Programmheft »Matinee Ballettakademie«

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MATINEE BALLETT AKADEMIE


Matinee Ballettakademie Wiener Staatsoper 16. Jänner 2022, 11 Uhr, Wiener Staatsoper

Generalsponsoren der Wiener Staatsoper


MATINEE BALLETT AKADEMIE Modern & Contemporary Class Work Jed O’Grady Weiss Jamie Uraufführung & Workshop Martin Schläpfer Auszüge aus Raymonda nach Marius Petipa & Konstantin Sergeyev Gioconda’s Smile Uraufführung Christiana Stefanou

Die Ballettakademie der Wiener Staatsoper wird unterstützt von


Vorwort Verehrtes Publikum! Seine Ballettschuhe anzuziehen und vielleicht zum ersten Mal hinauszugehen auf die große Bühne: dies ist ein ganz besonderer Moment, den man als junge Tänzerin, als junger Tänzer nie mehr vergisst – ganz gleich, wie sich der weitere Weg gestaltet. Mit der heutigen Matinee präsentieren sich alle Studierenden der Ballettakademie der Wiener Staatsoper sowie die Tänzerinnen und Tänzer der Jugendkompanie in einem vielfältigen, die Breite unserer Ausbildung widerspiegelnden Programm: ausdrucksstark und anmutig, verinnerlicht und kraftvoll, bewegend und mitreißend, ganz wie die jungen Menschen selbst. Anspruchsvolle Tänze aus dem klassischen Repertoire von Marius Petipa treffen nicht nur auf ein Modern & Contemporary Class Work unserer Dozentin Jed O’Grady Weiss, sondern Martin Schläpfer, der künstlerische Leiter der Ballettakademie, und ich haben in den letzten Wochen mit den Studierenden auch intensiv an zwei Uraufführungen gearbeitet: der Choreographie für die Jugendkompanie Jamie, die Martin Schläpfer uns an diesem Vormittag als ein »Work in Progress« präsentiert, sowie meinem Ballett Gioconda’s Smile. Durch die Corona-Pandemie waren die letzten Monate von einem permanenten »Stop and Go« und zahlreichen Unsicherheiten geprägt. Dies hat uns dazu geführt, das Programm der Matinee nicht nur mit der Präsentation des in der Klassenarbeit Erreichten zu gestalten, sondern den Studierenden durch das Erleben choreographischer Prozesse die Freude zu vermitteln, die unsere Kunst zu entfalten vermag. Dabei sind Stücke entstanden, in denen während der Proben nicht nur die Kreativität aufblühen konnte, sondern in denen es auch um ein Miteinander und um Herausforderungen geht, um Imaginationen und Träume, um Themen, welche die jungen Tänzerinnen und Tänzer bewegen. Die Ballettakademie der Wiener Staatsoper gilt als erste Adresse für eine klassische Tanzausbildung in Österreich und garantiert durch die Kooperation mit dem Bundesrealgymnasium Wien III Boerhaavegasse und der Partnerschule MS Renngasse die allgemeine schulische Ausbildung. Durch die Anbindung an die Wiener Staatsoper und die Nähe zum Wiener Staatsballett erhalten die Studierenden die Möglichkeit, neben dem täglichen Tanzunterricht auch erste Bühnenerfahrungen zu sammeln. In der Jugendkompanie können sie sich vervollkommnen und auf das erste Engagement vorbereiten. Viele Absolvent*innen führt eine professionelle Karriere in die VORWORT

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erstklassigen Compagnien der Welt, darunter auch das Wiener Staatsballett. In einer starken Verbindung aus Erfahrung und deren Weiterentwicklung richtet sich der Fokus unserer Ausbildung auf die gesunde Entfaltung unserer Studierenden – ihrer Tanztechnik ebenso wie ihres Künstlertums und ihrer Persönlichkeit. In unseren Händen liegt die Verantwortung für die jungen Menschen – auch gegenüber deren Familien, die unserer Ausbildung vertrauen und ihre Kinder aus der ganzen Welt in unsere Obhut geben. Durch die Intensivierung der Zusammenarbeit mit starken Partnern – dem Kindeswohlteam der Wiener Staatsoper, dem Kinderschutzzentrum möwe, dem Leistungssport Austria sowie der Bundessportakademie – und beraten von einer Expertengruppe unter dem Vorsitz von Samuel Wuersten konnten wir in den vergangenen zwei Jahren nachhaltige Konzepte zur Förderung der körperlichen und mentalen Gesundheit unserer Studierenden entwickeln und umsetzen. Für die Unterstützung dieser Arbeit möchte ich Dr. Bogdan Roščić, Direk­ tor der Wiener Staatsoper, sowie Mag. Christian Kircher, Geschäftsführer der Bundestheater-Holding, ebenso herzlich danken wie Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer. Sie hat mit ihrem Team die Aufgabe, das Modell der Ballettakademie heutigen Standards anzupassen, begleitet und ermöglicht. Ein herzlicher Dank gilt aber auch Martin Schläpfer sowie meinen künstlerischen und administrativen Mitarbeiter*innen. Das Sponsoring der Bäckerei Ströck schafft unseren Angeboten zur Förderung der Gesundheit und Fitness der Studierenden unentbehrliche Spielräume. Auch hierfür sage ich Danke. Eine Zeit, in der nichts mehr selbstverständlich ist, hat uns wachsen lassen. Mit jedem Training, jeder Probe arbeiten wir konzentriert und aus tiefstem Herzen an der Verwirklichung unserer Vision einer zeit- und menschengemäßen Tanzausbildung. Voller Freude und Stolz blicke ich in diesem Moment zu allen jungen Talenten auf, die sich heute, hier auf der Bühne der Wiener Staatsoper zeigen. Im Namen der gesamten Ballettakademie der Wiener Staatsoper heiße ich Sie zu unserer Matinee herzlich willkommen! Ihre Christiana Stefanou Direktorin der Ballettakademie der Wiener Staatsoper 3

VORWORT


↑ Marina Gellida, Nina Cagnin, Maria Ungureanu → Studierende der Klasse 6a



↑ Ella Boghenau, Ema Zelnickova, Giulia Mandelli, Annabella Arsenovic, Sophie Schippani, Daphne Nicolakis & Franceska Pivko der Klasse 6a


↑ Andrei Aranghelovici, Marton Vajda und Studierende der Klasse 5b


Nastasja Fischer

FREIHEIT IM KÖRPER

Jed O’Grady Weiss’ Modern & Contemporary Class Work


»Heute ist, mehr denn je, ein modernes Training für klassisch ausgebildete Tänzer*innen wichtig. Weltweit wird in den meisten Compagnien neben einer hervorragenden Ballett-Technik auch umfassende Kenntnis im Modernen und Zeitgenössischen Tanz gefordert.« Jed O’Grady Weiss, die an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper unterrichtet, weiß um die Bedeutung einer vielseitigen Ausbildung, sind moderne Tanztechniken für die Studierenden doch eine zentrale Basis für die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Choreograph*innen. Grundlage des Unterrichts sind Techniken, die wichtige Künstler*innen der Moderne wie Martha Graham, José Limón, Lester Horton oder Merce Cunningham entwickelt haben, ergänzt um Unterrichtseinheiten zu Rudolf Laban, Rudolf und Joan Benesh sowie zu zeitgenössischen Choreograph*innen wie zum Beispiel William Forsythe oder Sol León & Paul Lightfoot. Zwar haben viele heutige Künstler*innen eine eigene Sprache, aber zu verstehen, wo eine Bewegung herkommt und welchen Ursprung sie hat, gehört zum fundamentalen Wissen, das die Tanzausbildung heute zu vermitteln hat. Darüber hinaus bietet die Modern und Contemporary Class aber auch Möglichkeiten, den Studierenden die Freiheit im Umgang mit ihrem Körper zu lehren. Durch Improvisations- und Kompositionsaufgaben lernen sie, mutig und risikofreudig zu sein, sich voller Offenheit neuen Situationen auszusetzen und ihre eigenen Ideen zu entwickeln. »Die moderne Technik ist wie Medizin. Sie hilft zu verstehen, wie man atmet, wie sich der Torso bewegen kann, gibt ein Gespür für den Boden. Sie ist ein Kontrast zum klassischen Training, weil es vor allem um das Loslassen geht, darum, die Knochen und Muskeln des eigenen Körpers anders zu spüren. Für mich ist die Arbeit mit Balletttänzer*innen immer sehr besonders, da sie eigene Herausforderungen und Herangehensweisen schafft.« Das Training, das sich an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper für die Klassen 3 bis 5 »Modern« und für die Stufen 6 bis 8 »Zeitgenössisch« nennt, hat einen ähnlichen Aufbau wie die Ballet Class: Wie diese beginnt es mit einem Warm Up, das auf dem Boden stattfindet, gefolgt vom »Center Work« mit gezielten Übungen im Raum. Sprünge runden den ersten Teil des Trainings ab. Im Zentrum der Wiener Ausbildung stehen verschiedene Elemente der vier Techniken, darunter die »Contraction und Release«Technik Martha Grahams sowie Lester Hortons Exercises, die eher linear angelegt sind und Länge in der Wirbelsäule und den Kniesehnen erzeugen. José Limóns Techniken des Loslassens, aber auch sein Prinzip von »Sturz und Erholung« kommen ebenso zur Anwendung wie Übungen nach Merce Cunningham, in denen die Mobilität des Oberkörpers im Mittelpunkt steht. Den Studierenden die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sich die jeweiligen Techniken unterschiedlich mit dem gleichen thematischen Schwerpunkt beschäftigen, aber auch die Technik einer gewissen Körperhaltung zu lernen, ist ein wichtiges Anliegen für Jed O’Grady Weiss: »Wie arbeitet Horton mit der Balance und wie wendet Graham diese auf dem Boden an? Was macht die Kurvenarbeit bei Cunningham und Hortons eher lineare Anwendung mit dem 9

NASTASJA FISCHER


Körper? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns im Training und ich möchte, dass die Studierenden frei mit diesen vier Techniken umgehen können, Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen und den Nutzen für ihre klassische Ausbildung erfahren.« Der zweite Teil des Unterrichts rückt die Improvisation und Komposition ins Zentrum: Mal stehen die Bewegungsstudien nach Laban oder choreologische Aspekte nach Benesh im Vordergrund, mal geht es um das Verstehen und Darstellen von Gesten und Intentionen oder um die Suche nach emotionalen oder strukturellen Inspirationen, um Timing, musikalische und vokale Einflüsse, um Requisiten und Bühnenbilder sowie räumliche Einschränkungen. Im Rahmen der Matinee der Ballettakademie zeigt Jed O’Grady Weiss unter dem Titel Modern & Contemporary Class Work Elemente aus dem tagtäglichen Training, die sie frei nach Cunninghams Chance Theory zu einer Performance verwob. Zu im Unterricht verwendeter Musik, die durch PercussionRhythmen und elektronische Elemente wie die Stücke von Woodkid, Manuel Wandjí oder Lisa Coleman dominiert wird, treffen auf der Bühne Studierende verschiedener Jahrgänge mit unterschiedlichen tänzerischen Elementen aufeinander: die Jungen aus den Klassen 5 und 6 begegnen zum Beispiel mit einer »Travelling«-Übung den Mädchen der 8. Klasse, die eine Kompositions-Aufgabe ausführen, Elemente aus der Bodenarbeit entfalten sich kanonartig. Das Publikum erhält Einblicke in die Arbeit mit frei artikulierenden Gelenken und Gesten nach Limón, in Grahams Atemtechnik sowie ihre aus der Körpermitte herausgeborenen Bewegungen, in Hortons architektonisches Interesse an Linien sowie Cunninghams Kurvenarbeit. Einen wichtigen Anteil an der Präsentation hat die Improvisation, mit der in organisch mit­einander verbundenen Bewegungen die Studierenden verschiedener Jahrgänge demonstrieren, wie die unterschiedlichen Alters- und Klassenstufen das gleiche Material interpretieren: Wie können organische Formen gebildet werden – gemeinsam oder allein, im Kanon oder synchron, zusammengezogen und ausgebreitet, verbunden oder getrennt. Die Übungen aus der Komposition basieren auf der Re-Interpretation von Gesten aus Choreographien zum Beispiel aus Sol León & Paul Lightfoots Shutter’s shut. Aus dem musikalischen Soundtrack der Modern & Contemporary Class Work sticht ein besonderer Moment heraus: Ausschnitte aus Greta Thunbergs Rede vom Wiener UN-Klimagipfel 2019, die Jed O’Grady Weiss in die Musik- und Soundcollage integriert hat. Thunbergs eindrückliche Worte – z.B. »This is the biggest crisis humanity has ever faced« – greifen als wiederkehrendes Moment des Showings die brennenden Fragen vieler junger Menschen auf. Jed O’Grady Weiss macht in ihrer Collage bewusst keinen Unterschied zwischen der Rede und den übrigen Musiken: »Der Soundtrack hat kein Narrativ, sondern gibt den Studierenden einen freien Zugang zu Bewegung wie auch die Möglichkeit, das auszudrücken, was sie bewegt.«

FREIHEIT IM KÖRPER

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Anne do Paço

» JAMIE «: CREATIVE WORK IN PROGRESS Ein Mädchen und zwei Burschen werfen sich in einen Tanz, kosten voller Freude ein Miteinander aus, aber auch die Spannungen, die sich aus einer Dreierbeziehung ergeben. Sie erzählen von Freundschaft, von Liebe, aber auch vom Akzeptieren, dass man den gleichen Weg auf unterschiedliche Weise gehen kann. Eine andere Tänzerin begibt sich hinein in eine höchste Konzentration, auf den Pas de Bourrée reduziert lotet sie Balancen aus. Wie aufgehängt im Raum zwischen Oben und Unten erscheint ihr Körper, durch den Spitzenschuh erhöht, die Senkrechte betonend – und kippt immer wieder spielerisch aus dieser hinaus. Mit einer ungestümen Rohheit messen zwei Männer ihre Kräfte zu einem alpenländischen Volksgesang, einem Zäuerli. Offen, archaisch, geheimnisvoll. Schließlich findet sich eine Gruppe zusammen, versucht sich im Unisono, doch das Gleichmaß gerät ins Stocken, führt hinein in eine Stille – vielleicht eine Andacht für die Toten der Pandemie, vielleicht aber auch einfach ein Zuhören, ein gemeinsames Lauschen. Für Martin Schläpfer war es von Beginn seiner Direktionszeit beim Wiener Staatsballett an klar, dass er als Choreograph nicht nur für seine eigene Compagnie tätig sein wird, sondern auch mit den Mitgliedern der Jugendkompanie und den Studierenden der Ballettakademie arbeiten möchte. Wie 11

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bei seinen Balletten für professionelle Tänzer hat er dabei stets die Menschen im Blick, für die er seine Werke schafft. Dachte er zunächst daran – sich in Vorbereitung auf seine Uraufführung Die Jahreszeiten intensiv mit Joseph Haydn auseinandersetzend –, eines der »Sonnenquartette« des Komponisten als musikalische Basis zu verwenden, so wurde ihm nach einer Phase des Kennenlernens schnell klar, dass diese hell leuchtende Musik des Wiener Klassikers für die diesjährigen Mitglieder der Jugendkompanie nicht die richtige Wahl ist: »In ihrer inneren, aber auch physischen Beschaffenheit und ihrem tänzerischen Niveau haben sich die fünf Tänzerinnen und sechs Tänzer des Ensembles so unterschiedlich präsentiert, dass es mir nicht interessant schien, zu Haydns Streichquartett ein Gruppen-Ballett zu machen«, erläutert Martin Schläpfer und entschied sich für eine Herangehensweise, »welche die einzelnen Individualitäten nicht in das Unisono eines Ensembles zu gießen versucht, sondern eben diese herausstreicht, auf diese eingeht«. Aus Kompositionen verschiedener Epochen und Genres stellte er eine Collage zusammen, die unterschiedliche Welten aufreißt – konkrete Tänzerinnen und Tänzer bereits bei der Auswahl vor sich sehend: von barocker Chitarone-Musik Giovanni Girolamo Kapspergers und einer Sarabande aus den Englischen Suiten von Johann Sebastian Bach über Ludwig van Beethovens Schottisches Lied The sweetest Lad was Jamie und 6 Variationen über ein Schweizer Lied WoO 64 sowie Frédéric Chopins Etüde Nr. 6 es-Moll op. 10, der er eine Improvisation des Pianisten Martin Stadtfeld vorausgehen lässt, bis hin zu einem Satz aus Gioacinto Scelsis 1974 entstandenem Pfhat, einem Appenzeller Zäuerli und dem Song Early in the Mornin’ von Cyndi Lauper. »Musik-Collagen zu bauen ist etwas, das ich liebe, etwas, das hochkomplex ist – in allen Brüchen, die sich musikalisch gegeneinander ergeben und der Suche nach einer zwingenden Verbindung«, bekennt Martin Schläpfer. »Man hört und hört und hört, bis sich ein Amalgam auftut zwischen den Stücken. So anders verschiedene Musikteile auch daherkommen mögen – plötzlich spürt man doch eine Nähe oder sieht einen choreographisch-dramaturgischen Bogen, Verbindungen wie bei den verschiedenen Stämmen, die zu einem Floss gebaut sind.« An die Arbeit an Jamie ist Martin Schläpfer wie an jedes andere Ballett herangegangen. Es interessierte ihn nicht, ein Stück explizit für Jugendliche zu machen. »Junge Tänzer*innen sind genauso wie Erwachsene voller Imaginationen, haben ihre Träume und ihre Herausforderungen« – dies hat ihn inspiriert. Als ein Künstler, der in seinen Werken immer auch das Vokabular der alten Danse d’école als Baustein befragt, integrierte er in Jamie aber auch Aspekte des Übens, wie das Aufgreifen von Elementen des täglichen Trainings und der zentralen Formen und Haltungen des klassischen Balletts, die sich im Prozess des Choreographierens dann aber zu einer in die Körper der Tänzer geradezu hineingeschriebenen Sprache der Gegenwart verwandeln.

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Ein Beispiel hierfür sind die Bourrés, mit denen Martin Schläpfer zu Beethovens 6 Variationen über ein Schweizer Lied von der Tänzerin nicht nur feinste Präzision in der Spitzenschuhtechnik und eine pure, aber mit Persönlichkeit gefüllte Schlichtheit fordert, sondern sie auch »in ihrer ganzen Schönheit einfach dastehen lassen möchte«. Später wird der Pas de Bourrée dann für einen Ensembletanz zum zentralen Motiv: zur Musik Giacinto Scelsis ist er minutenlang austariert das Schrittmaterial der Tänzerinnen und bewirkt eine Konzentration, die – so Martin Schläpfer – »für mich innerlich mit dem archaisch-buddhistischen Ansatz der Kunst Giacinto Scelsis Hand in Hand geht. Zugleich bricht das Trippeln auf Spitze aber auch mit einem zu offensichtlichen Erliegen in diese Archaik. Später kommen die Männer zu den Frauen – und es passiert nichts. Alles bleibt am Ort, mal ein Coup de pied, mal enorm hohe Beine, die die Männer den Frauen abverlangen. Ein strenges, wie in einer Architektur Dastehen.« Die Unsicherheiten der letzten Wochen, ein erneuter Lockdown und Quarantäne-Auflagen haben es unmöglich gemacht, Jamie abzuschließen. Martin Schläpfer hat sich deshalb entschieden, das Stück in der heutigen Matinee als ein »Work in Progress« zu zeigen, das die Jugendkompanie in den nächsten Wochen weiter begleiten wird. Nach der Präsentation der ersten Teile gibt er mit einer offenen Probe auch einen Einblick in sein Arbeiten – in den Prozess der Kreation, der für alle Beteiligten ebenso wichtig und wertvoll ist wie die finale Aufführung. Als junger Tänzer, junge Tänzerin bereits während des Studiums das im Unterricht Erlernte auch künstlerisch einzusetzen und sich dabei nicht nur wichtige Rollen oder Stücke des Repertoires zumindest in Ausschnitten zu erarbeiten, sondern sich auch einer kreativen Auseinandersetzung mit einem zeitgenössischen Choreographen zu öffnen, ist ein wesentlicher Aspekt der Ausbildung an der Wiener Ballettakademie. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Erforschen von Kreativität, das Einsetzen des Körpers wie ein Instrument, mit dem man das auszudrücken vermag, wonach der Choreograph im Dialog mit dem Tänzer sucht. Es geht um die Frage, wohin man mit dem, was man gelernt hat, gehen und wie man einen Choreographen inspirieren kann, aber auch um das Schulen der eigenen Reaktions- und Auffassungsgeschwindigkeit und das Aufspüren und Überwinden eigener Grenzen und Blockaden. Es geht um Entäußerung und Konzentration, um Loslassenkönnen und Fixieren, um Emotion und Rationalität, Musikalität und Raumgefühl, um das Spüren des Selbst, aber auch des Anderen im Partner. Es geht um das Kreieren einer Bewegung oder einer Figur, indem man in diese durch und mit sich ganz hineintritt, aber auch um das Erleben der Erfahrung, in einer Rolle ein anderer als man selbst zu sein.

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» JAMIE «: CREATIVE WORK IN PROGRESS



↑ Nicola Rizzo, Riccardo Franchi ← Julia Cata, Matteo Rondinelli



↑ Marie Reinprecht, Nicola Rizzo ← Kevin Hena, Riccardo Franchi



↑ Julia Cata – Kevin Hena, Carolin Sachernegg – Matteo Rondinelli, Matilda Poláková – Riccardo Franchi, Marie Ryba – Nicola Rizzo, Marie Reinprecht – Francesco Scandroglio ← Riccardo Franchi, Carolin Sachernegg


↑ Marie Ryba, Nicola Rizzo → Matilda Poláková



Iris Frey

BALLETT­KLASSIKER MIT UNGARISCHEM KOLORIT

»Strebe nach Schönheit, Grazie und Einfachheit und erkenne keine anderen Gesetze an.« So beschrieb der Tänzer und Pädagoge Nikolai Legat den Anspruch des französisch-russischen Choreographen Marius Petipa (1818– 1910) an das Ballett und seine Technik. Dessen Dreigestirn Dornröschen (1890), Der Nussknacker (1892) und Schwanensee (1895, mit Lew Iwanow) zur Musik Piotr I. Tschaikowskis ist bis heute Gradmesser und fixer Bestandteil aller klassischen Ballettcompagnien. Aus der Verbindung der italienischen Schule (Allegros mit vielen kleinen Schritten) mit der französischen (langsam ausgeführte, große Figuren des Adagios) schuf Petipa die russische Schule und bekannte selbstbewusst: »Das russische Ballett – das bin ich.« Die Ballette Petipas zeichnen sich durch einen repräsentativen Charakter, ganz nach dem Geschmack des russischen Kaiserhauses, aus und dienen in den kaum handlungstragenden Divertissements – eine Zusammenstellung von Tänzen verschiedenartigen Charakters – in erster Linie der Demonstration von Brillanz. Höhepunkt ist stets der große Pas de deux mit je einer Variation für die Ballerina und ihren Partner sowie der abschließenden, meist virtuosen Coda. Die Ballerina nimmt dabei die zentrale Stellung ein. Einst selbst ein hervorragender Charaktertänzer und Mime, war Petipa aber auch die darstellerische Gestaltung stets ein Anliegen, was sich weniger IRIS FREY

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in der äußeren Handlung seiner Werke zeigt als vielmehr in der Entwicklung einer »inneren Handlung«, die von den Protagonist*innen durchlebt wird. Die Struktur der einzelnen, in sich meist ähnlich gebauten Akte, entfaltet »ein kunstvolles Geflecht von klassischem Tanz, Demi-caractère- und Charaktertanz sowie Pantomime. Für Petipa war nicht der Inhalt des Balletts Handlungsträger, sondern der Tanz Gestaltungsträger«, so Gunhild Oberzaucher-Schüller. Er zog eine hervorragende Generation russischer Tänzerinnen und Tänzer heran, darunter zahlreiche außergewöhnliche Interpret*innen, für die er einzelne Nummern oft eigens schuf, damit diese sich vorteilhaft repräsentieren konnten.

Raymonda Raymonda, 1898 am St. Petersburger Mariinski-Theater uraufgeführt, zählt zu den letzten und erfolgreichsten Balletten des knapp 80-jährigen Choreographen. Die Musik ist die erste Tanzpartitur Alexander Glasunows, der für Petipa mit diesem Auftrag die Lücke zu füllen wusste, die der Tod Tschaikowskis – Petipas kongenialer Partner bei den Produktionen Nussknacker und Dornröschen – hinterlassen hatte. Der frühreife Schüler Nikolai RimskiKorsakows, von dem Glasunow die farbenreich-lebendige Kunst der Instrumentierung gelernt hatte, besaß eine große Begabung für Melodien und Harmonien und konnte dem hohen Standard, den Tschaikowski gesetzt hatte, durchaus Genüge leisten. Geschickt wechselt er in Raymonda zwischen erzählender Musik und Charaktertänzen, im dritten Akt etwa wird auf höchst kunstvolle Weise ungarisches Kolorit eingeflochten. Die Handlung erzählt die Geschichte des Edelfräuleins Raymonda und des Ritters Jean de Brienne. Raymonda wartet auf die Heimkehr ihres Verlobten von einem Kreuzzug ins Heilige Land. Nach einem, von Jean de Brienne gerade noch rechtzeitig vereitelten Ver- und Entführungsversuch Raymondas durch den Sarazenenfürsten Abderachman wird im 3. Akt glücklich Hochzeit gefeiert. Das Libretto von Lydia Paschkowa wurzelt in der romantischen Vorliebe für das Mittelalter und den im 19. Jahrhundert beliebten idealisierten Vorstellungen über die Zeit der Kreuzzüge. Der höfisch-kultivierten Welt französischer Ritter steht ein exotisch gezeichneter Orient der Sarazenen gegenüber. Dramaturgisch besteht Raymonda – so der Historiker Doug Fullington –»zu einem großen Teil aus einer Reihe von Tanzsuiten in verschiedenen Stilen. Petipa hat akademische Tänze, Charakter- und Nationaltänze sowie historische französische Tänze in sein Werk aufgenommen.« Die Anwesenheit des Königs von Ungarn bei Raymondas Hochzeit gibt Anlass zu einem Divertissement im klassisch-ungarischen Stil, aus welchem Auszüge in der heutigen Matinee der Ballettakademie der Wiener Staatsoper zu sehen sind. 23

BALLETT­- KLASSIKER MIT UNGARISCHEM KOLORIT


»Ein Meisterwerk mit wunderschöner Musik« Für das klassische Repertoire, das ein zentraler Baustein in der Ausbildung an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper ist, lag es für Christiana Stefanou auf der Hand, zwei Ausschnitte aus Raymonda zu wählen: die Mazurka – einen polnischen Charaktertanz – sowie den Grand Pas classique hongrois – eine groß- und vielschichtig nach der Form des Pas de deux angelegte Szene im ungarischen Stil. »Das Adage des Grand Pas classique«, erläutert Christiana Stefanou, »ist ungewöhnlicher Weise nicht nur für das Hauptpaar Raymonda–Jean de Brienne, sondern für mehrere Tanzpaare choreographiert, sodass sich gleich mehrere unserer begabten jungen Tänzer*innen mit dieser von Anmut und Eleganz geprägten Nummer aufs Schönste präsentieren können.« Als Grundlage für die Adaption von Petipas Meisterwerk für die Schüler*­innen der Ballettakademie diente Christiana Stefanou und ihrem pädagogischen Team, das die Einstudierung der einzelnen Nummern übernommen hat – Diliana Nikiforova, Alena Weber, Vladimir Shishov, Lucian Necsea und Robert Gabdullin – jene Version, die Konstantin Sergeyev 1948 nach Petipas Choreographie für das St. Petersburger Kirov-Ballett schuf, eine Version, die sich bis heute im Repertoire des Mariinski-Balletts befindet.

»Wir trainieren jeden Vormittag noch immer dieselben Exercises wie die Tänzerinnen und Tänzer im 19. Jahrhundert. Das heißt, wir bedienen uns desselben Codes. Sicher, da hat sich einiges geändert, aber im Kern ist das immer noch die Sprache des Klassischen Balletts. Marius Petipa hat das Repertoire für diese Technik bereitgestellt. Seine Choreographien sind in der Ausbildung klassischer Tänzer auf der ganzen Welt nach wie vor gängig.« Alexei Ratmansky über Marius Petipa

→ Nina Cagnin



Anne do Paço

EIN LABYRINTH AUS WUNDER­SAMEN BEGEGNUNGEN Christiana Stefanous Gioconda’s Smile


Mit Gioconda’s Smile begeben wir uns hinein in die Geschichte eines Künstlers, der in ein Labyrinth aus wundersamen Begegnungen und Imaginationen gerät: Auf einer von Menschen überfüllten New Yorker 5th Avenue, berichtet der griechische Komponist Manos Hadjidakis, fühlte er sich von einer geheimnisvollen Frau angezogen, die sich völlig unberührt vom lebhaften Treiben um sie herum, ihren Weg suchte. Er folgte ihr, wollte mit ihr sprechen, ohne zu wissen, was er ihr sagen solle – aber er verlor sie aus den Augen. Plötzlich fand er sich vor dem Schaufenster einer Buchhandlung wieder – und blickte in das geheimnisvolle Lächeln der Gioconda, der Abbildung von Leonardo da Vincis Gemälde auf dem Cover eines in der Auslage ausgestellten Buches. Zutiefst verwirrt, so Manos Hadjidakis, vermischten sich die Gedanken an die unbekannte Frau mit einer Musik Antonio Vivaldis, die er vor einigen Tagen in einem Konzert gehört hatte – und inspirierten ihn zu einer eigenen Komposition: Gioconda’s Smile, »zehn Lieder, die aus einer Kombination aus Verzweiflung und Erinnerungen geschrieben sind. [...] Jedes ist ein Monolog und alle zusammen fügen sich zu einer Geschichte, einer Geschichte, die modern und alt zugleich ist«. Manos Hadjidakis (1925–1994) zählte neben Mikis Theodorakis zu den bedeutendsten griechischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. In seine Musik, die zunächst vor allem für das Theater, das Musical, den Film und die Tanzbühne entstand – u.a. arbeitete er auch mit Maurice Béjart zusammen –, integrierte er Elemente der Rembetika, einer städtischen Volksmusik, die sich in den 1920er Jahren vor allem in den Hafenvierteln der griechischen Städte, beeinflusst durch Flüchtlinge aus Kleinasien, entwickelte. Zu seinen wichtigsten Interpretinnen zählten Melina Mercouri und Nana Mouskouri. Nach einem Aufenthalt in New York, wohin er 1966 wegen der Premiere seines Broadway Musicals Ilya Darling gereist war, blieb Hadjidakis aus Opposition zur griechischen Militärdiktatur seiner Heimat vorerst fern. In New York vollendete er seine 1964 begonnene Orchestersuite Gioconda’s Smile, die in der Produktion von Quincy Jones schnell zu einem Welterfolg wurde. Christiana Stefanou begleiteten die Melodien von Hadjidakis seit ihrer Jugend: »Gioconda’s Smile hat mich als Kind zutiefst beeindruckt«, bekennt sie. »Besonders das Stück Porträt meiner Mutter bewegte mich sehr, wann immer ich es hörte, fühlte ich die große Liebe und den tiefen Schmerz, die diese Musik ausstrahlen. Für mein erstes Stück als Direktorin der Wiener Ballettakademie erschien mir die Komposition von Manos Hadjidakis besonders geeignet, weil sie eine Brücke schlägt zwischen der traditionellen Musik meiner griechischen Heimat und dem Herzen meiner neuen Wirkungsstätte in Österreich.« Es ist für Christiana Stefanou aber auch eine Komposition, die ihr für alle Jahrgänge der Studierenden etwas zu bieten hat, denn alle Schüler*innen der Ballettakademie – die der Unter- & Oberstufe sowie die Mitglieder der Jugendkompanie – bringt sie in ihrem Ballett auf die Bühne. 27

ANNE DO PAÇO


Choreographiert ist Gioconda’s Smile – altersgerecht angepasst an das Niveau der jeweiligen Klassen – als ein klassisches Ballett, das aber auch Elemente aus dem modernen Bewegungsvokabular aufgreift und von den Hauptfiguren eine intensive Rollengestaltung verlangt. Das Programm des heutigen Vormittags erweitert Christiana Stefanou mit Gioconda’s Smile um die Form des Handlungsballetts, denn nicht nur von den Melodien, Rhythmen und dem eigenen Kolorit der von Hadjidakis anstelle der griechischen Bouzouki verwendeten Mandoline ließ sie sich für ihre Tanzszenen inspirieren, sondern auch von den autobiographisch gefärbten Geschichten aus dem Leben eines Komponisten, die Hadjidakis den zehn Sätzen seiner Suite unterlegte und die im Folgenden in Ausschnitten wiedergegeben seien:

When The Clouds Come »Die Wolken ziehen sich dicht zusammen und bedrohen mein Gleichgewicht in einer unsicheren Welt. Lass mich sie aufhalten ... Lass mich durch einen schmalen Himmelsstreifen entkommen.«

Countess Esterházy »Aus meinem offenen Fenster schaue ich auf die Tropfen, ohne zu wissen, ob sie aus meinen Augen oder vom Himmel auf die Blumen fallen, welche die Gräfin Esterházy in ihrem Fenster direkt unter meinem Zimmer züchtet. Ihr Sohn, ein Schüler, liest ein Buch. Als er die Tropfen sieht, lächelt er mich an. Da schließt die Gräfin hastig das Fenster, zeigt ihm die düsteren Porträts seiner Vorfahren und erinnert ihn daran, dass ein Esterházy niemals in den Himmel lächelt.«

The Virgin In My Neighbourhood In einer Kirche ereignet sich ein Wunder: Die Statue einer Muttergottes weint. Hadjidakis’ Komponist mischt sich unter die aufgeregte Menge: »Sie drängten mich, drückten mich, taten mir weh. Plötzlich, als ob sie mich weinen sähen, bildeten sie einen Kreis und ließen mich allein in der Mitte des Kreises, der immer größer wurde. Ich weinte, während sie gingen und sich in den umliegenden Straßen verloren und von der weinenden Jungfrau sangen.«

Rain »Dann sah mich der Himmel und er weinte auch. Ein Sturm brach los.« Der Klang eines Cembalos führt den Komponisten in der Nacht in ein stilles Haus: das Haus seiner Mutter.

ANNE DO PAÇO

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Portrait Of My Mother »Meine Mutter ist süß und zärtlich und sie liebt mich. Ich möchte die Zeit in dem Moment anhalten, in dem sie mir gegenübersteht und mich ansieht.«

The Concert »Ich bin in einem Konzertsaal. Sie spielen Vivaldi und der Platz neben mir ist leer. In meiner Fantasie sehe ich dich neben mir, wie du mit mir Musik hörst ... Ich bin allein, der Platz ist leer und du existierst nicht.«

Mister Noll Beim Verlassen des Konzertsaals kommt ein Junge auf den Komponisten zu. Er sagt, er sei Mister Noll und wolle ihn kennenlernen, doch der Komponist antwortet ihm, er sei dazu nicht bereit. »Da lächelte er mich an, sagte ›Schade‹ und hinterließ mir eine Karte. Als ich sah, was auf ihr stand, war er verschwunden. Es waren nur zwei Worte aufgedruckt: Noll, Tod.«

The Assassins »Grüne, rote und orangefarbene Lichter blitzten um mich herum, Leute kamen und gingen, sie sahen mich an, machten sich über mich lustig, zerrissen mit ihren gemeinen Stimmen meine Kleider ... Ich rannte, um zu fliehen, aber die Mörder wurden immer mehr.«

Returning In The Evening »Ich fand mich in meiner entlegenen Nachbarschaft wieder, leblos, auf der verlassenen, aber vertrauten Straße, mit all den Häusern schweigend, die mich feindselig ansahen. Warum habe ich zu Mister Noll nicht ›Ja‹ gesagt?«

Dance With My Shadow »Sobald ich mein Haus betrat, fing ich an zu tanzen. Der Klang von Musik verführte mich. Ich riss die Mauer ein, fand mich in den Straßen wieder. Bands schlugen hektisch im Takt, während ich mich in der Zeit verlor und für immer ein Lächeln in der Erinnerung der Menschen hinterließ: denn niemand wird je erfahren, ob ich gekommen bin, ob ich gegangen bin, ob ich wirklich unter ihnen war.«

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EIN LABYRINTH AUS WUNDER­S AMEN BEGEGNUNGEN


↑ Zlata Datsyshy → Studierende der Klasse 3a



↑ Francesco Scandroglio, Riccardo Franchi


↑ Giulia Cacciatori & Riccardo Franchi, Nina Cagnin & Marius Mathieu


↑ Yasen Malevski, Sophie Schippani → Sergiy Grytsenko, Christiana Stefanou, Matilda Poláková



↑ Matilda Poláková, Riccardo Franchi


Biographien CHRISTIANA STEFANOU Direktorin der Ballettakademie & Choreographie Gioconda’s Smile Christiana Stefanou leitet seit August 2020 als Direktorin die Ballettakademie der Wiener Staatsoper. Sie verfügt über ein umfangreiches tanzpädagogisches Wissen und eine langjährige Berufserfahrung als Tänzerin, Lehrerin, Gastdozentin, Ballettdirektorin und Coach vieler namhafter Künstler*innen. Ihren Master in Tanzpädagogik schloss sie an der Universität Plovdiv, Bulgarien ab. Zunächst führte ihre Laufbahn sie aber nach München, wo sie an der Hochschule für Musik und Theater ihr Tanzstudium absolvierte. Es folgte ihr Engagement als Tänzerin ins Bayerische Staatsballett, wo sie zahlreiche der großen klassischen und modernen Solo-Rollen interpretierte. Nach ihrer Bühnenkarriere war Christiana Stefanou als Ballettmeisterin für das Ballett der Griechischen Nationaloper Athen tätig, dessen Direktion sie schließlich übernahm. Zeitgleich begann sie an der Staatlichen Ballettakademie der Griechischen Nationaloper sowie an der Schule für Performing Arts Griechenland zu unterrichten. Als Gast-Ballettmeisterin und Tanzpädagogin arbeitete sie mit vielen wichtigen Compagnien der Welt, darunter Het Nationale Ballet Amsterdam, das Royal Swedish Ballet, Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg, Boston Ballet, English National Ballet, Bayerische Staatsballett, National Ballet Romania, Czech National Ballet, Balletto dell’Opera di Roma und Ballett Theater Basel. Außerdem unterrichtete sie an der Hochschule für Musik und Theater München und der San Francisco Bay Point Ballet School. Sie ist gefragter Coach vieler bedeutender Ballerinen und Tänzer unserer Zeit wie Polina Semionova, Lucia Lacarra, Anna Tsygankova, Friedemann Vogel, Daniel Camargo oder Paulo Arrais und war für Einstudierungen klassischer Ballette wie Giselle, Schwanensee, Der Nussknacker und Don Quixote an großen Ballettinstituten weltweit verantwortlich.

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BIOGRAPHIEN


MARTIN SCHLÄPFER Künstlerische Leitung der Ballettakademie & Choreographie Jamie Martin Schläpfer leitet seit der Spielzeit 2020/21 als Ballettdirektor und Chefchoreograph das Wiener Staatsballett und hat die Künstlerische Leitung der Ballettakademie inne. Ausgebildet u.a. an der Londoner Royal Ballet School sowie bei Lehrern wie Maryon Lane, Terry Westmoreland, David Howard, Gelsey Kirkland und Peter Appel wurde er 1977 von Heinz Spoerli ins Basler Ballett engagiert, wo er schnell zu einem der charismatischsten Solisten avancierte. Ein Engagement ins Royal Winnipeg Ballet führte ihn außerdem für eine Spielzeit nach Kanada. Mit der 1990 in Basel gegründeten Ballettschule Dance Place schuf er eine erste Basis für seine tanzpädagogische Arbeit, die er durch Studien bei Anne Woolliams in Zürich ergänzte. 1994 gründete er die Stiftung Visions of Dance. Seit 1994 ist Martin Schläpfer als Choreograph und Ballettdirektor tätig. Seine bisherigen Ensembles – das Berner Ballett (1994 bis 1999), ballettmainz (1999 bis 2009) sowie das Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg (2009 bis 2020) – formte er in kürzester Zeit zu Compagnien, deren Unverwechselbarkeit von der internationalen Presse, zahlreichen Auszeichnungen sowie einem großen Publikumszuspruch bestätigt wurde. Das Ballett am Rhein begeisterte auch auf internationalen Gastspielen in Europa, Israel, Taiwan, Japan sowie im Oman. Martin Schläpfers choreographisches Schaffen, das auch in Fernseh- und DVD-Produktionen dokumentiert ist, umfasst an die 80 Werke, die für seine Ensembles sowie das Bayerische Staatsballett, Het Nationale Ballet Amsterdam und das Stuttgarter Ballett entstanden. 2012 kehrte er für Hans van Manens Pas de deux The Old Man and Me als Tänzer auf die Bühne zurück, 2014 kreierte der Niederländer für ihn die Uraufführung Alltag. 2017 war er als Choreograph und Pädagoge an Canada’s National Ballet School in Toronto zu Gast. Zu den zahlreichen Preisen, mit denen Martin Schläpfer nach dem Gewinn des Prix de Lausanne als »Bester Schweizer Tänzer« 1977 ausgezeichnet wurde, zählen u.a. der Tanzpreis der Spoerli Foundation (2003), der Prix Benois de la Danse (2006), der Theaterpreis Der Faust (2009 und 2012), der Schweizer Tanzpreis (2013) und der Taglioni – European Ballet Award durch die Malakhov Foundation (2014). Er erhielt den Musikpreis der Stadt Duisburg (2015) und wurde mehrfach vom Magazin tanz sowie der Zeitschrift Die Deutsche Bühne zum »Choreographen des Jahres« gekürt. 2018 erhielt er mit dem Verdienstorden eine der höchsten Auszeichnungen der Bundesrepublik Deutschland, 2019 folgte die Ehrung mit dem Großen St. Galler Kulturpreis. BIOGRAPHIEN

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JED O’GRADY WEISS Choreographie Modern & Contemporary Class Work

Jed O’Grady Weiss wuchs in Melbourne, Australien auf und studierte Irish Dancing, Gymnastik, Ballett, Jazz- und Stepptanz. 1996 schloss sie ihre Tanzausbildung mit einem Victorian Premier’s Award ab. Nach ihrem Diplom in Performing Arts widmete sie sich ganz dem Zeitgenössischen Tanz und studierte an der Adelaide University Fächer wie Choreologie und Labannotation, Biomechanik, Improvisation, Klassischen Tanz und Techniken nach Martha Graham und José Limón sowie Ashtanga Yoga. An der Deakin University in Melbourne, wo sie den Bachelor of Arts erhielt, bildete sie sich zudem in Entspannungstechniken, Zeitgenössischem Tanz, Physical Theatre, Choreographie, Lehrkräfteausbildung und Medienwissenschaften weiter. Von 1994 bis 2005 choreographierte und performte Jed O’Grady Weiss für Musicals, Fashionshows, Musikvideos, Fernsehgalas und freie zeitgenössische Tanzperformances in Melbourne und Adelaide. Sie unterrichtete in Tanzstudios, Performing Arts Kursen und Schulen. 1999 gründete Jed O’Grady Weiss ihr eigenes Studio Dance Semantics. Sieben Jahre später zog sie nach Europa, wo sie ihre Arbeit als Tanzpädagogin und Choreographin fortsetzte. Neben Lehrtätigkeiten in verschiedenen Studios, Schulen, Sommerkursen und Universitäten arbeitete sie auch für soziale Projekte und war mehrfach Jurymitglied in Wettbewerben. Seit 2012 lehrt Jed O’Grady Weiss an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper die Fächer Modernes und Zeitgenössisches Training. Sie bereitet ihre Schüler*innen auf Examen, Wettbewerbe und Vortanzen vor und unterrichtet sowie choreographiert für Aufführungen der Akademie in und außerhalb Wiens.

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BIOGRAPHIEN


Ballettakademie der Wiener Staatsoper Schülerinnen & Schüler 1A Sofia Alexandra Copca Stephanie Höllmüller Stefaniya Kashanova Ecaterina-Sofia Kashanova Tabita Rotarciuc

2C Anna Chesnova Ema Mitreva Tatiana Neznamova Sabrina Passalacqua Diana Staykov

1B Abdallah Aboule-Magd Ilia Savenkov Oskar Schieszler

3A Rebeca Elena Bosneanu Maeva-Natalia Ilie Viktoria Khabalaeva Sofia Kostohryz Tahirah Parth Francesca Pascuzzo Clelia Prezzavento Maya Sichanova Laura-Adriana Soana Milica Staletovic Valentine Valerius

1C Natalia Gabriela Ivan Tatjana Jankovic Isadora Kadrev Gioia Mattasits Marija Scek Arina Seliverstova Eliska Smartalova 2A Diana Anghel Yustina Bilohan Alina Bondarenko Miyroslava Grytsenko Lilla Gyürüs Simona Kyurcheva Antonia Pichler Larissa Stix Cristina Tigu 2B Florens Siener Xaver Kiefhaber

4A Nia Akahalaia Teodora Bica Anna Bodnar Noura Giorgina Canisius Zlata Datsyshyn Eva Maria Kohutkova Alzbeta Kosova Agnes Leutgeb Katharina Melnyk Aleina Cecil Pintac Sophie Lucia Pirveli Ana Popescu Mariia Rodina Natalie-Christine Stöttner Kiera Ulreich


4B Sebastian Macan 5A Mara Bitirez Alessia Centofante Ralitsa Dimitrova Lena Dobija Natalie Klimkova Alice Lagomarsino Elisa Murg Jule Sophie Sachernegg Angela Stocco 5B Alessandro Fazzalari Patrick Fuchs Sergiy Grytsenko Nicolo Marchi Oresti Nasto Vitus Strauss Georgios Tsamparis 6A Anabella Arsenovic Ella Bogheanu Sara Cani Angelica D’Inzillo Carranza Teodora Galabova Elizabete Kalnina Martina Kurteva Giulia Mandelli Daphne Nicolakis Franceska Pivko Sophie Schippani Ema Zelnickova 6B Andrei Aranghelovici Maxim Böhm Amedeo D’Aleo Yasen Malevski Laurids Seidel Marton Vajda

7A Medea Beer Diana Drumcea Mara Teodora Dumitrascu Rebecca Grana Gita-Dora Holanyi Eleanna Kantere Julia Köhler Maya Andrea Pandrea Nefeli-Myrto Pantelia Alessia Puttini Jana Zimonjic 8A Marita Bogdan Giulia Cacciatori Nina Cagnin Ivana Georgieva Marina Gellida Planes Maria Ungureanu 8B Simone Carosso Christian Falcier Lorenzo Gallo

Jugendkompanie Julia Cata Matilda Poláková Marie Reinprecht Marie Ryba Caroline Sachernegg Riccardo Franchi Kevin Hena Marius Mathieu Nicola Rizzo Matteo Rondinelli Francesco Scandroglio


Leitung & Team Direktorin Christiana Stefanou, MA Künstlerische Leitung Martin Schläpfer Kaufmännische Leitung Mag. Simone Wohinz Ballettmeister Jugendkompanie Callum Hastie Pädagog*innen Mag. Ulrike Amon, Annkathrin Dehn, Zsolt Tibor Elek, Robert Gabdullin, Zdenko Galaba, MA, Karen Henry, Caterina Mantovani, Lucian Necsea, Diliana Nikiforova, PhD, Vladimir Shishov, Alena Weber, Jed O’Grady Weiss Probenleitung Rafaella Sant’Anna Pianist*innen Cristian Axt, Mag. Konstantinos Diminakis, Frantisek Drafi, Michael Fischer, Aya Kaukal, Seul Lee, Mayuko Obuchi, MA, Noriko Schmidt-Kawase, Yasuhito Watanabe Leitung Schuladministration Mag. Mariana Fellermayr Administratorin & Controlling Mag. Elisabeth Schubert Koordinator Bostjan Ivanjsic, MA Assistentin der Direktion Wendy Maurer-Menzel Verwaltung Parviz Yahyavi Schulwart Gianpiero Russo Betreuerin DSPin Daniela Woynar-Schoger Gesundheitskoordinatorin Sarah-Maria Hartl, BSc Leitung Kindeswohlteam Mag. Clara Anzenbacher (Leitung), DSPin Daniela Woynar-Schoger, Karl Wenninger, Mag. Laura Reinthaller-Thelen Medizinisch-Therapeutisches Team: Betriebsärztinnen Dr. Elisabeth Szedenik, Dr. Sophie Brandstetter Gesundheits- &Vertrauenspsychologin Mag. Clara Anzenbacher Externer Pool Medizinische & Therapeutische Betreuung in Kooperation mit Leistungssport Austria, BRG Wien III Boerhaavegasse, NMS Renngasse, BSPA – Bundessportakademie Externe Kooperationspartner/Zusammenarbeit BSPA – Bundessportakademie, Leistungssport Austria – Bundesinstitut für Leistungs- und Spitzensport, die möwe – Kinderschutzzentrum


GEIMEINSAM GENIESSEN FRÜHSTÜCK – MITTAGESSEN – AFTERWORK #GAUMENFREUDE


Impressum

MATINEE DER BALLETTAKADEMIE DER WIENER STAATSOPER Spielzeit 2021/22 HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Direktorin der Ballettakademie: Christiana Stefanou, MA Redaktion: Mag. Anne do Paço, Wendy MaurerMenzel, Nastasja Fischer, MA, Iris Frey, MA Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Layout & Satz: Irene Neubert Druck: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau AUFFÜHRUNGSRECHTE Die Rechte für die Choreographien liegen bei den Choreograph*innen. VERWENDETE CD-EINSPIELUNGEN »MODERN & CONTEMPORARY CLASSWORK« Jeff Beal, Wendy Melvoin & Lisa Coleman: Justin calls Iris, Carnivale, Black Blizzard. Album Carnivale. Soundtrack der HBO Series. Varèse Sarabande 2004. Manuel Wandji: L’appel de Iam Foret. Album Rhythms of Life. Wambo Productions 2012. Drums On Earth: Watch Out. Album Heartbeat, 2008. Deya Dova: Bloom. Album The Jasmani Garden. bandcamp 2006. Woodkid & Moses Sumney: Standing On The Horizon. Album Woodkid For Nicolas Ghesquière – Louis Vuitton Works One. GUM/Universal Music 2019 Auszüge aus Greta Thunbergs Rede am Austrian World Summit im Mai 2019 (https://www.facebook.com/ watch/?v=645581262534214) mit freundlicher Genehmigung. »JAMIE« Ludwig van Beethoven: The sweetest Lad was Jamie. Nr. 5 aus Folk Songs op. 108. CD: Ludwig van Beethoven: Folk Songs. Wolfgang Holzmair (Bariton), Trio Fonteney. Philips Classics 1997. Ludwig van Beethoven: 6 Variationen über ein Schweizer Lied WoO 64. CD: Ludwig van Beethoven: Variations & Bagatelles. Mikhail Pletnev (Klavier). Deutsche Grammophon 1997.

Zäuerli Sung in the Inn. CD: Musik der Welt: Switzerland, Zäuerli, Yodel of Appenzell. Ernst Pfändler, Bernhard Frischknecht, Fritz Tribelhorn, Hans-Uli Gähler. Unesco Collection AUVIDIS 1990. Martin Stadtfeld: Improvisation 3 / Frédéric Chopin: Etüde Nr. 6 es-Moll op. 10. CD: Chopin Plus. Martin Stadtfeld (Klavier). Sony Music 2016. Johann Sebastian Bach: Sarabande aus Englische Suite Nr. 2 a-Moll BWV 807. CD: Johann Sebastian Bach: Englische Suiten Nr. 2 & 3 / Domenico Scarlatti: 4 Sonaten. Ivo Pogorelich (Klavier). Polydor International Hamburg/Deutsche Grammophon 1986. AUSZÜGE AUS »RAYMONDA« Alexander Glasunow: Mazurka & Grand Pas classique hongrois aus Raymonda op. 57. CD: Alexander Glasunow: Raymonda. Viktor Fedotov (Dirigent), Kirow Orchester St. Petersburg. IMP Masters 1996. »GIOCONDA’S SMILE« CD: Manos Hadjidakis: Gioconda’s Smile. Manos Hadjidakis (Dirigent). Fontana/EMI 1965. TEXTNACHWEISE Die Texte von Nastasja Fischer, Anne do Paço und Iris Frey sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. / Alexey Ratmansky zitiert nach: Lilo Weber: Petipa rekonstruieren. In: tanz. Zeitschrift für Ballett, Tanz und Performance 03/2018 / Manous Hadjidakis in Auszügen zitiert und aus dem Griechischen übersetzt nach: Die Kurzgeschichten aus Gioconda’s Smile von Manous Hadjidakis. Februar 2015, www.iporta.gr. BILDNACHWEISE Die Probenfotos auf dem Cover und im Kern des Programmheftes sowie die Porträts auf S. 37 und 39: © Ashley Taylor / S. 38: © Andreas Jakwerth Nachdruck nur mit Genehmigung des Wiener Staatsballetts / Dramaturgie Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


→ wiener-staatsoper.at


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