Programmheft »A suite of dances«

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inhalt

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Über die heutige Vorstellung

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About today’s performance

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»Keeping the legacy alive« Jean-Pierre Frohlich im Gespräch

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Glass Pieces

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Von Engeln und Gehenden Nastasja Fischer

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Patterns of Motion Thomas Steiert

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Duo Concertant

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Nachruf auf den Zeitschöpfer Caecilia Brenninkmeyer

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A Suite of Dances

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Über die Verfertigung der Bewegung Anne do Paço

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The Concert

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Ein abenteuerlicher Konzertbesuch Iris Frey

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Über den Humor Walter Grasskamp

74 Ensemble 82 Biographien


SUSAN SONTAG

»Tanz kann ohne Tanzentwurf, ohne Choreographie nicht existieren. Doch Tanz ist der Tänzer.«


Das Wiener Staatsballett ist Teil der Wiener Staatsoper und der Volksoper Wien.


a suite of dances

Glass Pieces Jerome Robbins Duo Concertant George Balanchine A Suite of Dances Jerome Robbins The Concert Jerome Robbins Neueinstudierung 20. Mai 2021 Wiener Staatsoper


über die heutige vorstellung Jerome Robbins ist nicht nur der Choreograph der West Side Story, sondern einer der wichtigsten Ballettschöpfer der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. An der Seite George Balanchines prägte er die amerikanische Neoklassik, wie sie bis heute vor allem durch das New York City Ballet vertreten wird und ging zugleich über diese weit hinaus. Hatte Balanchine – aus der Schule des zaristischen St. Petersburg kommend – das Ballett für das 20. Jahrhundert weitergedacht, indem er seine alten Figuren, Posen und Schritte durch ein neues, athletisches Körperbild anschärfte, mit Ecken und Kanten versah, den Tanz als ein Musizieren mit dem Körper in einem von allem Dekor und aller Handlung befreiten Raum verstand und Frauen und Männer sich auf Augenhöhe begegnen ließ, so zeigte sich Robbins als ein Theatermacher mit einem unersättlichen Drang zum Experiment, hin- und hergerissen zwischen purem Tanz und dem Erzählen von Geschichten. War Balanchine ein Purist, ein Erforscher der Möglichkeiten der klassischen Balletttechnik und ein auf dem Instrument des Körpers Musizierender, der die idealisierte Schönheit und die Freiheit liebte, mit der seine Tänzerinnen und Tänzer durch ihre unvergleichlichen Persönlichkeiten die formale Strenge seiner Bewegungsfolgen zu jenem so besonderen Glühen brachten, so ging es Robbins nicht um die Erschaffung eines eigenen Stils. Vielmehr betrat er mit seinen Kreationen immer wieder andere Räume und machte sich die klassische Balletttechnik dabei ebenso zunutze, wie die expressive Körperlichkeit des Modern Dance, die Nonchalance schlichter Alltagsbewegungen, die Rauheit des Slangs der Straße oder den Drive der amerikanischen Unterhaltungskultur. Ein Robbins-Balanchine-Programm zu präsentieren, ist für jede Ballettcompagnie »state of the art« – für das Tanzen im Ensemble genauso wie für die Solistinnen und Solisten.

ÜBER DIE HEUTIGE VORSTELLUNG

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about today’s performance Jerome Robbins is not only the choreographer of West Side Story, he is also one of the most important ballet-makers of the second half of the 20th century. Together with George Balanchine, he created American neoclassicism as it continues to exist today, represented primarily through the New York City Ballet – but he also went far beyond this. If Balanchine – who came from the school of Czarist St. Petersburg – rethought ballet for the 20th century by sharpening up its old figures, poses and steps with a new athletic image of the body, adding rougher and tougher edges while understanding dance as music-making with the body in a space free from all décor and narrative and allowing women and men to meet as equals, Robbins revealed himself to be a theatre-maker with an insatiable urge to experiment, an artist torn between pure dance and story-telling. If Balanchine was a purist, an explorer into the possibilities of classical ballet technique and a musician whose instrument was the body, who loved idealised beauty and the freedom with which his dancers lent the formal rigour of his movement sequences that special glow through their incomparable personalities, Robbins was not concerned about creating his own style. Instead, his works would consistently enter new territory, making as much use of classical ballet technique as he did of the expressive physicality of modern dance, the nonchalance of simple everyday movements, the raw energy of street slang and the drive of American entertainment culture. For any ballet company, performing a Robbins-Balanchine programme represents »the state of the art« – both for ensemble dances and for the soloists.

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ABOUT TODAY’S PERFORMANCE


Herren des Ensembles in Glass Pieces



»keeping the legacy alive« JEAN-PIERRE FROHLICH IM GESPRÄCH MIT NASTASJA FISCHER

In der New York Times haben Sie einmal gesagt: »Ich wollte schon immer mit Jerome Robbins arbeiten. Ich bewundere seine Ehrlichkeit, seinen Perfektionismus, seine Integrität.« Wie war Ihr Weg mit dem New York City Ballet und der Beginn der Zusammenarbeit mit Jerome Robbins? JPF Bereits mit zehn Jahren begann ich an der School of American Ballet, der Ballettschule des New York City Ballet, zu trainieren. Mit 16 tanzte ich erstmals in Jerome Robbins’ Ballett Watermill. Ein Jahr später wurde ich Apprentice in der Compagnie und 1972 während des Stravinsky Festivals zum festen Ensemblemitglied ernannt. Es war eine aufregende Zeit und das NYCB ein Ort von immenser Kreativität. Als Solist konnte ich viele Hauptrollen interpretieren. Als ich mich mit 36 schließlich entschied, mit dem Tanzen aufzuhören, wollte ich weiterhin unbedingt mit Robbins zusammen­arbeiten. George Balanchine war verstorben und wir berieten, wie es weitergehen soll. Robbins hatte den Ruf, schwierig zu sein, aber ich habe das nie so empfunden, sondern eine andere Seite von ihm kennengelernt. Er war großzügig und hat den Tänzer*innen viel gegeben, war aber auch ein Perfektionist und erwartete im Ballettsaal von jedem, genauso intensiv zu arbeiten, wie er selbst es tat. Wenn er das Gefühl bekam, dass man sich nicht vollkommen dem kreativen Prozess verschreibt, dann konnte er hart werden. Ich allerdings habe so viel von ihm gelernt. In seiner Nähe und bei seinen Proben zu sein, Anmerkungen und Korrekturen aufzuschreiben, mit ihm zu reisen ... Ich begann zu sehen, was er sah. Es war eine großartige Ausbildung. Er war ein Theatermensch, ein Tanzmensch, der Geschichten mit Bewegung kreieren und Intimität und Menschlichkeit auf der Bühne in einer Weise erzeugen konnte, dass sich das Publikum stets verbunden fühlte. Er war ein genauer Beobachter seiner Umgebung, hat die Schönheit in der Natur und im alltäglichen Leben gesehen und all das in seinen Stücken verarbeitet. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, mit ihm gearbeitet zu haben.

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Hat sich Ihre Perspektive auf Robbins’ Werke verändert, nachdem Sie Ballettmeister geworden sind? JPF Durch das Lernen und Einstudieren seiner Choreographien habe ich ihn noch besser verstanden und wurde mit ihm und seiner Arbeit vertrauter. Was ich mir von Robbins angeeignet habe, war seine Ehrlichkeit im Studio. Es geht nur um die Arbeit, um den Prozess, darum, etwas Besonderes zu kreieren. Heute ist es meine Aufgabe, den Künstler Jerome Robbins jungen Tänzer*innen näher zu bringen. Sein Erbe lebendig zu halten und weiterzugeben. Sie sind Mitglied des Robbins Rights Trust. Was ist dessen Funktion? JPF Bevor Robbins starb, hat er in seinem Testament veranlasst, dass ein von ihm gewähltes Komitee seine Ballette verwaltet, die Lizenzen vergibt und über die Einstudierung entscheidet. Über die Broadway-Arbeiten, die kommerziell sind und an denen sehr viele Menschen beteiligt waren, verfügen Treuhänder. Mit seinen Balletten ist Robbins vorsichtiger umgegangen, da es hier nicht nur um seine Choreographien, sondern auch um Bühnenbilder, Kostüme, das Licht usw. ging. Das Komitee bestand damals aus drei Ballettmeistern und zwei engen Freunden. Wir kannten seine Ballette sehr gut und wussten, dass viele Compagnien sie einstudieren wollen. Wenn wir eine Compagnie nicht kannten, wurde das Ensemble vor Ort angeschaut bzw. nach Videomaterial gefragt. Es ist wichtig zu prüfen, auf welchem Niveau sich die Tänzer*innen befinden und wie sich das Repertoire gestaltet. Wenn Werke angefragt werden, die unserer Meinung nach nicht gut zu einer Compagnie passen, beraten wir die Ensem­ bles. Mit vielen pflegen wir ein sehr gutes Verhältnis und führen einen ständigen Dialog. Mit vielen Direktor*innen habe ich bereits als Tänzer gearbeitet, nun sitze ich neben ihnen und studiere mit ihren Ensembles Choreographien von Robbins ein. Es ist faszinierend. Wie nähern sich Tänzer*innen den Werken von Jerome Robbins? Gibt es andere Zugänge damals und heute? JPF Vieles hängt von den Tänzer*innen selbst ab. Wenn sie ihr Ego außerhalb des Studios lassen und offen sind, einen anderen Zugang zum klassischen Ballett zu finden, dann ist es eine großartige Erfahrung, ein Robbins-Ballett zu tanzen. Es ist eine andere Art zu denken, die Choreographie wird viel mehr im Inneren gestaltet. Das Publikum blickt wie durch ein Schlüsselloch in einen anderen Raum. Das Solo A Suite of Dances ist dafür ein gutes Beispiel: Der Tänzer tanzt für sich selbst. Wie man sich einem Stück nähert, hat auch viel mit der Direktion und der Kultur einer Compagnie zu tun. Eines der komplexesten Ballette ist The Concert, denn hier geht es nicht um die Schritte, sondern um die Charaktere. Die Tänzer*innen müssen wie Schauspieler*innen denken. In der heutigen Generation gibt es jedoch viele, die einfach nur sie selbst sein wollen. Sie verstehen nicht, worum es in diesem Werk geht, und wollen es so 7

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umsetzen, wie sie denken. Das kann ich nachvollziehen, weshalb ich auch meine Art und Weise des Einstudierens angepasst habe. Mittlerweile gebe ich den Tänzer*innen nur eine Kurzfassung des Stückes. Ich überreiche ihnen damit eine Geschenkbox. Und während ich sie diese auspacken lasse, beobachte ich sie und gebe Tipps. So arbeiten wir gemeinsam, um unser Ziel zu erreichen. A Suite of Dances ist ein intimer Dialog zwischen einem Tänzer und einer Cellistin. Warum muss der Cellopart weiblich besetzt sein? JPF In diesem Ballett geht es um die Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann, was sich eher zufällig entwickelte. Das Stück wurde für Mikhail Baryshnikov kreiert und dieser hat eine Cellistin empfohlen. Jerry war sofort von ihr überzeugt. Baryshnikov mag Frauen, also war es ganz natürlich, das Cello weiblich zu besetzen. Oftmals hat Robbins die Dinge nicht geplant, sondern sie passieren lassen. Er hatte eine Idee, aber sah nicht bewusst voraus, wo sie hinführen könnte. Worauf muss ein Tänzer achten, wenn er dieses Stück tanzt? JPF Es geht um einen Choreographen, der zu Beginn allein in einem Studio der Musik zuhört und über Möglichkeiten nachdenkt, diese zu choreographieren. Er beginnt zu improvisieren und entsprechend sind die Bewegungen im ersten Solo sehr organisch und gar nicht forciert. Robbins ging es um den Tänzer und das Ausprobieren, nicht um eine Vorstellung vor Publikum: »Easy Baby, easy«, pflegte er zu sagen – und so empfehle auch ich den Tänzern, es locker zu nehmen und nicht zu viel zu analysieren. Die vier Soli in A Suite of Dances sind sehr unterschiedlich. Der Tänzer muss sich natürlich intensiv mit dem Schrittmaterial auseinandersetzen, er braucht aber auch eine starke Persönlichkeit und muss sein eigenes Künstlertum einbringen. Bei A Suite of Dances geht es vor allem darum, was man aus der Choreographie macht. Es kann nicht alles auf dem gleichen Bewegungslevel stattfinden, braucht Schwankungen zwischen oben und unten. Bestimmte Bewegungen muss man »ausweiden«, um dahin zu kommen, was Robbins kreiert hat. Als er das Stück choreographierte, tanzte er alles selbst. Er wollte verstehen, wie sich eine Bewegung anfühlt. Alles in A Suite of Dances ist Jerome Robbins, zeigt, wer und wie er war. Baryshnikov war in seinen späten 40ern, als das Stück choreographiert wurde. Seine Knie waren nicht mehr gut, aber er wusste seine Persönlichkeit zu nutzen und die Kreation zu seiner eigenen zu machen. Nach 42 Jahren in der Leitung des New York City Ballet beendete Jerome Robbins 1990 seine Tätigkeit als Ballettmeister. Vorausgegangen waren dieser Entscheidung mehrere private Schicksalsschläge sowie der Rücktritt Lincoln Kirsteins von der Position des General Director der Compagnie. A Suite of Dances war eine der ersten neuen Choreographien nach diesem großen Einschnitt.

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GEORGE BALANCHINE

»Tanzen macht die Musik visuell interessant. Wenn unsere Augen unterhalten werden, beginnen wir, auf eine neue Art und Weise zuzuhören.«


JPF Jerome Robbins, der diese Zeit mit Reisen verbrachte und seine Werke mit anderen Compagnien einstudierte, muss Mikhail Baryshnikov für die Reaktivierung seiner kreativen Kräfte danken. Baryshnikov kontaktierte ihn und fragte, ob er mit ihm im Studio arbeiten möchte – ganz ohne den Druck, dass ein Stück entstehen müsse. Robbins dachte sofort an die Cello-Suiten von Bach, die er kürzlich gehört hatte. So haben wir uns jeden Tag um 9 Uhr getroffen, bevor die NYCB Company Class begann und Jerry hat einfach gearbeitet. Von sechs Teilen, die er choreographiert hat, haben es vier in die finale Version der Suite geschafft. Robbins war wie ein Maler, er kreierte und wählte dann aus, was er brauchte und was nicht. Am Anfang unseres Ballettabends stehen die Glass Pieces, ein großes Ensemblestück, das thematisiert, wie wir uns in der Stadt bewegen, durch die Stadt treiben lassen. Alltagsmomente sind ein wichtiges Element. Mittendrin ist aber auch ein Pas de deux, in dem die Zeit stillsteht und der sehr »balletic« ist. JPF Es ist diese Kombination aus beidem – klassisch und urban –, was dieses Stück so besonders macht. Für mich sind außerdem die Farben des Lichts und der Kostüme faszinierend. Die Kostüme zu Beginn erinnern an Trainingskleidung, aber haben in ihrer Farbigkeit einen Sinn. Die Musik versprüht einen pulsierenden Drive. Glass Pieces ist sehr New York! Jerome Robbins war einer der ersten, der zu Musik des Minimalisten Philip Glass choreographiert hat. Wie ist er bei der Musikauswahl für seine Werke vorgegangen? JPF Robbins hat unglaublich viel und unterschiedliche Musik gehört. Wenn er ein Stück kreierte, ließ er die gesamte Zeit die Musik laufen. Immer wieder. Non Stop. Sobald ihm eine Idee kam, schrieb er sie auf ein Blatt Papier nieder. Ihm war es wichtig, jedes Ballett anders zu gestalten. Glass Pieces sollte etwas Amerikanisches werden. Philip Glass war damals äußerst populär und Robbins fühlte sich sehr von seiner Musik angezogen. Wenn er eine Komposition fand, die Sinn für ihn machte und die er visualisieren konnte, dann war das genug Inspiration für ihn. The Concert vervollständigt den Robbins-Balanchine-Ballettabend. G­e­ ben die drei Stücke einen guten Eindruck über das Robbins Repertoire? JPF Ja! Es sind drei komplett verschiedene Stücke. Das ist das Fantastische an Robbins: Man kann einen ganzen Abend mit seinen Werken programmieren und das Publikum kann unterschiedliche Seiten in Bezug auf Choreographie, aber auch auf seine Persönlichkeit kennenlernen.

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Wie würden Sie The Concert in wenigen Worten beschreiben? JPF The Concert handelt von Charakteren, dem alltäglichen Leben, alltäg­ lichen Situationen, von Gedanken, dem Gedanken-Nachhängen ... es geht um unsere Fantasien. Der Ballettabend A Suite of Dances zeigt auch Balanchines Duo Concertant für zwei Tänzer, Violine und Klavier. Werke von Balanchine und Robbins sind ein wesentlicher Bestandteil des Repertoires des Wiener Staatsballetts. Warum ist es auch heute wichtig, sich mit diesen Choreographen auseinanderzusetzen? JPF Die Ballette von Balanchine und Robbins zu tanzen, lehrt unglaublich viel – vom klassischen Ballett über Spitzenschuhtechnik bis hin zur Musikalität. Beide Choreographen sind sehr musikalisch. Wenn Robbins Anfragen erhielt, eines seiner Stücke einem anderen Ensemble anzuvertrauen, hat er zunächst immer Videomaterial angefordert, in welchem die Tänzer*innen in einem Werk Balanchines zu sehen sind. Wenn eine Compagnie Balanchine tanzt, bekommt man sofort ein Gespür, ob sie musikalisch ist: Wie sie sich zur Musik bewegt, wie sie die Freiheit in der Bewegung findet, ohne nervös zu werden. Balanchine sagte stets: »Don’t think, just do! Dear, just do the steps, relax.«

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glass pieces Musik Rubric & Façades aus Glassworks sowie Ausschnitte aus der Oper Akhnaten von Philip Glass Choreographie Jerome Robbins © The Robbins Rights Trust

Musikalische Leitung Benjamin Pope Bühne Jerome Robbins & Ronald Bates Kostüme Ben Benson Licht Ronald Bates Einstudierung Jean-Pierre Frohlich Orchester der Wiener Staatsoper

URAUFFÜHRUNG 12. MAI 1983 NEW YORK CITY BALLET, NEW YORK STATE ERSTAUFFÜHRUNG DURCH DAS WIENER STAATSBALLETT AM 3. MAI 2011


Jerome Robbins


JEROME ROBBINS

»Ich arbeite in den Proben immer auf eine Schlüssel­bewegung hin, die die Stimmung oder das Geschlecht der ganzen Arbeit festlegt. Darauf baue ich dann auf … Jedes Ballett, so glaube ich, ist individuell. Es kreiert seine eigene Welt, seine eigene Gesellschaft und seine eigenen Bräuche; es hat sein eigenes Leben. Die Herangehensweise muss daher in jedem Fall spezifisch sein.«


von engeln und gehenden NASTASJA FISCHER

Der Choreograph Jerome Robbins und der Komponist Philip Glass trafen sich zum ersten Mal im Jahr 1976, als Robbins eine Vorstellung der Oper Einstein on the Beach besuchte. Nachdem er Glass’ Wunsch, bei der Uraufführung von Satyagraha – einem weiteren Werk aus der Serie über berühmte Persönlichkeiten – Regie zu führen, nicht nachkommen konnte, sollte schließlich die Oper Akhnaten über den ägyptischen Pharao Echnaton Ausgangspunkt einer ersten Zusammenarbeit der beiden Künstler werden. Robbins war fasziniert von ägyptischer Kunst und Geschichte und wusste, dass Glass sich für seine neueste Komposition intensiv mit dieser Thematik beschäftigte. Mit seiner Kenntnis sowie seinem Können wurde Robbins schnell Teil des Teams und während er zunächst eher eine beratende dramaturgische Position einnahm, die zur Nennung seines Namens als Co-Autor des Librettos führte, war allen Beteiligten bald klar, dass kein anderer als Robbins diese Oper auch inszenieren sollte: »Seine Fragen waren in gewisser Weise die Mutter der Antwort. Indem er die richtige Frage stellte, konnte man sich einen Weg durch das Stück bahnen«, so Philip Glass. Doch alles kam anders: 1982/83, mitten in der Arbeit am Akhnaten-Libretto, verschlechterte sich George Balanchines Gesundheitszustand zunehmend und Robbins’, für den die Arbeit beim New York City Ballet stets oberste Priorität hatte, musste sich ganz seinen Aufgaben als Ballettmeister widmen. Hatte Robbins ursprünglich geplant, eine Choreographie zu Musik von Philip Glass als Vorarbeit zu Akhnaten zu kreieren, um sich mit dem Stil des Komponisten vertraut zu machen, entstanden nun die Glass Pieces. Musikalische Basis für die ersten beiden Teile wurden die Stücke Rubric und Façades, die Glass ihm 1982 aus seiner Sammlung Glass Works zusandte, nachdem Robbins ihn um etwas Musik gebeten hatte: »to get my feet wed«. Glass Works, eine Kammermusik aus sechs in der Dauer überschaubaren

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Sätzen im typischen Minimal Music-Stil, waren zunächst als reine Studioproduktion für das breite Publikum der damaligen Walkman-Generation konzipiert und fanden erst später auch Eingang in den Konzertsaal. Der Reiz der Stücke liegt in ihrer Einfachheit, die Robbins zur choreographischen Auseinandersetzung mit minimalistischen Strukturen und der Verbindung physischer Architekturen mit Musik animierte. Als Ausgangspunkt des Finales der Choreographie diente ihm dagegen der Trauermarsch, der die Oper Akhnaten eröffnet und seine Uraufführung aber bereits im Rahmen der Premiere der Glass Pieces erlebte, kam die Oper doch erst zu einem späteren Zeitpunkt heraus. »Wie klingt deine Musik?«, wurde Philipp Glass oft gefragt. Seine Antwort darauf gilt auch für Robbins’ Glass Pieces: »Sie klingt wie New York.« Was als abenteuerliches und unvorhergesehenes Projekt startete, wurde ein immenser Erfolg für Robbins, der nicht nur mit seiner Musikauswahl neue Wege am New York City Ballet und im klassischen Ballett ging, sondern ebendieses mit postmodernen Bewegungsstrukturen wie dem Einsatz von choreographisch-geometrischen Mustern, der Wiederholung sowie der Verfolgung eines besonderen Rhythmus bereicherte. Der selbstkritische Robbins war allerdings nicht von Beginn an von seiner Arbeit überzeugt: »Glass [Pieces] ist so lala und geht nirgendwo hin. Das Ende ist schlecht.« Doch kurz nach der Premiere musste auch er seinen Hit anerkennen: »Die Premiere von Glass [Pieces] war überraschenderweise ein ›biggie‹.«

»In Glass Pieces koexistieren verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Motiven im selben Raum, nur dass sie in diesem ein jeweils anderes Leben führen.« JEAN-PIERRE FROHLICH

Glass Pieces, als Titel eine deutliche Referenz an den Komponisten Philip Glass, vielleicht auch ein Verweis auf das Durchlässige, Zerbrechliche, Momenthafte, beschreiben mit ihrer choreographischen Sprache das urbane Leben einer Metropole wie sie New York City ist: Dynamik, Rhythmus und Impuls sind die entscheidenden Elemente der Choreographie, die nicht nur das Stadttreiben und die Stadtbewegungen generell aufgreift, sondern sich auch mit der Raum-Zeit auseinandersetzt, indem sie gezielt die gleichzeitige Anwesenheit verschiedener Menschen bzw. Gruppierungen an einem Ort künstlerisch interpretiert. So gleicht der erste Satz, Rubric, der Schnelllebigkeit eines Bahnhofsgeschehen. Die Tänzer*innen gehen die unterschiedlichsten Wege, ignorieren einander und werden doch vom selben urbanen Rhythmus bewegt, in dem sie wie auf ein unsichtbares Zeichen hin eine neue Bewegung zu ihrem Laufen addieren. In dieses pulsierende Treiben mischen sich die »Engel«, wie Robbins sie nannte. Zunächst ein, 17

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MICHEL DE CERTEAU

»Diese Stadtbenutzer spielen mit unsichtbaren Räumen, in denen sie sich genauso blind auskennen, wie sich die Körper von Liebenden verstehen. Die Wege, auf denen man sich in dieser Verflechtung trifft – die unbewussten Dichtungen, bei denen jeder Körper ein von vielen anderen Körpern gezeichnetes Element ist – entziehen sich der Lesbarkeit. Alles geht so vor sich, als ob eine Blindheit die organisierenden Praktiken der bewohnten Stadt charakterisierte. Die Netze dieser voranschreitenden und sich über­kreuzenden ›Schriften‹ bilden ohne Autor oder Zuschauer eine vielfältige Geschichte, die sich in Bruchstücken von Bewegungsbahnen und in räumlichen Veränderungen formiert: Im Verhältnis zu dem, wie es sich darstellt, bleibt diese Geschichte alltäglich, unbestimmt und anders.« »Die gewöhnlichen Benutzer der Stadt aber leben ›unten‹ (down), jenseits der Schwellen, wo die Sichtbarkeit aufhört. Die Elementarform dieser Erfahrung bilden die Fußgänger, deren Körper dem mehr oder weniger deutlichen Schriftbild eines städtischen ›Textes‹ folgen, den sie schreiben, ohne ihn lesen zu können.«


dann zwei und zuletzt drei Paare, in Ganzkörpertrikots gekleidet, ergänzen die Szenerie um ballett-athletisches Schrittmaterial. »Ich möchte, dass du wie ein stählerner Engel aus dem Weltall erscheinst«, beschrieb Robbins diesen Teil der Choreographie für die Tänzerin Heléne Alexopoulus während der Kreation. Rubric bezieht sich wohl am deutlichsten auf das »Gehen in der Stadt«, auf das Spiel der Schritte und das Leben, dass sich in jeder Großstadt weltweit vollzieht. Eine Stadt bzw. der Rhythmus einer Stadt definiert sich vor allem durch die Menschen, die sich in ihr bewegen. So entsteht »der Rhythmus des Städtischen über das Ineinanderwirken der Rhythmen von Körper und Raum«, erklärt die Tanz- und Sozialwissenschaftlerin Gabriele Klein. Der Stadtraum ist also nicht nur Ort aller, sondern das sogenannte »urban feeling« entsteht erst durch die Bewegungen der Fußgänger*innen, die sich in diesen einschreiben, ohne ihn von einer äußeren Perspektive betrachten zu können. Jerome Robbins beschreibt mit seinen Glass Pieces einen solchen Ort, der durchdrungen wird mit der Körperlichkeit der Tänzer*innen und ihren verschiedenen choreographisch angelegten Bewegungssprachen. Im Zentrum des zweiten Teils zu Glass’ Façades steht ein Pas de deux von maje­ stätischer Schönheit, der kontrastierend zu den Alltagsbewegungen, die den ersten Teil definierten, das »ägyptische« Thema aufgreift. In Posen, die an Darstellungen des Pharaos Echnaton und seiner Gemahlin Nofretete auf antiken Vasen erinnern, bewegt sich das Paar mit einer geradezu heiligen Anmut. In seiner Anlage ist der Pas de deux nach innen gerichtet, in seinem Charakter intim. Er vermittelt das Gefühl, die Zeit stehe still, doch im Hintergrund ist der Großstadtrhythmus wie ein Grundrauschen präsent, wenn die Damen des Corps de ballet, nur als Silhouetten sichtbar, sich wie ein nie abreißender Zug durch die Szene bewegen: »Die Tänzerinnen müssen sehr präzise sein, denn man sieht nur die Formen, die ihre Silhouetten kreieren. Jeder Fehler wird sofort vom Publikum bemerkt«, beschreibt Jean-Pierre Frohlich die Herausforderung für diese Tänzerinnen im zweiten Teil. Das eine Einheit bildende Ensemble ist wiederum ausschlaggebend für den letzten Satz, der einem modernen Stammestanz gleicht. Wie bei einem Ritual, das Außenstehende nie genau verstehen können, bewegen sich die Tänzer*innen in exakten Formationen, teilen Energie, Hingabe und Fokus. Die elektrisierende Dynamik des Finales macht – auch wenn die Solist*innen einen großen Anteil an der Choreographie haben – noch einmal klar: »der Star in Glass Pieces ist das Corps de ballet«, so der langjährige Tänzer und Hauschoreograph des New York City Ballet Justin Peck.

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patterns of motion

THOMAS STEIERT

Die nordamerikanische Musik des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts ist mit wenigen Ausnahmen, wie etwa den Werken von Charles Ives, überwiegend von europäischen Vorbildern und Einflüssen geprägt; gleichwohl versuchte man durch die Integration von Jazzelementen und Countrymusik eine spezifisch amerikanische Musiksprache zu entwickeln. Als die bekanntesten Beispiele seien George Gershwins Jazz-Oper Porgy and Bess (1935), Aaron Coplands Musik zu Martha Grahams Tanzstück Appalachian Spring (1944) und Leonard Bernsteins Musical West Side Story (1957) genannt. Abseits der offiziellen Kulturszene in den großen Metropolen formierte sich bereits in den 1930er Jahren eine Avantgardebewegung, die ihre zentrale Wirkungsstätte in dem 1933 gegründeten Black Mountain College fand. Auch hier dominierten zunächst europäische Lehr- und Arbeitsprinzipien, die vor allem von im Exil lebenden Künstlern des Bauhauses vermittelt wurden. Erst in der Nachkriegszeit konnten sich die Pioniere der amerikanischen Avantgarde, allen voran der Komponist John Cage, der Tänzer und Choreograph Merce Cunningham und der Maler Robert Rauschenberg, mit neuartigen Konzepten des Happenings und multimedialen Performanceproduktionen behaupten. Die Einbeziehung von Zufallsoperationen in die kompositorische Planung sowie die Verwendung von Radioapparaten und anderen elektroakustischen Klangquellen in Cages Stücken Imaginary Landscape No. 4 (1951) und Music of Changes (1951) bedeuteten eine radikale Befreiung der Musik von tradierten Modellen. Cages Komponieren zielte nicht auf abgeschlossene Werke, er entwarf vielmehr Spielanleitungen, die

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Klangprozesse bzw. -erfahrungen generierten. Exemplarisch für eine solche »Musik der Absichtslosigkeit« steht das 1952 von David Tudor uraufgeführte Klavierstück 4’33”, in dessen Verlauf das Klavier durchgehend schweigt, die »Musik« sich also allein aus den Geräuschen der Umgebung konstituiert. Die bahnbrechenden Neuerungen, die mit Cages musikalischem Denken verbunden waren, brachten entscheidende Impulse für die Aktionskunst der New Yorker Fluxusbewegung in den frühen 1960er Jahren, in deren Umfeld Komponisten wie La Monte Young und Terry Riley mit Konzepten einer »meditativen« bzw. »repetitiven« Musik hervortraten. Ihre Kompositionen, die oft nur aus einem Klang – »to be held for a long time« – oder aus der gleichförmigen Wiederholung ein und desselben Rhythmus-Schlages bestanden, schufen ein Sound-Environment, das den Hörer gleichsam der Zeit entheben und in einen tranceartigen Zustand versetzen sollte. Die hier zu beobachtende Reduzierung der kompositorischen Mittel auf Grundelemente wie ein Intervall oder ein rhythmisches Motiv, aber auch die hypnotisierende Wirkung dieser ereignislosen Klangzustände auf den Hörer waren entscheidende Schritte auf dem Weg zur Minimal Music, einer originär amerikanischen Musikrichtung, die gleichermaßen Techniken der Avantgarde wie der populären Musik in das kompositorische Kalkül einbezog.

Steve Reich & Philip Glass Steve Reich und Philip Glass, die Protagonisten und bis in die Gegenwart erfolgreichsten Komponisten der Minimal Music, schlugen dabei völlig unterschiedliche Wege ein. So experimentierte Reich mit Endlosschleifen von Tonbändern, auf denen jeweils dieselben Tonfolgen oder Sprachmuster aufgezeichnet waren, die aber in unterschiedlichen Geschwindigkeiten simultan abgespielt wurden. Die daraus resultierenden Phasenverschiebungen brachten dabei stets neue Zusammenklänge hervor, die wiederum eigene Muster bildeten. So entwickelte sich aus einem Motiv von nur wenigen Tönen ein prozessartig sich veränderndes Klangkontinuum. War für Steve Reich das technische Experiment für die Entwicklung neuer kompositorischer Verfahren ausschlaggebend, so war es für den 1937 geborenen Philip Glass die Begegnung mit indischer Musik, die sein kompositorisches Denken grundsätzlich verändern sollte. Glass, der zunächst eine klassische musikalische Ausbildung an der Juilliard School in New York absolvierte, hielt sich von 1964 bis 1966 im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums in Paris auf, wo er neben seinem Kompositionsstudium bei Nadia Boulanger vor allem in der Theater- und Filmszene tätig war. Hier lernte er den indischen Sitarspieler Ravi Shankar kennen, dessen Musikeinspielung zu Conrad Rooks Film Chappaqua er in europäische Notation übertrug. Bei dieser Arbeit entdeckte Glass die rhythmische Struktur der indischen Musik, die im Unterschied zur metrischen Taktgliederung der westlichen Musik allein aus der kontinuierlichen Reihung rhythmischer Werte (»beats«) entsteht. Seine ersten Versuche, zyklische Abläufe aus rhythmischen Zellen, sogenannten »patterns«, zu komponieren, entstanden zunächst in Verbindung mit Theaterproduktionen des in Paris lebenden amerikanischen Theatermachers Lee 21

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Breuer, für dessen Inszenierung von Samuel Becketts Play Glass eine Musik für zwei Sopransaxophone schrieb, die aus jeweils nur zwei Tönen eine Vielfalt von akustischen Bewegungsmustern hervorbrachten. Als Breuer 1967 nach New York zurückkehrte und die Theatertruppe Mabou Mines gründete, fungierte Glass für mehrere Jahre als Musiker in dieser Company. Zugleich formierte sich das Philip Glass Ensemble, eine Gruppe von Instrumentalisten und Sängern, die Glass’ inzwischen neu entstandene Werke wie etwa Music for Similar Motion (1969) oder Music with Changing Parts (1970) auf zahlreichen Konzertreisen wirkungsvoll präsentierte. Elektrisch verstärkte Flöten und Saxophone, elektronische Orgeln, Synthesizer und Stimmen bestimmten das klangliche Erscheinungsbild des Ensembles, dessen ursprünglich harter und klarer Sound in den frühen 1980er Jahren durch hinzukommende Streichinstrumente ein eher sinfonisch-homogenes Profil erhielt. Den entscheidenden Durchbruch in seiner Karriere erzielte Glass mit seiner Oper Einstein on the Beach, die 1976 nach ihrer Uraufführung in Avignon u.a. auch an der New Yorker Metropolitan Opera herauskam. Das in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Robert Wilson konzipierte multimediale Musiktheaterstück folgt keiner erzählenden Dramaturgie; Sprache, Bewegung, Klang und Bild werden vielmehr als »bedeutungslose« Versatzstücke verstanden, die stets sich verändernde Raum-Zeit-Strukturen bilden und so das Assoziationsvermögen des Zuschauers stimulieren. In der Folge schuf Glass mit der Gandhi-Oper Satyagraha (1980) und dem Pharaonen-Stück Akhnaten (1984) zwei weitere »Porträts« bedeutender historischer Figuren, die er mit der Einstein-Oper als Trilogie von Wissenschaft, Religion und Politik verstanden wissen wollte.

Glassworks Als eine Art Resümee seines bisherigen Schaffens konnte man die 1982 komponierten Glassworks bezeichnen, die zum einen prägnante Modelle der repetitiven Musik vorführen und damit den kompositionstechnischen Aspekt betonen, zum anderen der ästhetischen Imagebildung dienen, indem sie ein breites, vor allem mit Popmusik vertrautes Publikum ansprechen sollen. So greift Glass in seinem kompositorischen Selbstporträt bewusst auf das für sein Frühwerk typische Instrumentarium zurück, das nun in verschiedenen kammermusikalischen Kombinationen erklingt. Die zyklische Anlage des Werkes verbindet eine Reihe von Stücken, deren Titel (Floe, Islands, Rubric, Façades) visuelle Vorstellungen evozieren. Sie rufen gleichermaßen Bilder, Bewegungen und Stimmungen wach, die mit den »Patterns of Motion«, also den Bewegungsmustern der Musik korrespondieren. Opening und Closing, die dem Prinzip von Exposition und Reprise folgen, rahmen die klingenden Environments ein.

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PHILIP GLASS

»Meine Musik ist nicht wie die von Xenakis oder Cage, die von den meisten nicht verstanden wird. Es ist eine Musik, die sie fast verstehen, und dann doch oft scheitern. Ich habe einen neuen Weg gefunden, Musik wieder schwierig zu machen.«


Probe zu Glass Pieces

Marcos Menha bei einer Probe zu A Suite of Dances →



Duccio Tariello, Jackson Carroll, Edward Cooper & Ensemble bei einer Probe zu Glass Pieces


Ketevan Papava, Zsolt Török, François-Eloi Lavignac, Andrés Garcia Torres & Ensemble bei einer Probe zu The Concert


Eno Peci bei einer Probe zu The Concert


Davide Dato & Kiyoka Hashimoto bei einer Probe zu Duo Concertant



duo concertant Musik Duo Concertant für Violine und Klavier von Igor Strawinski Choreographie George Balanchine © The George Balanchine Trust

Licht Ronald Bates Einstudierung Ben Huys Violine Fedor Rudin Klavier Shino Takizawa

URAUFFÜHRUNG 22. JUNI 1972 MIT KAY MAZZO & PETER MARTINS STRAVINSKY FESTIVAL DES NEW YORK CITY BALLET, NEW YORK STATE THEATER ERSTAUFFÜHRUNG IN DER WIENER STAATSOPER AM 29. OKTOBER 1976 MIT KAY MAZZO & PETER MARTINS


JENNIFER HOMANS

»Balanchine machte das klassische Ballett zur heraus­ragenden Kunst der Moderne und des 20. Jahrhunderts. In New York schuf er dem Tanz ein Publikum und baute eine Zivil-Gemeinschaft, die seiner Arbeit treu war – eine Agora des Theaters und der Kunst, die sich um das City Center und dann das New York State Theater konzentrierte. … Er löste das Problem der Erzählung und der Pantomime, das Ballettmeister seit dem Zeitalter der Aufklärung geplagt hatte. Seine Ballette übersetzten keine Worte in Tänze, im Gegenteil: Er machte das Ballett zu seiner eigenen Sprache – einer physischen, visuellen und musikalischen – und schuf Tänze, die mit ihren eigenen Begriffen gesehen und verstanden werden können. Nach Petipa und Diaghilew verwurzelte er das Ballett in der Instrumental-Musik von Bach bis Strawinski. … Er gab dem Ballett seinen Platz als feine Unterhaltung und als sinnliche und sensitive Kunst zurück, aber auch – und gleichzeitig – als olympisches Ideal.«


George Balanchine und Igor Strawinski 1957 bei einer Probe zu Agon


nachruf auf den zeitschöpfer CAECILIA BRENNINKMEYER

Die jahrzehntelange Herzens- und Arbeitsfreundschaft zwischen George Balanchine und Igor Strawinski gehört zweifelsohne zu den glücklichsten Verbindungen in der Ballettgeschichte. Die besondere Begabung, ja Genialität und letztlich auch der Mut Strawinskis als Komponist stießen in seinen Begegnungen mit dem Tanz – zunächst mit Sergej Diaghilews Ballets Russes und später in engem Kontakt mit George Balanchine – auf fruchtbaren Boden, so dass er zu dem Ballettkomponisten par excellence wurde. Zwischen Strawinskis musikalischen Vorstellungen und den Möglichkeiten des Tanzes besteht ein schöpferisches Verhältnis, welches auf einer gegenseitigen Bedingung der beiden Künste zu beruhen scheint. Seine viel zitierte Aussage: »Wenn man Musik in ihrem vollen Umfange begreifen will, ist es notwendig, auch die Gesten und Bewegungen des menschlichen Körpers zu sehen, durch die sie hervorgebracht wird«, lässt seine ausgeprägte Affinität zu Körper und Bewegung naheliegend erscheinen, stets fungiert dabei der Rhythmus als »Lebensader« der Komposition wie auch als Bindeglied zwischen Musik und Tanz. Seit seiner Inszenierung zu Strawinskis Le Chant du Rossignol, 1925 in Paris im Auftrag Diaghilews entstanden, verband Balanchine mit dem russischen Komponisten eine kongeniale Partnerschaft, die ihren Höhepunkt im 1957 entstandenen Ballett Agon fand. Choreographie und Musik traten in einen Dialog und bedingten einander. Balanchine

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emanzipierte die Choreographie im Zusammenwirken mit der Musik mit der größten Konsequenz und schuf ihr ihren eigenen Raum, indem er die Musik nicht nur visualisierte, sondern ergänzte. So wurden in Strawinskis und Balanchines Zusammenarbeit beide künstlerischen Ausdrucksarten zum unverzichtbaren Teil eines einzigen Werkes und Strawinskis Musik zum Quell der tänzerischen Ideen Balanchines. In ihren besten Schöpfungen genügten sich beide künstlerische Ausdrucksformen gar in reinem Formenspiel: Strawinskis Musik ohne Stoff, Aussage oder eine Geschichte und Balanchines Ballett handlungslos, ohne Kostüm und Bühnenbild. Allein auf pure Bewegung und Körper konzentriert lässt er die Tänzer im Trainingsdress auftreten und definiert auch den Raum durch die Qualität der Bewegungen und die Plastizität seiner Choreographie. Ein Jahr nach dem Tod des Komponisten veranstaltete Balanchine 1972 – zum 90. Geburtstag seines Freundes – ein aufwändiges Strawinski-Festival, zu dem er auch ehemalige Tänzer des New York City Ballet ins Lincoln Center einlud, um sich mit ihrer Hilfe seine frühen Choreographien zu Strawinskis Musik in Erinnerung zu rufen. Auf dem Programm standen 33 Ballette, darunter zehn Rekonstruktionen. Zu den neuen Werken, die Balanchine zu diesem Anlass in einer Phase unbeschreiblicher Kreativität kreierte, zählen u.a. Symphony in Three Movements, Stravinsky Violin Concerto, Scherzo à la Russe sowie das Duo Concertant – in der Uraufführung getanzt von Kay Mazzo und Peter Martins.

Duo Concertant Strawinski hatte sein Duo Concertant 1932 für den Geiger Samuel Dushkin geschrieben, in dessen Auftrag er sich erstmals mit der Violintechnik auseinander gesetzt hatte, um ein Violinkonzert zu komponieren. Die Arbeit am Violinkonzert weckte sein Interesse für die Geige und reizte ihn, weitere Werke für dieses Instrument zu schaffen. Mit dem Duo Concertant für Violine und Klavier rüstete er sich nach der Berliner Uraufführung des Violinkonzertes für eine große Europatournee an der Seite Dushkins, um ein Repertoire in der Tasche zu haben, mit dem man sich auch jenseits intensiver Probenzeiten, Auftritten mit Orchester und nicht angewiesen auf große Konzertsäle jederzeit präsentieren konnte. Inspiration fand Strawinski in einem zu dieser Zeit erschienenen Buch seines Freundes Charles Albert Cingria über den Renaissance-Dichter Francesco Petrarca. So beziehen sich vier der fünf Sätze in ihren Titeln auf klassische Lyrik: Cantiléne, Eglogue I und II sowie Dythrambe. Nur die kraftvoll-lebendige Gigue, der vierte Satz, fällt heraus. Balanchine kannte und liebte das Stück seit er es kurz nach der Uraufführung auf einer der Stationen der besagten Europa-Tournee mit Strawinski und Dushkin erstmals gehört hatte. »Es war immer eines meiner Lieblingsstücke, und als wir beim New York City Ballet ein Strawinski-Festival planten, entschloss ich mich, zu diesem ein Ballett zu machen«, so der Choreograph. Duo Concertant steht als Metapher für die Idee, mit seinem Festival Strawinski als Ballettmusikschöpfer zu feiern und zu ehren. Balanchine schuf damit eine Würdigung der Musik und speziell des Komponisten durch den Tanz, einen Pas de deux, der in seiner berührenden Einfachheit in seinem Œuvre heraussticht. 35

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Zu Beginn des Stückes stehen eine Tänzerin und ein Tänzer auf der Bühne neben dem Flügel, dort, wo die beiden Musiker zu spielen anfangen, und hören zunächst aufmerksam zu. Alle Vier leben in diesem Augenblick und zeigen sich selbst, als Tänzer, als Musiker, als Künstler, zusammengekommen, um die Musik, den Tanz und ihr Zusammensein zu genießen und zu zelebrieren. Indem Balanchine die Tänzerin und den Tänzer zunächst beim Zuhören zeigt, rückt er die Musik in den Vordergrund. Ihre Mimik beim Zuhören lässt uns von Zuschauern zu Zuhörern werden. Schließlich werden die Tänzerin und der Tänzer von der Musik zu Bewegungen verleitet, spürbar geht der Antrieb zu tanzen von den Klängen der Geige und des Klaviers aus. In lustvoller Spontanität nehmen sie sich den Raum auf der Bühne. Zunächst den Rhythmus der Musik direkt in ihre Bewegungen übernehmend – als würden sie die Musiker mit ihren Armen und Beinen dirigieren – kommen nach und nach weitere Bewegungselemente hinzu und entwickeln sich in größter Einfachheit und Natürlichkeit, bis sich die Tänzerin auf die Spitze erhebt, der Tänzer sie stützt und sich beide in einem Wirbel verlieren. In ungeheuer sensibler Musikalität reagieren sie auf die rhythmischen Impulse der Partitur. Im folgenden Pas de deux und den zwei Soli bleibt die intime Verbindung zwischen Tänzern und Musikern stets bestehen: Von Zeit zu Zeit unterbrechen beide ihren Tanz, sich wieder in vertrauten, ruhenden Posen auf das Zuhören konzentrierend, nur um sich dann erneut von der Musik inspirieren zu lassen. Der Tänzer zeigt sich in seinem Solo mit sich selbst und seinem Körper beschäftigt, mit Bewegungen experimentierend, kleine Sprünge oder Ports de bras ausprobierend. Im Gegensatz dazu präsentiert sich die Tänzerin in ihrem Solo selbstbewusst dem Publikum, dem Puls der Musik stets folgend. Zur elegisch getragenen Melodie des letzten Satzes, verändert sich die Stimmung abrupt: Die Bühne ist dunkel, nur mehr ein Spot beleuchtet die beiden Musiker, ein anderer hinterlässt einen strahlend hellen Lichtkegel auf dem Tanzboden. Die Tänzerin hält ihren Arm ins Licht. Von ihr losgelöst erscheint er wie ein Symbol purer Schönheit, die Zeit und damit alle Bewegung stehen einen Moment still. Der Tänzer küsst ihre Hand und kniet anbetungsvoll vor ihr nieder. Der Wechsel von jugendlich heiterem Händchenhalten am Flügel zum leidenschaftlichen Liebkosen der Hand am Ende, von naiver Verspieltheit zu intensiv dramatischer Suche und Verlangen kommt unvorbereitet, heftig und schamlos. Musiker und Tänzer sind nun durch den tiefschwarzen Schatten meilenweit voneinander entfernt, ihre Verbindung ist gekappt. Zum Schluss dieses Balletts entwirft Balanchine das Bild einer Muse, die inspiriert, aber unerreichbar bleibt und letztlich im Dunklen verschwindet. Tänzerin und Tänzer werden zum Sinnbild für Musik und Tanz. Das Verschwinden der Tänzerin und das vergebliche Suchen des Tänzers nach ihr bezeichnet aber auch die große Lücke, die Strawinskis Tod an Balanchines Seite hinterließ.

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GEORGE BALANCHINE

»Das tänzerische Element ist der dominierende Puls­schlag in Strawinskis Musik. Er ist immer spürbar, eindringlich, stets über­ zeugend. Man fühlt ihn sogar in den Pausen. Er hält jedes seiner Werke zusammen und durchdringt sie alle.«



a suite of dances Musik Prélude aus Suite Nr. 1 G-Dur BWV 1007, Gigue aus Suite Nr. 1 G-Dur BWV 1007, Sarabande aus Suite Nr. 5 c-Moll BWV 1011, Prélude aus Suite Nr. 6 D-Dur BWV 1012 für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach Choreographie Jerome Robbins © The Robbins Rights Trust

Kostüm Santo Loquasto Licht Jennifer Tipton Einstudierung Jean-Pierre Frohlich Violoncello Ditta Rohmann

URAUFFÜHRUNG 3. MÄRZ 1994 MIT MIKHAIL BARYSHNIKOV WHITE OAK DANCE PROJECT, NEW YORK STATE THEATER


Jerome Robbins 1976 bei einer Probe zu Other Dances mit Mikhail Baryshnikov


JEROME ROBBINS

»Dieses Ballett war für mich eine echte Mach-oder-StirbAngelegenheit.«

»Ich denke, es dreht sich alles um Jerry – einen Mann, der sich auf ein Bein stützt, zuhört und sich wundert: ›Okay, was kommt als Nächstes?‹ Da ist Ironie und Dringlichkeit und auch eine bittersüße Qualität.« MIKHAIL BARYSHNIKOV


über die verfertigung der bewegung ANNE DO PAÇO

Auf einer schlichten, leeren Bühne ein Tänzer und eine Cellistin. Während diese beginnt, das Prélude aus der ersten Solosuite G-Dur BWV 1007 von Johann Sebastian Bach anzustimmen, macht er einen ersten Schritt, pausiert, macht den nächsten, beginnt eine Bewegung, die sich mit dem nächsten Schritt in den ganzen Körper überträgt. Als würde er überlegen, was nun folgt, schaut er auf seine Hände. Schließlich beginnt er sich immer mehr den Raum zu erobern mit geschmeidigen Sprüngen und verspielten Kicks in die Luft. Dann kollabiert aber eine klassische Manège plötzlich in ein Drehen auf der Stelle, das den Schwindel in einer Gegendrehung abzufedern versucht. Die Energie geht rapide verloren, der Tänzer lässt den Kopf hängen, bricht ab. Statt uns an seinen Bewegungen teilhaben zu lassen, macht er uns in einem Moment des Scheiterns – ob absichtsvoll oder durch das Schwinden der Kräfte bedingt, bleibt offen – zu Zeugen eines Erinnerns, das sich bewusst ist, dass das, was hier gerade geschieht, eine Vergangenheit hat, die nicht mehr Gegenwart ist. In der folgenden Variation zur Gigue der G-Dur-Suite verleiht der Kontrast aus flinker, kleinteiliger Beinarbeit und federnden Sprüngen, also vielen raschen Bewegungen im unteren Körperbereich, und einem weiten Ausschwingen der Arme im Raum dem Tänzer eine befreite Schwerelosigkeit, die aber nicht für sich stehen bleibt, sondern durch eine männlich-auftrumpfende Fandango-Pose und einen übermütig-verspielten Purzelbaum voller Witz geerdet wird. Immer wieder bricht die Choreographie auch im Folgenden aus dem Vokabular des klassischen Balletts aus – sei es mit weiteren akrobatischen Elementen wie einem Radschlag, sei es in Alltagsbewegungen wie einem schlichten Gehen oder einfach nur Stehen auf der Stelle, wie in der dritten Variation zur Sarabande aus der Suite Nr. 5 c-Moll BWV 1011 – dem Ruhepol des Stückes. Der Tänzer lauscht der Musik, setzt ein paar wenige Schritte durch den Raum. Als er schließlich seinen rechten Arm langsam

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nach oben führt, der Bewegung mit seinem Blick folgend, wird dieses schlichte Moment zum Ereignis. Ein Pendeln und Schwingen erinnert an den Flug der Vögel. Wie Leonardo in seiner berühmten Darstellung des Idealbilds des Menschen, lotet der Tänzer von der Körpermitte ausgehend den ihn umgebenden Kreis und von den Schritten ausgehend das ihn umgebende Quadrat im Raum aus. Am Ende formen sich die Hände zu einer Treppe, einer Himmelsleiter – unseren Blick zu jenem Sehnsuchtsort lenkend, den zu suchen ein so zentrales Motiv des romantischen Balletts war. Die vierte Variation zum Prélude aus der Suite Nr. 6 D-Dur BWV 1012 ist schließlich eine Erforschung der Linie im Raum. Eine zentrale Achse ist es, auf der sich der Tänzer von hinten nach vorne und wieder nach hinten bewegt – also auf uns zugehend und sich wieder entfernend –, mal ihr gerade folgend, mal sie in Kurven umschlängelnd. Diese Raum-Achse findet ihr Spiegelbild in der sich vom Scheitel durch die Wirbelsäule zur Sohle ziehenden Körper-Achse, um die sich die Bewegungen in dieser Variation drehen – einer Vertikalen, die sich zwischen oben und unten, Geist und Materie aufspannt. Erst am Schluss bricht der Tänzer aus dieser strengen Linienführung wieder aus, erobert sich die gesamte Bühne und lässt sich zu einer Folge von Drehungen hinreißen, die er – ins Taumeln geraten – zwischendurch aber einfach unterbricht. Mit einer »Ach, was tun wir hier eigentlich«-Geste gibt er seiner Partnerin am Cello schließlich ein Zeichen, dass ihre Zusammenkunft mit diesem Bach-Prélude ein Ende haben wird – und wirft sich ihr nach einem Radschlag ebenso erschöpft wie hingebungsvoll vor die Füße. A Suite of Dances zählt zu den späten Werken Jerome Robbins’, 1992 begonnen auf Anregung des Ausnahmetänzers Mikhail Baryshnikov, für den der Choreograph bereits 1976 Other Dances (mit Natalia Makarova) und 1979 Opus 19 / The Dreamer (mit Patricia McBride) kreiert hatte. Für Robbins, der 1990 seine Tätigkeit beim New York City Ballet beendet hatte, war es eine schwierige Zeit, die nicht nur von seinem angeschlagenen Gesundheitszustand überschattet wurde, sondern auch durch den Verlust wichtiger Wegbegleiter: 1990 war Leonard Bernstein, mit dem er 1942 seinen ersten großen Erfolg Fancy Free geschaffen und 1957 den Welthit West Side Story herausgebracht hatte, verstorben. 1991 verlor Robbins’ ehemaliger Partner und immer noch naher Freund Jesse Gerstein im Alter von nur 34 Jahren den Kampf gegen AIDS. Ohne die Kraft seiner früheren Kreativität noch zu spüren, sah sich Robbins bereits am Ende seines Choreographierens angekommen – eine Blockade, die Baryshnikov dann aber noch einmal zu lösen verstand, indem er Robbins zu einer unforcierten Zusammenkunft im Ballettsaal animierte, ganz ohne den Druck einer konkreten Aufführung zu einem bestimmten Termin. Baryshnikov hatte seine Karriere als Tanzvirtuose aufgrund körperlicher Probleme längst beendet, sich aber als ein ebenso bedeutender Interpret eines Repertoires jenseits der Ballettklassik etabliert. Seit 1980 hatte er dem American Ballet Theatre als Direktor zu neuem Glanz verholfen und 1990 zusammen mit dem Choreographen Mark Morris das White Oak Dance Project als eine Plattform für die Entwicklung neuer Werke und die Rekonstruktion zentraler Arbeiten der Moderne gegründet. Im Rahmen dieses Projekts kam am 3. März 1994 im New York State Theater schließlich die Essenz der 1992 angestoßenen, über zwei Jahre sich hinziehenden Zusammenarbeit, in der 43

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FRIEDEMANN OTTERBACH

»Ist die Tanzmusik keine Musik zum Tanzen mehr, dann ist der Gebrauchscharakter verloren. Lediglich als Vorlage für die Darbietung vor einem Publikum verwendet, erhält solche Musik annähernd autonomen Charakter. Mit Mitteln musikalischer Stilisierung und einer primär an der musikalischen Struktur interessierten Rezeptionshaltung ist das ›Aufgehobene‹ – das Tänzerische an der Musik – gewissermaßen auf eine höhere Stufe gebracht und insofern in einer anderen Form auf-bewahrt. Infolge der Stilisierung hat sich die musikalische Normierung – sie ließe sich letztlich aus der Bewegung der Tänzer herleiten – in ein vom Tanz losgelöstes Musikalisch-Autonomes befreit. Für die musikalische Autonomisierung ist sozusagen die Norm der Normdurchbrechung gesetzgebend. Auf die Spitze getrieben ist dieser Individuationsprozess bei Bach in den 3 Partiten für Violine solo und in den 6 Suiten für Violoncello solo. Der Tanz-Charakter der einzelnen Sätze ist hier oft nicht mehr durchhörbar, gleichwohl bildet er die Folie jedes einzelnen Satzes.«


ein herausragender Interpret quasi zur Verlängerung der Imaginationen eines Choreographen wurde, zur Premiere: A Suite of Dances – ein geradezu weises Alterswerk des 76-jährigen Robbins. Dass Robbins sich hierfür ausgerechnet noch einmal dem Komponisten Johann Sebastian Bach zuwandte, mit dessen Goldberg-Variationen er sich bereits 1972 intensiv auseinandergesetzt hatte, dürfte alles andere als eine unbedachte Laune gewesen sein. Vielmehr zeigen auch die beiden noch folgenden Werke – 2 and 3 Part Inventions, 1994 für die School of American Ballet choreographiert, sowie Brandenburg, 1997 mit dem New York City Ballet uraufgeführt –, dass Bachs Musik für Robbins in dieser Zeit eine zentrale Rolle spielte. Die wahrscheinlich um das Jahr 1720 im kunstsinnigen Klima der Residenzstadt Köthen entstandenen Suiten für Violoncello solo BWV 1007–1012 gelten bis heute in ihrer extremen gedanklichen Konzentration als Essenz des Cellospiels. In der beliebten Form der Tanzsuite verlangen sie eine für die damalige Zeit völlig neue Gestaltungsfreiheit und stellen ungewöhnliche Ansprüche an Spieltechnik, Interpretation und Kondition. Bach löste die gängigen Tänze Allemande, Courante, Sarabande und Gigue, ergänzt durch Menuette, Bourrées und Gavotten und eingeleitet durch Préludes, aus ihrem höfischen Kontext und damit aus ihrem ursprünglichen Gebrauchszusammenhang, um sie nurmehr als formale Gerüste und rhythmische Impulsgeber für eine Musik zu nutzen, in der sich höchster Kunstanspruch mit dem Einfachsten vereint: der Suche nach der Entstehung eines Motivs, einer musikalischen Linie, eines Rhythmus. Zugleich scheint unter der linearen Oberfläche immer wieder eine latente Mehrstimmigkeit auf, in der sich die ganze Tiefe von Bachs polyphonem Komponieren manifestiert. Im teils hochvirtuosen, dann wieder zutiefst innigen Spiel entfaltet sich ein systematisches Denken über Musik, das zu den Ursprüngen allen Musizierens zurückführt. Mit seiner Suite of Dances öffnete Robbins auf seine ganz eigene Weise Bachs Musik erneut dem Tanz und gab sie damit ein Stück weit auch jener Kunstform wieder zurück, die ihre Basis ist. Begleitet von Wendy Sutter, deren Cellospiel Robbins zu der Entscheidung veranlasste, dass der Cellopart seines Stückes stets mit einer Frau besetzt werden muss, und in dem schlichten, an Trainingskleidung angelehnten Kostüm von Santo Loquasto, tanzte Baryshnikov ein Solo, das sich der großen Balletttradition in jedem Moment bewusst ist, aber – jenseits der Brillanz der vollendeten Beherrschung des idealen jugendlichen Tänzerkörpers – in seinen vier Variationen von einem Künstlertum »erzählt«, in dessen Körper- und Kopfgedächtnis ein reicher Schatz an Erfahrungen eingeschrieben ist. In A Suite of Dances betritt ein Virtuose die Bühne, der es nicht mehr nötig hat, der Welt und sich selbst etwas beweisen zu müssen und der sich durch die Musik Bachs doch hineinziehen lässt in das, was A Suite of Dances ist: ein trotz seiner vermeintlichen Gelassenheit, seinem gelösten »take it easy« höchst anspruchsvolles Solo, ein Tanzstück über Kreativität, Erwachsensein und Freiheit, ein Dialog von Bewegung und Musik, aber auch zwischen den codierten »Worten« der Ballettsprache und Bachs Sprechen in Tönen, eine »Unterhaltung« zwischen einem Tänzer und einer Cellistin, ein Ballett, das uns zu Zeugen der gedankenvollen Verfertigung von Bewegung macht.

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Kristián Pokorný, Marian Furnica, Trevor Hayden & François-Eloi Lavignac in Glass Pieces



Claudine Schoch & Marcos Menha in Glass Pieces


Herren des Ensembles in Glass Pieces


Ensemble in Glass Pieces



Cécile Restier (Klavier), Liudmila Konovalova, Masayu Kimoto & Fedor Rudin (Violine) in Duo Concertant

Liudmila Konovalova & Masayu Kimoto in Duo Concertant →



Davide Dato & Kiyoka Hashimoto in Duo Concertant


Sonia Dvořák & Lourenço Ferreira in Duo Concertant


Davide Dato in A Suite of Dances



Ketevan Papava & Eno Peci in The Concert


Igor Zapravdin (Klavier) & Elena Bottaro in The Concert


Anita Manolova, Gloria Todeschini, Eszter Ledán, Ketevan Papava, Sveva Gargiulo & Fiona McGee in The Concert



Elena Bottaro in The Concert


Eno Peci in The Concert



the concert or, The Perils of Everybody Musik Polonaise A-Dur op. 40/1, Berceuse Des-Dur op. 57, Prélude fis-Moll op. 28/18, Prélude b-Moll op. 28/16, Walzer Nr. 14 e-Moll op. posth., Prélude A-Dur op. 28/7, Prélude e-Moll op. 28/4, Mazurka Nr. 42 G-Dur op. posth. 67/1, Ballade As-Dur op. 47/3 von Frédéric Chopin in einer Orchestrierung von Clare Grundman Choreographie Jerome Robbins © The Robbins Rights Trust

Musikalische Leitung Benjamin Pope Bühne Saul Steinberg Kostüme Holly Hynes nach Irene Sharaff Licht Jennifer Tipton Einstudierung Ben Huys Klavier Igor Zapravdin

URAUFFÜHRUNG 6. MÄRZ 1956 NEW YORK CITY BALLET, CITY CENTER OF MUSIC AND DRAMA NEW YORK ERSTAUFFÜHRUNG DURCH DAS WIENER STAATSBALLETT AM 3. MAI 2011


»The Concert geht in meine Kindheit zurück als mir die Musikstücke als Schmetterling, Regentropfen und so weiter kurz erklärt wurden. Ich erlaubte mir, in das Stück meinen eigenen Grad von Verrücktheit einzubauen, aber trotzdem eröffnet es ein tiefere Ebene, derer ich mir erst bewusst wurde, als ich das Ballett fertig gestellt hatte:


In den kurzen Anekdoten gibt es keine Gewinner. Durch die Musik entledigen sich alle Besucher ihres privaten Selbst. Ob sie sich nun auf oder ab bewegen, alle versuchen etwas Außerordentliches zu tun, alle werden aber besiegt von den Umständen, die sie unaufhaltsam zurück zum Boden bringen.«

JEROME ROBBINS


ein aben­teuer­ licher konzert­­­ besuch IRIS FREY

Der Vorhang geht auf. Theatralisch betritt ein Pianist die Bühne, die hiermit zum Konzertsaal wird, richtet seinen Klavierstuhl ein, macht ein paar Fingerübungen und muss feststellen, dass das Instrument verstaubt ist … Mit The Concert ist Jerome Robbins eines der komischsten Werke der Ballettgeschichte geglückt, 1956 kreiert für das New York City Ballet, findet es sich seither im Repertoire zahlreicher großer Ballettcompagnien. 2011 fand die Erstaufführung durch das Wiener Staatsballett statt. Zu Klavierstücken Frédéric Chopins, die in einem Arrangement von Clare Grundman zu Konzertminiaturen für Klavier und Orchester aufbereitet sind, schuf Robbins eine Revue aus unterschiedlichen kleinen Episoden – von Schönheit, Heiterkeit oder Traurigkeit –, deren Rahmen seine genauen Beobachtungen der Verhaltensweisen und Rituale bei einem klassischen Konzert bilden. Die Komik dieser liebenswerten und zugleich bitterbösen Ballettkomödie nimmt das Verhalten von Konzertbesuchern auf’s Korn – wie das den Hörgenuss trübende Rascheln von Damen in ihren Handtaschen, völliges Desinteresse und ungehobeltes Gebaren, aber auch andächtiges Lauschen, völlige Hingabe und Schwelgen in Fantasien. Letztere machen sich – von der Musik ausgelöst – selbständig und steigern sich in eine abenteuerliche Folge komischer Nummern. Voller Witz zeichnet Robbins seine Charaktere: eine zunächst verträumte, sich dann immer mehr in den Wahnsinn steigernde »Mad Ballerina«, einen von seiner Frau unterdrückten, verklemmten Ehemann, einen schüchternen Jüngling oder eine energische Frau.

EIN ABEN­T EUERLICHER KONZERTBESUCH

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Die Komik schafft er auf zwei Ebenen: der darstellerischen Pantomime und indem er das Vokabular des klassischen Balletts parodiert oder akademische Schrittfolgen abrupt durch Alltagsgesten und die Musik durch Alltagsgeräusche unterbricht. Da wird mit Zuckerln-Papier geraschelt und mit einer Zeitung die Sicht versperrt oder werden Stühle lautstark aufgeklappt und platziert. Die Ballerina verfällt wiederholt von pathetisch-theatralischen Posen in alltägliche Bewegungen, wenn etwa Körper und Mimik vom gezierten, stolzen Gehabe nach der schlussendlichen Wahl eines passenden Hutes geschockt in sich zusammenfallen, als eine Dame mit dem exakt selben Modell auftaucht. Die energische Frau wiederum – prägnant mit Haube und Brille – präsentiert sich in wenig ballerinenhafter, burschikoser Körperhaltung, sich am Hinterteil kratzend oder forschen Schrittes wie auf der Straße laufend. Der Versuch des schüchternen Jünglings, mit eindrucksvollen Posen der Ballerina als Partner zu dienen, ohne aber bei ihren Allüren und Emotionen mithalten zu können, endet in Gewalt: Mit einem Knüppel schlägt er sie nieder und zieht sein Opfer heldenhaft von der Bühne, doch dieses lächelt weiter nach dem Motto: »the show must go on«. Immer wieder karikiert Robbins das klassische Ballett, indem er zeigt, welche harte Arbeit und Herausforderungen hinter der scheinbaren Leichtigkeit und Schönheit stecken. Mit ondulierenden Armen trippelt die Ballerina über die Bühne, erinnert sich womöglich an einen ihrer großen Auftritte in Schwanensee – aber dann stimmen die Männer unbeholfen mit ein und machen sich über sie und das Ballett lustig. Schwanenartige Bewegungen finden sich auch im berühmten Mistake Waltz: Sechs puppenhafte Tänzerinnen in Tutus und mit Maschen in den Haaren werden wie Möbelstücke über die Bühne getragen, herumgeworfen und verharren unwillkürlich in den komischsten Posen. Mit ernster Miene versuchen sie dann, eine Choreographie korrekt auszuführen, die Formationen nicht nur einzuhalten, sondern auch Gefühl in die Bewegungen zu bringen – doch sie scheitern erbärmlich. Immer wieder tanzt eine aus der Reihe oder es kommt zu ungewollten Zusammenstößen – und am Ende kennt sich keine mehr aus in diesem Pas de six. Pantomimische Szenen wirken stummfilmhaft und slapstickartig: Wenn z.B. der Ehemann Mordgelüste gegenüber seiner Frau verspürt, während sie andächtig der Musik lauscht, oder er als Husar gekleidet und Dompteur mit Peitsche sich aufspielend in einer temperamentvollen Mazurka versucht, die Ballerina zu beeindrucken. Doch die Strafe folgt sogleich mit einem »Hexenschuss« und dem Auftritt der ihm die Leviten lesenden Ehefrau, die der peinlichen Männlichkeitsfantasie energisch ein Ende setzt. Zu Chopins melancholischem Prélude e-Moll Nr. 4 op. 28, dem sogenannten »Regentropfen-Prélude«, kommt das verrückte Treiben für einen Moment zur Ruhe in einer berührenden Szene, die das Treiben auf New Yorks Straßen einfängt: Es hat zu regnen begonnen und eine anonyme Menge von Menschen mit schwarzen Schirmen läuft gleichförmig kreuz und quer. Erst nach einer Weile bilden sich aus der Masse kleinere Gruppen und Paare, mit dem Ende des Regens kehren die Emotionen in die Menschen zurück und die Tristesse weicht einer bunten Szenerie, in die die Tänzer*innen nach und nach mit farbenfrohen Schmetterlingsflügeln auftreten. Wie betört von süßem Blütenduft scheinen die Hormone mit ihnen durchzugehen – allen voran dem Ehemann, der 69

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noch einmal die Ballerina becirct. Aber dem Pianisten reicht es: mit einem Schmetterlingsnetz ausgestattet setzt er dem närrischen Treiben und den Fantasien, die sein Chopin-Spiel hervorrief, ein Ende. Das Spektakel ist vorbei und die Tänzer*innen sind wieder die Konzertbesucher vom Beginn – an der Rampe sitzend und uns anschauend. Nach seinen eigenen Worten reichte für Robbins die Idee zu The Concert bis in seine Kindheit zurück, als man ihm »die Stücke von Chopin mit schmückenden Beinamen wie ›Schmetterling‹ oder ›Regentropfen‹« näher brachte – Bilder, die in seiner Choreographie auch eine optische Umsetzung fanden. Chopins Musik blieb ihm Zeit seines Lebens eine wichtige Inspirationsquelle. So soll er, als er gerade mit zwei Tänzern an Afternoon of a Faun arbeitete und gebeten wurde, etwas für eine bevorstehende Gala des New York City Ballet zu choreographieren, gesagt haben: »Gut, ich mache einen Pas de deux für sie zu Musik von Chopin (den ich liebe).« Dieser Pas de deux wurde zum Kern von Dances at a Gathering (1969), die zusammen mit In the Night (1970) und Other Dances (1976) zu Robbins’ sogenannten »Piano Ballets« zählen – Chopin-Ballette, in denen mit »jener heiteren Gelassenheit (…), eingebettet in eine gewisse Wehmut, von einem Hauch von Gestern in Bewegung gehalten (…), junge Leute – sind es Tänzer, die von sich erzählen? – zu Musik von Chopin von ihrem leichteren Sein« tanzen, wie Alfred Oberzaucher diese spezifische Gattung beschreibt. – Chopin-Ballette, die einen völlig anderen Geist atmen als das ihnen vorausgegangene The Concert, dessen satirisch-parodistischer Charakter seine Unterstützung nicht zuletzt auch durch die Kostüme Irene Sharaffs erhält. Die USamerikanische Kostümbildnerin und fünffache Oscarpreisträgerin war bekannt für ihr akribisches Augenmerk auf Details, ihre Fähigkeit, mit einfachen Mitteln große Wirkung zu erzielen und Figuren prägnant zu charakterisieren. Mit Robbins hatte sie erstmals bei der Uraufführung von Leonard Bernsteins West Side Story zusammengearbeitet und dann auch die Kostüme für Afternoon of a Faun kreiert. Basis ihres Designs für The Concert sind schlichte blaugraue (Ganzkörper-)Trikots, die mit wenigen simplen Accessoires wie Gilets, Fliegen, Krawatten, Pollunder, Schals, einer ganzen Palette an von der französischen Modedesignerin Coco Chanel inspirierten Kopfbedeckungen und Tutus für den Mistake Waltz ergänzt werden. Mit dem gebürtigen Rumänen Saul Steinberg, der nach seiner Flucht vor dem Antisemitismus im Jahr 1941 sich in New York niedergelassen hatte und als Karikaturist zu den schärfsten Beobachtern des modernen Alltags im Amerika der Nachkriegszeit zählte, fand Robbins 1958 – also zwei Jahre nach der Uraufführung von The Concert – einen weiteren kongenialen Partner. Robbins’ Leben »entspricht fast jenem berühmten Poster von Saul Steinberg, das Manhattan im Vordergrund als Nabel der Welt zeigt – und den Rest der Welt hinter dem Hudson River klein am Horizont«, schrieb der Tanzkritiker Jochen Schmidt. Für die Neueinstudierung von The Concert mit der gerade erst gegründeten Truppe Balletts: U.S.A. für das Festival in Spoleto gelang es Robbins, Steinberg für den Entwurf zweier großer Tableaus zu gewinnen, die seither untrennbar mit der Choreographie verbunden sind: Zu Beginn und zum Ende des Balletts konfrontieren sie den Betrachter mit einem irritierenden Vexierbild, bei dem man sich fragt, wer eigentlich der Zuschauer und auf welcher Seite die eigentliche Bühne dieser – so Robbins – »Charade in einem Akt« ist.

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ROBERT SCHUMANN

»... es sind Skizzen, Etüdenanfänge, oder, will man Ruinen, einzelne Adlerfittiche, alles bunt und wild durcheinander. Aber mit seiner Perlenschrift steht in jedem der Stücke ›Friedrich Chopin schrieb’s‹; man erkennt ihn in den Pausen am heftigen Atmen. Er ist und bleibt der kühnste und stolzeste Dichtergeist der Zeit. Auch Krankhaftes, Fieberhaftes, Abstoßendes enthält das Heft; da suche jeder, was ihm frommt, und bleibe nur der Philister weg.«

ERSCHIENEN 1839 IN DER NEUEN ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK ÜBER FRÉDÉRIC CHOPINS PRÉLUDES OP. 28


über den humor WALTER GRASSKAMP

Während der Witz, ebenso wie die Anekdote oder der Aphorismus, eine literarische Kleinform darstellt und Ironie nur als Stil identifizierbar ist, gilt Humor weder als Gattung noch als Stil, sondern als Haltung, der man allerdings eine enorme zivilisatorische Bedeutung zutraut. Während der Witz zur Exklusivität neigt, gilt Humor als integrativ, weil sein relati­ vierender Tenor auch den Sprecher einschließt und dessen eigene Ambivalenz thematisiert. Das gilt gewöhnlich als Selbstironie; sollte sie das Kriterium sein, das den Humor vom Witz unterscheidet? Die Selbstironie des Humors unterscheidet sich vom Witz darin, dass sie stets situationsbezogen ist. Wenn Humor situationsbedingt ist, dann beweist er sich durch eine ebenso unerwartete wie zutreffende Interpretation der jeweiligen Lage. Deren unkonventionelle Deutung bleibt den Humorlosen zwar ein Rätsel, für alle anderen löst sie aber eine zuvor spürbare Spannung. Eine humorvolle Bemerkung beschleunigt die Kommunikation, indem sie vorhergehende als gescheiterte abschließt; wie mit der Umlegung eines Schalters kommt eine neue Energie in den Fluss des Gesprächs. Das geschieht freilich unter dem Risiko einer Fehlinterpretation der Situation, aus welcher der Humor seine Energie bezieht. Oft ist er ihr schon deshalb nicht gewachsen, weil er es sich nicht leisten kann, zu viel Zeit verstreichen zu lassen. Der humorvolle Mensch beweist sich daher mindestens ebenso sehr durch seine Übung, Situationen einzuschätzen, wie durch die unverbrauchte Pointe, die er ihnen abgewinnt. Er lebt vom passenden Einfall; die entwaffnende Schlagfertigkeit ist seine Domäne, nicht der zu jeder Zeit erzählbare Witz. Noch mehr als der Erzähler eines Witzes sucht er die Überraschung, verstanden zu werden, und geht damit ein Risiko ein, das jeder Komik eigen ist.

ÜBER DEN HUMOR

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Als kommunikative Waffe ist der Humor nicht zu unterschätzen, denn er ist nicht nur ein prophylaktischer Abwiegler von Spannungen. Wer damit kokettiert, sich selbst intelligent ins Lächerliche zu ziehen, gibt auch die Fähigkeit zu erkennen, dasselbe gegebenenfalls oder gleich anschließend auch mit einem Gegner anstellen zu können. Selbst wenn er gern konziliant auftritt, ist dem Humor die Verachtung durchaus nicht fremd. Anders als die Ironie, die monologische Eleganz der Verdrossenheit und eisigen Distanz, und anders als die sozial unbewegliche Arroganz gibt sich der Humor auf Augenhöhe kommunikativ. Aber er zielt selten darauf, nur die Situation zu entspannen, indem er sie ins Lachhafte zieht, sondern meist auch auf ihr Personal. Wie alle Kunstgriffe leben auch die des Humors von der Dosierung. Er braucht den Kontrast des Alltäglichen und Ernsthaften, um sich davon abzuheben, und seine Qualität liegt in der Spontaneität des Unerwarteten. Nur gestandene Komödianten können daher seine Isolation aus dem Alltagskontext erträglich machen, wenn sie es nämlich verstehen, die fehlende Situation künstlich aufzubauen, bevor sie mit einem unerwarteten Dreh, zur Bühne ihrer Auflösung wird. Nur wenn es dem Humoristen gelingt, in den Vorgeführten ein gewohntes Verhalten oder eine typische Erfahrung anzusprechen, die diese nicht gerne thematisieren, aber auch nicht leugnen können, kann sich die Selbstrelativierung des Humoristen mit der seines Publikums überblenden.

Randbemerkung über das Lachen: Es gibt nicht viele Komödien auf der Ballettbühne. Gerade die Romantik mit ihren Märchen und Verzauberungen kannte keinen Humor. Wenn Jerome Robbins nun aber in The Concert in seinem berühmten Mistake-Waltz so ziemlich alles schief gehen lässt, was in einem Pas de six eines großen weißen Aktes schief gehen kann, dann führt er uns nicht nur vor Augen, welche Schwierigkeiten, Raffinessen und Anstrengungen hinter der faszinierenden Leichtigkeit und Eleganz lauern, sondern punktiert mit seiner Komik zugleich das Heiligste des romantischen Balletts. Dieses hat natürlich längst seinen Platz unter den Unsterblichen der Kunst und Unsterblichen kann nichts passieren, wie wir alle wissen. Das Lachen des Menschen aber ist letztlich immer dem Wissen um unsere Gefährdung und Gebrechlichkeit abgetrotzt – auch das zeigt Robbins in The Concert. (ANNE DO PAÇO) 73

ÜBER DEN HUMOR



ensemble


tänzerinnen & tänzer

Denys Cherevychko Erster Solotänzer

Davide Dato Erster Solotänzer

Olga Esina Erste Solotänzerin

Kiyoka Hashimoto Erste Solotänzerin

Hyo-Jung Kang Erste Solotänzerin

Masayu Kimoto Erster Solotänzer

Liudmila Konovalova Erste Solotänzerin

Marcos Menha Erster Solotänzer

Ketevan Papava Erste Solotänzerin

Alexey Popov Erster Solotänzer

ENSEMBLE

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Claudine Schoch Erste Solotänzerin

Maria Yakovleva Erste Solotänzerin

Yuko Kato Senior Artist

Roman Lazik Senior Artist

Ioanna Avraam Solotänzerin

Elena Bottaro Solotänzerin

Francesco Costa Solotänzer

Sonia Dvořák Solotänzerin

Alice Firenze Solotänzerin

Rebecca Horner Solotänzerin

Aleksandra Liashenko Solotänzerin

Eno Peci Solotänzer

Daniel Vizcayo Solotänzer

Jackson Carroll Halbsolist

Iliana Chivarova Halbsolistin

Calogero Failla Halbsolist

Lourenço Ferreira Halbsolist

Adele Fiocchi Halbsolistin

Sveva Gargiulo Halbsolistin

Alexandra Inculet Halbsolistin

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ENSEMBLE


Gala Jovanovic Halbsolistin

Andrey Kaydanovskiy Halbsolist

Helen Clare Kinney Halbsolistin

François-Eloi Lavignac Halbsolist

Eszter Ledán Halbsolistin

Anita Manolova Halbsolistin

Fiona McGee Halbsolistin

Tomoaki Nakanome Halbsolist

Laura Nistor Halbsolistin

Tristan Ridel Halbsolist

Andrey Teterin Halbsolist

Zsolt Török Halbsolist

Arne Vandervelde Halbsolist

Géraud Wielick Halbsolist

Nicola Barbarossa Corps de ballet Staatsoper

Marie Breuilles Corps de ballet Staatsoper

Natalya Butchko Corps de ballet Staatsoper

Victor Cagnin Corps de ballet Staatsoper

Laura Cislaghi Corps de ballet Staatsoper

Edward Cooper Corps de ballet Staatsoper

ENSEMBLE

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Vanessza Csonka Corps de ballet Staatsoper

Giovanni Cusin Corps de ballet Staatsoper

Gaia Fredianelli Corps de ballet Staatsoper

Marian Furnica Corps de ballet Staatsoper

Andrés Garcia Torres Corps de ballet Staatsoper

Javier González Cabrera Corps de ballet Staatsoper

Adi Hanan Corps de ballet Staatsoper

Trevor Hayden Corps de ballet Staatsoper

Isabella Knights Corps de ballet Staatsoper

Zsófia Laczkó Corps de ballet Staatsoper

Gaspare Li Mandri Corps de ballet Staatsoper

Sinthia Liz Corps de ballet Staatsoper

Godwin Merano Corps de ballet Staatsoper

Katharina Miffek Corps de ballet Staatsoper

Igor Milos Corps de ballet Staatsoper

Franciska Nagy Corps de ballet Staatsoper

Hanno Opperman Corps de ballet Staatsoper

Kristián Pokorný Corps de ballet Staatsoper

Alaia Rogers-Maman Corps de ballet Staatsoper

Isabella Lucia Severi Corps de ballet Staatsoper

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ENSEMBLE


Suzan Sittig Corps de ballet Staatsoper

Duccio Tariello Corps de ballet Staatsoper

Iulia Tcaciuc Corps de ballet Staatsoper

Helena Thordal-Christensen Corps de ballet Staatsoper

Gloria Todeschini Corps de ballet Staatsoper

Chiara Uderzo Corps de ballet Staatsoper

Céline Janou Weder Corps de ballet Staatsoper

Gabriele Aime Corps de ballet Volksoper

Dominika Ambrus Corps de ballet Volksoper

László Benedek Corps de ballet Volksoper

Sarah Branch Corps de ballet Volksoper

Barbara Brigatti* Corps de ballet Volksoper

Vivian de Britto-Schiller Corps de ballet Volksoper

Roman Chistyakov Corps de ballet Volksoper

Kristina Ermolenok Corps de ballet Volksoper

Ginevra Ferraris* Corps de ballet Volksoper

Tainá Ferreira Luiz Corps de ballet Volksoper

Ekaterina Fitzka Corps de ballet Volksoper

Alexander Kaden Corps de ballet Volksoper

Tessa Magda Corps de ballet Volksoper

ENSEMBLE

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Cosmin Marinescu Corps de ballet Volksoper

Dragos Musat Corps de ballet Volksoper

Keisuke Nejime Corps de ballet Volksoper

Aleksandar Orlić Corps de ballet Volksoper

Olivia Poropat Corps de ballet Volksoper

Natalie Salazar Corps de ballet Volksoper

Mila Schmidt Corps de ballet Volksoper

Marta Schiumarini Corps de ballet Volksoper

Gleb Shilov Corps de ballet Volksoper

Felipe Vieira Corps de ballet Volksoper

Robert Weithas Corps de ballet Volksoper

Martin Winter Corps de ballet Volksoper

Una Zubović Corps de ballet Volksoper

*Karenzvertretung

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ENSEMBLE



biographien


BENJAMIN POPE – Musikalische Leitung Glass Pieces & The Concert Benjamin Pope schloss seine Studien an der Oxford University und dem Londoner Royal College of Music mit Auszeichnung ab und verfügt über umfangreiche Erfahrungen in allen Musikgattungen. Er ist im Konzertsaal ebenso wie in den internationalen Opernhäusern sowie dem Tonstudio zu Hause. Gastdirigate führten ihn zu Klangkörpern wie dem Royal Philharmonic Orchestra London, Hallé Orchestra, Scottish Chamber Orchestra, BBC Concert Orchestra, Orchester des Royal Opera House Covent Garden, Ulster Orchestra, der Philharmonie de Luxembourg, dem Orchestra Filarmonica della Fenice, der Berliner Staatskapelle, Sächsischen Staatskapelle Dresden, den Dresdner Philharmonikern, dem Orchester der Deutschen Oper Berlin, Island Symphony, Lahti Symphony, Holland Symfonia, Vlaams Radio-Orkest, Tokyo Philharmonic Chamber Orchestra, Tokyo City Philharmonic, Osaka Symphony, Seoul Philharmonic, RTÉ Concert Orchestra, der Philharmonie Kopenhagen, dem Königlich Dänischen und Königlich Schwedischen Orchester und dem Finnischen Nationalorchester. Darüber hinaus ist Benjamin Pope ein sehr erfahrener Ballett-Dirigent. Seit 2016 ist er Musikalischer Berater des Hong Kong Ballet, 2011 wurde er zum Musikdirektor des Opera Ballet Vlaanderen ernannt. Er arbeitet mit Compagnien in der ganzen Welt, darunter das Royal Ballet Covent Garden London, English National Ballet, Scottish Ballet, die Rambert Dance Company, das New York City Ballet, Het Nationale Ballet Amsterdam, das Staatsballett Berlin, Ballett der Semper Oper Dresden, Königlich Schwedische Ballett, Königlich Dänische Ballett, Finnische Nationalballett, Norwegische Nationalballett und Tokyo Ballet. Eine enge Zusammenarbeitet verbindet Benjamin Pope mit dem Choreographen Matthew Bourne, dessen Produktionen er regelmäßig dirigierte, darunter die preisgekrönten Stücke Swan Lake, The Nutcracker sowie Highland Fling. Zu den Opernhighlights in seinem Repertoire zählen Werke von Mozart, Rossini, Verdi, Puccini und Mascagni. Als Komponist hat Benjamin Pope Musik für Spiel- und Kurzfilme, das Fernsehen, Radio, die Bühne und den Konzertsaal geschrieben. Für die BBC-Flagship-Serien Walking with Dinosaurs und Walking with Beasts komponierte und dirigierte er die BAFTA-ausgezeichneten und EMMYnominierten Soundtracks. Mit der musikalischen Leitung von A Suite of Dances gab Benjamin Pope sein Debüt in der Wiener Staatsoper.

BIOGRAPHIEN

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JEROME ROBBINS – Choreographie Glass Pieces, A Suite of Dances & The Concert Jerome Robbins wurde als Sohn jüdischer Einwanderer unter dem Namen Jerome Rabinowitz 1918 in New York City geboren. Er ließ sich zum Modern Dance-Tänzer ausbilden, studierte klassisches Ballett bei Ella Daganova, Eugene Loring und Antony Tudor, interessierte sich aber auch für den Jazz und das spanische Fach. Seine Tänzer-Karriere begann er 1937 zunächst im Musical-Bereich, bevor er 1940 ins Ballet Theatre (das spätere ABT) wechselte, wo er mit seinen Rollengestaltungen schon bald Aufsehen erregte: Sein Hermes in Helen of Troy, Petruschka oder Benvolio in Romeo and Juliet sollen genauso faszinierend gewesen sein wie seine Interpretation von George Balanchines Prodigal Son. Überzeugt, dass der amerikanische Tanz aktuelle amerikanische Themen auf die Bühne bringen solle, kreierte Robbins als 25-Jähriger mit Fancy Free sein erstes eigenes Ballett, das er später zum Musical On the Town erweiterte. Partner war ihm dabei der Komponist Leonard Bernstein. Erste Berühmtheit am Broadway erlangte er mit seinen Choreographien von Musicals wie High Button Shoes (1947), The King and I (1951) und Peter Pan (1954), auf die die legendären Produktionen West Side Story (1957) und Fiddler on the Roof (1964) folgten. Seine Karriere als Ballettchoreograph konnte Jerome Robbins ab 1949 am New York City Ballet entfalten, an das George Balanchine ihn als Associate Artistic Director berufen hatte. Bis zu Balanchines Tod arbeitete er an dessen Seite, von 1983 bis 1990 dann als Co-Ballettmeister von Peter Martins. Viele seiner insgesamt 66 Choreographien gehören bis heute zum Repertoire des New York City Ballet, darunter The Cage (1951), Afternoon of a Faun (1953), The Concert (1956), Dances at a Gathering (1969) oder Goldberg Variations (1971). Zwischen 1958 und 1962 leitete er mit den Ballets U.S.A. außerdem eine eigene Compagnie. Von 1974 bis 1980 war Robbins Mitglied des National Council on the Arts und von 1973 bis 1988 des New York State Council on the Arts/Dance Panel. Er gründete das Jerome Robbins Film Archive der Dance Collection der New York City Public Library. 1976 wurde Robbins mit der Handel-Medaille, 1981 mit den Kennedy Center Honors und 1988 mit der National Medal of the Arts geehrt. Drei Mal wurde ihm die Ehrendoktorwürde verliehen, 1985 nahm ihn die American Academy and Institute of Arts and Letters als Ehrenmitglied auf. Für seine Filme und Musicals erhielt er mehrere Tony Awards. Jerome Robbins starb 1998 im Alter von 80 Jahren in New York. Einen Platz im Repertoire des Wiener Staatsballetts fand er erst ab 2011 mit Einstudierungen seiner Ballette Glass Pieces, In the Night, The Concert, The Four Seasons sowie Other Dances. 85

BIOGRAPHIEN


GEORGE BALANCHINE – Choreographie Duo Concertant Als Georgi Balantschiwadse wurde 1904 in St. Petersburg einer der wirkungsmächtigsten Vertreter des neoklassischen Balletts geboren. Sein Lebensweg, der ihn von St. Petersburg über verschiedene Stationen im Westen Europas bis nach New York führte, liest sich wie eine Reise durch die Tanzgeschichte der letzten 100 Jahre: Verwurzelt in der Ballettwelt des zaristischen Russland und geprägt durch die Ästhetik Petipas schloss sich der Künstler in Paris den Ballets Russes und damit der Avantgarde an und nannte sich fortan George Balanchine. 1928 schuf er mit dem Ballett Apollo zur Musik Igor Strawinskis ein erstes Meisterwerk für Diaghilews Truppe und legte damit den Grundstein für seine eigene Ästhetik. Eine Einladung in die USA eröffnete Balanchine 1933 dann die Chance, konsequent an der Entwicklung seines Stils mit eigens dafür ausgebildeten Tänzern zu feilen: Der Industrielle Lincoln Kirstein konnte ihn mit der Perspektive auf eine eigene Compagnie als Leiter einer zu gründenden Ballettschule gewinnen. 1934 eröffnete die School of American Ballet mit einer von Balanchine eigens formulierten Ausbildungskonzeption. Vom Training, das stets die Basis seines Tanzverständnisses bildete, führte der Weg zur Choreographie – und was zunächst als eine Art Übung gedacht war, geriet ihm zu seinem ersten amerikanischen Meisterwerk Serenade. Es folgten Arbeiten an der Metropolitan Opera, für Hollywood, den Broadway und immer neue Ballette für seine Compagnie, die sich ab 1948 New York City Ballet nannte und schon bald zu den führenden Ensembles der Welt zählte. Neben zahlreichen Neukreationen – darunter Concerto Barocco (1941), The Four Temperaments (1946) und Orphée (1948) – baute Balanchine aus seinen bestehenden Werken ein breites Repertoire auf und feilte mit ganzer Konsequenz an seiner Ästhetik, die vor allem eines im Blick hatte: in größter Klarheit den Tanz als ein Musizieren mit dem Körper in den Mittelpunkt zu stellen. Inkarnation dieses Stils und eines der wichtigsten Beispiele der New Yorker Moderne der 1950er Jahre wurde das Ballett Agon in Zusammenarbeit mit Balanchines wichtigem künstlerischen Partner Igor Strawinski. Weitere stilprägende Werke entstanden in den folgenden beiden Jahrzehnten mit Liebeslieder Walzer (1960), Jewels (1967), Symphony in Three Movements (1972), Stravinsky Violin Concerto (1972), Chaconne (1976), Davidsbündlertänze (1980) und Mozartiana (1981). Als George Balanchine am 3. Mai 1983 in New York starb, hinterließ er ein 425 Ballette umfassendes Œuvre, aus dem zahlreiche Werke auch heute zum Repertoire der großen Compagnien weltweit gehören, darunter auch das Wiener Staatsballett, das seit 1964 regelmäßig Choreographien des Neoklassikers präsentiert.

BIOGRAPHIEN

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JEAN-PIERRE FROHLICH – Einstudierung Glass Pieces & The Concert Jean-Pierre Frohlich erhielt seine Ballettausbildung an der School of American Ballet in seiner Geburtsstadt New York. Noch als Student war er 1972 in der Uraufführung von Jerome Robbins’ Watermill zu erleben. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied des New York City Ballet und 1979 zum Solisten ernannt. Sein Repertoire umfasste u.a. Balanchines A Midsummer Night’s Dream (Puck), Symphony in Three Movements, Mozartiana, Danses Concertantes, Stars and Stripes, Valse Fantaisie, Apollo und Symphony in C. Außerdem tanzte er Hauptrollen in Robbins’ Dances at a Gathering, The Goldberg Variations, Interplay, The Four Seasons, Fancy Free, Afternoon of a Faun, The Concert und Piano Pieces. Seit 1990 als Ballettmeister beim New York City Ballet tätig, assistierte Jean-Pierre Frohlich Robbins bei der Einstudierung zahlreicher Ballette, betreut bis heute einen großen Teil des Robbins-Repertoires der Compagnie und ist außerdem als eines der sechs ursprünglich von Robbins ernannten Mitglieder im Beratungskomitee des Robbins Rights Trust tätig. In dieser Funktion studierte er Robbins’ Werke u.a. mit dem Australian Ballet, Ballett Frankfurt, National Ballet of Canada, Ballet de L’Opera de Paris, The Royal Ballet London, The Birmingham Royal Ballet, San Francisco Ballet, Stuttgarter Ballett, Ballet du Grand Théâtre de Genève, Joffrey Ballet, Hamburg Ballett, Boston Ballet und Het Nationale Ballet Amsterdam ein. Beim Wiener Staatsballett war er für die Einstudierung von Robbins’ In the Night, Glass Pieces, The Concert und A Suite of Dances verantwortlich. 2011 wurde Jean-Pierre Frohlich zum Künstlerischen Direktor der neu gegründeten Tour-Compagnie Moves des New York City Ballet ernannt. Er kreierte eigene Choreographien für die School of American Ballet, das New York City Ballet und die Workshops der Compagnie. Außerdem führte er Regie bei dem Tanz-Kurzfilm HOME. 1998 und 2006 erhielt er den Isadora Duncan Dance Award (Izzies), 2015 wurde er vom französischen Kulturminister zum Officier des Arts et Lettres ernannt.

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BIOGRAPHIEN


BEN HUYS – Einstudierung Duo Concertant & The Concert Ben Huys wurde in Gent (Belgien) geboren und studierte an der Königlichen Ballettschule Antwerpen unter der Leitung von Jos Brabants. 1985 gewann er beim Prix de Lausanne ein Stipendium für die School of American Ballet in New York. Bereits ein Jahr später wurde er Mitglied im New York City Ballet und war dort als Solist in Choreographien von George Balanchine, Jerome Robbins und Peter Martins zu sehen. 1996 wechselte Ben Huys zum Ballett Zürich. Er gastierte am Grand Théâtre de Genève, beim Asami Maki Ballet, beim Tokyo Star Dancers Ballet und Suzanne Farrell Ballet. Zudem gründete er mit den Stars of American Ballet eine eigene, u.a. aus Solistinnen und Solisten des New York City Ballet, American Ballet Theatre, San Francisco Ballet, Dance Theater of Harlem und National Ballet of Canada bestehende Truppe. Zu seinem weiteren Repertoire gehörten exponierte Partien in Werken von William Forsythe, Nacho Duato, Maguy Marin, Oscar Araiz, Ohad Naharin, Heinz Spoerli und James Kudelka. Seit 1998 arbeitet Ben Huys als freischaffender Künstler und wird sowohl vom George Balanchine Trust als auch vom Robbins Rights Trust mit Einstudierungen betraut. Diese führten ihn u.a. zum American Ballet Theatre, National Ballet of Canada, Mariinski Theater, Royal Ballet London, Königlich Dänischen Ballett, Ballett de L’Opéra de Paris, Hamburg Ballett, Berliner Staatsballett und Ballett am Rhein. Beim Wiener Staatsballett studierte er bisher Apollo, Symphony in C, Jewels, Symphony in Three Movements und nun Duo Concertant von George Balanchine sowie The Concert und The Four Seasons von Jerome Robbins ein.

RONALD BATES – Bühne & Licht Glass Pieces, Licht Duo Concertant Ronald Bates wurde 1932 in Forth Smith, Arkansas geboren. Er studierte Bühnenbild am Los Angeles City College und war zunächst als Inspizient für Opernproduktionen Lincoln Kirsteins tätig. 1957 kam er als Produktionsleiter an das New York City Ballet und wurde schließlich Technischer Direktor des New York State Theater. Als Light-Designer des New York City Ballet zählte er zu den engsten Mitarbeitern von George Balanchine und Jerome Robbins und betreute als technischer Supervisor die Einstudierungen der Werke der beiden Choreographen bei vielen Compagnien weltweit. Ronald Bates starb im Jahr 1986.

BIOGRAPHIEN

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BEN BENSON – Kostüme Glass Pieces Ben Benson war als Nachfolger von Barbara Karinska Leiter des legendären New York City Costume Shop. Als Kostümbildner hat er zahlreiche Entwürfe für Theater und Tanz geschaffen. Als enger Partner des New York City Ballet entstanden Arbeiten für George Balanchine wie Ballo della Regina, Who Cares? oder Kammermusik No 2. Für Jerome Robbins entwarf er die Kostüme zu Glass Pieces, Opus 19 / The Dreamer, Andantino, Piano Pieces und Allegro con Grazia. Außerdem arbeitete Ben Benson in New York mit Peter Martins, Jacques d’Amboise, Helgi Tómasson, Lew Christensen sowie in Chicago mit Paul Mejia zusammen.

SANTO LOQUASTO – Kostüm A Suite of Dances Santo Loquasto ist Bühnen- und Kostümbildner für Tanz, Theater und Film, ausgebildet am King’s College in Pennsylvania sowie an der Yale Drama School. Seit seinem Debüt mit Stick and Bones 1972 entstanden über 60 Produktionen für den Broadway mit seinen Bühnen- und Kostümentwürfen. Mit Woody Allen arbeitete er bei 22 Filmen zusammen. Unter den zahlreichen Preisen, mit denen er ausgezeichnet wurde, sind vier Tony Awards für The Cherry Orchard (1977), Cafe Crown (1989), Grand Hotel: The Musical (1990) und Hello, Dolly! (2017) sowie ein Drama Desk Award für Glengarry Glen Ross (2005). 2002 erhielt er den Merritt Award for Excellence in Design and Collaboration, 2004 wurde er in die Theatre Hall of Fame aufgenommen, 2006 mit dem Pennsylvania Governor’s Award for the Arts und 2007 mit dem Robert L. B. Tobin Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Seit Twyla Tharps Ballett Push Comes to Shove ist er eng mit dem American Ballet Theatre verbunden. Andere Choreographen, für die er arbeitete, sind Jerome Robbins, Glen Tetley, Mikhail Baryshnikov, Kenneth MacMillan, James Kudelka, Mark Morris, Helgi Tómasson und Paul Taylor sowie Compagnien wie u.a. Les Grands Ballets Canadiens, The National Ballet of Canada, Joffrey Ballet, San Francisco Ballet und Paul Taylor’s American Modern Dance.

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BIOGRAPHIEN


SAUL STEINBERG – Bühne The Concert Saul Steinberg wurde 1914 im rumänischen Râmnicu Sărat geboren. Zunächst studierte er Philosophie an der Universität Bukarest, von 1933 bis 1940 folgte ein Architekturstudium am Polytechnikum in Mailand. Für die Magazine Bertoldo, Life und Harper’s Bazaar war Saul Steinberg in dieser Zeit als Illustrator tätig. Als er als Jude im faschistischen Italien keine Arbeitserlaubnis als Architekt mehr erhielt, emigrierte er 1941 über die Dominikanische Republik in die USA. Nach dem Dienst in der Military Intelligence Division der US Army während des Zweiten Weltkriegs ließ er sich in New York als Künstler nieder und heiratete Hedda Sterne, eine Vertreterin des New Yorker Abstrakten Expressionismus. Das Œuvre Saul Steinbergs umfasst Gemälde, Collagen, Skulpturen und Zeichnungen. Größte Anerkennung erhielt er mit seinen scharfsinnigen, von düsterem Humor und technischer Virtuosität geprägten Karikaturen für The New Yorker. Doch auch mit seinen freien Arbeiten erntete er Erfolg: Bereits in den 1940er Jahren stellte er seine Werke gemeinsam mit Künstlern wie Arshile Gorky und Robert Motherwell in renommierten Galerien und Museen aus. 1978 zeigte das Whitney Museum of American Art eine Retrospektive, 2006 war die Wanderausstellung Steinberg: Illuminations in Europa und den USA zu sehen. Für die Neueinstudierung von The Concert mit den Ballets U.S.A. schuf er 1958 das Bühnenbild für Jerome Robbins. Saul Steinberg verstarb 1999 in New York.

IRENE SHARAFF – Kostüme The Concert Irene Sharaff – geboren 1910 in Boston, gestorben 1993 in New York – studierte an der New York School of Fine and Applied Arts und begann ihre Karriere als Modeillustratorin bei der Zeitschrift Vogue. 1928 wurde sie von der Schauspielerin Eva La Gallienne an das von dieser gegründeten Civic Repertory Theatre in New York als Bühnen- und Kostümbildnerin engagiert. Mit geringem Budget ausgestattet, war Irene Sharaff gezwungen, mit wenigen Mitteln großen Effekt zu erzielen, was sie durch intensive Materialrecherche und ungewöhnliche Schnitttechniken erreichte. Diesem experimentellen Ansatz blieb sie auch noch Jahre später treu, als sie großzügige Budgets am Broadway und in Hollywood zur Verfügung hatte. 1931 erfüllte sich Irene Sharaff einen Traum und zog nach Paris, wo sie die Arbeiten von Christian Bérard, Pavel Tchelitchew und André Derain studierte und die Mode von Designerinnen wie Coco Chanel oder

BIOGRAPHIEN

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Elsa Schiaparelli bewunderte. Zurück in New York beflügelte eine Auszeichnung für ihre erste Broadway-Produktion Alice in Wonderland Irene Sharaffs Karriere. Für ihre zahlreichen Arbeiten am Broadway und in Hollywood wurde sie mit fünf Oscars, neun Oscar-Nominierungen und fünf Nominierungen für den Tony bedacht. Bei der Uraufführung von Leonard Bernsteins Musical West Side Story arbeitete sie erstmals mit Jerome Robbins zusammen, der sie dann u.a. auch mit den Kostümen für Afternoon of a Faun und The Concert beauftragte. Irene Sharaffs Gespür für Bewegung ließ sie eine vielgeschätzte Kostümdesignerin für bedeutende Ensembles werden, darunter das American Ballet Theatre, New York City Ballet und Ballet Russe de Monte Carlo.

JENNIFER TIPTON – Licht A Suite of Dances & The Concert Jennifer Tipton zählt zu den renommiertesten Vertreterinnen des amerikanischen Lightdesigns. Ausgebildet an der Cornell University studierte sie während ihrer Tätigkeit als Tänzerin und Ballettmeisterin intensiv die Wechselwirkungen zwischen Tanz und Licht, um sich schließlich ganz diesem Bereich der Bühnenkunst zuzuwenden. Seit vielen Jahrzehnten arbeitet sie mit wichtigen Ballettcompagnien zusammen, darunter die Ensembles von Paul Taylor und Twyla Tharp, das American Ballet Theatre sowie das Joffrey Ballet und entwickelte Lichtkonzepte für Choreographien von George Balanchine, Mikhail Baryshnikov, Jiří Kylián, Dana Reitz, Jerome Robbins, Paul Taylor, Twyla Tharp, Dan Wagoner und Trisha Brown. Im Bereich der Oper kreierte sie u.a. das Licht für Robert Wilsons Parsifal an der Houston Grand Opera und Peter Sellars’ Tannhäuser an der Chicago Light Opera. Unter den zahlreichen Preisen, mit denen Jennifer Tipton ausgezeichnet wurde, sind Tony Awards für die Broadway-Produktionen The Cherry Orchard (1977) und Jerome Robbins’ Broadway (1989), ein Drama Desk Award for Outstanding Lighting Design, der Dorothy and Lilian Gish Prize, der Mayor’s Award for Arts and Culture und der Mac­ Arthur Genius Grant. 2008 wurde sie sowohl in den Kreis der McArthur Fellows als auch der USA Artist Gracie Fellows aufgenommen. Seit 1981 ist Jennifer Tipton Professorin für Lightdesign an der Yale University School of Drama.

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BIOGRAPHIEN


FEDOR RUDIN – Violine Duo Concertant Fedor Rudin, in Moskau geboren und in Paris aufgewachsen, studierte Violine bei Zakhar Bron an der Musikhochschule Köln, bei Pierre Amoyal an der Universität Mozarteum Salzburg sowie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz bei Boris Kuschnir. Fedor Rudin ist Preisträger zahlreicher Wettbewerbe, darunter der Premio Paganini Genova und der George Enescu Wettbewerb Bukarest. 2019 wurde er mit dem Ivry-Gitlis-Preis ausgezeichnet. Sein CD-Album Reflets wurde für die International Classical Music Awards nominiert. Solo-Auftritte führten ihn in die Carnegie Hall New York, das Berliner Konzerthaus, die Philharmonie de Paris, den Wiener Musikverein und die Tonhalle Zürich. Er spielte u.a. mit dem Basler Sinfonieorchester, Orchester der Opéra National de Paris, Orchestre de chambre de Paris, Orchestre Symphonique de Montréal, Rundfunksinfonieorchester Berlin, der Staatskapelle Weimar, dem Münchner Kammerorchester, Russischen Nationalorchester Novaya Rossiya und Cape Town Philharmonic Orchestra unter Dirigenten wie Vladimir Jurowski, Kirill Karabits, Isaac Karabtchevsky, Christoph Poppen, Maxim Vengerov oder Lorenzo Viotti. Von 2019 bis 2021 war er Konzertmeister des Wiener Staatsopernorchesters. Fedor Rudin ist Mitglied des Fratres Trios, das in der Besetzung Violine – Saxophon – Klavier auftritt. Das Ensemble gewann den Kammermusikwettbewerb Illzach und den Supersonic Award des Pizzicato Magazins. Weitere Kammermusikauftritte führten Fedor Rudin zu den Salzburger Festspielen, zum Schleswig-Holstein Musikfestival, Pietrasanta in Concerto, Crans Montana Classics und ArtenetrA. Neben seiner Tätigkeit als Violinist tritt er regelmäßig auch als Dirigent auf und schloss 2021 sein Dirigierstudium in der Klasse von Simeon Pironkoff (Orchesterdirigieren) und Vladimir Kiradjiev (Operndirigieren) an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ab. Fedor Rudin spielt als Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben in Hamburg eine Geige von Lorenzo Storioni (Cremona, 1779) aus dem Deutschen Musikinstrumentenfonds.

BIOGRAPHIEN

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SHINO TAKIZAWA – Klavier Duo Concertant Die Pianistin Shino Takizawa wurde in Osaka geboren und schloss ihre Ausbildung an der Toho Gakuen School of Music in Tokyo ab. Sie gewann 1. Preise bei renommierten Klavierwettbewerben wie die Sakai Piano Competition und die PTNA Piano Competition. Von 2004 bis 2011 war sie beim National Ballet of Japan engagiert. Seit 2011 ist sie als Korrepetitorin für das Wiener Staatsballett tätig und in den Aufführungen der Compagnie in der Wiener Staatsoper und Volksoper Wien immer wieder auch solistisch zu erleben, bisher u.a. mit Klavierkonzerten von Johann Sebastian Bach, Edvard Grieg, Wolfgang Amadeus Mozart und Piotr I. Tschaikowski sowie dem Adagio aus der »Großen Sonate für das Hammerklavier« von Ludwig van Beethoven. Für den japanischen Produzenten Shinshokan spielte Shino Takizawa die drei CDs Dramatic Music for Ballet Class ein.

DITTA ROHMANN – Violoncello A Suite of Dances Ditta Rohmann, in Budapest in eine Musikerfamilie hineingeboren, studierte am New England Conservatory Boston bei Suren Bagratuni, an der Franz-Liszt-Akademie Budapest u.a. bei Miklós Perényi sowie bei Ivan Monighetti an der Musikhochschule Basel. Erste Berufserfahrungen sammelte sie an der Oper Zürich. Von großer Bedeutung war für sie die Teilnahme an Meisterkursen bei Boris Pergamenschikow, Jean-Guihen Queyras, András Schiff, György Kurtág und Steven Isserlis. Den Pianisten und Pädagogen Ferenc Rados bezeichnet sie als ihren Mentor. An der Franz-Liszt-Akademie legte sie außerdem ihre Doktorarbeit vor. 2012 war Ditta Rohmann Preisträgerin des Leipziger Bach-Wettbewerbs. Ihre Einspielung von Bachs Suiten für Violoncello solo bei Hungaroton wurden von Publikum und Kritikern gleichermaßen hochgelobt. Für ihre CD mit Werken von Bartók, Debussy, de Falla und Ravel mit ihrem Vater Imre Rohmann erhielt sie 2017 einen Gramophone Award. Neben den Werken Bachs bildet die Musik des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart einen wichtigen Teil von Ditta Rohmanns Repertoire. Sie arbeitet regelmäßig mit dem Komponisten Péter Eötvös zusammen. Als Solistin tritt sie mit Orchestern auf und ist Mitglied verschiedener Kammermusik-Formationen. Sie war bei den Festivals in Kronberg, Luzern und Santander sowie bei Music at Marsac und beim September Open Chamber Music Festival in Prussia Cove zu Gast, wo sie mit Steven Isserlis, Frans Helmerson, András Schiff und Thomas Adès spielte. Immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen arbeitet Ditta Rohmann 93

BIOGRAPHIEN


auch mit Weltmusik-Ensembles zusammen und entwickelt Projekte mit Tänzern und Schauspielern. Als engagierte Pädagogin war sie mehrere Jahre an der Universität von Debrecen tätig, leitet ihre eigenen Sommer-Kurse, gibt regelmäßig Meisterklassen und unterrichtet seit 2018 als Assistant Professor an der Franz-Liszt-Akademie Budapest. Seit 2008 spielt Ditta Rohmann auf einem Cello von Jean-Baptiste Salomon (Paris, 1770) sowie in jüngerer Zeit auch auf einem fünfsaitigen Violoncello piccolo, das sie für die 6. Bach-Suite erworben hat und mit dem sie nun auch das Violin-Repertoire erkundet.

IGOR ZAPRAVDIN – Klavier The Concert Igor Zapravdin stammt aus Sewastopol und ist seit 1992 als Ballettkorrepetitor an der Wiener Staatsoper tätig. Ausgebildet in den Fächern Komposition und Klavier am Tschaikowski-Konservatorium Moskau und der dortigen Musikalisch-Pädagogischen Akademie, entdeckte er schon früh seine besondere Liebe zum Ballett. Er war Korrepetitor an verschiedenen Theatern und Ballettensembles in Russland, u.a. beim Moskauer Klassischen Ballett, Ballett des Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheaters sowie beim Russischen Staatsballett. Regel­ mäßig ist er als Solist in den Vorstellungen des Wiener Staatsballetts in der Wiener Staatsoper und Volksoper Wien zu erleben. Für die musikalischen Fassungen von Die Bajadere und Le Corsaire arbeitete er eng mit Vladimir Malakhov und Manuel Legris zusammen. Er trat zusammen mit zahlreichen renommierten Sänger*innen und Instrumentalisten auf, darunter der Cellist Mstislaw Rostropowitsch, und organisierte Ballett­ galas in Wien, Moskau, Stuttgart, Luxemburg und Eisenstadt. Auf CD spielte er Musik für Trainings und Ballette ein, zum Teil in enger Kooperation mit Schulen wie der Accademia Nazionale di Danza in Rom.

BIOGRAPHIEN

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FRÜHSTÜCK – MITTAGESSEN – ABENDESSEN – AFTERWORK #GAUMENFREUDE


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A Suite of Dances Robbins / Balanchine Spielzeit 2021/22 HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Direktor & Chefchoreograph Wiener Staatsballett: Martin Schläpfer Kaufmännische Leiterin Wiener Staatsballett: Mag. Simone Wohinz Redaktion: Mag. Anne do Paço, Nastasja Fischer, MA, Mag. Iris Frey Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Layout & Satz: Irene Neubert Hersteller: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau AUFFÜHRUNGSRECHTE Glass Pieces, A Suite of Dances & The Concert: © The Robbins Rights Trust, New York. Duo Concertant: © The George Balanchine Trust, New York. Das Ballett wird mit Genehmigung des Trusts aufgeführt und wurde unter Berücksichtigung von Balanchine Style®- und Balanchine Technique®Service-Standards, wie sie der George Balanchine Trust vertritt, einstudiert. Philip Glass: © Dunvagen Music Publishers Inc. New York Igor Strawinski: © Boosey & Hawkes, London vertreten durch Thomas Sessler Verlag, Wien TEXTNACHWEISE Das Interview »Keeping the legacy alive« sowie die Texte von Nastasja Fischer, Anne do Paço und Iris Frey sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Umschlagklappe: Susan Sontag: Tänzer und Tanz. In Dies.: Worauf es ankommt. Essays. Frankfurt/Main 2007 / S. 9: George Balanchine, Francis Mason: Balanchine’s Complete Stories of the Great Ballets. New York 1954 / S. 15: Jerome Robbins: Thoughts on Choreography. In: Amanda Vaill (Hrsg.): Jerome Robbins, by himself. Selections from his Letters, Journals, Drawings, Photographs, and an Unfinished Memoir. New York, Toronto 2019 / S. 18: Michel de Certeau: Die Kunst des Handelns. Aus dem Französischen übertragen von Ronald Voullié. Berlin 1988 / S. 20: Thomas Steiert: Patterns of Motion. In: Programmheft Hommage à Jerome Robbins. Wiener Staatsballett, Spielzeit 2010/11 / S. 24: Philip Glass zitiert

nach Martin Demmler: Komponisten des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 1999 / S. 32: Jennifer Hohmans: Apollo’s Angels. A History of Ballet. New York 2010 / S. 34: Caecilia Brenninkmeyer: Nachruf auf den Zeitschöpfer. In: Programmheft b.27, Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg, Spielzeit 2015/16 (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin) / S. 37: George Balanchine: Das tänzerische Element. In: Musik der Zeit: Strawinski in Amerika. Heft 12, Bonn 1955 / S. 41: Jerome Robbins & Mikhail Baryshnikov zitiert nach Greg Lawrence: Dance with Demons. The life of Jerome Robbins. New York 2001 / S. 44: Friedemann Otterbach: Johann Sebastian Bach. Leben und Werk. Stuttgart 21999 (mit Auslassungen zitiert) / S. 66: Jerome Robbins zitiert nach Christine Conrad: Jerome Robbins. That Broadway Man. That Ballet Man. London 2000 / S. 71: Robert Schumann: Phantasien, Capricen usw. für Pianoforte. In Ders.: Schriften über Musik und Musiker. Hrsg. v. Josef Häusler. Stuttgart 1980. / S. 72: Walter Grasskamp in Ausschnitten zitiert aus Ders.: Glanz und Elend des Humors. In: Lachen. Über westliche Zivilisation. Merkur, Heft 9/10, 56. Jahrgang, Stuttgart 2002. Übersetzung ins Englische: David Tushingham / Über­ setzung der Zitate von Jerome Robbins, Jennifer Homans, George Balanchine & Mikhail Baryshnikov sowie des Interviews mit Jean-Pierre Frohlich aus dem Englischen ins Deutsche: Redaktion. Nachdruck nur mit Genehmigung des Wiener Staats­ balletts / Dramaturgie BILDNACHWEISE Cover: Vereiste Sanddünen auf dem Mars © NASA/ JPL-Caltech/University of Arizona / S. 4 & 5, 24–29, 46–63: © Ashley Taylor / Wiener Staatsballett / S. 14, 33 & 40: © Martha Swope / S. 76–81, 93 oben & 94: © Andreas Jakwerth/Wiener Staatsballett / S. 84: © Johan Persson / S. 85: © Jesse Gerstein / S. 86: © Tanaquil Le Clercq / S. 87: © Isabelle Guérin / S. 88–92: z.V.g. / S. 93 unten: © Raffay Zsofi Rechteinhaber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.


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