Programmheft »Matinee Ballett Akademie«

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MATINEE BALLETT AKADEMIE


Matinee Ballettakademie Wiener Staatsoper 1. Mai 2023, 11 Uhr, Wiener Staatsoper

MATINEE BALLETT AKADEMIE Unisono Hans van Manen La Sylphide nach August Bournonville in einer Adaption von Christiana Stefanou & Robert Gabdullin Jamie Uraufführung Fassung 2023 Martin Schläpfer JIT Kinsun Chan

Generalsponsoren der Wiener Staatsoper

Die Ballettakademie der Wiener Staatsoper wird unterstützt von


Verehrtes Publikum! Zum Abschluss unserer Matinee dann JIT – ein Stück zum Verlieben. Vor genau acht Jahren habe ich diese Choreographie Kinsun Chans mit den Studierenden der Heinz-Bosl-Stiftung auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper gesehen – und sie von der ersten Minute an geliebt. Immer wieder haben mich die Bilder aus diesem Tanzstück über die letzten Jahre begleitet und es war mir ein großer Wunsch, mein damaliges Erlebnis heute mit unseren Schüler*innen und unseren Zuschauer*innen teilen zu können, in der Hoffnung, dass auch sie diese starken Momente in all ihrer Intensität empfinden werden. Mein großer Dank gilt Kinsun Chan, dass er uns seine Choreographie anvertraut hat. Um Emotionen und Energien, zwischenmenschliche Beziehungen, Sehnsüchte und Enttäuschungen, Utopien und Verlorenheiten, aber auch gesellschaftliche Reflexionen kreist unser Programm an diesem 1. Mai-Vormittag. Es zeigt aber auch, wie wir kontinuierlich – mit jedem Training, jeder Probe – konzentriert und aus tiefstem Herzen an der Verwirklichung unserer Vision einer zeit- und menschengemäßen Tanzausbildung weiterarbeiten. Voller Freude und Stolz blicke ich in diesem Moment zu allen jungen Talenten auf, die unsere heutige Matinee hier auf der großen Bühne der Wiener Staatsoper zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen. Im Namen der gesamten Ballettakademie der Wiener Staatsoper heiße ich Sie herzlich willkommen!

Der Moment auf die Bühne zu treten – sei es zum ersten oder zum wiederholten Mal –, ist wie eine kleine Stufe, welche unsere jungen Tänzer*innen der professionellen künstlerischen Laufbahn Stück um Stück näherbringt. Im diesjährigen Programm der Matinee der Ballettakademie der Wiener Staatsoper präsentieren sich alle Studierenden sowie die Tänzer*innen der Jugendkompanie. Mit La Sylphide erleben wir eines der berühmtesten, meistgetanzten und repräsentativsten Werke der Ballettliteratur des 19. Jahrhunderts – in der Eleganz und Zartheit der Schritte und Bewegungen, den Strukturen und einem Libretto mit dem Kontrast aus Menschen- und Feenwelt, Romantik und Drama, Lebensfreude und Schattenseiten, Sicherheit und Gefährdung ein Signaturwerk des Balletts. Wir freuen uns aber auch sehr, dass wir mit unseren Schüler*innen drei Kreationen von bedeutenden, drei Generationen angehörenden Choreographen unserer Zeit präsentieren können: Hans van Manen, Martin Schläpfer und Kinsun Chan. Mit Unisono hat Hans van Manen ein Stück für die ganz jungen Tänzer*innen geschaffen – in unserer Matinee getanzt von den Schüler*innen der Unterstufe. Es ist eine Choreographie, die auf kongeniale Weise lehrt, sich im Ensemble zu finden, gemeinschaftlich unisono zu tanzen, Musik durch Bewegung wahrzunehmen und umzusetzen. Für mich ist Unisono ein Stück, auf welches jede Akademie stolz sein kann, es im Repertoire zu haben. Ich freue mich sehr, dass wir es einstudieren und Ihnen präsentieren können. Mit Jamie folgt eine Uraufführung unseres Künstlerischen Leiters Martin Schläpfer. Mit den Mitgliedern unserer Jugendkompanie ist er für diese Kreation in einen intensiven Prozess eingetaucht – und hat ihnen ein Stück geschenkt, das sich inzwischen in ihre Körper eingeschrieben hat, ihre Persönlichkeiten zum Leuchten bringt und zugleich die jungen Tänzer*innen aufs Höchste fordert – künstlerisch wie tanztechnisch. Jamie ist eine Arbeit, die mich mit unendlicher Freude und großer Dankbarkeit erfüllt.

VORWORT

Ihre Christiana Stefanou Direktorin der Ballettakademie der Wiener Staatsoper

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VORWORT


↑ Unisono Schüler*innen der Unterstufe


↑ Schüler*innen der Unterstufe


Nastasja Fischer

»Ich habe vorher noch nie ein Ballett von Hans van Manen getanzt und diese Choreographie einzustudieren, war eine ganz neue, sehr schöne Erfahrung für mich. Zunächst haben wir seinen Stil bzw. den Stil des Balletts mit Larisa Lezhnina, die die Choreographie mit uns einstudiert hat, kennengelernt. So konnten wir uns in das Klima des Stücks einfühlen. Dann haben wir begonnen, die Formationen, die sehr wichtig für die Choreographie sind, zu lernen, intensiv zu studieren und zu üben. Ich habe gelernt, mit anderen zusammen zu tanzen. Vieles in diesem Ballett bewegt sich in einer Linie und wir müssen immer unisono sein. Aber auch der Wechsel im Ausdruck ist spannend zu erleben, manchmal sind es sehr weiche und dann wieder eher klarere, fast strenge Bewegungen.«

UNISONO Im Juli 2022 feierte Hans van Manen seinen 90. Geburtstag. Als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Choreographen des 20. und 21. Jahrhunderts ist sein umfassendes Œuvre mit den renommiertesten Compagnien zu sehen, aber auch für junge Tänzer*innen hat er ein Werk kreiert, das in der Ballettwelt bis heute einen besonderen Stellenwert hat. Uraufgeführt 1978 mit 50 Studierenden des Königlichen Konservatoriums Den Haag, wird seine Choreographie Unisono seit damals von jungen Elevinnen und Eleven getanzt. »Hans van Manen hat für Stars genauso schön und ausdrucksstark choreographiert wie für Kinder (Unisono). Denn seine Kunst war stets die der Reduktion auf das Wesentliche. Klar und deutlich sind seine Linien, ausgewogen ist seine Eroberung des Raums, klug und luzide ist seine poetische Durchdringung der Musik«, schreibt Manuel Brug 2022 zum Geburtstag des Choreographen. Untertitelt mit »An exercise in concentration, cooperation and musicality« (»Eine Übung in Konzentration, Kooperation und Musikalität«) setzt sich Unisono zum Adagio aus Joseph Haydns Violinkonzert Nr. 1 C-Dur und Johann Sebastian Bachs Air aus der Orchestersuite Nr. 3 D-Dur mit dem klassischen Ballettkanon auseinander und wendet sich hingebungsvoll seinen Grundlagen zu: Das Schreiten und Gehen über die Bühne, der bewusste Vollzug jedes Schrittes sind in der Choreographie genauso elementar wie die klassischen Port de Bras oder das intensiv wahrnehmende Kreisen des Kopfes. Das Ballett, das in seiner puristischen wie eleganten Anlage, in der Nutzung des Raumes wie dem Aufbau der Tanzarchitektur eine typische Hans van Manen-Kreation ist, fördert so nicht nur ebenjene Homogenität, Musikalität und Konzentration der Tänzer*innen individuell und in der Gruppe, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl, das Einander-Spüren und Aufeinander-Reagieren, welches für Choreographie und Tanz elementar ist. In den beiden Kompositionen von Haydn und Bach hat van Manen kongeniale Partner gefunden, um jene kraftvolle Ruhe für die Choreographie zu schöpfen. So sind beide Musiken empfindsam, anmutig und bestechend in ihrem langsamen Tempo. Die evozierte Spannung, die gleichermaßen emotional und stark daherkommt, unterstützt die Studierenden in einem gemeinsamen Tanz, der eine tiefe Auseinandersetzung mit der Basis des Klassischen Balletts ist. Eine Basis voller Schönheit und Kraft.

UNISONO

Jule Sachernegg, Klasse 6A

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Nastasja Fischer

Mit der Pariser Uraufführung von La Sylphide im Jahr 1832 wurde das Schlüsselwerk des romantischen Balletts geboren. Das literarische Märchen Trilby ou le lutin d’Argail, das der Franzose Charles Nodier zehn Jahre zuvor veröffentlicht hatte, lieferte die Basis für das Ballett-Libretto des Tenors und Kunstmäzens Adolphe Nourrit. In Nodiers Erzählung wird die Ehefrau eines schottischen Fischers von einem schelmischen Dämonen umworben. Nourrit kehrte für sein Libretto die Geschlechter um und machte die Frau zur verführerischen, nicht erreichbaren Muse, die Tänzerin übernahm damit eine Hauptrolle. Der Aufstieg der Ballerina war entfacht und ging einher mit der neuen Ära des romantischen Balletts. Die Choreographie stammte von keinem Geringeren als dem Ballettmeister Filippo Taglioni, dessen Tochter Marie die Hauptrolle tanzte und dadurch nicht nur zur Inkarnation des romantischen Balletts avancierte, sondern auch zum ersten internationalen Ballettstar: »Sie hob die Zuschauer in höhere Sphären, ihr göttliches Tanzen machte einen weinen. […] In ihr sah ich die personifizierte Göttin der Tanzkunst«, schrieb der dänische Choreograph August Bournonville, der einer Vorstellung in Paris beiwohnte und vier Jahre später eine eigene Fassung des Sylphide-Ballettstoffs auf die Bühne brachte. Der Spitzenschuh erfuhr durch Marie Taglioni eine immense Aufwertung. Zwar war sie nicht die erste Tänzerin, die auf Spitze tanzte, allerdings war sie die erste, die den Schuh für den Ausdruck des Charakters nutzte: die Sylphide als ätherisches, jenseitiges Wesen, scheinbar »nicht von dieser Welt« über den Boden schwebend und stets gen Himmel strebend. Aber auch die Geburt des romantischen Tutus steht im Zusammenhang mit der Entstehung von La Sylphide. Taglioni verkürzte die Röcke der Tänzerinnen bis zur Mitte der Wade, um die Beine besser hervorheben zu können. Die Geschichte von La Sylphide ist schnell erzählt: Der junge Schotte James wird am Tag seiner Hochzeit mit Effie schlafend von einem traumhaften, wundersamen Wesen heimgesucht. Einer Sylphe, die ihm ihre Liebe erklärt. James fühlt sich sofort zu ihr sowie dieser anderen magischen Welt der Sylphen hingezogen und stellt sein zukünftiges bürgerliches Leben in Frage. Die alte Wahrsagerin Madge tut ihr Übriges und prophezeit dem Brautpaar im Zuge der Hochzeitsvorbereitungen großes Unglück. Sie treibt James immer weiter in die Arme der Sylphe, in einen Traum von der perfekten Frau. Als James versucht, von ihr Besitz zu ergreifen und sie in seiner irdischen Welt festzuhalten, stirbt sie in seinen Armen. James’ Verlobte Effie ist wiederum mit seinem Rivalen Gurn vor den Traualtar getreten, sodass James am Ende allein zurückbleibt. Für seine Version für das Königlich Dänische Ballett in Kopenhagen behielt Bournonville die Geschichte und Grundstruktur der Pariser Fassung bei, nahm aber doch einige Änderungen und Erneuerungen vor: »Die wahrhaft poetische Idee vom Menschen, der, auf der Suche nach seinem vermeintlichen

LA SYLPHIDE »Der Tanz ist charakteristisch bei den Luftgeistern; sie sind zu ätherischer Natur, als dass sie prosaisch gewöhnlichen Ganges, wie wir, über diese Erde wandeln sollten.« Heinrich Heine

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NASTASJA FISCHER


Glück, die Getreuen missachtet und, als er glaubt, den Gegenstand seiner Sehnsucht erreicht zu haben, alles verliert, ging gänzlich verloren«, berichtete er über Taglionis Choreographie und legte für sein Ballett größeren Wert auf die dramatische Erzählung und die Charakterzeichnung der Hauptrollen, bei der die Hexe Madge intensiv aufgewertet wird. Außerdem stellte er einen größeren Kontrast zwischen James’ alltäglichem Leben und dem Geschehen im mystischen Wald her, in dem er u.a. die Gruppentänze im ersten Akt in Charakterschuhen und die Szenen im zweiten Akt in Spitzenschuhen tanzen ließ. Im Gegensatz zu Taglioni folgte Bournonville der zentralen Regel, dass James nicht in der Lage sein sollte, die Sylphe zu berühren. Der Pas de deux im zweiten Akt wurde so zu einem Tanz, in dem James versucht, die ätherischen Bewegungen der Sylphen nachzuahmen. Er unternimmt den Versuch, wie das Geschöpf zu werden, von dem er besessen ist und strebt danach, zu ihrer Welt zu gehören und sie zu besitzen, was letztendlich zur Tragödie führt. Da Jean-Madeleine Schneitzhoeffer, der die Musik für Paris komponiert hatte, eine zu hohe Gage für die Abtretung der Rechte forderte, engagierte Bournonville den jungen, aufstrebenden Komponisten Herman Severin Løvenskiold, um eine eigene Musik für die dänische Fassung zu kreieren. 1836 feierte La Sylphide in Kopenhagen mit Bournonvilles berühmter Schülerin Lucile Grahn und ihm selbst in den Hauptrollen Premiere. Während Taglionis Pariser Ballett bald vom Spielplan genommen wurde, pflegten die Dänen ihre Sylphide und behielten sie im Repertoire, sodass Bournonvilles Fassung bis heute mit dem romantischen Ballett verbunden ist und als Grundlage für Rekonstruktionen verwendet wird. Damals wie heute ist La Sylphide ein Erfolgsmagnet beim Publikum. Nicht nur die seither den Menschen berührende romantische Vorstellung von Schwerelosigkeit und Überirdischem, sondern auch das menschliche Dilemma, das sich zwischen der Entscheidung für ein geordnetes Leben und dem Verfolgen von Träumen und Sehnsüchten abspielt, ist stets ein aktuelles. Die Studierenden der Ballettakademie zeigen einen Querschnitt durch die beiden Akte des Balletts – beginnend mit dem entzückten James, der von der Sylphe geweckt wird, dem Schottischen Tanz, dem Tanz der Madge und ihrem Hexengefolge, der berühmten Sylphen-Choreographie und dem Pas de deux der Sylphe und James. Direktorin Christiana Stefanou und Ballettlehrer Robert Gabdullin zeichnen für eigens kreierte Versionen des Schottischen Tanzes und des Hexentanzes verantwortlich. Neben der Auseinandersetzung mit dem romantischen Ballett und dem Stil Bournonvilles arbeiteten die Studierenden intensiv an der Pantomime, deren künstlerische Darstellung sich expressiv und doch natürlich gestalten soll. Exzellente Technik und das Erzählen einer Geschichte steht gleichermaßen im Mittelpunkt. ↑ La Sylphide Ella Bogheanu

NASTASJA FISCHER

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↑ Simone Carosso, Schülerinnen der 5. bis 8. Klasse ← Medea Beer, Ella Bogheanu, Schülerinnen der 6. bis 8. Klasse


↑ Zlata Datsyshyn ← Mark Sims


↑ Matilda Poláková ← Jamie ( Jänner 2022) Marie Reinprecht, Matteo Rondinelli, Francesco Scandroglio, Nicola Rizzo


Anne do Paço

für die Jugendkompanie Jamie zunächst als ein Work in Progress. 2021 begonnen und im Jänner 2022 wegen immer neuer Unterbrechungen durch die Corona-Pandemie bei der Matinee der Ballettakademie als offene Arbeit in Teilen sowie mit Probenausschnitten präsentiert, kommt Jamie heute nun zur vollständigen Uraufführung in einer Version, die sich über die vergangenen Monate nochmals verändert hat. Einige Mitglieder der Jugendkompanie sind zur Saison 2022/23 ins feste Engagement gegangen, neue sind dazugekommen – Anlass für Martin Schläpfer, der stets die Menschen im Blick hat, für die er seine Werke schafft, in manchem Detail nochmal neu oder anders anzusetzen, wenn auch die grundsätzliche Entscheidung, nicht ein GruppenBallett zu machen, »welches die einzelnen Individualitäten in das Unisono eines Ensembles zu gießen versucht, sondern ein Stück, welches eben diese herausstreicht«, geblieben ist. Aus Kompositionen verschiedener Epochen und Genres stellte er eine Collage zusammen, die unterschiedliche Welten aufreißt – konkrete Tänzer*innen bereits bei der Auswahl vor sich sehend: von barocker ChitaroneMusik Giovanni Girolamo Kapspergers und der Sarabande aus der Englischen Suite Nr. 2 a-Moll BWV 807 von Johann Sebastian Bach über Ludwig van Beethovens Schottisches Lied op. 108 Nr. 5 The sweetest lad was Jamie und Sechs Variationen über ein Schweizer Lied WoO 64 sowie Frédéric Chopins Etüde Nr. 6 es-Moll op. 10, der er eine Improvisation des Pianisten Martin Stadtfeld vorausgehen lässt, bis hin zu dem 1995 entstandenen Solo für Flöte Unanswered Questions des französischen Spektralisten Tristan Murail, einem Appenzeller Zäuerli und dem Song Early in the Mornin’ von Cyndi Lauper. »Musik-Collagen zu bauen ist etwas, das ich liebe, etwas, das hochkomplex ist – in allen Brüchen, die sich musikalisch gegeneinander ergeben und der Suche nach einer zwingenden Verbindung«, bekennt Martin Schläpfer. »Man hört und hört und hört, bis sich ein Amalgam auftut zwischen den Stücken. So anders verschiedene Musikteile auch daherkommen mögen – plötzlich spürt man doch eine Nähe oder sieht einen choreographisch-dramaturgischen Bogen, Verbindungen wie bei den verschiedenen Stämmen, die zu einem Floss gebaut sind.« An die Arbeit an Jamie ist Martin Schläpfer wie an jedes andere Ballett herangegangen. Es interessierte ihn nicht, ein Stück explizit für Jugendliche zu machen. »Junge Tänzer*innen sind genauso wie Erwachsene voller Imaginationen, haben ihre Träume und ihre Herausforderungen« – dies hat ihn inspiriert. Als ein Künstler, der in seinen Werken immer auch das Vokabular der alten Danse d’école als Baustein befragt, integrierte er in Jamie aber auch Aspekte des Übens, wie das Aufgreifen von Elementen des täglichen Trainings und der zentralen Formen und Haltungen des klassischen Balletts, die sich im Prozess des Choreographierens dann aber zu einer in die Körper der Tänzer geradezu hineingeschriebenen Sprache der Gegenwart verwandeln.

JAMIE

Ein Mädchen und zwei Burschen werfen sich in einen Tanz, kosten voller Freude ein Miteinander aus, aber auch die Spannungen, die sich aus einer Dreierbeziehung ergeben. Sie erzählen von Freundschaft, von Liebe, aber auch vom Akzeptieren, dass man den gleichen Weg auf unterschiedliche Weise gehen kann. Eine andere Tänzerin begibt sich hinein in eine höchste Konzentration, auf den Pas de Bourrée reduziert lotet sie Balancen aus. Wie aufgehängt im Raum zwischen Oben und Unten erscheint ihr Körper, durch den Spitzenschuh erhöht, die Senkrechte betonend – und kippt immer wieder spielerisch aus dieser hinaus. Voller Ungestüm messen zwei Männer ihre Kräfte zu einem alpenländischen Volksgesang, einem Zäuerli. Offen, archaisch, geheimnisvoll. Schließlich findet sich eine Gruppe zusammen, versucht sich im Unisono, doch das Gleichmaß gerät ins Stocken, führt hinein in eine Stille – vielleicht eine Andacht, vielleicht aber auch einfach ein Zuhören, ein gemeinsames Lauschen. Für Martin Schläpfer war es von Beginn seiner Direktionszeit beim Wiener Staatsballett an klar, dass er als Choreograph nicht nur für seine eigene Compagnie tätig sein wird, sondern auch mit den Mitgliedern der Jugendkompanie und den Schüler*innen der Ballettakademie arbeiten möchte. Wie so vieles in den Jahren 2020 bis 2022 entwickelte sich seine erste Choreographie JAMIE

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»THE SWEETEST LAD WAS JAMIE«

Ein Beispiel hierfür sind die Soutenus, kleinen Drehungen und schließlich Kapspergers Canario virtuos »übersegelnden« und technisch sehr anspruchsvollen Grand Jetés, aber auch die Pas de Bourrés, mit denen Martin Schläpfer zu Beethovens Sechs Variationen über ein Schweizer Lied von der Tänzerin nicht nur feinste Präzision in der Spitzenschuhtechnik und eine pure, aber mit Persönlichkeit gefüllte Schlichtheit fordert, sondern sie auch »in ihrer ganzen Schönheit einfach dastehen lassen möchte«. Zu Tristan Murails das Ohr ganz in ihren Sog ziehenden Flötenmeditation Unanswered Questions wird der Pas de Bourrée zum zentralen Motiv eines Ensembletanzes von sechs Frauen, durchbrochen von »Fetzen von Sprüngen« und Dévelopées. Aber auch Erinnerungen an Iwanows Schwanenmädchen klingen an. Aus der feinen Zeichnung und teils bewusst engen Schnürung der Stücke bricht Martin Schläpfer mit einer reinen Männervariation zu Cyndi Laupers Song Early in the Mornin’ schließlich aus, frei, sehr physisch und konditionell enorm fordernd in der Bewegungssprache, pendelnd zwischen Oben und Unten, Hoch und Tief, Blues und Rock. Zur Sarabande aus Bachs Englischer Suite Nr. 2 – eine hochexpressive Komposition – entfalten sich vier große Pas de deux. »Eine Harmonie ist zwischen den Paaren, eine Liebe, ein Vertrauen, Sich-Akzeptieren und gemeinsam durch das Leben gehen – auch ein Frieden, als Utopie, aber auch Möglichkeit«, so Martin Schläpfer. Es kommt zu Interventionen – doch die Gemeinschaft, die sich hier zu finden beginnt, ist eine offene, lädt dazu ein, auch »Platz zu nehmen«. Als junger Tänzer, junge Tänzerin bereits während des Studiums das im Unterricht Erlernte auch künstlerisch einzusetzen und sich dabei nicht nur wichtige Rollen oder Stücke des Repertoires zumindest in Ausschnitten zu erarbeiten, sondern sich auch einer kreativen Auseinandersetzung mit einem zeitgenössischen Choreographen zu öffnen, ist ein wesentlicher Aspekt der Ausbildung an der Wiener Ballettakademie. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Erforschen von Kreativität, das Einsetzen des Körpers wie ein Instrument, mit dem man das auszudrücken vermag, wonach der Choreograph im Dialog mit dem Tänzer sucht. Es geht um die Frage, wohin man mit dem, was man gelernt hat, gehen und wie man einen Choreographen inspirieren kann, aber auch um das Schulen der eigenen Reaktions- und Auffassungsgeschwindigkeit und das Aufspüren und Überwinden eigener Grenzen und Blockaden. Es geht um Entäußerung und Konzentration, um Loslassenkönnen und Fixieren, um Emotion und Rationalität, Musikalität und Raumgefühl, um das Spüren des Selbst, aber auch des Anderen im Partner. Es geht um das Kreieren einer Bewegung oder einer Figur, indem man in diese durch und mit sich ganz hineintritt, aber auch um das Erleben der Erfahrung, in einer Rolle ein anderer als man selbst zu sein.

NR. 5 AUS 25 SCOTTISH SONGS OP. 108 VON LUDWIG VAN BEETHOVEN

Der schönste Bub war Henny Der schönste, der beste! Mich liebt’ er, ach, so zärtlich, Von jedem Fehler rein! Doch einen, und der bracht’ ihm Glanz: Nicht kannt’ er Mädchenwünsche ganz, Nicht unsrer Launen Dornenkranz. O weh! Zu meiner Pein! Wohl liebt’ ich meinen Henny So herzlich und innig! Doch oftmals, wenn er fleht’ mich, Warf ich mein Köpfchen frei; Mich blähend, tanzt’ ich Paar an Paar Am Kirchweihfest, mit Donald gar, Schlang seine Bänder in mein Haar, Henny schlich stumm vorbei. Da rief die Kriegstrompete, Mein Trauter, er folgte! Bald hört’ ein schöner Mädchen, Dass sie die Liebst’ ihm sei. Dann bricht mein Herz! Und wohl dann mir! Denn wer schenkt Mitleidsworte ihr, Die lieblos, eitel trieb von hier Ein Herz so fromm und treu? O wüsst’ er, wie ich liebt’ ihn So redlich, so innig! Wie gern ich zu ihm flöge: Gesegnet wär’ der Tag! Ach, käm’ ein milder Freund daher, Erzählt’ ihm, wie ich welkte sehr, Wie Jenny ist nicht Jenny mehr, Seit Henny sprach: gut’ Nacht. matinee ballett

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↑ Jamie Francesco Scandroglio, Adrien Fougères, Marius Mathieu, Pietro Coda → Nina Cagnin, Giulia Cacciatori


↑ Christian Falcier, Carolin Sachernegg ← Adrien Fougères

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Anne do Paço

»Unsere moderne Gesellschaft ist auf unseren

JIT

permanenten täglichen Konsum angewiesen, um die Räder unserer Fabriken und Wirtschaft zu drehen. Wir verlangen mehr Geschmacksrichtungen, Farben und Auswahlmöglichkeiten, das neueste Modell und die neueste Technologie. Wir wollen einfach mehr! JIT steht für ›just in time‹, eine Produktionsstrategie zur Verringerung der Verschwendung, zur Rationalisierung des Prozesses bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität und Senkung der Kosten. Dieser Ansatz der schlanken Produktion hat seinen

»Just in Time« nennt sich ein in der Logistik und Produktion angewendetes dezentrales Organisations- und Steuerungskonzept, mit dem Güter zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Anzahl an den richtigen Ort geliefert werden, um Lagerbestände zu vermeiden und Produktionsflüsse zu optimieren. »Just in Time« beruht auf einem streng organisierten Räderwerk von ineinandergreifenden Abläufen, sicheren globalen Wegen, Vertrauenswürdigkeit aller Lieferanten und einer engmaschigen Kommunikation. In Zeiten von Klimakatastrophen, politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Instabilitäten ist »Just in Time« extrem störungsanfällig. Von diesem Konzept hat sich Kinsun Chan inspirieren lassen und in einem Prozess der Abstraktion die JIT-Prozesse mit klaren Linien, starken Bildern und einer kraftvoll-athletischen, aber auch poetisch-zarten Bewegungssprache choreographisch interpretiert. Entstanden ist ein Stück für junge Menschen, das im April 2015 mit den Studierenden der Münchner Ballettakademie Heinz-Bosl-Stiftung während der Ballettfestwochen in der Bayerischen Staatsoper zur Uraufführung kam. Vor einer weiteren Premiere mit dem im französischen Arles beheimateten Arles Youth Ballet im Mai 2023 ist die Choreographie heute nun mit den Schüler*innen der Oberstufe der Ballettakademie der Wiener Staatsoper erstmals in Österreich zu sehen.

JIT

Ursprung in Japan in den 1950er Jahren und wurde von vielen Unternehmen wie Toyota und Boeing übernommen. Die Choreographie für JIT ist inspiriert von der industriellen Revolution, dem Kapitalismus und dem Konsumverhalten und spiegelt die großen Hallen voller Maschinen und Roboter wider, die von Tausenden von Arbeitern bedient werden, ein Versprechen für eine bessere Lebensweise.« Kunsun Chan

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Seit seinem Aufsehen erregenden frühen Stück Above Ground zu Musik des Perkussionisten Fritz Hauser im Jahr 2000 in einem Junge ChoreographenProgramm von Heinz Spoerlis Zürcher Ballett hat sich Kinsun Chan mit einer ebenso vielseitigen wie feinen Stimme unter den zeitgenössischen Choreographen durchgesetzt. Als interdisziplinär denkender Künstler zeichnet er dabei nicht nur für die Choreographie verantwortlich, sondern kreiert auch die Bühnenbilder und Kostümdesigns zu seinen Stücken, die mal voller Kraft, mal voller Poesie, mal voller Humor sind. Immer wieder arbeitet er auch grenzüberschreitend wie in der Musik sichtbar und Stille hörbar machenden Tanzproduktion Listen mit gehörlosen und hörenden Tänzer*innen. Seine Werke basieren auf einem ausgeprägten konzeptionellen Denken, so auch das Stück JIT, das in Passagen von roboterhafter Gleichförmigkeit zeigt, welche Faszinationskraft von der Präzision und Geschliffenheit perfekter Synchronität ausgehen kann, zugleich aber auch den Verlust individueller Identität thematisiert. Eine Gruppe von um die 20 Tänzer*innen in Arbeitskleidung repetiert im Kollektiv an, auf, neben und unter Tischen staccatoartig-schneidende Bewegungen zu Musik von Josh Ralph und Michael Nyman – so lange, bis ein Mann und eine Frau plötzlich aus der Maschinerie ausbricht, sich begegnet, eine Beziehung beginnt, mit einer Sprache, die auf die Schönheit und Kraft des Bewegungsvokabulars der Danse d’école vertraut und aus diesem in einer maschinisiert-entmenschlichten Welt plötzlich eine Utopie aufscheinen lässt.

↑ JIT Julia Köhler

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↑ Schüler*innen der Oberstufe


↑ Schüler*innen der Oberstufe → Angelica d’Inzillo Carranza, Eleni Anna Kantere


HANS VAN MANEN Choreographie Unisono

AUGUST BOURNONVILLE Choreographie La Sylphide

Der Niederländer Hans van Manen zählt zu den bedeutendsten Choreographen unserer Zeit. Seine Karriere begann 1951 als Tänzer in Sonia Gaskells Ballet Recital, gefolgt von Engagements im Nederlandse Opera Ballet und der Compagnie von Roland Petit in Paris. 1960 schloss er sich dem neu gegründeten Nederlands Dans Theater an, zunächst als Tänzer und Choreograph, von 1961 bis 1971 als Künstlerischer Direktor. 1973 wurde er als Choreograph ans Het Nationale Ballet in Amsterdam berufen. Ab 1988 war er als Hauschoreograph erneut dem NDT verbunden, bevor er 2003 in dieser Funktion ans Het Nationale Ballet zurückkehrte. Hans van Manens Œuvre umfasst über 120 Werke, von denen ein jedes die unverwechselbare Handschrift seines Schöpfers trägt. Seine Ballette gehören zum Repertoire vieler namhafter Compagnien weltweit. Neben seinem choreographischen Schaffen erlangte er ein hohes Renommee als Fotograf. 2003 gründete er die Stiftung Hans van Manen. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1991 den Sonia-GaskellPreis für sein Gesamtwerk und den Choreographie-Preis der Vereinigung der Direktionen von Schouwburg und Concertgebouw Amsterdam. 1992 schlug Königin Beatrix der Niederlande ihn zum Offizier des Ritterordens von Oranien-Nassau. Ein Jahr später wurde ihm der Deutsche Tanzpreis verliehen. Die niederländische Menschenrechtsorganisation COC ehrte ihn mit der Bob Angelo Medaille für »die als befreiend zu bezeichnende Weise, mit der er in seinen Balletten und Fotos Männer und Frauen, menschliche Beziehungen und Sexualität porträtiert«. 1997 nahm er den Gino Tani International Prize entgegen. 1998 widmete ihm das Edinburgh Dance Festival eine große Retrospektive, die mit der Verleihung des Herald Arcangel Award ihren Höhepunkt fand. Es folgten 2000 der Erasmus-Preis, 2004 der Musikpreis der Stadt Duisburg und im Bolschoi Theater Moskau der Prix Benois de la Danse für sein Lebenswerk, 2005 der Grand Pas Award. 2007 ehrte Amsterdam den Künstler zu dessen 75. Geburtstag mit der Ernennung zum Commandeur in de Orde van de Nederlandse Leeuw sowie einem dreiwöchigen Festival. 2013 wurde er zum Patron of the National Ballet Academy ernannt, erhielt den Golden Age Award und einen weiteren Prix Benois. 2017 folgte mit dem Titel Commandeur des Arts et des Lettres die höchste Auszeichnung des französischen Staates im Bereich der Künste. Mit dem Wiener Staatsopern- bzw. Staatsballett waren seit der Wiener Erstaufführung von Adagio Hammerklavier und Twilight 1977 eine Reihe von Werken Hans van Manens zu erleben, zuletzt Live und Four Schumann Pieces. BIOGRAPHIEN

Der Tänzer, Choreograph, Lehrer und Ballettdirektor August Bournonville (1805–1879) war der einflussreichste dänische Choreograph des 19. Jahrhunderts. Er wurde nach der französischen und italienischen Tanztradition von seinem Vater Antoine Bournonville sowie von Vincenzo Galeotti an der Königlich Dänischen Ballettschule ausgebildet und ging anschließend nach Paris, um bei Auguste Vestris zu studieren. Nach Engagements an der Opéra national de Paris und in London kehrte er 1829 an das Königliche Theater in Kopenhagen zurück. 1830 wurde Bournonville Ballettdirektor und trat bis zu seinem Rückzug von der Bühne im Jahr 1848 weiterhin als Tänzer mit der Compagnie auf. Neben künstlerischen Aufenthalten an der Wiener Hofoper (1855–1856) und drei Jahren an der Oper in Stockholm (1861–1864) verbrachte er den Rest seiner Karriere in Kopenhagen. Er ging 1877 in den Ruhestand, nachdem er das Königlich Dänische Ballett zu einer der weltweit führenden Compagnien aufgebaut hatte. Seine zahlreichen Ballette bildeten die Grundlage für ein einzigartiges Repertoire. In seinen Choreographien orientierte sich Bournonville an den eigenen künstlerischen und tänzerischen Qualitäten und vereinte bravourösen Tanz mit ausdrucksstarker Pantomime. Er schuf einen Stil, der von der romantischen französischen Balletttradition beeinflusst, aber dennoch ganz und gar sein eigener war: Eleganz und Anmut dominieren in seinen Balletten ebenso wie Präzision, Leichtigkeit und Fröhlichkeit. Er schuf außerdem eine Tradition des dänischen Männertanzes von höchster Virtuosität, die das Königlich Dänische Ballett auf ein internationales Niveau hob und ihm gleichzeitig eine einzigartige nationale Qualität verlieh, die bis heute ein unverwechselbares Merkmal ist. Thematisch sind Bournonvilles Ballette von seinen Jahren in Paris und dem aufkommenden romantischen Ballett beeinflusst. Einer seiner ersten großen Erfolge war eine Version von La Sylphide (1836) mit einer neuen Partitur von Herman Severin Løvenskjold. Zu Balletten wie z.B. Napoli (1842) ließ sich Bournonville von anderen Kulturen, die er auf seinen zahlreichen Reisen kennenlernte, inspirieren, Stücke wie A Folk Tale (1854) zeigen sein Interesse an nordischer Folklore und Geschichte. Bournonville schuf fast 50 Ballette, von denen einige bis heute Teil des Repertoires des Königlich Dänischen Balletts sind.

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BIOGRAPHIEN


MARTIN SCHLÄPFER Künstlerische Leitung der Ballettakademie & Choreographie Jamie

KINSUN CHAN Choreographie JIT Der schweizerisch-kanadische Choreograph und Designer Kinsun Chan wurde in Vancouver (Kanada) geboren und studierte Kunst, Grafikdesign und Tanz in den USA. Er begann seine professionelle Tanzkarriere in Amerika und war Mitglied von Heinz Spoerlis Ballett Zürich sowie später im Ballett Basel unter der Leitung von Richard Wherlock. Als Solist war er in zahlreichen Rollen des klassischen Repertoires sowie in Choreographien von u.a. Jiří Kylián, William Forsythe, Nacho Duato, Heinz Spoerli, Hans van Manen und Ed Wubbe zu erleben. Erste eigene Choreographien entstanden für die Reihe Junge Choreographen des Balletts Zürich sowie im Rahmen der Noverre-Gesellschaft am Stuttgarter Ballett. Kinsun Chans Arbeiten wurden seither u.a. vom Ballett Basel, dem Singapore und Hongkong Ballet, Gautier Dance, dem Ballett der Staatsoper Hannover, der Koninklijke Balletschool School Antwerpen, der Stuttgarter John Cranko Schule, der Hong Kong Academy for Performing Arts, der Tanz Akademie Zürich, den Programmen der Heinz-Bosl-Stiftung München sowie am Tiroler Landestheater Innsbruck, am Staatstheater Kassel und am Luzerner Theater aufgeführt. Renommierte Festivals wie das Jacobs Pillow Dance Festival (USA), Festival des Arts de Saint Sauveur in Kanada sowie die Münchner Ballettfestwochen des Bayerischen Staatsballetts zeigten seine Werke. Neben seinen choreographischen Arbeiten ist er als Bildender Künstler auf Ausstellungen zu sehen, kreierte Raumdesigns sowie Bühnen- und Kostümbilder wie zuletzt an der Oper Graz, wo er die Bühne und Kostüme für die Ballettproduktionen Rotkäppchen und Der Wolf gestaltete. Im Bereich der Oper kreierte er Choreographien für Regisseure wie Jens-Daniel Herzog, Götz Friedrich, Bernd Mottl, Tatjana Gürbaca, Frank Hilbrich oder Andreas Homoki. Seit der Saison 2019/20 ist Kinsun Chan Leiter der Tanzkompanie des Theaters St. Gallen. 2021 war er Jury-Mitglied des Prix de Lausanne. Zur Spielzeit 2024/25 übernimmt er die Direktion des Balletts der Semperoper Dresden.

Martin Schläpfer leitet seit der Spielzeit 2020/21 als Ballettdirektor und Chefchoreograph das Wiener Staatsballett und hat die Künstlerische Leitung der Ballettakademie inne. Ausgebildet u.a. an der Londoner Royal Ballet School sowie bei Lehrern wie Maryon Lane, Terry Westmoreland, David Howard, Gelsey Kirkland und Peter Appel wurde er 1977 von Heinz Spoerli ins Basler Ballett engagiert, wo er schnell zu einem der charismatischsten Solisten avancierte. Ein Engagement ins Royal Winnipeg Ballet führte ihn außerdem für eine Spielzeit nach Kanada. Mit der 1990 in Basel gegründeten Ballettschule Dance Place schuf er eine erste Basis für seine tanzpädagogische Arbeit, die er durch Studien bei Anne Woolliams in Zürich ergänzte. 1994 gründete er die Stiftung Visions of Dance. Seit 1994 ist Martin Schläpfer als Choreograph und Ballettdirektor tätig. Seine bisherigen Ensembles – das Berner Ballett (1994 bis 1999), ballettmainz (1999 bis 2009) sowie Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg (2009 bis 2020) – formte er in kürzester Zeit zu Compagnien, deren Unverwechselbarkeit von der internationalen Presse, zahlreichen Auszeichnungen sowie großem Publikumszuspruch auch auf Gastspielen in Europa, Israel, Taiwan, Japan sowie im Oman bestätigt wurde. Martin Schläpfers choreographisches Schaffen, das auch in Fernseh- und DVD-Produktionen dokumentiert ist, umfasst an die 80 Werke, die für seine Ensembles sowie das Bayerische Staatsballett, Het Nationale Ballet Amsterdam und das Stuttgarter Ballett entstanden. 2012 kehrte er für Hans van Manens Pas de deux The Old Man and Me als Tänzer auf die Bühne zurück, 2014 kreierte der Niederländer für ihn die Uraufführung Alltag. 2017 war er als Choreograph und Pädagoge an Canada’s National Ballet School in Toronto zu Gast, 2023 in der Jury des Prix de Lausanne. Zu den zahlreichen Preisen, mit denen Martin Schläpfer nach dem Gewinn des Prix de Lausanne als »Bester Schweizer Tänzer« 1977 ausgezeichnet wurde, zählen u.a. der Tanzpreis der Spoerli Foundation (2003), der Prix Benois de la Danse (2006), der Theaterpreis Der Faust (2009 & 2012), der Schweizer Tanzpreis (2013) und der Taglioni – European Ballet Award der Malakhov Foundation (2014). Er erhielt den Musikpreis der Stadt Duisburg (2015) und wurde mehrfach von Fachmagazinen zum »Choreographen des Jahres« gekürt. 2018 erhielt er mit dem Verdienstorden eine der höchsten Auszeichnungen der Bundesrepublik Deutschland, 2019 folgte die Ehrung mit dem Großen St. Galler Kulturpreis. 2022 kürte das Magazin tanz das Wiener Staatsballett zum »Glanzlicht der Saison« und nominierte Martin Schläpfer zum »Choreographen des Jahres«. BIOGRAPHIEN

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BIOGRAPHIEN


Ballettakademie der Wiener Staatsoper Schülerinnen & Schüler 1A Sofia Božović Laura Maria Breznik Rebeka Filipkova Mina Kohlweiss Viktoria Kostiuk Gabriela Mereuta Sophie Anna Mudd Vera Pcolkina Filippa Pelikan Lisa Strohmaier Ahniia Sukhyna Ella Sundaeus Sofiia Tsiura 1B Christopher Krasnansky 2A Sofia Alexandra Copca Stephanie Höllmüller Tabita Rotarciuc 2B Ilja Savenkov Oskar Schieszler 2C Natalia Gabriela Ivan Tatjana Jankovic Isadora Kadrev Gioia Mattasits Eliška Šmátralová

3A Anna Chesnova Giorgia Elisa Farisco Ema Mitreva Natali Nedyalkova Tatiana Neznamova Diana Staykov Siyana Tsankova 3B Florens Siener 3C Diana Anghel Yustyna Bilohan Myroslava Grytsenko Lilla Gyürüs Simona Kyurcheva Larissa Stix Cristina Tigu 4A Maeva-Natalia Ilie Viktoria Khabalaeva Bogdana Kniazieva Tahirah Parth Francesca Pascuzzo Clelia Prezzavento Lucia Scalas Maya Sichanova Maiia Sheverdina Laura-Adriana Soana

5A Nia Akhalaia Anna Bodnar Zlata Datsyshyn Eva Maria Kohutkova Agnes Leutgeb Katharina Melnyk Ana Popescu Kiera Ulreich

6B Alessandro Fazzalari Sergiy Grytsenko Nicolò Marchi Oresti Nasto Gabriel Potenza Vitus Strauss Riccardo Sailis Santoni Georgios Tsamparis

Teodora Galabova Sae Hachiro Elizabete Kalnina Martina Kurteva Giulia Mandelli Daphne Nicolakis Franceska Pivko Sophie Schippani Ema Zelnickova

5B Sebastian Macan Fadei Volianskyi

7A Anabella Arsenovic Ella Bogheanu Sara Cani Angelica d’Inzillo Carranza

7B Andrei Aranghelovici Amedeo D’Aleo Yasen Malevski Laurids Seidel Mark Sims

6A Mio Azama Mara Bitirez Alessia Centofante Ralitsa Dimitrova Lena Dobija Nuša Gujt Rua Melek Kadribasic Alice Lagomarsino Elisa Murg Jule Sophie Sachernegg Angela Stocco

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Marton Vajda Anton Mihaylov 8A Medea Beer Diana Drumcea Rebecca Granà Eleanna Kantere Julia Köhler Maya Andrea Pandrea Nefeli-Myrto Pantelia Alessia Puttini Melina Solkidou Saika Suzuki Jana Zimonjić

Jugendkompanie Giulia Cacciatori Nina Cagnin Matilda Poláková Marie Reinprecht

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Marie Ryba Carolin Sachernegg Simone Carosso Pietro Coda

Christian Falcier Adrien Fougères Marius Mathieu Francesco Scandroglio


Leitung & Team Künstlerische Leitung Martin Schläpfer Kaufmännische Leitung Mag. Simone Wohinz Direktorin Mag. Christiana Stefanou Pädagogisches Team Ballettmeister Jugendkompanie Callum Hastie Lehrerinnen & Lehrer Mag. Ulrike Amon, Annkathrin Dehn, Zsolt Tibor Elek, MA, Robert Gabdullin, Zdenko Galaba, MA, Karen Henry, Caterina Mantovani, Lucian Necsea, Diliana Nikiforova, PhD, Vladimir Shishov, Alena Weber, Jed O’Grady Weiss, BA Pianistinnen & Pianisten Cristian Axt, Mag. Konstantinos Diminakis, Frantisek Drafi, Michael Fischer, Aya Kaukal, Seul Lee, Mayuko Obuchi, MA, Anna Resch (Karenz), Noriko Schmidt-Kawase, Yasuhito Watanabe, MA Probenleiter & Betreuer Massimo Gerardi, MA Betreuerinnen DSPin Mircan Adtakan, Lisa Wallner Gesundheitskoordinatorin Sarah-Maria Hartl, BSc Kindeswohlteam Dipl.- Psych. Dr. Friederike Michlmayr (Leitung) Bostjan Ivanjsic, MA, Lisa Wallner Administration Administratorin & Controlling Mag. Elisabeth Schubert Koordinator Bostjan Ivanjsic, MA Mitarbeiterin der Schuladministration Mag. Alexa Koch Assistentin der Direktion Wendy Maurer-Menzel Verwaltung Parviz Yahyavi Schulwart Gianpiero Russo Medizinisch-Therapeutisches Team Betriebsärztin/Schulärztin Dr. Elisabeth Szedenik Kinderfachärztin Dr. Sophia Brandstetter Gesundheits- & Vertrauenspsychologin Hannah Schatz, MSc Externer Pool Medizinische & Therapeutische Betreung in Kooperation mit Leistungssport Austria Externe Kooperationspartner/Zusammenarbeit BRG Wien III Boerhaavegasse, NMS Renngasse, BSPA – Bundessportakademie, Leistungssport Austria – Bundesinstitut für Leistungs- und Spitzensport, die möwe – Kinderschutzzentrum

GEMEINSAM MEISTERN. Wir fördern die Ballettstars von morgen und unterstützen die Ballettakademie der Wiener Staatsoper. Näheres unter stroeck.at/teamstroeck


Impressum MATINEE DER BALLETTAKADEMIE DER WIENER STAATSOPER Spielzeit 2022/23 HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Künstlerischer Leiter der Ballettakademie: Martin Schläpfer Kaufmännische Leiterin der Ballettakademie: Mag. Simone Wohinz Direktorin der Ballettakademie: Mag. Christiana Stefanou Redaktion: Mag. Anne do Paço, Nastasja Fischer, MA, Wendy Maurer-Menzel Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Layout & Satz: Norbert Horvath, Irene Neubert Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau AUFFÜHRUNGSRECHTE Die Rechte für die Choreographien liegen bei den Choreographen. Tristan Murail: Unanswered Questions. © Henry Lemoine CIE vertreten durch Alkor Edition Kassel. Michael Nyman: 3. Satz aus dem 2. Streichquartett & An Eye for Optical Theory © Chester Music Ltd / Edition Wilhelm Hansen vertreten durch Bosworth Music GmbH / Wise Music Group. VERWENDETE CD-EINSPIELUNGEN »UNISONO« Joseph Haydn: Adagio aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 C-Dur Hob. Hob VIIa/1. CD: Joseph Haydn: 3 Violin Concertos. Simon Standage. The English concert. Trevor Pinnock. Deutsche Grammophon 1989. Johann Sebastian Bach: Air aus der Suite Nr. 3 D-Dur BWV 1068. CD: Johann Sebastian Bach: Overtures (Suites) Nos. 1–4. Karl Kaiser, Helmut Müller-Brühl. Kölner Kammerorchester. Naxos 1999. »LA SYLPHIDE« Herman Severin Løvenskiold: La Sylphide. CD: Royal Danish Orchestra, David Garforth. Chandos Records 1986 »JAMIE« Ludwig van Beethoven: The sweetest lad was Jamie. Nr. 5 aus Scottish Songs op. 108. CD: Ludwig van Beethoven: Folk Songs. Wolfgang Holzmair (Bariton), Trio Fonteney. Philips Classics 1997. Ludwig van Beethoven: Sechs Variationen über ein Schweizer Lied WoO 64. CD: Ludwig van Beethoven: Variations & Bagatelles. Mikhail Pletnev (Klavier). Deutsche Grammophon 1997. Zäuerli Sung in the Inn. CD: Musik der Welt: Switzerland, Zäuerli, Yodel of Appenzell. Ernst Pfändler, Bernhard Frischknecht, Fritz Tribelhorn, Hans-Uli Gähler. Unesco Collection AUVIDIS 1990. Martin Stadtfeld: Improvisation 3 / Frédéric Chopin: Etüde Nr. 6 es-Moll op. 10. CD: Chopin Plus.

Martin Stadtfeld (Klavier). Sony Music 2016. Giovanni Girolamo Kapsperger: Canario. CD: Giovanni Girolamo Kapsperger: Intavolatura di Chitarone. Jonas Nordberg (Theorbe). BIS Records AB 2019 Tristan Murail: Unanswered Questions pour flûte. CD: Tristan Murail: Winter Fragments. Erin Lesser (Flöte), Michel Galante (Ltg.), Argento Chamber Ensemble. Aeon 2008. Cyndi Lauper: Early in the Mornin’. CD: Cyndi Lauper: Memphis Blues. naïve records/Mercer Street Records 2010 Johann Sebastian Bach: Sarabande aus Englische Suite Nr. 2 a-Moll BWV 807. CD: Johann Sebastian Bach: Englische Suiten Nr. 2 & 3 / Domenico Scarlatti: 4 Sonaten. Ivo Pogorelich (Klavier). Polydor International Hamburg/Deutsche Grammophon 1986. »JIT« Josh Ralph: Leaving Home Sunday Exploration. CD: Man on Wire. Decca Music Group Limited 2008. Michael Nyman: 3. Satz aus dem Streichquartett Nr. 2. CD: Nyman String Quartets. Balanescu Quartet. Decca Music Group 1991 Michael Nyman: An eye for optical theory. CD: The Draughtsman’s Contract. EMI Records 2011 TEXTNACHWEISE Die Texte von Nastasja Fischer & Anne do Paço zu Unisono, La Sylphide & JIT sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. / Der Text von Anne do Paço zu Jamie ist eine revidierte und ergänzte Fassung des Originalbeitrags zum Programmheft der Matinee der Ballettakademie, 16. Jänner 2022. Nachdruck nur mit Genehmigung durch die Dramaturgie des Wiener Staatsballetts. S. 9: Jule Sachernegg in einem Interview mit Nastasja Fischer. Programmheft Nurejew-Gala, Wiener Staatsballett 2021/22 / S. 10 zitiert nach: Heinrich Heine: Elementargeister. Hrsg. von Florian Trabert. Stuttgart 2013 / S. 22 zitiert nach: www.lieder.net / S. 29 zitiert nach: kinsunchan.com/choreography. BILDNACHWEISE Die Probenfotos auf dem Cover sowie auf S. 2, 14, 16–31, 35: © Ashley Taylor / S. 13, 15, 32–34: © Victoria Nazarova / S. 36: © Sebastian Galtier / S. 37: Carl Bloch: August Bournonville. Ölgemälde 1876. Königliches Theater Kopenhagen / S. 38: © Andreas Jakwerth / S. 39: z.V.g. Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


→ wiener-staatsoper.at


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