№ 36 JUNI 2024
Das MONATSMAGAZIN
KS CECILIA BARTOLI
IN DER WIENERSTAATSOPER Sommerfest des Humors in der WIENER STAATSOPER INTERMEZZO Tickets und Info: intermezzo.wien | niedermair.at | stadtsaal.com Alex Kristan Rubey & Schwarz Pizzera & Jaus 20.-22. AUGUST 2024
S. 2
ABENTEUER SCHULE
COSÌ FAN TUTTE IM LAUF DER ZEITEN
S. 7
»DIE WESENTLICHE FRAGE IST DIE NACH DER EMOTIONALEN VERKLEIDUNG«
BARRIE KOSKY IM GESPRÄCH
S. 12
DIE PRACHT VON MOZARTS & DA PONTES DRAMATISCHEM KÖNNEN DIE COSÌ-SÄNGERINNEN UND -SÄNGER IM GESPRÄCH
S. 18
IM SCHATTENREICH DER GEFÜHLE INTERVIEW MIT PHILIPPE JORDAN
S. 24
DIE BEKENNTNISSE DER FIORDILIGI VON MARTIN AMANSHAUSER
S. 27 SCHLAGLICHTER
S. 28
DIE SEHNSUCHT NACH DER IDEALEN WELT RUDOLF NUREJEWS SCHWANENSEE
S. 30 NUREJEW-GALA
S. 32 GROSSE BÜHNE FÜR DEN NACHWUCHS MATINEE DER BALLETTAKADEMIE
S. 34 BARTOLI-GASTSPIEL!
S. 36 MUSIK, DIE BERÜHRT KS CECILIA BARTOLI IM INTERVIEW
S. 42 SUPERSTARS UNTER SICH EIN GESPRÄCH MIT MICHAEL STURMINGER
S. 46 FÜNF FRAGEN AN JOHN MALKOVICH
S. 48 MUSIK, GESCHLECHT & GENDER ZUM SYMPOSIUM AM 30. JUNI
S. 54 DEBÜTS
S. 58 PINNWAND
INHALTSVERZEICHNIS
ABENTEUER SCHULE
COSÌ FAN TUTTE IM LAUF DER ZEITEN
Mit der Premiere von Così fan tutte am 16. Juni schließt sich der Kreis der Neuproduktionen jener drei Opern, die Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo Da Ponte gemeinsam geschaffen haben. Der Zyklus, der keiner ist, verlockt dazu, Brücken zu schlagen. Im Fall von Così fan tutte führt die Brücke mitten hinein in die wechselvolle Geschichte des geliebten Problemkindes unter den Mozartopern.
Zwei Ebenen der Interpretation: PAUL KLEE
DIE SÄNGERIN L.
ALS FIORDILIGI, 1923
COURTESY GALERIE THOMAS
Die Bezeichnung »Mozart-Da Ponte-Zyklus« ist ungefähr so häufig wie der Hinweis, es sei nicht ganz korrekt, von einem Zyklus zu sprechen. Was stimmt und auch wieder nicht. Denn natürlich haben Dichter und Komponist, die Mozarts frühen Tod im Dezember 1791 nicht ahnen konnten, diese drei so unterschiedlichen Opern nie als in sich verbundenen Korpus gedacht. Von heute aus betrachtet kuratiert sich der »Zyklus« andererseits wie von selbst – durch die musikdramatische Kraft, die der von Mozart in einem berühmten Brief imaginierte, aus Dichter und Komponist gebildete »wahre Phönix« in diesen drei Werken entwickelte: Die Kunstfertigkeit, mit der Mozart und Da Ponte Musik zu Theater werden ließen und umgekehrt, die Musikalität der Dichtung, die Poesie der Musik und der beides vereinende umwerfende Witz.
3 NIKOLAUS STENITZER
Humor ist eine der Klammern um das Dreigestirn von Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte : szenischer Humor, musikalische Komik, Sprachwitz – drei Aspekte, die eng miteinander verbunden sind. Ein »musikalischer Spaß«, dem es nicht an Selbstironie fehlt, steht im Finale von Don Giovanni: Leporello feuert die Musiker an, die bekannte Opernmelodien spielen – »Bravo! Cosa rara!« – »Evvivano i litiganti!«. Als der seinerzeitige Gassenhauer »Non più andrai« aus Le nozze di Figaro ertönt, heißt es nur lapidar: »Das kenne ich nur zu gut« – nur zu gut erinnerte sich Mozart, dass Vicente Martín y Solers Una cosa rara – ebenfalls nach einem Libretto von Da Ponte – seinen Figaro auf dem Spielplan der Wiener Hofoper abgelöst hatte.
Ein Figaro-Zitat findet sich auch in Così fan tutte, und zwar an prominenter Stelle, denn hier ist es Motto, Thema, Titel – und eine Spekulation. Ob das titelgebende Così fan tutte tatsächlich auf das Terzett im ersten Akt von Le nozze di Figaro verweist, ist nicht gesichert, liegt aber nahe. An der fraglichen Stelle wird der verborgene Cherubino in Susannas Zimmer entdeckt, und der eben noch galante Don Basilio schwenkt zur Häme um: »Così fan tutte le belle; non c’è alcuna novità!« –»So machen’s alle Schönen [Frauen], das ist keine Neuigkeit!«
Lorenzo Da Ponte hatte das Libretto ursprünglich für Antonio Salieri geschrieben, betitelt mit La scuola degli amanti, dem heutigen Untertitel Warum Salieri die Vertonung nach wenigen Versuchen (die in Fragmenten erhalten sind) abbrach, ist nicht bekannt. Bekannt, aber nicht zu belegen ist die Vermutung, dass vor allem Mozart eine Verwechslung der neuen Oper mit Salieris beliebtem dramma giocoso La scuola de’gelosi (Die Schule der Eifersüchtigen, UA 1778 in Venedig) vermeiden wollte und darum Così fan tutte als Titel vorschlug. Somit ist der Weg geebnet, um die drei Werke Mozarts und Da Pontes noch enger aneinanderzuspekulieren – mit dem (einmal sicheren, einmal wahrscheinlichen) Figaro -Zitat erhalten die beiden späteren Werke den Verweis auf die initiale Zusammenarbeit wie ein Wasserzeichen, das sie final als aus der Manufaktur Mozart-Da Ponte stammend ausweist.
MIT DER BETTELKADENZ
IN
DIE SCHULE DER MÄNNER
Aus der Zeile »Così fan tutte« schuf Mozart auch die Kennmelodie des gleichnamigen Werks. Gesungen erst gegen Ende des zweiten Aktes, ist sie in der Ouvertüre schon ab dem achten Takt zu hören. Nach zweimaligem Wechsel zwischen forte und piano, feierlichem Streicher-Auftakt und dem schmeichelnden Oboensolo schleicht sich das Thema geradezu davon: Die berühmte
»Bettelkadenz« – »als ob etwas vorausgegangen wäre, das eine Kadenz erheischte«, wie der Musikwissenschaftler Stefan Kunze schreibt: drei Terzschritte nach unten, im piano eine wehmütige Verzögerung nach a-Moll, eine Pause wie zum Nachdenken. Dann dasselbe noch einmal, aber forte und ohne den schmachtenden Moment am Ende, stattdessen der direkte, fast eilige Weg nach C-Dur und ins Presto, wo die Funken fliegen. So klingt die Zeile »Così fan tutte«, so klingt sie hier und so wird sie später klingen, wenn Don Alfonso sie Guglielmo und Ferrando nachsingen lässt wie eine Lektion (Akt 2, Szene 13).
Die s cuola degli amanti des Don Alfonso nämlich belehrt die Männer über die Frauen, die Grammatik verrät es schon im Titel mit der weiblichen Endung. Eine Konstellation, aus der sich quellenkritisch einiges über die Typisierung der Geschlechtscharaktere im 18. Jahrhundert erlernen lässt und die in die lange »Problemgeschichte« von Così fan tutte gehört.
Da Ponte schrieb das Libretto nicht wie Le nozze di Figaro nach einer oder Don Giovanni nach mehreren Vorlagen. Die Originaldichtung enthält allerdings einige literaturhistorisch bedeutsame Motive, für die unterschiedliche Quellen festzustellen sind: Für die »Treueprobe«, die die Handlung von Così fan tutte motiviert, finden sich Beispiele in der Literatur von Ovid bis Marivaux, unter anderem Giovanni Boccaccio und William Shakespeare liefern die Verbindung mit einer Wette dazu. Der belesene Lorenzo Da Ponte führt diese Motive zu einer eigenen Erzählung zusammen.
Über die Entstehungsgeschichte von Così fan tutte ist nicht viel bekannt, da sich Komponist und Librettist in derselben Stadt befanden, fehlt etwa ein erhellender Briefwechsel, und der sonst so auskunftsfreudige Da Ponte erwähnt die Oper in seinen Memoiren nur äußerst kurz und am Rande als »eine Oper, die den dritten Rang unter den drei berühmten von diesem Tondichter geschaffenen Werken einnimmt«. Dass bei der Wahl des Sujets eine wahre Begebenheit eine Rolle gespielt habe, wurde in verschiedenen Zusammenhängen ins Spiel gebracht, fast immer mit dem Hinweis, dass sich dergleichen nicht belegen lässt – ebensowenig wie der angebliche direkte Auftrag durch Kaiser Joseph II. Der offizielle Auftrag von Seiten des Hofoperntheaters erging wahrscheinlich im September 1789, und Mozart konzentrierte sich in der äußerst kurzen Zeit bis zur Uraufführung am 26. Jänner fast vollkommen auf das neue Opernprojekt. Wie für die damalige Zeit üblich, wurde bis kurz vor der Uraufführung geändert, verbessert und umkomponiert; auffällig ist dagegen, dass sich in der Partitur mehrere Hinweise darauf finden, dass Mozart und Da Ponte die Zuordnung der Paare nach der Verkleidungsintrige noch mehrfach
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änderten und erst spät entschieden wurde, ob Guglielmo und Ferrando jeweils die eigene Verlobte oder die des Freundes verführen sollten. Musikdramatisch gingen Mozart und Da Ponte mit Così fan tutte konsequent den Weg weiter, den sie mit Le nozze di Figaro und Don Giovanni begonnen hatten: Zwar enthält das Werk unvergleichliche Solonummern wie Ferrandos Arie »Un’ aura amorosa« (1. Akt) oder Fiordiligis Rondo »Per pietà, ben mio« (2. Akt); der Anteil der Ensembles ist im Vergleich zu den beiden Vorgängerwerken aber nochmals deutlich angestiegen: 20 von 31 Musiknummern singen die Sängerinnen und Sänger gemeinsam, die auch vordergründig handlungstreibenden Anteile der Komposition überwiegen damit bei weitem.
Die Uraufführung am 26. Jänner 1790 im alten Wiener Burgtheater am Michaelerplatz scheint durchaus erfolgreich gewesen zu sein, zeitgenössische Quellen äußern sich sehr positiv. Unterbrochen wurde die erste Aufführungsserie nach fünf Vorstellungen durch den Tod Kaiser Josephs II. am 18. Februar, das Burgtheater wurde in der Folge im Zuge der offiziellen Staatstrauer bis 12. April geschlossen. Erst im Juni wurden noch einmal fünf Vorstellungen gespielt, die Mozart ebenso wie die ersten fünf leitete. Weitere Vorstellungen der Oper hörte der im Dezember 1791 verstorbene Komponist nicht mehr, in Wien wurde das Werk erst 1794 wieder gespielt. Andernorts kam Così fan tutte zu Mozarts Lebzeiten aber noch mehrere Male zur Aufführung: Für die Prager Neueinstudierung überarbeitete der Komponist seine Partitur, die Produktion gastierte anschließend in Leipzig und Dresden, weitere Produktionen – in deutscher Sprache – gab es in Frankfurt am Main und Mainz.
MÄDCHENRACHE
UND ZAUBERPROBE
Nach Mozarts Tod begann sich der Leumund des Werks zu verschlechtern. Vereinzelte Zeitgenossen hatten das Werk von Beginn an abgelehnt – so der berühmte Schauspieler, Dramatiker und Theaterdirektor Friedrich Ludwig Schröder, der 1791 in sein Tagebuch notierte, bei dem Werk handle es sich um »ein elendes Ding, das alle Weiber herabsetzet, Zuschauerinnen unmöglich gefallen kann und daher kein Glück machen wird.« Zwar sollte Schröder mit seiner Prognose über das Schicksal der Oper nicht Recht behalten, aber im Verlauf des 19. Jahrhunderts mehrten sich die kritischen Stimmen, die fast alle (mit berühmten Ausnahmen wie Richard Wagner) Mozarts Musik gegenüber dem immer deutlicher abqualifizierten Libretto Da Pontes in Schutz nahmen. Der berühmte Musikkritiker Eduard Hanslick (1825–1904) etwa geißelte Da Pontes Dichtung fast vierzig Jahre lang immer wie-
der aufs Neue, zuletzt noch in seiner Besprechung von Gustav Mahlers Neuinszenierung an der Wiener Hofoper im Jahr 1900. Sein final gedachtes Verdikt aus dem 1875 hatte kein Gehör gefunden: »Die grenzenlose Plattheit des Textbuches ist es, was Mozart’s lieblicher Musik zu Così fan tutte überall den Garaus macht. Die Bildung unserer Zeit kann beim besten Willen damit keinen Vergleich mehr schließen.« Warum mit dem Werk »kein Vergleich mehr geschlossen« werden wollte, wird im Lauf des 19. Jahrhunderts immer wieder unter drei sich wiederholenden Schlagworten begründet: Albernheit, Unwahrscheinlichkeit und Frivolität. Dabei können die drei Aspekte auch zusammengedacht werden: Aus der »albernen« Maskerade, die »unwahrscheinlicherweise« von den beiden jungen Frauen nicht durchschaut wird, folgt die »Frivolität« der Untreue mit dem Verlobten der Schwester. Dass die sich verfestigenden Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts die Darstellung einer solchen Untreue auf der Bühne nicht dulden konnten, liegt auf der Hand. Versuche, zumindest Mozarts Musik durch Bearbeitungen oder sogar ganz neue Textfassungen zu »retten«, wurden unter Titeln wie Mädchenlist, Mädchentreue, Mädchenrache, aber auch Die Guerillas, Die verfängliche Wette oder Die Zauberprobe auf die Bühnen des deutschen Sprachraums gebracht. Die ersten drei Titel lassen das verbreitete Sujet erkennen, Fiordiligi und Dorabella (beziehungsweise Leonore und Dorabella, wie sie in deutschen Fassungen oft genannt wurden) die Intrige erkennen zu lassen und darauf zu reagieren; die anderen drei verweisen auf risikofreudige Bearbeitungen, an denen häufig bemängelt wurde, dass durch sie gerade die angestrebte Rettung des Mozart’schen Opus deutlich verfehlt worden sei. Den Korrespondenten der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung scheint man angesichts einer Prager Aufführung der Zauberprobe (Text G. F. Treitschke) über seinem Bericht fast stöhnen zu hören: »Mozart zeichnete seine Charaktere durch Töne so wahr, dass der muthwillige Scherz und die Grazie seines Kammermädchens durchaus für keinen Luftgeist, die Schlauheit seines italienischen Doktors für keinen Zauberer passt, und dass in dieser Umwandlung das schöne Ganze nur gestört und verunstaltet erscheinen musste.«
POTENZIAL FÜR NEUE WEGE
Ein Glück, dass das 19. Jahrhundert mit seinen Zauberproben und Guerillas zu Ende ist, könnte man sagen. Ein Glück aber auch, dass dasselbe für das 18. Jahrhundert und seine biologistischen Ansichten über die Beschaffenheit von Männern und Frauen gilt. Denn so hilflos und auch lächerlich die bürgerliche Angst vor dem »Frivolen« samt den entsprechenden Abwehrversuchen aus heutiger Sicht erscheint, so enthält Così fan tutte doch
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SCHULE
ABENTEUER
auch eine philosophische Konstellation, die uns beschäftigen sollte – und in jüngeren Inszenierungen auch auf die eine oder andere Weise regelmäßig zum Thema wird. Don Alfonso ist nicht aus Not oder Beiläufigkeit ein »alter Philosoph«. In seiner »scuola degli amanti«, in die, wie schwer zu übersehen ist, nur Männer aufgenommen werden, wird gelehrt, was zeitgenössische Denker wie Jean-Jacques Rousseau (Émile oder
Don Alfonso ist nicht aus Not
oder
Beiläufigkeit ein »alter Philosoph«
über die Erziehung, 1762) oder Denis Diderot (Über die Frauen, 1772) vorgelegt hatten: Die Differenz zwischen »sinnlich« veranlagten Frauen und vernunftbegabten Männern –die Schule der Frühaufklärung, die natürlich nicht ohne Gegenstimmen blieb, aber für die bürgerliche Moral, die sich dann so verzweifelt mit Così fan tutte abmühte, große Bedeutung bekam. Das Gefälle, das sich hier andeutet, finden wir auch noch ganz am Ende von Così fan tutte, wenn das Verwirrspiel entlarvt und die Frauen »schockiert« sind. Vor dem fröhlichen Schlusschor schwören die Frauen erst noch, ihre Männer entschädigen zu wollen – mit Liebe und Treue, mit ewiger Anbetung. Es bleibt den Männern, augenzwinkernd zu erklären, dass sie das gerne glauben, aber nicht überprüfen würden. Die Männer haben also den Umgang mit den Frauen gelernt, wie sie ihnen Don Alfonso beschrieben hat. Die Frauen haben erst noch zu entscheiden, ob der Schwur, den sie im ersten Schrecken aussprechen, tatsächlich ihre ganze Conclusio aus dem Spiel ist, das mit ihnen gespielt wurde.
Diese Konstellationen und die Herausforderungen, die das Libretto mit sich bringt, müssen weder erschrecken noch zu Ehrenrettungen bemüßigen. Das Theater gibt uns Möglichkeiten, Così fan tutte jenseits der Zauberproben und Mädchenrachen in seinem gekonnten Wechselspiel von Musik und Sprache zu genießen, ohne Schwierigkeiten der Fabel zu ignorieren. Tatsächlich deutet sich in den Verrenkungen der Bearbeitungen des 19. Jahrhunderts schon an, was heute selbstverständlich ist oder sein sollte: Theater – und gerade Musiktheater mit seiner langen Tradition und seinem Repertoire aus mehreren hundert Jahren – ist nicht nur Interpretation, sondern immer auch Korrespondenz zwischen sich verändernden
Zeiten. Künstlerinnen und Künstler, die Così fan tutte heute auf die Bühne bringen, haben die Möglichkeit, Widersprüche in dem Werk für ihre Interpretation und jene des Publikums fruchtbar zu machen als eine »Schule der Liebenden«, in der die Grenzen zwischen Lehrenden und Lernenden ebenso zur Diskussion stehen wie die Verbindungen zwischen Fiordiligi, Dorabella, Guglielmo und Ferrando.
EINE LEKTION FÜR HUNDERT ZECHINEN
Der »alte Philosoph« Don Alfonso provoziert die jungen Freunde Guglielmo und Ferrando: Auch die Verlobten der beiden – die Schwestern Fiordiligi und Dorabella – könnten, ja müssten ihnen irgendwann untreu werden. Guglielmo und Ferrando weisen das entrüstet zurück, eine Wette wird geschlossen: Durch eine von Don Alfonso eingefädelte Charade sollen die Frauen zur Untreue verführt werden, wer Recht behält, gewinnt hundert Zechinen. Don Alfonso heuert Despina, die Zofe der beiden Schwestern, als Intrigenhelferin an. Die Liebhaber reisen zunächst mit einem fingierten Einberufungsbefehl zum Militär ab und kehren dann in Verkleidung wieder, um als scheinbar Fremde um die Frauen zu werben. Durch die tatkräftige Unterstützung Despinas, die den Frauen nachdrücklich die Bedenkenlosigkeit des Unternehmens nahebringt, entscheiden sich die Schwestern eine nach der anderen, sich mit ihren verkleideten Liebhabern einzulassen – wobei sie jeweils den Verlobten der Schwester wählen. Als die Intrige am Ende aufgelöst wird, hat Don Alfonso die hundert Zechinen gewonnen – die Folgen der Lektion, die seine »Schule der Liebenden« gelehrt haben will, wird ihre Wirkung in der Zukunft zeigen müssen, die jenseits des lieto fine der Oper liegt, in dem die die vier Liebenden die »bella calma« beschwören, die schöne Gelassenheit.
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»DIE WESENTLICHE FRAGE IST DIE NACH DER EMOTIONALEN VERKLEIDUNG.«
NIKOLAUS STENITZER & BARRIE KOSKY IM GESPRÄCH ÜBER COSÌ FAN TUTTE
BARRY KOSKY
Fotos URBAN ZINTEL
nis In deinem Opernkalender steht unsere Neuproduktion von Così fan tutte an einer interessanten Stelle: Du hast gerade in Amsterdam Pucci-
von Peter Maxwell Davies und György Kurtág enden – zwei Komponisten, die ich sehr bewundere. Unsere Così-Produktion ist der ideale Ort zwischen dem Trittico und die -
»In Così fan tutte – im Gegensatz zu Don Giovanni und Le nozze di Figaro – sind Rollenspiel und Verkleidung der natürliche Kern der Oper, was uns einen sehr fruchtbaren Boden für die Inszenierung bietet.«
ni s Il trittico neu erarbeitet. Im Sommer zeigst du in Aix-en-Provence einen ungewöhnlichen Doppelabend mit Peter Maxwell Davies’ Eight Songs for a Mad King und György Kurtágs Kafka-Fragmente : ein Monodrama für Bariton, ein Miniaturenzyklus für Sopran. Welchen Stellenwert nimmt Così fan tutte in deinem arbeitsreichen Opernjahr ein?
bk Was den Trittico betrifft: ich war immer ein riesiger Puccini-Fan. Es ist ein Privileg, diese Musik zu proben Ich denke, Puccini hat die Emotion und die Psychologie verstanden wie nur wenige außer ihm, die besten – Janáček, Monteverdi, Mozart oder Wagner. Was Puccini vor allem in Werken wie Il tabarro und Gianni Schicchi gelingt, sind die ständigen Wechsel, diese ständigen Überraschungen in den Klängen. Man weiß nie, wohin die Musik führen wird – weil sie immer von den Emotionen und der Psychologie des Narrativs geleitet ist. Und genau so ist es bei Mozart und Da Ponte. Auch wenn man die Stücke gut kennt, wird man immer aufs Neue überrascht. Im zweiten Akt von Le nozze di Figaro überrascht es mich immer aufs Neue, wie die Musik sich entspinnt und an der Geschichte entlang entwickelt, und ich finde die Ensembles in Così in dieser Hinsicht ähnlich –man wird mitten in die Turbulenzen der Figuren geführt, ohne zunächst zu wissen, wo all das hinführen wird. Das ist etwas, das Mozart meisterhaft beherrscht hat, und Così fan tutte ist ein perfektes Beispiel für diese Meisterschaft. Für mich hat diese Saison darum einen ganz wunderbaren Bogen. Meine Saison wird in Aix mit zwei kleinen Produktionen von Kammerwerken
sem kleinen Projekt: In ihr verbindet sich das großartige Komponieren emotionaler Verwerfungen mit der Kammerspielsituation, die ich in Aix haben werde. Denn unsere Così wird sehr kammerspielartig sein, mit dem Chor aus dem Off, ohne Tänzer, ohne Statisterie.
nis In den vergangenen Jahren hast du sowohl Don Giovanni als auch Le nozze di Figaro an der Wiener Staatsoper inszeniert. Beide Opern hattest du schon vorher erarbeitet, Le nozze di Figaro sogar mehrmals. Così fan tutte dagegen noch nie. Warum nicht?
bk Ich habe fünfunddreißig Jahre gewartet, ehe ich gewagt habe, Così fan tutte zu machen. Nicht, weil ich nicht wollte. Ich fand, dass ich noch nicht so weit war. Viele Intendanten beauftragen sehr junge Regisseurinnen und Regisseure mit Così fan tutte, was ich nicht für die beste Idee halte. Ich denke, man braucht eine ganze Menge Erfahrung, um dieses Stück auf die Bühne zu bringen. Und selbst dann ist es schwer. Eigentlich ist Così fan tutte für mich die am schwierigsten zu inszenierende der drei Mozart-Da-Ponte-Opern. Figaro und Don Giovanni sind schwierige Stücke, aber für mich ist Così fan tutte eine noch viel größere Herausforderung.
nis Was macht das Werk so schwierig?
bk Die Erzählstruktur von Così fan tutte ist sehr klar und einfach. Es geht um Kollisionen, die sich zwischen einer Gruppe unterschiedlicher Menschen ergeben. Aber das Aneinanderfügen dieser Konstellationen ist wie ein filigranes Puzzle, das nur durch eine sehr präzise Arbeit zusammengesetzt werden kann. Così fan tutte lebt –mehr als Figaro und mehr als Don Giovanni –
8 BARRIE KOSKY IM GESPRÄCH ÜBER COSÌ FAN TUTTE
von der konkreten Darstellung auf der Bühne. Denn das Werk ist letztlich viel abstrakter, als es zuerst scheint: Wenn man zum zweiten Akt kommt, hat sich die Erzählung aufgelöst. Aber gerade im zweiten Akt, in dieser Auflösung, gibt es außergewöhnliche Momente menschlicher Interaktion, die völlig ungeschützt und schmerzhaft und schön sind. Und deshalb ist Così ein solches Meisterwerk –und so schwer zu inszenieren.
nis Du hast die Disposition von Così fan tutte oft als die eines »Experiments« bezeichnet, manchmal hast du das Stück auch ein »Laboratorium« genannt. Despina spielt zwar eine bedeutsame Rolle, aber derjenige, der das Experiment letztlich betreibt, ist Don Alfonso. Eine Grundfrage für jede Auseinandersetzung mit dem Werk ist: Warum macht er das? Was treibt ihn in deiner Version der Geschichte an?
bk Ich denke, dieser Frage muss man sich im größeren Zusammenhang widmen: Was ist Don Alfonsos Status, was ist sein Verhältnis zu den jüngeren Männern? Das Stück entwickelt sich im Lauf des Abends immer weiter in Richtung emotionale Abstraktion – man muss vorher ein ganz bestimmtes Setting für das Experiment etabliert haben. Ich habe Produktionen von Così fan tutte gesehen, die sich gar nicht mit der Frage beschäftigt haben, wer Don Alfonso eigentlich ist. Für mich war das eine sehr wichtige Frage. Darum habe ich auch lange über den Rahmen nachgedacht, in den ich ihn stellen könnte: Was wäre ein Setting, in dem man damit spielen kann, was echte Emotion und was gespielte Emotion ist; was das Annehmen einer Rolle, eines Kostüms oder einer Haltung zu Liebe bedeutet? In was für einem Raum kann man die Emotion auf Kommando starten und wieder stoppen, in sie eintreten und aus ihr aussteigen und sie auch noch kommentieren? Was wäre das für eine Welt? Irgendwann wurde mir klar: Es ist der Probenraum. nis Deine Überlegungen haben dich also in die Theaterwelt geführt.
bk Ich habe begonnen, mir Don Alfonso als Regisseur und Theaterintendanten vorzustellen. Er arbeitet mit vier jungen Sängerinnen und Sängern, die eine mehr oder weniger obskure Oper einstudieren, und Despina ist die Inspizientin. Die vier jungen Leute bilden zwei Liebespaare. Wir spielen mit der Idee, dass Don Alfonso eine Art Method-Regisseur aus der Hölle ist. [ Method Acting: Schauspieltechnik auf der Grundlage von Einfühlung und kalkulierter Reproduktion von Emotionen nach Lee Strasberg und K. Stanislawski, Anm.] Er benutzt nun den Rahmen von Probe und Spiel, um seinen Standpunkt zu belegen: Dass Frauen prinzipiell untreu sind. Es ist wichtig, das zu betonen, man kann der immanenten Misogynie des Stücks nicht entgehen. Don Alfonso ist ein unangenehmer Character. Wir müssen also
einen Weg finden, dass wir nicht im 21. Jahrhundert einfach sagen: Es ist so, wie er es sagt. Das kann nicht das Stück sein.
nis Die Originalgeschichte ist so konstruiert, dass die scuola degli amanti eine Schule für Männer ist. Die Frauen sind in gewisser Weise der Unterrichtsgegenstand. Wie stärkst du die Position der Frauen in deiner Inszenierung?
bk Das ist eine essenzielle Frage. Ich denke, es hilft sehr, dass wir Fiordiligi und Dorabella in unserer Produktion schon ganz am Anfang auf der Bühne haben. Das heißt, dass die Frauen hören, was Don Alfonso über sie sagt, und darauf reagieren können. Die werden entsprechend einen ganz anderen Weg durch das Stück nehmen. Grundsätzlich finde ich die Entwicklung der Frauen im Verlauf des Stücks viel interessanter als die der Männer. Ihre Arien sind auch viel facettenreicher und interessanter. Und zugleich finde ich es erstaunlich, wie viel man in diesem Stück mit ein wenig Humor und Selbstreflexion erreichen kann, was den Blick der Frauen auf ihre eigenen Positionen betrifft. nis Così fan tutte hat eine lange Bearbeitungstradition – schon einige Jahre nach der Uraufführung begannen die Theater, Änderungen am Text und an der Geschichte vorzunehmen, bis hin zu Versionen, die Da Pontes Text vollständig ersetzten. Aber auch weniger radikale Adaptionen legten oft Wert darauf, dass die Frauen von der Intrige – der Wette – erfahren und entweder mitspielen oder sich rächen. Durchschauen Dorabella und Fiordiligi in deiner Version, was gespielt wird? Oder stellt sich die Frage angesichts der Theatersituation, die du etablierst, ganz anders?
bk Die Grundannahme führt zu einem ungewöhnlichen Verlauf. In unserer Version werden sich die vier jungen Leute bewusst entscheiden, an einem Theaterexperiment teilzunehmen. Wir werden also vier Menschen sehen, die in alles eingeweiht sind, aber spielen, dass sie nicht wissen, was gespielt wird. Und dabei Charaktere darstellen, die ebenfalls keine Ahnung haben. Dadurch können wir eine Situation schaffen, die zum Kern des Tacheles führt, um das es in dem ganzen Stück geht: Kann man Emotionen »faken«? Kann ich dich überzeugen, dass ich dich liebe – durch die Art, wie ich mich ausdrücke? Und was geschieht, wenn es im Verlauf eines künstlichen, erfundenen Spiels plötzlich zu einer Offenbarung kommt?
nis Ein wichtiger Punkt: In dem ganzen Stück geht es darum, Wahrheit zu erzeugen, Wirklichkeit zu manifestieren. Don Alfonsos Projekt ist es, einen Punkt zu beweisen –allerdings innerhalb eines Spiels von Verkleidung und Versuchung, das die Gren -
9 BARRIE KOSKY IM GESPRÄCH ÜBER COSÌ FAN TUTTE
zen der vier Liebenden verschiebt. Du hast Method Acting erwähnt, jene künstlerische Technik, die glaubwürdige, »authentische« Emotionen auf der Bühne und im Film erzeugen und reproduzieren soll. Nun können wir diese Idee, authentische Emotionen zu erzeugen, mit den jüngsten Diskussionen über das Theater als einen Raum in Verbindung bringen, in dem das Überschreiten von Grenzen traditionell als Teil der Kunst angesehen wird.
bk Absolut. Zunächst hat Così fan tutte eines mit allen großen Musiktheaterwerken gemeinsam: Es folgt einer Logik und Regeln, die nicht die Regeln des Lebens sind. Es gibt nichts Realistisches oder Natürliches an der Oper – und durch ihre Künstlichkeit, durch die Noten der Musik und die Silben des Textes, wird eine größere Wahrheit enthüllt. Meiner Meinung nach ist das der Sinn der Kunst und des Theaters. In Così fan tutte – im Gegensatz zu Don Giovanni und Le nozze di Figaro – sind Rollenspiel und Verkleidung der natürliche Kern der Oper, was uns einen sehr fruchtbaren Boden für die Inszenierung bietet. Ich glaube nicht, dass es in dem Stück um Treue geht. Die wichtigen Themen im Kern des Werks habe ich schon angesprochen: Kann ich Liebe vortäuschen? Was passiert, wenn ich mich beim Vortäuschen von Liebe verliebe? Wir befinden uns hier in Shakespeare’schen Gefilden. Durch die Komödie, durch die Skurrilität des Rollenspiels, kommt es zu einer Offenbarung. Ein Motiv, das bis in die griechische Antike zurückgeht und sich durch die gesamte Geschichte des Theaters zieht. nis Shakespeares Cymbeline wird manchmal als Quelle einiger Topoi in Così fan tutte genannt, die sich wiederum auch in Boccaccios Decamerone finden. Als wir zum ersten Mal über Così fan tutte gesprochen haben, war dir aber ein anderes Werk Shakespeares wichtig: The Tempest – Der Sturm . bk In The Tempest versucht Prospero, die Handlung zu kontrollieren. Die Insel, die er beherrscht, hat viel mit einem Theater gemeinsam. Man könnte sagen, dass er versucht, die ganze Vorgeschichte und dann auch die Hauptgeschichte von The Tempest zu inszenieren: Ariel und Caliban, seine Tochter, die Liebesgeschichte, der Sturm: der ganze Mechanismus von The Tempest ist eine Theatermetapher. Don Alfonso ist nicht Prospero, aber er ist von seiner Fähigkeit überzeugt, alles zu kontrollieren und die vier jungen Leute wie Schachfiguren durch sein Spiel hindurchzudirigieren und zu manipulieren. Der Unterschied ist, dass Prospero entscheidet, sein Spiel zu beenden. Don Alfonso trifft diese Entscheidung nicht. Das Experiment gerät außer Kontrolle. Das macht ihn zu einer Art gescheitertem Prospero. nis Sprechen wir über das Verkleiden. Es ist ein unheimlich wichtiges Thema in Così
fan tutte – die ganze Geschichte basiert darauf, und jede Inszenierung muss Entscheidungen über die Art und Funktionsweise der Verkleidung treffen, die das Ergebnis drastisch beeinflussen. Die Geschichte des Verkleidens ist uralt und faszinierend, im Thea ter wie in der Mythologie. Masken wurden mit Verführung und Erotik, aber auch mit Verrat und Missbrauch in Verbindung gebracht.
bk Hier zeigt sich diese außergewöhnliche Reflexion aus der Mythologie, dem Märchen, der Literatur und dem Theater. Einer der verbreitetsten Topoi in allen Formen des Geschichtenerzählens ist die Idee, sich zu verkleiden: Jupiter, Merkur, Pluto. Aber was bedeutet das? Tatsächlich ist das Verkleiden omnipräsent: Schon durch die Kleidung, die wir tragen, verkleiden wir uns. Wir verstecken uns. Wir versuchen, uns durch unsere Körper und unsere Kleidung so in Szene zu setzen, wie wir gesehen werden wollen. Unser Leben ist performativ. Und das spiegelt sich natürlich auch im Theater wider. Shakespeare war besessen von Verkleidungen. Don Giovanni und Le nozze di Figaro haben prominente und wichtige Episoden, in denen Verkleidungen verwendet werden. In Così ist die Verkleidung aber das Fleisch, sie ist das Hauptgericht. Hier ist die Verkleidung die absolute theatralische Metapher für das Liebesexperiment, um das es geht: Die wesentliche Frage, die gestellt wird, ist die nach der emotionalen Verkleidung. Emotionen werden mit anderen Emotionen getarnt, künstlich erzeugte, erfundene Emotionen werden real und erzeugen neue Emotionen – und am Ende wird niemand mehr sagen können, welche dieser Emotionen authentisch sind. Oder die Frage ist sogar obsolet. Überhaupt ist die Verkleidung etwas ganz Ursprüngliches in der Kunst des Theatermachens. Sie ist die Grundlage des Theaterspiels.
nis Du hast öfter darauf hingewiesen, dass du den Schmerz und die Emotionen in diesem Stück über das Verkleiden und Täuschen als sehr real empfindest. Kannst du Momente nennen – auch musikalische – auf die das für dich zutrifft?
Das Quintett im ersten Akt ist ein ideales Beispiel dafür. Alle warten auf das Trio »Soave sia il vento«, das natürlich eine außergewöhnliche Musik beinhaltet – es erzählt von Abschied, Melancholie, Sehnsucht, Schönheit. Aber ich finde, dass die schmerzhafteste Musik davor zu hören ist, im Quintett. Das ist Mozart in seiner phänomenalsten Form. Und meine Lieblingsarie ist wahrscheinlich Fiordiligis »Per pietà« im zweiten Akt. Für mich ist diese Arie eine unglaubliche Achterbahnfahrt. Es gibt noch viele andere, aber ich möchte diese beiden Beispiele dafür anführen, wie Schmerz und Schönheit, Sehnsucht und Frustration in Musik umgesetzt werden
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COSÌ FAN
BARRIE KOSKY IM GESPRÄCH ÜBER
TUTTE
können. Mozart präsentiert uns eine menschliche Erfahrung ohne Haut. Es ist Blut und Muskeln und Knochen – es tut weh.
nis Eine sehr künstliche Situation, die in Musik gesetzt sehr reale Emotionen erzeugt.
bk Die Künstlichkeit ist der Auslöser, aus dem diese Emotion folgt. Wie alle große Musik und wie alle großen Momente in der Oper spielen aber viele
Aspekte eine Rolle. Wenn Wotan am Ende der Walküre den Abschied von Brünnhilde singt, geht es nicht nur um eine Sache. Wenn Wozzeck zu artikulieren versucht, was er in seiner zerbrochenen Sprache nicht artikulieren kann, hat das viele Facetten. Bei Così fan tutte ist wahrscheinlich das Wesentliche, dass die ganze Geschichte niemals in Klarheit enden kann.
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Von links oben nach rechts unten: christopher maltman, peter kellner, kate lindsey, emily d’angelo, federica lombardi, f ilipe manu
Fotos VICTORIA NAZAROVA
DIE PRACHT VON MOZARTS & DA PONTES DRAMATISCHEM KONNEN
Seit mehr als acht Jahren hat es an der Wiener Staatsoper keine Aufführung von Così fan tutte gegeben, und die letzte Premiere dieses zentralen Werkes des Mozart-Repertoires liegt mittlerweile sogar schon 30 Jahre zurück! Höchste Zeit also für die bevorstehende Neuproduktion, in der eine für Wien vollkommen neue Così-Besetzung zu erleben sein wird.
Mit Filipe Manu als Ferrando und Emily D’Angelo als Dorabella gibt es sogar zwei Hausdebüts, und die vier übrigen Partien werden von Publikumslieblingen gegeben, die allein in den letzten Monaten auf dieser Bühne mit maßstabsetzenden Interpretationen unterschiedlicher Charaktere zu beeindrucken vermochten. Der sechswöchige Probenprozess für diese Neuinszenierung und somit die für alle Beteiligten bereichernde und erfüllende Reise durch die Partitur hat Anfang Mai begonnen – eine Reise, deren Ziel es ist, dem Publikum ab 16. Juni das Wunder Mozart neu erfahrbar zu machen. Schon vorab haben wir dem Così-Ensemble einige grundlegende Fragen vorgelegt, um herauszufinden, mit welchen Vorstellungen, mit welchem Verständnis der Musik von Così fan tutte ausgestattet, die jeweiligen Sängerinnen und Sänger diese Reise antreten und deren Ziel bereichern.
al Gibt es für Sie ein Alleinstellungsmerkmal der Musik Mozarts, etwas, das seiner Musik Einzigartigkeit verleiht?
kate lindsey Was mich immer wieder zu Mozart zurückbringt, ist die Freude, der Geist und das Le-
ben, die seiner Musik innewohnen. Als die Pandemie ausbrach und wir alle in unseren Häusern festsaßen, hatte ich jeden Tag etwa zwei Stunden am Nachmittag, in denen mein kleiner Sohn ein Nickerchen machte. Ich sah meine Notenregale an und nahm immer wieder Mozart-Partituren zur Hand, um sie jeden Tag aufs Neue zu studieren, einfach zu meinem eigenen Vergnügen. Mozart gab mir in diesen unsicheren Wochen und Monaten Halt und Nahrung. federica lombardi Ich war immer schon davon überzeugt, dass Mozarts Musik die Kraft hat, jedes Mal neu zu überraschen. Ich habe den Eindruck, dass alles perfekt ist, und zwar auf eine sehr »einfache«, geradezu intuitive Weise. Jeder Takt der Musik ist in der Lage, verschiedene Empfindungen und Gefühle zu vermitteln, die den Hörenden vorhersagen lassen, wie die Situation in der Oper weitergehen oder wie sich der Charakter der Figur entwickeln wird. christopher maltman Mozarts Musik ist schlicht und einfach der Beweis dafür, dass es Genie gibt. Sie nimmt den zu seinen Lebzeiten dem Publikum vertrauten Musikstil auf und verwandelt ihn in Magie. Zugleich ist sie unglaublich subversiv. Das Finale des
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ersten Aktes von Don Giovanni beispielsweise muss bei der Uraufführung für gehöriges Aufsehen gesorgt haben. Mit anderen Worten: Mozart macht aus etwas völlig Vertrautem etwas völlig Neues. filipe manu Ich empfinde Mozarts Musik als schlank und kraftvoll: Mit wenigen Noten ruft er die tiefsten Gefühle hervor.
al Sie haben Rollen in allen drei Mozart-Da Ponte-Opern gesungen – gibt es innerhalb dieser Trias für Sie etwas Spezifisches, das nur in Così fan tutte zu finden ist?
christopher maltman Von den drei Da-PonteOpern ist Così diejenige, die am eindeutigsten außerhalb eines bestimmten historischen Kontextes steht. Es geht um eine Geschichte von sechs Menschen, die zu jedem beliebigen Zeitpunkt existieren könnten, eine Geschichte, die die ewigen Themen Liebe, Eifersucht und Treue durchdekliniert.
peter kellner Die drei Opern sind grundverschieden, ebenso die jeweiligen Charaktere, die ich gestaltet habe und die Situation, in die sie gestellt sind. Was mich allerdings fasziniert ist, auf welche unterschiedliche Weise in diesen drei Opern das Thema Liebe behandelt wird.
kate lindsey Meiner Meinung nach handelt es sich bei der Così um das interaktivste »Ensemble«Stück der Mozart-Da Ponte-Opern. Jede Figur hat ihre ganz konkrete Stellung innerhalb der Geschehnisse – und die Art und Weise, wie sie alle miteinander in Beziehung respektive Konflikt treten, ist einem Schauspiel viel näher, als dies bei den anderen Mozart-Da Ponte-Opern der Fall ist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Text der Rezitative die Charaktere sowie deren Einstellungen und Gedanken über Liebe und Partnerschaft auf besonders tiefgehende Weise ausleuchtet.
federica lombardi In Così fan tutte durchleben und -leiden wir mit den beiden Paaren Fiordiligi und Guglielmo sowie Dorabella und Ferrando sehr persönliche und zugleich dramatische Augenblicke. Schließlich wird ihnen an einem einzigen Tag das Gefühl einer erschreckenden Instabilität vor Augen geführt, die all ihre vermeintlichen Gewissheiten über Liebe, Vertrauen und Treue erschüttert und infrage stellt. Den ernüchternden Wechsel vom prickelnden Glücksgefühl zum tiefen Schmerz können wir durch die Musik und das Libretto unmittelbar mitempfinden. Dieses zentrale Thema von Così fan tutte zwingt uns Zuschauende geradezu, beim Verlassen des Opernhauses Fragen über das Leben und die Liebe zu stellen. Man ist verunsichert, sucht nach Antworten und beginnt selbstreflexiv über das eigene Leben nachzudenken.
al Wenn es eine Zeitmaschine gäbe und Sie die Möglichkeit hätten, für fünf Minuten in
das Jahr 1790 zurückzureisen – welche Stelle, welchen Abschnitt von Così würden Sie in der Uraufführung am liebsten miterleben?
kate lindsey Wahrscheinlich Fiordiligis Arie »Come scoglio«. Ich würde gerne hören, wie die Originalsängerin diese unglaublich schwierige Arie meistert und wie die Stimme beschaffen ist, für die Mozart geschrieben hat. Ich empfinde nämlich immer große Bewunderung für alle Sopranistinnen, die diese Partie, die enormes technisches Können erfordert, singen.
federica lombardi Das ganze Finale des ersten Aktes, also deutlich mehr als fünf Minuten. (lacht) Wir stehen gerade mitten im Probenprozess und interpretieren diese Passage auf eine sehr besondere, dynamische Weise. Ich wäre also neugierig, was sie damals aus dem Finale gemacht haben.
christopher maltman Ohne Zweifel »Soave sia il vento«, das Terzett aus dem 1. Akt. Zum einen, um zu hören, wie die Musik zu Mozarts Zeiten tatsächlich gesungen wurde, und zum anderen, um endlich zu verstehen, was Mozarts kryptische Bezeichnung »andante alla breve« bedeutet!
f ilipe manu Ich wäre gerne ab der Mitte bis zum Ende des 1. Aktes dabei, um endlich definitiv beantworten zu können, inwiefern das »Allegro« Mozarts tatsächlich »Allegro« ist, und wie seine Interpretationen von »sotto voce« und »piano« klingen. Mit diesem Wissen wäre ich für jeden Probensaal gewappnet.
peter kellner Wenn es die Möglichkeit gäbe, dann das Duett und Rezitativ von Guglielmo und Dorabella. Insbesondere die damals verwendeten Dynamiken und das musikalische Wie dieses »Gespräches« würden mich brennend interessieren.
al Welche Passage, in der Sie in dieser Produktion mitwirken, ist Ihre liebste?
christopher maltman »Di scrivermi ogni giorno«, das Quintett des 1. Aktes. Es handelt sich nicht nur um eines der schönsten Musikstücke, die je geschrieben wurden, sondern zeigt auch Mozarts und Da Pontes dramatisches Können in voller Pracht. kate lindsey Im Moment, in dem ich diese Frage beantworte, haben wir erst den ersten Akt szenisch erarbeitet. Aber ich glaube, ich genieße die Aktion vom Finale des ersten Aktes am meisten – vor allem, weil das komplette Solistenensemble auf der Bühne steht und wir die Szene aufeinander reagierend gemeinsam gestalten.
federica lombardi Meine absoluten Lieblingsstücke sind die Arien »Un’aura amorosa« und »Per pietà, ben mio, perdona«. Sie bringen mich immer zum Weinen und stellen für mich die Frage, ob Ferrando und Fiordiligi letztlich nicht doch Seelenverwandte sind (auch die Art und Weise, wie sie ihr Duett im zweiten Akt vortragen, lässt für mich
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diesen Schluss zu). Ich glaube nicht, dass sich Gegensätze in der Liebe dauerhaft anziehen – und die beiden jungen Liebenden haben so viel gemeinsam! Sie sind beide sehr emotional und romantisch und in der Lage, ihre Gefühle auf ehrliche Weise auszudrücken. Die Schönheit der Musik und des Librettos zeichnen zutiefst idyllische Bilder, die mich glauben lassen, dass die beiden die schönste Romanze durchleben könnten.
christopher maltman »Come scoglio«, Fiordiligis große Arie aus dem 1. Akt: Was für eine stupende Tour de Force. Es ist ein Privileg, in der Nähe sitzen zu dürfen, um in Ehrfurcht zuzuhören.
f ilipe manu Die Ouvertüre hat etwas, das mich
zum Grooven bringt – ich glaube, es sind die Synkopen und die eingängige Melodie…
f ilipe manu Vom Musikalischen her ist meine Lieblingsstelle das Duett zwischen Fiordiligi und Ferrando, insbesondere, wenn beide Figuren schließlich ihren Gefühlen füreinander nachgeben. Dieser Teil ist stimmlich anspruchsvoll, da er erst spät in der Oper vorkommt und von beiden Sängern lange, hohe Phrasen mit einem zarten Pianissimo-Ton verlangt.
al Welche Passage, in der Sie in dieser Produktion NICHT mitwirken, ist Ihre liebste?
al Und gibt es womöglich eine Passage, die Sie aus irgendeinem Grund weniger schätzen? federica lombardi Oh, es gibt keinen einzigen Teil dieser Oper, den ich nicht mag! Sicherlich ist es für mich herzzerreißend, wenn die beiden jungen Männer zum Militär gehen müssen. So etwas könnte heute leider ebenso passieren und es ist belastend, dieses furchtbare Gefühl der Sorgen und des Schreckens, die ein Krieg in einem auslösen, szenisch umzusetzen. Ein anderer Teil, der mich traurig macht, ist wahrscheinlich Despinas Arie »In uomini! In soldati«. Ich
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DIE PRACHT VON MOZARTS & DA PONTES DRAMATISCHEM KÖNNEN
DIE PRACHT VON MOZARTS & DA PONTES
KÖNNEN
bin, was die Liebe angeht, eine Träumerin und wenn ich mir anhören muss, wie sie sagt, dass man der Männer-Treue nicht trauen kann und sie alle gleich sind, macht mich das alles andere als glücklich. In diesem Moment der Oper haben sich die Frauen schließ-
al Was war Ihr Eindruck, als Sie Così fan tutte zum ersten Mal in Ihrem Leben gesehen oder gehört haben?
federica lombardi Dass es sich um ein unglaubliches Meisterwerk handelt, sowohl hinsichtlich der
lich gerade von ihren Geliebten verabschiedet, sie sind verzweifelt, und Despina empfindet offenbar keinerlei Empathie. Vermutlich aufgrund ihrer Erfahrungen. Nichtsdestotrotz finde ich es sehr brutal, wenn sie in einem so tragischen Moment den Frauen »pensate a divertirvi«, also »viel Spaß« wünscht. kate lindsey Als ausübende Sängerin – nicht als Zuhörerin – mag ich das Ende von Finale I (eigentlich alle großen Finali der Mozart-Opern) am wenigsten – vor allem, weil es enorme stimmliche Energie erfordert. Es funktioniert musikalisch und dramaturgisch phänomenal, aber wir Sängerinnen und Sänger atmen erleichtert auf, wenn der Vorhang fällt, weil wir unsere Stimmen nach der MozartFinal-Raserei endlich entspannen dürfen!
Musik und als auch des Librettos. Mozart und Da Ponte passen einfach perfekt zusammen, ich denke, es gibt keinen Moment, in dem man nicht völlig von der Oper in den Bann gezogen wird. Anders gesagt: Es ist sehr einfach, sich in Così fan tutte zu verlieben! kate lindsey Wenn ich mich nicht irre, habe ich die Oper zu studieren angefangen, bevor ich überhaupt die Gelegenheit hatte, sie zu sehen. Die erste Inszenierung, die ich später erlebte, war äußerst traditionell und ich erinnere mich, gedacht zu haben: »Wow, diese Typen haben den Frauen aber einen schrecklichen Streich gespielt!« Es hat lange gedauert, bis ich mich danach für das Stück begeistern konnte, weil ich die Geschichte selbst nicht besonders mochte. Es ist viel zu einfach zu sagen: »Frauen sind so«, und
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DRAMATISCHEM
DIE PRACHT VON MOZARTS & DA PONTES
DRAMATISCHEM KÖNNEN
daher müsste meiner Meinung nach der Titel dieser Oper »Jeder ist so« lauten.
christopher maltman Das erste Mal hörte ich Così, als ich 1995 als Zweitbesetzung des Guglielmo an der Welsh National Opera engagiert war. Ich liebte das Werk auf Anhieb: Lustig, schnell, kompliziert und ein Geschenk für großartig singende Schauspieler.
f ilipe manu Als ich die Oper zum ersten Mal sah, dachte ich: »Was für eine verrückte Geschichte«, und stellte sogleich auch noch fest, dass sie einer Opernversion der Reality-TV-Show Love Island entsprach.
peter k ellner Meine erste Così habe ich bei den Salzburger Festspielen 2013 gesehen. Ich fand das Ganze sehr sexy, aber aufgrund all der Betrügereien zugleich auch sehr bitter.
al Welche Charaktereigenschaften besitzt die Partie, die Sie verkörpern und wie zeigt Mozart diese in der Musik?
kate lindsey Despina kennt sich aus in der Welt. Sie hat in ihrem kurzen Leben schon viel erlebt und kann auf eine Menge Erfahrung zurückgreifen. Sie hat es sicher nicht leicht gehabt, und manches in ihrem Text atmet einen Hauch von Dunkelheit. Aber sie weiß auch, wie man sich auf freche Weise in das Geschehen einmischt, das Spiel mitspielt und dabei einige Fäden zieht. Musikalisch erfahren wir in all ihren Rezitativen viel über Despina. Ihre Arien sind sehr »auf den Punkt« gebracht. Will sagen: Während sich die anderen Charaktere in ihren Arien in Gedanken verlieren und umherschweifen, kommt Despina schnell und knapp zum Wesentlichen, ohne viel über ihre Einstellung zu den Dingen zu verraten.
christopher maltman Don Alfonso ist ein zutiefst verbitterter und rachsüchtiger Mann, der offensichtlich irgendwann in seinem Leben in seiner Liebe schwer verletzt wurde. Er verspricht, die beiden männlichen Liebenden zu einem aufgeklärteren Zustand des romantischen Bewusstseins zu führen, gibt sich dabei aber nur seinem eigenen Schmerz hin. Mozart zeigt dies anschaulich in den kurzen Arien, die er singt, vor allem in »Nel mare solca«, und in den bösartigen Rhythmen, mit denen Don Alfonso oftmals die sanfte Harmonie der vier Liebenden unterläuft.
federica lombardi Fiordiligi scheint mir ein Mädchen mit sehr traditionellen Prinzipien zu sein. Sie kämpft gegen ihre eigene Zerbrechlichkeit an, würde in einer Situation, in der sie nicht widerstehen kann, lieber der Vernunft folgen. Es zeigt mit anderen Worten das »così fan tutte«-Experiment (man sollte besser »così fan tutti« sagen). Sie versucht, die Standhaftigkeit ihres Herzens zu bewahren, was ihr Gesang sehr deutlich wiederspiegelt: »Come scoglio« ist das perfekte Beispiel dafür! Natürlich ist sie sehr jung und hat daher noch wenig Erfahrung in
Liebesbeziehungen, sodass es ihr leicht passiert, sich in jemand anderen zu verlieben und Schmetterlinge im Bauch zu spüren. Und auch dieser Zustand wird durch die Musik sehr klar wiedergegeben. f ilipe manu Ferrando wird als ein romantischer und idealistischer junger Mann dargestellt. Zwar versteckt er in den Duetten mit Guglielmo meist sein wahres Ich, dieses tritt jedoch in seinen Arien umso deutlicher hervor. In der berühmten Arie »Un’aura amorosa« verwendet Mozart lange, lyrische Linien in der Tonart A-Dur – hell, freudig und großzügig, um Ferrandos tiefe Emotionen und idealistische Gefühle in puncto Liebe sichtbar zu machen.
al Così fan tutte gehört zur Gattung der komischen Oper. Auf welche Weise drückt Mozart in diesem Werk durch seine Musik Humor aus?
f ilipe manu Mozart lässt den Humor durch spielerische Rhythmen und dynamische Variationen einfließen, was der ganzen Oper einen Hauch von Frechheit verleiht.
kate lindsey Das Geniale an Mozart war, dass er die Essenz von Da Pontes Text so lebendig in eine musikalische Form übersetzen konnte, die die Handlung, die unterschiedlichen Charaktere und deren Sehnsüchte meisterhaft unterstreicht. Mehr noch: Die Musik lässt die Intentionen der Figuren und den Subtext des Librettos einzigartig hervortreten und somit auch das komische Element.
federica lombardi Es ist sehr viel Gelächter in die Handlung verwoben, was durch Mozarts Musik so fantastisch ausgedrückt wird, dass es förmlich auf das Publikum übergreift. Und es macht natürlich viel Spaß, all die komischen Momente zu spielen! Denken Sie nur an Despinas Verkleidungen zum Beispiel! Es gibt natürlich auch sehr tragische Momente –allerdings ist dem Publikum klar, dass dies alles Teil von Don Alfonsos Experiment ist – schon darum ist es einfacher, sich nicht zu sehr in den tragischen Aspekten zu verlieren und das Augenmerk eher auf die lustigen, geradezu surrealistischen Aspekte zu lenken, auf die verrückte Dynamik, in die die beiden Paare verwickelt sind!
christopher maltman Wie immer bei Mozart und Da Ponte gibt es in jedem ihrer Ensembles mehrere Aspekte, die miteinander verwoben sind. Echte und tiefe Emotionen stehen Ironie und Verurteilung gegenüber. Die beste Komödie besteht immer aus der Ernsthaftigkeit des Themas im Kontrast zur menschlichen Fehlbarkeit der Figuren. Wir lachen, weil wir uns selbst wiedererkennen, und in Così wird dies so meisterhaft umgesetzt, wie ich es mir nur wünschen kann.
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IM SCHATTENREICH DER GEFUHLE
Mit Così fan tutte vollendet Musikdirektor
Philippe Jordan die Mozart/Da Ponte-Trias. Im Interview beschreibt er, in welchen Aspekten die Oper Le nozze di Figaro und Don Giovanni sogar noch übertrifft, wie sich der Geschlechterkampf bei Mozart anhört und was uns die Musik über die richtige Paarkombination verrät. Das Gespräch führte Oliver Láng.
ol Von den drei Mozart/Da Ponte-Opern – Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte – hat Letztgenannte international die niedrigsten Aufführungszahlen. Warum ist das so?
pj Ich denke, das liegt an der Handlung. Musikalisch ist Così fan tutte das für mich schönste Werk, es ist die Essenz der vorangegangenen Opern, in der alles, was in Don Giovanni und Le nozze di Figaro geleistet wurde, noch einmal destilliert, verdichtet und in reinster Form gebracht wird. Ich würde musikalisch fast von einer Sparsamkeit sprechen, alles wird auf das Wesentliche reduziert: Keine Note zu viel, die Orchestrierung ist extrem ökonomisch und bietet nur das Nötigste im besten Sinne. Dieses ausgereifte Werk, das uns eine unglaubliche kompositorische Perfektion erleben lässt, leitet in den Mozart’schen Spätstil über.
Gleichzeitig weist Così fan tutte – und das sieht man deutlich im zweiten Akt – schon weit in die Romantik und schlägt eine komplett neue Richtung ein. Die Handlung ist aber problematisch und ich wage zu behaupten: So toll der Text von Da Ponte auch ist, was Sprache, Wortwahl und Witz betrifft, seine Stärke war doch eher das Bearbeiten von großen Sujets als das Entwickeln eigener Stücke. ol Und wie verstehen Sie das Werk als Ganzes? Ist es eine Komödie?
pj Es ist ein dramma giocoso, genauso wie Don Giovanni . Also eine Komödie. Und jede gute Komödie hat auch tiefe Ernsthaftigkeit und Dunkelheit, Schatten. Così fan tutte ist auch eine schwarze Komödie, genauso wie letztendlich Don Giovanni und Le nozze di Figaro es sind. Nur, dass in diesem Fall einem irgendwann das Lachen im Halse stecken bleibt.
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PHILIPPE JORDAN Fotos PETER MAYR
»In der Romantik gab es ein utopisches Liebesideal, das gerade auch Wagner heraufbeschworen hat, eine Idealisierung der Liebe. Und zu einem solchen Bild passt die Handlung von Così fan tutte natürlich nicht.«
ol Inwiefern kann man aus dieser dunklen Komödie eine Schlussaussage mitnehmen? Formuliert Mozart ein Fazit, das sich – in welcher Form auch immer – durch die Musik vermittelt?
pj Così fan tutte beginnt mit einem perfekt gebauten ersten Akt, wir erleben eine klassische Form in vollkommener Reinheit. Es gibt eine Ausgeglichenheit in allen Ensembles, in der Dramaturgie – einfach makellos! Doch dann folgt eine extreme Irritation: der
zweite Akt, der musikalisch wie dramaturgisch bewusst auseinanderfällt. Das Ganze bekommt eine – auch emotionale – Eigendynamik, die das Stück komplett aus dem Ruder laufen lässt. Wir merken das nicht nur im Libretto, sondern besonders auch in der Musik. Was also kann man mitnehmen? Ein Finale, das einen ganz absichtlich unbefriedigt lässt. Es ist eben nicht wie in Le nozze di Figaro, wo eine Bitte um Vergebung –das berühmte »perdono« des Grafen –am Schluss steht und man vielleicht sa-
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gen kann: Fangen wir noch einmal neu an! In Così haben wir letztlich ein offenes Ende… Kommen die Paare wirklich wieder zusammen? Wahrscheinlich nicht. Beziehungsweise: welche Paare? Das Ende ist nicht direkt tragisch, aber eben auch nicht heiter. Sondern unbestimmt, wie es halt im richtigen Leben so oft ist. Für die damalige Zeit war das revolutionär! Denn man kommt –trotz C-Dur-Schluss, der suggeriert, dass alles wieder gut ist – mit einem bitteren Nachgeschmack aus dem Stück heraus: Es ist eben nicht alles wieder gut! ol Weil Sie das richtige Leben angesprochen haben: Im Weiten Land von Arthur Schnitzler stellt der Hotelier Aigner fest, dass in der Brust des Menschen Widersprüchliches gleichzeitig Platz findet, Treue und Treulosigkeit und vieles mehr. In Wahrheit sei alles nur Chaos, der Mensch versuche das künstlich mittels konstruierter Ordnung zu bändigen. Finden wir in Così fan tutte dieses Chaos auch in der Musik?
pj Chaos... Es sind einfach unglaublich viele Emotion im Spiel und dadurch wird die Musik so vielfältig. In Così fan tutte gibt es keinen einheitlichen Stil mehr, sondern jede Nummer ist für sich besonders und anders. Und man spürt, dass nichts wahr ist, sondern eine Inszenierung das Ganze beherrscht. In der fingierten Hochzeitsszene am Ende der Oper etwa, auch im Kanon in dieser Szene, hört man Musik, die unecht wirkt. Das Verlogene und Falsche hinter dem Spiel wird deutlich spürbar. Und das Finale danach fällt schließlich komplett auseinander! Ich habe einmal gezählt, wie viele Fermaten in diesem Finale vorkommen: über 30! Und je länger es dauert, desto mehr nehmen die Pausen überhand. Man hört ein Stück Musik und dann ist wieder Stille. Noch mal ein Versuch. Stille. Einer sagt etwas, und: Stille. Antwort: wieder Stille. Es sind nur noch Fragezeichen, Rufzeichen, Beistriche, Anführungszeichen –die Musik dazwischen versucht erfolglos einen Ausgang zu finden. Im letzten Ensemble »Fortunato lʼuom che prende« heißt es: Glücklich ist der Mensch, der die Sache von der guten Seite nimmt. Das ist aber keine tatsächliche finale Aussage, denn es gibt dazwischen zahlreiche sotto-voce-Momente, das heißt: jede und jeder singt für sich. Gemeint ist also: Schön wäre es, wenn ich so sein könnte wie der, der das alles von der guten Seite zu nehmen weiß. Aber, ich bin es leider nicht. Und wenn es musikalisch laut wird, dann ist das ein Ausdruck von Wut, Frustration, ein Ausbruch. Ich kenne kaum ein Stück von Mozart, bei dem die Stille und die Pausen so wichtig sind wie in diesem Così-Finale. ol Einer der berühmten Così -Verächter war Richard Wagner. Don Giovanni empfand er als großartig, Così lehnte er jedoch ab. Was hat Don Giovanni , das Così fan tutte nicht hat?
pj In der Romantik gab es ein utopisches Liebesideal, das gerade auch Wagner heraufbeschworen hat, eine Idealisierung der Liebe. Und zu einem solchen Bild passt die Handlung von Così fan tutte natürlich nicht. Da war man übrigens zur Entstehungszeit der Oper, im 18. Jahrhundert, schon weiter, denken wir etwa an Marivaux und sein experimentierendes Spiel mit Gefühlen. Davon abgesehen ist Don Giovanni vom Handlungsverlauf her dramatischer – auch das passte besser zum 19. Jahrhundert. So gesehen ist es auch kein Wunder, dass im 20. Jahrhundert Così fan tutte wieder mehr gespielt wurde. ol In welchem Maße zeigt Mozart in der Musik den Charakter der Figuren? Kann ich zum Beispiel den Charakter von Fiordiligi hören? pj Ja, sie hat eine Musik, die ihren »hohen« Stand widerspiegelt – der ja zu der Zeit schon deutlich gewackelt hat, es ist also auch eine Persiflage. Bei Dorabella liegt der Fall ähnlich, doch ist ihre Musik etwas verspielter. Musikalisch ist Despina ganz klar als Zofe definiert, ihre Schwestern sind Zerlina in Don Giovanni und Susanna in Le nozze di Figaro. Alfonso wird bewusst sehr trocken gezeigt, er ist der Analytiker, der keine Emotion zulässt, pragmatisch, sachlich, analytisch ist. Ferrando und Guglielmo entsprechen den Damen, wobei Guglielmo etwas verspielter wirkt, Ferrando hingegen lyrischer und poetischer. Eigentlich sind die beiden Paare in der Anfangskonstellation Ferrando-Dorabella bzw. Guglielmo-Fiordiligi ja falsch verbunden. Denn musikalisch passen Fiordiligi und Ferrando besser zusammen, sie sind das lyrische Paar, Dorabella und Guglielmo das verspieltere und emotionalere. Aber das ist den Vieren am Beginn der Oper so noch nicht bewusst. ol Und ist aus der Musik herauszuhören, was die jeweiligen Personen im Augenblick tatsächlich empfinden, also welche Gefühle echt sind – und welche nur vorgetäuscht? pj Mitunter wissen die Figuren ja selbst nicht mehr, was echt ist und was nicht, wem und was noch zu trauen ist, wo gelogen oder vorgetäuscht wird. Und manchmal vertrauen Sie auch sich selbst, ohne zu wissen, dass ihre Gefühle nicht mehr so eindeutig sind. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In der sogenannten »Felsenarie« von Fiordiligi, da singt sie von einer festen Treue. Aber warum hat sie es überhaupt nötig, eine ganze Arie lang ihre Treue zu beschwören? Wenn sie sich doch so sicher fühlt? Oder in ihrer Arie »Per pietà«, da sind ihre Emotionen tief und wahr, trotzdem kann man jede Phrase mindestens einmal umdeuten und einen Subtext finden, der uns etwas Zusätzliches erzählt. Da sind Mozart und Da Ponte unglaublich vielschichtig. Ein gutes Beispiel ist auch Ferrandos »Volgi a me«, das sich an Fiordiligi wendet – eine der schönsten Stellen der Oper. Einerseits versucht Ferrando, die berührendste Musik zu singen, um sie endlich für sich zu gewinnen, er benutzt all seine Sinne und sein Können, weil er sich
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DER GEFÜHLE
IM SCHATTENREICH
denkt: Jetzt muss ich es schaffen! Aber gleichzeitig weiß er: er hat sich in sie verliebt. Das merkt man an einem kleinen, aber wichtigen Detail: Im ursprünglichen Libretto von Da Ponte sagt Ferrando kurz vor seinem »Volgi a me«: »Ich spüre, dass ihre Treue nicht länger widerstehen kann«, Mozart änderte den Text im Autograf auf: »Ich spüre, dass meine Treue nicht länger widerstehen kann.«
Diese Stelle enthält also zweierlei: Es ist immer noch eine Wette, die Ferrando gewinnen will –und gleichzeitig hat er auch schon Gefühle für
W.A. MOZART
seine Rollen für spezielle Sängerinnen und Sänger und ihre Fähigkeiten geschrieben. Die damalige Fiordiligi muss tolle Höhen und Tiefen gehabt haben, daher gibt es in ihrer Partie auch diese Sprünge. – Da geht es nicht nur um den Charakter der Figur, sondern eben auch um die Qualität einer besonderen Uraufführungsinterpretin. Davon abgesehen verlangt die Tessitura der Rollen eine etwas dunklere Dorabella und eine etwas hellere Fiordiligi. Im Falle von Despina ist es wie mit Zerlina: Man kann einen echten Mezzo beset-
COSÌ FAN TUTTE
16. 19. 22. 24. 26. 28. JUNI PREMIERE
Musikalische Leitung PHILIPPE JORDAN Inszenierung BARRIE KOSKY
Bühne & Kostüme GIANLUCA FALASCHI Licht FRANCK EVIN
Mit FEDERICA LOMBARDI / EMILY D’ANGELO / KATE LINDSEY
PETER KELLNER / FILIPE MANU / CHRISTOPHER MALTMAN
Fiordiligi. Ein besonderer Aspekt scheint mir noch, dass Mozart Männern und Frauen in dieser Oper jeweils eigene musikalische Sprachen gibt. Schon die Ouvertüre ist für mich ein Beispiel: Die beiden eröffnenden Akkorde kennzeichnen für mich die Welt der Männer, die nachfolgenden Holzbläser jene der Frauen. Auch bei Alfonso und Despina, die sich ja eigentlich sehr gut verstehen, spürt man das. Es geht in Così fan tutte also nicht nur um eine Wette oder um zwei Paare, sondern immer auch um die Frage: Wie gehen alle miteinander um? Es geht auch um einen Kampf der Geschlechter.
ol Wir sprechen immer wieder vom Psychologen Mozart. Ist das, was wir erleben, musikalische Psychologie? Oder zeigt er einfach Figurentypen, die zu seiner Zeit klar definiert waren und gewisse standardisierte Merkmale hatten?
pj Mozart setzt immer Psychologie ein! Spätestens seit Die Einführung aus dem Serail wissen wir, dass er kein Interesse an Schablonentypen hatte, sondern stets in die Tiefe wollte und nach Vielschichtigkeit gesucht hat. Daher hat er nach Möglichkeit am Libretto mitgewirkt, um den Personen eine größere Komplexität zu verpassen.
ol Zu Mozarts Zeit gab es die Unterteilung der Damenstimmen in Sopran und Mezzosopran, wie wir sie anwenden, in dieser Form nicht. Was bedeutet das für heutige Besetzungsfragen?
pj Alle Frauen waren zu Mozarts Zeit Soprane. Und trotzdem hat man in der Praxis natürlich darauf geachtet, wer die bessere Tiefe und wer die bessere Höhe hat. Davon abgesehen hat Mozart
zen, aber auch einen durchaus hellen Sopran, eine Soubrette. Mich interessiert die Mezzosopran-Besetzung mehr, weil die Figur dadurch geerdeter und erfahrener wirkt.
ol Worin liegen für einen Dirigenen die besonderen Herausforderungen bei Così fan tutte?
pj Die große Perfektion, die Così fan tutte bietet, verlangt auf der Interpretenseite eine ebensolche Annäherung. Es braucht in der Phrasierung, Textbehandlung, Intonation etc. höchste Qualität, denn diese Musik ist unglaublich »offen«, man kann nichts verstecken, jede Ungenauigkeit ist sofort hörbar. Aber in dieser Perfektion darf man nicht erstarren, es muss ein lebendiges Theater entstehen – und das erfordert einen Spagat, der nicht einfach zu schaffen ist. Und es muss ein Bogen gelingen, der auch den zweiten Akt einschließt –und dieser Akt, wie erwähnt, fällt kompositorisch bewusst auseinander. Diese Dinge unter einen Hut zu bekommen – das ist nicht einfach! Man darf vor allem bei aller Detailverliebtheit das große Ganze nicht aus den Augen verlieren.
ol Der Regisseur der Neuproduktion, Barrie Kosky, meinte, dass die beiden Paare sehr jung sein sollen. Wollen Sie das auch musikalisch spürbar machen?
pj Unbedingt, es sind ja junge Leute. Dieser Umgang mit den Gefühlen, die Heftigkeit der Emotionen, das plötzliche Entflammen, auch die Naivität und die Melodramatik, die zu spüren sind: Da fühlt man, dass diese Menschen wenig Erfahrung haben, es sich vielleicht sogar um die erste Liebe handelt.
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DIE BEKENNTNISSE DER FIORDILIGI
Mozarts Così fan tutte endet nur scheinbar mit einem Happy End. Wie aber geht die Geschichte weiter? Eine mögliche Antwort gibt uns der Autor Martin Amanshauser, der für Opernring 2 zwanzig Jahre in die Zukunft blickt und Fiordiligi zu Wort kommen lässt…
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Foto PETER MAYR
Das mit der Verkleidung war total unglaubwürdig. Okay, damals vor zwanzig Jahren waren wir jung, meine Schwester Dorabella 18, ich 17. Aber so leichtgläubig, den eigenen Lover zu verkennen, kann niemand sein. Zugegeben, kurz ließen wir uns von dem orientalischen Aufzug mit den Klebebärten täuschen. Bis mir Dorabella zuzwinkerte. Ich kapierte gleich. Ich verstand auch sofort, wieso wir das Theater, das unsere Verlobten da hinlegten, nicht durch unpassende Enttarnung stören durften. Es war toll, was mein Guglielmo und ihr Ferrando für uns auf die Beine stellten! Sie hatten sich als Aristokraten aus Albanien verkleidet, und bald begriffen wir, wieso – um unsere Treue auf die Probe zu stellen. Wir waren altersadäquat in unsere Boys verliebt. Dass sie für uns sogar eine Verschickung in den Krieg inszeniert hatten, das war aufregend, herzallerliebst. Wir mussten unbedingt herausfinden, wie weit sie gehen würden. Die beiden begannen sogar zu singen! Ich hatte immer gedacht, Guglielmo hätte keine Stimme, plötzlich sang er Arien. Wir stimmten in ihren Song-Contest ein. »Nur der Balsam der Liebe kann die Wunden heilen« – diese Poesie! Denke ich heute daran, zwanzig Jahre später, wundert mich, welch originelle Metaphern die Jungen aus dem Hut zauberten. Sie verwiesen auf ihre schönen Augen, schönen Füße, ja, sogar auf ihre schönen Schnurrbärte! Unverkleidet hatten sich Ferrando und Guglielmo nie mit schöpferischen Ideen hervorgetan. Es fühlte sich an, als würde man sich ein zweites Mal verlieben. Es war fast wie in der Oper. Sofort fiel mir auf, wie anziehend Dorabellas Ferrando war. Mich überkam ein geheimes, verbotenes Gefühl: Was, wenn ich nicht an Guglielmo gebunden wäre? In einer anderen Welt, in jener des Karnevals, hätte ich die Möglichkeit, dem Schwager nahe zu kommen. Das müsste nicht heißen, ihn Dorabella wegzunehmen, im Gegenteil, ich liebte ja meinen Guglielmo. Doch den konnte ich ihr in diesem Augenblick leicht überlassen. Von Zeit zu Zeit wäre es so reizvoll, einen hübschen Blonden zu küssen!
Eine intelligente Kammerzofe ist immer von Vorteil, das weiß jeder. Ohne
Despinas Überzeugungskraft wären wir nie so weit gegangen. Sie beschrieb uns, wie man Männer verliebt macht. Man könne, ja, müsse geradezu täuschen, lügen, sich verstellen. Wir waren schnell auf halbem Wege. Ich schwöre, wir tranken keinen Alkohol, oder nur äußerst wenig. Unsere Enthemmtheit speiste sich aus dem entzückenden Verhalten der Verlobten. Sie waren viel witziger als sonst! Aus Liebe zu uns schluckten sie sogar Arsen und brachen zusammen! So trieben wir vier das Spiel bis an die Grenzen. Zum Schein zierte ich mich etwas länger als meine Schwester, fiel schließlich doch, bis wir einwilligten, die sogenannten Albaner zu ehelichen. Der Reiz daran war, ich erhielt diesen anderen, sonst unerreichbaren Boy. Nur, wie würden wir rauskommen aus dem Schlamassel? Das Problem lag auf der Hand: Bist du einmal untreu, wirst du die Untreue, frei nach Despina, immer wieder anstreben. Der alte Alfonso, unser ewiger Zaungast, trällerte uns sogar ins Ohr, dass das ohnehin alle Erwachsenen so handhaben.
Als die Boys ihre Verkleidung auffliegen ließen, mussten Dorabella und ich uns zerknirscht zeigen. Tatsächlich waren wir das auch, nur aus anderen Gründen. Hatten wir am Ende den falschen Partner gewählt? Könnten wir beide künftig nicht beide haben? Doch wer hatte je von einer Ehe zu viert gehört? Der Ausgang war bitter, wir mussten Abbitte leisten und so tun, als würden wir ausschließlich unseren Ursprungspartner lieben. Wir taten so, als hätten sie uns eindrucksvoll hereingelegt – ab jetzt war das unsere Verkleidung. Ferrando und Guglielmo verziehen uns, dafür hatte der alte Alfonso gesorgt, sichtlich der Regisseur dieser Männerwette. Von da an lag die faulige Saat in der Erde.
Dass Ehen nach Vertrauensbrüchen erschüttert sind, versteht sich von selbst. Du solltest dich mit 17 oder 18 überhaupt nicht binden, denke ich inzwischen. Jedoch wie Kälber heirateten wir und bezogen zwei nebeneinander liegende Palazzi. Ich verfiel in depressive Verstimmung. Ferrando war so nahe und trotzdem unerreichbar. Als ich herausfand, dass sich Dorabella im Geheimen regelmäßig mit Guglielmo traf, war ich ehrlich gesagt weniger
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DIE BEKENNTNISSE DER FIORDILIGI
schockiert als erleichtert. Als ältere Schwester hatte sie wohl vorangehen müssen. Ich sprach es direkt an. Sie leugnete keine Sekunde. Ich stellte ihr die Bedingung für die Fortsetzung ihrer Affäre – dass auch ich mit Ferrando verkehren durfte. Im Moment unserer Abmachung kamen wir uns grandios vor.
In den kurzen Jahren danach, unserer besten Zeit, liebten wir neben dem eigenen den jeweils fremden Ehemann. Trotz der Erfahrungen mit uns und den »Albanern« gingen die Boys ja davon aus, dass nur sie ihrer Jeweiligen untreu waren – mit männertypischer Selbstbezogenheit und Naivität –, ihre Ehefrauen hingegen zwei Ausbünde an Treue. Irgendwann beschlossen wir, sie einzuweihen, ihnen mitzuteilen, dass wir alle die Seitensprünge praktizierten (Dorabella schlug sogar vor, von unseren Palazzi in eine WG in ein gentrifiziertes Szeneviertel zu ziehen!), dass wir sie guthießen und weiter betreiben wollten. Das löste die erste große Krise aus. Sie fanden es unromantisch! Unerwartet stark reagierte Ferrando. Er zog sich nicht nur von Dorabella, sondern auch von mir zurück. Das war schmerzhaft. Er begann eine Affäre mit Despina, von der ich persönlich fand, dass sie deutlich zu alt für ihn war. Er hielt es geheim, doch in Neapel erfährst du früher oder später alles. Mein Guglielmo war ebenfalls strikt gegen die Öffnung der Beziehung. Mich ließ er links liegen, mit Dorabella hatte er noch gelegentlich etwas. So war ich die Leidtragende der Offenlegung. In diesen Jahren verschliss ich mehrere Psychotherapeuten (»anaklitische Depression«). Unsere Männer, sagte ich meiner Schwester, sind zu konservativ für uns, und Neapels Therapeuten erst recht.
Es wird niemanden erstaunen, dass ich eines Tages im Bett des alten Alfonso landete, von dem ich persönlich fand, dass er deutlich zu alt für mich war. Manchmal betrachtete ich seine grauen, teilweise sogar weißen Schamhaare. Dass die ihm nicht peinlich waren! Nicht im Geringsten. Je älter Männer, desto schamloser. Er tat so, als wäre die Affäre mit einer jungen, schönen Frau normal für ihn, ja, irgendwie sogar sein Recht. Ein solches Selbstbewusstsein hätte ich gerne gehabt. Seine Erektionsfähigkeit ließ ein wenig zu wünschen übrig. Das hätte mich nicht gestört, hätte er nicht ununterbrochen von seinen früheren Qualitäten als Liebhaber erzählt. Die Aufzählung seiner prähistorischen Heldentaten in Neapel (und sogar in Rom!, immer erwähnte er Rom!) war unerträglich. Viel zu spät wandte ich mich von ihm ab, und zu meiner Befriedigung starb er bald darauf, ich schätze, an gebrochenem Herzen, falls er denn eines hatte. Noch unerträglicher war Guglielmo. Ein oder zwei Mal jährlich, meist unter Alkohol, bequemte er sich denkbar interesselos zum Vollzug der Ehe. Was war nur aus meinem Boy geworden? Anders als Alfonso verweigerte er jedes intime Gespräch. Mir schien, er lehnte alles Körperliche ab, betrachtete Sexualität sozusagen als Fehlfunktion der Jugend.
Ich wäre davon ausgegangen, dass er mit diesem Lebensbereich abgeschlossen hatte, hätte ich nicht eines Tages auf seinem Mobilgerät eine App namens Tinder aufblinken sehen. Ich zog Dorabella ins Vertrauen. Die bestätigte mir, dass Ferrando längst auf der gleichen Website unterwegs war. Verbitterte Boys mittleren Alters!
Die Jahre unserer zerrütteten Ehen schlichen dahin. Allerdings hatten wir beide halbwüchsige Kinder, und auch wenn diese von Bediensteten professionell betreut wurden und wir uns kaum an der Erziehung zu beteiligen brauchten, machte die Existenz eines Nachwuchses eine Trennung undenkbar. Wir wollten keinen Skandal. Solange wir lediglich Affären hatten, war das in Neapel in Ordnung, bei einer Auflösung der Ehen hätte uns die halbe Gesellschaft geächtet. Das fürchtete mein Analytiker auch, der sich im Übrigen standhaft weigerte, auf meine Avancen einzugehen. Er meinte, ich »agiere destruktiv«. Auch so einer im mittleren Alter. Alle die gleichen Biester! Der Elende empfahl mir sogar, in den Stürmen der Welt meine Ruhe zu finden und die Vernunft als Führerin zu nehmen!
Schließlich zog Guglielmo, ganz wie Ferrando, tatsächlich in den Krieg, sogar mehrfach für Monate. Keiner der beiden starb darin, obwohl Ferrando einen Arm verlor. Während einer ihrer Abwesenheiten wurde mir zugetragen, Dorabella sei einen Schritt weitergegangen. Sie traf sich heimlich mit Despina. Das löste die zweite große Krise aus. Ich persönlich fand, dass Despina zu alt für sie war. Ich spielte die moralisch Entrüstete, gestand mir meine Eifersucht die längste Zeit nicht ein. Meine Versuche, die Schwester auffliegen zu lassen, scheiterten. Alle sagten mir, »Fiordiligi, sei nicht paranoid, Dorabella und Despina sind nur gute Freundinnen!« Hast du eine Affäre mit einem Mann, weiß es morgen die halbe Stadt, triffst du hingegen regelmäßig eine Frau, tun im reaktionären Neapel alle so, als würde dieses Phänomen gar nicht existieren.
Bist du verknallt? Wie damals in Ferrando oder Guglielmo?, fragte ich Dorabella. »Ferrando, Guglielmo, Alfonso«, brauste sie auf, »lass mich in Ruhe mit diesen Namen!« Und deshalb nimmst du Despina?, bohrte ich weiter. »Zumindest hat die noch zwei Arme«, antwortete meine Schwester leise, »kannst du dich an diese letzte, bescheuerte Arie mit Alfonso erinnern? Umarmt euch, seid vernünftig – lachen werdet ihr dann künftig. Findest du, wir hatten in diesen zwanzig Jahren viel zum Lachen?« Ihre ungeschickte Ausflucht zeigte mir, wie sehr sie in Despina verliebt war. Werdet ihr heiraten?, fragte ich. Dorabella sah mich seufzend an: »Sobald in Neapel die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt wird!« Ich erinnerte sie an einen weiteren Satz des Alten: »Was andere weinen macht«, das solle »Grund zum Lachen« sein. Ursprünglich hatten wir dermaßen gelacht. Wann war es uns nur vergangen?
26 DIE BEKENNTNISSE DER FIORDILIGI
IM JUNI
AUSNAHMEDIRIGENT
Er gehört zu den Senkrechtstartern der Dirigentenszene: Thomas Guggeis. Knapp über 30, Generalmusikdirektor und Chefdirigent der Oper Frankfurt, zusätzlich auch ausgebildeter Quantenphysiker, weltweit gefragt. An der Wiener Staatsoper leitete er bisher sehr erfolgreich Salome, Ariadne auf Naxos, Die tote Stadt und La traviata, nun kehrt er mit Verdis Falstaff wieder zurück ans Haus am Ring. Zu erleben ist eine Inszenierung von Marco-Arturo Marelli, die die beiden Welten – die »bürgerliche« und jene von Falstaff – raffiniert gegeneinanderstellt. In der Juni-Serie ist eine außergewöhnliche Sängerbesetzung zu erleben: Luca Salsi – er sang an der Staatsoper unter anderem Macbeth, Amonasro und Scarpia – gibt im Haus am Ring erstmals die Titelpartie, Boris Pinkhasovich gestaltet den Ford, Roberta Mantegna die Alice, dazu zahlreiche beliebte Ensemblemitglieder von Slávka Zámečníková bis Hiroshi Amako.
GRANDIOSE TURANDOT
Im Dezember 2023 feierte Turandot Premiere an der Wiener Staatsoper, nun gibt es eine zweite Serie der letzten Oper Giacomo Puccinis. Diesmal übernimmt Axel Kober die musikalische Leitung, die Titelpartie wird erneut von Asmik Grigorian gestaltet. Umjubelt war ihre Rolleninterpretation schon bei der Premiere: »Sie verfügt über die notwendige Technik und schauspielerische Hingabe, zusätzlich jene Furchtlosigkeit, ohne die man Turandots Notensprünge und Spitzentöne gar nicht anzugehen braucht. Kurzum: ein weiterer Triumph für die gefragte Sopranistin, die sich gern herausfordert« ( Bachtrack) oder »Es ist immer wieder erstaunlich, wie diese Sängerin Dramatik und Schönheit, Ausdruck und Wohlklang in ein Gleichgewicht bringt.« (Kleine Zeitung) Neu in der Turandot-Besetzung ist der Tenor Ivan Gyngazov, der sein Hausdebüt gibt (siehe Seite 54). Als Liù ist – wie bei der Premiere – Kristina Mkhitaryan zu hören.
ASMIK GRIGORIAN
SALOME KEHRT ZURUCK
Einst war es ein Skandalstück, das an der Wiener Hofoper verboten war, heute gehört Salome zu den wichtigen Strauss-Repertoirewerken der Opernwelt. In der aktuellen Serie der 2023 entstandenen Inszenierung von Cyril Teste übernimmt wieder Musikdirektor Philippe Jordan die musikalische Leitung, erstmals singt KS Camilla Nylund in dieser Inszenierung die Titelfigur – eine Rolle, mit der sie 2005 ihr Hausdebüt an der Wiener Staatsoper gegeben hat. Zu erleben sind zahlreiche Sängerinnen und Sänger der Premiere: Gerhard Siegel als Herodes, Michaela Schuster als Herodias, Daniel Jenz als Narraboth und Patricia Nolz als Page. Testes Inszenierung zeigt in harten Bildern die grauenhafte und zutiefst verletzenden Umgebung, in der Salome aufwächst und zeichnet ein Psychogramm einer erschreckenden Gesellschaft. Den Jochanaan singt wieder Iain Paterson.
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THOMAS GUGGEIS
Fotos SIMON PAULY (Guggeis) ALGIRDAS BAKAS ( Grigorian ) ANNA.S. ( Nylund )
KS CAMILLA NYLUND
OLGA ESINA (ODETTE) & JAKOB FEYFERLIK (PRINZ SIEGFRIED) Foto ASHLEY TAYLOR
RUDOLF NUREJEW
SCHWANENSEE
6. 11. 14. 20. 23. JUNI
Musikalische Leitung PAUL CONNELLY
Choreographie & Inszenierung RUDOLF NUREJEW nach MARIUS PETIPA & LEW IWANOW Bühne &Kostüme LUISA SPINATELLI
Einstudierung LUKAS GAUDERNAK, JEAN CHRISTOPHE LESAGE, ALICE NECSEA
Odette / Odile LIUDMILA KONOVALOVA / OLGA ESINA Prinz Siegfried MASAYU KIMOTO / JAKOB FEYFERLIK
Der Zauberer Rotbart ENO PECI / ANDREY TETERIN WIENER STAATSBALLETT / JUGENDKOMPANIE DER BALLETTAKADEMIE / ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER
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DIE SEHNSUCHT NACH DER IDEALEN WELT
RUDOLF NUREJEWS SCHWANENSEE
»Die höchste jemals aufgezeichnete Anzahl von Vorhängen bei einem Ballett ist 89 für Dame Margot Fonteyn de Arias und Rudolf Nurejew nach einer Aufführung von Schwanensee an der Wiener Staatsoper, Österreich im Oktober 1964.« Diesen Eintrag findet man bis heute im Guinness-Buch der Rekorde, ungeschlagen verweist er nicht nur auf die strahlende Kraft des damaligen »Dream Teams« Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew, sondern auch auf jenes Stück, das allgemeinhin als das Ballett der Ballette gilt: Schwanensee.
»Ich glaube, die Hauptperson ist der Prinz, nicht der Schwan, er ist nur sein Spiegelbild. Schwanensee ist eine Geschichte der Romantik. Es ist der Traum von der idealen Frau, der Flucht aus der Realität, der Versuch, das Ideal mit der Realität zu verquicken, der schließlich zur Katastrophe führt.«
RUDOLF NUREJEW
Im Jahr 1877 konnte noch keiner glauben, dass das Werk eines Tages als berühmtestes Ballett aller Zeiten gelten wird, war die Moskauer Uraufführung doch ein wahrer Misserfolg. Nicht nur die Inszenierung gefiel nicht, sondern auch Tschaikowskis Ballettmusik empfand das Publikum als zu komplex. Erst mit der Choreographie von Marius Petipa und Lew Iwanow, die im Jänner 1895 am Mariinski-Theater Premiere feierte, die auch für jene einzigartige Bildsprache und -ästhetik der weißen Schwanen-Akte steht, begann der Siegeszug des heute unsterblich gewordenen Ballettklassikers.
Tschaikowskis Partitur »lebt vom Spannungsfeld zwischen einer realen, irdischen Musik in den Szenen am Hof des Prinzen mit ihren mondän-eleganten Klängen und funkelnden Tanznummern und dem lyrisch-elegischen Ton der Schwanenwelt. In diesen sogenannten ›weißen Akten‹ weitet Tschaikowski die Musik ins Transzendente« (BR-Klassik). Die Metamorphose – vom populären leitmotivischen Schwanen-Thema bis hin zu prächtigen National-
tänzen – ist nicht nur zentraler Aspekt der Komposition von Schwanensee, sondern steht auch für dessen Handlung. Prinz Siegfrieds Metamorphose könnte so auch für Rudolf Nurejew ausschlaggebend gewesen sein, sich nach vielen tänzerischen Interpretationen dem Werk als Choreograph zu widmen. Stets auf der Suche nach Möglichkeiten, den männlichen Part in den klassischen Balletten aufzuwerten und den Tänzer nicht nur als Partner der Ballerina zu verstehen, verlagerte er für seine Wiener Fassung – Petipas und Iwanows Version als Basis nehmend – den Fokus auf den Prinzen. »Siegfried musste der zentrale Charakter des Werkes sein, und Odette/Odile nur ein Teil seiner Erfahrungen«, schreibt John Percival. Nurejews Schwanensee ging 1964 nicht nur als das Ballettereignis in die Geschichte ein, sondern besticht eben auch durch das Weiterdenken des russischen Bewegungskanons und jene neue Sichtweise auf den Klassiker: »Nurejew unterwirft die Handlung einer Metamorphose ins Lyrische und gewinnt dadurch ein völliges Aufgehen des Geschehens in Tanz«, so Horst Koegler.
Als feste Säule im Repertoire des Wiener Staatsballetts darf die regelmäßige Programmierung von Nurejews Schwanensee nicht fehlen, auch um den Tänzer*innen immer wieder die Möglichkeit zu geben, sich mit seiner herausfordernden Choreographie und seinem Künstlertum auseinanderzusetzen. Die Besetzungen der Juni-Serie bringen dabei einige Highlights mit sich. Liudmila Konovalova und Masayu Kimoto tanzen erstmals gemeinsam als Odette/Odile und Prinz Siegfried. Olga Esina trifft auf Jakob Feyferlik, der für die Vorstellungen am 20. und 23. Juni als Prinz Siegfried an die Wiener Staatsoper zurückkehrt: »Die Wiener Version von Nurejews Schwanensee ist technisch zwar sehr schwer und anspruchsvoll, aber auch eine der schönsten. Für mich hat dieses Ballett außerdem eine besondere Bedeutung: Im Februar 2019 wurde ich nach einer Vorstellung von Schwanensee zum Ersten Solisten des Wiener Staatsballetts ernannt. Es ist eine große Ehre und Freude, dass ich mit diesem Ballett als Gast zurückkommen darf.«
29 NASTASJA FISCHER
NUREJEWGALA
Im Andenken an den auch für den Tanz in Wien so prägenden Rudolf Nurejew ist die nach ihm benannte Gala des Wiener Staatsballetts seit 2011 ein Fixpunkt im Spielplan der Wiener Staatsoper – ein großes Fest für den Tanz, das heuer am 29. Juni 2024 erneut den Saisonabschluss bildet. Neben den Solistinnen und Solisten und dem Corps de ballet des Wiener Staatsballetts geben als hochkarätige
Gäste die Étoiles des Ballet de l’Opéra de Paris Valentine Colasante und Marc Moreau ihr Debüt im Haus am Ring.
Nurejew war ein Visionär. Als Tänzer charismatisch, emotional und intelligent wie kein anderer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und nicht nur ein großartiger Interpret seiner Rollen, sondern auch ein Überwinder der Gräben zwischen klassischem Ballett und zeitgenössischem Tanz. Als Choreograph verdichtete er die Klassiker durch Virtuosität und wertete die Männerrollen auf. Als Ballettdirektor war er ein Ermöglicher neuer Werke, von denen einige Tanzgeschichte
schrieben. Das Programm der Nurejew-Gala 2024 bewegt sich auf diesen Spuren mit einer stilistischen Bandbreite vom 19. Jahrhundert bis heute –neu einstudiert und aus dem Repertoire des Wiener Staatsballetts.
Aus Nurejews choreographischem Werk sind Ausschnitte aus Schwanensee, darunter der Pas de deux Odette – Siegfried aus dem 2. Akt, getanzt von Valentine Colasante und Marc Moreau aus Paris, sowie aus Don Quixote zu sehen Als Tänzer verfügte Nurejew über ein großes Repertoire und setzte sich immer wieder auch für weniger bekannte Werke ein. Den Pas de trois aus La Ventana tanzte er 1975 mit Erik Bruhn und Cynthia Gregory bei einer Gala des American Ballet Theatre in New York – in Wien bildet die virtuos-leichtfüßige Choreographie August Bournonvilles nun den Auftakt zur diesjährigen Gala. Aber auch von einem Werk Hans van Manens ließ sich Nurejew begeistern. Nur ein Jahr nach der Uraufführung 1975 im Royal Opera House London machte er sich die Anthony
HYO-JUNG KANG & DAVIDE DATO in FOUR SCHUMANN PIECES von HANS VAN MANEN Fotos ASHLEY TAYLOR
ANNE DO PAÇO
Dowell auf den Leib geschriebene Solorolle in van Manens Four Schumann Pieces zu eigen und begeisterte mit dem Werk des Niederländers nicht nur das New Yorker Publikum bei einem Gastspiel des National Ballet of Canada in der Metropolitan Opera, sondern auch mit Het Nationale Ballet und 1982 beim Royal Ballet London. Als geradezu visionärer Förderer neuer Werke zeigte sich Nurejew dagegen, als er als Direktor des Balletts der Pariser Oper William Forsythe mit einer Choreographie beauftragte, die bis heute zu den bahnbrechendsten Werken des 20. Jahrhunderts zählt. Der faszinierende Pas de deux aus In the Middle, Somewhat Elevated darf entsprechend bei einer Nurejew-Gala ebenso wenig fehlen wie das die Tänzerinnen und Tänzer an die Grenzen des Möglichen puschende Finale aus Harald Landers Études. Hinzu kommen in dem abwechslungsreichen Programm mit dem Black Pas de deux aus John Neumeiers Die Kameliendame unter die Haut gehende Emotionen. Zwei Werke Martin Schläpfers von ganz unterschiedlichem Charakter setzen eigene Akzente: Sein feines, ebenfalls Grenzen auslotendes Solo Ramifications stellt der Wiener Ballettdirektor neben eine Adaption seines beim Opernball 2023 gefeierten Wiener Blut Walzers für die große Bühne der Wiener Staatsoper. Und die beiden Pariser Gäste präsentieren sich außerdem mit Victor Gsovskys Grand Pas Classique.
Für alle, die am 29. Juni nicht live dabei sein können, bietet das kostenlose Streaming-Programm der Wiener Staatsoper die Nurejew-Gala auch live und weitere 72 Stunden weltweit verfügbar im Stream auf → play.wienerstaatsoper.at. Weitere Informationen zu Valentine Colasante und Marc Moreau auf Seite 54.
NUREJEW-GALA
29. JUNI
Choreographie AUGUST BOURNONVILLE, RUDOLF NUREJEW, MARTIN SCHLÄPFER, HANS VAN MANEN, VICTOR GSOVSKY, JOHN NEUMEIER, WILLIAM FORSYTHE, HARALD LANDER
Musikalische Leitung WOLFGANG HEINZ
Mit VALENTINE COLASANTE & MARC MOREAU (Étoiles des Ballet de l’Opéra de Paris)
SOLISTINNEN & SOLISTEN sowie CORPS DE BALLET DES WIENER STAATSBALLETTS Klavier SHINO TAKIZAWA
ORCHESTER DER WIENER STAATSOPER
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IOANNA AVRAAM & ARNE VANDERVELDE in DON QUIXOTE von RUDOLF NUREJEW
GROSSE BUHNE FUR DEN NACHWUCHS
Schülerinnen & Schüler der Ballettakademie in Proben zu LA BAYADÈRE
Fotos ASHLEY TAYLOR
ANNE DO PAÇO
MATINEE DER BALLETTAKADEMIE
23. JUNI
Musik LUDWIG MINKUS, TANJA MÜLLER, FRANZ SCHUBERT, MICHAEL NYMAN & JOSH RALPH
Choreographie CHRISTIANA STEFANOU, DILIANA NIKIFOROVA & ROBERT GABDULLIN nach MARIUS PETIPA, TERESA ROTEMBERG, MARTIN SCHLÄPFER & KINSUN CHAN
SCHÜLER*INNEN DER BALLETTAKADEMIE DER WIENER STAATSOPER
MITGLIEDER DER JUGENDKOMPANIE DER BALLETTAKADEMIE
Ein besonderer Tag für den tänzerischen Nachwuchs ist die jährliche Matinee der Ballettakademie auf der Bühne der Wiener Staatsoper. In dieser zeigen die Schüler*innen sowie Mitglieder der Jugendkompanie, was sie über viele Monate erarbeitet haben: Ein Programm, in dem sich – so die Direktorin der Akademie Christiana Stefanou –»die Vielfältigkeit der Wiener Ausbildung spiegelt. Zum einen studieren wir bedeutende Stücke des klassischen Repertoires in einem intensiven Coaching ein, in welchem die Schüler*innen die Werke nicht nur kennen, sondern auch verstehen lernen und so zum Fundus ihrer eigenen Erfahrungen werden lassen können. Zum anderen ist es uns wichtig, dass sie direkt mit zeitgenössischen Choreograph*innen arbeiten und im Prozess mit diesen auch die Grenzen ihrer eigenen Kreativität spüren und überwinden.«
Im Schuljahr 2023/24 stand die Beschäftigung mit einem der Höhepunkte des romantischen Balletts auf dem Lehrplan: Marius Petipas La Bayadère. Christiana Stefanou, Diliana Nikiforova und Robert Gabdullin haben die 1877 in St. Petersburg uraufgeführte tragische Liebesgeschichte zwischen der indischen Tempeltänzerin Nikiya und dem Krieger Solor choreographisch für die Schüler*innen aller Ausbildungsstufen adaptiert. »Einer der stärksten, unvergesslichsten und tänzerisch anspruchsvollsten Momente der gesamten Ballettgeschichte ist der ›Schattenakt‹ – ein Ensemble, das von jeder Tänzerin die Qualitäten einer Solistin verlangt«, erläutert Christiana Stefanou. »Aber auch über diesen hinaus gibt es zahlreiche schöne Tanzszenen und gilt es außerdem die Geschichte zu erzählen, was auch eine vielfältige darstellerische Kunst verlangt.«
Auf die eigens für die Matinee eingerichtete, 90-minütige Bayadère -Version, die nah an Petipas Werk bleibt, folgen aktuelle Choreographien.
Mit Schüler*innen der Unterstufe hat Teresa Rotemberg Flock of Fledglings einstudiert. Die u.a. an der École de Danse Classique in Monte-Carlo bei Marika Besobrasova ausgebildete Künstlerin arbeitete intensiv mit Ismael Ivo in Weimar zusammen. Heute leitet sie ihr eigenes, in Zürich ansässiges Ensemble Company Mafalda und ist international als Choreographin tätig. »Flock of Fledglings ist ein hinreißend komisches Ballett, ein inspirierendes Werk, das zugleich sehr ›frisch‹ ist. Unsere Schüler*innen verwandeln sich in kleine Küken und können dabei nicht nur sehr viel lernen, sondern zugleich viel eigenes hineingeben«, begründet Christiana Stefanou ihre Wahl dieses Stückes.
Mit zwei Mitgliedern der Jugendkompanie hat Ballettdirektor Martin Schläpfer dagegen seinen Pas de deux Tänze einstudiert – eine bewegende Begegnung zweier Menschen als Gang durch ein ganzes Leben zu Musik von Franz Schubert. Das Finale des Programms ermöglicht schließlich eine erneute Begegnung mit Kinsun Chans JIT – einem in der letzten Saison mit Standing Ovations gefeierten, atemberaubend energetischen Ensemblestück des kanadisch-schweizer Choreographen, der ab 2024/25 das Semperoper Ballett Dresden leitet. Getanzt wird dieser kritische Blick auf eine sich immer weiter optimierende Gesellschaft, in dem immer wieder aber die Hoffnung auf Menschlichkeit aufblitzt, von den Schüler*innen der Oberstufe.
Mit der Matinee der Ballettakademie erfahren die jungen Tänzer*innen, was es bedeutet, auf einer der traditionsreichsten und größten Bühnen der Welt zu stehen, und was ihre Kunst im besten Fall auszulösen vermag: die Zuseher*innen zu verzaubern und zu begeistern – von den eigenen Familien bis zum hohe Erwartungen stellenden Ballettpublikum.
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KS CECILIA BARTOLI
Foto FABRICE DEMESSENCE
BARTOLIGASTSPIEL!
»Ovationen, Jubel, Applaus, Zugaben, und das eine Dreiviertelstunde«, »Beifall ohne Ende«, »Wien im Bartoli-Fieber« oder »Siegeslauf für La Bartoli«: Nur einige der vielen Schlagzeilen über die sommerliche Rossini Mania , die 2022 an der Wiener Staatsoper mit Belcanto auf höchstem Niveau für Furore sorgte. Die zweite große Liebe der Bartoli ist aber die Barockoper, und mit genau dieser kehrt sie Anfang Juli 2024 für ein zweites Gastspiel ans Haus am Ring zurück. Dabei unterstützt wird sie wieder von den Musiciens du Prince – Monaco, dem von ihr gegründeten, auf historischen Instrumenten spielenden Orchester der Oper in Monte-Carlo, wo sie Intendantin ist. Bartoli: »Das Feuerwerk, das wir mit Rossini Mania entfachten, wird schwer zu übertreffen sein. Aber mit Unterstützung aus Hollywood und einem Barockopern-Taumel, wie er im 18. Jahrhundert – mit der Musikhauptstadt Neapel an der Spitze – Europa erfasste, versuchen wir die Staatsoper auch 2024 wieder zu (ba)rocken.« Unterstützung aus Hollywood? Gemeint
ist John Malkovich, mit dem Bartoli im Rahmen des Gastspiels den Abend Their Masterʼs Voice gestalten wird. Malkovich, ein faszinierender Darsteller komplexer Figuren, ist auch in Opernkreisen ein überaus klingender Name: Denn mit Projekten über Casanova und Da Ponte, in denen Livemusik, Dichtung, Schauspiel und Bühnenperformance zu einer einzigartigen, den Mitwirkenden auf den Leib geschneiderten Aufführung verschmolzen, erregten er und der Regisseur Michael Sturminger weltweites Aufsehen. Eine weitere Premiere ist Georg Friedrich Händels Giulio Cesare in Egitto gewidmet: In der Inszenierung von Davide Livermore und unter Gianluca Capuanos musikalischer Leitung präsentiert ein funkelndes Ensemble jene Oper, die gleich bei ihrer Uraufführung 1724 im Londoner King’s Theatre gefeiert wurde. Im Haus am Ring erklang diese Oper seit fast 65 Jahren nicht mehr – eine einzigartige Gelegenheit also, auch an der Staatsoper dieses Barockjuwel in einer außerordentlichen Produktion zu erleben. Doch Bartoli
wäre nicht Bartoli, wenn sie nicht mehr geplant hätte: Rund um das Gastspiel findet ein von Sounds and Science konzipiertes Symposium statt, das sich dem Thema Oper und Gender widmet. »Den Begriff Gender mögen viele Opernfans wahrscheinlich nicht mehr hören. Aber in der barocken Oper war das Gendern –teils sinnlich, teils grausam – ganz normal: Sopranistinnen sangen Männerpartien, junge Kastraten die Rolle der Liebhaberin, und das Publikum verfiel dem verwirrenden Spiel. Vielleicht hat das Wiener Publikum ja ebenso sehr wie wir Lust auf diese gendererotische Reise zu Farinelli & Co…« Das barocke Gastspiel wird am 11. Juli schließlich mit einer großen Gala beschlossen, deren Besetzung nicht exquisiter sein könnte: Neben Bartoli stehen unter anderem Varduhi Abrahamyan, Julie Fuchs, Ann Hallenberg, Sara Mingardo, Regula Mühlemann, Anne Sofie von Otter, Max Emanuel Cenčić, Péter Kálmán, Kangmin Justin Kim, Maxim Mironov, Rolando Villazón, Carlo Vistoli und Bruno de Sá auf der Bühne.
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MUSIK, DIE BERUHRT
ANDREAS LÁNG & OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT KS CECILIA
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KS CECILIA BARTOLI als CLEOPATRA in GIULIO CESARE IN EGITTO Fotos MARCO BORRELLI
BARTOLI
ll Der große Arthur Schnitzler lässt eine seiner Bühnenfiguren feststellen, dass alle Künstlerinnen und Künstler durch ihr Wirken letztlich nach Unsterblichkeit streben. Geht es Ihnen auch so?
cb Für mich sehe ich dies nicht, jedenfalls hoffe ich, dass ich damit nicht einer Selbsttäuschung zum Opfer falle… Meine Rolle ist vielmehr die eines Katalysators zwischen den Komponisten von damals und dem Publikum von heute. Wenn mich die Leidenschaft für eine bestimmte Musik packt, will ich den Leuten im Saal zurufen: »Hört doch diese phantastische Musik…«! Ich wünsche mir, dass der Opernkomponist Vivaldi unsterblich wird, der italienische Gluck, dass Salieri rehabilitiert wird oder Haydn – nicht ich. Unsterblich sollte die klassische Musik sein, weil sie die Menschen berühren kann. ll Was war Ihrer Meinung nach der Grund, dass Barockopern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder einen wichtigen Stellenwert in den Spielplänen bekommen haben? cb Es gibt eine Reihe von Gründen. Zunächst ganz praktische: Ursprünglich war die historische Aufführungspraxis ein Sektor für vielfach belächelte Nerds und Amateure. Selbst die Anfänge des Concentus Musicus Wien oder einige Jahrzehnte später, ebenfalls inspiriert von Nikolaus und Alice Harnoncourt, das Zürcher Orchestra La Scintilla: Gleichgesinnte setzten sich zusammen, probierten Dinge aus, lernten, feilten, forschten, bauten sich Instrumente und wagten sich schließlich auf die Bühne. Oder man denke an die ersten Barocksänger und Countertenöre, deren technische und expressive Möglichkeiten noch weit entfernt von dem waren, was wir heute erleben dürfen. Inzwischen gibt es an allen großen Musikhochschulen hervorragend geführte Abteilungen für Alte Musik. Sogar wer sich nicht speziell dort eingeschrieben hat, muss sich zumindest mit Fragen der Aufführungspraxis auseinandersetzen: junge Pianistinnen und Pianisten ornamentieren Klavierkonzerte von Mozart oder Beethoven, dasselbe tun wir Sänger –das gehört inzwischen einfach dazu. Damals, Mitte des 20. Jahrhunderts, waren kaum Noten verfügbar und schon gar keine kritischen Ausgaben. Die umfangreiche Vivaldi-Edition war noch nicht begonnen. Als die Callas sich für Bellinis Norma einsetzte, hatte sie keinen Zugang zu den Manuskripten. Eine Urtextedition wurde vom Verlag Bärenreiter erst produziert, nachdem ich vor über 15 Jahren eine rekonstruierte Fassung dieser Oper vorgelegt und in zahlreichen Städten aufgeführt hatte. Digitalisierung und Internet erleichtern den Zugang zu Bibliotheken und allerhand Ausgaben inzwischen ungemein, es liegt quasi alles unter unseren Fingern. Dazu kam wahrscheinlich eine gewisse Ermüdung der CD-Industrie: von allen bekannten Werken gab es bereits mehrere, maßstabsetzende Aufnahmen. Da musste neues Repertoire her. Für die Theater war das praktisch, weil gewisse Fächer kaum
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IM GESPRÄCH MIT KS CECILIA
ANDREAS
LÁNG & OLIVER LÁNG
BARTOLI
noch adäquat zu besetzen waren , während auf dem Gebiet der Barockoper reihenweise fantastisch ausgebildete, hochmusikalische und charismatische Solistinnen und Solisten sowie Dirigentinnen und Dirigenten heranwuchsen. Zufällig vollzogen sich in der Popmusik ähnliche Veränderungen, welche die barocke Oper prägen: die Mischung von Musik und Tanz, die wenig linearen Erzählweisen, sich ähnelnde Geschichten in neuem Gewand, das Ersetzen von Realismus durch Strass und Glitzer. Das Schillernde, Androgyne, Überbordende – wie bei Michael Jackson, Freddy Mercury, David Bowie. Aber auch Cher, Madonna oder Lady Gaga. Neben der Üppigkeit fürs Auge brachte uns die barocke Bewegung eine umwerfende neue Palette an Farben, Dynamiken und Details fürs Ohr, aber auch Leichtigkeit und Tempo. Ich stelle mir das so vor wie man heute viel seltener Viergänger und schwere Saucen isst, sondern farbige, frische Salate, weg von dem Schlagobers, hin zu neuen Geschmacksrichtungen und knackigen Texturen! Und schließlich spricht die barocke Musik viele junge Menschen an, weil ihre Strukturen (Wiederholung, Symmetrie, Rhythmus, Improvisation) der Popmusik und dem Jazz entsprechen. ll Eine lange Zeit spielte man barocke Musik romantisch, dann mischten Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt die Welt auf und lehrten uns, Alte Musik neu zu hören. Wie historisch informiert muss/darf/soll barocke Musik heute klingen?
cb Man muss stets vollumfänglich informiert sein, wissen, was man tut und wieso. Aber die Zeiten der Authentiker, die nur die geschriebene Note gelten ließen, sind vorbei. Was eh absurd war, wenn man weiß, wie viel die Komponisten im 18. Jahrhundert NICHT aufschrieben, weil die Musiker es ohnehin wussten oder weil man davon ausging, dass frei ornamentiert wurde. Dies habe ich übrigens von Harnoncourt gelernt. Heute switchen die besten Musiker zwischen Perioden, Stilen und Genres, ohne die eigene Persönlichkeit zu verleugnen. Darum arbeite ich so gerne mit dem Dirigenten Gianluca Capuano. Er ist unglaublich gebildet – nächtens schreibt er ja philosophische Traktate –, aber in der Aufführung kommt das spontan Musikantische zum Vorschein und ein mitreißendes Temperament. In Monte-Carlo produzieren wir übrigens im nächsten Winter Das Rheingold mit Les Musiciens du Prince und Gianluca Capuano, die erste vollumfängliche Inszenierung einer
Wagneroper, die von historischen Instrumenten begleitet wird. Zwischen den Vorstellungen aber können Sie sich mit dem Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo unter Philippe Jordan eine konzertante Version des 2. Akts von Tristan und Isolde anhören und somit die beiden Zugänge direkt vergleichen. Das ist es, was mich wirklich interessiert, und ich bin extrem stolz auf dieses Projekt!
ll Schon bei der Uraufführung war Giulio Cesare beim Publikum ein Hit, zudem ist das Werk nie ganz aus den Spielplänen verschwunden. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? An der Geschichte? Der Musik?
cb Die durch den Titel hervorgerufenen Assoziationen und die Namen der Hauptfiguren – die übrigens mit ihren historischen Vorbildern kaum etwas zu tun haben, sondern vielmehr mit romantisierten Abbildern in der Kunst wie Shakespeares Tragödie Antonius und Cleopatra – spielten da schon eine wichtige Rolle. Und welche Sängerin träumt nicht von Elizabeth Taylors umwerfenden Kostümen… Aber Händels Musik ist in dieser Oper extrem abwechslungsreich, das Werk enthält fantastische Arien, auch spektakuläre, und darüber hinaus sehr schöne Duette und ungewöhnliche Einfälle wie die Zaubermusik auf dem Musenberg Parnass oder die kriegerischen Rufe des Chors hinter der Bühne.
ll Händel, der Komponist des Giulio Cesare, war einem beinharten Konkurrenzkampf unterworfen und daher auch zu Zugeständnissen an den Publikumsgeschmack gezwungen. Die große künstlerische Freiheit à la Wagner und Beethoven beispielsweise war das dann nicht, oder doch?
cb Nein – das waren keine romantischen Künstler, die sich und ihr »Genie« verwirklichen wollten, sondern Handwerker, oder später Unternehmer bzw. Impresari. Kein Hauch von Übernatürlichem. Vielleicht kommen wir hier zu Ihrer allerersten Frage zurück. So, wie wir uns heute als Katalysatoren für die Komponisten sehen, waren damals Komponisten die Katalysatoren für das unglaubliche Talent bestimmter Bühnenkünstler, den oder die man aus Begeisterung und Leidenschaft im besten Licht zeigen wollte. Ok, Händel wollte einmal seine Primadonna aus dem Fenster werfen, aber generell hat er wohl kaum darunter gelitten. Komponist oder Musiker zu sein war wohl ein Beruf wie jeder andere.
38 MUSIK, DIE BERÜHRT
ll Vor zwei Jahren waren Sie mit Rossini Mania in Wien zu Gast. Wodurch unterscheiden sich Rossini’sche Koloraturen von Händel’schen? Hat man mehr Freiheiten?
cb Einerseits gibt es eine starke Verbindung, denn Rossini hielt ja die Kunst der Kastraten für die höchste Form von Belcanto und schrieb selber ab und zu noch für Kastraten, während er sich zum Beispiel über manche Tenöre seiner Zeit lus -
Notentexts wohl weniger. Angeblich hat ja nach dem Misserfolg bei der Uraufführung erst die Improvisationskunst Garcías den Barbier von Sevilla zum Triumph geführt. ll Wie viel von den Koloraturen ist überliefert, wie viel ist »original Bartoli«, muss/kann man heute andere Koloraturen präsentieren als zur Entstehungszeit? Wo finden sich die Richtlinien für all die Ausziehrungen?
tig machte. Es ist schwierig zu verallgemeinern, denn sowohl im Barock als auch bei Rossini gibt es Stellen, wo die Koloraturen ausgeschrieben sind, während an anderen einfach klar ist, dass man ornamentieren muss. Und Händel wie Rossini schrieben ihre Partien in der Regel ihren Solistinnen und Solisten auf den Leib. Ich habe aber schon das Gefühl, dass Rossini dazu tendierte, die Koloraturen immer genauer aufzuschreiben, wie zum Beispiel im ersten Teil des Rondos »Nacqui all’affanno« in La cenerentola . Und es ist wohl kaum möglich, sich hier originellere und perlendere Koloraturen vorzustellen, als Rossini vorgibt. Aber wenn er hervorragende Musikerinnen und Musiker auf der Bühne hatte, wie seinen Freund Manuel García oder dessen hochbegabten Töchter Maria Malibran und Pauline Viardot, kümmerte ihn die genaue Beachtung des
cb Über Stil und Verzierungen kann man viel lesen und man lernt natürlich auch in der Praxis, in der Zusammenarbeit mit großen Dirigenten und Kolleginnen und Kollegen. Es gilt, zunächst den Notentext genau zu studieren, um sich danach davon zu befreien und der Fantasie freien Lauf zu lassen, immer im Rahmen des Stils. Also nicht wirklich anders, als beim Musizieren überhaupt. Ich selber singe gerne beim ersten Mal die Noten, die geschrieben sind, und variiere sie erst bei der Wiederholung, aber andere sehen das anders und verzieren von Anfang an. Dies ist eine Frage des Geschmacks und der künstlerischen Persönlichkeit.
ll Die Wiener Staatsoper ist ein Bauwerk aus dem späten 19. Jahrhundert, wobei der Zuschauerraum sogar ein Werk des mittleren 20. Jahrhunderts ist. Inwieweit ist dieses Haus trotzdem ein
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»passendes Gefäß«, in dem ein Barockspektakel stattfinden kann?
cb Szenisch ist das überhaupt kein Problem, und eine barocke Oper muss ja ein Spektakel sein, d.h. man soll bzw. darf den Raum entsprechend füllen. Ich bin überzeugt, Sie werden von Davide Livermores einfallsreicher, spektakulärer und ironischer Inszenierung begeistert sein. Akustisch sind solche Räume so oder so nicht einfach zu bespielen, ganz
Cleopatra in der Londoner Wiederaufnahme von 1730. Sie wissen ja sicher, dass ich mich gegen das strikte Fachdenken wehre, sondern finde, man sollte das singen (und spielen!), wozu einen seine Physis führt.
ll Die Kastraten hatten eine ganz spezielle Klangfärbung. Inwieweit entspricht das Zusammenspiel der heutigen Stimmen dem Original des 18. Jahrhunderts?
unabhängig vom Repertoire. Daher bereiten wir uns immer sehr aufmerksam vor und arbeiten intensiv an der dynamischen Balance zwischen Orchester und Solisten und ihrer räumlichen Positionierung im Haus.
ll In der Besetzung wird die Cleopatra als Sopranistin ausgewiesen. Wie hoch liegt die Tessitura der Partie?
cb In der damaligen Zeit gab es ja noch keine Stimmfächer im heutigen Sinn. Alle – selbst Kastraten – waren Soprane; wenige Ausnahmen mit einer tiefer gelegenen Stimme waren Alti. Unterteilt wurden die Solistinnen und Solisten vielmehr nach ihrem »box office value«: also Primadonna (erste Dame), dann zweite Dame usw. Die erste Cleopatra war die Cuzzoni, deren Tessitur sich angeblich vom ein- zum dreigestrichenen C erstreckte. Ich betrachte mich zwar eindeutig als Mezzosopran, aber ihre Rollen liegen mir in der Regel sehr gut in der Kehle, genauso übrigens wie das Repertoire von Händels anderer Primadonna, der Strada del Pò, die unter anderem die erste Alcina war und die
cb Also, es gibt ja Aufnahmen des letzten Kastraten Moreschi vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die kann man sich auf YouTube anhören. Er war Solist in der Sixtinischen Kapelle, muss also ein sehr guter Sänger gewesen sein. Aber bei so alten Aufnahmen kann man die Qualität der Stimme nicht wirklich beurteilen, eher Fragen des Stils zum Beispiel. Ich versuche jeweils, mir aufgrund der Partituren ein Bild von der Stimme von Kastraten zu machen, weil die ja einem bestimmten Sänger auf den Leib geschrieben wurden. Man sieht da sehr deutlich, was für einen unglaublich langen Atem die Kastraten hatten, den Stimmumfang, ihre technischen Möglichkeiten. Mit unserer Physis können wir uns dem nur annähern, gerade wir Frauen, denn unsere Lungenkapazität lässt sich niemals mit den Kastraten vergleichen, deren Oberkörper als Folge der »Hormonverwirrung« nach der Operation oft überdimensionale Ausmaße annahm. Aber wir tun unser Bestes. Ich bin stolz, dass wir Ihnen mit grandiosen Countertenören wie Carlo Vistoli, Max Emanuel Cenčić und Kangmin Justin Kim einen zumindest annäherenden, spektakulären Eindruck von
40 MUSIK, DIE BERÜHRT
GIULIO CESARE IN EGITTO Fotos MARCO BORRELLI
der Kunst dieser grandiosen Künstler vermitteln können.
ll Mit Their Master’s Voice gibt es ein neues Werk. Wer hatte die Idee zu diesem Projekt? Haben Sie am Buch mitgearbeitet? Wie konnten Sie John Malkovich für das Projekt gewinnen?
cb Ich kenne John Malkovich natürlich aus dem Kino, aber er interessierte mich auch wegen seines Theaterprojekts mit Motiven von Casanova, Mozart und Da Ponte, denn ich hatte immer die Vorstellung, etwas Ähnliches zu machen mit einem Thema aus der Welt der Barockmusik. Ich glaube, auch er hatte Lust auf ein gemeinsames Projekt. Das Stück selber ist dann langsam gewachsen, auch während der Proben in Monte-Carlo haben wir viel ausprobiert und geändert. So, wie es jetzt zur Aufführung kommt, ist es ein Pasticcio, auf halbem Weg zwischen Sprechtheater und Oper mit zahlreichen Lieblingsarien aus meinem Repertoire. Ergänzt wird der Abend durch die Präsenz des jungen Countertenors Philipp Mathmann und die englische Schauspielerin Emily Cox, und auch der Chor der Opéra de Monte-Carlo singt ein paar eindrückliche Nummern.
ll Zum Abschluss gibt es ein Galakonzert: Wie sieht die Dramaturgie dieses Abends aus? Ist
es ein Best-of? Oder gibt es einen roten Faden, der sich durch das Programm zieht? cb Gerade im Bereich der barocken Oper liegt es nahe, ein Pasticcio zu erfinden, also die tollsten Nummern aus verschiedenen Opern an einem Abend zu vereinen, interpretiert von den größten Virtuosinnen und Virtuosen der Gegenwart. Damals gab es ja kein Copyright und keine Aufnahmen. Kaum war die Oper vorbei, war auch die Musik wieder weg, meist für immer. Die Verwendung von Musik eines Kollegen in einem neuen Werk wurde daher als Ehre angesehen, als Möglichkeit, das Leben eines Stücks Musik zu verlängern und war sehr populär, das kennen wir ja zum Beispiel auch von Bach. Der Abend wird eine Art Schaulaufen: Wir sind alle gute Freunde und freuen uns schon wahnsinnig, in Wien mit- und gegeneinander um die Wette zu singen, angefeuert vom begeisterten Publikum – nach dem Motto »anything you can do, I can do higher« bzw. virtuoser… Die Opéra de Monte-Carlo mit ihrem Team, die Musiciens du Prince, der Chor der Opéra de Monte-Carlo, Gianluca Capuano und die Solistinnen und Solisten sind extrem stolz und können das Gastspiel in Wien kaum erwarten, allen voran ich selber!!
GEORG FRIEDRICH HÄNDEL
GIULIO CESARE IN EGITTO
6. 8. 9. JULI
Musikalische Leitung GIANLUCA CAPUANO Inszenierung DAVIDE LIVERMORE
Bühne GIÒ FORMA Kostüme MARIANNA FRACASSO Licht A NTONIO CASTRO Video D-WOK
Mit u.a. CARLO VISTOLI / CECILIA BARTOLI / MAX EMANUEL CENČIĆ / SARA MINGARDO KANGMIN JUSTIN KIM / PÉTER KÁLMÁN LES MUSICIENS DU PRINCE – MONACO / CHŒ UR DE L’OPÉRA DE MONTE-CARLO
THEIR MASTER’S VOICE
10. JULI
Musikalische Leitung GIANLUCA CAPUANO Buch & Inszenierung MICHAEL STURMINGER
Bühne & Kostüme RENATE MARTIN & ANDREAS DONHAUSER Licht BENOÎT VIGAN
Mit CECILIA BARTOLI / JOHN MALKOVICH / EMILY COX / PHILIPP MATHMANN
LES MUSICIENS DU PRINCE – MONACO / CHŒ UR DE L’OPÉRA DE MONTE-CARLO
FARINELLI & FRIENDS
GALAKONZERT 11. JULI
Musikalische Leitung GIANLUCA CAPUANO
Mit u.a. CECILIA BARTOLI / VARDUHI ABRAHAMYAN / JULIE FUCHS / ANN HALLENBERG
SARA MINGARDO / REGULA MÜHLEMANN / ANNE SOFIE VON OTTER / MAX EMANUEL CENČIĆ
PÉTER KÁLMÁN / KANGMIN JUSTIN KIM / MAXIM MIRONOV / ROLANDO VILLAZÓN / CARLO VISTOLI / BRUNO DE SÁ
LES MUSICIENS DU PRINCE – MONACO / CHŒ UR DE L’OPÉRA DE MONTE-CARLO
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MUSIK, DIE BERÜHRT
SUPERSTARS UNTER SICH
In Michael Sturmingers Their Master’s Voice treffen zwei Ikonen des (Musik-)Theaters auf der Staatsopernbühne zusammen: Cecilia Bartoli und John Malkovich. Uraufgeführt in Monte-Carlo, ist die Produktion nun erstmals auch in Wien zu erleben. Oliver Láng traf den Autor und Regisseur Michael Sturminger zu einem Gespräch in der Opernkantine.
ol Their Master’s Voice entführt in die Welt des Theaters, erzählt aber auch über barocke Kunst. Wie kam es zu diesem Projekt, das Sie geschrieben und inszeniert haben?
JOHN MALKOVICH als JEFF HIMMELHOCH in THEIR MASTER’S VOICE ( oben) Fotos MARCO BORRELLI
Szenenbild THEIR MASTER’S VOICE ( unten)
ms Ich kenne Cecilia Bartoli und John Malkovich schon seit vielen Jahren und habe mit beiden in der Vergangenheit zusammengearbeitet – mit John konnte ich im Lauf der Jahre, neben einem Kinofilm drei Musiktheater-Projekte entwickeln und diese auf der ganzen Welt in mehr als hundert Städten spielen: The infernal Comedy, Casanova Variations und Just call me God . In eine solche Mal-
kovich’sche Theaterwelt wollte Cecilia Bartoli eintauchen – und sie schlug auch den Themenbereich – die Barockoper der Kastraten – vor. Ich wollte aber keinesfalls ein illustrierendes, historisierendes Stück entwickeln, sondern die Frage der Repräsentation auf der Bühne auf humorvolle Weise in den Mittelpunkt rücken: Wer soll, wer kann, wer darf einen Kastraten darstellen? Wer ist der echte Farinelli und was kann der uns heute noch sagen? Herausgekommen ist eine Geschichte rund um einen alternden, nicht mehr aktiven Opernsänger, der zurück auf die Bühne will. Ich erfand eine fiktive Figur namens Jeff Himmelhoch,
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einen New Yorker Countertenor, der behauptet, Farinellis eigenhändige Lebenserinnerungen gefunden zu haben. Aus diesen Erinnerungen macht er einen Theaterabend – und scheitert.
ol Also Theater im Theater.
ms Ja, das Ganze beginnt mit einer Probe, bei der das Publikum zuschauen kann, wie ein Stück entsteht und noch allerlei Details diskutiert werden. Wir zeigen also einen Theaterbetrieb, wollen uns aber auch ein bisschen über diesen lustig machen, über die Eitelkeiten und all das, was man backstage so erleben kann. Es geht aber auch um die Frage, wer heute die Kastratenrollen gestalten soll – Kastraten gibt es ja zum Glück nicht mehr. All das wird auf eine augenzwinkernde und spielerische Art thematisiert. Und wir haben eine einzigartige Besetzung: Eben Cecilia Bartoli und John Malkovich, aber auch die wunderbare Emily Cox, die spätestens seit der Serie The Last Kingdom ein Superstar auf Netflix ist. In ihrem Fall kommt dazu, dass ihre Eltern klassische Musiker sind und dieses Projekt für sie daher ein Ausflug in eine ganz vertraute Welt ist. Philipp Mathmann wiederum ist ein fantastischer junger Sopranist, gleichzeitig aber auch Spezialist für Gendermedizin und Vizedirektor einer Universitätsklinik. Ein junger Mann, der unsere Fragen nach sich verändernden Geschlechterpositionen und Identifikation sowohl wissenschaftlich medizinisch als auch politisch und künstlerisch erforscht, eine fantastische Besetzung!
ol Wie bezeichnen Sie das Projekt? Oper?
Musiktheater?
ms Was halten Sie von Musiktheaterperformance? Es ist jedenfalls kein Konzert, sondern ein szenischer Abend in fantastischen Kostümen von Renate Martin, mit eindrucksvollen Theaterbildern von Andreas Donhauser und barocker Opernmusik von Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi, Nicola Porpora, Giovanni Battista Pergolesi und Claudio Monteverdi, unglaublich inspiriert interpretiert von den Musiciens du Prince – Monte Carlo unter der Leitung von Gianluca Capuano. Es wird also ein ungewöhnlicher Opernabend mit der wunderbaren Cecilia Bartoli und mit John Malkovich. ol Wie angesprochen, verbindet Sie mit John Malkovich eine enge künstlerische Partnerschaft. Was zeichnet ihn aus?
ms Ich kann mittlerweile sagen: Uns verbindet inzwischen eine künstlerische Freundschaft! Wir arbeiten seit 15 Jahren zusammen, und John ist in den oben genannten Stücken mit meinen Texten in unzähligen Theatern auf der ganzen Welt aufgetreten. In all den vielen Vorstellungen habe ich nicht einen einzigen Moment erlebt, in dem er sein persönliches Interesse über das gemeinsame Projekt gestellt hätte. Er liebt das Theater tatsäch-
lich aus ganzem Herzen, er liebt die Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen. Immer geht es ihm um die Sache, die genaue Interpretation einer Rolle, um das Stück. Und niemals geht es ihm darum, einfach zu glänzen, er riskiert immer alles, der sichere Erfolg interessiert ihn nicht.
ol Und die Musik? Wie ist sein Zugang als Nicht-Sänger?
ms Er ist hochmusikalisch, liebt Musik nicht nur, er ist von ihr fasziniert, davon, wie stark sie sein kann, eine Partnerin, stärker als er selbst. Und dass es daher unmöglich ist, als Darsteller gegen sie zu spielen. Schon als Kind hat er die Wiener Sängerknaben auf dem Disney Channel gesehen und davon geträumt, mitsingen zu dürfen, jetzt darf er mit Cecilia singen...
ol Viele kennen ihn vor allem als Filmschauspieler, als Hollywood-Star… ms … wobei er sich niemals für Hollywood interessiert hat. Malkovich ist ein Teamplayer und er liebt seine Kollegen und künstlerischen Partner über alles. Noch ganz jung fing er beim Steppenwolf-Theatre an – und wurde als Ensemblespieler ganz nebenbei ein Weltstar. Plötzlich waren Leute wie David Bowie und Jackie Onassis nach der Vorstellung in seiner Garderobe, alle wollten ihn sehen. Er hatte unglaubliche Erfolge im Film, aber kümmerte sich nicht darum, sondern blieb im Ensemble, ganz konsequent, für die gemeinsame Sache. Und das ist bis heute so. Schwierig wird es für ihn nur, wenn einzelne Egos eine künstlerische Zusammenarbeit auf Augenhöhe unmöglich machen. Der Hollywood-Zirkus – der interessiert ihn nicht und den hält er auch nicht aus. ol Braucht es diese Unbedingtheit, wenn es um Kunst geht?
ms Es braucht Mut und Selbstbewusstsein, sich selbst treu zu bleiben. John hat immer konsequent neue Herausforderungen gesucht, deren Ausgang ungewiss war und hat sich damit seine Freude am Theater erhalten. Cecilia Bartoli war auch schon in jungen Jahren eine Sängerin mit einer Ausnahmestellung: Sie brachte die Stärke auf, Engagements von mächtigen Intendanten abzulehnen, die sie für sich und ihre Stimme nicht zuträglich fand. Das hat sie sich bis heute beibehalten und ich habe sie dafür immer in höchstem Maß respektiert. Denn es gibt leider viele, die glauben, sich im Kulturbetrieb verbiegen zu müssen und das macht sie abhängig von Auftraggebern und wechselnden Moden und letztlich unglücklich. Wir alle wissen ja, wie oft Dinge von Zufällen abhängig sind, von den Launen anderer und darauf kann und darf eine künstlerische Existenz aber nicht bauen! Auch davon erzählt unser Stück!!
THEIR MASTER’S VOICE → 10. Juli 2024
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SUPERSTARS UNTER SICH
KS CECILIA BARTOLI in THEIR MASTER’S VOICE
Foto MARCO BORRELLI
FUNF FRAGEN
AN JOHN MALKOVICH
Wer kennt ihn nicht? John Malkovich, einer der prägenden Darsteller unserer Zeit, debütiert in Their Master’s Voice an der Wiener Staatsoper. Oliver Láng stellte fünf kurze Fragen an den Schauspielstar.
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JOHN MALKOVICH Foto BRIGITTE LACOMBE
FÜNF
FRAGEN AN JOHN MALKOVICH
THEIR MASTERʼS VOICE DOCKT AN DER BAROCKZEIT AN. WAS INTERESSIERT DEN SCHAUSPIELER MALKOVICH AN DIESER EPOCHE? DIE OPULENZ? DIE MUSIK? DAS THEATERSPEKTAKEL?
Barockmusik ist so stark und rein, dass man besser nicht gegen sie anspielt. Und das Barocktheater wirkt in einem überlebensgroßen Rahmen, präsentiert Könige und Königinnen, Götter und Göttinnen und versucht mithilfe dieser magischen Welt, die Menschen und ihre verwirrten Herzen zu verstehen.
WAS FASZINIERT SIE
AN MICHAEL STURMINGERS STÜCK?
Wir suchen gemeinsam nach den Momenten, in denen etwas Unerwartetes passieren kann. Wir versuchen, Situationen zu erschaffen, in denen die Figuren Farbe bekennen müssen. Üblicherweise entsteht eine echte Zusammenarbeit zwischen Sängerinnen und Sängern, Schauspielern, Musikerinnen und dem Leading Team, so dass wir alle unsere Komfortzone verlassen und etwas Unerwartetes kreieren.
WIE VIEL JOHN MALKOVICH STECKT IN DER FIGUR, DIE SIE DARSTELLEN?
Bei jeder Figur, die man spielst, muss man seinen Körper, seine Stimme, sein Temperament, sein Bauchgefühl, seinen Intellekt, seine Erinnerungen und sein Herz einsetzen. Aber als Michael Sturminger und ich anfingen, über Jeff Himmelhoch zu reden, sind wir auf eine Menge Farbfacetten gekommen, die ich normalerweise nicht so oft verwende. Das führte uns mehr in Richtung Komödie und Ironie, und im Grunde lachten wir über uns selbst, weil wir über unsere eigene lächerliche Eitelkeit, über unsere eigene unglaubliche Naivität und unsere eigene Dummheit lachten.
IN ALLER KÜRZE: WAS IST OPER?
Oper ist etwas, das entstehen kann, wenn Musiker, Geschichtenerzählerinnen, bildende Künstler, Bühnenbildnerinnen, Sänger und Schauspielerinnen zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Werk zu schaffen. Das klappt selten auf allen Ebenen, aber wenn es gelingt, ist es unglaublich stark. Wenn jedoch der Sinn für gegenseitigen Respekt und Zusammenarbeit unterdrückt wird, lahmt das Ganze schnell und funktioniert nur noch für Spezialisten, während es anderen seltsam altmodisch vorkommt.
ALS SCHAUSPIELER SIND SIE FÜR IHRE FASZINIERENDE UNVERWECHSELBARKEIT BEKANNT. WIE ERZEUGEN SIE DIESE?
Ich weiß es nicht, denn ich strebe nicht nach Unverwechselbarkeit, und es ist auch keine Eigenschaft, derer ich mir bewusst wäre. Aber wenn Sie an Ihrem Potenzial, sich selbst zu überraschen, interessiert bleiben, können Sie eine große Anzahl an Wegen erforschen – und das wird Ihnen wiederum zahllose Wahlmöglichkeiten eröffnen. Wenn die Menschen eine große Abwechslung erleben, während sie Ihnen zuschauen, können Sie ihnen zahllose unerwartete Momente bieten und das Theater bleibt auf diese Weise lebendig...
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ANDREAS LÁNG & OLIVER LÁNG
MUSIK, GESCHLECHT & GENDER
EIN SYMPOSIUM AM 30. JUNI
Gender und Geschlecht – ein Themenkreis, der in wechselnden Bewusstheitsgraden seit Jahrhunderten den Weg des Musiktheaters begleitet. Das Gesprächs-, Diskussionsund Forschungspotenzial ist groß, die Verknüpfung von Forschung und gelebter Praxis, von Innensicht der Künstlerinnen und Künstler und dem Blick des Publikums spannend. Erstmals gibt es nun an der Wiener Staatsoper ein Symposium zu diesem Thema, das Cecilia Bartoli im Rahmen ihres Gastspiels mit der Opéra de Monte-Carlo initiiert hat.
Szenenbild
THEIR MASTER’S VOICE
Foto MARCO BORRELLI
Zunächst aber der Blick in die Praxis: Inwiefern spielen Geschlecht- oder Genderfragen im tagtäglichen künstlerischen Betrieb eine Rolle? Für den Geschäftsführer der Wiener Philharmoniker, Michael Bladerer, spielen sie insofern eine, als dass sie in jeder denkbaren Form von Diskriminierung eben keine spielen dürfen. Rein künstlerisch aber sind sie für das Orchester nicht von Belang, da schon beim Probespiel sichergestellt wird, dass völlige Chancengleichheit für die Antretenden herrscht: »Die Probespiele für unser Orchester finden bekanntlich anonymisiert statt, das heißt, die Kandidatinnen und Kandidaten spielen mindestens die ersten beiden Runden hinter einem Paravent: man weiß also nicht, wer gerade an der Reihe ist«, so Bladerer. So selbstverständlich das heute auch ist, so anders war dies vor einigen Jahrzehnten, musizierten bis 1997 doch nur Männer im Orchester. Heutzutage, so Bladerer, gäbe es zu all dem selbstverständlich keine Diskussionen mehr.
Mit einem eigenständigen Projekttag für Jugendliche, an dem es um Fragen rund um Gender und Ge -
schlecht in der Musik geht, beteiligen sich die Wiener Philharmoniker an dem Themenschwerpunkt. Durchgeführt wird der Tag im Rahmen von Passwort:Klassik, der »Jugendschiene« der Wiener Philharmoniker, unter der Leitung von Hanne Muthspiel-Payer. Herbert Mayr, Solokontrabassist des Orchesters, stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob junge Erwachsene, »wenn sie Musik hören, überhaupt auf die Idee kämen, in binären Kategorien zu denken? Wahrscheinlich ist das längst überholt. Wir würden nun gerne wissen, ob wir mit dieser Vermutung richtig liegen.«
Doch nun zum Symposium am 30. Juni: Konzipiert wurde dieses vom Arzt und ehemaligen Mitglied der Wiener Philharmoniker, Manfred Hecking. Ein Publikumsfragebogen, dessen Ergebnisse in das Symposium einfließt, wurde von Laura Fabinyi erstellt. Worum es beim Symposium geht und wo die Zusammenhänge zwischen Musik, Gender und Medizin liegen, erzählen Fabinyi und Hecking im Interview.
ll Im Vorfeld der Tagung haben Sie sich mit den Themengebie -
ten Musik, Gender und Medizin bereits intensiv auseinandergesetzt. Wo lagen die Schwerpunkte, was war das Ziel? mh Gemeinsam mit Beate Hennenberg von der Musikuniversität und Mitwirkenden von der Medizinischen Universität Wien wurden Diplomarbeiten zum Thema Musik, Medizin und Gender ausgeschrieben. Zunächst hat die Studierende Sonja Schadler zusammen mit Mitgliedern unserer Arbeitsgruppe eine qualitative Befragung zu diesem Themenkomplex durchgeführt. Im Rahmen der Interviewstudie wurden – hauptsächlich professionellen Musikerinnen und Musikern –immer die gleichen, offenen Fragen gestellt. Die Antworten wurden aufgenommen, transkribiert, geordnet und unter wissenschaftlicher Aufsicht von Ulrich Kropiunigg, Professor emeritus für Psychologie, ausgewertet.
ll Diese qualitative Befragung war aber kein Selbstzweck, sondern die Basis für eine große Publikumsbefragung, die gerade im Haus am Ring stattfindet.
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MUSIK, GESCHLECHT & GENDER
PHILIPP MATHMANN in THEIR MASTER’S VOICE Foto MARCO BORRELLI
mh Ja, in einem weiteren Schritt wollten und wollen wir nun wissen, wie das Staatsopern-Publikum zu jenen Meinungen steht, die in dieser qualitativen Befragung geäußert wurden. Das ist aber natürlich nur ein Aspekt, der Fragebogen deckt zahlreiche weitere Themengebiete ab: es geht um den möglichen medizinischen Nutzen von Musik, um persönliche Vorlieben und vieles mehr.
ll Frau Fabinyi, im Zuge Ihrer Diplomarbeit zu Musik und Gender haben Sie natürlich auch eine umfassende Literaturrecherche betrieben. Was meinen Fachautorinnen und -autoren zu diesem Thema?
lf Es gibt viele unterschiedliche Aspekte, aber ich habe eine interessante Publikation gefunden, in der die präsentierten Ergebnisse darauf hinweisen, dass das »Gendering«, also die Geschlechtszuordnung von Musik (so etwas wie »maskuline« und »feminine« Musik zu beschreiben) nicht in den musikalischen Strukturen inhärent ist, sondern dem Wahrnehmungsereignis des Zuhörenden zugeschrieben wird. Dann gibt es natürlich noch die Frage, was Frauen und Männer gerne hören. In einer repräsentativ angelegten Personenstichprobe (aus Deutschland) waren Geschlechterunterschiede in den Genrepräferenzen für Musicals sowie für Hardrock und Heavy Metal besonders stark ausgeprägt. Mir kommt vor, unter Jugendlichen könnte es sein, dass Mädchen etwas lieber Sängerinnen wie Taylor Swift, Burschen bevorzugt Rockmusik hören. Hat das dann mit sozialen Konstrukten zu tun? Ich persönlich denke, dass die heutige Jugend offener ist als frühere Generationen und in vielem nicht in Schubladen denkt.
ll Was hat das aber mit Medizin zu tun?
mh Der medizinische Aspekt von Geschlecht und Gender ist ganz wichtig! Wir erkennen mehr und mehr, dass wir Ärzte und Ärztinnen Männer und Frauen in Teilaspekten unterschiedlich therapie ren müssen. Das ist eine bedeutende Erkenntnis, die meiner Beobachtung nach erst in den letzten 20 Jahren vermehrt an uns herangetragen wurde. Frauen haben zum Beispiel pharmakokinetisch an dere Eigenschaften als Männer, und eine der großen Errungenschaften der Gendermedizin ist, dass Ärz tinnen und Ärzte angefangen haben, Dosierungen von Medikamenten zu überdenken. Der Klassiker ist ja, dass Medikamentenstudien mit Männern eines gewissen Körpergewichts gemacht werden –und Frauen dann einfach die Männerdosis bekom men. In meinem Fach, der Nierenheilkunde, haben wir ein großes Rätsel zu lösen, da deutlich weniger Frauen als Männer weltweit an der Dialyse sind, und wir die Gründe dafür bis heute nicht eindeutig be nennen können. Sehr rezent haben wir in unserer Arbeitsgruppe für Österreich aussagekräftige Daten darüber generiert, dass Männer und Frauen der An sicht sind, unterschiedlich mit ihrer Nierenerkran
kung umzugehen , was jetzt vielleicht trivial wirkt, aber für uns in dieser Deutlichkeit trotzdem neu war. Interessant war ebenfalls, dass mehr als 90 Prozent von fast 1000 Frauen und Männern mit Nierenerkrankung mit »ja« auf die Frage geantwortet haben, dass in Österreich komplette Geschlechtergleichheit bei der medizinischen Behandlung herrscht. Mit anderen Worten: Kaum ein Mann oder eine Frau fühlt sich aufgrund seines oder ihres Geschlechts besser oder schlechter behandelt, obwohl das ja eigentlich nicht stimmt, wenn man jetzt zum Beispiel die Medikamentendosierung oder die Erkennung von Herzinfarkten hernimmt.
lf In der Musikmedizin gibt es übrigens ein Ergebnis zur Geschlechtsabhängigkeit der Auswirkungen des Musikhörens: Senkung von Blutdruck und Herzfrequenz durch Musikhören war bei Frauen stärker als bei Männern. Es könnte also sein, dass Musik auf Frauen eine noch positivere Wirkung hat als auf Männer.
ll Und welches Interesse hat Cecilia Bartoli, die das Symposium initiiert hat, an diesen Themen?
mh Als Koloratur-Mezzosopranistin spürt Cecilia Bartoli nicht nur den Auftrag, auch jene Musik, die für Kastraten geschrieben wurde, zu singen, sondern sich auch mit der Thematik wie dem tragischen Schicksal dieser Personen und den damaligen sozialen Gegebenheiten auseinanderzusetzen. Als Interpretin einschlägiger Partien gestaltet sie auch Hosenrollen, spielt als Frau also Männer: Genderfluidity, ein Thema der heutigen Gesellschaft, ist ihr von der Bühne her sehr vertraut.
ll Weil Sie sich mit diesen Fragen auch an Jugendliche gewandt haben: Wie geht man in der jungen Generation mit dem Themenkomplex um?
lf Ich glaube, dass die jungen Leute mit Genderfragen offener umgehen als früher. Wobei es sicherlich auch Jugendliche gibt, denen das Thema egal ist oder die sich überfordert fühlen. All das hat zweifellos oftmals mit dem sozialen Umfeld zu tun, in dem sich die einzelnen Personen befinden.
MUSIK & GENDER findet am 30. Juni im Gustav Mahler-Saal statt. Der Eintritt
Wenn Sie an der Befragung teilnehmen wollen, scannen Sie bitte diesen QR-Code. Die Befragung nym und dauert etwa fünf
→ Hier geht’s zur Befragung
MUSIK, GESCHLECHT & GENDER
Foto RUDI FROESE
v.l.n.r.: BOGDAN ROŠČIĆ, HANS PETER HASELSTEINER & KLEMENS
HASELSTEINER mit der Zeitkapsel
Foto ATHA ATHANASIADIS
Foto CARMEN FERNER
FRANZOSISCHER SAAL IM WIENER KUNSTLERHAUS
STRABAG ÜBERNIMMT SANIERUNG DES HISTORISCHEN SAALS UND ERRICHTET
DARIN MODERNE OPERNSPIELSTÄTTE
Der Umbau und Erhalt eines Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert ist kein Kinderspiel – doch ein STRABAGExpertenteam meistert diese Aufgabe im Französischen Saal des Wiener Künstlerhauses hervorragend. In diesem Seitentrakt der Wiener Kulturinstitution errichtet STRABAG einen modernen Opernsaal im Auftrag der Wiener Staatsoper.
Die Bauarbeiten der neuen Spielstätte befinden sich in der Zielgeraden und halten für das Baustellenteam einige technische Raffinessen bereit. Ein wichtiger Meilenstein: Die feierliche Grundsteinlegung im Mai 2023. Im Rahmen der Feierlichkeiten wurde eine Zeitkapsel verbaut, die die Nachwelt über das Projekt informiert.
PARTNERSCHAFTLICHES PROJEKT
Die neue Spielstätte für künstlerischen Nachwuchs wird im Rahmen einer Public-PrivatePartnership realisiert. Die Projektpartner der Wiener Staatsoper sind die Künstlerhausbesitz und -betriebs GmbH (KBBG), STRABAG SE, die Haselsteiner Familien-Privatstiftung sowie die öffentliche Hand, vertreten durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport (BMKOES). Ein Teil der Gesamtprojektkosten wird in Form eines Sponsorings von STRABAG und Haselsteiner Familien-Privatstiftung beigesteuert.
BEKANNTES TERRAIN
Die Adresse »Künstlerhaus Wien« ist für den STRABAG-Konzern kein unbekanntes Terrain. Erst vor wenigen Jahren wurde im Zuge einer aufwendigen Renovierung dem Künstlerhaus neues Leben eingehaucht. Direkt neben dem Französischen Saal des Künstlerhauses, nur
80cm entfernt, befinden sich die unterirdischen Säle des Wiener Musikvereins. Enge Abstimmungen, um die Konzerte und zahlreichen Proben nicht zu stören, standen deswegen für das Projektteam an der Tagesordnung.
BAUEN IM BESTAND
Der Französische Saal ist denkmalgeschützt –daher sind erschütterungsarmes Arbeiten und genaue Planung notwendig, um die Bausubstanz der ehrwürdigen Mauern zu erhalten. Der Umbau dieses Seitentrakts ist ein prächtiges Beispiel für »Bauen im Bestand« und die neue Konzernmarke BESTAND BEYOND.
Schließlich errichtet STRABAG ein (Opern-) Haus im Haus und erhält damit ein historisches Gebäude der Wiener Innenstadt, während es einem neuen Zweck zugeführt wird. Damit denken wir Bauen neu: Fortschritt baut auf Bestand, denn die Zukunft der Baubranche liegt nicht nur im Neubau. Die Modernisierung des Bestands wirtschaftlich und ökologisch zu betreiben ist der richtige Weg in eine ökologische Zukunft des Bauens.
Die Projektübergabe ist für Ende September dieses Jahres geplant. Mit Ende 2024 wird der Baustellenlärm schlussendlich klassischen Tönen weichen, wenn die ersten Vorstellungen stattfinden.
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ADVERTORIAL
TURANDOT
HAUSDEBÜTS
DEBUTS
1. JUNI 2024
IVAN GYNGAZOV Calaf
Ivan Gygnazov stammt aus Nowosibirsk und studierte am dortigen Konservatorium. 2013–2017 war er Solist an der Oper seiner Heimatstadt, an der er Rollen wie Lenski, Pinkerton und Wladimir Igorevitsch ( Fürst Igor) sang. Zu seinen jüngsten Engagements gehören sein Debüt am Bolschoi-Theater als Sadko, Andrei Morosow ( Der Opritschnik) am MichailovskyTheater und Manrico an der Opéra de Rouen. Am Mariinski-Theater sang er u.a. Gustaf III., Luigi, Benvenuto Cellini, Enée, Don José, Samson, Vaudémont (Iolanta), Sadko.
NABUCCO 8. JUNI 2024
MARKO MIMICA Zaccaria
Der in Kroatien geborene Bass Marko Mimica studierte an der Musikakademie in Zagreb, Kroatien und nahm 2011 am Young Singers Project der Salzburger Festspiele teil. Er tritt regelmäßig in großen Opernhäusern wie Liceu in Barcelona, ABAO in Bilbao, Teatro Colón in Buenos Aires, Teatro Regio in Turin, Deutsche Oper Berlin, Arena di Verona, Teatro Massimo in Palermo sowie beim Rossini-Festival in Pesaro auf. Sein Repertoire umfasst zentrale Partie von Bellini, Rossini, Donizetti, Verdi, Puccini und Bizet.
Emily D’Angelo stammt aus Toronto und begann ihre Karriere an der Canadian Opera Company. 2017 war sie Mitglied des Lindemann Young Artists Program der New Yorker Met. 2018 gewann sie alle vier Hauptpreise des Operalia-Wettbewerbs, 2021 unterzeichnet sie einen Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon. In ihrem breiten Repertoire nehmen die Partien in Opern Mozarts einen zentralen Platz ein. Erfolge feierte sie an der Met, der Mailänder Scala, der Pariser Opéra, der Bayerischen Staatsoper und am Londoner Royal Opera House.
FILIPE MANU Ferrando
Der junge, neuseeländisch-tongaische Tenor Filipe Manu studierte an der Universität von Waikato und absolvierte das Malvina Major Young Artist-Programms der New Zealand Opera und das Jette Parker Young Artist Programm der Londoner Royal Opera. Der mehrfache Preisträger kann schon jetzt auf Erfolge an der Hamburgischen Staatsoper, der Pariser Oper, in Glyndebourne, der Australien Opera und am ROH Covent Garden verweisen. Zu seinen Partien gehören u.a. Tamino, Ferrando, Ernesto, Froh und Eduardo (The Exterminating Angel ).
Fotos GEMMA ESCRIBANO (Mimica)
MARK PILLAI (D’Angelo)
SARA TANSY ( Manu )
JAMES BORT Opéra national de Paris ( Colasante, Moreau)
NUREJEW-GALA 29. JUNI 2024
Grand Pas Classique & Pas de deux aus Schwanensee, 2. Akt
Valentine Colasante wurde an der École de Danse de l’Opéra de Paris ausgebildet, 2006 Mitglied des Balletts der Pariser Oper und stieg bis 2018 zur Étoile auf. Sie tanzte u.a. Hauptpartien in Nurejews Cinderella , Raymonda , Don Quixote, Schwanensee und La Bayadère, Lacottes La Sylphide, MacMillans L’Histoire de Manon und Neumeiers Die Kameliendame sowie in Werken von Balanchine, Bausch, Cunningham, De Keersmaeker, Ek, Forsythe, Kylián, Martínez, McGregor, Peck, Petit, Robbins oder Waltz.
Grand Pas Classique & Pas de deux aus Schwanensee, 2. Akt
Marc Moreau wurde an der École de Danse de l’Opéra de Paris ausgebildet, 2004 Mitglied des Balletts der Pariser Oper und avancierte 2023 zum Danseur Étoile. Er tanzte u.a. Hauptrollen in Ashtons La Fille mal gardée und Nurejews Schwanensee , solistische Partien in Crankos Onegin und Neumeiers Die Kameliendame sowie in Werken von Balanchine, Cherkaoui, De Keersmaeker, Duato, Ek, Forsythe, Goecke, Kylián, León & Lightfoot, McGregor, Millepied, Naharin, Peck, Petit, Pite, Preljocaj, Ratmansky, Teshigawara oder Wheeldon.
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COSÌ FAN TUTTE 16. JUNI 2024
EMILY D’ANGELO Dorabella
VALENTINE COLASANTE
MARC MOREAU
GIULIO CESARE
DEBUTS
6. JULI 2024
CARLO VISTOLI Giulio Cesare
Der Countertenor Carlo Vistoli gab 2012 sein Bühnendebüt in Dido and Aeneas. Zu den Höhepunkten seiner Karriere zählen Giulio Cesare in Egitto in Shanghai, Dafne von Caldara in Venedig, Agrippina in Brisbane, Erismena von Cavalli in Aix-en-Provence. 2017 nahm er an John Eliot Gardiners Monteverdi450 teil, in jüngerer Zeit sang er bei den Salzburger Festspielen, an der Oper Rom, in Paris, London, Madrid, San Francisco, an der Mailänder Scala, am Bolschoi, an der Berliner Staatsoper und der Komischen Oper Berlin.
SARA MINGARDO Cornelia
Sara Mingardo, eine der wenigen echten Altistinnen unserer Zeit, studierte in ihrer Geburtsstadt Venedig. 2001 wurde sie mit zwei Grammys ausgezeichnet, 2009 verlieh ihr der Verband der italienischen Musikkritiker den prestigeträchtigen »Premio Abbiati«. Sie arbeitete bzw. arbeitet regelmäßig mit Dirigenten wie Claudio Abbado, Ivor Bolton, Riccardo Chailly, Myung Whun-Chung, Colin Davis, John Eliot Gardiner, Emmanuelle Ha Ïm, Marc Minkowski, Riccardo Muti, Roger Norrington, Trevor Pinnock, Christophe Rousset, Jordi Savall und Jeffrey Tate.
PÉTER KÁLMÁN Achilla
Der ungarische Bassbariton Péter Kálmán singt ein breit gefächertes Repertoire auf vielen großen internationalen Bühnen. Er wird für seine Charakterdarstellungen in der italienischen Buffo-Tradition ebenso hoch geschätzt, wie in Partien von Bartók, Strauss und Wagner. Jüngste Engagements umfassen Bartolo ( Le nozze di Figaro) am Londoner Royal Opera House, Bartolo ( Il barbiere di Siviglia) an der Met, Falstaff und Méphistophélès in Faust an der Budapester Staatsoper sowie Alberich (Das Rheingold ) in Monte-Carlo.
THEIR MASTER’S VOICE 10. JULI 2024
JOHN MALKOVICH Solist
John Malkovich ist einer der wichtigsten und charismatischsten Schauspieler der heutigen Filmwelt. Er hat in über 65 Filmen mitgewirkt –viele davon sind Klassiker – und ist seit einigen Jahren auch als Regisseur und Produzent tätig. Er wurde 1953 in Christopher, Illinois, geboren, und studierte an der Illinois State University. 1976 wurde er Ensemblemitglied am Steppenwolf Theatre in Chicago – noch heute kehrt er regelmäßig an das Theater zurück, wo er sich seine ersten Sporen als Bühnenschauspieler verdiente.
FARINELLI
VARDUHI ABRAHAMYAN
Varduhi Abrahamyan stammt aus Armenien und studierte am Konservatorium von Jerewan. Engagements führten sie an bedeutende Bühnen, wie die New Yorker Met, Pariser Opéra, das Bolschoi, das Liceu in Barcelona, die Bayerische und Hamburgische Staatsoper, nach Zürich, Genf, Frankfurt. Ihr Repertoire umfasst Carmen, Dalila, Bersi, Isabella ( Lʼitaliana in Algeri ), Maffio Orsini ( Lucrezia Borgia), Cornelia (Giulio Cesare in Egitto), Bradamante ( Alcina), Malcolm ( La donna del Lago), Néris ( Médée) Lydia Tchoukovskaïa ( Akhmatova).
Die schwedische Mezzosopranistin Ann Hallenberg tritt an großen Opernhäusern und bei Festivals auf – unter anderem Mailänder Scala, Teatro la Fenice in Venedig, Teatro Real in Madrid, Opernhaus Zürich, Pariser Opéra, Théâtre La Monnaie in Brüssel, Niederländische Nationaloper in Amsterdam, Bayerische und Berliner Staatsoper, Salzburger Festspiele und Pfingstfestspiele sowie Edinburgh Festival. Ihr Repertoire umfasst Partien von Rossini, Mozart, Gluck, Händel, Vivaldi, Monteverdi, Purcell, Bizet und Massenet.
Fotos NICOLA ALLEGRI (Vistoli)
BRIGITTE LACOMBE ( Malkovich)
HENRY FAIR (Abrahamyan)
JAKOBSSON ( Hallenberg )
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& FRIENDS 11. JULI 2024
ANN HALLENBERG
RJAN
DEBUTS
BRUNO DE SÁ
Der junge Sopranist Bruno de S á begann seine Laufbahn in seiner Heimat Brasilien mit Werken von Weill, Scott Joplin, Bach, Mozart, Adams, Wagner und Bernstein. Als Solist in H ä ndels Messias und Rossinis Petite Messe solennelle gab er 2016 sein Deutschlanddebüt. 2019/20 trat er dem Opernstudio am Theater Basel bei, 2020/21 deb ü tierte er beim Bayreuth Baroque Opera Festival. Der vielfache Preisträger ist Exklusivk ü nstler von Warner Classics – sein erstes Soloalbum Roma Travestita (2022) wurde von Presse und Publikum weltweit gelobt.
ROLLENDEBÜTS
TURANDOT
1. JUNI 2024
AXEL KOBER Musikalische Leitung
SALOME 5. JUNI 2024
TED BLACK* 2. Jude
SCHWANENSEE 6. JUNI 2024
TIMOOR AFSHAR Gefährte des Prinzen
ALEXANDRA INCULET Großer Schwan
ARNE VANDERVELDE Polnischer Tänzer
NABUCCO 8. JUNI 2024
GIAMPAOLO BISANTI
Musikalische Leitung
IVAN MAGRÌ Ismaele
EVGENY SOLODOVNIKOV
Oberpriester des Baal
AGUSTÍN GÓMEZ* Abdallo
ANNA BONDARENKO Anna
COSÌ FAN TUTTE 16. JUNI 2024
PHILIPPE JORDAN Musikalische Leitung
FEDERICA LOMBARDI Fiordiligi
PETER KELLNER Guglielmo
KATE LINDSEY Despina
CHRISTOPHER MALTMAN Don Alfonso
SCHWANENSEE 20. JUNI 2024
GIORGIO FOURÉS
Gefährte des Prinzen & Ungarischer Tänzer
MARIE BREUILLES,
ALEXANDRA INCULET
Spanische Tänzerinnen
ALEKSANDRA LIASHENKO
Neapolitanische Tänzerin
LOURENÇO FERREIRA Polnischer Tänzer
FALSTAFF 21. JUNI 2024
THOMAS GUGGEIS Musikalische Leitung
LUCA SALSI Falstaff
HIROSHI AMAKO Fenton
NORBERT ERNST Dr. Cajus
ROBERTA MANTEGNA Alice
NUREJEW-GALA 29. JUNI 2024
WOLFGANG HEINZ Musikalische Leitung
IOANNA AVRAAM,
KIYOKA HASHIMOTO, ALEXEY POPOV
Pas de trois aus La Ventana
ALICE FIRENZE in Four Schumann Pieces
ELENA BOTTARO, NATALYA BUTCHKO Tänzerinnen in Wiener Blut
SHINO TAKIZAWA Klavier in Pas de deux aus Die Kameliendame, 3. Akt
TIMOOR AFSHAR Tänzer in Études
GIULIO CESARE 6. JULI 2024 GIANLUCA CAPUANO Musikalische Leitung
KS CECILIA BARTOLI Cleopatra
MAX EMANUEL CENČIĆ Tolomeo
KANGMIN JUSTIN KIM Sesto
THEIR MASTER’S VOICE 10. JULI 2024 GIANLUCA CAPUANO
Musikalische Leitung
KS CECILIA BARTOLI Solistin
EMILY COX Solistin
PHILIPP MATHMANN Solist
FARINELLI & FRIENDS 11. JULI 2024 GIANLUCA CAPUANO
Musikalische Leitung
KS CECILIA BARTOLI, JULIE FUCHS, SARA MINGARDO, REGULA MÜHLEMANN, ANNE SOFIE VON OTTER, MAX EMANUEL CENČIĆ, PÉTER KÁLMÁN, KANGMIN JUSTIN
KIM, MAXIM MIRONOV, ROLANDO VILLAZÓN, CARLO VISTOLI, BRUNO DE SÁ
* Mitglied des Opernstudios
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EINE BAUSTELLE IST KEIN SPIELPLATZ. AUSSER FÜR IDEEN.
Herausforderungen brauchen Erfindertum und Fantasie. Das beweisen die über 250 Innovationsprojekte.
GEBURTSTAGE
Eine Reihe international gefeierter Künstlerinnen und Künstler, die auch die Aufführungsgeschichte der Wiener Staatsoper mitgeprägt haben, feiern runde und halbrunde Geburtstage. KS NEIL SHICOFF am 2. Juni (75), KS GIACOMO ARAGALL am 6. Juni (85), KS ILEANA COTRUBAŞ am 9. Juni (85), KS GEORG TICHY am 9. Juni (80), ROBERT CARSEN am 23. Juni (70), KS BRIGITTE FASSBAENDER 3. Juli (85), JOSEF ERNST KÖPPLINGER am 21. Juli (60), KS SIMON KEENLYSIDE am 3. August (65), MARIA GULEGHINA am 9. August (65), MARCO ARTURO MARELLI am 21. August (75), MARCO ARMILIATO am 29. August (60).
CHRISTIAN TICHY, ehemaliger Solotänzer sowie Trainings- und Probenleiter des Wiener Staatsopernballetts, feiert am 8. August seinen 65. Geburtstag.
Der ehemalige Erste Solotänzer des Wiener Staatsopernballetts GREGOR HATALA feiert am 22. August seinen 50. Geburtstag.
JOLANTHA SEYFRIED , ehemalige Erste Solotänzerin des Wiener Staatsopernballetts sowie 2004 bis 2010 geschäftsführende Leiterin der Ballettakademie der Wiener Staatsoper, feiert am 24. August ihren 60. Geburtstag. 1996 bis 2004 war sie Trägerin des Fanny-ElßlerRings. 2005 wurde ihr das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse verliehen.
TODESFÄLLE
WERNER HINK , der ehemalige, langjährige Konzertmeister des Staatsopernorchesters und der Wiener Philharmoniker ist am 21. Mai im Alter von 81 Jahren in seiner Geburtsstadt Wien verstorben. 1964 wurde er als Primgeiger im Orchester der Wiener Staatsoper engagiert und wurde am 1. November 1965 in den Verein der Wiener Philharmoniker aufgenommen. Nach erfolgreichen Probespielen avancierte er 1967 zum Stimmf ü hrer der Primgeigergruppe und wurde 1974 Konzertmeister. Zusätzlich zur Tätigkeit im Orchester widmete sich Werner Hink, der neben dem Berufstitel Professor u.a. mit dem Ehrenkreuz f ü r Wissenschaft und Kunst sowie mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet wurde, äußerst erfolgreich der Kammermusik. Zudem gehörte er ab 1974 er der Wiener Hofmusikkapelle an und leitete ab 1982 eine Violinklasse am Konservatorium der Stadt Wien.
Der österreichische Historiker, Archivar, Jounalist und Publizist DR. PETER DUSEK ist am 22. Mai, zwei Tage nach seinem 79. Geburtstag, in Wien verstorben. Sein enormes Wissen rund um die von ihm geliebte Oper fand Niederschlag in zahlreichen von ihm gestalteten Sendungen, Büchern, Beiträgen, Rezensionen, Vorträgen und Moderationen. Er war langjähriger Präsident der Freunde der Wiener Staatsoper.
DIVERSES
TED BLACK , Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper (zuletzt war er im Haus am Ring u.a. als Spoletta zu hören), sang am 28. Mai bei der Ausstellungseröffnung des Arnold Schönberg Centers »Mit Schönberg Liebe hören«.
ADAM FISCHER – er wird nächste Saison an der Wiener Staatsoper Aufführungsserien von Die Zauberflöte, Così fan tutte und Der Rosenkavalier leiten – dirigiert am 27. Juni im Wiener Konzerthaus einen Wagner-Abend. Am Programm stehen die Wesendonck-Lieder und der zweite Akt von Tristan und Isolde. Es handelt sich um ein Gastspiel der Budapester Wagner-Tage, deren Gründer und Leiter Adam Fischer ist.
FREUNDESKREIS WIENER STAATSBALLETT
Eine Mischung aus Künstlergespräch, Mitmach-Angebot und Probenbesuch bietet das exklusive Juni-Programm des Freundeskreises Wiener Staatsballett. »Von der Bühne hinter die Bühne – vom Tanz auf Spitze zur Spitzenschuhverwaltung« ist der Titel eines Nachmittags mit der ehemaligen Staatsballett-Tänzerin FRANZISKA WALLNER-HOLLINEK , die heute dafür sorgt, dass alle Tänzer*innen stets die passenden Schuhe zur Verfügung haben. Eine Movement Class mit der stellvertretenden Ballettdirektorin LOUISA RACHEDI lädt zum Selbst-Erkunden typischer Schwanensee-Bewegungen ein. Außerdem erhalten Ballettfreunde einen exklusiven Einblick in das Programm der NUREJEW-GALA bereits vorab bei einem Besuch einer Bühnenprobe.
Werden auch Sie Freund*in des Wiener Staatsballetts! Sie unterstützen damit die Arbeit der Compagnie und erhalten auch 2024/25 viele besondere Einblicke hinter die Kulissen und besondere Angebote. Jetzt hier Mitglied werden: → WIENER-STAATSOPER.AT/FOERDERN/ FREUNDESKREISWIENER-STAATSBALLETT
LIVESTREAM
AUS DER WIENER STAATSOPER
22. Juni 18.30 COSÌ
FAN TUTTE (Mozart)
Musikalische Leitung JORDAN
Inszenierung KOSKY
Bühne & Kostüme FALASCHI Licht EVIN Mit LOMBARDI, D’ANGELO, LINDSEY, MANU, KELLNER, MALTMAN
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
29. Juni 18.30 DIE
NUREJEW-GALA DES WIENER STAATSBALLETTS
Choreographie BOURNONVILLE, FORSYTHE, GSOVSKY, LANDER, VAN MANEN, NEUMEIER, NUREJEW, SCHLÄPFER
Musikalische Leitung HEINZ
Mit COLASANTE, MOREAU, SOLIST*INNEN & CORPS DE BALLET DES WIENER STAATSBALLETTS
Klavier TAKIZAWA
Orchester der Wiener Staatsoper
58 PINNWAND
KS NEIL SHICOFF
Foto LUKAS BECK
( Shicoff)
RADIO- & FERNSEHTERMINE
2. Juni 15.05 TENORALE Ö1
AUSNAHMEERSCHEINUNG
KS Neil Shicoff zum 75. Geburtstag Mit MICHAEL BLEES
13. Juni 14.05 ZWEI Ö1
PUBLIKUMSLIEBLINGE
zum 85. Geburtstag von KS ILEANA COTRUBAŞ & KS GIACOMO ARAGALL Mit CHRIS TINA TENGEL
16. Juni 15.05 APROPOS OPER Ö1
Zum 75. Geburtstag von KS FERUCCIO FURLANETTO
22. Juni 18.30 COSÌ Ö1
FAN TUTTE (Mozart)
Musikalische Leitung JORDAN
Inszenierung KOSKY
Bühne & Kostüme FALASCHI Licht EVIN
Mit LOMBARDI, D’ANGELO, LINDSEY, MANU, KELLNER, MALTMAN
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper Präsentation BLEES
Live aus der Wiener Staatsoper
30. Juni 15.05 DAS WIENER Ö1
STAATSOPERNMAGAZIN
Ausschnitte aus aktuellen Aufführungen der Wiener Staatsoper
Mit MICHAEL BLEES
4. Juni 14.05 ÜBERRAGENDE Ö1
LIEDGESTALTERIN
Zum 85. Geburtstag von KS BRIGITTE FASSBAENDER
6. August 20.00 DIE radioklassik ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL (Mozart)
Musikalische Leitung SOLTI Mit GRUBEROVA, BATTLE, WINBERGH, ZEDNIK, TALVELA, QUADFLIEG Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor Wiener Philharmoniker, 1984
Am 28. April präsentierte Staatsopern-Direktor Bogdan Roščić auf der Bühne des Hauses –und vor Live-Fernsehkameras – den Spielplan der kommenden Saison. Mit dabei: Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Dirigent Asher Fisch, Sängerinnen und Sänger, das Wiener Staatsballett, Musikdirektor Philippe Jordan, Ballettdirektor Martin Schläpfer und Regisseurinnen und Regisseure. 2024/25 bringt sechs Opernpremieren ( Don Carlo, Fin de partie, Iolanta, Norma, Die Zauberflöte und Tannhäuser, zwei Ballettpremieren (The Winter’s Tale und Pathétique), zahlreiche Wiederaufnahmen und ein weites Repertoire.
→ Alle Informationen auf wiener-staatsoper.at
NEUE SPIELSTÄTTE
Fast als 160 Jahre nach der Eröffnung des Hauses am Ring bekommt die Wiener Staatsoper im Herbst eine neue, zusätzliche Spielstätte – speziell für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Ort: Künstlerhaus. Am 18. Juni wird das Programm dieser neuen Staatsopern-Spielstätte präsentiert, am 19. Juni beginnt der Kartenverkauf für die Saison 2024/25.
→ Alle Informationen auf wiener-staatsoper.at
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IMPRESSUM
OPERNRING 2
JUNI 2024 SAISON 2023 / 24
Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH / Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ / Kaufmännische Geschäftsführung DR. PETRA BOHUSLAV / Musikdirektor PHILIPPE JORDAN / Ballettdirektor MARTIN SCHLÄPFER / Redaktion SERGIO MORABITO / ANNE DO PAÇO / NASTASJA FISCHER / IRIS FREY / ANDREAS LÁNG / OLIVER LÁNG / Art Direction EXEX / Layout & Satz IRENE NEUBERT / Lek torat MARTINA PAUL / Am Cover CECILIA BARTOLI Foto OMC –FABRICE DEMESSENCEE / Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUK TIONS GMBH, BAD VÖSLAU
REDAKTIONSSCHLUSS für dieses Heft: 28. MAI 2024 / Änderungen vorbehalten / Allgemein verstandene personenbezogene Ausdrücke in dieser Publikation umfassen jedes Geschlecht gleichermaßen. / Urheber/innen bzw. Leistungsschutzberechtigte, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. → wiener-staatsoper.at
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DER WIENER STAATSOPER
SAISON
2024 / 2025
SAISONBUCH 2024 / 2025
Hochgenuss trifft Hochkultur
OFFIZIELLER SEKT DER WIENER STAATSOPER
KATTUS KATTUS_SEKT KATTUS.AT GRANDE CUVÉE
VEREDELT SEIT 1857.
ASMIK GRIGORIAN