Programmheft »I vespri siciliani«

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GIUSEPPE VERDI

I VESPRI SICILIANI




GIUSEPPE VERDI

I VESPRI SICILIANI OPER in fünf Akten Text EUGÈNE SCRIBE & CHARLES DUVEYRIER Italienisch von EUGENIO CAIMI

ORCHESTERBESETZUNG

2 Flöten (2. auch Piccolo) 2 Oboen / 2 Klarinetten 2 Fagotte / 4 Hörner 2 Trompeten / 2 Kornette / 3 Posaunen 1 Ophikleide / Pauken Schlagwerk / 1 Harfe Violine I / Violine II / Viola Violoncello / Kontrabass

BÜHNENMUSIK

Schlagwerk / Glocke / 1 Harfe

AUTOGRAPH Bibliothèque Nationale, Paris URAUFFÜHRUNG (FRANZ. FASSUNG) 13. JUNI 1855 Opéra, Salle de la rue Le Peletier, Paris ERSTAUFFÜHRUNG IM HAUS AM RING 23. NOV. 1878 Wiener Hofoper SPIELDAUER

3 H 30 MIN

INKL. 2 PAUSEN




I VESPRI SICILIANI

DIE HANDLUNG 1. AKT Großer Platz in Palermo Vor dem Palast des Gouverneurs trinken Tebaldo, Roberto, Béthune, Vaudemont und andere französische Soldaten auf das Wohl des Vaterlands. Die Sizilianer beobachten sie argwöhnisch, denn sie erträumen die Befreiung von der Fremdherrschaft der Anjou. Herzogin Elena, ihre Dienerin Ninetta und deren Bräutigam Danieli erscheinen. Elena ist in Trauergewänder gehüllt und beklagt den Tod ihres Bruders, den die Franzosen wegen Hochverrats hingerichtet haben. Die Schönheit Elenas erweckt die Aufmerksamkeit der Soldaten. Der betrunkene Roberto beleidigt sie, indem er sie zwingt, öffentlich ein Lied zu singen. Aber Elenas Lied ist eine deutliche Aufforderung zur Revolte. Als sie es beendet, ergreifen die Sizilianer die Waffen und sind bereit, sich auf die französischen Soldaten zu stürzen. Zu Elenas Enttäuschung genügt das Auftauchen des Gouverneurs Monforte, um dem Tumult ein Ende zu machen. Die Menge läuft auseinander. Elena wird von der Ankunft des geliebten Arrigo überrascht. Der junge Sizilianer war wegen Verrats verhaftet, aber von der Anklage freigesprochen worden. Monforte tritt hinzu und bleibt mit Arrigo allein. Der Gouverneur bewundert den Mut Arrigos und versucht, ihn auf die Seite der Anjou zu ziehen. Er solle Elena meiden, die ihn ins Verderben reißen würde. Arrigo lehnt empört ab.

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DIE HANDLUNG

2. AKT Ein Tal bei Palermo In einem Boot kehrt Giovanni da Procida in Begleitung von Manfredo nach Jahren des Exils zurück. Tief bewegt grüßt er seine Heimatstadt. Elena und Arrigo heißen ihn willkommen. Procida enthüllt seine Pläne zum Aufstand. Arrigo verspricht sofort seine Hilfe und Procida verlässt den Schauplatz hochzufrieden. Elena bewundert den Heldenmut Arrigos. Trotz seiner unklaren Herkunft möchte sie ihn heiraten, wenn er den Tod ihres Bruders rächte – Arrigo ist dazu bereit. Béthune erscheint mit seinen Soldaten und überbringt einen Brief für Arrigo: Monforte lädt ihn zu einem Ball im Gouverneurspalast ein. Als Arrigo ablehnt, zerren ihn die Soldaten mit Gewalt davon. Verlobungen finden statt: Die Mädchen, darunter Ninetta, kommen den Hügel herauf und tanzen mit ihren Verlobten einen Hochzeitstanz. Roberto, Tebaldo und andere französische Soldaten sind anwesend; von der Schönheit der Mädchen angetan, beteiligen sie sich am Tanz. Procida überredet die Soldaten, die Mädchen zu entführen; dies soll die Sizilianer endlich zum Aufruhr veranlassen. Die Franzosen setzen Procidas Idee sofort in die Tat um, doch zu seiner und Elenas Enttäuschung bleiben die Sizilianer unentschlossen und furchtsam. Da fährt ein festlich geschmücktes Schiff vorbei, das Damen und Kavaliere zum Fest des Gouverneurs bringt. Procida beschließt, maskiert auf dem Ball zu erscheinen und dort den Aufstand der Sizilianer zu organisieren.

3. AKT Erstes Bild – Ein Raum in Monfortes Palast Monforte ist allein, alte Schuldgefühle plagen ihn. Er liest den Brief einer Frau, die er einst hatte entführen lassen: Knapp vor ihrem Tod verfasst, belegt das Schreiben die Existenz eines gemeinsamen Sohnes, der im Hass auf die französischen Besatzer erzogen wurde. Voll der väterlichen Gefühle träumt Monforte davon, seinen wiedergefundenen Sohn bei sich aufzunehmen. Arrigo wird dem Gouverneur vorgeführt, der ihn ungewöhnlich freundlich empfängt und ihm bald enthüllt, sein Vater zu sein. Monforte zeigt Arrigo zum Beweis den Brief der Mutter. Arrigo ist verstört – als Monforte seinen Sohn umarmen möchte, stößt ihn dieser zurück und eilt davon.

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I VESPRI SICILIANI

Zweites Bild – Ein festlich geschmückter Saal Im Gouverneurspalast ist ein großes Fest im Gange. Drei Masken – Elena, Procida und Manfredo – nähern sich Arrigo. Die Herzogin heftet das Zeichen der sizilianischen Verschwörer an Arrigos Gewand. Als die drei sich entfernen, erscheint Monforte, der abermals versucht, Arrigos Liebe zu gewinnen – vergebens. Der Sohn zeigt stolz das Zeichen der Verschwörer, das Monforte sofort abreißt. Arrigo warnt ihn vor einem geplanten Attentat. Als sich Elena mit einem Dolch auf den Gouverneur stürzen will, verhindert Arrigo die Tat. Die Verschwörer werden verhaftet. Arrigo möchte ihnen helfen, doch Elena und Procida weisen ihn voller Verachtung zurück. Der verzweifelte Arrigo wirft sich in die Arme seines Vaters.

4. AKT Im Gefängnis Arrigo betritt das Gefängnis, in dem Elena und die anderen Patrioten ihrer Hinrichtung entgegensehen. Elena wird gebracht, antwortet dem gequälten Arrigo aber mit Härte und Abscheu, bis er ihr gesteht, Monfortes Sohn zu sein. Erschüttert verzeiht Elena und offenbart Arrigo ihre Liebe. Im Überschwang der Gefühle beschließen die Liebenden, gemeinsam zu sterben. Alles ist für die Hinrichtung bereit, doch Procida spinnt seine aufrührerischen Pläne weiter: Er zeigt Elena einen Brief, der die Unterstützung der spanischen Truppen für den bevorstehenden Volksaufstand zusichert. Arrigo erklärt Monforte, mit den anderen Verurteilten sterben zu wollen. Entschlossen, seine väterlichen Rechte zu verteidigen, sichert er seinem Sohn die Begnadigung aller Aufständischen zu, wenn ihn Arrigo öffentlich als seinen Vater anerkennt. Arrigo lehnt zunächst ab. Die Henker erscheinen und die Mönche stimmen das »De profundis« an. Als Elena sich dem Richtblock nähert, ruft Arrigo in seiner Verzweiflung »O Vater, mein Vater!«. Wie versprochen lässt Monforte die Sizilianer frei und kündigt die Hochzeit von Elena und Arrigo an. Mitten in der allgemeinen Freude sinnt Procida weiter auf Rebellion.

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DIE HANDLUNG

5. AKT In Monfortes Palast Nahe der Kapelle, in der die Hochzeit von Elena und Arrigo stattfinden soll, singen froh junge Mädchen und begrüßen die Braut mit Blumen. Die glückliche Herzogin hofft auf eine gute Zukunft für ihre Heimat. Doch Procida weiht sie in seinen neuesten Plan ein: Der Klang ihrer Hochzeitsglocken soll das Zeichen zum Aufstand sein. Procida begreift nicht, wehalb Elena dem Plan nichts abgewinnen kann. Elena ist zerrissen: weder möchte sie ihre Landsleute verraten noch Arrigo verlieren. Schließlich, unter Berufung auf ihren toten Bruder, lehnt sie die Verbindung mit Arrigo ab. Arrigo fühlt seine Liebe verraten, Procida seine Ehre als Patriot. Monforte nimmt Elenas Entscheidung nicht zur Kenntnis und erklärt die beiden zu Mann und Frau. Als Procida die Hochzeitsglocken läuten lässt, fordert die verzweifelte Elena Monforte zur Flucht auf. Doch schon hört man den Lärm der herbeidrängenden Menge – Arrigo glaubt, es handle sich um Freudenrufe. Da brechen von allen Seiten die Aufständischen herein und stürzen sich auf Monforte und sein Gefolge.

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UBER DIESES PROGRAMM BUCH Mit Les Vêpres siciliennes schrieb Giuseppe Verdi, der auch in Paris, also im damaligen Zentrum des Musiktheaters, reüssieren wollte, erstmals ein neues Werk im Stil der Grand opéra. Die erfolgreiche Uraufführung dieses französischen Werks fand 1855 in Paris statt. Les Vêpres siciliennes folgte zwar direkt auf seine trilogia popolare – also Rigoletto, La traviata und Il trovatore –, doch wandte sich Verdi mit diesem Werk kompositorischem Neuland zu, wie Leopold M. Kantner ab Seite 24 aufzeigt. Eine Umarbeitung der Oper in eine italienische Version, die nach mehreren unterschiedlichen Bezeichnungen schließlich den Titel I vespri siciliani erhielt, folgte bald: Carlo Rizzi, der Dirigent der Wiederaufnahme 2024, präsentiert in einem Interview

ab Seite 10 seine Gedanken zu den beiden Fassungen. In einem Essay ab Seite 16 beleuchtet Christian Springer die Entstehungsgeschichte der Oper und weist auf Besonderheiten des Werks hin. Michael Jahn skizziert ab Seite 40 die Wiener Aufführungsgeschichte der Oper wie auch der Werke Verdis bis I vespri siciliani. Die wahren historischen Begebenheiten, die der Oper zugrunde liegen, erzählt Steve Runciman ab Seite 30, Birgit Pauls schreibt ab Seite 32 unter anderem über Momente des »italienischen« Kolorits in der I vespri siciliani-Musik. Um dem Publikum eine genaue »Nachlese« dieses international eher selten gespielten Werks möglich zu machen, wird dem Programmbuch diesmal auch das deutschsprachige Libretto beigefügt.

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KS RENATO BRUSON als MONFORTE


ÜBER DIESES PROGRAMMBUCH


OLIVER LÁNG IM GESPRÄCH MIT DEM DIRIGENTEN DER WIEDERAUFNAHME, CARLO RIZZI

MEHR ALS NUR REINE MUSIK ol

I vespri siciliani gibt es in zwei Fassungen: auf Französisch und Italienisch. An der Wiener Staatsoper spielen wir die – spätere – italienische. Wie sehen Ihre Erfahrungen mit dieser bzw. mit beiden Versionen aus? cr Das ist eine interessante Frage. Es ist ähnlich wie bei Don Carlo, da gibt es auch eine französische und eine italienische Fassung, wobei sich diese deutlich stärker unterscheiden als im Falle von Vespri. Also: Ich wuchs mit I vespri siciliani auf Italienisch auf. Als ich die Oper zum ersten Mal dirigierte, war es die italienische Version. Später leitete ich sie auch auf Französisch, und nun kehre ich wieder zurück zur italienischen Fassung. Die Musik ist dieselbe. Das Stück ist dasselbe. Aber es ist klar zu erkennen, dass I vespri siciliani von Verdi auf Französisch gedacht war – die Uraufführung fand ja in Paris statt. Im Besonderen erkennt man das bei den Rezitativen. Denn im Französischen liegt die Betonung sehr oft auf der letzten Silbe, im Italienischen hingegen häufig auf der vorletzten. Und das macht einen musikalischen Unterschied! Wenn eine Passage auf Fran-

zösisch gedacht wurde, kann man sie zwar auch auf Italienisch singen, aber die musikalische und sprachliche Betonung wird nicht ganz übereinstimmen. Als ich Vespri zum ersten Mal auf Italienisch machte und über diese nicht immer ganz perfekt passenden Betonungen stolperte, dachte ich mir: Seltsam, warum hat Verdi das so gemacht? Nun weiß ich es: Die Antwort liegt auf der Hand. ol Welche Bedeutung haben Rezitative bei Verdi? Dienen Sie nur dem Vorantreiben der Handlung? cr Verdi bedeutet nicht nur eine schöne Arie oder eine packende Cabaletta. Die Spannung bei Verdi liegt im Rezitativ beziehungsweise in der Scena. Dabei handelt es sich nicht nur um Anhängsel oder um musikalische Elemente, die dafür da sind, die Zeit zu füllen oder eine nachfolgende Arie vorzubereiten, sondern es geht im Rezitativ um eine Reflexion der Figuren, um Entwicklungen. Man darf das auf keinen Fall vernachlässigen! ol Verdi schrieb Vespri direkt nach der trilogia popolare, also nach den drei berühmten Opern La

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MEHR ALS NUR REINE MUSIK

traviata, Il trovatore und Ri- weißzeichnung, sondern vielschichtig. goletto. Sind Einflüsse dieser Und genauso verhält es sich mit Verdis drei Opern entscheidend? Oder Musik, auch sie ist nicht nur schwarzist Vespri für Verdi ganz et- weiß, sondern unendlich farbig. Für mich ist Verdi jener Komponist, der was Neues, weil es sich um eine Grand opéra handelt und er sich auf vollendete Weise die Dramaturgie an entsprechende Konventionen des Dramas in die Musik schrieb und Musik nicht nur als reine Musik sah. halten musste? cr Natürlich gab es Konventionen. Alles, wirklich alles, das in der Partitur Aber Verdi verändert sie, etwa im Falle steht, dient der Handlungsdramaturgie, des ungewöhnlichen Finales: Warum keine einzige Note ist Selbstzweck. Das ungewöhnlich? Weil es enorm kurz ist bei Vespri ganz besonders stark ausist, ganz anders als damals üblich. Das geprägt, insofern war diese Oper ein Ganze wirkt fast wie ein Gebäude, das großer Schritt vorwärts. in sich zusammenstürzt. Ich denke, ol Und findet sich noch ein Rest von dass Verdi dieses knappe Ende wählte, Belcanto in Vespri? Oder ist das um die Brutalität der Handlung darzuKapitel beendet? stellen: Die Revolution bricht aus, die cr Frage: Was ist Belcanto? Antwort: Sizilianer fallen über die Franzosen her Das, was die Worte bedeuten: Schöner und es gibt ein Blutvergießen. Man er- Gesang. Denken Sie sich eine Melodielebt hier einen Verdi nach der trilogia linie, etwa im 1. Akt die Arie von Elena: popolare. Wobei wir natürlich nicht das ist Belcanto. »O tu, Palermo« von vergessen dürfen, dass er auch schon Procida: Belcanto. Ebenso bei Arien in diesen drei Opern immer wieder ex- von Arrigo und Monforte. Natürlich handelt es sich um einen anderen Belperimentierte. ol Und was ist dramaturgisch gese- canto als bei Vincenzo Bellini oder hen gänzlich »Verdi-typisch« an Gaetano Donizetti, aber es ist nicht so, Vespri? dass Verdi bei Vespri plötzlich eine Axt cr Wir finden unter anderem seine genommen und begonnen hätte, alles Hauptmotive: Freiheit sowie die kom- umzuschlagen, er verwendete weiterplexen Beziehungen zwischen Vater hin bestehende musikalische Formen. und Kind. Wir kennen das aus vielen Aber bei Verdi ist – wie vorhin gesagt anderen Opern, Vater und Tochter, – die Musik stark mit dem verbunden, Sohn und Vater: etwa bei La traviata das die Figur ausdrücken will. Es geht und Rigoletto, Simon Boccanegra und also um mehr als nur schönen Gesang, Don Carlo. Das war offensichtlich et- um mehr als eine schöne Melodie, es was, das er immer wieder aufs Neue geht um Ausdruck und Wahrheit. Und untersuchen wollte. Mir gefällt in Ve- dann gelingt es ihm, auch noch eine spri siciliani auch, wie sich die Dinge, schöne Melodie dazu zu finden. (lacht) Blickwinkel und Situationen ändern. ol Sie meinten vorhin, dass es in VeDenken Sie nur an Monforte und Arspri nicht nur Schwarzweiß gibt, rigo: Gegner, dann aber auch Verbundass es um vielschichtige Mendene. Sie schwanken auch in ihren Halschenschicksale geht. Was aber tungen, wechseln Positionen. Wie im ist Vespri? Ein Familiendrama echten Leben: keine simple Schwarzin einem historischen Rahmen?

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IM GESPRÄCH MIT CARLO RIZZI

Ein politisches Werk auf Basis einer Familienkonstellation? cr Ich kann das auf keine Waage legen und sagen: Soundsoviel Familie und soundsoviel Politik. Aber wenn man eines der Elemente – Familie oder Politik – aus dem Werk herauslösen würde: es wäre nicht mehr Vespri. Denn die beiden Dinge sind ganz eng verzahnt, wie Arrigo und Monforte bezeugen. Wir haben einen Vater und einen Sohn, die politisch weit aus­einander liegen und doch verbunden sind. Stellen Sie sich vor, es gäbe in dem Stück keine Politik: dann würde die konfliktbeladene Geschichte von Arrigo und Monforte nicht funktionieren. Und wären sie nicht Vater und Sohn: wie wären sie dann verbunden? Aber dass sie verwandt sind und aus unterschiedlichen Lagern kommen: das macht die Handlung so herzzerreißend. ol Ist Monforte eine Art Philipp II. aus Don Carlo? Ein einsamer Herrscher? cr Philipp sitzt in der Falle. Er kann nichts machen. Monforte aber gibt seinem Herzen nach, für mich macht das einen Charakter aus, den man mögen kann. Auch wenn ich mir sicher bin, dass er als Soldat und Gouverneur eine schreckliche Person war. ol Und Procida? Wie ist er einzuschätzen? cr Wenn wir einen als den Bösen betrachten wollen, dann ist es Procida. Im Sinne eines berechnenden Politikers: Er will ein Ziel erreichen und das ohne Wenn und Aber, jedes Mittel ist ihm recht. Er sieht nur dieses Ziel. So gesehen ist er der Härteste im Stück, was die Entscheidungen und Handlungen betrifft. ol Oftmals wird die Instrumentation von Vespri siciliani als be-

sonders kunstvoll gerühmt. Was macht das Besondere aus? cr Um das zu beantworten reicht ein Blick auf die Ouvertüre: Da ist ein Reichtum in puncto Instrumentation, den es zuvor nicht gegeben hat. Unglaublich! Ebenso der Einsatz des Chores. Wir haben in Vespri gleich zwei Chöre: die Sizilianer und die Franzosen. Die Sizilianer wiederum teilen sich in Frauen und Männer – und diese Gruppen singen nicht immer dasselbe. Das macht die Sache sehr komplex und unterscheidet sich deutlich von den Chören in Il trovatore, Rigoletto und La traviata. Abgesehen davon ist Vespri auch harmonisch komplexer. Für das damalige Publikum, das eine gewohnte Verdi-Oper erwartet hat, muss das alles sehr neu geklungen haben. ol Warum aber wird international Vespri weniger gespielt als so manche andere Verdi-Oper? cr Sie kostet viel mehr! Vergleichen Sie zum Beispiel allein die Chorgrößen in Rigoletto und in I vespri siciliani. Letztere ist, wie vorhin ausgeführt, viel umfangreicher. Dazu kommt: Vespri ist eine deutlich längere Oper als manch andere. Und man hat gleich vier Hauptdarsteller. Unterm Strich gibt es ausreichend viele gute Opern von Verdi, die einfacher umgesetzt werden können. Das bedeutet aber nicht, dass Vespri schlechter oder musikalisch weniger attraktiv wäre. Nur eben schwieriger. Einen ähnlichen Fall haben wir bei Giacomo Puccini. Der Trittico – also die drei Opern Il tabarro, Suor Angelica und Gianni Schicchi – wird deutlich seltener gespielt als etliche seiner anderen Werke. Aber es ist ein fantastischer Dreiteiler. Nur… komplizierter umzusetzen. Und das schlägt sich in den Aufführungszahlen nieder.

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MEHR ALS NUR REINE MUSIK

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Es gibt musikalischen Farben, die Verdi bewusst einsetzte: Welche Farbe, also welche »tinta« hat I vespri siciliani für Sie? cr Das ist eine sehr interessante Frage! Wählte ich eine Farbe, dann wäre sie zumindest nicht sehr hell. Auch in Hinblick auf die Liebe in dieser Oper. Denn die Liebe zwischen Arrigo und Elena entspringt nicht nur dem reinen Gefühl. Sie sind einander auch verbunden, weil sie gemeinsam kämpfen. Wenn Sie im Vergleich an La traviata denken: Dieses bewegende »Amami, Alfredo« der Violetta, dieser enorme Ausbruch an Liebe: den werden sie in Vespri nicht finden. Das ist eine ganz andere Sache… ol I vespri siciliani gilt als eine besonders schwierige Oper für Sängerinnen und Sänger. Worin liegen die Herausforderungen für den Dirigenten?

Folgende Seite: KS LEO NUCCI als MONFORTE

cr Es gibt große Ensembles, die muss man im Griff haben. Die andere wichtige Sache: Verdi einfach nur stur nach dem Metronom zu spielen ist einfach. Aber es ist sehr schwierig, ihn mit entsprechender Freiheit zu interpretieren. Bei Puccini gibt es in jedem Takt genaue Anweisungen: Accelerando, Rallentando, Fermate und so weiter. Alles ist niedergeschrieben. Alles! Bei Verdi: Viel, viel weniger! Das bedeutet aber nicht, dass man all das nicht machen sollte. Eine Arie in nur einem Tempo zu spielen wäre dumm und langweilig – und es wäre nicht Verdi. Die Herausforderung für einen Dirigenten ist, eine Phrase so zu formen, dass eine Sängerin oder ein Sänger alle Freiheit für den vokalen Ausdruck erhält. Und der Dirigent dabei aber nicht den Faden verliert!

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S A L V A T O R E Q U A S I M O D O

Und wie hätten wir singen können, mit dem Fuße des Fremden auf dem Herzen, unter verlassenen Toten auf Plätzen, auf dem hartgefrorenen Rasen, beim Lämmerwehgeschrei der Kinder, beim schwarzen Klageruf der Mutter, die entgegenging dem Sohn, an der Telegraphenstange gekreuzigt? Im Laub der Weiden als Opfergaben aufgehängt auch unsre Harfen, sie schwanken leise im traurigen Wind.

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CHRISTIAN SPRINGER

ANMERKUNGEN ZU I VESPRI SICILIANI VERDI AUF NEUEN WEGEN Zwanzig Jahre nach I vespri siciliani legte Verdi rückblickend Wert auf die Feststellung, dass er nie den leichten Erfolg gesucht hatte: »Ich habe es schon mehrmals gesagt, dass – wenn ich mich der Gewinnsucht verschrieben hätte – mich niemand daran hätte hindern können, nach der Traviata [1853, unmittelbar vor Vespri komponiert] eine Oper pro Jahr zu schreiben und ein Vermögen zu verdienen, drei Mal so groß wie das, das ich habe« (Brief an Tito Ricordi, 11. März 1874). Tatsächlich waren die Vespri nach Oberto (1839) und Nabucco (1842) die erste Oper, die Verdi ohne Zeitdruck komponieren konnte. Er war 1853 an einem entscheidenden Punkt seiner Karriere angelangt. Als Vierzigjähriger hatte er mit der trilogia popolare – bestehend aus Rigoletto, Trovatore und Traviata – den Gipfel dessen erreicht, was mit den bis dahin verwendeten kompositorischen und stilistischen Mitteln zu erreichen war. Er stand nun vor der Wahl, entweder das erprobte Erfolgsrezept ad nauseam zu wiederholen (wie es zum Beispiel Auber getan hatte, der im Laufe seiner langen Karriere die Erfolge von Fra Diavolo und La Muette de Portici in anderem Gewand

zu wiederholen suchte, oder auch die Meister des Verismo, die die Stilmittel von Cavalleria rusticana, Andrea Chénier und Pagliacci mit immer geringerem Erfolg auf andere Sujets zu übertragen trachteten; Rossini, 1829 nach Guillaume Tell vor demselben Dilemma stehend, hatte es vorgezogen, das Komponieren von Opern ganz aufzugeben) oder neue Wege zu beschreiten. Verdi entschied sich für den unbequemen und unsicheren neuen Weg: »Der Künstler muss in die Zukunft schauen, im Chaos neue Welten sehen; und wenn er auf seinem neuen Weg in der Ferne ein kleines Licht sieht, darf ihn die Dunkelheit, die ihn umgibt, nicht erschrecken: er muss weitergehen, und wenn er auch manchmal stolpert und hinfällt, muss er aufstehen und seinen Weg weiterverfolgen« (Brief an Achille Torelli).

EINE NEUE OPER FÜR DIE PARISER OPÉRA Italienische Komponisten des 19. Jahrhunderts, die internationale Anerkennung und Bestätigung suchten, mussten einen Erfolg an der Pariser Académie Impériale de Musique, kurz Opéra genannt, dem Mekka des internationalen Opernwesens, vorweisen

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ANMERKUNGEN ZU I VESPRI SICILIANI

können. Verdi, der seinen Wert als Komponist genau kannte, obwohl er sich selbst bisweilen ironisch zum hinterwäldlerischen Bauern und musikalisch Ungebildeten stilisierte, hatte in Paris 1847 an der Opéra (damals: Académie Royale de Musique) mit Jérusalem debütiert. Diese Oper war aber nichts anderes als die in eine französische Oper umgearbeiteten I Lombardi alla prima crociata (1843) gewesen. Zeitmangel hatte den Plan, für Paris eine neue Oper zu schreiben, zunichte gemacht. Der ersten, 1845 von seinem französischen Verleger Léon Escudier vermittelten Einladung, für Paris zu komponieren, hatte Verdi aufgrund anhaltender Arbeitsüberlastung (die vielzitierten anni di galera) nicht Folge leisten können. Die Ereignisse von 1848 verhinderten vorerst weitere Verhandlungen. Erst Anfang 1852 war es anlässlich eines Parisaufenthalts Verdis soweit: Ein Vertrag über eine neue Oper kam zustande. Dieser im Copialettere (Verdis Sammlung von Briefabschriften und -entwürfen) im französischen Original nachzulesende Vertrag mit Nestor Roqueplan, dem Direktor der Opéra, enthielt unter anderem folgende für Verdi vorteilhafte Bedingungen: Das fünfoder vieraktige (in dieser Reihenfolge) Libretto sollte von dem hochberühmten Eugène Scribe eigenhändig verfasst werden, wobei dieser sich eines Co-Autors bedienen konnte. (Bei Jérusalem hatte sich Scribe noch nicht dazu herabgelassen, selbst zur Feder zu greifen, sondern sich darauf beschränkt, das Librettisten-Team Alphonse Royer und Gustave Vaëz zu empfehlen.) Termine für die Fertigstellung des Librettos wurden festgelegt, der Probenbeginn mit Juli 1854 fixiert. Das Opernhaus

musste Verdi ab Mitte August drei Monate lang zur Verfügung stehen, bevor die Premiere Ende November oder Anfang Dezember 1854 stattfinden sollte. Keine andere neue Oper durfte in dieser Saison uraufgeführt werden, Verdi wurde die freie Wahl der Interpreten aus den Sängern der Opéra zugesichert, die Direktion garantierte vierzig Vorstellungen innerhalb von zehn Monaten ab Premierendatum. Für die Nichterfüllung des Vertrags wurde ein Pönale von 30.000 Francs festgesetzt.

EIN LIBRETTO AUS ZWEITER HAND 1853 hatte Scribe den Höhepunkt seiner Karriere überschritten und war um neue Ideen verlegen. Er verfiel auf den Gedanken, Verdi einen Stoff vorzuschlagen – Le Duc d’Albe –, den er bereits 1838 für Halévy geschrieben hatte. Halévy hatte damals das vieraktige Libretto über den Herzog von Alba, den spanischen Statthalter und Unterdrücker der Niederlande im 16. Jahrhundert – aus Schillers Don Karlos und Goethes Egmont wohlbekannt – abgelehnt, worauf der Text Donizetti angeboten wurde. Dieser begann zwar die Arbeit an Le Duc d’Albe, stellte die Partitur jedoch nie fertig, da er – unter anderem in Wien – wichtigere Aufgaben zu erfüllen hatte. Scribe strengte 1844 einen Prozess gegen die Direktion der Opéra an, welcher die fertiggestellten Partiturteile missfielen und die daher eine Aufführung abgelehnt hatte; er gewann ihn und erhielt eine Abschlagszahlung von 15.000 Francs zugesprochen. 1848 starb Donizetti, Scribe ließ nicht locker und bekam von Donizettis Erben die Erlaubnis, das Werk aufzuführen, nur um herauszu-

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CHRISTIAN SPRINGER

finden, dass das Werk ein Fragment geblieben war. Um sein Libretto dennoch zu verwerten, bot er es also Verdi an. »Scribe ist dabei, das Libretto für mich zu schreiben«, stöhnte Verdi in einem Brief an seinen Librettisten und Freund Francesco Maria Piave (Dezember 1853), »und wenn mir nicht irgendein unvorhergesehener Umstand zu Hilfe kommt, muss ich die Oper auf Französisch komponieren... Uff! In derselben Zeit hätte ich zwei oder drei Opern auf Italienisch schreiben können, mit größerem Vergnügen und höheren Einnahmen.« Verdis schlechtes Gewissen Piave gegenüber wegen seiner Zusammenarbeit mit einem anderen Textdichter ist unüberhörbar. Aus einem Brief Scribes an seinen Co-Autor Charles Duveyrier (3. Dezember 1853) gehen Details über den ersten Kontakt mit Verdi hervor: Scribe will den Komponisten über die bewegte Vorgeschichte des Librettos informiert haben, »was angesichts eines Toten [das alte Libretto], der wieder zum Leben erweckt« werden sollte, höchst unwahrscheinlich ist. Verdi verlange einen anderen Titel, eine Änderung des Charakters des Titelhelden, die Verlegung der Handlung in ein Klima voller Wärme und Musik wie Neapel oder Sizilien, die Umarbeitung des zweiten Aktes, da es in diesem Land keine Bierhallen gibt und einen fünften Akt, da er ein mit Le Prophète vergleichbares großes Werk schaffen wolle. In einem darauffolgenden, undatierten Brief an Duveyrier wird Scribe genauer: Da Aubers La Muette de Portici bereits in Neapel spielt, wählt man Sizilien als Schauplatz. Der Herzog von Alba wird zu Guy de Montfort, dem verhassten Gouverneur von Sizilien zur Zeit der Herrschaft von Charles d’An-

jou. Der Braumeister Daniel verwandelt sich in Jean de Procida, die Zentralfigur der Verschwörung, und der neue Titel Les Vêpres siciliennes wird kurzerhand aus der gleichnamigen Tragödie von Casimir Delavigne (1819) entlehnt. Als Donizettis Il Duca d’Alba, von Matteo Salvi vervollständigt und orchestriert, 1882 in italienischer Übersetzung in Rom uraufgeführt wurde und die Pa­ rallelen zu den Vespri siciliani, damals seit Langem ein Repertoirestück, für jedermann ersichtlich wurden, schrieb Verdi an seinen Freund Giuseppe Piroli: »Ich wusste nicht, dass Scribe den Duca d’Alba verwendet hatte, um die Vespri siciliani zu schreiben. Es stimmt zwar, dass Vasselli [Donizettis Schwager] en passant mit mir darüber sprach, als ich 1859 wegen des Ballo in maschera in Rom war, aber ich achtete nicht darauf und hielt es für einen bloßen Verdacht und eine Idee Vassellis. Jetzt erst verstehe ich und glaube wirklich, dass die Vespri siciliani aus dem Duca d’Alba herstammen« (16. Jänner 1882). Verdis Ahnungslosigkeit über die Vorgeschichte des Librettos wird zwar von einigen Autoren angezweifelt, sie können aber ihre Meinung nicht belegen. Franco Abbiati meint dazu in seiner vierbändigen Verdi-Monographie lapidar: »Man kann darauf wetten, dass Verdi, wenn er davon [von der Librettovorgeschichte] gewusst hätte, sofort aus Paris abgereist wäre.« Scribe jedenfalls war mit dem Libretto durchaus zufrieden, was darauf hindeutet, dass es überarbeitet und zum Teil neu geschrieben wurde. Er lieferte es am Silvestertag 1853 ab und stand ab diesem Zeitpunkt für Änderungswünsche Verdis kaum mehr zur Verfügung.

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ANMERKUNGEN ZU I VESPRI SICILIANI

WIDERWILLIG KOMPONIERTE VÊPRES SICILIENNES Nur ungern komponierte Verdi trotz der ausreichenden Zeit, die ihm zur Verfügung stand, Les Vêpres siciliennes. An die Gräfin Appiani schrieb er am 25. Februar 1854 aus Paris: »Ich schreibe recht langsam, es kann auch vorkommen, dass ich gar nicht schreibe. Ich weiß nicht, woran es liegt, ich weiß nur, dass das Libretto da liegt, immer da, auf demselben Platz.« Dennoch ging die Arbeit weiter. Am 9. September 1854 berichtete er an seinen Freund Cesarino De Sanctis: »Ich habe knapp vier Akte meiner französischen Oper geschrieben. Ich muss noch den fünften Akt und das Ballett schreiben und alles orchestrieren. Ich werde sehr froh sein, wenn ich endlich fertig bin. Eine Oper für die Opéra reicht aus, um einen Stier umzubringen. Fünf Stunden Musik? Uff!« Die Gründe für Verdis Widerwille waren die ungewohnte Sprache (obwohl er Französisch recht gut schrieb und sprach), der ihm abverlangte pompöse Pariser Stil mit den obligaten (heute kaum mehr aufgeführten) Balletteinlagen, das ihm nicht übermäßig wohlgesonnene Ambiente der »grande boutique«, wie Verdi die Opéra gerne geringschätzig bezeichnete, die allgemeine Disziplinlosigkeit bei den Proben und das Libretto, dessen Mängel dem Komponisten bei der Arbeit immer stärker bewusst wurden. Verstärkt wurde sein Widerwille durch das unprofessionelle Verhalten der deutschen Sopranistin Johanne Sophie Charlotte Crüwell alias Sofia Cruvelli: Die Interpretin der Partie der Hélène verschwand während der Pro-

ben im Oktober 1854 still und heimlich aus Paris (der Grund dafür war ein Liebesverhältnis mit Baron Vigier, ihrem späteren Gatten) und blieb längere Zeit unauffindbar, was einen veritablen Skandal auslöste. Verdi verlangte die Auflösung seines Vertrags, da die Cruvelli unersetzbar sei (als »die schönste Stimme unserer Zeit im dramatischen Genre« bezeichnete sie der Impresario Strakosch), der Kunstminister schaltete sich ein, Krisensitzungen wurden abgehalten, Verdi aber blieb hart und bereitete seine Abreise vor (in Genua sollte ein neues Opernhaus eröffnet werden und man hatte Verdi um eine neue Oper gebeten: er erwog, für diese Gelegenheit Shakespeares King Lear zu komponieren). Da tauchte die Cruvelli wieder auf. Die Proben konnten weitergehen, und keine(r) der Beteiligten verlor ein Wort über den Vorfall. (Im Strand, einem Londoner Theater, wurde kurz darauf zur allgemeinen Erheiterung eine Komödie mit dem Titel Where is Cruvelli? aufgeführt.) Nur Direktor Roqueplan hatte die Folgen zu tragen: Er musste den Hut nehmen und wurde von Louis Crosnier, vormals Direktor der Opéra-Comique, abgelöst. Die Meinungsverschiedenheiten gingen mit der neuen Direktion der Opéra allerdings weiter. In einem langen Brief an Crosnier (3. Jänner 1855) beschwerte sich Verdi unter anderem massiv über Scribe: »Der zweite, dritte und vierte Akt«, klagte er, haben alle denselben Zuschnitt: »eine Arie, ein Duett, ein Finale. Der fünfte Akt« sei, so Verdi, »nach übereinstimmender Meinung aller Welt ohne jegliches Inter­esse«. Verärgert zeigte sich Verdi über den Librettisten, »der sich nicht die Mühe nimmt, den fünften Akt zu verbessern und tausend andere Dinge

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CHRISTIAN SPRINGER

zu tun hat«. Scribe erscheine nicht bei den Proben, halte seine Zusagen nicht ein, »alles zu ändern, was die Ehre der Italiener angreife«, habe die historische Figur des Procida so platt dargestellt, »dass dieser nur ein gewöhnlicher Verschwörer mit dem Dolch in der Hand« sei usw. Wieder verlangte Verdi die Auflösung seines Vertrags. Die Opéra lehnte dies ab, die Proben schleppten sich weiter dahin. Verdi und Scribe kamen wohl einige Male zusammen, um Änderungen vorzunehmen, die nach Verdis Dafürhalten aber nicht ausreichten: Er empfand das Libretto als alberne Travestie der historischen Ereignisse von 1282 in Palermo, mit einer aufgepfropften Liebesgeschichte, und begann sich auf einen Misserfolg einzustellen. Die Librettomodifikationen sind wegen der persönlichen Kontakte Verdis mit Scribe nicht gut dokumentiert, etliche Briefe sind undatiert und nicht eindeutig zuordenbar.

VERDIS »FORTSCHRITTE« Trotz aller Schwierigkeiten mit dem Libretto bedeuteten die Vespri einen weiteren Schritt in Richtung Erneuerung und Weiterentwicklung (»Ich will Sujets, die neu, großartig, schön, abwechslungsreich, gewagt... bis zum Extrem gewagt sind, mit neuen und gleichzeitig komponierbaren Formen...«­ hatte Verdi am 1. Jänner 1853 an Cesarino De Sanctis geschrieben) – noch keine Revolution, aber einen gelungenen Ansatz in Richtung der stilistisch völlig unterschiedlich gearteten Werke, die folgen sollten, von denen jedes eine ausgeprägte musikalische Persönlichkeit hat: Simon Boccanegra, Un ballo in maschera, La forza del destino, Don

Carlo, Aida, Otello und Falstaff. Massimo Mila, der eminente Verdi-Kenner, drückte es so aus: »Die Vespri Siciliani sind weniger schön als Rigoletto, dafür aber fortschrittlicher. Sie sind der Beginn einer neuen Konzeption des Dramas, bei der sich die Musik darum bemüht, nicht nur die Figuren der Hauptdarsteller plastisch herauszuarbeiten, sondern sie auch in einen historischen und sittengeschichtlichen Rahmen einzuordnen.« Verdis Schreibweise für die Gesangsstimmen beginnt sich zunehmend von den bewährten Belcantoformeln Bellinis und Donizettis zu entfernen und zeigt einen psychologisch vertieften Ansatz. Deutlich wird dies bei der Betrachtung der musikalischen Charakterisierung der beiden Antagonisten Procida und Monforte. Die wohl populärste Arie der Oper, gleichzeitig eine der schönsten des gesamten Bassrepertoires, Procidas »O tu, Palermo«, ist noch von konventionellem Zuschnitt, eine typische aria di sortita, eine Auftrittsarie, die mehr den Sänger als die dargestellte Figur in ihrem emotionalen Erleben der Heimkehr ins Vaterland in den Vordergrund stellt. Die Figur ist, vor allem librettobedingt, in der kompositorischen Anlage ihrem Gegenspieler Monforte von Anfang an unterlegen und erreicht in keinem Moment dessen psychologische Tiefen. Im Gegenteil, sie verflacht bis zum überstürzten Finale Scribes immer mehr, wo sie exakt zu dem wird, das Verdi beklagt hatte: zu einem simplen Mörder, für den das Läuten der Hochzeitsglocken das Zeichen zum Beginn des Massakers ist. Monforte wird bereits im ersten Akt musikalisch subtil vorgestellt, wobei im Gespräch mit Arrigo Züge von

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ANMERKUNGEN ZU I VESPRI SICILIANI

herrischem Stolz und herablassendem Wohlwollen sich mit feinem Sarkasmus abwechseln. Es ist offensichtlich, dass Verdi nicht nur für den Bariton als Stimmgattung eine besondere Vorliebe hatte, sondern auch am Thema der Beziehung Bariton – Sohn bzw. Bariton – Tochter besonders interessiert war (die Gründe dafür sind in der Lebensgeschichte Verdis zu finden): Man denke nur an Francesco Foscari in I due Foscari, Giacomo in Giovanna d’Arco, an den alten Miller in Luisa Miller, an Stankar in Stiffelio, Rigoletto, Germont in La traviata, Simon Boccanegra, Amonasro in Aida. Monforte ist, obzwar Unterdrücker der Freiheit der Sizilianer, kein konventionell düsterer Operntyrann, sondern eine vielschichtige, durchaus sympathische, noble, gefühlvolle Gestalt, die ausgefeilteste der ganzen Oper. In seiner französisch dreiteiligen Romanze im dritten Akt, »In braccio alle dovizie«, mit ihren Dur-Moll-Wechseln lässt Verdis Darstellung des einsamen Machtmenschen Monforte schon Simon Boccanegra oder Filippo II. in Don Carlo erahnen. Die Erwartung einer feurigen Cabaletta mit einem a piacere einzulegenden, effekthaschenden, hohen Schlusston wird enttäuscht: Auf einen dominantischen Halbschluss folgt eine Reprise mit fein auskomponierten Figuren im Orchester. Facettenreicher noch als in dieser Arie wird Monforte im darauffolgenden Duett mit Arrigo (aus dem sich das Allegro der Ouverture herleitet) charakterisiert. Die Gesangslinien von Bariton und Tenor überlagern ein­ ander in hochemotionalen, gegenseitigen Vorhaltungen, verschlingen sich geradezu ineinander, bis die Auseinandersetzung einen Höhepunkt erreicht, als ob den beiden der Atem fehlte, um

weiterzusprechen: Ein flehentliches Des-Dur-Adagio Monfortes löst die Spannung, die düstere Stimmung wird durch absteigende chromatische Figuren der Celli gezeichnet. Arrigo leitet hierauf mit seinem effektvollen Aufschrei »L’imago di mia madre« ein FDur-Allegro agitato ein, das Monforte in schmerzlich akzentuiertem Flehen kommentiert. Noch einmal sei Mila zitiert: »Aus dem verworrenen Dramenungetüm Scribes hat er [Verdi] das entnommen, was ihn interessierte: die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn, die durch die politischen Ereignisse getrennt worden waren und durch die Stimme des Blutes voneinander angezogen werden. Wer denkt da noch an Scribe, an die [historische] Sizilianische Vesper, an die Opéra und ihre Regeln? Verdi hat das Kommando übernommen, er hat sich die Situation, die ihn ansprach, maßgeschneidert und sie im glühenden Schmelztiegel seiner dramatischen Inspiration verarbeitet. Die Oper in ihrer Gesamtheit mag voller Widersprüchlichkeiten sein; aber das Duell zwischen Vater und Sohn aus dem dritten Akt ist eines der erhabensten Meisterwerke Verdis, großartig, einer der absoluten Werte, die sein Genie hervorgebracht hat.« Das Orchester der Opéra, damals jedem anderen europäischen Opernorchester überlegen, inspirierte Verdi zu einer dichteren, abwechslungsreicheren und anspruchsvolleren Ins­ trumentation. Auch verstand er es, die Vorliebe des Publikums der Opéra für grandiose vielstimmige Concertati als Aktschlüsse völlig zu befriedigen. Ein Beispiel dafür ist das Finale II, dessen Reiz im Aufeinanderprallen und Verschmelzen von Stimmungskontrasten

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ANMERKUNGEN ZU I VESPRI SICILIANI

liegt: Während die wegen der Entführung der Frauen empörten Sizilianer in musikalisch düsteren Farben auf Rache sinnen, nähert sich vom Meer her ein festlich geschmücktes Schiff, auf dem französische Offiziere und Edeldamen eine fröhliche, elegante Barkarole singen. Verdis Meisterschaft, verschiedene Gefühlsebenen zu einem aussagekräftigen Ganzen zu formen (man denke nur an das Rigoletto-Quartett), wird auch hier evident. Die tiefen Männerstimmen verlieren ihre autonome Gesangslinie und werden – wie im Orchester die Kontrabässe – rein ins­ trumental für harmonische Wirkungen als Bassfundament eingesetzt. Es entwickelt sich nicht ein konzerthaftes statisches Finale, sondern ein handlungsmäßig bewegter dramatischer Ablauf von großer Originalität.

VON DER URAUFFÜHRUNG ZUR ITALIENISCHEN ERSTAUFFÜHRUNG Das vertraglich festgesetzte Premierendatum verschob sich wegen der Eskapaden der Cruvelli. Dies erwies sich aber als Vorteil, weil dadurch die Premiere am 13. Juni 1855 zur Attraktion der Pariser Weltausstellung wurde. Sie war – Ironie des Schicksals! – ein großer Erfolg bei Publikum und Presse. Sofort nach der Premiere begann Verdi, mit seinem Verleger Giulio Ricordi das Thema I vespri siciliani und italienische Zensur zu erörtern: Im Italien von 1855

war es verboten, auf der Bühne Bezug auf historische Begebenheiten zu nehmen, die sich auf italienischem Boden abgespielt hatten. Um Schwierigkeiten bei den Aufführungen in Italien vorzubeugen, bediente man sich der einfachsten Möglichkeit: Man verlegte die Handlung in ein anderes Land (Sizilien wurde zu Lusitanien, dem heutigen Portugal) und gab den Figuren neue Namen. Bei den ersten Aufführungen des Werks in Parma (1855), Turin und Mailand (1856) hieß es Giovanna di Guzman. Verdi hatte zuerst einen anderen Namen vorgeschlagen: »Der Titel, den wir zuerst gewählt hatten, war Maria di Braganza, aber dann habe ich Maria durch Giovanna ersetzt; aus diesem Grund wirst Du im Klavierauszug Maria und im Libretto Giovanna finden. Das ist aber unwesentlich und Du kannst den Namen verwenden, den Du willst; Du musst nur im Klavierauszug die Änderungen vornehmen lassen, je nachdem, welchen Namen Du wählst« (Verdi an Giulio Ricordi, 6. Juli 1855). Aus Arrigo wurde Enrico, ein junger Portugiese, Monforte wurde zu Vasconcello, Procida zu Ribera Pinto. Viele andere Titel erhielt das Werk noch, darunter Giovanna di Sicilia (Neapel, Teatro Nuovo) und Batilde di Turenna (Neapel, Teatro San Carlo), bevor es in Italien 1861 erstmals ohne Zensureingriffe mit seinem italienischen Originaltitel aufgeführt wurde und, ab nun zumeist in italienischer Sprache, weltweit gespielt wurde.

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KS JOHAN BOTHA als ARRIGO


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LEOPOLD M. KANTNER

EIN NEUER VERDI? »Mit dem Eintritt ins Haus der Opéra hat sich Verdis Musik jener Sprache bedient, welche der französische Genius erfunden hat, ohne irgendetwas von ihrem italienischen Feuer zu verlieren.« So urteilte der Kritiker der Pariser La Presse drei Tage nach der Premiere. Berlioz detailliert: »Ohne dem Wert des Trovatore und so vieler anderer Partituren etwas wegzunehmen, muss doch festgestellt werden, dass in den Vêpres die durchdringende Intensität des melodischen Ausdrucks, die aufwendige, weise Vielfalt der Instrumentation, das warme Kolorit, das überall aufleuchtet, und jene leidenschaftliche, aber gebändigte Kraft der Darstellung, welche einen der charakteristischen Züge von Verdis Genie darstellt, der Oper eine Prägung von Größe verleihen, eine Art souveräner Majestät, welche hier deutlicher erkennbar wird, als in den vorangehenden Werken des Meisters« (in: La France Musicale vom 7. Oktober 1855). Adolphe Adam präzisiert: »Ich muss erkennen, dass es gerade die Vêpres siciliennes waren, welche mich das Genie Verdis erkennen ließen« (in: Assemblée Nationale, 16. Juni 1855). Es hatten also schon die Besucherinnen und Besucher der Uraufführung am 13. Juni 1855 erkannt, was diese Oper zum ausgewogenen Meisterwerk werden ließ: Verdi übernahm, kurz gesagt, die Tonsprache Meyerbeers, ohne sich selbst und seine Vergangenheit zu verleugnen, und ließ daraus ein durchaus homogenes Musikdrama, eine Grand opéra, werden. An dieser Stelle muss aber für den vielbelästerten Scribe eine Lanze gebrochen werden, da durch sein Libretto Verdi geradezu verpflichtet wurde, diesen bei aller Lebendigkeit vornehmen Ton zu finden. Nie zuvor hatte sich ein Librettist Verdis einer dermaßen erlesenen Sprache bedient. Dies verwundert freilich nicht, wenn man bedenkt, dass Scribe eben nicht nur Librettist war,

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EIN NEUER VERDI?

sondern in der Literaturgeschichte Frankreichs einen angesehenen Platz einnahm. Leider war es Verdi selbst, der 40 Jahre später, sehr zu Unrecht, auf Scribe ungerechte Anschuldigungen schleuderte: Scribe hätte es gewagt, ihm ein Libretto anzudrehen, welches vor ihm schon Donizetti in seiner unvollendet gebliebenen Oper Duca d’Alba vertonen wollte. Dazu ist festzuhalten, dass Scribe diesen Duca d’Alba zunächst Halévy angeboten hatte und, nachdem dieser abgelehnt hatte, es Donizetti übergab. Da dieser das Werk nicht vollenden konnte, also das Libretto aus damaliger Sicht ungenützt liegen geblieben wäre, hatte Scribe es offenbar, weil er es selber schätzte, Verdi empfohlen, in der Hoffnung, dass es gerade durch diesen Komponisten würdig in Musik gesetzt werde. Zum anderen darf nicht vergessen werden, dass Verdi weder bei Un ballo in maschera noch bei Otello Bedenken hatte, ein Libretto, zumindest ein Sujet zu vertonen, welches, im Gegensatz zu Duca d’Alba, durchaus noch mit der Musik eines Rossini oder Auber lebendig in der Erinnerung des Hörers war. Es ist schade, dass Verdi sich durch diese Ausfälle gegenüber Scribe als recht unglaubwürdig dargestellt hat; leider werden diese Anschuldigungen auch heute noch nachgebetet. Es wäre sicherlich besser, die Qualität des Librettos anzuerkennen, um desto klarer die hohe Qualität der Musik zu verstehen. Gerade das durch keine Diskrepanz gestörte Verschmelzen von Wort und Musik zeichnet diese Vêpres siciliennes aus: jede Person sowie die gesamte Chormasse sind unverwechselbar scharf gezeichnet. Im Gegensatz zur italienischen Oper gibt es keine eigentliche Hauptperson, sondern vier: Hélène, Henri, Guy de Montfort, Procida, welche alle ebenmäßig am dramatischen Geschehen beteiligt werden. Dabei sind die sehr gegensätzlichen Charaktere meisterhaft gezeichnet: die leidenschaftliche Patriotin und zugleich innig liebende Hélène; der zwischen seiner Liebe zu Hélène und der Liebe zum Vater hin- und hergerissene Henri; der skrupellose Revolutionär Procida, dessen Vaterlandsliebe aber doch als positives Element gezeichnet ist, und schließlich der leidende Vater Montfort, dessen Herz nicht von der Politik erstickt wird. Dieser Montfort ist wohl die vornehmste Gestalt, welche Verdi je musikalisch charakterisiert hat. Nicht von

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EIN NEUER VERDI?

ungefähr zählen das Duettfinale des 1. Aktes und die Arie des Montfort aus dem 3. Akt zu den musikalischen Höhepunkten des Werks. Aber auch Henri bekommt von der Noblesse seines Vaters Entscheidendes ab: Nie zuvor hatte Verdi einen Tenor so seriös gezeichnet, da selbst in der Melodia des 5. Aktes, in der die Glückseligkeit des jungen Bräutigams jubelt (untermalt von Meyerbeer’schen Instrumentaleffekten), Henri der vornehme Sohn seines Vaters bleibt. Scribe ist es zu verdanken, dass dieser Henri sich von den vielen tolpatschigen Tenorrollen aus Verdis früheren Opern vorteilhaft abhebt. Die Primadonna, Hélène, beherrscht alle Register des musikalischen Ausdrucks: im 1. Akt erleben wir, wie sie durch ihren Gesang eine Revolte auslöst (hier ist zu beobachten, was Verdi in der Grand opéra aus einer Cabaletta machen konnte!), im Duett des 2. Aktes (unverkennbar von Halévys La Juive beeinflusst) ist sie die leidende Verliebte, im Gran Duetto des 5. Aktes (hier regieren Meyerbeers Les Huguenots) findet sie von Verzagtheit zu Todesentschlossenheit, und schließlich wird in der Siciliana des 5. Aktes (hier wird wohl die Eboli des Don Carlos vorweggenommen) die Stimmakrobatik sinnvoll als Ausdruck überschäumender Lebensfreude eingesetzt. Ebenbürtig den Solistinnen und Solisten werden die großen Chorensembles sorgfältig gestaltet; wie nobilitiert Verdi hier seine früheren, berüchtigten Staccatochöre! Man darf sagen, Verdis Werk ist den Meisterwerken der Grand opéra mindestens ebenbürtig, denn als geistreiches Konzept übertrifft es tatsächlich alles Vorhergegangene. Ein »neuer« Verdi? Nein, aber ein bereicherter, geistreicher, vornehmer Verdi geht aus der Arbeit an Les Vêpres siciliennes hervor.

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Folgende Seiten: KS FERRUCCIO FURLANETTO als PROCIDA


REGISSEUR HERBERT WERNICKE

Manche bezeichnen dieses Werk als unspielbar, als nicht leicht verständlich, als einen wenig volkstümlichen Verdi. Für mich aber ist I vespri siciliani ein echtes Volksdrama ähnlich dem Simon Boccanegra: die tragische Geschichte eines Volkes, das durch Besatzer unterdrückt und misshandelt wird. Das Ganze mündet in eine Katastrophe, in eine so vollständige Vernichtung, wie sie meiner Kenntnis nach in kaum einem Werk der Theatergeschichte erfolgt. Alle, alle kommen um.

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STEVE RUNCIMAN

LEGENDE UND WAHRHEIT DIE VESPER Ostern 1282 war früh im Jahr, am 29. März. Während der ganzen Karwoche war die Insel nach außen hin ruhig. Königliche Beauftragte zogen durchs Land, beschlagnahmten alle Vorräte an Getreide, die sie finden konnten, und trieben Herden von Vieh und Schweine zusammen zur Verpflegung des Kriegszugs. In Palermo beging der Justiziar das Osterfest im Palast der normannischen Könige. Keiner der französischen Beamten und keiner der Kriegsleute, welche die zweiundvierzig Burgen befehligten, von denen aus das Land überwacht wurde, bemerkte mehr als die gewohnheitsmäßige Unfreundlichkeit, die das unterworfene Volk ihnen gegenüber an den Tag legte. Aber unter den Sizilianern selbst, indes sie die Auferstehung Christi mit ihren althergebrachten Volksliedern und Tänzen in den Straßen feierten, war die Stimmung zum Zerreißen gespannt. Die Kirche zum Heiligen Geist liegt etwa eine halbe Meile gen Süden jenseits der alten Stadtmauer von Palermo. Es war Brauch der Kirche, am Ostermontag ein Volksfest abzuhalten, und am Ostermontag, dem 30. März 1282, kamen die Leute wie stets aus der Stadt und den umliegenden Dörfern herbei, um dem Vesper-Gottesdienst beizuwohnen. Schwatzen und Singen erfüllten den Platz, als plötzlich eine Gruppe französischer Beamter erschien, um sich an den Festlichkeiten zu beteiligen. Sie hatten kräftig getrunken und bald behandelten sie die jüngeren Frauen mit jener Vertraulichkeit, welche die Sizilianer stets in Wut und Empörung

versetzte. Unter den Soldaten befand sich einer, der eine junge, verheiratete Frau aus der Menschenmenge herauszerrte und belästigte. Dies war mehr, als ihr Mann ertragen konnte. Er zog ein Messer, fiel über den Franzosen her und erdolchte ihn. Die anderen eilten herbei, um ihren Kameraden zu rächen, und sahen sich plötzlich von einem Heer wütender Sizilianer umringt, die sämtlich mit Dolchen und Schwertern bewaffnet waren. Nicht einer der Franzosen kam mit dem Leben davon. In diesem Augenblick begannen die Glocken der Kirche und aller Kirchen der Stadt die Vesper einzuläuten. Inmitten des Glockenläutens liefen Boten durch die Stadt und riefen das Volk auf, sich gegen die Unterdrücker zu erheben. Im Handumdrehen waren die Straßen voll von bewaffneten Männern, die unter dem Ruf »moranu li Franchiski« – »Tod den Franzosen« – dahinstürmten und jeden niedermachten, auf den sie stießen. Bei Anbruch des nächsten Morgens waren an die zweitausend französischen Männer und Frauen tot. Die Anführer hatten Palermo vollständig in der Hand, riefen eine Kommune aus und wählten einen Ritter zu ihrem neuen Capitano.

GIOVANNI DA PROCIDA Die Frage, in welchem Ausmaß das Blutbad der Vesper von Kräften außerhalb Siziliens organisiert wurde, ist von jeher Gegenstand eines recht erbitterten Streits gewesen. Die herkömmliche Auffassung erblickt in dem Massenmord das Ergebnis einer großen Verschwörung, die von dem im Interesse des

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L E G E N DE U N D WA H R H E I T

Königshauses von Aragon wirkenden, aus Sizilien verbannten Giovanni da Procida ins Werk gesetzt wurde. Die Legende hat aus dem Arzt und geschickten Politiker Giovanni da Procida einen Verschwörer großen Stils gemacht, der vermummt und heimlich von einem europäischen Hof zum anderen reiste und für die Befreiung Siziliens von der französischen Knechtschaft Anhänger warb. Erzählungen von seinen Abenteuern waren beinahe schon zu seinen Lebzeiten in Umlauf. Sie haben sich in sizilianischen Volkschroniken erhalten und ihren Widerhall in Werken von Villani, Petrarca und Boccaccio gefunden. Tatsächlich war seine Rolle weder so abenteuerlich noch so malerisch, wie seine Bewunderer und Feinde es gerne darstellten. Diese Ansicht wird von Michele Amari, dem sizilianischen Historiker, in seiner La Guerra del Vespro Siciliano (1842) heftig unterstützt. Amari konnte darauf verweisen, dass Procida in mehreren der zuverlässigen Quellen überhaupt nicht erwähnt wird, dass andere Quellen ausdrücklich leugnen, es habe eine Verschwörung bestanden, und dass in jedem Fall die Zeitspanne, die zwischen dem Ereignis der Vesper und dem Eingreifen des Königs von Aragon liegt, gegen eine Verschwörung spricht. In den Jahren 1279 und 1280, als Procida sich angeblich auf seinen verschwörerischen Reisen befand, erscheint seine Unterschrift als Kanzler regelmäßig und ohne Unterbrechung auf Urkunden und Dokumenten, die in Aragon ausgefertigt und unterzeichnet wurden. Nimmt man an, er habe Vorkehrungen zur Fälschung seiner Unterschrift getroffen, sodass seine Abwesenheit geheim blieb, mag man auch bedenken, dass er ein alter Mann war,

der sich seinem siebzigsten Lebensjahr näherte. Es mag sein, dass Procida Aragon nie verlassen hat und ein anderer in seinem Namen und Auftrag die Reisen unternahm, denn die Angaben über Reisewege und Einzelheiten der Schiffe, auf denen die Reisen gemacht wurden, sind zu genau, um frei erfunden zu sein. Es bleibt schwierig zu ermitteln, wie viel Wahrheit den zahlreichen Legenden zugrunde liegt. Sie aber scheint in der Auffassung zu liegen, dass die Sizilianer vom Bewusstsein, unterdrückt und vernachlässigt zu werden, zur Verzweiflung getrieben wurden; dass weiters aragonische Geheimagenten auf Weisung Procidas ihren schwelenden Groll zur Flamme entfachten und ihn mit Hilfe von byzantinischem Gold und Mittelsmännern zu einer regelrechten Rebellion organisierten. Gleichzeitig wurde, ebenfalls durch die Tätigkeiten Procidas, ein diplomatisches Bündnis mit Papst Nikolaus III. gegen Karl von Anjou aufgebaut, das größtenteils mit byzantinischem Gold finanziert wurde und Karl an einem Angriff auf Konstantinopel hindern sollte. Hier bewies Procida sein politisches Genie. Sein Hauptvorhaben bestand darin, innerhalb der Gebiete Karls Unfrieden zu stiften. Der genaue Zeitpunkt des Ausbruchs des sizilianischen Aufstands mag vom Zufall bestimmt gewesen sein, aber er kam Kaiser Michael von Byzanz sehr gelegen. Das Bündnis mit Aragon war den Sizilianern anfänglich durchaus nicht willkommen und sie waren, wie nachfolgende Ereignisse zeigten, nicht bereit, es aufrechtzuerhalten, wenn es ihre Unabhängigkeit bedrohte.

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BIRGI T PAU LS

SIZILIANER IN PARIS Die Stimmung auf der italienischen Halbinsel kurz nach der Revolution und dem Sieg Radetzkys, der vorerst alle Hoffnungen auf Selbstverwaltung erstickte, war alles andere als euphorisch. Karl Marx berichtete im Oktober 1852 in einem Zeitungsartikel von einer Aktion Mazzinis, der einen ungarischen General und eine ungarische Sängerin unter falschen Namen zu einer Reise über die gesamte Halbinsel veranlasst hatte, um die revolutionäre Gesinnung der Italiener zu untersuchen. Mazzini erhoffte sich von den beiden »Spionen« Details aus dem Leben der bürgerlichen Schicht. Das Ergebnis des Reports war für revolutionär Gesinnte niederschmetternd: Italien sei ganz und gar materialistisch orientiert. Bilanzen über den Handel mit Seide, Olivenöl und anderen Produkten beherrschten einzig die Gespräche. Die Bourgeoisie berechne unablässig, welche ökonomischen und finanziellen Verluste ihnen die revolutionären Bewegungen beschert hatten. Das Resümee dieser Reise lautete dahin, dass die meisten Italiener nach diesen Verlusten umso mehr am Geld interessiert seien und der revolutionäre Teil der Bevölkerung durch das ständige Fehlschlagen entmutigt sei. Eine Unterstützung der Massen zu einem Umsturz fehle gänzlich. Bei dieser politischen Einstellung ist die Geisteshaltung der Italiener, die Johann Jakob Bachofen im selben Zeitraum in Siena unangenehm auffiel, wenig verwunderlich: Er schrieb an Wilhelm Henzen, er könne den ostentativen Hass der Italiener auf die Österreicher nur mehr als »äußerlich und bei manchen gänzlich erzwungen« interpretieren. Bachofen reflektierte die politi-

sche Stimmung und deutete die Abneigung als pure effektheischerische Taktik, um sich Ausländern gegenüber wichtig zu machen. Verdi hatte die 48er-Jahre ohne ökonomische Verluste gut überstanden und war zu Beginn der fünfziger Jahre besser denn je im Operngeschäft etabliert. Außer der Schließung des Teatro alla Scala hatten die revolutionären Monate um 1848 keine weiterreichenden unangenehmen Folgen für ihn. Es sind uns keine Strafandrohungen, Aufführungsverbote, Bespitzelungen oder dergleichen repressive Maßnahmen der Habsburger gegen ihn bekannt. Im Gegenteil konnte er ja sogar, wie wir am Corsaro sahen, auch während der Zeiten des offenen Konflikts selbst mithilfe der Kriegsgegner seiner Heimat für sein Auskommen sorgen. Auch finanziell machte sich das bemerkbar. Seit Verdis Debüt von 1839 hatten sich seine Gehälter mehr als verdoppelt und überstiegen bei Weitem die seiner italienischen Kollegen, ganz zu schweigen von den Beträgen, die Rossini oder Donizetti auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren verdient hatten. Gehörten diese trotz des Ruhms und deren Position als Maestri noch der flitternden, unbürgerlichen Halbwelt an, die sich auch nicht scheute, ihre Gehälter aus dem im Opernhaus gespielten Roulette zu beziehen, war Verdi zu einem eigenverantwortlichen Unternehmer-Künstler in der Opernindustrie geworden. Im weiteren Verlauf der fünfziger Jahre wurde ihm die piemontesische Ritterwürde des Ordens »SS. Mauritio e Lazzaro« zugesprochen und er wurde in die französi-

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GIUSEPPE TOMASI DI LAMPEDUSA

Sizilien, die Umwelt, das Klima, die sizilianische Landschaft. Das sind Kräfte, die zugleich – und vielleicht mehr als die Fremdherrschaften und Schändungen – unseren Geist gebildet haben. Die Heftigkeit der Landschaft, diese Grausamkeit des Klimas, diese ständige Gespanntheit, wohin man auch blickt, auch diese Denkmäler der Vergangenheit, großartig, aber unbegreiflich, weil nicht von uns errichtet: sie stehen um uns her wie wunderschöne, stumme Gespenster. All diese Regierungen, Fremde in Waffen, gelandet von wer weiß wo, denen man sogleich diente, die man rasch verabscheute und nie begriff, die sich ausdrückten nur in Kunstwerken, die für uns rätselhaft blieben, und leibhaftig in den Eintreibern von Steuergeldern, die hernach anderswo ausgegeben wurden – alle diese Dinge haben unseren Charakter gebildet, und darum bleibt er bedingt von äußeren Schicksalsfügungen, weit mehr noch als von dieser entsetzlichen Insularität des Geistes.


BIRGI T PAU LS

sche Ehrenlegion gewählt. Verdi konnte in den Salons von Mailand, Wien und Paris ebenso verkehren wie die dort herrschenden Schichten, denen seine Musik außerordentlich gefiel. Über diese Kreise, nicht über Garibaldis Freischärler oder die Bauern der Emilia, führte Verdis Weg zur Respektabilität und damit letzten Endes zu seiner Funktion als bürgerlich anerkanntes Mythologem. Der steigende Wert seiner Arbeit und Honorare resultierten nicht zuletzt aus seinen internationalen Erfolgen: Er hatte bereits in jungen Jahren exklusiv für London und Paris gearbeitet, und seine Partituren wurden bis nach Santiago oder Konstantinopel verschickt. Es gab zu diesem Zeitpunkt nur einen Opernkomponisten, der weltweit bekannter und erfolgreicher war als Verdi: Meyerbeer. Mit dessen Ruhm gleichzuziehen war Verdis Ehrgeiz, als er sich 1852 entschied, eine neue Oper für die Grand Opéra in Paris zu schreiben. Bis zur Uraufführung der französischsprachigen Les Vêpres siciliennes am 13. Juni 1855 waren Rigoletto, II trovatore und La traviata entstanden, die die populäre Trilogie genannt und als erster Höhepunkt in Verdis künstlerischer Entwicklung bezeichnet werden. Obwohl die Vêpres siciliennes einen »italienischen« Aufstand gegen eine Fremdherrschaft behandelte, komponierte Verdi keinen der typischen »patria«-Chöre wie in Nabucco oder La battaglia di Legnano. Stattdessen gibt es homophonen, patriotischhymnischen Gesang dreier vereinzelter Protagonisten, die nur ihr – dem individuellen Glück zuwiderlaufender – politischer Fanatismus eint. Dieses Trio bietet sich keinesfalls wie die Chöre der Juden oder Lombarden der älteren Opern zur Vereinnahmung in den Mythos des Risorgimento an und wurde auch nie als »Freiheitshymne« bezeichnet.

Bemerkenswert ist, dass diese Oper für Paris die erste Oper von Verdi war, in der er sich musikalisch an typisch »italienisch«regionalem Kolorit versuchte, anstatt wie in vielen früheren Opern andere europäische Musiktraditionen einzubauen wie zum Beispiel in Nabucco, wo Verdi den Anfang des Jahrhunderts in Mode gekommenen böhmischen Volkstanz Polka verwendete. Verdis Tarantella hat zwar recht eigentlich nicht viel mit dem ursprünglichen süditalienischen Volkstanz gemein – der Tanz gehörte in dieser Zeit zu den kommerzialisierten musikalischen stereotypen Versatzstücken, die auch Komponisten wie Meyerbeer oder Rossini verwendeten –, doch die »Volkstümlichkeit«, die Verdis Opern im Mythos zugesprochen wird, findet sich zumindest in Andeutungen ausschließlich hier und in der 1862 für St. Petersburg geschriebenen La forza del destino. Fast scheint es, als habe Verdi dem Opernpublikum des Auslands nicht nur italienische Oper bieten wollen, sondern auch einen Hauch romantisierbaren »volkstümlichen« Ambientes. Der österreichische Kritiker MoritzGottlieb Saphir, der die Sizilianische Vesper 1857 im Kärntnertortheater gesehen hatte, dankte Verdi dessen kompositorische Versuche nicht. Er urteilte: »Das ist nicht Italien, nicht Sicilien, das ist nicht der locale Ton, nicht die locale Farbe, nicht das siedende Blut, nicht die fiebernde Landschaft, nicht die üppige Hitze der musikalischen Vegetation.« Nach solcher Kritik kann man den Eindruck gewinnen, Saphir kannte Sizilien besser als Verdi. In der Tat recherchierte Verdi erst während der Vorbereitungszeit zu seiner Komposition mithilfe seines neapolitanischen Freundes Cesare De Sanctis nach Takt und Geschwindigkeit des süditalienischen Tanzes Tarantella und bat ihn um Noten, um einige Szenen einfügen zu können, die von dieser Tanzart inspiriert sein sollten.

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SIZILI A N ER IN PA R IS

In der Rezeptionsgeschichte indes wird Verdis rarer Tribut an die »italienische« Volksmusik kaum erwähnt. Da seine Opern im politischen Mythos ja alle volkstümlich sein sollen und gerade dadurch die Massen politisch zur Nation hinbewegt haben sollen, wird, der Tarantella ungeachtet, Verdis Engagement für Paris, für ein Opernhaus, das so explizit großbürgerlichen Luxus pflegte, gelegentlich fast entschuldigt. Verdi hätte sich nur darum auf die materialistischen Pariser eingelassen, weil ihn die enormen Möglichkeiten, die ihm dort bei der Inszenierung geboten wurden, gereizt hätten. Dass Verdi beim Pariser Publikum gut ankam, dass es dem Italiener exzellent gelang, ein französisches Genre zu bedienen, das so ganz anders als die italienische Freiheitsoper eingeschätzt werden muss, fällt den Mythographen augenscheinlich weniger ins Auge. Wie schon der Corsaro werden auch die Vêpres siciliennes zur »Übergangsoper« heruntergestuft und damit in die zweite Reihe innerhalb des Fundus der Mythologeme für die Erzählung über die Nationsbildung verwiesen. Verdi reizte es nach seinen Erfahrungen mit Scribe keineswegs – anders als Rossini –, in Paris zu bleiben und

künftig hier sein Geld zu verdienen. Trotz der Pariser Annehmlichkeiten blieb seine geographische Mitte Sant’Agata in der Emiliana. Er wurde nicht zum Parvenü mit Großstadt-Allüren, was ihm der Mythos honorieren sollte. Verdi erklärte seine Abkehr von Paris offiziell mit dem zu teuren Pariser Lebensstil, der es ihm nicht erlaube, sich dort länger aufzuhalten. Darüber hinaus hatte er mit Les Vêpres siciliennes nicht den Erfolg, den er sich erhofft hatte. Noch immer sprachen die Pariser Zeitungen mehr von Meyerbeer, an dem er allenfalls gemessen wurde. Schon kurz darauf aber wurde die Oper in italienischer Sprache in vielen Städten auf der italienischen Halbinsel aufgeführt – vom Bologna des Kirchenstaats über die habsburgisch regierten Städte Mailand und Triest bis zu den bourbonisch regierten Städten Neapel und Palermo. Eine neue VerdiOper gehörte nun endgültig zum Muss jeder Opernstagione. Die Nachfrage auf der Halbinsel nach den Vêpres siciliennes demons­ triert recht anschaulich, dass, nachdem schon die populäre Trilogie das vorläufige Ende des »patria«-Diskurses markiert hatte, dieses Ende einen weiteren Schlussstein erhielt.

Folgende Seiten: SZENENBILD

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G IOVA N N I V E RG A

FREIHEIT Die Trikolore wehte vom Kirchturm, die Glocken läuteten Sturm, und auf dem Platz schrie man: »Es lebe die Freiheit!« Vor dem Bürgerklub, vorm Stadthaus und vor der Kirche wogte es von weißen Mützen auf und ab. Und es blitzten die Äxte und Sensen. Die Menge schob sich vorwärts und stürmte in eine Seitengasse. »Zuerst geht es dir an den Kragen, Baron! Lange genug haben deine rohen Gesellen die Leute geschunden und gepeitscht!« Eine Furie mit zerzaustem, weißem Haar war allen voran, ihre Waffen waren ihre Nägel. »Nieder mit den Aussaugern!« »Nieder mit den Pfaffen!« »Nieder mit dir, du Schlemmer, vollgefressen vom Blut der Armen, so dass du jetzt nicht ausreißen kannst!« »Nieder mit den Häschern!« »Nieder mit den Verrätern!« Sei schrie es wild durcheinander. In Strömen floss das Blut und rauchte zum Himmel und berauschte das Volk. Alles war rot von Blut: die Äxte und die Sensen, die Hände und die Kleiderfetzen und die Steine. »Nieder mit den Herrenleuten!« »Nieder mit den Herrenhüten!« Don Antonio schlich durch die engsten Gassen. Der erste Schlag streckte ihn zu Boden; sein Gesicht blutete. »Was habe ich getan? Warum bringt ihr mich um?« »Du geh auch zum Teufel!« Ein zerlumpter Straßenjunge nahm den Hut vom Boden auf und spuckte hinein. »Nieder mit dem Herrenhut!« »Nieder mit dem Dreispitz!« »Es lebe die Freiheit!« »Nieder mit dem Pfaffen! Er hat allen denen, die Brot stahlen, mit der Hölle gedroht!« Der geistliche Herr kam mit der geweihten Hostie von der Messe. Auch ihn schlug man nieder.

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FREIHEIT

Und die Gevatterin Lucia, die in gesegneten Umständen war, musste dran glauben. »Erbarmen!«, schrie sie, »habt Erbarmen mit dem neuen Leben!« »Du hast schon genug Kinder auf die Welt gebracht!«, wurde sie angebrüllt. Der wilde Haufen mordete, aber raubte nicht. Sie hätten sich alle satt essen können; aber sie dachten nicht daran. Wie der Wolf, der in eine Herde Schafe einbricht, nicht daran denkt, sich den Bauch vollzuschlagen, sondern nur blindwütig würgt. Der Sohn vom Apotheker wollte nur zusehen, da fielen sie über ihn her. Ebenso erging es dem Kaufmann, der voller Angst hastig den Laden schließen wollte. Seine Frau sah ihn stürzen, während sie, von ihren fünf Kindern umgeben, die dampfende Minestra auf den Tisch stellen wollte, das einzige Gericht der Hauptmahlzeit. »Paolo! Paolo!«, schrie sie auf. Der eine schlug mit der Sense zu, der andere mit einem Dreschflegel, und er war gleich tot. Wie die Bestien hieben sie wild drauflos, blindlings, und verschonten keinen.

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MICHAEL JAHN

DIE SIZILIANISCHE VESPER IN WIEN GIUSEPPE VERDIS OPERN IM KÄRNTNERTORTHEATER BIS ZUR SIZILIANISCHEN VESPER Am 4. April 1843 dirigierte Giuseppe Verdi selbst die Erstaufführung von Nabucodonosor am Kärntnertortheater. Nach dem gewaltigen Erfolg dieses Werks in Mailand erwartete man auch in Wien Außerordentliches, jedoch konnte der junge Komponist trotz einer gelungenen Aufführung nicht jenen Jubel ernten, den etwa der beliebteste italienische Tonsetzer dieser Zeit, Gaetano Donizetti, zwei Monate später mit Maria di Rohan erhalten sollte: Lapidar wurde bemerkt: »Der Compositeur wurde von dem Publicum freundlich empfangen« (Signale der musikalischen Welt). Nabucco wurde sieben Mal gegeben, 1848/49 in deutscher Sprache neuinszeniert, dann jedoch verschwand das in Italien so erfolgreiche Werk vom Spielplan der Wiener Oper. Als zweites Werk Verdis gab man Ernani (in italienischer Sprache von 1844 bis 1847, deutsch erstmals 1849). Wie die Aufführungszahlen beweisen, war Ernani beim Publikum wesentlich beliebter als sein Vorgänger: die Oper hielt sich bis 1925 auf dem Spielplan (die letzte Neuinszenierung leitete übrigens Pietro Mascagni). I due Foscari (1845) war ein eklatanter Misserfolg (diesmal hielt das Publikum seine Unzufriedenheit, auch aufgrund der schwachen Sängerleistungen, nicht zurück), während in I Lombardi alla prima crociata (1846) immerhin einige Szenen stürmischen Beifall erhielten; dieses Werk wurde denn auch vier Saisonen gespielt, während die meisten der folgenden Opern

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nur in ein oder zwei der italienischen Stagioni auf dem Spielplan standen: so Attila (1851), Luisa Miller (1852), I masnadieri (1854), La traviata (1855, dann erst wieder 1864), oder Giovanna d’Arco (1857). Macbeth wurde 1849 in deutscher Sprache erstaufgeführt, fand aber sowohl mit dieser Aufführung als auch in italienischer Sprache (1851) wenig Beifall. Absolute Publikumsfavoriten waren nur Rigoletto (1852) und Il trovatore (1854), diese Werke blieben durchgehend auf dem Spielplan. In der Ära des ersten dirigierenden Direktors der Wiener Hofoperngeschichte, Karl Anton Florian Eckert (18571860), sollte am 19. November 1857 als dreizehntes Werk des Maestros Die sicilianische Vesper (sic!) in deutscher Sprache folgen. Die Hauptpartien sangen Johann Nepomuk Beck (Guy von Montfort), Alois Ander (Heinrich), Josef Draxler (Procida) und Therese Tietjens (Herzogin Helene).

»WÄRE ER DER ALTE BIEDERE VERDI GEBLIEBEN...« Auch wenn das Wiener Publikum einige Werke des Maestros begeistert aufnahm, die oft deutschtümelnden Kritiker waren offenbar anderer Ansicht: Der unvergessliche Eduard Hanslick, ein noch wesentlich boshafterer Gegner Verdis als Wagners, bemerkte anlässlich deutschsprachiger Aufführungen von Ernani und Nabucco: »Die Verdi’schen Opern sind Parodien auf sich selbst«, an anderem Ort äußerte er über die von Verdi sicherlich ernst gemeinten Lombardi: »Ueberdies sind die Lombardi ein wahrer Genuss für Jeden, der für musikalische Komik empfänglich ist.« Bei Rigoletto langweilte sich der Kritiker, dem Trovatore bescheinigte er immerhin, trotz nicht ganz ausgeglichener Gesangsleistungen, Erfolg, während bei den Masnadieri »in der ganzen Oper nicht ein origineller Takt vorkomme«. Angesichts dieses Hintergrunds ist es wohl auch zu verstehen, wenn die Sizilianische Vesper von den Rezensenten, allerdings in diesem Falle auch vom Publikum, mit relativ wenig Enthusiasmus aufgenommen wurde; wie schon Donizetti eineinhalb Jahrzehnte früher angegriffen wurde, so warfen die Kritiker nun auch Verdi vor, sich dem Stil des französischen Geschmacks

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DIE SIZILIANISCHE VESPER IN WIEN

angepasst zu haben, was seinem Naturell nicht entgegenkomme. Während man Giacomo Meyerbeer zu Zeiten der Wiener Erstaufführung der Afrikanerin unterstellen sollte, er habe sich den Opernstil Wagners zu eigen gemacht, so musste sich Verdi vorhalten lassen, Meyerbeer nachzuahmen. Das Publikum, welches eine effektvolle Oper im italienischen Stil à la Ernani oder Trovatore erwartet hätte, applaudierte schwach, eher den Sängern als der Oper. »Wäre er der alte biedere Verdi geblieben, ohne französische Sauce piquante, so hätte er hier mehr Glück gemacht« (Signale für die musikalische Welt). Die Sizilianische Vesper erhielt auch bei den Folgeaufführungen in Wien wenig Applaus, die Oper wurde im Kärntnertortheater bis zum 23. Oktober 1858 in fast gleichbleibender Besetzung nur dreizehn Mal gegeben; im neuen Opernhaus gab es am 23. November 1878 eine Neuinszenierung, in welcher zwei Soloszenen des Arrigo, jeweils eine Arie der Elena und des Monforte sowie ein großer Teil des fünften Aktes, jedoch nicht die Ballettmusik gestrichen wurden. Die Sänger (Anna d’Angeri, Georg Müller, Louis von Bignio und Hans von Rokitansky) wurden ebenso gelobt wie Kapellmeister Gericke und die Ausstattung, doch auch diesmal hielt sich das Werk nur ein Jahr (bis 10. November 1879) auf dem Spielplan der Wiener Hofoper. Es sollte die letzte Inszenierung dieser Oper bleiben, es folgte nur mehr eine Neuinszenierung an der Volksoper (Erstaufführung am 26. Oktober 1934 unter Leitung des Dirigenten Walter Herbert); die Premiere der aktuellen Produktion an der Staatsoper (12. Februar 1998) stellte somit die Erstaufführung in italienischer Sprache dar.

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ANGELA MEADE als ELENA


DIE SIZILIANISCHE VESPER IN WIEN

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Folgende Seiten: PATRICIA NOLZ als ZERLINA KYLE KETELSEN als DON GIOVANNI STATISTERIE DER WIENER STAATSOPER


I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

ERSTER AKT DER GROSSE PLATZ IN PALERMO.

ERSTE SZENE CHOR DER FRANZÖSISCHEN SOLDATEN Heiter denken wir an Frankreich, An das Land der Liebe. Leeren uns’re vollen Becher Auf der Heimat Wohl. Frisch gewund’ne Lorbeerkränze Und roter Weine Leuchtend Gold und schöne Frauen Seien des Siegers Lohn. CHOR DER SIZILIANER So hört wie sie lästern, Den Boden der Heimat Verbrecherisch preisen, Mit Liedern und Wein. O du, Tag der Rache, Gib Mut uns und Kühnheit, Senk’ neuen Glauben Uns allen ins Herz. TEBALDO Es lebe, es lebe der Feldherr! ROBERTO Der Stolz der Franzosen, der beste Soldat! TEBALDO Voll Tapferkeit im Kriege... ROBERTO Nie trifft er vergeblich, Und die Soldaten lieben ihn! So sind wir die Herren Von dieser Stadt Palermo.

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ERSTER AKT

Es sprach’s der General. Ist’s wahr, Herr Graf? Sind wir die Herren? BÉTHUNE Halt da, tapf’rer Held, du schwankest! Mein Freund, du bist berauscht! ROBERTO Berauscht bin ich ... vor Liebe! Mir gefällt jede Frau. BÉTHUNE Stolz und Eifersucht wohnen Im Herz des Sizilianers. ROBERTO (schwankend) Ei was, dem Anblick eines Helmes Können sie nicht widerstehen, glaubt mir! TEBALDO Doch ihre Männer? ROBERTO Weißt du nicht, dass der Sieger Stets den gleichen Anspruch wie der Gatte hat?

ZWEITE SZENE Die Herzogin Elena, Ninetta, Danieli und die Vorigen. VAUDEMONT Welch Stern des Himmels Bietet sich meinem Blicke? Ist dir der Name Dieser Schönheit bekannt? BÉTHUNE Elena heißt die Fürstin, Des toten Herzogs Schwester. Er wurde enthauptet, Sie liebte ihn sehr. Nun lebt sie als Geisel Und weint um den Bruder.

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

VAUDEMONT Als Freund Hohenstaufens Hielt er ihm die Treu. Unselige Liebe Führte ihn zum Tod. BÉTHUNE Des schrecklichen Tages Gedenkt die Arme heute. VAUDEMONT Und Ruhe erfleht sie Dem Schatten des Bruders. BÉTHUNE Und erbittet für uns Den Zorn des Himmels. VAUDEMONT Berechtigt ist die Klage, Zu grausam war die Strafe! BÉTHUNE So schweig doch, sei still! Du bist Soldat und darfst sie nicht beklagen. DANIELI O Schreckenstag, grausamer Tag, Da die Besten des Landes Den Boden der Heimat Mit ihrem Blute tränkten. ELENA (beiseite) O Friedrich, teurer Bruder, Du edler Held, in schönster Jugendblüte Traf dich des Frevlers Hand. Tod dem Grausamen, Der so dein teures Leben fällte. Doch niemanden erschütterte Die grausame Tat. Mein ist die Rache, mein, o Bruder, Nur von mir wirst du gerächt.

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ERSTER AKT

ROBERTO Nun, da wir viel getrunken, Soll Musik uns erheitern. Der Sizilianer Soll unsern Ruhm besingen. TEBALDO Bist du ganz toll? ROBERTO (völlig betrunken) Weshalb denn? Wer von euch Schönen Wird unsern Ruhm besingen, wer? (Er nähert sich Elena.) Du schönste Frau, Wohlan, du sollst uns singen! NINETTA (zu Danieli) Was wird aus uns? ROBERTO Das Recht des Stärkern Machte mich zum Herren, Und dem Sieger kannst du Nicht entgehen, du Stolze. Nun singe, singe, hörst du? NINETTA Soldat, du bist vermessen! ELENA Schweige! ROBERTO Wehe dir, wenn du nicht singst! Wehe. ELENA (ruhig) Ja, ich singe! Auf hohem Meere, von Winden umbraust, Siehst du das Schiff im Bann der Elemente? Schon ist es am Versinken. Hörst du des Schiffers Klage Um die verlorenen Trümmer? Hörst du den angsterfüllten Ruf?

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Ach, besänft’ge du, allmächt’ger Gott, Mit einem Worte Meer und Himmel. Zu Dir steigt auf ein glühendes Gebet. Auf Dich, o Herr, nur hofft der Schiffer, auf Dich allein! Und Gott in seinem höchsten Willen spricht: Wer sich selbst hilft, dem steh’ auch ich zur Seite, Ihr Sterblichen, euer Schicksal, es ist in eurer eig’nen Hand! Mut auf, was zagt ihr, Des Meeres tapf’re Söhne! Verachtet alle Klippen, Und lasst die feige Klage. Den Himmel schwer beleidigt, Wer keine Kühnheit zeigt! Den hohen Kampf der Freiheit, Gott selber schützet ihn! Doch weshalb hört man nur Klagen? Und ich seh’ nur bleiche Lippen? Wenn groß ist die Gefahr Erzittert ihr vor Angst und Schrecken? Zum Kampf! Zum Kampf! Hört das Brausen der Wellen, Das Grollen des drohenden Donners! Zum Kampf! Zum Kampf! Erwachen muss in eurer Brust Die alte, unvergess’ne Kühnheit! CHOR DER SIZILIANER Dieses Lied erweckt den Mut Wieder in unserm Herz. Hört den Ruf, lasst das Klagen! Rächen wollen wir unsere Schmach, Die Ketten zersprengen! Gott der Herr ist mit uns! FRANZÖSISCHE SOLDATEN Trinkt aus die vollen Becher! Wein macht das Leben heiter, Verdoppelt uns’re Kühnheit. Hoch soll die Schönheit leben! Heil’ge Stimme der Ehre, Endlich hört dich mein Volk.

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ERSTER AKT

CHOR DER SIZILIANER Mut auf, was zagt ihr, Tapf’re Söhne! Verachtet alle Klippen, Gott selber führet euch! Nehmt Rache am Hohn der Spötter, Zerbrecht der Knechtschaft Bande! So wagt es, und der Himmel Beschützt die kühne Tat! FRANZÖSISCHE SOLDATEN So leert, so leert die Becher! Welch ein Lärm! Hört, welch ein Lärmen! Was will das Volk? CHOR DER SIZILIANER Geh’n wir, Mut auf, seid tapfer! Jetzt rächt die Schmach! Die Ketten brechen wir entzwei! (Die Sizilianer werfen sich mit gezücktem Dolch auf die französischen Soldaten: da erscheint Monforte auf der Treppe des Palastes.)

DRITTE SZENE ALLE O weh’ uns! ELENA Diese Schmach! Was muss ich sehen? Sein Anblick jagt sie in die Flucht! O Gott! (Monforte sieht das Volk ruhig an und jagt es mit einer Bewegung davon. Auf dem leeren Platz bleiben nur Monforte, Elena, Ninetta und Danieli zurück.) Quartett ELENA Solche Schmach zu erdulden! Zitternd vor Zorn nur ertrag ich die Feigheit! Weh dem Tag!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Meine Seele erbebt Vor der Schmach und dem Grauen dieser Tat. O mein Bruder, nur an dich denke ich In steter Trauer! Ew’ge Rache schwör ich dem, Der dich mir grausam einst entriss! NINETTA, DANIELI Solche Schmach zu erdulden, Sich verlassen zu sehen! Weh dem Tag! Meine Seele erbebt Vor dem Grauen dieser Tat. Sie gedenkt des Bruders, Den so sehr sie geliebt. Ew’ge Rache nun schwört sie dem Mörder. MONFORTE Voller Hass ist ihr Sinn, doch was kümmert das mich, Da mein Anblick genügt, sie zu erschrecken! Voll Verachtung nur lach ich, Wenn ich feige sie seh’. Knirschend tragen sie ihr Los. Welch ein Volk!

VIERTE SZENE Finale Arrigo tritt auf ARRIGO O Fürstin! ELENA O Gott, wen seh’ ich! Arrigo! So bist du frei? So bist du frei? ARRIGO Als Freier steh’ ich hier, Inmitten meiner Lieben, Die um mein Schicksal So lange bangten. ELENA, NINETTA Welch frohe Kunde!

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ERSTER AKT

ARRIGO Zitternd sprach man mich frei. Monforte zum Trotz, der Die Richter schreckt, Sprach man mich ehrlich frei von aller Schuld. ELENA, NINETTA Sprichst du die Wahrheit? ARRIGO Von aller Schuld bin ich frei, Und dies war nur gerecht, da ich kein Frevler. MONFORTE (tritt vor) Dein toller Mut Verrät ein undankbares Herz. Dass du am Leben bliebst, Verdankst du Monfortes Güte. ARRIGO Ich dank’ es seiner Schwäche! Müd’ war sein Arm vom Morden und vom Sengen, Doch müd’ ist nicht sein Herz. Zu neuem Frevel rüstet er sich wieder. ELENA O schweige! NINETTA Sei ruhig! ARRIGO Und weshalb? Ach, wenn das Schicksal Ihn mir hier gegenüberstellen wollte, Ich rächte mich! MONFORTE Gleich siehst du ihn! Halte dich nun zurück. ARRIGO Wo ist er?

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MONFORTE Er steht vor dir! ARRIGO Gott! ELENA Weh mir, was ist sein Schicksal? MONFORTE Wohlan, wo bleibt die kühne Tat? ARRIGO O Schmach, ich kann nicht! Und ich bin ohne Waffen. MONFORTE (zu Elena) Entfernt euch! (zu Arrigo) Du sollst bleiben! Ich befehle es dir! MONFORTE Wie ist dein Name? ARRIGO Arrigo. MONFORTE Nichts weiter? ARRIGO Er muss dem Feind genügen. MONFORTE Wer ist dein Vater? ARRIGO Den Vater sah ich nie! Ich weiß nur, Dass verbannt er ward. Er starb in fremdem Land, Fern von der teuren Heimat Und ohne seine Lieben.

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ERSTER AKT

MONFORTE Doch deine Mutter lebt wohl noch? ARRIGO Weh mir, sie lebt nicht mehr! Nun ist ein Jahr vergangen, Seit ich sie verlor. Doch bald seh’ ich sie wieder! MONFORTE Doch eh die Mutter du verlorst, Warst du schon aufgenommen In Friedrichs Herzogsburg. ARRIGO Ja, der große Held beherbergte mich. MONFORTE Der Schurke! ARRIGO Großmütig achtete er auf mich Inmitten seiner Ritter. Und meine Schritte lenkte er Wie ein besorgter Vater. Es war mein höchstes Streben, Es ihm einst gleichzutun. Für ihn allein nur lebt’ ich, Für ihn geh’ ich auch in den Tod! Bestrafe den Jüngling, Der solch Kühnes wagt! Dich hassen und sterben, Das fordert mein Herz! Ich spotte der Kette, Verachte den Schmerz. Mit heiterem Herzen Und ruhigem Sinn Erwarte ich den Tod. MONFORTE Bewundernd und liebend Betrachte ich ihn. Mich hassen und sterben, Das fordert sein Herz!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Er spottet der Kette, Verachtet den Schmerz, Und kennt keine Furcht. Mit ruhigem Sinn Erblickt er den Tod. Ich sollte dich strafen, doch verzeih’ ich dir! ARRIGO Gnade von dir? MONFORTE Ja, es schweigt mein Zorn. So höre mich: Ich will ein Ziel dir weisen, Das würdig deines Mutes. Den Weg will ich dich führen, Den du beschreiten sollst. Das Herz soll dir erzittern, Wenn du nur denkst an Ruhm. ARRIGO Wo gibt es für mich noch Ruhm? MONFORTE Bei meinem Heer allein. O kämpf’ mit uns in unsern Reih’n! Verziehen wird dir alles, Und Ruhm gewinnest du! ARRIGO Nein, das wäre Schmach! MONFORTE Wohlan, so geh! Und vergiss meine Gnade, Die du nicht verstehst! Doch einen Rat muss ich dir geben, Den du befolgen sollst. Den Palast siehst du dort? ARRIGO Nun? MONFORTE Nie sollst du seine Schwelle überschreiten!

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ERSTER AKT

ARRIGO Und warum? MONFORTE Ich sag’s dir! In unheilvoller Liebe Könnte dein Herz entbrennen. ARRIGO O Himmel! MONFORTE Glaub’ mir, ins Unglück Führt sie dich gewiss. ARRIGO Wer sagt’ es dir? MONFORTE Du siehst, ich lese in deiner Seele Für mich gibt’s kein Geheimnis. Alles ist mir bekannt. O fliehe, fliehe, Ich befehle es dir! ARRIGO Nicht achte ich des Verbotes. Mein Herz fügt sich nicht deiner Macht! MONFORTE Du Verwegener! Welche Kühnheit! Deinen Hochmut lass beiseite! Du willst meinen Zorn erwecken, Er wird euch alle treffen! Zitt’re um das Los der Freunde, Zitt’re um dein eig’nes Leben, Wenn du trotzig meinen Zorn erweckst! Bald ist’s zu spät! ARRIGO Frei bin ich und ohne Furcht. Kühn und offen ist mein Mut.

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

MONFORTE Verwegener! ARRIGO Magst du drohn mit deinem Zorne, Nie werde ich zittern vor dir! MONFORTE Du trotziger Narr, so höre! Betritt du die verbot’ne Schwelle nie! Denn ich hab’ es verboten! ARRIGO Du? MONFORTE Ja, Tod droht dem Manne, Den ich hasse! ARRIGO Und doch veracht’ ich deinen Hass! MONFORTE Das ist dein Tod! ARRIGO Ich fürchte nicht den Tod um ihretwillen! MONFORTE Das ist dein Tod! (Arrigo steigt die Stufen zu Elenas Palast hinauf. Der Vorhang fällt.)

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KS FERRUCCIO FURLANETTO als PROCIDA


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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

ZWEITER AKT EIN TAL BEI PALERMO.

ERSTE SZENE PROCIDA O Heimat, o teure Heimat, Seh ich dich endlich wieder! Es grüßt dich der Verbannte, Der stets an dich nur dachte! Schönste Heimaterde du, Dich küss’ ich voller Liebe! Nur dir, nur dir Schwör’ ich die Treue. Du mein Palermo, dich liebe ich innig, Einst so stolze Stadt Meiner Jugend. Erheb’ das Haupt, Das so viel gelitten, Und erstrahle wieder Im alten Glanze. Hilfe sucht’ ich in fremden Ländern, Fragte Ritter und Städter um Rat, Doch ungerührt von meiner Bitte, Sprach man zu mir: Sizilianer, wo bleibt euer Mut? So kämpfet doch selber, Für den Sieg, für den Ruhm! (zu Manfredo) Dich schicke ich als Boten, Der meine Ankunft meldet. Heiß meine Freunde Neue Hoffnung schöpfen. Du sollst Arrigo suchen. Ihm und der Fürstin melde, Dass ich in Kürze Sie beide hier erwarte. Seid nun nicht säumig!

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ZWEITER AKT

PROCIDA und CHOR Im Schatten und im Schweigen Rüsten wir zur Vergeltung. Der grausame Bedrücker Weiß nichts von unser’m Werk, Nein, er ahnt nichts. PROCIDA Heil’ge Flamme der Liebe, Lodre auf in ihren Herzen. Unsere Leiden sind zu Ende, Denn das Ziel ist nah! Ist befreit die teure Heimat, Fürcht’ ich länger nicht den Tod! So gehet und schweiget, Vergesst nicht, seid kühn. CHOR Seid schweigsam und geht. (Sie gehen ab.)

ZWEITE SZENE Elena und Arrigo. PROCIDA So seh’ ich endlich euch wieder, Teu’re Freunde! Herzogin, Arrigo! (Er geht ihnen entgegen.) ELENA Er ist’s! ARRIGO Procida, unser Freund! PROCIDA Ja, stets euer Diener! ELENA Unsere einzige Hoffnung! PROCIDA Nun sagt mir: ist Sizilien bereit? Wag’ ich’s zu hoffen?

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

ARRIGO O weh uns! Siziliens Herz Trägt zitternd nur die Ketten, Doch zagend im Hasse Wird nie es sich erheben. PROCIDA So lasst uns seinen Mut erwecken Durch hohes Ziel! ARRIGO Das ward versucht. Doch schwach an Kräften ist das Volk, Und mutlos. PROCIDA Nun wohl, nur Kühnheit kann uns helfen! Was keiner noch vollbracht, Von uns wird es gewagt! Bald kommt der große Tag, Wo solche Freveltaten Siziliens Volk bedrängen, Dass sein Hass auflodert, Und sein Herz mit wildem Mut erfüllt. ARRIGO Mag der Tag bald kommen! ELENA Der heutige Tag ist günstig. Lasst ihn uns wählen. Die vielen Paare, die heut’ heiraten, Sind uns ein günst’ger Vorwand. ARRIGO Dicht wird das Volk sich drängen... PROCIDA Das vermindert die Gefahr. Die Dichte stärkt es. Durch einen einz’gen Funken Muss sich die Flamme entfalten, Wird hoch und höher. Ans Werk! Der Plan ist edel! Drum fordre ich ein Herz,

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ZWEITER AKT

Dess’ Adel ebenbürtig, Als Führer! ARRIGO Wer ist’s? PROCIDA Du bist es! ARRIGO Verfüge über mich! (Procida geht ab.) ELENA Wie soll ich dir danken, du Tapf’rer, Für deinen treuen Mut? ARRIGO Mein Lohn sei, dir zu dienen Und erflehn zu deinen Füßen Deine Huld! ELENA So schreckte des Tyrannen Drohung Niemals dein treues Herz? ARRIGO Ich spotte seiner! Doch zittr’ ich, o Fürstin – vor dir! ELENA Was höre ich? ARRIGO Weh mir! Ich zitt’re vor deinem Blick! ELENA Was höre ich? ARRIGO Aus deinen Augen leuchtet Ein süßer Hoffnungsstrahl. Er füllet meine Seele Mit großer Kraft,

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Dass ich zu sprechen wage. Ich liebe dich! Doch dieses Ist mein höchster Wunsch: Aus Lieb’ zu dir zu kämpfen, Aus Lieb’ zu dir zu sterben, Den Tod aus Lieb’ zu dir erleiden. O Fürstin, dies glaube mir: Ich liebe dich, und ohne Angst und Zaudern Geh’ ich in den Tod für dich! ELENA Was ihm antworten? Darf ich den Wunsch erfüllen, Da ich schon nah’ dem Grabe? Nicht kann die sanfte Regung Im Herzen ich verschließen. Nein! Bruder, blicke du vom Himmel Auf meinen tiefen Schmerz. Ach, verzeih’ mir, wenn ich liebe, Wenn ich nicht mein Herz verschließe Diesem Trost! ARRIGO Wie, du erhörst mich? Verwehrst mir nicht die Hoffnung? Mir, der kühn es wagt, Den Blick zu deinem Antlitz zu erheben? Mir, dessen Herkunft dunkel? Du, von edelstem Blut, Du, Schwester des Herzogs Und schönste der Frauen, Willst meine Lieb’ erhören? ELENA O räche meines Bruders Tod, Und du sollst edler sein als ein König für mich. ARRIGO Alleine und ohne Ruhm Lebe ich auf dieser Welt. ELENA O räche meines Bruders Tod, Und ich will dir gehören!

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ZWEITER AKT

ARRIGO Ja, ich räche ihn! ELENA So schwörst du es? ARRIGO Ich schwör’s bei meiner Ehre, Bei allem, was mir teuer! ELENA Du schwörst es mir? ARRIGO Ja, Rache sei dir zugeschworen, Bei meiner Ehre! ELENA So nehm’ ich an den Eid, Und halte ihn für heilig.

DRITTE SZENE Elena, Arrigo, Béthune mit Soldaten. BÉTHUNE Herr Ritter, diesen Brief Schickt euch der Gouverneur. (Er reicht ihm einen Brief.) ARRIGO (liest) Für das Fest dieses Abends! BÉTHUNE Eine sehr große Ehre, mein Herr! ARRIGO Die ich nicht will! BÉTHUNE Nicht klug wäre es, Freund, Dies auszuschlagen! ARRIGO Ich tue es trotzdem!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

BÉTHUNE So wird denn aus der Bitte ein Befehl (hochmütig) Folgt mir sofort, es eilet! ARRIGO (zieht den Degen) Nein, eine solche Schmach Ertrag’ ich nicht! BÉTHUNE Soldaten! (Sie entwaffnen Arrigo und nehmen ihn fest.) ELENA (zu Béthune) Was tut Ihr? BÉTHUNE Ich tue, was mir geboten. ELENA Fluch ihm, der seine Feste Mit solcher Schmach verunziert! Arrigo! PROCIDA (eilig auftretend) Was ist geschehen? ELENA Er ist in ihrer Gewalt. PROCIDA Weh uns, alles ist zerstört! Auf ihn, auf seine Tapferkeit Vertraut’ ich! Nun ist sein Tod gewiss. ELENA O nein, frei soll er sein! Bei unsrer Ehre! Schweigt still! PROCIDA Von allen Seiten kommt das Volk zusammen.

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ZWEITER AKT

VIERTE SZENE Finale Elena, Procida. Burschen und Mädchen steigen den Hügel hinauf und folgen den Bräuten. Ninetta ist unter ihnen. Von der anderen Seite kommt Danieli an der Spitze der Bräutigame. ROBERTO O seht die jungen Bräute! Sind sie nicht reizend? PROCIDA Dir gefallen sie? ROBERTO Nicht schlecht. PROCIDA So hab’ ich dich erraten! ROBERTO Doch, wer bist du? PROCIDA Euer treuester Freund! TEBALDO Kamerad, du gefällst mir! ROBERTO Sieh, wie reizend sie aussehen! TEBALDO Die würden mir gefallen! ROBERTO Zur Hochzeit geh’n sie doch! PROCIDA Und wenn schon? TEBALDO Doch ihre Männer? PROCIDA Ihr seid die Sieger...

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

ROBERTO Nun? PROCIDA Euch ist’s erlaubt! TEBALDO Hast du das Bild vergessen? ROBERTO Den Raub der Sabinerinnen? PROCIDA Das waren Römer! ROBERTO Wer auf der weiten Erde Ist uns im Krieg und in der Liebe überlegen? (Auf ein Zeichen von Roberto packen die Soldaten die sizilianischen Mädchen und Frauen.) FRANZÖSISCHE SOLDATEN Ein Hoch der Liebe, Sie lebe hoch! Aus unserem Leben Sind Schmerz und Kummer verbannt. Mein bist du nun einmal, Lass deinen Zorn. Wir sind eu’re Sieger, Und uns gehören die Frau’n. CHOR DER SIZILIANER Ihr raubt uns’re Frauen, Weil wehrlos sie sind. O Schande dem Krieger, Der davor nicht scheut. Ihr spottet des Schmerzes Seid grausam und hart. Ihr schmäht uns’re Ehre Auf schändlichste Art. ROBERTO (zu Ninetta, die ihm entfliehen will) Schönes Mädchen, So lass dich küssen!

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ZWEITER AKT

NINETTA Lass’ mich, lass mich endlich gehen! ROBERTO Nein, du sollst dich nicht länger fürchten. Sei doch ruhig! Und küsse deinen neuen Bräutigam! NINETTA Lass mich gehen! (Mehrere Soldaten haben sich Elena genähert.) ROBERTO (zu den Soldaten, auf Elena weisend) Zurück, sie sollt ihr mir achten. (auf Procida zeigend) Denn ihm gehört sie, dem Freund, der uns So guten und nützlichen Rat gegeben. (Die Soldaten ziehen sich zurück und schleppen die Frauen mit sich.) DANIELI und CHOR Voller Scham steh’ ich hier, Und mit Angst in der Brust. Doch ich schweig’, und die Schmach, Die mich traf, duld’ ich still. Doch ich fühl’, dass mein Herz Voller Zorn sich schon regt, Einem Sturm gleicht der Hass, Der mein Herz jetzt bewegt! ELENA Nur er hat mir geholfen! PROCIDA Sie fürchteten nur mich! DANIELI Wahr ist’s! ELENA Das zeugt von seinem Mute!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

PROCIDA Der Feigen spotten sie! DANIELI und CHOR Wahr ist’s! ELENA (zu einem Sizilianer) Und du, voller Angst und Zittern... PROCIDA Fühlst nicht die tiefe Schmach? ELENA Lässt deine Braut entführen... PROCIDA Und tötest den Räuber nicht? So feige sind sie, Dass zitternd sie die Frauen sich rauben lassen? ELENA Sie sehen, wie der Feind sie küsst, Und lassen sie in seinem Arm? DANIELI und CHOR Ah! Solchen Schmerz trage ich Länger nicht in der Brust! Büßen nun muss der Feind Diese Schmach unserer Frauen. Und ich fühl’, dass mein Herz Voller Zorn sich schon regt. Einem Sturm gleicht der Hass, Der mein Herz jetzt bewegt. PROCIDA, ELENA Ah! Solchen Schmerz tragen sie Länger nicht in der Brust! Büßen nun muss der Feind Diese Schmach ihrer Frauen. Und ich fühl’, dass ihr Herz Voller Zorn sich schon regt. Einem Sturm gleicht der Hass, Der ihr Herz jetzt bewegt! (Mitten unter den Tumult der Sizilianer mischt sich eine heitere Musik.)

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ZWEITER AKT

VAUDEMONT, CHOR Endlich naht die Zeit der Wonne! Von den Grazien umgeben Tritt zu uns der Gott der Liebe, Und versüßt uns diesen Tag. Holde Göttin, deiner harr’ ich, Neige zu mir dein Gesicht! Sieh’, es kräuseln sich die Wellen, Und der Abend ist nicht fern. PROCIDA Wer fährt an uns in diesem reichen Boot vorüber, Wohin steuert es? ELENA Ins Schloss, zum großen Feste! PROCIDA So folget unsere Rache ihrer Spur! ELENA Doch wie das? PROCIDA Im Schutze unserer Masken Betreten wir das Schloss. Auf ein Zeichen hin umringen wir Die sorglosen Gäste und ihren Wirt. Als erster fällt Monforte! DANIELI Sie haben Degen! PROCIDA Wir haben Mut und Dolche! (Der Vorhang fällt.)

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

DRITTER AKT IN MONFORTES PALAST.

ERSTE SZENE MONFORTE (am Schreibtisch sitzend) Ja, sie verabscheute mich, Und das mit Recht. So wenig achtete ich sie, Dass ich sie eines Tages entführte. Doch sie entfloh mir, Und hasste mich. Und lange Jahre hielt sie den Sohn Vor mir verborgen. Sie zog ihn auf im Hass Gegen mich, seinen Vater! Du, grausamer als ich, Hast mir den Sohn geraubt! (er zieht einen Brief hervor) Erst als der Tod ihr nahte, Schrieb mir die Grausame, Und dieser Brief enthüllte mir Die Tiefe ihres Hasses. (liest den Brief) »O du, dem keiner heilig, Wenn des Henkers blutiges Schwert Dem tapferen Arrigo droht, Der Zierde seines Volkes, So schone du, Grausamer, Sein schuldlos Haupt. Es ist das Haupt deines Sohnes!« Mein Sohn, o du, mein Sohn! (Béthune tritt auf.)

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DRITTER AKT

BÉTHUNE Der Ritter weigerte sich trotzig, Uns hierher zu folgen. So brauchten wir Gewalt! MONFORTE Nun gut! BÉTHUNE Und welche Strafe trifft ihn nun? MONFORTE Frei bleibt er. Man soll ihn achten, Und ihm Ehre erweisen. Nun geh’, Béthune: er soll vor mir erscheinen! (Béthune ab.) MONFORTE (allein) Mitten im Überfluss, Von Ehren überhäuft, Herrschte in meinem Herzen Eine unermessliche, schreckliche Leere! Das Lächeln einer glücklichen Zukunft Erstrahlt mir nun: Wäre es mir geschenkt, In deiner Nähe, mein Sohn, zu leben! Vergebens will der Hass ihn mir entziehen. Dieses stolze Herz wird ihn gewinnen Im Glanze dieses Palastes, Des väterlichen Herzens unermessliche Liebe. Ja, die Vaterliebe muss ihn erobern.

ZWEITE SZENE Arrigo tritt ein. ARRIGO Ist dies ein Traum? Bescheiden und höflich begegnet man mir. Man fragt nach meinen Wünschen, Und erfüllt sie mir mit Freude! (er wendet sich an Monforte) Dies ist ein Spiel, Das mich seltsam berührt.

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Weshalb mich erst so ehren, Da ich doch sterben muss! MONFORTE Hier irrst du dich! Fürchte dich länger nicht! Frei stehst du nun vor mir. Du magst Tyrann mich nennen, Und Hinterlisten gegen mich ersinnen. ARRIGO Wer sein Land verteidigt, Ist nicht hinterlistig. Ich bekämpfe den Tyrannen! MONFORTE Du bist kein Kämpfer! Mit dem Schwerte verletz’ ich, Und du zückst den Dolch! Es fehlt dir ja an Mut, Ins Antlitz mir zu blicken! Nun sieh’! Wehrlos und ohne Waffe Steh’ ich vor dir! ARRIGO Das rettet dich! MONFORTE Dankst du mir so, dass ich Gnade an dir übte? Ist dies der Lohn, den ich von dir erwarten muss? Du hältst dich für großmütig – Undankbar bist du! ARRIGO Was sagt er? MONFORTE Als sich mein Herz für dich erweichte, Und dir den blinden Trotz verzieh, Als mild ich den Rebellen schonte, Arrigo! Blieb dein Herz da stumm? ARRIGO Bei dieser Stimme erzitt’re ich. Und meinen Schrecken bann’ ich vergeblich.

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DRITTER AKT

Du Unseliger! MONFORTE Du siehst erfüllt von tiefem Schmerz mich, Bewegt er dir nicht auch das Herz? Du siehst, wie aus dem Auge Tränen rinnen, Und bleibst dabei gefühllos und kalt? ARRIGO Zu neuen, unverdienten Qualen Hat mich das Schicksal ausersehen. MONFORTE Wohlan, Arrigo, da meine Stimme Dein hartes Herz nicht rühren kann, So lies die Worte deiner Mutter! ARRIGO Meiner Mutter? MONFORTE Ja, Undankbarer! Duett MONFORTE Wenn ich dies teure Antlitz sehe, Fühle ich wie mein Herz Vor Freude schneller schlägt. Endlich wird höchste Seligkeit Auch mir zuteil: Denn nun darf auch ich Freudig meinen Sohn begrüßen! ARRIGO O Glück! lst’s wahr? Träum’ ich, oder wach’ ich? (er liest) Der Mutter Schrift! Ich kann’s nicht glauben! O Gott! Was les’ ich? Welch Geheimnis Enthüllt sich! Mein Vater ist er!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Welch grausames Los! Unser Feind ist mein Vater! Nun ist für mich alles dahin! Grausames Schicksal! Nun stirbt für mich der Ruhm Und alles künft’ge Glück! MONFORTE Doch wie, du fliehst vor meinem Blick, mein Sohn? ARRIGO Mich schaudert! MONFORTE So weißt du nicht, wer ich bin? ARRIGO O Fürstin, für immer verloren! MONFORTE Kennst du nicht meine Macht, Arrigo? Ich bin Monforte! ARRIGO O Fürstin! Auf ewig mir verloren! MONFORTE Was du verlangst, wird dir von mir gewährt, Und alle Wünsche kann ich dir erfüllen. Güter, Ämter, Ehren und Ansehn, Alles, was du erträumst, Leg’ ich in deine Hand! ARRIGO Überlass’ mich meinem Schicksal Und ich will zufrieden sein. MONFORTE So kennst du nicht den wahren Wert Des Namens, den ich trage. Er ist mit Ruhm bedeckt! ARRIGO Dein Name ist verflucht!

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DRITTER AKT

MONFORTE Welch grausames Wort! Tödlich hat’s gewirkt. Freudlos nun leb’ ich, Da er mich nicht liebt. Dies ist des Himmels Rache! O fürchterlichster Fluch, Den du, herzloser Sohn, Dem Vater ins Gesicht schleuderst! ARRIGO Weh über das Schicksal! Grausam traf seine Faust! Verloren ist die Hoffnung, Die ich mir erträumt. Hat Gott mich so bestraft? O fürchterlichster Fluch, Du fällst auf mich zurück, Und galtest doch nicht mir! MONFORTE Halt ein, Arrigo! ARRIGO Ach, halt’ mich nicht! Überlass’ mich, Grausamer, Meinem Schmerz! MONFORTE Dein hartes Herz Will ich rühren mit meinem Flehn. Ach, mein Sohn, zu Unrecht Nennst du grausam mich. Lass’ durch deines Vaters Flehen Dir das Herz erweichen! ARRIGO Wenn’s wahr, dass du mich liebst, So lass’ mich von hier fliehen, Wo alles ich verloren. Lass’ mich zu fremden Ufern fliehen, In fremdes Land! Ach, wie gerne flöge ich an dein Herz, Doch darf ich’s nicht!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

MONFORTE Was hindert dich daran? ARRIGO Das Bild meiner Mutter! Es stellt sich zwischen uns! Sie fiel dir zum Opfer, Und Scham erfüllt mich, Dass mein Herz schwanken könnte Zwischen dir und meiner Mutter! Du stürztest sie ins Unglück! MONFORTE O mein Sohn, weh’, mein Sohn! ARRIGO Teuerste Mutter, bet’ du für mich, Denn alle Kraft verließ mein Herz! Blick’ liebevoll auf deinen Sohn herab, Sei ihm ein Schutz und Schirm, Und bete du für ihn! MONFORTE Dringt mein Flehen dir nicht ans Herz? Dein Vater weint, Arrigo, Rührt dich das nicht? Verschließe dich nicht Dem Vater, der weint. O komm’ zu mir, mein Sohn! (Arrigo reißt sich heftig von Monforte los und flieht. Der Vorhang fällt.)

DRITTE SZENE Ein festlich geschmückter Saal. Finale CHOR O glanzvolle Feste! O prunkvolle Nächte! Lasst heiter uns leben in festlichem Kreis! Wir lachen und scherzen bei fröhlichem Tanze, Wir küssen und herzen bei Wein und Gesang! (Die Menge verliert sich in den inneren Räumen des Palastes. Elena, Procida, begleitet von Manfredo.)

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DRITTER AKT

PROCIDA (leise) Arrigo, die Freunde denken an dich! ARRIGO O Gott, täuscht mich die Stimme nicht? ELENA Arrigo, die Freunde denken an dich! ARRIGO Welche Stimme hört mein Ohr! Fürstin, du hier? Du bist es! Welche Überraschung! Ich zittere vor Angst um dich! Aus welchem Grunde kamt ihr her? ELENA Dich zu retten! PROCIDA Und jeden Unterdrückten zu retten! ARRIGO Gott! Sprich leiser! Für mich selber fürchte ich nichts... Ich bin frei! Doch ihr – ihr müsst seinen Zorn befürchten, Sieht er euch bei seinem Fest. PROCIDA Sei ruhig... Der Verräter... ARRIGO Sprich leise! Welche Qual! (er weist auf einige eintretende Franzosen) ELENA (zu Arrigo) In den festlichen Räumen, Unter den tanzenden Gästen... PROCIDA (halblaut) Verbergen sich die Unsern Unter sicheren Masken.

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

ELENA (Arrigo ein Zeichen anheftend) An diesem bunten Bande Erkennen wir die Unser’n. PROCIDA Und ihre starken Arme verfehlen sicher nicht das Ziel! ELENA Bald werden an diesem Orte Die rächenden Dolche blitzen. PROCIDA Inmitten seiner Schergen Trifft Monforte der Tod. ARRIGO (Großer Gott! Wer rettet ihn?) PROCIDA Weshalb erbleichst du? ARRIGO Und wenn man dich gehört? ELENA Wer denn? PROCIDA (er sieht Monforte eintreten) Er selber! ARRIGO Unsel’ger Tag! PROCIDA (zu Arrigo) Sei du zur Stelle – hier! ALLE O glanzvolle Feste ... usw. (wie oben) (Elena und Procida entfernen sich.) MONFORTE (zu Arrigo) Solche Feste sind dir wohl neu. Bist zu zufrieden?

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DRITTER AKT

ARRIGO (halblaut) Verlass’ das Fest. Es umgibt dich Gefahr! MONFORTE Gefahr? Bei mir? Was könnte ich hier befürchten? ARRIGO Ich kann nicht sprechen, und doch bitt’ ich dich, Gehe! Ich zitt’re um dein Leben! MONFORTE Ist dir mein Leben teuer? Bangst du um mich, Als Sohn um deinen Vater? Und weist du meine Liebe nicht zurück? Vergessen will ich deine trotz’gen Worte, Komm zu mir, mein Sohn! ARRIGO Niemals! Halt’ ein! MONFORTE Dann bleibe ich! ARRIGO Glaub’ mir, es wär’ dein Tod! Ihre Rache gilt dir! MONFORTE Nie finden sie den Mut! ARRIGO (zeigt auf das Band) Bei diesem Zeichen hab’ auch ich Geschworen... MONFORTE Vergeblich! (er reißt ihm das Band ab) Dieses Zeichen der Schande Sollst du nicht tragen! Bebst du? Fühlst du die Schande, Die dem Verräter droht?

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Ich seh’, dass Franzosenblut In deinen Adern rollt! ARRIGO Wer seinem Vaterlande dient, Ist kein Verräter! Doch du, o fliehe, hör’ auf mich! Gib’ meinen Bitten nach und flieh’! MONFORTE Das hoffe nicht! ARRIGO Schon nähern sie sich dir... Sie drängen sich um dich... Nun zücken sie den Dolch! PROCIDA Dies ist Frankreichs letzter Tag! Mut auf! Sizilianer, zu mir! ARRIGO Haltet ein! MONFORTE Frankreich, zu mir! (Elena hat sich als erste auf Monforte gestürzt. Arrigo wirft sich schützend vor ihn. Vor Schreck lässt Elena den Dolch fallen.) MONFORTE (zu Béthune und Vaudemont) In Ketten sollt ihr jeden legen, Der solch ein Zeichen trägt. (Er weist auf Procidas Abzeichen.) Den Tod für sie! (auf Arrigo weisend) Er bleibe frei! Er rettete den Feind! PROCIDA (beiseite) Verrat von ihm!

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DRITTER AKT

MONFORTE Dieser rettete mich! Durch ihn Ward dieser feige Plan enthüllt. Der Tod harrt nun auf die Verräter! PROCIDA, ELENA, MANFREDO, SIZILIANER (auf Arrigo weisend) Dieser Schlag trifft uns’re Herzen! Er ein Feigling, ein Verräter! Seine Strafe sei die Schmach! Er verriet sein Vaterland! O teu’re Heimat, die innig ich liebe, Nun bist du im Blute erstickt Und im Schmerz! Dein heiliges Licht Wird neu sich entzünden. (auf Arrigo weisend) Und diesem Verräter zur Schmach Wird es hell erstrahlen! ARRIGO Schambedeckt steh’ ich vor denen, Die mir ihr Vertrauen schenkten. Niemals kann ich mir vergeben, Was ich ihnen angetan! Vom Schicksal gezwungen Verriet ich mein Land! Den Boden der Heimat bedeckt’ ich mit Blut! Nun muss sie mich hassen, Doch um sie zu retten, Gäbe ich gern mein Leben! O Hoffnung, dein Atem ist in mir erstickt. Nichts seh’ ich, nichts fühl’ ich, Als grausamen Schmerz! O Jammer, die Frau, die ich liebe, Verdankt mir den Tod! CHOR DER FRANZOSEN Gott, der unsern Held gerettet, Vor den Dolchen der Verräter, Sei gepriesen und gelobt! Du, Allmächt’ger, hast ihn beschützt!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

MONFORTE, BÉTHUNE In Frankreichs offenen Armen Sollst du dein Glück nun endlich finden! Der Erde höchste Wonnen Warten in unserem Land auf dich! Ein edlerer Geist soll dir Das Herz nun erfüllen. Von allen geehrt lebst du nun als mein / sein Sohn! ARRIGO O Fürstin! Freunde! Habt Mitleid! O glaubt mir meinen Schmerz! PROCIDA, SIZILIANER Zurück, du Lügner! Zurück! Wir glauben dir nicht mehr, Verräter! MONFORTE (zu Arrigo) Ich werde dich beschützen, Glücklich wirst du mit mir leben! ARRIGO Nein, niemals! Halt’ mich nicht! CHOR DER SIZILIANER Zurück mit dir, Verräter! PROCIDA (mit Verachtung) Da des Tyrannen Schild dich deckt, Ist dein Verbrechen doppelt groß. (zu den Gefährten) Für uns den Ruhm, Für ihn die Schmach! (Die Verschworenen werden abgeführt, Arrigo bleibt zurück. Der Vorhang fällt.)

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SZENENBILD


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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

VIERTER AKT IM GEFÄNGNIS.

ERSTE SZENE ARRIGO (zu einem Soldaten) Dies ist Monfortes Siegel. Er selbst erlaubte mir, Die Gefangenen zu sehen. Führt sie zu mir! Ihr schmachtet durch meine Schuld In diesem Kerker, teure Freunde! Und ich, der euer Leid verschuldet, Bin frei von Ketten! Ich bin dem Schicksal ausgeliefert, Und weinend trage ich mein Los, Das mich von euch getrennt! Weh der schmachvollen Güte, Die mein Leben rettete, Und meine Ehre auf ewig befleckte! Befreien möchte ich mich Von dieser schweren Schuld. Doch werden sie mich ansehen, Und meine Worte hören? Ich stieß sie ins Verderben, Alle hassen sie mich! Sie wissen nicht, dass ich mein Leben Ließ’ für sie! O Tag der Wehmut, o Tag der Trauer! Nun lacht das Leben mir nicht mehr zu! Der Zorn des Himmels zerbrach den goldnen Traum! Sie, die mich einst geliebt, hasst mich nunmehr! Vorbei die Hoffnung, vorbei die Träume! Ach, weh dem Herzen, das alles verlor! Dass sie mich hassen als den Verräter, Erhöht den Schmerz mir, bricht mir das Herz! Deine Verachtung, geliebte Elena, Niemals ertrage ich sie! Wie soll ich leben, wenn du mich nicht mehr

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VIERTER AKT

Erhören kannst! Ach, grausam blutet mein Herz In tiefstem Leid! Wer kommt? Ich zitt’re! Weh mir, mein Atem stockt! Sie ist es! Nun wird sie mich Voll Hass verfluchen! Ach, ich zitt’re vor Schrecken! Sie überlässt mich Dem dunklen Schicksal! Nun bin ich alleine! Gnade, o Gnade, verzeih’ mir! Lieber den ärgsten Tod ertragen Als deine Verachtung! ELENA (sich Arrigo nähernd) O schweig, mein Ärger! Ich fühl’, wie ich erzitt’re. Hast du zu neuen Qualen, Verräter, mich bestimmt? ARRIGO Geliebte, ach gönn mir einen Augenblick! Hör mich an! Hör meine Bitte! Fürstin, sei mir Armem gnädig, Lass’ mich zu deinen Füßen sterben! ELENA Dass du nun verachtet bist, Sei die Strafe deiner Tat! Dir verzeihen? Niemals kann ich das! Schmach und Schande sei dein Geschick! ARRIGO Schuldig bin ich nicht! Das feindliche Schicksal Bedeckte mich mit solcher Schmach! ELENA Ohne Schuld willst du sein, Verräter? Und bist doch mit Schimpf bedeckt? Du verrietest uns, du bist schuldig, Du bist schuld an unser’n Leiden, Hast mit Schande dich bedeckt! Unser Land hast du verraten!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Du verrietest uns, du bist schuldig! Warst du es nicht, Unwürd’ger, Der meine Hand entwaffnet, Als ich den Dolch stieß In das Herz des Tyrannen? ARRIGO Meines Vaters! ELENA Deines Vaters? ARRIGO Weh dem Band, das mich An mein Unheil fesselt! Verflucht der Tag, an dem Ich das Entsetzliche erfuhr! Monforte, den ich so tödlich gehasst, Er ist mein eig’ner Vater! Was sollt’ ich Armer tun In jener schweren Stunde? Dem Schatten deines Bruders Hast du dich aufgeopfert. Ich tat mehr als du getan, Die Ehre opferte ich meinem Vater! ELENA Unseliges Geheimnis! O doppelt bitt’rer Schmerz! Seiner Worte wahrer Klang Hat mit Mitleid mir Das Herz erfüllt. Rein ist seine Seele von Verrat. Ihn erdrückt des Schicksals Macht. Zu Unrecht zeihten wir ihn des Verrates. Seine Qualen sind mir nun bekannt. Ich weiß, dass keine Schuld ihn trifft. ARRIGO Voller Qual erbebt mein Herz. Ich sprach die Wahrheit! Glaube mir! Siehst du nun meine Tat Milder an? Glaubst du nun, Dass ich euch nie betrogen habe? Dass ich nie ein Verräter war?

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VIERTER AKT

ELENA Doch die verhassten Bande? ARRIGO Mein Herz zerriss sie längst! Der Vater gab das Leben mir, Ich habe sein’s gerettet. Frei wurde ich durch diese Tat! Der alte Hass wacht auf! ELENA Doch Name, Ruhm und Ehren? ARRIGO Verachten will ich alles! Doch eins soll er gewähren, Als Lohn für meine Qual: Mit dir vereint zu leben! Gewährt er’s mir nicht, So sterbe ich mit dir! ELENA Arrigo, jetzt kann ich dir vergeben. Da mein Herz befreit Von meiner größten Qual: Auch dich hassen zu müssen! Ich segne die Stunde, In der ich dies von dir erfuhr! Ich liebe und achte dich wieder, Und gerne will ich sterben, Wenn mich der Tod mit dir vereint! Der Hass ward uns zum Schicksal, Er raubte uns die Hoffnung. Versagt ist uns’rer Liebe Ein Platz auf dieser Erde. Leb’ wohl, bis wir uns wiedersehn, Im Himmel warte ich auf dich! Ich sterbe, Arrigo, und verlasse diese Welt, Doch mein letzter Gedanke gilt dir! Ah! Bleibe mir treu, Im Himmel warte ich auf dich! BEIDE Des Schicksals Stürme Fürchte ich nicht!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Mit dir vereint geh’ gern Ich in den Tod! ARRIGO Ah! Du verzeihst mir meine Tat! ELENA Ja!

ZWEITE SZENE Finale. Procida tritt auf. PROCIDA (halblaut zu Elena, ohne Arrigo zu bemerken) Ein treuer Freund, der die Gefährten Nicht vergessen hat, stellte mir heut’ Diese frohe Botschaft zu. ELENA (nimmt den Brief) »Aragon schickt ein Schiff In eu’re Meere. Schon naht es sich dem Hafen Beladen mit Gold und Waffen.« PROCIDA Und ich schmachte im Kerker! Ah! Könnte ich entfliehen Aus meinem Kerker! Nur einen einz’gen Tag! Möge Gott mir diesen Wunsch erfüllen, Dann sterb’ ich willig! (Arrigo erkennend) Doch wen seh’ ich hier? Den Verräter erblick’ ich bei dir? ELENA Die Reue führte ihn zu uns! PROCIDA Uns zu verraten kommt er! (Er weist auf Monforte, der mit Béthune und Vaudemont auftritt.) Hier kommt auch sein Vertrauter!

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VIERTER AKT

BÉTHUNE (zu Monforte) Was befiehlst du, mein Herr? MONFORTE Einen Priester und ihre Hinrichtung! BÉTHUNE Das Volk strömt voller Hass zusammen! MONFORTE Die Truppen sandte ich an ausgewählte Plätze. Sie kennen die Befehle. Beim ersten Schrei der Aufständischen Gebrauchen sie die Waffen. Dies befahl ich! BÉTHUNE Verstanden. ARRIGO (zu Monforte) Was soll das alles? MONFORTE Wen’ge Augenblicke, Und ihres Lebens letzte Stunde schlug! ARRIGO Sie sterben? PROCIDA O teure Heimat! Ich sterbe, Nun da an meinem Leben Dein Schicksal hängt! ARRIGO (zu Monforte) Verzeih’ ihnen, ich fleh’ dich an! Verschone sie, oder töte mich Mit ihnen! ELENA (zu Procida) Hast du gehört? PROCIDA Der uns verraten hat, verdient den Tod. Doch nicht für seine Heimat!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

(zu Arrigo) Hinweg! Du bist nicht würdig, Mit uns zu sterben! MONFORTE Nun weißt du, dass sie dich verachten, Arrigo, weil du mein Sohn bist! PROCIDA Wie? ELENA Sein Sohn! MONFORTE So hassen sie dich, der lieber Mit ihnen stirbt, Als den Ruhm mit mir zu teilen! PROCIDA Er, sein Sohn? Nun hat sich unser Schicksal erfüllt! Quartett Leb’ wohl, o Heimat, ich muss dich verlassen! Ich habe für dich vergeblich gekämpft, Für dich nun sterbe ich und lass’ dich allein! Verzweifelt lasse ich dich In Nacht und Dunkelheit zurück! MONFORTE Wenn erst der Henker sie enthauptet hat, Ist auch ihre Macht vernichtet! ARRIGO Ah! In dein Grab, Geliebte, Verwandelt sich der Boden der Heimat für mich! Doch Elena, geliebte Frau, Du sollst am Leben bleiben, Oder ich sterbe vor Schmerz um dich! MONFORTE Von Hass und Krieg und Mord Ist dann Siziliens schöner Boden frei!

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VIERTER AKT

PROCIDA Verzweifelt sterbe ich Sizilien Und lasse dich in tiefem Schmerz zurück! ELENA Leb’ wohl, geliebte Heimat, Leb’ wohl, blühendes Land! Dich muss ich nun verlassen Dich seh’ ich nimmermehr! Leb’ wohl, leb’ wohl! Schönes Land, dein schimmerndes Ufer Sehe ich nun nie wieder! Brausende Wellen, wie liebte ich euch! CHOR DER MÖNCHE (von innen) De profundis clamavi ad te, domine! Exaudi orationem meam! PROCIDA (zu Elena) O Tochter, knie nieder, Lass’ uns zu Gott jetzt beten! Schon öffnet sich der Himmel! ELENA Den Bruder seh’ ich wieder! ARRIGO (zu Monforte) Erbarmen! Hör’ mein Flehen! Lass’ sie am Leben, sonst sterbe Ich mit ihnen! MONFORTE Du, der selber schuldig, Wagst es, für sie zu flehen? Mit welchem Rechte Bittest du um Gnade für die Verräter? Undankbar bist du, doch dem Sohn Sei jeder Wunsch gewährt. Nenne mich Vater, Arrigo, Dann will ich gerne euch vergeben! ARRIGO O Gott!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

MONFORTE (auf das eindringende Volk weisend) Vergebens würde dieses Volk Zu meinen Füßen knien! Nenne mich Vater, o mein Sohn, Und sie sind frei! ELENA Arrigo, sage es niemals, Und lass’ mich sterben! ARRIGO Geliebte! ELENA Denk’ an die Treue, die du mir versprachst! MONFORTE Nenne mich Vater, Sag’ »mein Vater«, sprich’s! Und ich verschone sie! ELENA Arrigo, sage es niemals, und ich verzeihe dir! ARRIGO Hilf du mir, großer Gott! (Der Henker erscheint.) ARRIGO Was seh’ ich? MONFORTE Der Henker hält das Beil in seiner Hand, Und wartet auf mein Zeichen! ARRIGO Grausames Zeichen! Befehl voll Blut und Grauen! PROCIDA Wir folgen euch, Wir sind bereit! ELENA Zum Ruhme!

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VIERTER AKT

ARRIGO Geliebte! PROCIDA O teure Heimat! FRAUENCHOR Gnade, Gnade! PROCIDA, ELENA O mein Sizilien, Leb’ wohl, du teure Heimat! (Der Henker ergreift Elena.) ARRIGO O Vater, mein Vater! MONFORTE O Glück! O freud’ger Tag! (zum Henker) Du Todesbote, halt’ ein! Sie sind nun frei! Doch nicht genug der Gnade! Zum Siegel einer Freundschaft Zwischen feindlichen Völkern Sei jetzt ein Bund geschlossen Zwischen ihr und Arrigo! ELENA Niemals! PROCIDA Du musst es! Die Heimat, Dein Bruder, o Fürstin, gebieten’s! Auch ich rate es. MONFORTE (zum Volk) Friede und Gnade für euch! Ich fand den Sohn! ELENA, ARRIGO O welches Glück und welche Wonne Erfüllen unsern Sinn! Was uns’re Herzen heut empfinden,

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

Verraten uns’re Blicke nur! Nun leuchtet hell in unsern Herzen Der Liebe großes Glück! Das Band der Freundschaft wird uns einen Und Friede wird nun sein! MONFORTE und CHOR DER FRANZOSEN Ein jeder soll heut’ glücklich sein, Da ich / er den Sohn gefunden! Er gab durch seine Liebe Dem Lande Frieden. Nun soll Sizilien glücklich sein! Von heiteren Gedanken Sind wir erfüllt. Und jedes Herz ist freudvoll heut’. Der Liebe Band verknüpft uns, Und Friede sei mit uns! PROCIDA Bald wird ein anderer Klang sich mischen In eu’ren Jubelton. Der Tag der Rache ist nicht fern, Der euch vernichten wird. Das Glück ist falsch, das ihr erträumt, Der Friede kehrt niemals zu euch zurück, Verräter! Der Rache heil’ge Stunde Bringt euch den Tod! Der Jubel wird im Blut erstickt! Ihr glaubt an Frieden, Doch so lang ihr lebt, ist Krieg! ARRIGO (zu Monforte) Erhöhe du noch unser Glück, Das wir mit so viel Leid erkauften! Und lass’ uns morgen am Altare stehn! MONFORTE Noch heut’ gescheh’ es! Wenn im Schein der Abendsonne Beim sanften Wehn des Windes Die Vesperglocke läutet! ARRIGO O holde, süße Wonne!

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VIERTER AKT

PROCIDA (für sich) Nun bald! O großer Gott, Du musst die nöt’ge Kraft mir leihen! ELENA Mein bist du nun? Ich kann’s nicht fassen! ARRIGO Dein bin ich nun! Kaum glaub’ ich Dieses hohe Glück! PROCIDA (für sich) Niemals! (Der Vorhang fällt.)

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

FÜNFTER AKT IN MONFORTES PALAST.

ERSTE SZENE MÄNNERCHOR (von innen) Nun feiern wir fröhlich, Mit Liedern und Blumen, Den glücklichen Tag. Der Bund dieser Herzen Sei ewig gelobt. Es lebe der Frieden, Es lebe das Glück! Nun droht uns kein Krieg mehr, Wir sind gerettet durch diesen Bund! (Im Brautgewand steigt Elena die Stufen des Palastes hinunter. Die Mädchen eilen ihr mit Blumen entgegen.) ELENA Für euere Blumen dank’ ich euch, Geliebte Freunde. Die schönen, weißen Blumensträuße Sie sind wie ihr so rein! Seid ihr der Zukunft Boten, So muss sie froh und lieblich sein! Gepriesen sei das Band, Das unsere Herzen bald verknüpft. Wie glücklich fühl’ ich mich nun wieder! O heiterer Traum, der mein Herz Mit ungeahntem Glück erfüllt! Ich sauge in mich die Frühlingslüfte, Und trunken ist mein Herz vor Glück! Nur dem Geliebten gilt mein Sehnen, Nur ihm allein! CHOR Von deinem Reize wird jedes Herz berührt, Der Frühling und die Liebe seien dir hold!

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FÜNFTER AKT

ELENA Hell strahlte nun der heitere Tag Für mein geliebtes Land. Genug des vergossenen Blutes, Das seinen Boden tränkte. Die Hoffnung leuchte dir nun hell, Vergessen sei der Schmerz! Der Tag, der mich so sehr beglückt, Gereich’ auch dir zur Freude!

ZWEITE SZENE Procida tritt auf. PROCIDA Deinem großmüt’gen Herzen, o Fürstin, Zollt unser Vaterland heut’ Dank! ELENA Weshalb? PROCIDA Auf unsere Treue vertrauend, Verlässt der Feind heut’ waffenlos Tore und Wälle. Festlich gekleidet, das Herz voll Freude Genießt ein jeder Sorglos und heiter dieses Fest. ELENA Was soll die Vorbereitung? PROCIDA Dir sei nichts verheimlicht! Hast du die Lippen geöffnet Zum innigen: Ja, Und künden hell die heil’gen Glocken, Der Welt, dass euer Bund gesegnet ist, Dann erhebt sich Palermo, Der Aufstand bricht los, Und das Morden beginnt! ELENA Vor dem Altar – hier? Im Gotteshaus? Und die gelobte Treue?

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

PROCIDA Ist sie dir heiliger als deine Heimat? Ah, ich gäbe alles! ELENA Auch die Ehre? PROCIDA Auch sie! ELENA Niemals! PROCIDA Ist denn der Hass in deinem Herzen tot, Dass eines Franzosen Liebe Es so verändern kann? Dein Geliebter ist des Tyrannen Sohn! ELENA Mein Gatte ist’s! PROCIDA Und du verteidigst ihn? ELENA Ja! PROCIDA Das wagst du? ELENA Ich wage es! Da ist er! – Er kommt! PROCIDA Was hält dich noch zurück? Geh’! Eile! Verrate mich! Mein Tod ist dann gewiss! ELENA Ich die Freunde verraten? Nein! Doch soll ich den teuren Gatten töten? Ah! Nein, ich kann’s nicht!

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FÜNFTER AKT

ARRIGO Nun flattern schon im Sonnenglanz Die großen Fahnen Frankreichs! Und uns’res Jubels Widerhall Tönt heiter auf den Plätzen! ELENA (für sich) »Hast du die Lippen geöffnet Zum innigen: Ja, Und künden hell die heil’gen Glocken, Der Welt, dass euer Bund gesegnet ist, Beginnt das Morden.« O Gott, wie soll ich mich entscheiden? ARRIGO Die holde Stunde hat geschlagen, Der heil’ge Bund wird nun geschlossen! (er blickt Elena an) Wie sie zittert! Wie bleich ist ihre Wange! Vor welchem Schrecken erbebt ihr Herz? Ah! Rede! PROCIDA (leise zu Elena) Ja, rede, wenn du’s wagst! ELENA Grausames Los! ARRIGO Ah, rede, rede! ELENA O welche Qual! ARRIGO Lass’ mich nicht länger zittern! ELENA Ich soll ihn opfern! Ich sie verraten! Bruder, o Bruder, erbarme dich meiner Qualen, Steh’ mir bei! Sieh’ meine Schmerzen! Hilf mir, mein Bruder, bete für mich! Erbarme dich meiner! Lindere meine qualvolle Not! O hilf mir!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

PROCIDA (zu Elena) Denk’, dass du Treue einst uns gelobt hast, Liebe zur Heimat! Denk’ an dein Land! Vergiss nicht deinen Treueschwur! Denk’ an die Ehre! Vergiss ihn nicht, der deinen Bruder, Den teuren Bruder, dir schmählich raubte! Denk’ an die Heimat! ARRIGO Habe Erbarmen mit meinem Schmerz! Ein einz’ger Blick, ein einz’ges Wort, Kann mich von meiner Qual erlösen! Ein einz’ger Blick aus deinen Augen Kann mir das Herz mit Glück erfüllen! ELENA Zwischen uns beiden erhebt sich Eine ewige Schranke. Meines Bruders stolzer Schatten trennt uns. Ich sehe ihn! Er steht vor mir! Gnade! Vergib, Arrigo! Ich bin nicht mehr die deine! ARRIGO Was sagst du? PROCIDA Großer Gott! ELENA Nie soll dieser Bund geschlossen werden! ARRIGO Weh mir, du liebst mich nicht! PROCIDA Sie verriet meine Rache! ELENA Geh! Geh! Ich kann dir nicht folgen! Leb’ wohl, schöner Traum! Ich sterbe, doch ihn entreiße ich Dem grausamen Schicksal!

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FÜNFTER AKT

ARRIGO Du betrogst mich, Treulose! Und ich glaubte deinem Schwur! Nun hast du das Spiel beendet, Und ich steh’ verlassen da! Du hast deinen Schwur gebrochen, Hast mein Herz grausam verlacht, Hast mein ganzes Glück zerstört! Lebe wohl, du falsche Schöne, Du bist schuld, dass ich vor Schmerz nun sterbe! ELENA Nein, länger dulde ich deine Verachtung nicht! So wisse denn: für dich fürchte ich nicht... PROCIDA (leise zu Elena) Verachtet wirst du sein! ARRIGO Nun denn, fahre fort, ich will es wissen! PROCIDA (laut) Fahre fort! (leise) Den Mördern deines Bruders Verkaufe deine Heimat, deine Freunde! ELENA Nein, nein, nein, ich kann nicht! Doch log ich nicht, Als ich dir ew’ge Liebe zugeschworen! Arrigo, ich liebe dich, Und kann doch nicht die Deine sein! PROCIDA Du, Verräterin, betrogest Deine Freunde und dein Land! Ihn zu retten, hast du verraten, Was du einst beschworen hast; Ew’ge Schande über dich! Meine Stimme, die bald verstummt, Nennt dich jetzt Verräterin! Du hast dein Land verraten, Ich fluche dir!

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I VESPRI SICILIANI: DEUTSCHES TEXTBUCH

DRITTE SZENE Monforte tritt auf. ARRIGO O lasse dich durch meinen bitter’n Schmerz Bewegen, Vater! Die Erinnerung an ihres Bruders Tod, Den du verschuldet, trennt sie von mir! MONFORTE Sei ruhig! (zu Elena) Vergeblich kämpfst du gegen dein eig’nes Herz. Ich kenne dich, glaube mir, Du liebst ihn, und er dich! Und ich, den Tyrannen ihr nanntet, Für euch will ich’s noch einmal werden! Reicht mir die Hände, Kinder! Seid nun vereint, ihr edles Paar! PROCIDA Und ihr, heitere Glocken, Läutet das Fest jetzt ein! ELENA Nein, nein, es ist nicht möglich! MONFORTE Beim Klang der Glocken, Die freudig nun erklingen, schwöre... ELENA Niemals! Nein, nein, ich kann nicht! (man hört die Glocken) Nun seid ihr verloren! Rettet euch! Geht! Hinweg! MONFORTE Was sagst du da? ELENA Hört ihr die Rufe nicht? MONFORTE Das Volk erwartet uns!

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FÜNFTER AKT

ELENA Die Glocke kündet an... ARRIGO Die Freude! PROCIDA Die Rache! (Die Sizilianer stürzen von allen Seiten herein.) CHOR Zur Rache! Zur Rache! Zum Kampf und zum Tod! Zur Rache! Zur Rache! Wir wollen sie töten, Und frei wieder sein! Zur Rache! Zur Rache! (Die Sizilianer stürzen auf Monforte und die Franzosen. Der Vorhang fällt.)

Freie Übersetzung aus dem Italienischen: N. Abeles. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Apollo-Verlages, Zürich

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GABRIELE VIVIANI als MONFORTE

IMPRESSUM GIUSEPPE VERDI

I VESPRI SICILIANI SPIELZEIT 2023/24 (PREMIERE DER PRODUKTION: 12. FEBRUAR 1998 WIEDERAUFNAHME: 13. JÄNNER 2024) Herausgeber WIENER STAATSOPER GMBH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor DR. BOGDAN ROŠČIĆ Musikdirektor PHILIPPE JORDAN Kaufmännische Geschäftsführerin DR. PETRA BOHUSLAV Programmheftkonzept: CHRISTOPH WAGNER-TRENKWITZ & VERENA KURTH Redaktion des Wiederaufnahme-Heftes: SERGIO MORABITO, ANDREAS LÁNG, OLIVER LÁNG Lektorat: MARTINA PAUL Gestaltung & Konzept EXEX Layout & Satz ANTON BADINGER Druck PRINT ALLIANCE HAV PRODUKTIONS GMBH, BAD VÖSLAU TEXTNACHWEISE: Alle Texte bis auf das Interview mit Carlo Rizzi entstammen dem Premierenprogrammheft. Die Texte von Christian Springer, Leopold Kantner und Michael Jahn waren Originalbeiträge für das Programmheft. Das Interview mit Carlo Rizzi ist ein Originalbeitrag für das Wiederaufnahme-Programmheft. ÜBERNAHMEN: Steve Runciman: Legende und Wahrheit, aus: Die Sizilianische Vesper, München, 1959 – Birgit Pauls: Sizilianer in Paris, aus: Giuseppe Verdi und das Risorgimento, Berlin, 1996 – Giovanni Verga: Sizilianische Bauernehre, Rudolstadt, o.J. – Der Text von Salvatore Quasimodo entstammt aus: Joseph Laurer: Italienische Lyrik aus sieben Jahrhunderten, Calliano, 1978 – Der Text von Giuseppe Tomasi di Lampedusa entstammt aus: Der Leopard, München, 1959. BILDNACHWEISE: Bildkonzept Cover: Martin Conrads, Berlin – Coverbild: Courtesy Magdalena Jetelová and Gallery LOHAUS SOMINSKY / S. 2-3, 28-29, 36-37, 43, 57, 105: Michael Pöhn / Wiener Staatsoper GmbH / S. 9, 14, 23, 83: Axel Zeininger / Wiener Staatsoper GmbH Nachdruck nur mit Genehmigung der Wiener Staatsoper GmbH / Dramaturgie. Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


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KOPFZEILE

EIN KONZERTSAAL NUR FÜR SIE DER NEUE LEXUS RX PLUG - IN HYBRID Modernste Antriebstechnologie, exzellente Umweltbilanz und überragende Fahrleistungen, damit brilliert unser neuer Luxus-SUV. Doch auch beim Thema Sound setzen wir mit dem Mark Levinson© Premium-Surround-Soundsystem neue Maßstäbe. Eine herausragende Performance also nicht nur in Design und Antrieb, sondern auch in Sachen Klang. Mehr entdecken auf lexus.at/rx

LEXUS WIEN NORD | KEUSCH | DAS AUTOHAUS | Lorenz-Müller-Gasse 7–11 | 1200 Wien LEXUS WIEN SÜD | KANDL | DAS AUTOHAUS | Breitenleer Str. 33 | 1220 Wien Lexus RX 450h+: Gesamtsystemleistung 227 kW (309 PS). Normverbrauch kombiniert: 1,1 l/100 km, CO2-Emissionen kombiniert: 25 g/km und 17,7–17,5 kWh Stromverbrauch/100 km, elektrische Reichweite (EAER kombiniert) 67–68 km, elektrische Reichweite (EAER city) 87–90 km. Abbildung zeigt Symbolfoto. Mark Levinson ist eine eingetragene Marke der Harman International Industries, Incorporated


UNSERE ENERGIE FÜR DAS, WAS UNS BEWEGT. Das erste Haus am Ring zählt seit jeher zu den bedeutendsten Opernhäusern der Welt. Als österreichisches und international tätiges Unternehmen sind wir stolz, Generalsponsorin der Wiener Staatsoper zu sein. 107 Alle Sponsoringprojekte finden Sie auf: omv.com/sponsoring


KUNST IST TEIL UNSERER KULTUR.

Durch unser Engagement unterstützen und fördern wir sowohl etablierte Kulturinstitutionen als auch junge Talente und neue Initiativen. So stärken wir größtmögliche Vielfalt in Kunst und Kultur in unseren Heimländern – in Österreich sowie Zentral- und Osteuropa. www.rbinternational.com


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