Programmheft »Grüner wird's nicht!«

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Grüner wird’s nicht! Musiktheater-Performance des Opernlabor-Ensembles Premiere 21. Juni 2024 Kulturhaus Brotfabrik


Grüner wird’s nicht!

Komposition & Musikalische Leitung Andy Icochea Icochea Inszenierung und Stückentwicklung Krysztina Winkel Kostüm Jana Heist Projektassistenz Martina Pfeifer Technik Stephan Kugler, Sebastian Negulescu, Aymen ben Saad Grafik Irene Neubert Video Franziska Kreis


Im Opernlabor entwickeln Jugendliche und junge Erwachsene eigene Musiktheater­ performances. Die aktuelle Produktion ist von Giacomo Puccinis letzter Oper Turandot inspiriert. Gemeinsam mit dem Bühnenorchester der Wiener Staatsoper bringen Performer*innen zwischen 15 und 24 Jahren ihr Werk im Kulturhaus Brotfabrik zur Aufführung. Das Opernlabor wird jede Saison angeboten und ist offen für alle, die Interesse und Freude an Musik, Theater, Improvisation und Bewegung haben.



Ich muss durch diese Tür Oder: Heirate mich! Wie Grüner wird’s nicht! entstanden ist

Puccinis Oper Turandot war Ausgangsthema für das diesjährige Opernlaborprojekt, auch aus Anlass der Neuproduktion des Werks in der Inszenierung von Claus Guth, die im vergangenen Dezember an der Wiener Staatsoper Premiere hatte. In den ersten Labor­ proben wurden Themen der berühmten Oper genauer angeschaut, dann eine Probe in der Wiener Staatsoper besucht und seither die Figuren und stückimmanente Konflikte »aus­ einandergenommen« und besprochen. Der Besuch der Turandot-Inszenierung brachte viele Emotionen mit sich: »Wie kann Calaf so egozentrisch sein und die arme Liù einfach neben sich liegen lassen, während er weiter um Turandot kämpft?« – »Warum sagt Turandot nach dem aufgezwungenen Kuss von Calaf ›ja‹ zur Hochzeit, obwohl sie dies vorher nicht wollte?« – »Warum opfert sich Liù für einen Mann, nur weil er ihr einmal im Palast zugelächelt hat?« – »Warum heißen die Minister des Königreichs Ping, Pang und Pong? Das klingt komisch!« Neben vielen Fragen schwang auch Begeisterung mit: »Was für ein toller Chorklang!« – »Wie beein­druckend, dass der Chor, inszeniert auf dem vorderen Bühnenrand, die ganze Vorstellung lang so synchron agieren kann!« – »Die Videoprojektionen auf der hinteren Bühnenwand sind furchteinflößend, aber machen viel mit mir!«. In Improvisationen und Gesprächen wurden die verschiedenen Eindrücke künstlerisch verarbeitet. Um auch einer Kritik rund um Themen wie »Exotismus« einen Raum zu geben, wurde die Performancekünstlerin Olivia Hyunsin Kim zu einem digi­­talen Workshop eingeladen. Sie selbst inszenierte in Hannover in dieser Saison mit Turning Turandot einen queeren Zugang zu Puccinis Klassiker und besprach mit dem Opernlabor-Ensemble Stereotype im Musiktheater. Dies war einer von mehreren Impulsen, eigene künstlerische Antworten auf das Ausgangswerk zu finden. Auch die Tür-Symbolik der Guth-Inszenierung bot Anlass zum kreativen Ex­perimentieren:


Welche Wünsche und Sehnsüchte warten hinter verschlossenen Türen? »Servus Thomas!« – Die sogenannte Gartenhecken-Szene war eine der ersten, die im Rahmen des Stückentwicklungsprozesses feststand: Nach einer Auseinandersetzung mit dem Thema »guter und falscher Stolz« entschied das Ensemble kurzerhand, dieses Thema anhand eines Gartenhecken-Battles unter den Nachbarn Thomas I und Thomas II auszutragen. Doch da waren noch weitere Themen, auf die wir noch näher eingehen wollten: das »unbedingte Wollen« und das »sich-denRätseln-Stellen«. Und: Welches »System« halten PPP (inspiriert durch Puccinis Figuren Ping Pang Pong) aufrecht, und an welchem Ort begeht man Wagnisse, deren Ausgang man nur schwer abschätzen kann? Die Gruppe entschied sich: Dieser Ort muss eine Gameshow sein! In der Show gilt es dann nicht nur, »drei Rätsel« zu lösen, um zum Ziel zu kommen. Stattdessen bestreiten »mehr als tausend« Teilnehmende die vom narzisstischen Moderator angeleiteten Spiele, in denen man nicht nur körperlich, sondern manchmal auch emotional über seine Grenzen gehen muss. Warum? Wer gewinnt, hat einen Wunsch frei! Ein zweiter Baustein in der Stückentwicklung war die Auseinandersetzung mit »der ge­ sellschaftlichen Masse«. Der Chor spielt in Turandot eine große Rolle: Die Gesellschaft schreit nach Spektakel und gleichzeitig nach einem Ende der immer wiederkehrenden Hinrichtungen derjenigen, die sich um Turandots Hand bewerben. »Schleif das Messer, schleif das Messer!« trifft auf ein sinngemäßes »hoffentlich kehrt bald Ruhe an diesen Ort ein!«. Welche Rolle und Macht hat die Menge also? Für die Bühnensituation in Grüner wird’s nicht! entschieden wir uns für eine »Arena«-Form. Sie ermöglicht uns zwei Chancen: Zum einen unterstreicht sie den »Spielecharakter« und bringt das Publikum automatisch in die fiktive Rolle des Publikums der Gameshow, und zum anderen bietet uns die Arena-Situation einen schnellen Wechsel der Dar­ stellenden zwischen den Rollen der Masse und der individuellen Teilnehmenden der Game­ show. Wann schaut man nur zu? Wann bestimmt man den Verlauf der Dinge und den Diskurs?


Lange war offen, was der »Preis« der Gewinner*in der Show sein wird. Dass es keine er­ kämpfte Heirat sein kann, war schnell klar. Doch wofür würden sich Figuren aus »dem Heute« einer breiten Medienmasse aussetzen? Für Geld? Für Ansehen? Dafür, jemandem etwas beweisen zu können? Oder: einfach für einen Moment »okay zu sein« und einen kleinen Moment genießen können? Sind es die großen oder die kleinen Momente, um die es geht? Und: Wer ist bereit bei »der Boden ist Lava« sein letztes Hemd zu geben?




Einen Fiebertraum auf der Bühne erleben

Am Abend der ersten Orchestersitzprobe in der Wiener Staatsoper reflektiert das Opernlabor-Ensemble über die bisherige Reise und ihre Musiktheater-Performance Grüner wird’s nicht! Wie würdest du den Prozess des diesjährigen Opernlabors beschreiben? Welche Phase war für dich die spannendste? Kurti Ich fand die kreativen Phasen, in denen wir viel selber entwickelt haben, super. Das war eine coole Zusammenarbeit. In den ersten zehn Proben hat sich jede Probe vom Humor her gesteigert. Ich habe jedes Mal mehr gelacht, weil es, auch durch die Offenheit und Spielfreude aller, immer lustiger wurde. Flo In den ersten paar Monaten habe ich nicht richtig gewusst, wie wir den Sprung von Improvisation, Diskussion und Spiel zu einer Aufführung schaffen, denn jede Woche kam etwas komplett Neues auf uns zu. Der interessanteste Teil war die Stückfindung, als aus diesen ganzen Einzelteilen, die für mich anfangs noch keinen Zusammenhang ergaben, ein Stück entstanden ist. Zerda Ich mag besonders die Endphase, in der wir uns gerade befinden, denn man freut sich schon so richtig auf die Aufführung. Und die Proben mit Kostümen und Orchester sind aufregend! Mit welchen Erwartungen bist du in das Projekt gekommen? Haben sich diese erfüllt, oder hast du etwas anderes erlebt? Paul Am Anfang war das Improvisieren für mich das Wichtigste, und die Aussicht, jede Woche an einer Aktivität teilzunehmen, bei der man Theater auf eine neue Art und Weise


kennenlernt. Das hat sich auf jeden Fall erfüllt. Der Fokus lag bei mir auf dem kreativen Prozess. Der Weg macht einfach Spaß, und man lernt neue Leute kennen. Zerda Ich bin mit überhaupt keinen Erwartungen reingekom­ men. Außer mit der Hoffnung, dass andere mit der gleichen Offenheit mitmachen. Ich habe mich einfach überraschen lassen. Rebekka Ich finde es toll, dass viele unserer Ideen und Impros aus den Proben in das Stück eingebaut wurden. Helena: Auch, wenn ich schon das dritte Jahr dabei bin, kann ich ich nicht sagen, dass es langweilig wird, denn es ist jedes Jahr völlig anders. Worum geht es in Grüner wird’s nicht!? Kurti Es geht um Teilnehmer*innen einer Show, die unter der Ansage antreten: »Ich möchte etwas erreichen, ich habe ein Ziel, und zwar zu gewinnen!«. Daraus kristallisieren sich Charakterzüge der verschiedenen Figuren, ihre Beziehungen und Einstellungen zueinander. Parallel dazu gibt einen Handlungsstrang, der in der Vergangenheit spielt: die Nach­ barn Thomas I und Thomas II, die zu stolz sind, um zuzugeben, eigentlich gern miteinander Zeit verbringen zu wollen. Helena Ich glaube, das Offensichtliche, nämlich diese Game­ show, ist fast das Unwichtigste in diesem Stück. Stattdessen geht es vielmehr um das Menschliche und darum, dass sich jeder beweisen will und irgendwas gewinnen will, ohne, dass alle immer wissen, was es ist.

Auf der Probebühne in der Wiener Staatsoper


Paul Im Prinzip geht es dann darum, wie unterschiedlich unsere Charaktere eigentlich sind, wie eigen jede*r ist und was die tiefen Wünsche und Träume sind, die uns antreiben, bestimmte Dinge zu tun oder nicht zu tun. Zerda Grüner wird’s nicht! erzählt von einer berühmten Fernsehshow, auf die die ganze Welt schaut und das ziemlich übertrieben und dramatisch. Flo Letztendlich ist die wirklich relevante Thematik des Stückes in meinen Augen die Treue zu sich selbst: sich und andere nicht anzulügen, sondern klar zu sagen, was man will und nicht will. Wie war es für dich, eine Probe und Aufführung von Turandot oder auch Animal Farm in der Wiener Staatsoper zu sehen? Kurti Es war einfach unglaublich cool. Ich habe geweint, als ich Turandot gesehen habe, und zwar bei der Szene, in der sich Liù umgebracht hat. Rebekka Ich bin nicht so häufig in der Staatsoper, und deswegen fand ich es toll. Das Stück Turandot hat mir sehr gut gefallen, auch wenn die Story ein bisschen crazy ist. Flo Mir hat besonders der Besuch von Animal Farm gefallen, denn ich mochte, dass viele Konventionen einer traditionellen Oper ziemlich gebrochen wurden. Diesen Input konnten wir auch für uns gut gebrauchen. Paul Ich fand den Besuch von Animal Farm extrem interessant, weil ich Theater, Ballett und Oper schon ein bisschen kenne, aber so etwas Zeitgenössisches habe ich in der Oper noch nie erlebt. Da geht, glaube ich, auch der Plan ein bisschen auf, uns in Projekten zu motivieren, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und nicht zu vergessen, dass die Oper existiert und Kulturräume da sind, die man wahrnehmen kann. Zerda Man hört immer, dass Opern nur für alte Menschen sind, aber ich finde sie auch richtig interessant, gerade für junge Menschen. Ich finde wichtig, dass man einfach einmal eine Oper oder ein Theaterstück sieht.


Gibt es Bezüge und Gemeinsamkeiten zu Puccinis Turandot? Was macht euer Werk anders? Kurti Die Essenzen in der Oper Turandot sind für mich der Stolz, falsche Liebe und eigent­ lich auch einfach nur tiefe Trauer. Ich finde, diese Aspekte machen Grüner wird’s nicht! auch aus. Der Stolz zwischen den Nachbarn, die falsche Liebe zwischen den GameshowTeilnehmer*innen, die manipuliert werden, damit andere gewinnen, und letztendlich die Trauer, weil auch grausame Dinge in dieser Show passieren. Paul Man findet Themen wie Aufopferung oder Tod und vielleicht auch das DurchsetzenWollen und Durchsetzen-Müssen – den Kampf um etwas und diesen einen Wunsch, der einen bewegt und den man zum Ausdruck bringen möchte. Aber wir behandeln das eher abstrakt. Von einigen Dingen haben wir uns auch bewusst distanziert und bestimmte Klischees, die man in der Oper wiederfindet, kritisch betrachtet. Zerda Viele Dinge sind zwar von Turandot inspiriert, aber unser Stück ist sicher absurder, und ich denke, auch ein bisschen schwieriger zu verstehen. Ich finde, wir haben ein neues Stück daraus gemacht. Es ist nicht wirklich Turandot, und das ist gut so. Helena Ich glaube, das Coolste ist, dass Leute, die die Oper Turandot kennen, irgendwie Zusammenhänge erkennen, aber Leute, die die Oper nicht gesehen haben, unser Stück vielleicht auch cool finden. Hat sich dein Bild über Oper im Projekt geändert? Wenn ja, wie? Zerda Definitiv! Immer, wenn ich Opern gesehen habe, habe ich mir vorgestellt, wie es sein muss, dort auf der Bühne stehen, und jetzt darf ich hier proben und Kostüme der Staatsoper anziehen und das Orchester erleben. Es fühlt sich richtig surreal an. Rebekka Ich erkenne jetzt die Offenheit der Leute, die in der Oper arbeiten oder Publikum sind. Ich hatte immer Respekt vor den Menschen dort. Jetzt sehe ich sie einfach als normale Menschen, die die Kunst mögen und Freude daran haben, das zu machen.


Helena Ich war vorher nie in der Oper, aber durch dieses Projekt habe ich die Liebe für die Oper entdeckt, die ich nie gekannt habe. Es steckt so viel dahinter, auch so viel Arbeit, was, glaube ich, viel zu wenig wahrgenommen wird. Flo Die Oper ist sehr viel nahbarer geworden und auch ich finde es sehr interessant zu sehen, wie groß der Arbeitsaufwand ist, damit überhaupt ein Stück entsteht. Warum sollten Leute Grüner wird’s nicht! anschauen? Paul Um zu sehen, was wir ein Jahr lang auf die Beine gestellt haben, beziehungsweise was dabei rauskommt, wenn 25 Leute sich jede Woche treffen und »mal machen«. Flo Ich würde sagen, Grüner wird’s nicht! wird gut beschrieben durch einen Fiebertraum. Und wer will denn keinen Fiebertraum auf der Bühne erleben? Zerda Vielleicht kann man selbst ein Hobby finden und nächstes Jahr mitmachen. Und man kann einfach sehen, dass man das auch ohne viel Erfahrung, aber mit viel Arbeit schaffen kann. Hast du einen Lieblingsmoment im Stück? Wenn ja, welchen? Kurti Wenn ich, als Thomas I zu Paul, der Thomas II spielt, traditionell wieder «Servus Tho­ mas!« sage. Der Impuls kommt aus unserer allerersten Probe im Oktober letzten Jahres. Helena Das Coolste an dem Stück für mich ist, dass jede Generation irgendwas davon hat, weil viele Generationen durch Figuren vertreten sind. Rebekka Die Chormomente der Masse! Die sind manchmal schwierig, aber auch berührend. – Das Interview führte Martina Pfeifer


Endproben im Ankersaal im Kulturhaus Brotfabrik




»Wer gewinnt, hat einen Wunsch frei.«






Das partizipative Komponieren der Musik und der Stückentwicklungsprozess bedingen sich gegenseitig! Im Gespräch mit Andy Icochea Icochea, dem musikalischen Leiter von Grüner wird’s nicht!

Lieber Andy, wie klingt (für dich) das diesjährige Opernlabor-Stück Grüner wird‘s nicht!? Welche musikalischen Sprachen und Welten sind entstanden? Andy Für mich klingt das Stück genauso divers und vielseitig wie das Ensemble selbst. Wir haben von Anfang an verschiedene Arten von musikalischen Sprachen in den Proben verwendet, und aus diesem Prozess sind sehr unterschiedliche musikalische Bausteine entstanden. Was man im Stück hört, sind die Elemente, die am besten mit dem Ensemble oder kleineren Gruppen in der Probenarbeit funktioniert haben. Pentatonische und modale Tonarten in minimalistischen Sequenzen haben ebenso den Weg in unser Stück gefun­ den wie Set Theory, semi-aleatorische Cluster, Fanfaren und Popmusik. Und: heuer feiern wir den 150. Geburtstag Arnold Schönbergs, deshalb fanden auch Ton­reihen Platz in den Proben. Eine fast vollständige Zwölftonreihe wurde durch Improvisa­ tion in einem Probenwochenende geschaffen und ist, wenig verändert, in der pathetischen, auch etwas ironisch gemeinten »Eröffnungsarie der 60. Spiele!« zu hören. Inspiration und Ausgangswerk war Puccinis Turandot. Das eigentliche Stück ist nun etwas ganz anderes geworden. Wo findet man dennoch Bezüge zu Turandot beziehungsweise, warum war es für dich im Prozess wichtig, mit dem Ensemble eine Probe des Stücks


in der Wiener Staatsoper zu besuchen und dich mit dem Ensemble nicht nur über die Themen und Figuren, sondern auch über die Musiksprache zu unterhalten? Andy Eigentlich hat Puccinis Turandot eine sehr starke Präsenz im Stück behalten, in der Geschichte ebenso wie in der Musik: Die Gefühlskälte Turandots prägt mit eiskalten Klängen viele Momente, die selbstopfernde Wärme Liùs wird vom Chor »Still und rätselhaft« berührend musiziert, die frische, etwas radikale Selbstsicherheit Calafs spürt man in der Arie »Durch Saft und Rind«. Dazu führt auch die stressige Energie des Diener*innen Trios und die omnipräsen­ te Rolle der Masse (»the crowd«) zu intensiven Schwankungen in Ton, Tempo und Stimmung. Nach dem Turandot-Besuch haben die Teilnehmer*innen ihre Rollen noch intensiver diskutiert, haben an sie angeknüpft oder sich in der Figurenentwicklung bewusst davon wegentwickelt. Gleichzeitig merkte man, dass der Opernbesuch einen Schub an Enthusi­ asmus mitgebracht und motiviert hat, in den Proben mehr mit der Stimme zu experimen­ tieren. Und als Geheimtipp: Es gibt zwei versteckte Turandot-Zitate im Stück. In Grüner wird’s nicht! erscheinen die Figuren Ping, Pang und Pong nur indirekt. Denn den Teilnehmenden in der Stückentwicklung war es wichtig, keine Klischees zu übernehmen. Dennoch haben wir mit den Assistent*innen der Fernsehshow Charaktere im Stück, die stark durch diese Figuren inspiriert wurden. Andy Bei der Entwicklung des Trios war die Ambivalenz aus »Stabilität und Unruhe« ein zentrales Thema. Das kommt auch daher, dass die drei unterschiedlichen Charaktere mit- und gegeneinander spielen – als Partner*innen und in Konkurrenz. Die Musik ist poly­ rhythmisch versetzt, ein verminderter Dreiklang unterteilt den Puls in zwei, drei und vier Teile. Eile ist die Sprache, und die Eile hört niemals auf, auch in Situationen, die etwas Posi­ tives mit sich bringen. Wie in der Inszenierung in der Staatsoper kommt PPP (so nennen wir sie bei uns) die Funktion zu, ein System aufrecht zu erhalten, auch wenn man sich manchmal wünscht, sich ihm zu entziehen.


Lieber Andy, dies ist nun deine vierte Opernlabor-Produktion. Wie hat sich die Erarbeitung der Musik für das Stück verändert? Andy In diesem Jahr haben wir mit 25 Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein relativ großes Ensemble. Das hat uns angeregt, sofort am Ensembleklang zu arbeiten. Als Resul­ tat haben wir einige Chorstücke schon früh im Jahr erarbeitet. Auch wenn anfangs noch nicht immer klar war, an welcher Stelle ein Chormoment Eingang ins Stück finden wird, stand die dramaturgische Erwartung an die Bausteine früh fest: Repräsentation der Masse, Stimmungsmache und Kommentar. Das hat dann wieder den kreativen Prozess angeregt, den Verlauf der Moderation unserer Show beziehungsweise das Ausscheiden der Teilneh­ mer*innen. Auch die Konstellation unserer Gruppe spielte eine entscheidende Rolle: Wir haben schnell gemerkt, dass die Gruppe ein tolles Bewegungspotenzial und wahnsinnige Spiellust mitbringt, das wollten wir auch musikalisch in den Chören festhalten. Der prinzi­ pielle Zugang in der Erarbeitung der Musik mit den Teilnehmenden ist für mich jedoch immer gleich: Das partizipative Komponieren der Musik und der allgemeine Stückentwick­ lungsprozess bedingen sich gegenseitig. Wie arbeitest du in der Rolle als musikalischer Leiter, aber auch Pädagoge des Projektes mit den unterschiedlichen Fähigkeiten, Vorkenntnissen und Stärken der Teilnehmer*innen? Andy Ich sehe meine Rolle als musikalischer Katalysator im kreativen Prozess und ver­suche, so gut wie möglich die Stärke jeder Einzelnen zu erkennen und zu fördern. Ich bin bei jeder szenischen Probe anwesend. Die Teilnehmer*innen auch in ihrem szenischen Spiel kennenzulernen, hilft mir bei der Einschätzung, wie davon auch die Musik profitieren kann. Durch spielerische, dynamische und manchmal verrückte, aber immer qualitativ wertvolle Übungen finden wir gemeinsam unseren Chorklang und schaffen Klangwelten, die vielleicht einigen der Ensemblemitglieder vorher unbekannt waren. Und das Ganze lebt von jede*r Einzelnen weiter. Es ist schön zu sehen, wenn


sie oft selbst davon überwältigt oder begeistert sind und wenn sie erzählen »Ich hatte das Lied die ganze Woche im Kopf, es war so schön!«. Hast du Momente im Stück, die für dich in der Entwicklung sperrig oder herausfordernd waren, und Dinge, die du sehr magst?

Feedbackrunde nach einer Probe

Andy Sperrig? Das Hot Stage! Das ist bei uns das Bild, in dem die letzten sieben Finalist*innen gegeneinander antreten. Wir erzählen den Fortschritt der Spiele und das Kennenlernen der Wünsche und Eigenschaften der Figuren von hier an nicht mehr chronologisch und realistisch, sondern überhöht, abstrahiert, performativ. Es ist ein Moment, der so viele unterschiedliche Momente aleatorisch in Bewegung bringt. Das in Musik umzusetzen, mit Musik zu nähren, aber genug Freiraum für Improvisation der Darstellenden zu lassen (denn ja, die Szene lebt davon, dass nicht alles final definiert wird), war für mich anfangs sehr herausfordernd und komplex. Aber es war inspirierend zu beobachten, wie leicht und hemmungslos die Teilnehmer*innen von einer Darstellung in die Nächste springen konnten. Was ich sehr mag? Auch Hot Stage! Genau aufgrund der verschachtelten Vielfalt der Momente und der unterschiedlichen Charaktere. Es ist wie eine Zusammenfassung des kreativen Prozesses in »fast forward«. – Das Interview führte Krysztina Winkel



Das Opernlabor besucht eine Vorstellung von Turandot


»Drei sind die Rätsel, eins ist das Leben!« Zitat aus Turandot


Ein herzliches Dankeschön geht an den Offiziellen Freundeskreis der Wiener Staatsoper für die Unterstützung und das Möglichmachen des Projekts. Weiterer besonderer Dank geht an Saskia Schneider, Beate Krainer, Sophie Rösch und Franziska Kreis. Redaktion Martina Pfeifer, Krysztina Winkel Bilder Katharina Schiffl, Stephan Brückler, Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper GmbH (Szenenbild Turandot) Medieninhaberin Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Hersteller Walla & Co Druckerei GmbH, Neutorgasse 9, 1010 Wien

Generalsponsoren der Wiener Staatsoper


Lust, mitzumachen? Dann schau auf wiener-staatsoper.at/jung Oder melde dich unter outreach@wiener-staatsoper.at


wiener-staatsoper.at/jung wienerstaatsoper_community


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