Opernring 2 | Dezember 2024

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S. 2

EIN KÜNSTLERDRAMA & EINE CHARAKTERTRAGÖDIE

PALESTRINA WIRD WIEDER AUFGENOMMEN

S. 4

EIN SCHAUMBAD IN MOLL GESPRÄCH MIT CHRISTIAN THIELEMANN

S. 10 SAG NIE MAESTRO ZU IHM JENDRIK SPRINGER ÜBER CHRISTIAN THIELEMANN

S. 14

MEISTER ALLER FÄCHER BERTRAND DE BILLY IM INTERVIEW

S. 20

KOLORATURWUNDER & OPERNTOD NICOLE CAR & SERENA SÁENZ

S. 26

CHIROPRAXIS FÜR DIE SEELE MICHAEL NIAVARANI DEBÜTIERT IN DER FLEDERMAUS

S. 32

ALLES AN DEN START WAS PASSIERT 2 STUNDEN VOR VORSTELLUNGSBEGINN

S. 34

GROSSE GESCHICHTEN AUF DER BALLETTBÜHNE THE WINTER'S TALE & DORNRÖSCHEN

S. 36 DIE BÜHNE FÜR DIE NÄCHSTE GENERATION MATINEE DER BALLETTAKADEMIE

S. 38 EINE NEUE STAATSOPER DAS NEST ERÖFFNET AM 7. DEZEMBER

S. 42

DU HAST DIE WAHL, FISCH! ÜBER DIE URAUFFÜHRUNG VON SAGT DER WALFISCH ZUM THUNFISCH

S. 48

IM HERZEN DES THEATERS NESTERVALS GÖTTERDÄMMERUNG WIRD URAUFGEFÜHRT

S. 54

»EIN ABEND WIE EIN SONG!« OPER*ETTEN-TALK MIT NICK-MARTIN STERNITZKE

S. 56 DU IM NEST! WORKSHOPS ZUM MITMACHEN

S. 60 DEBÜTS

S. 62 PINNWAND

EIN KÜNSTLERDRAMA & EINE CHARAKTERTRAGÖDIE

HANS PFITZNERS PALESTRINA WIRD WIEDERAUFGENOMMEN

Das Konzil tagt (Szenenbild PALESTRINA) Foto AXEL ZEININGER

So pragmatisch, nüchtern, unverkrampft, wenn er wollte, durchaus auch leutselig, zwar gelegentlich derb, aber dann doch wieder versöhnlich Richard Strauss war, so pingelig, kleinkariert, unnachgiebig, unsympathisch, unflexibel, verzagt-frustriert wirkte Hans Pfitzner. Auch sein spätromantisches Bild eines messianischen Künstlertums, das seine Inspiration von höchster Stelle empfängt, verströmte etwas sonderbar Zwänglerisch-Überholtes. Die beiden Zeitgenossen hätten nicht gegensätzlicher sein können.

Zunächst schien er, der fünf Jahre Jüngere, was Ansehen und Einfluss betrifft, den Konkurrenten Strauss klar zu überflügeln, galt als Frontmann der musikalischen Elite. Dass er am Beginn des 20. Jahrhunderts zeitweise zugleich Direktor der Straßburger Oper und des dortigen städtischen Konservatoriums war, dass Gustav Mahler seine Oper Die Rose vom Liebesgarten bereits 1905 an der Wiener Hofoper nicht nur auf den Spielplan setzte, sondern auch persönlich dirigierte, zeigt beispielhaft die besondere Reputation, die Pfitzner damals genoss. Doch das Blatt wendete sich –Strauss’ Stern begann immer heller zu leuchten, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verlor Pfitzner zudem seine Straßburger Leitungsfunktionen, und die Entwicklung der Musik zog klar an ihm vorbei. Es mag also durchaus sein, dass seine Frustration zumindest teilweise biographisch begründbar ist. Doch seine krakeelenden und antisemitischen Ausritte gegen die Moderne, seine Anbiederung an die Nationalsozialisten (die ihn allerdings weit weniger förderten, als er gehofft hatte) und der obskure zusätzliche Rechtsruck nach 1945 – inklusive die offen zur Schau gestellte Verbundenheit mit Hans Frank, dem nationalsozialistischen »Schlächter von Polen«, können nicht einfach durch persönliche Enttäuschungen erklärt und kleingeredet werden.

Trotzdem nahmen ihn aufgrund seines Werkes viele – selbst ein Arnold Schönberg, der von Pfitzner wüstest angegriffen worden war – später in Schutz. Nicht zuletzt umfasst die Schar der Bewunderer von Pfitzners zentralem Werk Palestrina so illustre Namen wie den schon erwähnten Gustav Mahler und Arnold Schönberg, aber genauso Größen wie Thomas Mann, Bruno Walter, Dietrich Fischer-Dieskau, Hans Hotter, Christian Thielemann. Uraufführungsdirigent Bruno Walter sprach buchstäblich von einem »Gipfel im musikalischen Schaffen unserer Epoche«. Dass diese Oper mittlerweile weltweit dennoch so selten auf den Spielplänen zu finden ist, hat mit den Besetzungsrespektive Dispositionsherausforderungen zu tun: Ein gut vierstündiges Werk mit 39 (!) solistischen Rollen plus Chor und großem Orchester muss erst einmal in den alltäglichen Probenprozess einge-

passt werden. Auch diesbezüglich zeigt sich die Praxisferne Pfitzners, die dem Fortleben der eigenen Schöpfungen im Wege steht.

Die Handlung selbst passt zum erwähnten hochromantischem Weltverständnis des Komponisten – der in diesem Fall auch sein eigener Textdichter war: Zentrales Thema ist das Mysterium der künstlerischen Inspiration. Als Voraussetzung für diese wird hier der Rückzug des kreativ Tätigen in seine eigene innere Welt beschrieben, die im scharfen Gegensatz zum lauten Getriebe der äußeren Wirklichkeit steht. Erzählt wird vor dem Hintergrund des Tridentinischen Konzils die Legende des Renaissancekomponisten Giovanni Pierluigi Palestrina (das Palestrina weist auf die Herkunft aus dem gleichnamigen italienischen Städtchen hin), der, wenn auch unter fremden Zwang, in einer schöpferischen Ekstase jenes Meisterwerk schafft (die hier nicht namentlich erwähnte Missa Papae Marcelli), mit dem er eine ganze Musiktradition vor dem Untergang bewahrt. Historisch gesehen darf man nur wenig für bare Münze nehmen, denn außer den handelnden Personen ist wenig tatsächlich so geschehen wie hier beschrieben –aber nicht von ungefähr nennt Pfitzner das Stück ja eine »Musikalische Legende«.

KURZINHALT

Der gefeierte Komponist Palestrina hat nach dem Tod seiner Frau jede Inspiration verloren und laut seinem Schüler Silla außerdem noch den Anschluss an die neue, aus Florenz kommende Richtung der Musik verpasst. Doch der mächtige Kardinal Carlo Borromeo sucht den vereinsamten Palestrina dennoch auf, um ihn mit einer Messkomposition zu beauftragen. Diese soll den Papst überzeugen, die Tradition der Mehrstimmigkeit beizubehalten und nicht aus der Kirche zu verbannen. Zwar weist Palestrina den Auftrag zurück, lässt sich aber, alleingeblieben, von einer nächtlichen Vision zu einem Schaffensprozess inspirieren: Nachdem ihm berühmte, verstorbene Komponisten seine Verantwortung für die Musik vor Augen geführt haben, diktieren Engelsstimmen sowie jene seiner Frau die geforderte Komposition. Palestrina muss sie nur noch niederschreiben. Am nächsten Morgen findet sein Sohn Ighino die verstreuten Notenblätter und nimmt sie an sich.

Am selben Tag findet die Schlusssitzung des Tridentiner Konzils statt, auf dem sich die unterschiedlichen Parteien der Kirchenvertreter und Fürsten ein weiteres Mal in die Haare geraten. Was die Messkomposition betrifft, vertröstet Carlo Borromeo das Konzil.

Um seinen Vater zu retten, der mittlerweile ins Gefängnis geworfen wurde, um auf diese Weise zur Komposition gezwungen zu werden, hat Ighino die losen Notenblätter beim Kollegium abgegeben. Nun kann die Messe in der päpstlichen Kapelle erklingen. Die Aufführung löst beim Papst und den Kardinälen einen tiefen Eindruck aus. Palestrina wird aus dem Gefängnis entlassen und der Papst sucht den Komponisten persönlich in seinem Heim auf, um ihn zu ehren. Schließlich bleibt Palestrina, in Gedanken versunken, allein zurück. Er weiß, dass er sein Lebenswerk nun vollendet hat.

EIN SCHAUMBAD IN MOLL

CHRISTIAN THIELEMANNN
Fotos MATTHIAS CREUTZIGER

Nur wenigen gelingt es, noch zu Lebzeiten –und in diesem Fall sogar sehr frühzeitig – zur Legende zu werden. Er jedenfalls ist es: Christian Thielemann. Allein die Nennung seines Namens sorgt für ausverkaufte Häuser, wenn er ans Pult tritt, erwarten sich Musikfreundinnen und -freunde stets ein Fest. Was an der Wiener Staatsoper mit einer Così fan tutte -Vorstellung im Jahr 1987 begann, wurde zu einer großen künstlerischen Freundschaft, ja, Partnerschaft. Premieren und Wiederaufnahmen, aber auch Repertoire-Abende – inzwischen in Summe fast 70 Aufführungen – schenkten sich Dirigent und Haus gegenseitig. 2023 erhielt Christian Thielemann schließlich die höchste Auszeichnung, die die Wiener Staatsoper zu vergeben hat: die Ehrenmitgliedschaft. Nach den Dirigaten von u.a. Die Frau ohne Schatten, Der Ring des Nibelungen, Tristan und Isolde, Hänsel und Gretel, Parsifal, Lohengrin und Die Meistersinger von Nürnberg leitet er im Dezember nun Hans Pfitzners im Haus am Ring lange nicht mehr gespielte Oper Palestrina. Im Gespräch mit Andreas Láng und Oliver Láng spricht er über die Einsamkeit im Schaffensprozess, die Karikatur in der Palestrina-Musik und beantwortet die Frage, ob es für ihn eine finale künstlerische Wahrheit gibt.

ll Anfänglich warfen Stimmen dem Komponisten Hans Pfitzner »Modernismus« vor, später nannten ihn viele einen Konservativen. Was war er nun eigentlich? Wie könnte man einem Opernneuling Pfitzner in wenigen Sätzen beschreiben?

ct Ich empfinde ihn harmonisch weit über Richard Strauss hinausgehend – mit Ausnahme von Werken wie Elektra oder manchen Passagen in Die Frau ohne Schatten. Ganz allgemein ist Pfitzner in seiner ganzen Tonsprache sehr viel herber, weniger gefällig. Das liegt auch an den Sujets: einen Rosenkavalier hat er halt nie vertont, auf so etwas hat er sich nie eingelassen. Was sie beide, also Pfitzner und Strauss, verbindet, ist ein unglaubliches Gespür fürs Theater.

ll Und wie ließe sich Palestrina kurz umreißen? Das Werk besteht ja aus vielen Facetten, vom Ringen eines Künstlers bis zur Komödiantik, wie etwa manche Passagen im zweiten Akt zeigen.

ct Palestrina ist ein Künstler-Drama. Und es ist ein Werk voller Kontraste. Wir erleben im ersten Akt Palestrinas Selbstzweifel, die Erscheinungen der alten Meister, diese ungeheure Mess-Szene – fast Wagner’sche

HANS PFITZNER

logen, der sich nur Sorgen um die täglichen Diäten macht. Selbst die Prunksucht des gar nicht anwesenden habsburgischen Kaisers Ferdinand I. wird durch eine bewusst simpel-pompöse Leitmotivik karikiert. Jede Person im Dunstkreis des Tridentiner Konzils erhält von Pfitzner eine ganz konkrete, unverwechselbare Persönlichkeit und kriegt zugleich ihr Fett ab, alles wird einer schonungslosen ironiegetränkten Kritik unterzogen.

PALESTRINA

5. 8. 12. 15. DEZEMBER WIEDERAUFNAHME

Musikalische Leitung CHRISTIAN THIELEMANN Inszenierung HERBERT WERNICKE

Bühnenbild, Kostüme und Licht HERBERT WERNICKE

Mit u.a. MICHAEL SPYRES / WOLFGANG KOCH / GÜNTHER GROISSBÖCK / MICHAEL NAGY / MICHAEL LAURENZ

KS WOLFGANG BANKL / KS ADRIAN ERÖD / MICHAEL KRAUS / KATHRIN ZUKOWSKI / PATRICIA NOLZ

Ausmaße! Im zweiten Akt gibt es auch, wie Sie sagen, die Karikatur, es ist mitunter geradezu eine Groteske, Slapstick! Dann wird es gewaltsam, es wird geschossen, es gibt Folter… willkommen im richtigen Leben!

Der dritte Akt versucht aus dem eine Synthese zu bilden, wir sind stimmungsmäßig wieder näher beim ersten Akt, und die Oper endet sehr melancholisch. Man hat Palestrina letztlich zur Inspiration gezwungen –und hier sehe ich etwas Zeitloses, Aktuelles. Denn wie oft versucht die Politik, Künstler zu vereinnahmen! Palestrina ist für mich immer eine Warnung: Mach das nicht, bleib unabhängig!

ll Das Karikaturenhafte im zweiten Akt beschert uns überdies präzise Porträts der Agierenden... ct So wie Wagner oder Richard Strauss besaß auch Pfitzner eine ungeheuerliche Meisterschaft in der Personencharakterisierung – verbrämt mit einer Portion an galligem Humor. Wie er beispielsweise die Wandlung des einflussreichen Kardinals Carlo Borromeo hinbekommt – vom säuselnden Bittsteller, der Palestrina als Komponisten einer alles entscheidenden Messe gewinnen möchte, hin zum absoluten Monstrum, der seine Macht spielen lässt –, das ist einfach großartig! Ebenso die Zeichnung des Kardinallegaten Novagerio als Gemeinheiten verspritzenden, einflussreichen Fiesling, oder des Bischofs von Budoja, der das Konzil als willkommenen Anlass sieht, sich den Genüssen des Lebens auf fremde Kosten hinzugeben, oder des jungen Theo -

ll Die drei Akte sind auch in Bezug auf die Längen sehr unterschiedlich. Der letzte ist im Vergleich zu den vorangehenden erstaunlich kurz.

ct Der erste Akt ist sehr ausführlich –aber da muss die Geschichte, geradezu Parsi fal -haft, erst aufgefächert werden, denn schließlich soll das Publikum verstehen, mit wem man es zu tun hat. Der zweite Akt ist kürzer – und wirkt zudem durch die Drastik der Ereignisse geraffter. Geradezu kurzweilig! Der dritte Akt ist sehr kurz, aber unglaublich schön! Ich habe ihn für mich »Schaumbad in Moll« getauft, er gehört zum Tollsten, das je geschrieben wurde. Dieser Schluss, wenn Palestrina an der Orgel sitzt und diese verklingt… das geht einem doch sehr zu Herzen! Diese Längendramaturgie empfinde ich als gelungen, denn nach dem ersten, einführenden Teil wird das Publikum hin zu einer Kurzweiligkeit und Kürze in den nachfolgenden Akten geführt.

ll An der Wiener Staatsoper wurde Palestrina 1919 erstmals aufgeführt –unter der Leitung des Komponisten. Es folgten noch etliche Produktionen, die aber alle nicht sehr oft gegeben wurden. Auch erklangen im Haus am Ring seine anderen Opern, verschwanden aber nach und nach vom Spielplan. Woran liegt das? Warum ist Palestrina eine Rarität?

ct Das hat auch mit der Struktur der Musik zu tun. Wenn man das Werk gut kennt und aufmerksam mitgeht, dann empfindet

»Es

weiß natürlich jeder aus eigener Erfahrung, dass man mit manchen großen Fragen mutterseelenalleine ist. Da nutzt es nichts, in einer Gesellschaft aufgehoben zu sein, sich mit vielen gut zu verstehen.«

man es als sehr melodiös. Wenn diese genaue Kenntnis aber fehlt, und das ist bei den Werken von Pfitzner oft so, dann empfinden manche die Musik als schwierig. Doch das ist beim späteren Strauss – etwa bei Capriccio – auch nicht anders. Vieles ist ja sehr eingängig, der Beginn mit Ighino ist fast zum Mitsingen! Und der Borromeo-Auftritt: ungemein spannend! Die visionäre Szene mit den Meistern: sowas von unglaublich gut! Aber: Das Publikum muss sich ziemlich

ct Ja, genau! Pfitzner wollte sich selbst so als eine Idealität darstellen. Ich verehre seine Musik, aber meine Kritik lautet: Manchmal wirkte er unnachgiebig und verkrampft. Er hätte generöser sein können. Man sagt, dass er bei Dirigenten, die seine Werke geleitet haben, gefürchtet war. Denn er saß während der Proben im Zuschauerraum und kommentierte laufend: Alles zu langsam, alles zu schnell, da kein Ritardando, dies geht doch nicht und das auch nicht. Hier

»Ich habe einiges von Pfitzner dirigiert und mich oft gewundert, wie unglaublich zukunftsweisend er beispielsweise instrumentiert hat. Wie gesagt – Pfitzner sah im Opern-Palestrina sein Alter Ego.«

konzentrieren. Palestrina ist kein Stück, das man einfach so hören kann. Palestrina ist nicht Carmen oder La bohème oder womöglich sogar Lohengrin

ll Der Komponistenkollege Arthur Honegger sprach von einer »musikalischen Überlegenheit« des Palestrina . Ist es das, was das Werk herausfordernd macht?

ct Es gibt diese wunderbare Geschichte einer Begegnung zwischen Pfitzner und Strauss. Pfitzner klagt über seine Schwierigkeiten beim Komponieren des zweiten Akts von Palestrina, und Strauss antwortet lakonisch: »Warum komponieren Sie ihn dann, wennʼs Ihnen so schwerfällt?« Genau das illustriert Pfitzners Zugang. Er hat sich in seinem Herumüberlegen und Ringen schon auch als sehr wichtig und bedeutsam gefühlt. Strauss aber gewann mit seinem zupackenden Theaterinstinkt und seinen Sujets etwas, das Pfitzner letztlich verwehrt blieb: die große Popularität. Pfitzner hing überdies einem Geniebegriff nach, wie er damals schon etwas angekratzt war, nämlich, dass Inspiration und Genie gleichsam vom Himmel kommen müssen. Denken Sie mal, wie Strauss 1915 – da war er schon über 50 Jahre alt! – anlässlich der Uraufführung seiner Alpensinfonie meinte: »Jetzt endlich habʼ ich instrumentieren gelernt!« Pfitzner hätte so etwas nie gesagt!

ll Das ist es, was Strauss meinte, als er Pfitzner einmal pointiert-kritisch als »der ist so ideal« beschrieb.

möchte ich noch einmal Strauss gegenüberstellen, der in solchen Fällen entspannter war. Gewissermaßen: »Ach, wenn die Sängerin das nicht singen kann, streichen wir einfach zehn Takte...«

ll Von John Steinbeck ist der Ausspruch überliefert, dass im Moment des Schöpferischen jeder einsam ist. Palestrina geht im ersten Akt mit seiner Feststellung, dass »das Innerste der Welt Einsamkeit sei«, über diesen Gedanken sogar noch hinaus. Keine sehr optimistische Weltsicht, oder?

ct Es weiß natürlich jeder aus eigener Erfahrung, dass man mit manchen großen Fragen mutterseelenalleine ist. Da nutzt es nichts, in einer Gesellschaft aufgehoben zu sein, sich mit vielen gut zu verstehen. Freunde und Verwandte können bestenfalls Tipps geben, die letztgültige Entscheidung muss der Einzelne selbst treffen. Das meint Palestrina respektive Pfitzner an dieser Stelle. Ich habe das Werk einmal mit Peter Schreier gemacht, der damals nachdrücklich bestätigte, gerade diesen Satz Palestrinas gut nachvollziehen zu können und ähnliche Depressionen – so nannte er es –ebenfalls schon durchlebt zu haben. Worauf ich ihm erwiderte, dass ich das Werk aber nicht aus einem Geist der Depression heraus dirigieren möchte, sondern die Vielschichtigkeit dieser Oper erhalten will. Wie wunderbar sind doch das »In dir, Pierluigi, ist noch ein hellstes Licht« in der Szene der

Erscheinung der alten Meister und Lukrezias »Nah bin ich dir im Friedenslicht«, oder das herrliche Rom-Thema am Schluss: Da hat Pfitzner dem Affen dann doch Zucker gegeben! Wie kontrastierend erscheinen zum ersten Akt der meistersingerhaft-spritzige, komödiantische zweite Akt und der im Letzten versöhnliche dritte Akt. Sicherlich, am Ende stellt sich Palestrina an der Orgel sitzend wie gesagt nachdenklich zu Recht die Frage, ob man ihn kleingekriegt und gezwungen hat, die Messe zu komponieren, oder ob diese doch ein Ergebnis der künstlerischen Inspiration sei. Die Frage lässt Pfitzner musikalisch gesehen unbeantwortet, schließlich greift er an dieser Stelle wieder Motive des ersten Vorspiels auf. Interessant ist allerdings die Antwort Palestrinas auf die Frage seines Sohnes Ighino, ob er sich freue. Denn diese lautet: »Doch, mein Kind, nur siehʼ bin nicht mehr jung, ich freuʼ mich nicht so laut.« Aber immerhin, wenn auch nicht so laut, freut sich Palestrina offenkundig, ist also irgendwie glücklich. Und das vermittelt doch wirklich nichts Pessimistisches.

ll In der erwähnten Szene der Erscheinung der Meister fällt der Satz »Ein letzter Ton noch fehlet zum klingenden Akkord«, der Palestrina darauf aufmerksam macht, dass sein »Erdenpensum noch nicht getan ist«, er also noch ein Werk zu vollbringen habe. Bedeutet das aber weitergedacht nicht: Irgendwann hat ein Künstler alles gesagt, was er zu sagen hatte?

ct Sicherlich war Bruckner am Ende seines Lebens so müde, dass er das Finale seiner neunten Symphonie, die Aufgabe, die er sich dort gestellt hat, nämlich alle Themen miteinander zu verquicken, nicht mehr geschafft hätte. Aber wenn man physische Gebrechen oder Tod beiseitelässt: Wer weiß, was zum Beispiel von Mozart noch gekommen wäre. Oder von Schubert, von Wagner... Nein, ich denke, dass Pfitzner sich mit diesem Palestrina, dem um ein großes Werk ringenden Künstler, bis zu einem gewissen Grad einfach identifiziert hat, ein Idealbild seiner selbst auf die Bühne gestellt hat. Pfitzner wurde ja als junger Mann ähnlich wie Korngold als der Überflieger gehandelt. Zunächst war Pfitzner sogar angesehener als der fünf Jahre ältere Richard Strauss, und an seinem in Mainz uraufgeführtem tollen Opernerstling Der arme Heinrich erkennt man die Arbeit eines wirklichen he -

rausragenden Komponisten. Doch spätestens ab Salome und Rosenkavalier war das Rennen zugunsten von Strauss entschieden. Dazu kam, dass Pfitzner grundsätzlich kein Sympathieträger war – man muss sich nur die Fotos ansehen, auf denen er vergrübelt beim Klavier sitzt. Er hat sich in seine Ansichten und Ideale verbissen, wollte, wie gesagt, im Gegensatz zu Strauss nie alle Fünfe grade sein lassen und kommt auch in seinen Schriften immer wieder fast diktatorisch daher. Er war überdies ein schlechter Netzwerker und konnte in späteren Jahren nirgendwo richtig Fuß fassen. Ich glaube auch, dass sich zum Beispiel seine antisemitischen Ausritte gegen Schönberg und jene gegen die Zwölftonmusik auch aus dieser Frustration nährten.

ll Eines der Postulate Pfitzners lautete: »Ein Künstler hätte nur Anrecht auf Anerkennung, wenn er auch eine Vorwärtssicht hätte.« Erfüllt Palestrina diese Vorgabe in der Oper mit seiner Messe, seinem letzten großen Werk? Im ersten Akt wird Palestrinas Schreibstil von seinem Schüler Silla als veraltet abgetan. Was ist nun diese Messe? Doch etwas Neues oder ein letzter Gipfel einer alten Welt?

ct Beides – und das ist ja das Schöne. Im Rückgriff auf das Gute kommt die Erneuerung. Also ein Konservativer mit Zukunftsblick, wenn Sie so wollen. Das gilt auch für Pfitzner selbst: Ich habe einiges von Pfitzner dirigiert und mich oft gewundert, wie unglaublich zukunftsweisend er beispielsweise instrumentiert hat. Wie gesagt – Pfitzner sah im Opern-Palestrina sein Alter Ego. ll Gibt es eine künstlerische Wahrheit? Soll diese Messe in dieser Oper als Symbol für eine künstlerische Wahrheit einer bestimmten Zeit stehen?

ct Nein, nein, das sehe ich überhaupt nicht, zumal ich selbst nicht an eine Wahrheit in der Kunst glaube. Wenn ich mich ans Pult stelle, um Palestrina zu dirigieren, erwarten Sie von mir eine persönlich gefärbte Wiedergabe – und das werden Sie auch erhalten. Aber Wahrheit? Ich habe meine eigene Palestrina-Aufnahme von 1997 angehört und finde sie heute passagenweise zu langsam, ich habe mich also weiterentwickelt und bin von meiner früheren Interpretation nicht mehr überzeugt. Den Anspruch auf Wahrheit kann ein Kunstwerk nie erheben.

CHRISTIAN THIELEMANNN Foto MATTHIAS CREUTZIGER

SAG NIE MAESTRO ZU IHM

Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Jendrik

Springer als Studienleiter und musikalischer Assistent mit Christian Thielemann zusammen: An der Wiener Staatsoper, in Bayreuth, Berlin, Salzburg, Dresden und an weiteren wichtigen Musiktheater-Orten. Für Opernring 2 beschreibt er die einzigartige musikalische Arbeit des Dirigenten, die er aus nächster Nähe kennengelernt hat.

Zuallererst: Sag nie Maestro zu ihm. Das rate ich allen Sängerinnen und Sängern, die zum ersten Mal mit Christian Thielemann zusammenarbeiten, gleich zu Beginn. Denn als »Maestro« sieht er sich absolut nicht, lieber ist ihm »Kapellmeister«. Darunter versammeln sich für Thielemann zahlreiche Tugenden, die mit Professionalität, Handwerk und einer großen Ernsthaftigkeit zu tun haben. Das zeigt sich in vielen Aspekten seiner Arbeit. So kenne ich nicht viele Dirigenten, die schon bei Probenbeginn eine Partitur so gut studiert haben wie er. Bei ihm gilt tatsächlich der berühmte Satz: Besser die Partitur im Kopf als den Kopf in der Partitur. Er kann die Stücke buchstäblich auswendig. Nicht fotografisch auswendig, wie man es beispielsweise Daniel Barenboim nachsagt, aber in einer enormen Detailtiefe. So kann er bei Proben mitten in einer

Tutti-Passage etwa ein drittes Fagott auf einen Flüchtigkeitsfehler an einer musikalisch gar nicht einmal exponierten Stelle aufmerksam machen. Wie er das macht? Er weiß es einfach! Er kennt also nicht nur Struktur, wichtige Einsätze und die jeweiligen melodieführenden Stimmen (was zugegebenermaßen für Orchesterleiter ein Muss sein sollte!), sondern beherrscht das Werk bis in die kleinsten Verästelungen. Ein schönes Bild für diese akribische Kenntnis ist für mich die Tristan und IsoldePremiere hier im Jahr 2003. Die Partitur lag vor ihm, jedoch blätterte er im Laufe des langen Abends nicht ein einziges Mal um – und beim Schlussakkord war sie immer noch auf Seite eins aufgeschlagen. Wie aber erwirbt er sich dieses Wissen? In erster Linie am Schreibtisch und am Klavier. Er ist ein guter Pianist und investiert in diese Phase der Arbeit

sehr viel Zeit. Darüber hinaus interessiert er sich für historische Aufnahmen, von denen er immer mal wieder ein Interpretationsdetail übernimmt. Natürlich setzt Thielemann aber voraus, dass alle anderen sich ebenso genau vorbereiten, und das ist in der Zusammenarbeit mit ihm glücklicherweise allermeistens der Fall. Denn gerade, weil alle Beteiligten wissen, wie genau Thielemann ein Werk kennt und wie intensiv er sich vorbereitet hat, will sich niemand eine Blöße im Probenprozess geben. Wenn die Orchesterproben beginnen, legt er größtmögliche Effizienz an den Tag. Oft lässt er ganze Akte einmal durchspielen und unterbricht nicht, ruft aber immer wieder Korrekturen und

zu einzelnen Stellen nicht mit poetischen Bildern durchsetzt, sondern sehr geradlinig und direkt, ich würde sagen: sachlich-trocken im positiven Sinn. Es wird nichts blumig beschrieben, sondern es geht zum Beispiel bei einer Staccato-Stelle darum, wie kurz oder lang die Töne sind, welches Gewicht sie bekommen, aber nicht um eine dichterische Stimmungsbeschreibung. Und nun das wirklich Faszinierende, fast Transzendentale (und ich arbeite seit über 20 Jahren mit ihm zusammen, weiß aber dennoch nicht, wie er das letztendlich erreicht): Obwohl Christian Thielemann hauptsächlich Anweisungen à la lauter/leiser, höher/tiefer, schneller/langsamer gibt, entsteht in der Arbeit wie von

»Auf den Blickkontakt legt Christian Thielemann größten Wert, am liebsten hätte er, dass alle, vor allem auch die Sängerinnen und Sänger, ihn die ganze Zeit anschauen.«

Anmerkungen dazwischen. Erst danach wird chronologisch an einzelnen Stellen gearbeitet. Da geht es in der Regel dann stark um Schlüsselpassagen, schwierige Übergänge und technisch heikle Momente, weniger um ein erneutes komplettes Durchspielen. Wenn nötig, nimmt er Passagen komplett auseinander, lässt durchaus, wenn es spieltechnisch sehr verzwickt ist, sogar einzelne Instrumentengruppen in langsamem Tempo spielen, bis alles ganz sauber und korrekt ist. (Das machen heute übrigens andere Dirigenten leider kaum noch.) Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die rhythmische Genauigkeit, die er stets einfordert. Es gelingt ihm, den Finger auf die Wunde zu legen und sich auch bei den größten und schwierigsten Werken nicht zu verzetteln. Er probt also präzise, fokussiert und mit dem Effekt, dass alle am Ende das Gefühl haben, an einem Stück wirklich intensiv gearbeitet zu haben. Was er nicht macht, ist, am Anfang der Probenarbeit so etwas wie eine allgemeine Ansprache zu halten, in der er das Werk und seine Sicht darauf erläutert. Da ist er absolut der Meinung, dass man einem Opernhaus bzw. Orchester mit entsprechendem internationalen Ruf Beethoven oder Strauss nicht zu erklären brauche. Auch sind seine Anmerkungen und Korrekturen

selbst ein unglaublich atmosphärischer Klang, der alle in den Bann zieht. Das ist natürlich auch das Tolle am Orchester und am Chor der Wiener Staatsoper: Man muss hier keine großen Erklärungen liefern, sondern kann auf dieses enorme künstlerische Potenzial und die Erfahrung zurückgreifen. Gerade darum »funktionieren« diese Musikerinnen und Musiker mit Christian Thielemann so gut, weil sie in der Lage sind, seine Vorstellungen einzulösen – und er wiederum weiß, auf welche große klangliche und technische Qualität er zählen kann. Dass es sich hier um eine Symbiose handelt, merkt man auch an der unmittelbaren Zusammenarbeit: Selbstverständlich bringen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten auch ihre Vorstellungen ein, wenn es beispielsweise um Bogenstriche bei den Streichern geht – und selbstverständlich weiß Thielemann um die hiesige Spieltradition und nimmt auf diese auch Bezug. Vielleicht lässt es sich so formulieren: Als Dirigent gibt er einen musikalischen Rahmen vor, der dann ausgefüllt wird. Er vertraut – zu Recht! – darauf, dass etwa die Soloklarinette eine Phrase einzigartig gestalten wird und gibt dafür ausreichend Raum, aber natürlich innerhalb seines Konzepts. Gleichzeitig, und das ist fast ein Paradoxon, ist es ihm wichtig,

auch Details zu kontrollieren. Als Beispiel: Ich habe in Bayreuth erlebt, dass er das Zusammenspiel in der heiklen eröffnenden Cello-Phrase im Tristan-Vorspiel – fast alle dirigierenden Kolleginnen und Kollegen überlassen es dem Stimmführer, die Cellogruppe bei jedem Tonwechsel »mitzunehmen« – selbst koordinieren will. »Schaut mich an!«, lautet hier sein tatsächlich auch ausgesprochenes Motto.

Damit sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt in seiner Arbeit: dem Blickkontakt. Auf diesen legt er größten Wert, am liebsten hätte er, dass alle, vor allem auch die Sängerinnen und Sänger, ihn die ganze Zeit anschauen. Allfällige Schüchternheiten sind da ganz fehl am Platz. Das ist in den musikalischen Proben kein Problem, bei szenischen hingegen ist es mitunter nicht ganz so einfach, weil dadurch die Blickrichtung der Sänger (also Richtung Dirigentenpult) mehr oder weniger vorgegeben ist. Aber Christian Thielemann will nicht nur, dass ihn alle anschauen – er schaut auch alle an. Und zwar buchstäblich. Er hat seine Augen überall und schafft es, dass jede und jeder Beteiligte (und das können bei einer Wagner- oder Strauss-Oper bekanntlich sehr viele sein) sich persönlich und laufend angeschaut fühlt. Das sorgt für einen höchst intensiven Kontakt, was sich wiederum in einer ungemein organischen Wiedergabe niederschlägt. Übrigens ist es beeindruckend, wie viele Musikerinnen und Sänger genau diese harmonische Verbundenheit und Sicherheit immer wieder bestätigen: Gibt man sich Thielemann in die Hände und vertraut ihm, entsteht eine musikalische Einzigartigkeit und Geschlossenheit, die nicht nur das Publikum, sondern auch die Mitwirkenden selbst in den Bann schlägt. Und nur in einer solchen Umgebung können die teils sehr deutlichen Tempowechsel –denken wir an seine Ritardandi! – bei Vorstellungen so organisch und perfekt ablaufen. Wie etwa ein Karajan ist Thielemann im Probenprozess sehr streng, im Moment der Aufführung aber sehr auf die Sängerinnen und Sänger bezogen und hilft ihnen, wenn sich einmal eine Schwierigkeit einstellen sollte. Wenn es passiert, dass einem Tenor die Kraft ausgeht, dann macht er bis fast zur Selbstverleugnung alles, um dem Sänger irgendwie zu helfen und trägt ihn förmlich durch den Abend.

Hinweisen möchte ich auch noch darauf, dass er bei Proben durchaus anders schlägt als bei Vorstellungen: Bei Proben

mit der rechten Hand sehr deutlich, sehr klar, mit der Linken kommt bei heiklen Stellen immer wieder der warnende Zeigefinger – »Achtung!« – hinzu. Bei Vorstellungen schlägt er dann deutlich kleiner –alle Beteiligten haben ja gut geprobt und es braucht daher auch weniger. Und dieses »Kleiner« hat auch den Effekt, dass man besonders aufpassen muss und sich durch die reduzierte Zeichengebung in der Lautstärke automatisch mehr zurücknimmt. Apropos Lautstärke – ein ganz zentrales Thema für ihn! Für Thielemann ist es essenziell, dass es nicht einfach lautstark durch den Abend geht. Viele Besucherinnen und Besucher kennen seine »wegwischende« linke Hand, mit der er immer wieder sehr deutlich ein Weniger signalisiert. Selbst wenn Fortissimo notiert ist, achtet er darauf, dass sehr differenziert gespielt wird und eine wirklich große Lautstärke nur in den seltensten Fällen zum Einsatz kommt. Zitat Thielemann: »Eigentlich sollte man nicht mehr als eine Stelle pro Akt haben, an der man es richtig krachen lässt«. Aber wenn, dann ist dieses »Krachen-Lassen« ungemein effektvoll, eruptiv, darin kulminiert dann die Spannung eines ganzen Aktes. Das kommt freilich nicht von ungefähr, über die dynamische Gestaltung und den Gesamtbogen denkt er in der Vorbereitungsphase sehr ausführlich nach. Dass das Orchester die Sängerinnen und Sänger nicht übertönen darf – das ist klar, und er zügelt die Instrumentalisten wirklich stark. Doch es geht bei ihm noch weiter. Auch die Sänger sollen sich zurücknehmen, man hört in Thielemann-Abenden sehr viel gesungenes Piano und Pianissimo, was wiederum zur Folge hat, dass die Musikerinnen und Musiker, die in Wien ja bekanntlich besonders gut auf die Bühne achten, noch feiner spielen. Man staunt förmlich, wie einhundert Instrumente so leise und delikat klingen können, wie mit einem silbernen Faden gesponnen. Damit verbunden ist auch eine der wichtigsten Forderungen Thielemanns an die Sängerschaft: die genaue Diktion. Auch andere seiner Kollegen achten darauf, aber dort, wo sie aufhören, fängt er erst an. Das ist für ihn von entscheidender Bedeutung, und er kann – er wird mir den Ausdruck verzeihen – fast schon lästig auf einer gut verständlichen Aussprache beharren. Aber auch hier: Mit gutem Grund, denn die Ergebnisse dieses Beharrens führen zu einer Wortgenauigkeit, die immer wieder aufs Neue fasziniert.

BERTRAND DE BILLY

Fotos MARCO BORGGREVE

MEISTER ALLER FÄCHER

Hausdebüt vor fast 30 Jahren, rund 300 Dirigate an der Staatsoper, ein riesiges Repertoire zwischen allen Stilen und Genres: die Rede kann nur von Bertrand de Billy sein. Der französischstämmige Dirigent ist eine künstlerische Säule des Hauses, ein von allen Abteilungen geschätzter Musiker und beredter Gesprächspartner. Im Dezember leitet er nicht nur die Wiederaufnahme der legendären Les Contes d’Hoffmann­Produktion Andrei Şerbans, sondern auch die unvergängliche Fledermaus. Und erhält die höchste Auszeichnung der Wiener Staatsoper: die Ehrenmitgliedschaft! Was den Wiener Operettenstil unverkennbar macht, was es mit »letzten Werken« auf sich hat und was das Neue an Contes d’Hoffmann war: das erzählt er Andreas Láng und Oliver Láng.

ll Jacques Offenbach schrieb zahllose Operetten und fünf Opern. Immer wieder wird gesagt, dass es bei ihm keine unterschiedlichen Stile für diese unterschiedlichen Genres gab, sondern immer nur einen Offenbach-Stil, egal, ob für Oper oder Operette. Würden Sie dem zustimmen?

bb Ich würde eher sagen: Es gibt Offenbach und es gibt den Les Contes d’Hoffmann-Offenbach, also den Komponisten der letzten Offenbach-Oper. Und diese ist in den von ihm fertiggestellten Teilen in vielem anders als alles zuvor von ihm Geschriebene. Dieses

Phänomen eines letzten, plötzlich »anderen« Werks gibt es übrigens bei etlichen anderen Künstlern auch. Es ist verblüffend zu sehen, wie ein Komponist am Ende seines Opernschaffens plötzlich etwas ganz Neues macht. Denken wir an Verdi mit Falstaff, an Wagners Parsifal , an Rossini mit Guillaume Tell Oder schauen wir in die bildende Kunst: Ich habe in der Albertina vor einigen Jahren in einer Ausstellung die letzten Gemälde von Claude Monet gesehen. Welche Überraschung! Plötzlich malte er wie ein Matisse oder wie Picasso. Verrückt, oder? In diesem Zusammenhang fiel mir eine Studie ein, in der Sterbende

gefragt wurden, was sie im Leben bereuen. Die Antwort war häufig: Nicht genug gelebt zu haben, nicht genug geliebt zu haben und nicht ausreichend das getan zu haben, was man wirklich wollte. Was bedeutet das nun in unserem Zusammenhang? Dass sich

JACQUES OFFENBACH

Musikantentums, und der Jude zum Katholiken, wenn es darum ging, die Frau seiner Wahl heiraten zu können. Hoffmann mäanderte zwischen seinen vielen Begabungen hin und her. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, aber sein Ruhm war dann doch

LES CONTES D’HOFFMANN

13. 16. 19. 22. DEZEMBER

Musikalische Leitung BERTRAND DE BILLY Inszenierung ANDREI ŞERBAN

Bühne und Kostüme RICHARD HUDSON Choreographie NIKY WOLCZ

Mit u.a. JOHN OSBORN / NICOLE CAR / SERENA SÁENZ / ALMA NEUHAUS

ALEX ESPOSITO / THOMAS EBENSTEIN

am Ende eines Schaffens mit einer großen Ehrlichkeit noch einmal zeigt, was Künstler wirklich wollen, was ihnen wichtig ist. Im Falle von Offenbach zeigt sich das in den hinterlassenen Fragmenten von Contes d’Hoffmann! Er sprach noch kurz vor seinem Tod davon, dass er die Uraufführung dieser Oper so gerne erleben würde. Das war ihm leider nicht vergönnt. Aber die von ihm noch fertiggestellten Teile sind sein innerster, ehrlichster Ausdruck.

ll Die Oper bringt den großen deutschen Romantiker E.T.A. Hoffmann ins Spiel. Inwiefern lassen sich Verbindungen von Hoffmann zu Offenbach schlagen?

bb Nun, es ist kein Zufall, dass Offenbach sich von dieser sehr vielschichtigen und auch tragischen Figur angezogen fühlte und vielleicht auch Elemente seiner Persönlichkeit in sich gesehen haben mag. Hoffmann kam ja ursprünglich von der Musik, komponierte und arbeitete als Kapellmeister und sah zunächst das Schreiben nur als Zweitbegabung. Daneben arbeitete er weiter in seinem Justizberuf und widmete sich auch der bildenden Kunst. Er musste sich in seinem Leben immer auf das Härteste durchschlagen. Offenbach dagegen wurde als frühe musikalische Begabung erkannt und von den Eltern auf das Äußerste gefördert. Große Teile seiner Laufbahn verliefen höchst erfolgreich, bis die Zeitumstände ihm gegen Ende seines Lebens gewisse Schwierigkeiten bereiteten. Also bei Vergleichen muss man sehr vorsichtig sein. Die Übereinstimmungen zwischen Offenbach und Hoffmann wären zwar sehr romantisch – aber kaum wirklich belegbar… ll Aber beide waren Genies ihrer Zeit. bb Posthum ist das ja keine Frage; nur Offenbach war zu seinen Lebzeiten wesentlich berühmter und erfolgreicher als Hoffmann. Er machte ja auch ohne Probleme die erstaunlichsten Wandlungen durch, wenn es für seinen Beruf oder sein Privatleben nötig war. Der deutsche Jakob wurde zum französischen Jacques und posthum zum Inbegriff französischen

vor allem ein posthumer. Die Bedeutung und der Einfluss auf die nächsten Generationen weit über das deutsche Sprachgebiet hinaus erlebte er nicht einmal im Ansatz!

ll Und dann Offenbachs Verwandlung am Ende, bei Contes d’Hoffmann : Was macht das Werk so außergewöhnlich, was ist das Neue, das man erlebt?

bb Es ist schon eine große Tragik, dass es Offenbach nicht vergönnt war, die Gesamtkonzeption zumindest in vollständiger Skizze zu hinterlassen. Der wichtigste, nämlich der letzte Akt, existiert ja nur im Libretto, das der Zensurbehörde vorgelegt werden musste, aber musikalisch ist so gut wie nichts da. Das öffnet natürlich weit das Tor für alle Spekulationen: Vielleicht ist es ein Resümee seines Schaffens? Oder sehen wir die Oper als Don Giovanni-Fortsetzung und zwar in dem Sinne, dass Don Giovanni der große Suchende ist, der dem Phantom der einzig wahren, »idealen« Partnerin nachjagt und verschiedene Facetten – Mutter, Ehefrau, Geliebte, Vertraute, beste Freundin und so weiter – in einer Person finden will? Die unterschiedlichen Frauenfiguren in Contes d’Hoffmann wären, so betrachtet, Anteile einer idealisierten, herbeifantasierten Gesamtperson, von der die Titelfigur träumt. Offenbach wollte möglicherweise so ein allumfassendes Ideal auch musikalisch schaffen: Also alle denkbaren Facetten in einer Oper! Vom Unsinn, den die betrunkenen Studenten in der Weinstube singen, bis hin zur größten Schönheit und zu den tiefsten Emotionen. Natürlich –wie sollte es denn bei Offenbach auch anders sein –ist auch der Humor wesentlich, es gibt Momente in Contes d’Hoffmann , bei denen man herzlich lachen kann, und selbst in den tragischen Momenten bleibt immer ein Augenzwinkern. Jacques Offenbach will in Contes d’Hoffmann alles miteinander versöhnen und zusammenführen.

ll Eine der zentralen Fragen zu dieser Oper ist jene nach der Fassung. Das Werk wurde

von Offenbach nicht vollkommen finalisiert und es existieren mehrere mögliche Spielversionen. Gibt Ihnen dieses Offene mehr Freiheit?

bb Für diese Wiederaufnahme sehe ich es als selbstverständlich, dass wir exakt jene Fassung spielen, die an diesem Haus 1993 zur Premiere gekommen ist. Ich finde Andrei Şerbans Inszenierung nach wie vor eine szenische Lösung, die ausgezeichnet funktioniert. Wir frischen das Ganze auf – aber wir ändern nichts an der Struktur. Interessanterweise bin ich gerade auch inmitten der Arbeit an einem neuen Hoffmann in Berlin. Da arbeite ich mit der Regisseurin seit Monaten an einer eigenen Fassung des Werks. Man muss bei diesen Fassungen natürlich immer auch das Haus mitbedenken, für das eine Neuproduktion entsteht: Wenn es sich um einen Stagionebetrieb oder ein Festival handelt, also ein Theater, das nur eine Aufführungsserie mit nur einer Besetzung spielt, dann kann man sich in puncto Fassung ein bisschen austoben. In einem Repertoiretheater wie der Wiener Staatsoper ist das weniger sinnvoll; da braucht es

hum festgelegt, und uns gilt heute nichts französischer als Offenbach – nur: gibt es das alles wirklich? Die sicherlich bekannteste Nummer der Oper, die Barcarolle –sie stammt bekanntlich aus einer anderen Offenbach-Oper, nämlich aus den Rheinnixen –, könnte man als Vorläufer des musikalischen Impressionismus sehen – denken Sie nur an die Harfenbegleitung! Aber es ist nahezu unmöglich, solche Fragen seriös zu beantworten.

ll Joseph Haydn sagte einmal in Hinblick auf seine Musik: »Meine Sprache verstehet man durch die ganze Welt.« Davon unabhängig gibt es aber trotzdem bei jedem Komponisten nationale Interpretationstraditionen. Man spielt beispielsweise Britten in seiner Heimat nun einmal anders als etwa in Mitteleuropa. Wie sieht es diesbezüglich mit Offenbach aus? Was macht ein französisches Spitzenorchester im Falle von Les Contes d’Hoffmann anders als das Orchester der Wiener Staatsoper?

»Selbstverständlich verlangt das französische Repertoire eine gewisse Transparenz, Flexibilität und oft auch
Leichtigkeit, aber beides steht in keinem Widerspruch zum Wiener Klang.«

eine Version, die möglichst viele internationale Sängerinnen und Sänger beherrschen. Eine Raritätenfassung wäre in diesem Falle unbrauchbar.

ll Sie sprachen darüber, dass Offenbach als Deutscher nach Frankreich kam. Was schrieb er als ehemaliger Schüler des Pariser Konservatoriums? Französische Musik? Was wäre ein Beispiel für die französische Klangwelt in Contes d’Hoffmann?

bb Schauen Sie – das ist so eine Frage, die sich im Grunde gar nicht beantworten lässt, weil sie die historische Entwicklung völlig außer Acht lässt. Was war denn »französische Musik« um 1836, als Offenbach mit seinem Vater nach Paris kam? Die großen Namen waren Cherubini, Rossini, Bellini oder Spontini. Halévy, Offenbachs Lehrer, lernte bei diesen aus dem Ausland zugezogenen Großmeistern. Was man heute als »französisch« bezeichnet, wurde doch post-

bb Ich habe vor wenigen Wochen mit dem Orchestre National de France im Pariser Théâtre des Champs Elysées neben Mozarts Requiem auch Poulencs grandiose Sept Répons des ténèbres aufgeführt. Also französisches Repertoire mit einem französischen Orchester. Natürlich, die ganz spezielle Leichtigkeit, der etwas trockenere Klang – insbesondere bei den Streichern –, den wir da zu Gehör gebracht haben, wird sich andernorts mit einem anderen Orchester so in dieser Form nicht einstellen. Hier in Wien würde dieselbe Musik sicherlich voller und runder klingen. Aber macht das etwas? Nein – ganz im Gegenteil! Ich vermisse mittlerweile geradezu schon diesen schönen runden, warmen Klang, wenn ich nicht in Wien bin. Selbstverständlich verlangt das französische Repertoire eine gewisse Transparenz, Flexibilität und oft auch Leichtigkeit, aber beides steht in keinem Widerspruch zum Wiener Klang. Ich konnte

zuletzt an der Wiener Staatsoper unter anderem Roméo et Juliette, Faust, Dialogues des Carmélites und Guillaume Tell machen –und es hat mir größte Freude bereitet. Das Orchester weiß durch die lange Zusammen-

JOHANN STRAUSS

Elemente aus dem Belcanto-Repertoire oder noch ein Dutzend anderer Einflüsse. Aber eine Persiflage des Ancien Régime finden wir beispielsweise auch schon in Mozarts Le nozze di Figaro – Ironie war sicher keine

DIE FLEDERMAUS

31. DEZEMBER 1. 4. JÄNNER

Musikalische Leitung BERTRAND DE BILLY Inszenierung OTTO SCHENK

Bühne GÜNTHER SCHNEIDER-SIEMSSEN Kostüme MILENA CANONERO

Choreographie im 2. Akt »Unter Donner und Blitz« GERLINDE DILL

Mit u.a. GEORG NIGL / HANNA-ELISABETH MÜLLER / KS WOLFGANG BANKL / DARIA SUSHKOVA

JÖRG SCHNEIDER / KS CLEMENS UNTERREINER / ANDREA GIOVANNINI / ILIA STAPLE

ILEANA TONCA / MICHAEL NIAVARANI

arbeit, was mir wichtig ist, und ich kenne die hiesige Tradition, die ich in die Interpretation ganz selbstverständlich mit einbinde. Das Ergebnis war französische Musik, der etwas Wiener Charme beigemengt war. Ist doch fantastisch, oder? Und was Offenbach betrifft – nun, er war ja, wie gesagt, gebürtiger Deutscher. So wie sein Vater – übrigens ein mehr als passabler Geiger –, von dem er viel musikalisches Wissen aufgenommen und dann mit den eigenen Erfahrungen am Pariser Konservatorium und als Cellist in der Opéra-Comique vereinigt hat. Diese unterschiedlichen Quellen spiegeln sich nicht zuletzt auch in Les Contes d’Hoffmann.

ll Das führt uns direkt zur Fledermaus. In Wien hört man unentwegt, dass der Einfluss von Offenbach auf den Wiener Johann Strauß unverkennbar wäre. Dass aber auch Rossini, Donizetti und Bellini – gerade in der Fledermaus – Spuren hinterlassen haben, wird viel seltener erwähnt. Welcher Einfluss überwiegt nun tatsächlich: Der von Offenbach oder jener der drei Italiener, deren Werke Strauß mit seiner Kapelle zumindest ausschnittsweise regelmäßig zum Besten gab?

bb Die drei Italiener haben mindestens im selben Ausmaß Offenbach beeinflusst wie Strauß! Das ist schon wieder so ein beliebter wie oberflächlicher Vergleich, den heute jeder meint, geradezu suchen zu müssen. Die Entwicklung von Musik entstand ja nicht in einem aseptischen Raum und ist vor allem auch ein Produkt ihrer Zeit! Natürlich sind die Karikatur und Selbstironie, die wir bei Offenbach finden, ein ebenso wichtiger Bestandteil in Straußʼ Werk wie gewisse

Erfindung der französischen Operette. Ich glaube jedenfalls nicht, dass uns Interpretierenden oder auch dem Publikum eine musikalische Genanalyse – soundso viel Prozent Offenbach, soundso viel Rossini sind in der Fledermaus zu finden – sehr viel bringt. Das ist eher etwas für die Theorie, für die Musikwissenschaft und oftmals gar nicht ernsthaft beantwortbar. Ich weiß aus zahlreichen Gesprächen mit zeitgenössischen Musikschaffenden, dass Feststellungen wie »Diese Stelle in deinem Stück erinnert mich an folgende frühere Komponisten« nicht sehr gern gehört werden. Jeder Komponist, jede Komponistin betont die Authentizität der eigenen Musiksprache –und das zu Recht! Dass sich aber ausnahmslos alle auch von anderen Kolleginnen und Kollegen inspirieren lassen, versteht sich von selbst: niemand fängt bei Null zu komponieren an, es gibt kein kulturelles Niemandsland. Und gerade jemand wie Strauß, der mit seiner Kapelle ein überaus breites Angebot von Bearbeitungen populärer Neuheiten aus den unterschiedlichsten Federn präsentiert hat, wusste über die verschiedensten musikalischen Strömungen bestens Bescheid. Wichtig ist aber das Endergebnis dieser Einflüsse und das, was ein musikalisches Genie daraus gemacht hat. Und da gilt: Strauß ist Strauß, Offenbach ist Offenbach, Mozart ist Mozart –und das jeweils unverkennbar. ll Nun bedarf es, um alle Feinheiten eines Werkes berücksichtigen und aufgreifen zu können, nicht nur einer sehr genauen Kenntnis der Partitur, sondern auch des jeweiligen Musikstils. Sie gelten, obwohl gebürtiger Franzose, unbestritten

als Strauß-Experte. Wann bzw. wo wurden Sie gewissermaßen als Wiener sozialisiert?

bb Zunächst in der Wiener Volksoper, wohin mich ein gnädiges Schicksal direkt aus der deutschen Provinz verschlug und wo legendäre Dirigenten wie damals Rudolf Bibl und auch heute noch Alfred Eschwé wirkten. In meiner Zeit als stellvertretender Musikdirektor der Wiener Volksoper verfolgte ich dort unter anderem zahllose Operettenvorstellungen unter der Leitung solcher Könner und lernte dabei ungemein viel: Von Bibl z.B., wie man mit möglichst wenig Aufwand ein Maximum an Ergebnis bewirken kann, und von Eschwé die Beherrschung des Stils. Mein praktisches Eintauchen in diese Welt geschah dann im Zuge meiner ersten eigenen FledermausDirigate an dieser Bühne. Ich durfte mit wundervollen Besetzungen zusammenarbeiten, die dieses Genre, diese Musik aus dem Effeff beherrschten und wo ich schon bei jeder szenischen Probe ungemein profitieren durfte: Alfred Šramek, Adolf Dappalozza, Kurt Schreibmayer, die viel zu früh verstorbene Elisabeth Kales, Peter Minich u.v.a. Dazu kam noch Heinz Holecek als Frosch – der mich allerdings in der ersten Vorstellung durch seine Extempores an den Rand der Verzweiflung brachte. Holecek hatte mir zwar ein gedrucktes Exemplar seines Sprechtextes ausgehändigt, hielt sich aber während der Auffüh-

rung kaum eine Sekunde lang an die Vorlage und improvisierte unentwegt vor sich hin. Ich hatte demzufolge keine Ahnung, wo und wann ich mit dem Orchester einzusetzen hatte. Verloren blätterte ich in dem Textbuch vor und zurück – sehr zum Gaudium der Musikerinnen und Musiker –, bis sich die Konzertmeisterin meiner erbarmte und mir zuflüsterte, dass sie mir das jeweilige Zeichen zum Einsatz schon geben würde – was dann auch geschah und gut funktionierte. Das war anfangs auch eine harte Schule, aber sie hat mich in kürzester Zeit mit diesem Repertoire vertraut gemacht. Jahre später – ich hatte die Fledermaus in der Zwischenzeit schon des Öfteren an der Wiener Staatsoper geleitet – sollte ich bei einem Konzert in Monte-Carlo unter anderem die Fledermaus -Ouvertüre dirigieren. In den Proben habe ich mir den Mund fusselig geredet, um dem dortigen Orchester die Verzögerung der dritten Viertel im Wiener Walzer zu erklären. Es hat nichts geholfen und wir haben schließlich die Ouvertüre im Konzert weggelassen. Fazit: Es ist offenbar deutlich einfacher, die französische Leichtigkeit mit einem österreichischen Orchester zu realisieren als den Wiener Walzer in Frankreich.

KOLORATURWUNDER & OPERNTOD

SPANNENDE ROLLENDEBÜTS BEI DER HOFFMANN -WIEDERAUFNAHME

Rechts: SERENA SÁENZ Foto DOVILE SERMOKAS

Links: NICOLE CAR Foto YAN BLENEY

Wie ist es, wenn man ein weltweites Rollendebüt gibt, also eine Partie zum allerersten Mal vor Publikum singt? Schmeckt es nach besonderer Freiheit, weil es sich um persönliches Neuland handelt? Ist man ein bisschen nervöser? Und muss man im Falle von Offenbachs Les Contes d’Hoffmann als Sängerin die dunkel-obskuren Welten der deutschen Romantik kennen? Fragen, denen sich die beiden Sopranistinnen

Nicole Car und Serena Sáenz im Interview mit Oliver Láng stellen. Denn beide Sängerinnen geben bei der Wiederaufnahme von Les Contes d’Hoffmann am 13. Dezember wichtige Rollendebüts: Car als Antonia, Sáenz als Olympia und Giulietta. Und beide sind dem Wiener Publikum wohlbekannt: Car sang auch in Wien schon ein breites Repertoire zwischen Mozart, Gounod und Tschaikowski, zwischen Puccini, Verdi und Poulenc. Und Serena Sáenz ließ die musikalischen Herzen als koloraturenverströmende Zerbinetta in Ariadne auf Naxos, als Blonde in der Entführung und als Lauretta in der Premiere von Gianni Schicchi höherschlagen. In Andrei Şerbans berückend-fantastischer Hoffmann-Inszenierung stehen sie nun erstmals gemeinsam auf der Staatsopernbühne.

l Antonia, Olympia und Giulietta sind Rollendebüts für Sie. Wie nähern Sie sich einer solchen ganz neuen Partie an? Steht der Text am Anfang des Studiums? Eine CD-Aufnahme? Oder ist es gleich der Blick in die Noten?

c Ich fange mit dem Text und mit der Handlung an. Ich möchte wissen, woher meine Figuren kommen, welche Reise sie antreten, wohin sie gehen. Diese Kenntnis ist für mich zentral, bevor ich mich musikalisch intensiv auf eine Rolle einlasse. Im Fall von Antonia: Für mich ist das eine fantastische Rolle, weil Französisch meine starke zweite Sprache ist. Daher verstehe ich die vielen Nuancen, die der Text enthält, genau und kann sie entsprechend herausarbeiten. Ein weiterer wichtiger Schritt im

Studienprozess ist für mich, dass ich mir ältere Aufnahmen anhöre. Ich will wissen, was schon einmal gemacht wurde – und wie.

s Bei mir findet der erste Zugang über die Musik statt: Ich höre mir ein bis zwei Aufnahmen, die ich besonders schätze, an, dann kommt der Griff zu den Noten – und parallel dazu studiere ich das Libretto. Erst dann beginne ich, mit einem Pianisten im Detail an der Rolle zu feilen. Das alles ist aber eine so schöne Arbeit, vor allem im Falle von Contes d’Hoffmann! Denn es handelt sich um eine meiner Lieblingsopern! Die Musik ist so toll! Ach, ich wäre so gerne ein Tenor, um die Titelrolle singen zu können! (lacht)

l Empfinden Sie eine größere Freiheit, wenn Sie eine solche ganz neue Partie singen? Im

Sinne von: Es gibt keine Altlasten aus anderen Produktionen, keine bereits bekannten Wege. Sondern: Es ist wie eine unbetretene Schneefläche, die man nun erstmals betritt. Andererseits ist ein Debüt herausfordernder als eine zuvor vielfach gesungene Rolle. s Ja, es ist immer eine besondere Herausforderung. Weil vieles einfach noch neu und ungewohnt ist. Im Idealfall will man sich bei Auftritten ja ausschließlich auf Gefühl und Ausdruck konzentrieren. Doch dann funkt bei Debüts das Unterbewusstsein plötzlich lästige Fragen dazwischen, etwa: Kannst du den Text noch? Wohin musst du als nächstes eigentlich gehen? Und was hat dein Kollege gerade gesagt?? Man ist an solchen Abenden also auch mit diesen kleinen Dämonen beschäftigt, die für ein Plus an Nervosität sorgen. Aber natürlich ist eine neue Rolle vor allem ein Vergnügen! Weil man eine neue Welt kennenlernt.

c Genau, es gibt bei Debüts Herausforderndes und Positives. Das Gute ist, dass eine neue Partie tatsächlich wie ein unbeschriebenes Blatt Papier ist.

Keine misslungene oder fantastische Inszenierung im Hinterkopf, die einen beeinflusst. Man ist offen für alles, was die Inszenierung und der Dirigent von einem wollen. Prinzipiell ist das Neue enorm wichtig in der Kunst, denn es hält uns auf Trab. Denn wer will schon nur eine Rolle eine Million Mal singen?

l Wie weit muss man sich auf die E.T.A. Hoffmann-Welt und die deutsche Romantik einlassen, um die Oper zu verstehen? Wie viel Wissen braucht es?

c Es ist ein bisschen wie bei Faust, oder? Man kann das Goethe’sche Original lesen – und dann merkt man, dass Margarete im Gesamten betrachtet nur ein eher kleiner Aspekt ist. Also, für mich als Künstlerin und vom intellektuellen Anspruch her ist jedes zusätzliche Wissen wichtig und spannend. Ich liebe es einfach, Dinge, die mit dem Werk zu tun haben, zu wissen. Für das Publikum hingegen kann Contes d’Hoffmann einfach eine fesselnde Geschichte sein. Man muss nicht unbedingt alle Hintergrundaspekte kennen, um die Handlung zu verstehen.

NICOLE CAR als TATJANA in EUGEN ONEGIN
Foto MICHAEL PÖHN

SERENA SÁENZ als BLONDE & LUDWIG BLOCHBERGER als PEDRILLO in DIE ENTFÜHRUNG

AUS DEM SERAIL

s Zumal ich finde, dass Contes d’Hoffmann ein Werk ist, das sich leicht vermittelt. Wir haben die drei großen Bilder, die jeweils für sich sehr klar ausgestaltet sind. Es bleiben keine gewichtigen offenen Fragen in der Handlung, die einer Klärung bedürfen.

c Das Schöne ist zusätzlich, dass die Handlung, sofern man sich auf das Surrealistische einlässt, offen für viele Interpretationen ist. Sind die drei Frauenfiguren nur Facetten einer Frau, die Hoffmann liebt? Da steckt viel Psychologie jenseits einer einfachen Schwarz-Weiß-Zeichnung dahinter!

l Olympia ist bekanntlich ein Automat. Insofern muss man das im Theater üblicherweise Unumgängliche, nämlich eine Figur mit Leben zu erfüllen, in diesem Fall hintanstellen.

s Das stimmt. Daher finde ich es sehr passend, wenn man hinter die Figur eine kleine »Choreographie« legt, die das Technische sogar noch hervorhebt. Denn Olympia ist eben ein Roboter und kein Mensch, eine zu persönliche Bewegungssprache würde das verunklaren. Musikalisch hat die berühmte Arie ja auch etwas ungemein Technisches, Mathematisches. Offenbach wollte hier ein Koloraturjuwel, wollte die stimmliche Brillanz auf die Spitze treiben und die Aura des Unmöglichen erzeugen, im Sinne von: Nur ein Automat kann solche Töne erzeugen! Abgesehen davon: Wenn es für mich hier sehr klare szenische

Strukturelemente gibt, an denen ich mich orientieren und sogar anhalten kann, hilft mir das beim Gesang. Denn in der Arie hat man stimmlich wirklich genug zu tun!

l Sie singen auch die Kurtisane Giulietta, eine Partie, die immer wieder mit einem Mezzosopran besetzt wird.

s Für mich persönlich ist es spannend, zwei Figuren zu singen, die einen doch sehr deutlichen Kontrast bieten. Es stimmt, dass Giulietta oft auch von einem Mezzo übernommen wird. Dabei ist aber zu beachten, dass es eine Fassung von Contes d’Hoffmann gibt, in der sie eine wilde, hohe Koloraturarie zu singen hat. Zwar gibt es diese Arie in unserer Wiener Fassung nicht, aber es stellt die Dimension der Rolle unter Beweis und zeigt, dass es durchaus einen Sinn hat, Giulietta mit einem Sopran zu besetzen. Ich persönlich finde ja ohnedies, dass die Barcarolle, gesungen von einem Sopran und einem Mezzo, klanglich reizvoller ist. Denn Nicklausse ist ja auch ein Mezzo, und Sopran-Mezzo bietet einen schönen Kontrast.

l Die dritte große Frauenrolle ist Antonia, eine Künstlerin. Das ergibt eine spannende Dopplung: Eine Sängerin stellt eine Sängerin dar.

c Und das macht das Ganze so interessant! Wir haben hier mehr als nur eine unerfüllte Liebesgeschichte, es gibt viele weitere Ebenen: Antonia darf nicht singen, weil sie am Gesang stirbt. Das bedeutet, dass sie die ganze Zeit gegen etwas kämpft, das sie liebt und das ihr ein Bedürfnis ist. Wenn sie der Sehnsucht aber nachgibt, bedeutet es ihr Ende. Es geht also buchstäblich um Leben und Tod. Hier treffen sich Surrealismus, Fantasie und harter Realismus in einer bemerkenswerten Mischung. Aber es ist mehr als in vielen anderen Opern. Denn im übertragenen Sinn geht es bei uns Sängern und Sängerinnen auch immer um die Existenz. Nicht um die physische, aber um jene als Künstlerin. Denn an zwei winzig kleinen Muskeln, den Stimmmuskeln, hängt unser künstlerisches Dasein, und das ist mehr als nur ein berufliches. Ich glaube, bei uns allen schwingt immer eine Angst mit, dass eines Tages diese Muskeln nicht funktionieren könnten. Schon bei der ersten Zeile, die Antonia singt, erschöpft sie sich – und dennoch macht sie weiter. Damit ist sie aber auch das Bild der sich für ihren Beruf aufopfernden Sängerin, eine, die nicht anders kann, die berufen ist. Obwohl sie weiß, was vernünftig wäre, kann sie sich einfach nicht helfen und muss singen – und daher sterben. l Antonia geht an der Kunst zugrunde. Das kann man – wenn auch weniger drastisch und allgemeiner betrachtet – als Bild für die Überforderung durch das Unbedingte in der Kunst lesen. Muss man sich selbst Grenzen setzen, um nicht an der Intensität zu verglühen?

s Ich würde sagen, es ist wie beim Kochen. Wenn man von einer Zutat zu viel nimmt, bekommt man Bauchschmerzen. Genau wie im Leben, genau wie in der Kunst. Wenn wir uns zu viel und einseitig nur mit den Bühnenfiguren, deren Fragen und Philosophien auseinandersetzen, verlieren wir den Sinn für die Realität. Wenn also eine Person immer nur auf der Suche nach einem Mehr ist, sich immer noch tiefer in die Bühnenwelt versenken will und einen Sinn sucht, den sie im echten Leben vermisst, dann ist es einerseits wunderbar. Aber: Man kann nicht sein ganzes Leben wie auf einem LSD-Trip sein, sonst verliert man den Kontakt zur Realität. Daher: Intensives Theaterleben: ja! Aber in Maßen. Und nie vergessen, ins echte Leben zurückzukehren. Und das jeden Tag! c Das betrifft das Thema seelische Gesundheit – und das ist eine ganz wichtige Frage auch in unserem Beruf. Für jede von uns gibt es Zeiten, in denen sehr viel, manchmal zu viel, zu tun ist. In solchen Fällen muss man sich auf das Wesentliche besinnen. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass

Künstlerinnen nicht nur ein Projekt haben, sondern gleichzeitig in unterschiedlichen Zeitzonen leben: Während man aktuell eine Opernproduktion macht, bereitet man ein oder zwei weitere vor und redet über zusätzliche Projekte in der Zukunft. Da ist es klar, dass sich Künstler mitunter überfordert fühlen. Das war wahrscheinlich schon immer so, nur wurde früher nicht oder wenig darüber gesprochen. Glücklicherweise ist es heutzutage zum Thema geworden. Wir können also über Strategien sprechen und darüber, wie man mit dem Druck umgeht. Oder auch zugeben, dass wir mitunter ängstlich sind. Vergessen wir nicht, was alles in der Aufführungssituation durch unseren Körper schießt und unsere mentale Gesundheit beeinflusst: Adrenalin, Dopamin, und so weiter. Das Wichtigste ist, sich immer zu erden.

l Das bedeutet in Ihrem Fall?

c Ganz einfache Dinge. Ich gehe zum Beispiel mit dem Hund spazieren, habe zwischendurch Kopfhörer auf und höre keine Opern, sondern einen

Podcast oder etwas anderes, um den Berufsalltag auszublenden. Ich meditiere. Und ich weiß, dass ich am Ende des Tages zu meinem Kind und meinem Mann nach Hause komme… Es ist wichtig, mich immer an eines zu erinnern: Ja, ich bin Künstlerin! Aber das ist nicht das Einzige, das mich ausmacht. s Mir hilft da meine Familie sehr! Sie behandeln mich nicht à la »Oh, eine Opernsängerin«, sondern einfach als Serena. Das hilft sehr! (lacht) Ich höre dann Dinge, wie: »Hast du schon das Geschirr abgewaschen?« Also, ganz normales Alltagsleben mit all den Routinen, die jede von uns betreffen. Es ist mitunter schön, ans Kochen, Abwaschen und das Waschmaschine-Einräumen zu denken und nicht an eine Opernrolle oder den nächsten Auftritt. Viele sehen ja nur die außergewöhnliche Seite des Sängerinnenlebens und denken, dass bei uns alles außergewöhnlich ist. Aber das ist es nicht! Vieles ist komplett alltäglich. Und ganz ehrlich: Ich mag es, eine ganz normale Person zu sein!

BOGDAN VOLKOV als RINUCCIO, AMBROGIO MAESTRI als GIANNI SCHICCHI & SERENA SÁENZ als LAURETTA in GIANNI SCHICCHI
NICOLE CAR als DONNA ELVIRA & DAVIDE LUCIANO als DON GIOVANNI in DON GIOVANNI

Der strahlende Konzertklang des 21. Jahrhunderts

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CHIROPRAXIS FÜR DIE SEELE

MICHAEL NIAVARANI
Foto JAN FRANKL

Man kann getrost sagen: Es ist unmöglich, Österreicherin oder Österreicher zu sein und Michael Niavarani nicht zu kennen. In einem seiner drei Theater (Kabarett Simpl, Globe Wien, Theater im Park) waren die meisten schon (mehrfach) und via Fernsehen hat er ohnehin allen schon gefühlte 500 Mal den Abend gerettet. Und im Stadtheater Berndorf war er schließlich auch schon Prinzipal, an der Volksoper ist er aufgetreten, Filme hat er gedreht, Bücher geschrieben. Und, und, und… Kurzum: Kein Wunder, dass man ihn auch im deutschsprachigen Ausland schätzt. Zum Auftakt des Johann-StraußJahres am 31. Dezember wird er nun – worauf schon viele lange gewartet haben – sein Staatsopern-Debüt als Frosch in der Fledermaus geben. Sehr zur Freude sämtlicher Mitwirkenden – und natürlich des Publikums. Im folgenden Gespräch mit Andreas Láng spricht er über eine weitsichtige Deutschprofessorin, über Witze, Pointen, eine wegweisende Mathematikprüfung und warum dieses Debüt ein wenig einer Heimkehr gleichkommt.

al In den Corona-Monaten gab es von Ihnen einige aufmunternde Videos per WhatsApp, auf denen man im Hintergrund Ihre persönliche, große, schöne Bibliothek sehen konnte. Sie sind offensichtlich nicht nur Schauspieler, sondern auch in höchstem Grade bibliophil veranlagt.

mn Ich weiß gar nicht, ob es Schauspieler gibt, die nicht bibliophil sind. Bei mir ist diese Liebe jedenfalls regelrecht zur Sucht geworden. Und wenn ich zu Hause auf der Couch liege und zu den Büchern hinaufschaue, beruhigen sie mich meist, weil ich weiß, dass sie da sind. Aber sie können auch bösartig werden!

al Die Bücher? Inwiefern?

mn Manchmal höre ich, wie sie zu mir sprechen: »Ah, da liegst du? Schaust TikTok und Instagram? Gelt, ein Buch lesen willst du eh nicht, es reicht dir, sie zu kaufen?« Das wird dann immer belastender, solange, bis ich aufstehe und ein Buch zur Hand nehme. al Mit Theaterstücken?

mn Nicht zwingend. Mich interessieren seit jeher

auch Biologie und Geschichte – da besitze ich viel Fachliteratur. Aber natürlich auch Dramen. Es kann passieren, dass ich nach einem langen Tag mit Proben und Vorstellung müde, mit einer Zigarette im Mund, nach etwas Ablenkung vor dem Schlafen suche und zufällig zum Beispiel einen Goldoni erwische. Dann fange ich an zu lesen und plötzlich bin ich wieder hellwach und merke, dass ich auf etwas Wunderbares gestoßen bin, das sich herrlich für meine Bühnen bearbeiten ließe. Und schon bin ich wieder mitten im Theater.

al Ein echter Theatermensch kommt wohl nie zur Ruhe?

mn Das Theater gleicht einem Sog. Es geht eine Faszination von ihm aus, die mich erfüllt. Otto Schenk hat einmal zu mir gesagt: »Nicht du hast das Theater ausgesucht, sondern das Theater dich.« Da ist was dran.

al Aber wann ging das los mit dieser Sucht, dieser Liebe?

mn Im Gymnasium. Wir hatten eine wunderbare Deutschprofessorin – Hannelore Lazarus hieß sie –,

die gemerkt hat, dass dieser schlechte Schüler Niavarani, dieser Halbperser, der nicht weiß, was er in dem großen Universum eigentlich soll, ein unerwartetes Talent an den Tag legt, wenn er bei der gemeinsamen Klassenlektüre die Hauptrolle vorzulesen hat. Begonnen hat es mit dem Willibald in Nestroys Schlimmen Buben in der Schule. Ich wurde von dieser Figur, von dem Text ungemein berührt. Die Frechheiten, die sich dieser Willibald gegenüber den Lehrern herausnimmt oder allgemeine Urteile über Menschen an sich – wie »Der Mensch ist auch ein Federvieh. Denn gar mancher zeigt, sobald er eine Feder in die Hand nimmt, was er für ein Vieh ist« – haben dazu geführt, dass ich am nächsten Tag in die Buchhandlung gegangen bin, um weitere Stücke dieses für mich damals unbekannten Johann Nestroy zu besorgen. Kurz darauf durfte ich in mehreren Schulaufführungen den Muffl in den Früheren Verhältnissen spielen. Dazu kam ein Besuch im Burgtheater –meine Oma hat mich mitgenommen –, bei dem ich den Josef Meinrad erlebte – diesen Urkomiker, der stets mit einem Ohr im Publikum war und daher das ideale Timing gehabt hat, genauestens spürte, wann und wo eine Pointe zu setzen war. Von da an war ich stets am Stehplatz des Burgtheaters zu finden. Allerdings schien mir der Weg vom Stehplatz auf die Bühne weiter zu sein als jener von Wien nach Australien. Praktisch unbewältigbar. al Sie haben den Weg trotzdem auf sich genommen?

mn Die Initialzündung, dass ich ein guter Komiker sein könnte, geschah bei einer Mathematikprüfung. Ich musste an der Tafel einen Term lösen und hatte, wie immer, keine Ahnung. Aber, inspiriert von einer Pension Schöller -Aufführung mit Maxi Böhm, die ich am Tag zuvor im Fernsehen erlebt hatte, legte ich meine Prüfung als Rolle à la Maxi Böhm an. Ich sprach wie er, bewegte mich wie er und baute noch ein paar Floskeln aus der Pension Schöller ein. Selbstverständlich bekam ich ein Nicht Genügend auf die Prüfung, aber die zahlreichen Lacher in der Klasse, die meine »Aufführung« begleiteten, stärkten mein Selbstbewusstsein, den vorhin erwähnten langen Weg auf die Bühne zu wagen. Schließlich ließ ich die Schule Schule sein und setzte alles auf die Karte Schauspieler.

al Was haben Ihre Eltern dazu gesagt? mn Ich ließ ihnen keine Wahl. Ich erklärte, dass ich als Schauspieler keine Matura bräuchte. Etwas pathetisch-hochtrabend

fielen Sätze wie: »Und wenn ich in der Gosse lande – ich bin Schauspieler!« Mein bereits existierendes Dauerengagement am Graumanntheater – einem Kellertheater mit 30 Plätzen und durchschnittlich acht Zuschauern – langte meinen Eltern aber vorerst als Sicherheit.

al Gab es jemanden in Ihrer Familie, den es ebenfalls ans Theater verschlagen hat?

mn Mein Großvater väterlicherseits war hauptberuflich Arzt in Teheran, schrieb jedoch hobbymäßig Theaterstücke und führte sie mit einer eigenen Truppe in einem angemieteten Theater sogar auf. Ein begeisterter Laie sozusagen. Ihn habe ich zwar nicht kennengelernt, aber meinen anderen Opa mütterlicherseits umso mehr. Er war Geiger der Wiener Philharmoniker und wann immer ich als Jugendlicher eine Vorstellung an der Staatsoper besuchte, holte ich ihn nachher am Bühneneingang Operngasse ab. Darum habe ich der Staatsoper gegenüber ein familiäres Gefühl und empfinde mein Debüt als eine Art Heimkommen. Was ich als kleines Kind in Gesprächen mit meinem Opa allerdings zunächst lange nicht verstand, war diese bei älteren Philharmonikern heute noch gebräuchliche Unterscheidung zwischen Auftritten im Musikverein, die unter der Bezeichnung »Konzerte« liefen, und Vorstellungen in der Staatsoper, die als »Dienste« fungierten. Mir war klar: der Opa ist Geiger. Aber was unter den abendlichen »Diensten« zu verstehen war, wollte mir nicht einleuchten. Ich stellte mir so einiges vor: Mein Opa als Nachtwächter, als Busfahrer, als Schneeschaufler… al Sie selbst wollten nie Musiker werden?

mn Es gibt wenig, das ich so bereue wie die Tatsache, in der Kindheit nicht Klavierspielen gelernt zu haben. Das heißt: Ein Jahr lang bezahlten meine Eltern die wöchentlichen Klavierstunden – von Üben war aber keine Rede und von Fortschritten daher auch nicht. Immerhin komponierte ich damals eine kleine Melodie und die hat jetzt, viele Jahrzehnte später, unser musikalischer Leiter Johannes Glück als Bühnenmusik in Venus & Jupiter, unser neues Stück am Globe Wien, eingebaut. Und zwar – das war ein Überraschungsgeschenk – eingespielt vom ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Also: Ich bin nichts weniger als ein Musiker, aber ich kann auf eine Komposition verweisen, die das RSO interpretiert hat. Auch nicht schlecht. (lacht)

»NICHT DU HAST DAS THEATER AUSGESUCHT, SONDERN DAS THEATER DICH.«

al Es war aber nicht leicht, Sie zum Frosch an der Wiener Staatsoper zu überreden. Sie haben zunächst mehrfach abgelehnt. Aber dann doch zugesagt. Warum das eine, warum das andere?

leben zu dürfen?« Darauf habe ich tief gerührt – ich glaube, ich hatte sogar Tränen in den Augen – beschlossen, zuzusagen. Ich werde allerdings nach der Vorstellung an der Staatsoper noch ins Simpl hinübereilen, um vielleicht noch in einer Nummer

mn Ich verehre und liebe die Staatsoper, ich schätze Bogdan Roščić schon lange, aber kann man auf einer fremden Bühne auftreten, wenn Vorstellungen in den eigenen Theatern angesetzt sind? Zu Silvester?? Es ging also längere Zeit hin und her zwischen Bogdan und mir, bis ich meine Skrupel auch einigen befreundeten Philharmonikern nach einer Vorstellung im Simpl erzählte. Das war, ich weiß noch genau, im Café Engländer. Irgendwann im Laufe des Gesprächs fiel aber das Totschlagargument schlechthin: »Nia, dein Opa war Philharmoniker und hat so oft am 31. Dezember in der Staatsoper in der Fledermaus gespielt. Was glaubst du, wie er sich gefreut hätte, seinen Enkel als Frosch auf der Bühne er-

mitzuspielen, jedenfalls aber mit allen anstoßen.

al Kommen wir zum Frosch selbst: Ist das eine Art Nestroy’sche Figur?

mn Absolut, er steht in der Tradition der versoffenen Wiener Typen, die Nestroy gerne auf die Bühne stellte, denken wir nur an den Knieriem im Lumpacivagabundus. Aber schon die Strauß-Operette als solche hat viel mit Nestroy zu tun: In den meisten Nestroy-Stücken gibt es eine Ouvertüre, Begleit- und Zwischenaktmusiken – nicht von ungefähr verfügte Nestroy im von ihm geleiteten Carltheater über ein Orchester samt Orchestergraben. Diese Werke hatten also etwas von einem Singspiel. Dazu kommt, dass es Nestroy war, der Jacques Offenbach

MICHAEL NIAVARANI in SCHLAGERANFALL
Foto NADINE STUDENY

nach Wien geholt hat und u.a. die Wiener Erstaufführung von Orpheus in der Unterwelt im Carltheater realisierte. Und dass Offenbach Strauß inspiriert hat, ist bekannt. al Ist der Frosch lediglich versoffen oder auch bösartig-hinterlistig?

mn Er ist ein typischer Wiener Beamter, der aus Verzweiflung an der Welt zum Säufer geworden ist und auf diese Art zu allem Geschehen um ihn herum eine ironisch-zynische Distanz halten kann. Sicher, ein bisschen ein Gauner ist er auch.

al Ursprünglich war die Rolle des Frosch eher klein konzipiert, als eine als Art besserer Stichwortgeber. Durch Alexander Girardi gewann die Rolle an Größe, mittlerweile gibt es zahllose Traditions-Witze die von Generation zu Generation weitergereicht werden. Was davon werden Sie übernehmen?

al Nun gibt es die geplanten, durchdachten Witze und die improvisierten. Wie weit darf die Komik-Improvisation gehen, wie sehr darf man im Laufe der Vorstellung dem Affen Zucker geben?

mn Zucker ist nichts Schlechtes, denn er macht glücklich. Und der Mensch ist ja ein Affe – also warum nicht? Man muss allerdings aufpassen: Es ist unseriös, für einen Lacher die Geschichte oder die Figur zu verraten. Das soll heißen: Wenn ich mit der Pointe aus der Rolle falle würde, also etwas

»Offenbar ist mein Beruf eine Art chiropraktische Behandlung für meine Seele –sie wird stets eingerenkt.«

mn Ein Teil der alten Witze stammt aus einer Epoche, als diese mutig, subversiv, anarchistisch empfunden wurden. Durch den Wandel der Zeiten und der Gesellschaft haben sie jedoch ihr Salz verloren und wirken heute, wie man auf Wienerisch sagt, »bochn«, also seltsam naiv. Diese sollte man und werde ich durch eine zeitgemäßere Komik ersetzen. Was immer noch funktioniert, bleibt freilich auch bei Niavarani erhalten. Wichtig ist: Jeder Witz muss aus drei Teilen bestehen: Information – Vorbereitung –Pointe. Alles Zusätzliche ist überflüssig. In einem ernsten Drama wird die Pointe freilich durch eine hohe Emotionalität ersetzt und im Kabarett die Information durch eine intellektuelle Auseinandersetzung.

sagte, was nicht zum Charakter passt und den weiteren Lauf der Handlung infrage stellte, dann sollte man besser auf sie verzichten. Ich möchte auch niemanden verletzen oder wirklich beleidigen.

al In Ihren ersten Jahren als Schauspieler sagten Sie vor jeder Vorstellung im Brustton der Überzeugung hochnervös: »Hätte ich doch einen vernünftigen Beruf gewählt, dann müsste ich jetzt nicht so zittern!«

Leiden Sie immer noch an Lampenfieber?

mn Es hat sich insofern ein bisschen gebessert, als die Phase, in der ich nervös werde, immer kürzer geworden ist. Jetzt sind nur mehr die letzten Minuten vor dem ersten Auftritt wirklich furchtbar. Das Erstaunliche ist jedoch, dass es für die Vorstellung selbst egal ist, in welcher Verfassung ich mich tagsüber befunden habe: ob müde, traurig, depressiv, verzweifelt – das Theaterspielen geht immer und ich fühle mich danach jedes Mal auch sehr viel besser. Offenbar ist mein Beruf eine Art chiropraktische Behandlung für meine Seele – sie wird stets eingerenkt. Und das empfinde ich als Belohnung für die Angst, die ich vor dem Auftritt hatte.

ALLES AN DEN START

Ein Opernabend beginnt nicht erst mit dem Aufgehen des Vorhangs. Schon Stunden vor Beginn laufen hinter den Kulissen zahlreiche Vorbereitungen ab. Hier die letzten zwei Stunden vor Madama Butterfly.

1 Hauptbühne: Der Aufbau des Madama ButterflyBühnenbilds schreitet voran.

4 Sologang: Die Lampions für den Abend werden bereitgestellt.

7 Orchestergraben: Die Orchesterwarte Oliver & Martin Stangl stellen Instrumente bereit.

2 Schwindloggia: Maria Gruber programmiert die Leuchtschrift an der Außenfassade des Hauses und schaltet sie ein.

5 Regiekanzlei: Renate Dönch und Annemarie Leitner schließen die organisatorischen Vorbereitungen für den Abend ab.

8 Foyer: Der Oberbilleteur Othman Adlaoui brieft den Publikumsdienst für den Abend.

3 Hinterbühne: Der technische Direktor Peter Kozak bespricht mit dem stellvertretenden Bühneninspektor Andreas Richter den Stand des Bühnenaufbaus.

6 Musikarchiv: Archivdirektorin Katharina Hötzenecker überprüft Schlüsselstellen im Notenmaterial.

9 Zuschauerraum: Die Behörde auf dem täglichen Kontrollgang durch das Haus.

10 Betriebsdirektion: Betriebsdirektorin Sabine HödlWeinberger führt letzte Checks durch.

13 Solistengarderobe: Danny Zeljkovic hilft Matthäus Schmidlechner (Goro) beim Anlegen des Kostüms.

16 Hauptbühne: Letzte Verständigungsprobe des Damenchores, geleitet von Regieassistentin Emily Hehl.

19 Orchestergraben: Maestro Suggeritore Andreas Abegg steigt in den Souffleurkasten ein.

11 Einsingzimmer: Daria Sushkova (Suzuki) bereitet sich auf die Vorstellung vor.

17 Stehplatz: Staatsopern-Fotograf Michael

bringt sich in Position.

20 Seitenbühne: Inspizient Andreas Fischer läutet die Vorstellung ein.

12 Maske: Petra Bundschuh setzt Marina

15 1. Kellergeschoß: In der Musikergarderobe bereiten sich die Orchestermitglieder David Kessler und Luka Ljubas vor.

21 Seitenbühne: Ein Handgriff, und der Vorhang geht auf…

Pöhn
18 Sologang: Staatsoperndirektor Bogdan Roščić spricht mit Joshua Guerrero (Pinkerton).
14 Hauptbühne: Marina Rebeka spricht mit dem Dirigenten des Abends, Giampaolo Bisanti.
Rebeka die Cio-Cio-San-Perücke auf.

CHRISTOPHER WHEELDON

THE WINTER’S TALE

1. 6. 17. 20. DEZEMBER

Musik JOBY TALBOT

Choreographie CHRISTOPHER WHEELDON Musikalische Leitung CHRISTOPH KONCZ / JOHANNES WITT (6.12.)

Leontes MARCOS MENHA / TIMOOR AFSHAR Hermione OLGA ESINA / ELENA BOTTARO

Polixenes ARNE VANDERVELDE / GIORGIO FOURÉS Paulina CLAUDINE SCHOCH / KIYOKA HASHIMOTO

Perdita PHOEBE LIGGINS / ALAIA ROGERS-MAMAN Florizel ALEXEY POPOV / GÉRAUD WIELICK u.a.

»Vom Wiener Staatsballett hinreißend getanzt, vom Choreografen blendend in Szene gesetzt.«

DER STANDARD

»Ein moderner Klassiker.«
THE TELEGRAPH

BRENDAN SAYE (Leontes)

MASAYU KIMOTO (Polixenes)

HYO-JUNG KANG (Hermione) & Ensemble

Foto ASHLEY TAYLOR

»Filmreif.«

DIE PRESSE

MARTIN SCHLÄPFER & MARIUS PETIPA

DORNRÖSCHEN

9. 11. 14. 23. 27. DEZEMBER 3. 5. JÄNNER

Musik PIOTR I. TSCHAIKOWSKI & TOSHIO HOSOKAWA

Choreographie MARTIN SCHLÄPFER & MARIUS PETIPA Musikalische Leitung ROBERT REIMER

Die Königin OLGA ESINA / KETEVAN PAPAVA Der König MASAYU KIMOTO / ENO PECI

Prinzessin Aurora HYO-JUNG KANG / ELENA BOTTARO Prinz Désiré MARCOS MENHA / BRENDAN SAYE u.a.

MARCOS MENHA (Prinz Désiré)

ELENA BOTTARO (Prinzessin Aurora)

Foto ASHLEY TAYLOR

GROSSE GESCHICHTEN AUF DER BALLETTBÜHNE

Eifersucht zerstört die Freundschaft zweier Könige und löst eine Spirale von Verwerfungen mit dramatischen Folgen aus. Eine Kränkung führt zu einem bösen Fluch und lässt die Welt rund um eine Prinzessin hundert Jahre stillstehen.

Ist am Ende von Christopher Wheeldons preisgekröntem Shakespeare-Ballett The Winter’s Tale auch das sizilianische Königspaar wieder vereint

und die verloren geglaubte Tochter wieder aufgetaucht, so haben Eifersucht, Neid, Wahnsinn und Enttäuschung doch ihre Spuren in den Figuren hinterlassen.

Und auch Martin Schläpfers Dornröschen endet nach einem Prolog und drei Akten voller virtuoser Tänze, expressiver Emotionen und einer einzigartigen Verschränkung von Realität und Märchen nachdenklich: Wie werden die jungen Könige Aurora und Désiré ihr Land regieren?

Mit den beiden opulenten Ballettklassikern stehen im Dezember zwei märchenhafte Geschichten auf dem Spielplan, in denen aber auch jede Menge packendes Drama steckt – auf hinreißende Weise mit den Mitteln des Tanzes erzählt.

DIE BÜHNE FÜR DIE NÄCHSTE GENERATION

ELLA BOGHEANU (Nikija)

LAURIDS SEIDEL (Solor)

Schülerinnen der Ballettakademie in LA BAYADÈRE

Foto ASHLEY TAYLOR

Am 15. Dezember gehört die große Bühne dem Ballettnachwuchs: Als Highlight der Tanzausbildung an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper zeigt die Matinee, woran in den letzten Monaten in allen Ausbildungsstufen gearbeitet wurde – und mehr: Mit Werken von Marius Petipa und Martin Schläpfer sowie einer Uraufführung von Christiana Stefanou steht ein Programm am Spielplan, mit dem sich nicht nur die Schülerinnen und Schüler mit ihrem ganzen Talent – sei es in solistischen Rollen oder im

Ensemble – präsentieren können, sondern das auch die Vielfältigkeit und das Niveau der Ausbildung an der Ballettakademie der Wiener Staatsoper widerspiegelt.

Die Eröffnung des Vormittags macht eines der Meisterwerke der Romantik: Die tragische Liebesgeschichte zwischen der indischen Tempeltänzerin Nikija und dem Krieger Solor, der allerdings Gamzatti, der Tochter des Radschas, versprochen ist, wie sie Marius Petipa zu Musik von Ludwig Minkus in

seinem 1877 in St. Petersburg uraufgeführten Ballett La Bayadère erzählt, aus welchem auch die legendäre Choreographie des sogenannten »Schattenakts« stammt. »Der ›Schattenakt‹ ist einer der stärksten, unvergesslichsten und tänzerisch anspruchsvollsten Momente der gesamten Ballettgeschichte – reine Magie!«, so Christiana Stefanou, »ein Ensemble, das von jeder Tänzerin die Qualitäten einer Solistin verlangt. Darüber hinaus gibt es aber auch zahlreiche weitere schöne Tanzszenen und gilt es nicht zuletzt die Geschichte zu erzählen, was darstellerische Kunst und detaillierte Rollengestaltung verlangt.« Zusammen mit ihrem Team hat die Direktorin der Ballettakademie eine von den Schülerinnen und Schülern im Rahmen einer Matinee realisierbare Adaption kreiert, die aber alle für Petipas Ballett repräsentativen und elementaren Choreographien wie den Grand Pas, den Trommel- und den Dschampe-Tanz, die Variation des Goldenen Idols sowie den ›Schattenakt‹ zeigt. Der zweite Teil des Programms widmet sich dem zeitgenössischen Tanz. Ballettdirektor Martin Schläpfer hat mit Mitgliedern der Jugendkompanie eine weitere Kostbarkeit aus seinem Œuvre erarbeitet: Quartz. Das Miniaturballett für eine Tänzerin und einen Tänzer zu dunkel getönten Songs von Rickie Lee Jones und Marianne Faithfull sowie expressiver albanischer Volksmusik ist ein unter die Haut gehendes Kammerspiel

über Nähe und Distanz, Begegnung und Einsamkeit. Ein »Juwel des Choreographen«, schrieb Günter Pick auf tanznetz.de, und Hartmut Regitz begeistert in den Stuttgarter Nachrichten: »Martin Schläpfer möchte man für sein Quartz am liebsten den nächsten Deutschen Tanzpreis zu Füßen legen.« 2008 entstanden und von zahlreichen Tänzerinnen und Tänzern seither interpretiert, wird die Choreographie mit Nefeli Pantelia und Massimiliano Santagostino nun erstmals auch in Wien zu sehen sein.

Neben der Einstudierung bestehender Werke des Repertoires ist das Eintauchen in die kreativen Prozesse bei der Entwicklung eines neuen Stücks wesentlich für die Förderung des Künstlertums, der Flexibilität und Offenheit der Tänzerinnen und Tänzer. Entsprechend zählt die Arbeit an neuen Choreographien – sei es für die Matinee, den Opernball oder in Zukunft auch der neuen Spielstätte der Wiener Staatsoper NEST – zu den wesentlichen Säulen im Lehrplan der Ballettakademie. Für die Matinee 2024/25 ist nun abermals ein neues Werk entstanden. Prisma nennt Christiana Stefanou ihre Choreographie, in der zu den schillernd in sich kreisenden Trancezuständen, die das Violinkonzert von Philip Glass entwirft, die Bewegungen, wie Brechungen von Licht in einem Prisma, ihr vielfältiges Ausdrucksspektrum entfalten.

MATINEE DER BALLETTAKADEMIE

15. DEZEMBER

LA BAYADÈRE

Musik LUDWIG MINKUS Choreographie MARIUS PETIPA in einer Adaption von CHRISTIANA STEFANOU, DILIANA NIKIFOROVA, ROBERT GABDULLIN, ALENA WEBER & ZSOLT ELEK

QUARTZ

Musik RICKIE LEE JONES, ALBANISCHE VOLKSMUSIK & MARIANNE FAITHFULL Choreographie MARTIN SCHLÄPFER

PRISMA (URAUFFÜHRUNG)

Musik PHILIP GLASS Choreographie CHRISTIANA STEFANOU Violine CRISTIAN RUSCIOR Klavier KONSTANTINOS DIMINAKIS SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER DER BALLETTAKADEMIE DER WIENER STAATSOPER

MITGLIEDER DER JUGENDKOMPANIE

EINE NEUE STAATSOPER

DAS NEST WIRD

AM 7. DEZEMBER ERÖFFNET

Theater ist für alle da. Das kommt einem leicht über die Lippen, klingt überzeugend, ja fast selbstverständlich – wie sollte es auch anders sein? Schließlich ist genau diese Maxime im Fall der Staatsoper sogar gesetzlich festgeschrieben.

Aber ist es wirklich so? Kann man gleichzeitig alle Zuschauergruppen ansprechen? Geht das überhaupt in einem täglich spielenden, internationalen Repertoirebetrieb wie der Staatsoper? Wir sind überall bemüht, jegliche Schwellen zu beseitigen oder zu senken und das Haus für alle zu öffnen: mit Eintrittspreisen, die das Kino unterbieten; Einführungsveranstaltungen, die auch Neulingen den Weg zur Oper leicht machen sollen; Angeboten für das U27-Publikum; Outreach-Projekten; Wanderopern für Kinder oder Schulkooperationen. Die Wiener Staatsoper ist kein Tempel nur für Eingeweihte, sondern für alle da. Auch für jene, die sie noch gar nicht oder nicht gut kennen – das ist ihr Auftrag.

Und doch, in einem so notorisch ausgelasteten Haus, wie es die Staatsoper nun einmal ist, lässt sich Vieles, wovon Theatermenschen träumen, nicht verwirklichen. Nicht jede Theaterform ist kompatibel mit unserer Konstellation von Bühne und Zuschauerraum, nicht alles findet im dichten Repertoire-Spielplan den nötigen Platz. Selbst die Prunkräume, nebenberuflich unsere Pausenbuffets, sind inzwischen laufend mit Veranstaltungen und sogar mit Vorstellungen für Kinder ausgelastet...

Am 7. Dezember findet daher etwas statt, wovon man an der Staatsoper noch vor wenigen Jahren bestenfalls hätte träumen können: In Wien wird nach Langem wieder ein ganz neues Theater eröffnet, eigens konzipiert und geschaffen für ein junges Publikum und für Familien – das NEST.

Ermöglicht durch eine große mäzenatische Leistung, ist es ein Theater, das fast alles kann. Es ist für Kinder da, aber auch für Jugendliche und junge Erwachsene. Es lädt Familien ein. Man kann aktiv mitmachen, oder aber einfach in die Musiktheaterwelt hineinschnuppern. Man kann diskutieren, tanzen, singen, zuhören, lernen, staunen. Viele Ideen, die bisher kein Zuhause hatten, können sich nun endlich frei entfalten.

Schon im Dezember bietet das NEST volles Programm. Eröffnet wird standesgemäß mit einer Kinderopern-Uraufführung, die Opernschule der Wiener Staatsoper lädt zum Weihnachtskonzert, bereits wenige Tage später erobert sich die Theatertruppe Nesterval Wagners Götterdämmerung. Workshops, Diskussionen und andere kleinere Formate wenden sich an alle Interessierten.

Ich lade Sie ein, mit uns diesen neuen Mikrokosmos des Musiktheaters zu betreten – schlagen wir gemeinsam ein neues, ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Wiener Staatsoper auf.

Herzlich, Ihr

Bogdan Roščić

DAS NEUE HAUS IN ZAHLEN:

Eröffnung: 7. Dezember 2024

Kapazität: 248 Sitzplätze, 3 Rollstuhlplätze

Bühnenmaße: 85m 2

Portalöffnung: 8m breit x 5,10m hoch

Orchestergraben: 24m 2 , bei Bedarf auf Bühnenniveau hochfahrbar

Schnürbodenanlage: 18 Züge

Unterbühne: 50m 2

Künstlerhaus-Eröffnung: 1868 NEST-Baubeginn: 6. Februar 2023

Hausübergabe durch STRABAG an die

Wiener Staatsoper: 30. September 2024

Veranstaltungen: über 100 von Dezember 2024 bis Juni 2025

Luftlinie NEST –

Wiener Staatsoper: 330 Meter

Workshopraum: 1

Klaviere: 3

Möglich gemacht wurde das alles durch ein Sponsoring der Haselsteiner Familien-Privatstiftung und ein Sponsoring der STRABAG SE sowie eine einmalige Zuwendung des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport. Die künftige Bespielung des Hauses erfordert vom Bund keine zusätzlichen, über die Basisabgeltung hinausgehenden Mittel.

Links: NEST-Zuschauerraum Foto MARTINA BERGER

Bei der Grundsteinlegung wurde eine Zeitkapsel eingemauert: BOGDAN ROŠČIĆ, HANS PETER HASELSTEINER & KLEMENS HASELSTEINER Foto ATHA ATHANASIADIS

NEST – Eingang zum Großen Saal Foto SOFIA VARGAIOVÁ

ICH WÜNSCHE…

Was wünschen sich das Publikum und die Künstlerinnen vom neuen Haus? Und welche guten Wünsche werden dem NEST mitgegeben? Wir haben uns umgehört.

… mir, dass das NEST ein offener, kreativer Treffpunkt für die Jugend wird.

… uns, dass man dort Freundschaften knüpfen kann.

… dir, dass du ein Theater auch für junge Künstlerinnen und Künstler wirst und sie dort eine Bühne bekommen.

… dir, dass du out-of-the-box denkst.

… dir, dass du die Themen triffst, die mich und meine Generation ansprechen.

… dir, dass du ein Ort für Mut und Offenheit wirst.

… mir, dass wir dort nie wieder wegwollen.

… uns ganz viel Theaterzauber!

… dir gutes künstlerisches Wachsen und Gedeihen.

wilde, neue Formate!

… dir, dass du den Funken überspringen lässt und viele Leute für Musik und Theater begeisterst.

ganz viel Tanz!

… mir, dass ich meine Ideen einbringen kann. … dass wir Freunde werden!

… mir berührende Vorstellungen.

…mir, dass das NEST nie seine magische Wirkung auf das Publikum verliert.

… dass wir mit der Schule hingehen können.

… mir, dass wir bei jeder Vorstellung bei mindestens einer Zuschauerin oder einem Zuschauer die Neugierde und Liebe zum Musiktheater wecken können, sodass sie oder er wiederkommt. Mehr noch: dass bei unserem jüngsten Publikum der Wunsch geweckt wird, Musiktheater zu einem festen Bestandteil seines beruflichen oder persönlichen Lebens zu machen.

… mir, dass ich mitsingen und mittanzen darf.

mir von dir einfach nur viele schöne Opernmomente.

Illustration NICO BRAUSCH

DU HAST DIE FISCH!WAHL,

Der Uraufführung Sagt der Walfisch zum Thunfisch liegt das vielgespielte gleichnamige Kinderstück von Carsten Brandau zugrunde. Dem Autor ist es gelungen, die ganz großen Fragen eines Menschenlebens in ein kindgerechtes und zugleich generationenübergreifendes Spiel zu transponieren: poetisch und leicht, fröhlich und nachdenklich, immer berührend und hochmusikalisch. Er selbst charakterisiert sein Stück mit den Worten: »Sagt der Walfisch zum Thunfisch ist ein Stück über Dazugehörigkeit und Ausgrenzung, über die Kraft eines Witzes und die Notwendigkeit der Liebe. Über die Zukunft der Musik und die Macht des Theaters. Es ist ein Stück über dich und mich – und wenn wir dem Regen keine Stimme geben, dann fällt die Sintflut aus.« Die auf Grundlage dieses Textes neu entstandene Oper für Kinder in der Vertonung von Thierry Tidrow und in der Inszenierung von Sara Ostertag kommt am 7. Dezember zur Uraufführung – und eröffnet zugleich die neue Spielstätte der Wiener Staatsoper: das NEST im Künstlerhaus.

DU HAST DIE WAHL, FISCH!

»IN EINER OPER DARF ICH ALLES SCHREIBEN, WAS ICH MÖCHTE!«

THIERRY TIDROW IM GESPRÄCH

sm Was bedeutet es, wenn du für Kinder und Jugendliche schreibst? Schreibst du anders? Wie nimmst du auf sie Bezug?

tt Erstens denke ich immer an die Aufmerksamkeitsspanne. Ich habe selbst eine begrenzte Aufmerksamkeitsspanne, was in der Oper sehr schnell zu einer Schwierigkeit führen kann! Für mich ist es wichtig, dass die Kinder immer dran sind, was natürlich auch für Erwachsene gilt. Aber ich glaube, es ist eine Grundeigenschaft meiner Musik, dass sie auch sehr gut zu Kindern und Jugendlichen spricht. Zauber ist mir auch wichtig: oder zumindest dieses Gefühl von Verausgabung von allem, was Musik sein kann. Ein Enthusiasmus über die Vielfalt von Klangpotenzialen und der Wunsch, alles zu zeigen, was Musik sein kann! Und wie diese große Bandbreite von Klängen, Harmonien und Geräuschen eine Geschichte wunderbar erzählen kann.

sm Man spürt in den Proben sehr stark, dass ihr alle drei – Carsten Brandau als Autor,

du als Komponist, Sara als Regisseurin –eine sinnliche, spielerische, farbige, akrobatische, teilweise auch slapstickhafte Welt geschaffen habt. Aus der Sprache heraus ist ein Universum von Farben und Rhythmen entstanden.

tt Mir ist sehr wichtig, nicht gegen, sondern mit dem Text zu arbeiten. Mir ist die Prosodie sehr wichtig, also wie die Figuren sprechen und welche melodische Geste daraus resultiert. Ich habe Deutsch zuerst als Melodie wahrgenommen. Wenn man eine neue Sprache lernt, hört man die Klänge und die Melodien, unabhängig von den Bedeutungen. Man hört die Intonation und die Artikulationen. Ich liebe all die verschiedenen Konsonanten der deutschen Sprache und wie sie die Vokale umrahmen! Und ausgehend vom schönen Umriss der Sprache erfinde ich Melodien, die deren natürliche Züge anzeichnen, mit einer humorvollen Übertreibung, die jedoch die Textverständlichkeit erhöht. Gerade bei Kindern will ich, dass sie alles verstehen!

sm Der sprachlich prägnante Gestus ermöglicht genau das. Erinnere ich mich richtig, dass du Carsten gebeten hattest, dir sein Stück einzusprechen, also eine Sprachaufnahme zu machen?

tt Er hat tatsächlich für mich alle Betonungen, wie er sie setzen würde, fett gedruckt. Ich wollte keine Melodie schreiben, die gegen den Sprachrhythmus geht. Nur bei NOE habe ich das gemacht, weil er sehr merkwürdig spricht. Er sagt Sätze wie »Ihr habt ja auch gar keine Instrumente habt ihr beiden ja überhaupt nicht dabei.« Ich wollte das in der Musik widerspiegeln und wollte zeigen, dass er zwar denkt, er sei ein guter Musiker, aber dass ihm das Gefühl für Sprache und Musik fehlt. Das erzählt schon die Vorlage, und ich wollte das musikalisch herausarbeiten, zum Beispiel durch Triolen und Quintolen mit ungewöhnlichen Betonungen.

sm Die Sprache des Stückes ist schon eine sehr musikalische, eine sehr rhythmisierte, sehr poetische. So entstand in der Dramaturgie die Idee, ob es nicht ein tolles Libretto sein könnte.

tt Du hast Slapstick genannt, man kann auch von Running Gags sprechen. Und mit gutem Slapstick lassen sich sehr tragische Dinge erzählen. Die Balance zwischen Heiterkeit und Drama ist, was mich am meisten interessiert.

sm Eure Oper erzählt, mit welcher Beliebigkeit über menschliche Schicksale entschieden wird. Das erzählt sich gerade in eurer Umsetzung unglaublich stark. Das ist tragikomisch, wie du sagst, und es erzählt ganz viel über unsere Welt.

tt Danke!

sm Ich bemerke, dass Sara auf Dinge reagiert, die du musikalisch ermöglicht oder angeschoben hast. Möchtest du noch ein bisschen erzählen, wie du die Bälle, die Carsten Brandau dir zugespielt hat, musikalisch zurückspielst?

»Ich möchte Geschichten erzählen, und ich nutze alles, was ich in meinem Werkzeugkasten habe. Deswegen gibt es ein paar Takte, die klingen wie Berg oder Händel oder Elvis oder Xenakis oder Prokofjew.«

tt Diese Liebe und Freundschaft von DU und ICH habe ich als harmonisch klingende Terzen konzipiert. Diese große Terz verwandelt sich ganz natürlich in verschiedene Leitmotive. Sie ist der Grundstein, der Keim ihrer musikalischen Welt.

sm Und dann gibt’s auch eine Terzverwirrung, ähnlich wie in der Sprache.

tt Genau. Es gibt diese Verwirrung von »wer ist ICH und wer ist DU«: ein Spiel von springenden großen Terzen, sodass man nicht mehr weiß, in welcher Tonart man sich befindet. Es gibt viel Tonalität, aber eben ohne die Quinte, die die Harmonik stabilisieren und konkretisieren würde. Das war meine Überlegung. Die beiden haben eine Verbindung miteinander, ohne dass sich ihre Situation stabilisiert. Ich sage gerne, dass ich ein Hypermadrigalist bin. Alles stammt direkt aus der Sprache und ich baue musikalische Welten mit dem, was im Text geschieht. DU und ICH wissen nicht, dass sie Musiker*innen sind, denn es ist etwas ihnen inhärentes. Und deshalb ist ihr Orchester das Grabenorchester, das man nicht sieht. Es ist einfach Teil von ihnen, es ist die Welt, die sie ganz unbefragt bewohnen. NOE ist eine viel künstlichere Gestalt, deshalb sind die Klänge auch mal verstärkt und insgesamt weniger flüssig, viel perkussiver, verfestigt. Es gibt eine Eckigkeit und eine Sprödigkeit in seinem Gestus, der widerspiegelt, wer er ist. Er taucht einfach auf und bestimmt, was erlaubt ist, und letztendlich, wer leben darf und wer nicht leben darf.

sm Und was Musik ist und was keine ist. tt Genau, ja. Die Dringlichkeit der Themen ist mir ebenfalls wichtig. Wir wohnen in einer Welt, auf der es sehr viele Exemplare von NOE gibt. Und schon im Text erzählt NOE von seiner Rockband. Die tritt bei uns in der Oper als Bühnenorchester wirklich auf! NOE sucht ja Pärchen von Instrumenten: Daher zwei Trompeten, zwei Posaunen (die Blechbläser

deuten auch die Apokalypse an), E-Gitarre und EBass. Und Synthesizer und Schlagzeug könnten das Cockpit und der Motor des Raumschiffes sein. Ich möchte den Kindern auch … nicht moralische, aber doch ethische Fragen stellen. Das ist etwas, was ich machen muss, das ist ein Imperativ für mich selbst als Komponist. Dass die Kinder sich Fragen stellen, auch politische. Also nicht nur Bühnenzauber. sm Es gibt ja Kindertheater, wo man eher das Gefühl hat, es geht um das Bedienen eines sentimentalen Erwachsenengeschmacks, der vielleicht gar nicht unbedingt den Fragen und Interessen jüngerer Generationen entspricht. Gerade in der Frage, was Musik sein soll und was nicht. Und sehr oft erlebt man in den Institutionen, dass entschieden wird, was kindergerecht ist und was nicht. Das ist Bevormundung, sicher mit den besten Absichten, aber mit oft zweifelhaftem Ergebnis. Gibt es sonst noch etwas wichtiges, das du gerne erzählen möchtest?

tt Wie schon erwähnt, sehe ich mich ein bisschen als Hypermadrigalist. Ich möchte Geschichten erzählen, und ich nutze alles, was ich in meinem Werkzeugkasten habe. Deswegen gibt es ein paar Takte, die klingen wie Berg oder Händel oder Elvis oder Xenakis oder Prokofjew. Es gibt ein paar Takte, die klingen wie Musik für ein Videospiel, zum Beispiel die Auftrittsmusik der Band.

sm Diese Zitate stehen ja nicht für sich, sondern die unterschiedlichen Stile verfremden sich gegenseitig. Die Stile und Idiome, die du zitierst, verwandeln sich ja dadurch, dass sie in einem neuen Kontext auftauchen.

tt Ich habe keine musikalische Präferenz. Es gibt eine Umarmung von Tonalität und von allem, was Musik sein kann. Und es gibt natürlich auch die Momente, die schrecklich sind und die auch radikal krachend und extrem hässlich sein dürfen. Und ich finde, auch für mich als Komponist ist Oper perfekt, weil ich eigentlich alles schreiben darf, was ich möchte!

THIERRY TIDROW ist der Komponist von Sagt der Walfisch zum Thunfisch . Mit der Uraufführung seiner Oper für Kinder wird das NEST im Künstlerhaus eröffnet. Für Thierry Tidrow ist die Kombination von menschlicher Stimme und Theater, um eine Geschichte zu erzählen, die schönste Art, sich mitzuteilen. Er kommt aus Ottawa, Kanada und ist mit Französisch und Englisch aufgewachsen, aber er hat durch Bach und Schubert schon in der Jugend ein großes Interesse für die deutsche Sprache entwickelt. Er arbeitet gerade an einem neuen Stück für Orchester und 300 Neunjährige, die mitsingen und mitspielen werden, sowie ein neues Musiktheaterstück für den Wiener Musikverein.

ÜBER DAS TANGIEREN ANDERER WAHRNEHMUNGSHORIZONTE.

DIE REGISSEURIN SARA OSTERTAG IM GESPRÄCH

sm Liebe Sara, du hast viel Erfahrung in der szenischen Arbeit mit Sänger*innen, auch und gerade im Zusammenhang mit Musiktheater-Uraufführungen. Der Umgang mit einer fertigen Partitur ist kein Novum für dich, und mit Musik arbeitet du sowieso immer. Kanntest du die Stückvorlage für Sagt der Walfisch zum Thunfisch von Carsten Brandau? Ist es dir vorher schon einmal als Schauspiel begegnet?

so Ich wusste um das Stück, hatte aber noch keine Aufführung gesehen.

sm Worin liegen Reiz und Herausforderung für dich?

Sechsjährigen. Und genau das wird hier auf einer abstrakten Ebene verhandelt, was ich sehr spannend finde.

sm Und zugleich auf einer extrem spielerischen und körperlichen Ebene.

so Auch der Ort ist nicht ausdefiniert. Es sind offene Identitäten und es sind offene Spielräume. Dadurch kann man die Spielvorgänge und die Spielweisen sehr stark selber definieren.

sm Du übersetzt Brandaus Sprachspiele in körperliche Energie und choreographische, fast slapstickhafte Momente, von denen ich glaube, dass nicht nur, aber besonders auch Kinder und Jugendliche

»Viele identitätspolitische Fragen stellen sich schon bei Sechsjährigen.
Und genau das wird hier auf einer abstrakten Ebene verhandelt, was ich sehr spannend finde.«

so Was ich mag, ist die sprachliche Ebene, also die Sprachspielereien. Die finde ich sehr schön. Und ich mag die Entpersonifizierung der Figuren. Damit meine ich, dass sie nicht definiert sind über eine festgeschriebene Identität. Und auch die philosophischen Untergedanken des Stückes mag ich gern.

sm Das Stück hat ausgesprochenen Parabelcharakter. NOE s Arche ist auch ein Theater, oder? Was ja auch insofern schön ist, als du mit dieser Inszenierung unsere neue Spielstätte eröffnest. Kannst du noch ein paar Worte mehr dazu sagen, welche philosophische Ebene du entdeckst?

so Es geht um die Frage, wie man sich selbst über ein Außen definiert. Also um die Abgrenzung zwischen dem, der ich bin oder der ich sein will, und dem, der mein Gegenüber ist, und welche Annahmen mein Gegenüber hat darüber, wer ich bin oder eben nicht bin. Solche Zuschreibungen gibt es bei Kindern gerade im Alter der adressierten Altersgruppe viele, gerade, wenn’s um Geschlecht oder Elternsprachlichkeit geht. Viele identitätspolitische Fragen stellen sich schon bei

extrem gut drauf einsteigen können. Es gab im Vorfeld dieses Projekts auch Bedenken, ob dieses Sprach-Ping-Pong nicht zu abstrakt sein könnte…

so Das Stück unterscheidet sich vom klassischen deutschen Jugendstück, das wir auch gern Problemstück nennen. Stücke, die in den 90ern viel gemacht wurden und für die es bestimmte Häuser gab, zum Beispiel das Berliner Grips-Theater: Stücke, die auch gesellschaftspolitisch sehr stark einen Punkt machen. Hier geht es eher um ein spielerisches Jonglieren – mit Sprache, mit Identitäten, mit Räumen…

sm Thierry und du kanntet euch schon völlig unabhängig von diesem Projekt, ihr arbeitet jetzt aber zum ersten Mal zusammen.

so Genau.

sm Wie geht es dir mit seiner Musik?

so Er ist ein sehr interessanter Komponist, weil er sich auch über den theatralen Raum Gedanken macht. Und er versteht auch sehr viel von Humor. Und ich finde gut, dass er mit einem hohen Komplexitätsanspruch an die Musik geht. Das finde ich sowohl für die Musiker*innen wichtig,

SAGT DER WALFISCH ZUM THUNFISCH

8. 10. 11. 13 14. 16. 17. 19. 21. 22. 27. 29. 30. DEZEMBER URAUFFÜHRUNG IM NEST

1. 2. 4. 5. JÄNNER

Musikalische Leitung MARKUS HENN Inszenierung SARA OSTERTAG

Bühne NANNA NEUDECK

Kostüme NINA BALL

Mit ALEX ILVAKHIN / HANNAH-THERES WEIGL / FLORENTINA SERLES (Premiere)

als auch zum Zuhören. Musik mit dieser Art von Komplexität entwickelt eine eigene Spannung. Den Unterschied hört man einfach. Das finde ich besonders wichtig bei einem Musiktheater für junges Publikum.

sm Wenn man dir jetzt so zuhört, hat man das Gefühl, dass du in der Arbeit an diesem Stück auch die Dinge thematisieren kannst, die dich als Erwachsene beschäftigen. Ich habe das Gefühl, du hast da keine Schere im Kopf.

so Nein. Es wäre ja absurd, wenn ich sagen würde, ich kreiere etwas, das für mich selbst nicht interessant ist. Das würde keinen Sinn machen. Ich muss etwas machen, das für mich interessant ist, von dem ich aber möchte, dass die Arbeit auch zu jemandem sprechen kann, der nicht meinen Wahrnehmungshorizont teilt. Ich denke an Personen, die einfach wesentlich jünger sind als ich, das können aber auch Personen sein, die nicht sehen oder hören können.

sm Ich habe das Gefühl, mit Thierry und auch mit Carsten Brandau verbindet dich ein utopisches Moment, das dem Stück eingeschrieben ist. Denn anders als NOE sollten wir wirklich versuchen, mit der Reise unserer Theater-Arche alle zu erreichen, alle zu tangieren, im besten Fall alle mitzunehmen. so Es geht eigentlich immer darum, andere Wahrnehmungshorizonte zu tangieren. Das kann aber nicht heißen, dass ich meine eigene Wahrnehmung oder mein eigenes Interesse ausspare. Man könnte diese Frage jetzt kulturpolitisch aufdröseln, denn Kinder- und Jugendtheater wird bis heute schlechter finanziert als das sogenannte Erwachsenentheater. Dabei wird im Kinder- und Jugendbereich ganz oft mit Uraufführungen gearbeitet, die, gerade, wenn sie dann noch Stückentwicklungen sind, deutlich komplexer sind, als etwas zu inszenieren, was anwesend ist und schon eine Inszenierungshistorie hat. Das halte ich für ein großes Missverständnis.

SARA OSTERTAG inszeniert die Uraufführung von Sagt der Walfisch zum Thunfisch . Sie studierte Theaterregie, Choreographie und Performancekunst. Heute ist sie als Theatermacherin in Österreich, Deutschland, Belgien und der Schweiz unterwegs, auch und gerade im Kinder- und Jugendtheaterbereich. Seit 2017 ist sie zudem als künstlerische Co-Leiterin des SCHÄXPIR Festivals für junges Publikum in Linz zuständig. Hier in Wien, wo sie mit ihrer Familie lebt, hat sie das Theaterkollektiv makemake produktionen mitbegründet. Derzeit entstehen mehrere neue Arbeiten mit Musiktheaterschwerpunkt.

SARA OSTERTAG

IM HERZEN DES THEATERS

Diesmal ist alles anders. Publikum und Darsteller mischen sich, Zuschauerinnen und Schauspieler sind auf Tuchfühlung, Musik klingt durch alle Gänge. Die Spielorte sind praktisch überall, von den Garderoben bis zum Workshopraum, ein großer Kosmos, der eine große Geschichte erzählt: jene der Götterdämmerung. Gesehen durch die Brille der Theatertruppe Nesterval, die uns seit mehr als einem Jahrzehnt ein neues Theater lehrt. Man trifft Wotan und die Weltesche, die Donautöchter und Erda, Mime und Alberich. Und taucht in einer düsteren Vision in ein Österreich der Zukunft ein. Wer also Wagners Götterdämmerung ganz neu erleben will, nicht als Oper, sondern als immersives Theater, der ist im NEST richtig! Nesterval-Leiter Martin Finnland im Gespräch mit Oliver Láng über Theater als emotionalen Türöffner, traumatische Clown-Erlebnisse und was Wagner mit dem Wiener Wasser zu tun hat.

ol Fangen wir mit einer einfachen Frage an: Was ist Nesterval?

mf Das ist die wahrscheinlich schwie rig ste Frage! Weil man uns erlebt haben muss, um das Konzept als Ganzes zu verstehen. Wir machen immersives Theater; das bedeutet, dass das Publikum nicht im Dunkeln vor uns sitzt, sondern mittendrin ist. Die Leute stehen direkt neben uns und sind Teil des Abends, wandern mit uns durch unterschiedliche Räume. Wir sind also ein Theater ohne Bühne, ein Theater, das ganze Gebäude bespielt – und das parallel an mehreren Spielorten. Man kann also einer Darstellerin einen Abend

lang folgen oder aber sich nach Lust und Laune unterschiedliche Szenen mit wechselnden Darstellern aussuchen. Daraus ergibt sich, dass man bei mehreren Besuchen immer andere, neue Versionen der Grundhandlung erlebt.

ol Stand dieses Theaterkonzept von Anfang an fest? Oder hat es sich nach und nach entwickelt?

mf Nein, bei unserer Gründung hatten wir keinen strategischen Plan. Sondern wir haben mit Straßentheater begonnen und wollten einfach Spaß haben. Daraus hat sich nach und nach das entwickelt, was wir heute machen. Wichtig war

uns als Grundessenz aber immer, dass wir unser Publikum berühren wollen. Durch Nähe, durch Direktheit, durch niederschwellige Angebote. Und es in eine Welt mitnehmen, die es sonst wahrscheinlich nicht erleben würde. ol Theaterbesucherinnen haben einen solchen ähnlichen Zugang in den Arbeiten von Paulus Manker vielleicht schon erlebt. In dem Sinne, dass man sich seine eigene Geschichte bauen kann und sich zwischen den Darstellenden befindet, ohne definierte Bühne und ohne Zuschauerraum. Wodurch unterscheiden sich die Spielweisen? mf Es gibt einen grundlegenden Unterschied. Wir sehen das Publikum und nehmen es wahr. Es wird »angespielt«. Und damit haben wir, glaube ich, ein absolutes Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Theaterformen. Wir können die Menschen im Raum einbinden, wenn die Situation passt. Wir spüren Nuancen und reagieren darauf. Natürlich gibt es ein Regiebuch und einen Handlungsfaden, aber dem sind wir nicht dogmatisch ausgeliefert. Wenn ich merke, dass mein Gegenüber berührt ist, plötzlich in Tränen ausbricht, dann breche ich aus dem Textkonstrukt aus und gehe auf die Person ein. Wir erleben solche intensiven, persönlichen Szenen übrigens immer wieder. Dass eine Zuschauerin, ein Zuschauer sich plötzlich öffnet und vor allen Anwesenden aus dem eigenen Leben zu erzählen beginnt.

ol Klingt beinahe therapeutisch… mf Das ginge zu weit. Aber unsere Arbeit hat mit Achtsamkeit zu tun. Im Idealfall gelingt es uns, Menschen emotional zu packen. Das kann zu Tränen führen, meistens aber zum Glücklichsein. Die meisten unserer Stücke enden glücklich, und das Publikum verlässt uns mit einem guten Gefühl.

ol Erleben Sie auch das Gegenteil?

Dass sich jemand einfach gegen das Mitmachen sträubt?

mf Um ehrlich zu sein: Ja, natürlich. Schließlich haben wir nicht die eierlegende Theater-Wollmilchsau erfunden. Es gibt also immer den einen oder die andere, der oder die unser Konzept nicht mag oder nicht eingebunden werden will. Wo -

bei wir jahrelang eingeübt haben, welche Gäste angespielt werden –und welche nicht. Wir binden nämlich nur jene ein, die es auch wollen. Wer das jeweils ist, das spürt man im Bauch und merkt es auch am Verhalten des

»Grundsätzlich würde mir jeder Mensch zu denken geben, der nicht den Anspruch hat, die Welt ein Stückchen besser zu hinterlassen, als er sie vorgefunden hat.«

Gegenübers. Also: Einerseits geht es darum, das Publikum zu fordern und herauszufordern, das macht ja auch den Spaß an der Sache aus. Andererseits werden wir niemanden vorführen oder gegen seinen oder ihren Willen einbinden. Ich selbst habe ein großes Mitmachtrauma aus meiner Kindheit: Eine meiner schlimmsten Erfahrungen war, als ich als Kind im Zirkus vom Clown in die Manege gerufen wurde. Ich stand da, absolut gegen meinen Willen – und habe es gehasst. Daher werde ich das niemandem antun. Jede und jeder kann bei uns sagen: Sorry, aber ich will gerade nicht!

ol Berühren, Spaß haben, Achtsamkeit, Glück. Das sind sehr schöne Theaterziele. Aber wollen Sie auch die Gesellschaft verändern? Politisch arbeiten? Die Welt ein Stück besser machen?

mf Grundsätzlich würde mir jeder Mensch zu denken geben, der nicht den Anspruch hat, die Welt ein Stückchen besser zu hinterlassen, als er sie vorgefunden hat. Dass wir sie als Ganzes aber nicht verändern werden, ist mir bewusst. Zumal wir sehr oft vor

einem Stammpublikum spielen, das wahrscheinlich unsere politischen und gesellschaftlichen Ansichten ohnehin teilt. Spannend ist es, wenn wir mitunter vor einem ganz anderen, ungewohnten, neuen Publikum auftreten, das uns und unsere Arbeit nicht kennt. Es gab in so einem Fall schon Vorstellungen, bei denen ich überlegt habe, spontan eine Szene zu ändern, um mögliche Irritationen bei Zuschauenden zu vermeiden. Aber dann dachte ich: Nein, auch wenn jemand sich vielleicht überfordert fühlt, schulde ich dem restlichen Publikum unser Theater. Und siehe da: Aus der vermeintlichen Irritation wurde große Begeisterung. Doch noch einmal zum Welt-Verändern: Bei unserem Stück Die Namenlosen hatten wir auch Berufsschülerinnen und Berufsschüler für Verwaltungsberufe im Publikum, angehende Entscheidungsträgerinnen und -träger. Und da denke ich mir: Wenn wir den einen oder die andere beeinflussen und eine Haltung gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus, Sexismus und Homophobie fördern können –dann haben wir einen kleinen Einfluss auf die künftige Gesellschaft. Und dieser Gedanke ist ungemein befriedigend!

ol Ihr neues Projekt basiert auf Wagners Götterdämmerung . Wie kamen Sie auf dieses Werk? mf Es gibt eine umfangreiche Sammlung an Themen, Ideen und Projekten, die ich verwirklichen will. Ein Opernstoff stand seit Langem auf der Liste. Als die Staatsoper anrief und fragte, ob wir nicht in der neuen Spielstätte spielen könnten, war mir schnell klar, dass es um die Götterdämmerung gehen muss. Die Alternativen waren übrigens Mozarts Zauberflöte und Peter Grimes von Benjamin Britten. Letztlich war es aber eine Bauchentscheidung ohne viel Überlegung.

ol Und warum gerade die Götterdämmerung ? Weil es eine so große Erzählung ist? Oder weil Wagner für viele Theatermacher ein fruchtbares Betätigungsfeld ist?

mf Weil sie episch ist und sich mit der Geschichte, die wir erzählen wollen, sehr gut deckt. Eine Geschichte der

Klimakrise. Eine Geschichte des menschlichen Verhaltens. Des Miteinanders und Gegeneinanders. Der Stoff ist einfach unglaublich reichhaltig –und die Musik genial.

ol Wie viel vom originalen Text und von der Musik steckt in Ihrer Fassung?

mf Die Musik begleitet uns durchs ganze Stück. Natürlich nicht in der originalen Orchesterbesetzung, aber es gibt zentrale Themen, die immer

hörbar sein werden und die durch das Haus klingen. Auch der Text enthält Abschnitte aus dem Libretto Wagners – natürlich aber auch sehr viel Neues von uns. Es ist ja nicht 1:1 die Opernhandlung, die man erlebt. Sondern ein Spiel mit dem Stoff und eine Adaption der Geschehnisse. ol Ihre Götterdämmerung spielt nicht in der Vergangenheit, nicht in der Gegenwart, sondern in einer dystopischen Zukunft,

MARTIN FINNLAND
Foto SOFIA VARGAIOVÁ

NESTERVALS GÖTTER DÄMMERUNG

13. 14. 16. 17. 19. DEZEMBER URAUFFÜHRUNG IM NEST

Musikalische Leitung HARTMUT KEIL Inszenierung MARTIN FINNLAND

Bühne ANDREA KONRAD Kostüme SOPHIE EIDENBERGER

Dramaturgie TOVE GRUEN & TERESA LÖFBERG Ton ALKIS VLASSAKAKIS

Choreographie JERÔME KNOLS

Mit CHRISTOPHER WURMDOBLER / MARIUS VALENTE / CLAUDIA UNTERWEGER / JULIA FUCHS / ANNE WIEBEN

LAURA ATHANASIADIS / RITA BRANDNEULINGER / MARTIN WALKNER / JOHANNES SCHEUTZ

STEFAN PAUSER / WILLY MUTZENPACHNER / GELLERT GERSON BUTTER / EVA DEUTSCH / CLAUDIA SIX / ALKIS VLASSAKAKIS

LAURA HERMANN / MARTIN FINNLAND

in einer Welt, die um das Wasser kämpft. Sind bei Ihnen die Götter noch Götter? Ist Wotan –bei Ihnen eine Frau – eine Göttin? Oder ist sie z.B. eine Aufsichtsratspräsidentin einer global agierenden Firma?

mf Doch, doch! Die Göttinnen sind Göttinnen. Sie leben unter uns, manche machen in der Menschenwelt mit, andere haben sich zurückgezogen. Sie sind transzendentale Wesen und bleiben es auch.

ol Die neue Handlung spielt in der nahen Zukunft. Nach dem von Ihnen erdachten ersten Wiener Wasserkrieg. Man kämpft also um das knappe Gut Wasser. Welcher übergeordnete Gedanke, neben der naheliegenden Klimakrise, führt durch den Abend?

mf Es geht um die Erkenntnis, wie schnell eine Gemeinschaft zerfallen kann, wenn Ressourcen knapp werden, wie rasch mit der sozialen Nächstenliebe nicht mehr viel los ist. Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist fragil, und wir haben es in Corona-Zeiten ja durchaus erlebt, wie schnell und entgegen besseren Wissens sich der Egoismus durchsetzt. Das fängt beim übermäßigen Horten des oft erwähnten Klopapiers an und reicht in viele essenzielle Bereiche unseres Lebens. Plötzlich ändert sich die Gesellschaft –und dabei haben wir einen echten, bedrohlichen Notfall ja noch gar nicht erlebt. Daraus ist das Gedankenexperiment entstanden: Was machen wir, wenn das Wasser knapp würde? Was, wenn Niederösterreich feststellte, dass das Wasser der Donau eigentlich ihm gehört? Und es erst einmal für seine Felder und Wiesen verwenden will?

Wenn die Steiermark die Frage stellt, warum es so viel Quellwasser nach Wien fließen lässt? Uns geht es dabei nicht um das Wasser an sich, sondern um das Auseinanderbrechen der Zivilgesellschaft. Diese Geschichte wollen wir erzählen.

ol Wagners Götterdämmerung endet mit dem Brand der Götterburg Walhall und den Menschen, die ergriffen in die Flammen schauen. Ihnen obliegt es, nach dem Versagen der Götter die Welt besser zu gestalten. Eine Utopie, die Sie beflügelt?

mf In unserer Fassung sind wir schon einen Schritt weiter. Bei uns übergibt Erda die Welt den Menschen –und die Götter sollen sich nach Möglichkeit nicht einmischen. Die Menschen – das ist unser Publikum – aber müssen über den Fortgang der Welt entscheiden. Daher ist das Ende jeden Abend offen, weil wir nicht wissen, wie sich das Publikum positionieren wird. Aber weil Sie von Utopie sprachen: Ein Hoffnungsschimmer ist für mich immer vorhanden – das Symbol des Rings. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Die Geschichte erzählt sich immer neu und immer weiter.

ol Aber warum ist das tröstlich und utopisch?

mf Weil ich als – wenn auch vielleicht naiver – Optimist und Humanist daran glaube, dass wir uns in diesem Kreislauf, auch wenn es Rückschritte gibt, letztlich vorwärtsbewegen.

»EIN ABEND WIE EIN SONG!«

Neues Talk-Format im NEST: Radiomoderator und Autor Nick-Martin Sternitzke taucht mit Publikum und Gästen in das Innere der Musiktheaterwelt ein.

Sein eigener Weg zum Musiktheater führte über überraschende Umwege: »Meine musikalische Sozialisation hat mit dem Musikantenstadl angefangen – ja, den hat man auch in Deutschland geschaut«, erzählt Nick-Martin Sternitzke. »Und ich glaube, da bin ich dann über den einen oder anderen – musikalisch sehr fragwürdig arrangierten –Operetten-Act zum Musiktheater und zur Oper gekommen.«

Endgültig sprang der Funke über, als dem jungen Sternitzke eine DVD des legendären Abschiedsauftritts von Joan Sutherland im Royal Opera House, Covent Garden im Jahr 1990 in die Hände fiel. Dame Joan hatte das Fest des Prinzen Orlofsky im zweiten Akt der Fledermaus als Rahmen gewählt, begleitet von Luciano Pavarotti und Marilyn Horne: »Ich hatte damals noch keine Ahnung, wer das ist! Aber Joan Sutherland, die da im grünen Tüllkleid steht und Koloraturfunken sprühen lässt, hat mich so fasziniert, dass ich dachte: Von diesen Stücken will ich mehr hören.«

Das Projekt »aus der Leidenschaft einen Beruf machen« hat sich der gebürtige Marburger dann mit großer Ernsthaftigkeit vorgenommen: Zunächst studierte er in Bayreuth Musiktheaterwissenschaft und arbeitete nach Abschluss seines Studiums in verschiedenen Projekten am dortigen Forschungsinstitut für Musiktheater, anschließend erwarb er einen Master of Arts in Musikjournalismus in Karlsruhe. Inzwischen arbeitet er als Journalist, Autor und Moderator für die Kulturwellen des WDR und SWR und schreibt und moderiert regelmäßig unter anderem für das Festspielhaus Baden-Baden und das Saarländische Staatstheater Saarbrücken. Für das NEST hat Nick-Martin Sternitzke sich ein

Format ausgedacht, in dem sich Wissen und Erfahrung mit Neugierde und Begeisterung für das Musiktheater treffen: den Oper*etten-Talk. Das »*« im Titel ist dem Moderator dabei besonders wichtig, wie er erklärt: »Manchmal sind die Unterschiede zwischen den Genres verschwindend klein. Und manchmal, so ist mein Eindruck, limitieren diese Kategorien stark. Dann geht es vielleicht nur noch um die Frage: Ist das eine mehr ›wert‹ als das andere, das vielleicht ›nur‹ Unterhaltung ist? Im Oper*etten-Talk sehe ich das Potenzial, dieses Denken aufzusprengen – und ganz vorbehaltlos, vielleicht auch schamlos, die großen Werke des Musiktheaters auf ganz andere Popkultur-Erzeugnisse treffen zu lassen.« Das Format soll dabei alles andere als »Proseminar-Charakter« haben: »Es soll unterhaltsam sein, kurzweilig. Und wenn dann jemand aus dem Saal geht und denkt: Mensch, ich hätte nicht gedacht, dass Meat Loaf so etwas wie der Siegfried des Rock’n’Rolls ist oder dass Johann Strauß mit ›Wiener Blut‹ eigentlich den MammaMia-Jukebox-Musical-Prototypen entwickelt hat – dann hat der Oper*etten-Talk gut gezündet.« Was ist nun konkret zu erwarten, wenn am 12. Dezember im NEST der erste Oper*etten-Talk zum Thema That’s Amore – Szenen (k)einer Ehe stattfindet? »Es soll ein dynamischer Abend werden«, erklärt Sternitzke, »ein Abend, der wie ein Couplet, wie ein Song funktioniert: mit ›Strophen‹, die Neues bringen, und eher ›Refrain‹-artigen Elementen. Das heißt, es wird kurze Vortrags-Slots geben, in denen ich Input liefere – so beständig wie ein Refrain –, und das Gesagte anhand kleiner Hörbeispiele und vielleicht auch Video-Elemente belege. Diese kleinen Einheiten werden dann immer

OPER*ETTEN-TALK

THAT’S AMORE –SZENEN (K)EINER EHE

12. DEZEMBER IM NEST

Moderation NICK-MARTIN STERNITZKE

Grundlage für einen direkten Austausch mit dem Publikum sein. Kleine Abstimmungsrunden brechen das Eis, bevor dann die eine oder der andere Freiwillige auf der Bühne Platz nehmen darf, um eine Aufgabe anzugehen, zum Beispiel ein ›Rollenspiel‹, das gemeinsame Rezitieren eines Textes. Außerdem wird es einen Gast geben, der im Gespräch mit mir einem Aspekt des Abends noch eine neue Perspektive abgewinnen wird.«

Am 12. Dezember wird Ensemblemitglied Stephanie Houtzeel im Oper*etten-Talk zu Gast sein. Die Mezzosopranistin kann auf eine langjährige, sehr erfolgreiche Karriere zurückblicken, in der das (Bühnen-)Thema Liebe – im weitesten Sinn –

natürlich eine große Rolle gespielt hat und spielt. Zusammen mit Nick-Martin Sternitzke und dem Publikum wird sie an diesem Abend ergründen, wie die Liebe auf der Bühne mit der im wirklichen Leben und jener in der virtuellen Welt der DatingApps im Verhältnis steht, bis hin zur provokanten Frage, die Nick-Martin Sternitzke formuliert: »Ist die Bühne der letzte romantische Ort?«

Der Oper*etten-Talk richtet sich an alle ab 16 Jahren. Weitere Folgen sind bereits in Vorbereitung, die nächste am 10. Jänner 2025 zum Thema »Holding Out for a Hero – Manns- und andere Heldenbilder in Wagners (Womanizer-)Walhall«.

NICK-MARTIN STERNITZKE

DU IM NEST!

WORKSHOPS ZUM MITMACHEN FÜR ALLE VON 4 BIS 99 JAHREN: WIEDERKOMMEN ERWÜNSCHT!

Seit vier Jahren bietet die unter Bogdan Roščić gegründete Outreach-Abteilung Mitmachprojekte für verschiedene Zielgruppen rund um das Repertoire der Wiener Staatsoper an. Das Ziel: Menschen für Musiktheater, Tanz und das Haus am Ring begeistern, Vorstellungen gemeinsam besuchen und Inszenierungen und Choreographien in unterschiedlichen Kontexten diskutieren und reflektieren. Außerdem künstlerisch-kreative Prozesse zwischen verschiedensten Menschen und Künstler*innen der Wiener Staatsoper mit Neugier auf neue Ästhetiken, Ausdrucksformen und gesellschaftliche Diskurse anzuleiten. Mit der Eröffnung des NEST und einem neuen Workshop-Raum im dortigen Obergeschoß findet die partizipative Arbeit des Teams der Wiener Staatsoper nun eine Erweiterung!

Ausreden, nicht mitzumachen, gibt es nicht mehr. Denn: Ab diesem Dezember gibt es Workshop-Formate rund um Oper und Tanz für alle zwischen 4 und 99 Jahren: Für Theaterbegeisterte, die sich gleich mehrere Monate an ein Projekt binden wollen, Musikfans oder -neulinge, die lieber erst einmal in einen einmaligen Workshop schnuppern möchten. Für jene, die ein ganzes Jahr mit der Wiener Staatsoper erleben möchten, oder die, die am kommenden Samstag einmal einen Impro-Workshop ausprobieren möchten, um dann gegebenenfalls noch eine Vorstellung zu besuchen.

SHAKESPEARE GEFÄLLIG?

Nach dem Eröffnungswochenende startet das Workshop-Programm direkt mit All the World’s a Stage. Unter der Leitung einer Theaterpädagogin improvisieren, tanzen und schauspielern die Teilnehmenden – mal in Duos, mal mit der gesamten Gruppe. Jede All the World’s a Stage -Session ist durch Rollen- und Verwechslungsspiel-Situationen aus einem Werk aus dem Kosmos Shakespeares inspiriert. Im

Dezember stürzen sich die Teilnehmenden auf Macbeth.

DRAMA IM DOPPELPACK!

Der Workshop Drama – paarweise! ist für alle zwischen 10 bis 99 Jahren und nimmt Klassiker berühmter Künstlerpaare einmal genauer unter die Lupe: Was passiert, wenn ein erfolgreicher Komponist und ein außergewöhnlicher Librettist zusammenarbeiten? Wie entsteht eine der größten Opernkooperationen der Musikgeschichte? Jeder Workshop widmet sich einem anderen besonderen Duo der Musiktheater- oder Tanzgeschichte. Im Dezember-Workshop haben Kinder ab 10 Jahren, Familien and friends die Gelegenheit, den kreativen Arbeitsprozess von Mozart und Da Ponte zu erkunden. Durch interaktive Aktivitäten mit dem Moderations-Duo erforschen die Teilnehmenden den kreativen Prozess hinter ihren Meisterwerken und entwickeln eigene kurze Texte und Melodien. Sowohl All the World’s a Stage als auch Drama – paarweise! sind einmalige Workshops, die zu unterschiedlichen Schwerpunkten zu verschiedenen

Zeit punkten der Saison stattfinden. Wiederkommen ist also erlaubt und natürlich immer gewünscht!

KOMMEN, UM ZU BLEIBEN! Alle Workshops der Wiener Staatsoper zielen natürlich darauf ab, dass man am liebsten gleich am nächsten Tag wieder ins NEST oder in die Wiener Staatsoper zurückkommen möchte. Einige von ihnen sind jedoch gleich auf längere Zeit angelegt: Maschinenraum Oper lädt Kinder ab 4 bzw. 7 Jahren ein, die »Maschinerie Oper« einmal aus anderen Perspektiven kennenzulernen. Innerhalb von acht Sessions lernen Kinder Besonderheiten verschiedener Theaterabteilungen kennen: Mal wird mit Licht experimentiert, mal eine eigene Figurine entworfen. Hier ist Platz für kreative Ideen und eine Menge Fragen. Zu Choreograph*innen werden Kinder zwischen 7 und 12 Jahren im tanzlabor jung. Inspiriert durch ein Werk aus dem Ballett-Repertoire entwickeln die jungen Tänzer*innen eigene kleine Choreographien und entdecken die Welt des Tanzes auf spielerische und niederschwellige Weise. Vorkenntnisse wer-

den in den Projekten der Outreach-Abteilung nicht erwartet. Jede*r ist herzlich willkommen. Die einzigen Voraussetzungen sind ein wenig Mut und Lust, als Gruppe etwas Neues auszuprobieren.

NOCH UNENTSCHLOSSEN?

Wer sich noch unsicher ist, ob er oder sie sich einmal einen Ruck geben möchte, hat natürlich weiterhin viele Möglichkeiten auch erst einmal aus der Publikumsperspektive NEST-Luft zu schnuppern! Sei es beim breiten, hier in Opernring 2 vorgestellten Er-

Bei den Proben für eine Aufführung

öffnungsprogramm, einem Opernschulkonzert oder auch bei einer Präsentation der Stückentwicklungs»Labore«, in denen Menschen aus der Stadt, inspiriert durch Themen, die sie brennend interessieren, eigene Bühnenwerke mit Künstler*innen der Wiener Staatsoper auf die Beine bringen!

Das gesamte Workshopangebot ist unter NEST.AT zu finden. Weitere Eindrücke: Instagram @NEUESTAATSOPER @WIENERSTAATSOPER_COMMUNITY

Fotos SOFIA VARGAIOVÁ

BESONDERE ERLEBNISSE SCHENKEN

Wählen Sie aus den schönsten OPERN- & BALLETT-VORSTELLUNGEN und buchen Sie im Paketpreis – jetzt um 10% günstiger.*

ALLE INFORMATIONEN & BUCHUNGEN

* Das Weihnachtspaket beinhaltet max. 4 Plätze an drei Abenden, die aus einer Auswahl an 13 Vorstellungen im Zeitraum Jänner – Juni 2025 gewählt werden können. Buchungen sind bis 31.12.2024 online aber auch an den Bundestheaterkassen möglich. Nähere Infos auf WIENER-STAATSOPER.AT

HAUSDEBÜTS

PALESTRINA

DEBÜTS

5. DEZ. 2024

KATHRIN ZUKOWSKI Ighino

Nach dem Studium der Instrumentalpädagogik Gitarre studierte Kathrin Zukowski Gesang. 2018-2020 war sie im Opernstudio der Oper Köln, seit 2020/21 gehört sie zum dortigen Ensemble. Gastengagements führten sie bisher an die Opernhäuser in Bielefeld, Braunschweig, Hannover und Karlsruhe sowie an das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, zum Tonkünstler Orchester u.a. in den Wiener Musikverein und nach Grafenegg und zum Haydn Festival nach Brühl. Im April 2025 gibt sie ihr Hausdebüt am Theater an der Wien.

ANDREW TURNER* Bischof von Fiesole Andrew Turner stammt aus Tacoma (USA) und studierte an der Washington State University, der University of Illinois und an der Juilliard School in New York. 2019 gab er sein Debüt an der Des Moines Metro Opera, 2021/22 war er Resident Artist an der Pittsburgh Opera, 2024 debütierte er als Tybalt in Gounods Romeo et Juliette an der Dallas Opera. Ab 2024/25 ist er als Stipendiat der Opera Foundation New York Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper.

DIE FLEDERMAUS 31. DEZ. 2024

Michael Niavarani, geboren 1968 in Wien, bekannt aus seinen Kabarett-Programmen, Fernsehserien und Kinofilmen, begann seine Karriere 1986 am Graumann Theater Wien und wechselte 1989 ans Kabarett Simpl, dessen Leitung er 1993 übernahm und das er 2019 kaufte. Er wurde mehrfach mit dem TV-Publikumspreis ROMY ausgezeichnet und auch seine Bücher erfreuen sich größter Beliebtheit. 2011-2013 war er Intendant der Festspiele Berndorf, 2014 gründet er mit Georg Hoanzl die Spielstätte Globe Wien und einen eigenen Theaterverlag. 2020 gründet er mit Georg Hoanzl zusätzlich das Freilufttheater Theater im Park.

ROLLENDEBÜTS

THE WINTERʼS TALE 1. DEZ. 2024

PHOEBE LIGGINS Perdita

ALEXEY POPOV Florizel

PALESTRINA 5. DEZ. 2024

CHRISTIAN THIELEMANN

Musikalische Leitung

MICHAEL SPYRES Palestrina

GÜNTHER GROISSBÖCK Pius IV.

MICHAEL NAGY Morone

MICHAEL LAURENZ Novagerio

KS WOLFGANG BANKL Madruscht / 9. Meister

WOLFGANG KOCH Carlo Borromeo

MICHAEL KRAUS Kardinal von Lothringen

HIROSHI AMAKO Abdisu / 1. Meister / 4. Kapellsänger

JUSUNG GABRIEL PARK Brus von Müglitz / 5. Meister / 2. Kapellsänger

KS ADRIAN ERÖD Graf Luna

NORBERT ERNST Bischof von Budoja / 2. Meister

MICHAEL GNIFFKE Bischof von Imola / 3. Meister / 3. Kapellsänger

IVO STANCHEV Avosmediano / 7. Meister

PATRICIA NOLZ Silla

KS CLEMENS UNTERREINER

Ercole Severolus / 4. Meister / 1. Kapellsänger

DEVIN EATMON* Dandini von Grosseto

ILJA KAZAKOV Bischof von Feltre / 8. Meister / 5. Kapellsänger

TERESA SALES REBORDÃO* Jung. Doktor

MONIKA BOHINEC

Erscheinung der Lukrezia

ILIA STAPLE 2. Engelsstimme

JENNI HIETALA 3. Engelsstimme

THE WINTERʼS TALE 6. DEZ. 2024

TIMOOR AFSHAR Leontes

ELENA BOTTARO Hermione

KIYOKA HASHIMOTO Paulina

GIORGIO FOURÉS Polixenes

ANDRÉS GARCIA TORRES

Ein Schäfervater

VACLÁV LAMPARTER Clown

ALEKSANDRA LIASHENKO

Eine junge Schäferin

TOSCA 7. DEZ. 2024

LISE DAVIDSEN Tosca

FREDDIE DE TOMMASO Cavaradossi

ALEXEY MARKOV Scarpia

SIMONAS STRAZDAS* Schließer

LES CONTES D’HOFFMANN 13. DEZ. 2024

JOHN OSBORN Hoffmann

ALMA NEUHAUS Muse / Nicklausse

ALEX ESPOSITO Lindorf / Coppélius / Miracle / Dapertutto

SERENA SÁENZ Olympia / Giulietta

NICOLE CAR Antonia

JULIETTE MARS Stimme der Mutter

ANDREA GIOVANNINI Spalanzani

ILJA KAZAKOV Luther

MARTIN HÄSSLER Hermann / Schlémil

MARIA ZHEREBIATOVA*

Stimme der Olympia im Epilog

MICHAEL NIAVARANI Frosch
Foto JAN FRANKL ( Niavarani)

DEBÜTS

THE WINTERʼS TALE 17. DEZ. 2024

ALAIA ROGERS-MAMAN Perdita

GÉRAUD WIELICK Florizel

DORNRÖSCHEN 23. DEZ. 2024

TIMOOR AFSHAR

Einer der vier Prinzen

RIGOLETTO 18. DEZ. 2024

CARLO RIZZI Musikalische Leitung

DMITRY KORCHAK Herzog

AMARTUVSHIN ENKHBAT Rigoletto

NINA MINASYAN Gilda

IVO STANCHEV Sparafucile

STEFAN ASTAKHOV Marullo

ANDREW TURNER* Borsa

DOHOON LEE* Graf Ceprano

ANNA GAROTIĆ* Gräfin Ceprano

HYEJIN HAN* Page der Herzogin

HÄNSEL UND GRETEL 26. DEZ. 2024

JOCHEN SCHMECKENBECHER

Peter Besenbinder

SZILVIA VÖRÖS Hänsel

NORBERT ERNST Hexe

DIE FLEDERMAUS 31. DEZ. 2024

HANNA-ELISABETH MÜLLER Rosalinde

HANNAH-THERES WEIGL* Ida

DEBÜTS IM NEST

SAGT DER WALFISCH

ZUM THUNFISCH 7. DEZ. 2024

MARKUS HENN Musikalische Leitung

ALEX ILVAKHIN* NOE

HANNAH-THERES WEIGL* ICH

FLORENTINA SERLES* DU

SAGT DER WALFISCH

ZUM THUNFISCH 10. DEZ. 2024

ANDREI MAKSIMOV* NOE

HYEJIN HAN* ICH

ANITA MONSERRAT* DU

NESTERVALS

GÖTTERDÄMMERUNG 13. DEZ. 2024

HARTMUT KEIL Musikalische Leitung

CHRISTOPHER WURMDOBLER Erda

MARIUS VALENTE Wellgunde

CLAUDIA UNTERWEGER Woglinde

JULIA FUCHS Floßhilde

ANNE WIEBEN Wotan

LAURA ATHANASIADIS Donner

RITA BRANDNEULINGER LoKI

MARTIN WALKNER Brünhild

JOHANNES SCHEUTZ Waltraude

STEFAN PAUSER Fasold

WILLY MUTZENPACHNER Sigfrid

GELLERT GERSON BUTTER Gunther Gibichung

EVA DEUTSCH Krimhild (Gutrune) Gibichung

CLAUDIA SIX Hagen Gibichung

ALKIS VLASSAKAKIS Alberich Nesterval

LAURA HERMANN Mime

MARTIN FINNLAND Urd

SAGT DER WALFISCH

ZUM THUNFISCH 16. DEZ. 2024

MARIA NAZAROVA ICH

SAGT DER WALFISCH

ZUM THUNFISCH 17. DEZ. 2024

TERESA SALES REBORDÃO* DU

* Mitglied des Opernstudios

TODESFÄLLE

JUDITH JAMISON , langjährige Solistin und Leiterin des Alvin Ailey American Dance Theater, die in der Premiere von John Neumeiers  Josephs Legende 1977 an der Wiener Staatsoper Potiphars Weib verkörperte, verstarb am 9. November im 82. Lebensjahr.

VLADIMIR SHKLYAROV, der bei den Nurejew-Galas 2012 und 2017 als Gast des Wiener Staatsballetts zu erleben war, ist am 15. November im Alter von 39 Jahren nach einem Sturz aus einem Gebäude verstorben.

LILLY SCHEUERMANN , ehemalige Erste Solotänzerin des Wiener Staatsopernballetts, ist am 24. November im 80. Lebensjahr in Wien gestorben. Aus ihrem großen Repertoire ragten v.a. die Julia in Romeo und Julia , Prinzessin Aurora in Dornröschen und Marie in Der Nussknacker sowie Hans van Manens Twilight heraus. 1984 wurde sie mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet.

GEBURTSTAGE

MARTIN SCHLÄPFER , Ballettdirektor & Chefchoreograph des Wiener Staatsballetts, feiert am 26. Dezember seinen 65. Geburtstag.

Choreograph WILLIAM FORSYTHE , dessen In the Middle, Somewhat Elevated ab Jänner 2025 im Rahmen von Shifting Symmetries wieder am Spielplan des Wiener Staatsballetts steht, wird am 30. Dezember 75 Jahre alt.

Der Komponist BEAT FURRER wird am 6. Dezember 70 Jahr alt. Seine Oper Die Blinden wurde von der Wiener Staatsoper 1989 unter der Leitung Furrers im Odeon uraufgeführt.

RAINA KABAIWANSKA feiert am 15. Dezember ihren 90. Geburtstag. An der Wiener Staatsoper sang sie Elisabetta ( Don Carlo), Tosca, Nedda und Leonora (Il trovatore).

WILLIAM CHRISTIE vollendet am 19. Dezember sein 80. Lebensjahr. An der Wiener Staatsoper leitete er am Pult von Les Arts Florissants die Staatsopern-Erstaufführung von Händels Ariodante.

Der britische Tenor IAN BOSTRIDGE wird am 25. Dezember 60 Jahre alt. An der Wiener Staatsoper sang er Don Ottavio (Don Giovanni).

Der italienische Dirigent ROBERTO ABBADO wird am 30. Dezember 70 Jahre alt. An der Wiener Staatsoper leitete er I vespri siciliani (Neuproduktion) und La cenerentola

AUSGEZEICHNET

ARGO-PREIS 2024

FÜR CHRISTIANA STEFANOU

Am 23. Oktober wurde CHRISTIANA STEFANOU, Direktorin der Ballettakademie der Wiener Staatsoper, in der Akademie der Künste Athen von der griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou für ihren besonderen Einsatz für den Tanz mit dem ARGO-Preis in der Kategorie »Kultur und Kunst« ausgezeichnet. Der seit 2019 jährlich vergebene Preis ehrt Griechinnen und Griechen, die im Ausland für jene Werte eintreten, welche mit Griechenland seit der Antike in Verbindung gebracht werden: Gastfreundschaft, Weltoffenheit, Ethik und Bildung, gegenseitiger Respekt und Demokratie.

ZWEI AUSZEICHNUNGEN

FÜR IOANNA AVRAAM

IOANNA AVRAAM , Erste Solotänzerin des Wiener Staatsballetts, wurde gleich zweifach geehrt: Am 21. Oktober erhielt sie in der Calouste Gulbenkian Stiftung Lissabon den Special Recognition Award der Helena Vaz da Silva European Awards for Raising Public Awareness on Cultural Heritage. Am 5. November wurde sie mit dem Nemitsas Prize in Classical Ballet ihres Heimatlands Zypern ausgezeichnet.

WEIHNACHTSAKTION

Nur in der Weihnachtszeit: 20% Ermäßigung im Offiziellen Freundeskreis der Wiener Staatsoper sowie dem Freundeskreis Wiener Staatsballett! Machen Sie Ihren Liebsten mit einer Mitgliedschaft in einem unserer Freundeskreise ein besonderes Geschenk. Bis 31. Dezember 2024 können Sie eine Mitgliedschaft zu einem um 20% reduzierten Förderbeitrag (auf ausgewählte Mitgliedsstufen) abschließen! Eine Mitgliedschaft ermöglicht, das Geschehen des Hauses aktiv mitzuerleben. So werden Treffen mit Künstlerinnen und Künstlern, Diskussionsveranstaltungen sowie Trainings- und Probenbesuche organisiert. Auch eine Einladung zur jährlichen Spielzeitpräsentation steht auf dem Programm. Weitere Vorteile sind exklusive Vorkaufsrechte von Karten für ausgewählte Vorstellungen noch vor dem offiziellen Vorverkaufsstart. Weitere Informationen unter: WIENER-STAATSOPER.AT/FOERDERN

CHRISTIANA STEFANOU mit der Griechischen Staatspräsidentin KATERINA SAKELLAROPOULOU
IOANNA AVRAAM mit dem HELENA VAZ DA SILVA AWARD ausgezeichnet
LILLY SCHEUERMANN

WERKEINFÜHRUNGEN

Bei ausgewählten Vorstellungen werden eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn im Gustav Mahler-Saal kostenlose Einführungsvorträge angeboten. Dabei wird über das Werk, die Autoren, die Aufführungsgeschichte und über Besonderheiten der aktuellen Produktion gesprochen. Im Dezember gibt es Werkeinführungen zu Palestrina , Les Contes d’Hoffmann , The Winter’s Tale und Dornröschen.

LÖWENSOFA

Am 21. Dezember gibt es das letzte Löwensofa des Jahres 2024. Diesmal geht es in der Diskussion um die Frage: »Wirtschaftlichkeit von Kultur, oder: Wer soll das bezahlen?« Gesprächspartner ist unter anderem der Journalist und Buchautor Christian Ortner.

RADIOTERMINE

12. Dez. 14.05 WIENER Ö1 BASSISTEN VON 1924 BIS 2024 Mit CHRIS TINA TENGEL

14. Dez. 09.05 BLIND- radioklassik VERKOSTUNG

Die Welt der Puccini-Interpretation

14. Dez. 14.00 PER OPERA radioklassik AD ASTRA Humperdincks HÄNSEL UND GRETEL

14. Dez. 19.30 PALESTRINA Ö1 (Pfitzner)

Musikalische Leitung THIELEMANN Mit u.a. SPYRES, W. KOCH, M. NAGY, GROISSBÖCK, LAURENZ, ERÖD, BANKL, ERNST, ZUKOWSKI, NOLZ Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Aufg. am 8./12. Dezember 2024

29. Dez. 15.05 DAS WIENER Ö1 STAATSOPERNMAGAZIN Ausschnitte aus aktuellen Aufführungen der Wiener Staatsoper Mit MICHAEL BLEES

31. Dez. 19.00 DIE FLEDERMAUS Ö1 (Strauß)

Musikalische Leitung DE BILLY Mit NIGL, MÜLLER, BANKL, SUSHKOVA, SCHNEIDER, UNTERREINER, STAPLE, GIOVANNINI, TONCA, NIAVARANI

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Live aus der Wiener Staatsoper

LIVESTREAM AUS DER WIENER STAATSOPER

12. Dez. 18.30 PALESTRINA

Musikalische Leitung THIELEMANN

Inszenierung, Bühne, Kostüme & Licht WERNICKE

Mit u.a. SPYRES, W. KOCH, M. NAGY, GROISSBÖCK, LAURENZ, ERÖD, BANKL, ERNST, ZUKOWSKI, NOLZ

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper

31. Dez. 19.00 DIE FLEDERMAUS (Strauß)

Musikalische Leitung DE BILLY Inszenierung SCHENK

Besetzung: Siehe Radiotermine

KÜNSTLERGESPRÄCHE

Für Mitglieder des Offiziellen Freundeskreises der Wiener Staatsoper gibt es im Dezember gleich zwei Künstlergespräche: In der Reihe »Mittagspause mit…« ist am 9. Dezember das Ensemblemitglied Jörg Schneider zu erleben, am 20. Dezember Michael Niavarani. Schneider, der zuletzt in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria zu hören war und im Dezember in der Fledermaus auftritt, wird aus seinem (künstlerischen) Leben erzählen, seinen Zugang zu Rollen beschreiben und für Fragen aus dem Publikum offenstehen. Natürlich gibt es auch diesmal Musik- und Videobeispiele. Und Niavarani wird sich schon einige Tage vor seinem Staatsoperndebüt als Frosch in der Fledermaus (siehe Seite 26) dem Publikum im Gespräch präsentieren.

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OPERNRING 2

DEZEMBER 2024 SAISON 2024 / 25

Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH / Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ / Kaufmännische Geschäftsführung DR. PETRA BOHUSLAV / Musikdirektor PHILIPPE JORDAN / Ballettdirektor MARTIN SCHLÄPFER / Redaktion SERGIO MORABITO / ANNE DO PAÇO / IRIS FREY / ANDREAS LÁNG / OLIVER LÁNG / NIKOLAUS STENITZER / KRYSZTINA WINKEL / Art Direction EXEX / Layout & Satz IRENE NEUBERT / Lek torat MARTINA PAUL / Am Cover CHRISTIAN THIELEMANN / Foto MATTHIAS CREUT Z IGER / Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUK TIONS GMBH, BAD VÖSLAU

REDAKTIONSSCHLUSS für dieses Heft: 26. NOV. 2024 / Änderungen vorbehalten / Allgemein verstandene personenbezogene Ausdrücke in dieser Publikation umfassen jedes Geschlecht gleichermaßen. / Urheber/innen bzw. Leistungsschutzberechtigte, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. WIENER-STAATSOPER.AT

JÖRG SCHNEIDER

BALKON? PARKETT? GRABEN?

GANZ UNSERE WELT.

STRABAG: Stolze Unterstützerin der Wiener Staatsoper

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