layout & Satz ROBERT KAINZMAYER Lektorat MARTINA PAUL Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUKTIONS GMBH, BAD VÖSLAU TEXTNACHWEISE Dieses Programmbuch basiert auf dem Premieren-Programmheft 1993 bzw. auf dem Wiederaufnahmen-Programmheft 2014. Das Interview mit Bertrand de Billy entstand für dieses Programmbuch. Der Text von Matthias Brzoska wurde dem Sammelband Jacques Offenbach und seine Zeit, Laaber, 2009 entnommen. BILDNACHWEISE Coverbild: Sigurður Guðmundsson, Extension, 1974, Courtesy of Sigurður Guðmundsson and i8 Gallery, Reykjavík © Bildrecht, Wien 2024 – Bildkonzept Cover: Martin Conrads, Berlin – Szenenbilder Michael Pöhn/Wiener Staatsoper GmbH (S. 2-3, 21, 28-29, 34, 40-41, 45, 49, 52, 72, 76-77) – Axel Zeininger/Wiener Staatsoper GmbH (S. 7, 8, 56, 61, 62) – AKG Images (S. 14, 24). Nachdruck nur mit Genehmigung der Wiener Staatsoper GmbH / Dramaturgie. Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.
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