Wien Museum Katalog „WIEN MUSEUM ETAPPE 2003 2015“

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Metroverlag

hg. wolfgang kos, peter stuiber

WIEN MUSEUM ETAPPE 2003 —2015





WIEN MUSEUM ETAPPE 2003 —2015 herausgegeben von wolfgang kos und peter stuiber Metroverlag


6 Ein Museum für 49 Sonder­ alle Wienerinnen ausstellungen 50 Quasi ein Genie und Wiener 52 Orientalische Reise Michael Häupl/ Andreas Mailath- 54 Wiener Stolz Pokorny 55 Brutale Neugier 8

Vorwort Wolfgang Kos

4

10 „Neues aus der Vergangenheit“ wolfgang kos

Der Weg eines Museums, das sich neu erfinden MUSSTE

56 Gastarbajteri 59 Lisl Ponger 60

Wiener Linien

66

Magische Orte

68

Schiele & Roessler

70

Prominente Uhren

71 Riviera an der Donau 72 Henri Cartier-Bresson 74

30 „es ist ein guter tag für wien“ christian kircher

Alt-Wien

82 John F. Kennedy 84

Tiere in der Grossstadt

86 Die Sinalco-Epoche

Ausgliederung, Neustrukturierung und finanzielle Rahmenbedingungen

90

Andersen in Wien

91

Um die Wurst

38 DAS NEUE DEPOT DES WIEN MUSEUMS gudrun ratzinger

92

Moderat Modern

94

Prater Kino Welt

EINE SICHERE ZUKUNFT FÜR DIE SAMMLUNG

95 Ballnächte 96

Schau mich an

98

Wien war anders

102 Kinetismus 104 Flucht Nach Wien 106 Grosser Bahnhof 112

Photo: BARBARA PFLAUM

114

Who is Marie-Louise von Motesiczky?

116

Im Wirtshaus

120

Schöne Aussichten

122 Ganz Unten 124

Am Gänsehäufel

126 Baby an Bord


130

224 Klimt.

Nagoya

134 Late Sixties

229

Neu im Museum

136

Steinerne Zeugen

138

Wo die Wuchtel fliegt

230

Werkbundsiedlung Wien 1932

140

Am Puls der Stadt

232

Spiele der Stadt

146

Elfriede Mejchar

148 Glanzstücke 150 Zauber der Ferne 152 Big City 154 Josef Engelhart 156 Hieronymus Löschenkohl 158 Fifty Fifty 164 Grosser Auftritt 168

Malerei des Biedermeier

170 Kampf um die Stadt 178

Madness & Modernity

180

Im unsichtbaren Wien

182

Wien im Film

186

2000-2010. design in wien

188 Die Ernst Jandl Show

235 Hans Scheugl 236

Unter 10

238

Sattlers Kosmorama

240

Wiener Typen

244 Blutrausch 246

Wien AuSSen

248

Edith Tudor-Hart

251

Schnelle Jahre

252 Österreichische Riviera 255

Uptight

256 Franz Sedlacek 258

Wig 64

260

Experiment Metropole

268

Wien im Ersten Weltkrieg

270

Ich Bin Ich

274 Romane Thana

192

In Memoriam

193

Window Shopping

277 Liebes Wien. deine ingeborg strobl

194

Trude Fleischmann

278

196 Der Dombau von St. Stephan 200 Der Prophet 202

Makart

206

Neusiedlersee

208 Verschollen im Museum

Mythos Galizien

282 Der Ring 284 Ballgasse 6

287 Dauer ausstellungen

209

Alles Gute

210

Angelo Soliman

214

Absolut Wien

290

219

Mehr Als Mode

294 Römermuseum

220 Burg Stars

288 Otto Wagner Pavillon Karlsplatz Mozartwohnung im Mozarthaus Vienna

298 Haydnhaus 302 Otto Wagner Pavillon Hietzing

305 wien museum von a bis z Themen, Projekte und Highlights aus 13 Jahren 361 NEU IM MUSEUM ANKÄUFE & SCHEN­KUNGEN 375 Menschen im museum 405 personen von a bis Z 414 anhang

inhaltsverzeichnis

222 Besetzt!

5

128 Breiter Geschmack


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Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny eröffnet die Ausstellung „Klimt. Die Sammlung des Wien Museums“, 2012.

Bürgermeister Michael Häupl bei der Eröffnung der Aus­stellung „Alt-Wien. Die Stadt, die niemals war“, 2004.


Unterschiedlichste Themen wurden dabei behan­delt, wie die erste große kulturhistorische Ausstellung „Im Wirtshaus“ als Mikrokosmos des Alltäglichen oder „gastarbajteri“ über 40 Jahre Arbeitsmigration, und Ausnahmeerscheinungen wie Gustav Klimt, Mira Lobe oder Helmut Qualtinger in Erinnerung gerufen. Wolfgang Kos überzeugte jedoch insbesondere mit jenen Themen, die üblicherweise nicht Eingang in Museen finden; die Geschichten von Ausgegrenzten oder scheinbar Banalem – sie machen vor allem den Erfolg des Museums aus. Die Ausstellungen im Wien Museum sind dabei nie von den Menschen abgehoben oder unverbindlich, sondern stehen stets in Bezug zur Gegenwart der Stadt. Dafür gebührt Wolfgang Kos Dank und Respekt. Die Marke „Wien Museum“ ist heute bestens eingeführt und prägt die Kulturlandschaft nachhaltig. Das städtische Museum ist, neben seiner Rolle als Gedächtnisspeicher der Stadt, auch ein Ort der Vermittlung und nimmt seinen sozialen Auftrag nicht zuletzt durch den Gratiseintritt für Jugendliche unter 19 Jahren wahr. Das somit erstarkte Selbstbewusstsein des Wien Museums ging seit dessen Neupositionierung auch mit einer Vielzahl von Kooperationen im Kultur- und Geistesleben der Stadt einher.

Unter dem Slogan „Neues aus der Vergangenheit“ erfüllten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Wien Museum mit Leben. Die Zielsetzungen waren dabei immer klar erkennbar: künstlerische Qualität und herausragende Museumsarbeit für möglichst viele Menschen. Das Wien Museum hat mit seiner Arbeit der letzten Jahre das kollektive Gedächtnis der Stadt entscheidend mitgeprägt und geht diesen Weg unter der Leitung von Matti Bunzl mit neuen Impulsen konsequent weiter. Für die Zukunft wird derzeit ein Neubau des in die Jahre gekommenen Museumsbaus geplant. Am Karlsplatz soll ein neues Wien Museum zeitgemäß das kulturelle Erbe Wiens vermitteln und alle Wiener Bevölkerungsgruppen, aber auch Wien-Gäste ansprechen. Als einziges Universalmuseum für Wiener Stadtgeschichte wird dieses Haus weiter die Gemüter bewegen und zeigen, was uns als Wienerinnen und Wiener ausmacht. Andreas Mailath-Pokorny amtsf. Stadtrat für Kultur und Wissenschaft in Wien Michael Häupl Bürgermeister der Stadt Wien

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2003 wurden die Weichen des Wien Museums neu gestellt: Direktor Wolfgang Kos brachte – wenig später unterstützt durch Finanzdirektor Christian Kircher – die Neuorientierung des Museums auf Schiene. Wolfgang Kos, routinierter Radiomacher und Intellektueller, machte die populäre Vermittlung von Stadtgeschichte zu seinem Hauptanliegen, und dies, ohne auf komplexe Zusammenhänge zu verzichten: An die 100 Ausstellungen wurden in den letzten zwölf Jahren im Oswald-Haerdtl-Bau am Karlsplatz gezeigt, auch in den Außenstellen wurden neue Dauerausstellungen gestaltet, etwa im Römermuseum oder im Haydnhaus.

Vorwort

Ein Museum für alle Wienerinnen und Wiener


VORWORT

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Direktor Wolfgang Kos

Ein „Museum des 21. Jahrhunderts“. Mit dieser Zielvorgabe von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny wurde der neue Direktor 2003 beauftragt, das damalige „Historische Museum der Stadt Wien“ neu zu profilieren. Der Name „Wien Museum“, der forcierte Gegenwartsbezug, offensive Kommunikation und erfolgreiche Ausstellungen zu relevanten Themen trugen dazu bei, dass das Museum bei Publikum und Medien breite Beachtung fand und neue Publikumsschichten erschloss. Im Rekordjahr 2014 kamen insgesamt 432.000 Besucher, allein im Haupthaus auf dem Karlsplatz waren es 166.000 – fast doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Das enorme Potenzial eines Museums mit großartigen Sammlungen, einem kompetenten Team und einer neugierigen, offenen Grundhaltung wurde im Lauf der Jahre deutlich. Das war sicher Voraussetzung für den Entscheid der Stadt Wien, einen größeren und attraktiveren Neubau am Karlsplatz zu errichten. Dass der Aufbruch verpuffen könnte, war eine durchgehende Sorge, der endlich konkrete Hoffnung folgen konnte: auf einen Museumsbau mit hoher Erlebnisqualität, wertvoller Architektur, zeitgemäßer Funktionalität und ausreichender Prägnanz, um zu einer sichtbaren Wiener Landmark in zentraler Lage zu werden.

SCHLÜSSELETAPPE Nachgezeichnet wird eine lange, ereignisreiche, konditions­ fordernde Etappe mit Zwischensprints, Bergwertungen, taktischen Absprachen, Publikum entlang der Strecke und gelegentlichen Wetterumschwüngen: „Etappe“ im Sinn eines Abschnitts auf einer langen „Tour“, die schon weit vor 2003 begonnen hat und deren Geschichte Genera­ tionen von Museumsmenschen geschrieben haben. Es war eine Schlüsseletappe, bei deren Zielankunft manches anders ist als beim Start und die von wichtigen Weichenstellungen begleitet war.


2015 ist – so wie 2003 – ein Schwellenjahr, am Ende des Jahres werden die Ergebnisse des internationalen Architekturwettbewerbs vorliegen. Das Bild der „Etappe“ ist also nur bedingt passend, denn es bleibt kein Zwischenraum für die nach den derart schnellen, stressigen Jahren eigentlich notwendige Regeneration. Also eher ein Staffelwechsel, was heißt, dass Tempo und Dynamik beibehalten werden müssen. Trotzdem wird es sinnvoll sein, die Ziele und die für deren Erreichung erforderlichen Maßnahmen immer wieder zu schärfen und gegebenenfalls zu adaptieren.

INHALT UND HINWEISPFEILE Drei Aufsätze, rund 100 Ausstellungen von 2003 bis 2015 und ebenso viele Stichworte zur Arbeit und zur Haltung dieses Museums. Dazu kommen Kapitel mit Ankäufen und Schenkungen, die Fotostrecke „Menschen im Museum“ sowie Listen mit den Namen möglichst aller Mitwirkender. Das Ordnungssystem wechselt von chronologisch („Ausstellungen“) zu alphabetisch („Wien Museum von A bis Z“). In den Aufsätzen wird versucht, wichtige Entwicklungs­ bögen nachzuzeichnen, aber auch auf aktuelle Probleme hinzuweisen. Reflektiert werden bedeutende Stationen auf dem Weg von der „Ausgliederung“ und der Neubenennung bis zum Projekt „Wien Museum Neu“ und zur Lösung der Depotmisere. Der Bezug des neuen Depots gehört zum Positivsten dieser Jahre. Den Hauptteil des Buches machen die Ausstellungen aus. Sie sind die am stärksten wahrgenommenen Leistungen eines Museums, zugleich verschwinden sie mit dem

Vorwort

Schließ­tag. Dokumentiert werden sie mit Ansichten, Inhaltsbeschreibungen und der Rubrik „Zum Projekt“, mit der an die jeweilige Bedeutung für das Museum erinnert wird. Eigentlich handelt es sich um eine Art Hypertext. Die häufigen Hinweispfeile sollen helfen, die Vielfalt der Informationen besser nutzen und nach Belieben hin und her springen zu können. Lassen Sie sich ein auf die alles andere als übersichtliche Außen- und Innenwelt eines Stadtmuseums im Umbruch.

DANK Ja, es ist auch eine Leistungsbilanz, aber bewusst in Form eines Arbeitsberichts: sachlich, kurzweilig, auch in der grafischen Umsetzung eher kühl als feierlich. Etliche der Texte sind – zumindest partiell – Zitate aus Foldern, Eröffnungsreden, Vorträgen, Pressetexten oder internen Grundsatzpapieren. Zum Teil wurde „remixed“, zumeist aber neu geschrieben. Ich bedanke mich bei Peter Stuiber, der neben seinem fordernden Job als Pressechef als CoHerausgeber und Co-Autor fungierte. Die grafische Gestaltung lag bei Stephanie Koch vom Bueronardin, einem jener jungen Gestaltungsbüros, die uns durch die „Schnellen Jahre“ von 2003 bis 2015 begleitet haben. Dank auch an alle Fotografierenden und an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, von denen die Grundlagen für dieses Buch stammen, mit dem Sie „dem Wien Museum auf die Spur“ kommen können. Wolfgang Kos Direktor Wien Museum 2003–2015

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Die nächste Etappe ist eine mit Bergankunft: der Neuund Erweiterungsbau „als Krönung einer Erfolgsstory“. So ähnlich könnte man es in ein paar Jahren hoffentlich in den Eröffnungsreden hören. Es gibt also weiterhin eine doppelte Agenda: volle Konzentration auf das Hier und Heute, aber immer auch die Notwendigkeit, strategische Entscheidungen mit Langzeitperspektive fällen zu müssen. Meinem Nachfolger Matti Bunzl und Finanzdirektor Christian Kircher wünsche ich ebenso alles Gute und anhaltenden Mut wie der Stadt Wien, die sich eine kulturpolitische Großtat vorgenommen hat, sowie den Planungsbüros und allen am Neubauprozess und an der inhaltlichen Weiterentwicklung des Museums intern und extern Beteiligten.


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„Neues aus der Vergangenheit“


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„Neues aus der Vergangenheit“


„Neues aus der Vergangenheit“ Der Weg eines Museums, das sich neu erfinden musste* Wolfgang Kos Direktor

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„Back on the map“ Am 1. Oktober 2003, sechs Monate nach dem Vertragsbeginn des neuen Direktors, bekam das traditionsreiche „Historische Museum der Stadt Wien“ einen neuen, knappen und prägnanten Namen: „Wien Museum“.1 Das Datum fiel mit der Eröffnung von „Quasi ein Genie“ zusammen, einer Ausstellung über Helmut Qualtinger. Da eine klassische Einführungskampagne nicht finanzierbar war, wurde das Ausstellungsplakat zum öffentlichen Signal für den Relaunch. Erstmals wurde damit die neue Corporate Identity sichtbar, bestimmt von einer klaren und dynamischen Typografie, die, so der uns begleitende Markenfachmann, auch für Aktualität und Zeitgenossenschaft stehen sollte. Die Zuschreibung von Schnelligkeit war wichtig, weil es darum ging, ein bedächtiges Museum „back on the map“ zu bringen. Obwohl die neue CI seither mehrmals kopiert worden ist, kommuniziert sie bis heute erfolgreich die Linie und die Performance eines Stadtmuseums, das sein Kerngeschäft Vergangenheit um den Faktor Aktualität ergänzen will. Dafür steht der Claim „Neues aus der Vergangenheit“ ( → S. 337).

Eine neue, klare Marke war auch deshalb notwendig, weil das Historische Museum mit einem Logo-Durcheinander zu kämpfen hatte: Es drehte sich zwar ein großes „M“ auf dem Dach, doch das an und für sich starke Zeichen – es stand für „Museum“ – war unspezifisch, auch das parallel verwendete „muvie“ stärkte das Profil des Hauses nicht ( → Design, S. 312). Die neue CI sollte auch die vorher undeutlich positionierten 19 Außenstellen (Musikerwohnungen, Römische Ausgrabungen, Pratermuseum etc.) unter dem gemeinsamen Markendach neu ordnen und als Angebote des Wien Museums erkennbar machen. Nicht nur aus Marketinggründen war ein Neuauftritt erforderlich, sondern auch um dem ins Off geratenen Museum eine klare Identität zu geben. Die „Ausgliederung“ aus der Rathausverwaltung ( → Aufsatz Kircher, S. 30–37) hatte mit der nun gesetzlich festgeschriebenen Budget- und Programmautonomie dafür die Voraussetzungen geschaffen.2 Bis 2002 fehlte im Museum die Entscheidungsmacht für Strategiefragen, auch Presse- und Marketingstellen mussten erst eingerichtet werden.3

* Dieser Aufsatz ist ein Versuch, die Etappe von 2003 bis 2015, die Arbeit des Museums und den erfolgreichen Kampf für eine Museumserweiterung in großen Bögen darzustellen. Nicht alle wichtigen Aspekte werden ausführlich behandelt, zu diesen finden Sie im Abschnitt „Das Wien Museum von A bis Z“ ( → S. 305–359) weiterführende Informationen.


In Wien hat sich der Markenwechsel, der durch intensives Plakatieren für alle sichtbar wurde, schnell herumgesprochen, auch in den Köpfen der Wiener Bevölkerung gab es keine Akzeptanzprobleme. Experten waren erstaunt, wie schnell es ging. Eine Umfrage nach dem ersten Jahr ergab, dass mehr als 50 Prozent der Wiener bereits wussten, dass es ein Wien Museum gab. Und die, die es kannten, ordneten es stärker als vorher Begriffen wie „zeitgemäß“ und „sympathisch“ zu. Es gab also einen Innovationsbonus, der die schwierigen Reformaufgaben der kommenden Jahre erleichterte. Wenige Jahre später gab es ein „Salzburg Museum“ und ein „Hamburg Museum“, bis heute kamen zahlreiche weitere Umbenennungen nach dem Schema des Wien Museums hinzu, u. a. „Amsterdam Museum“, „Vorarlberg Museum“ oder „Graz Museum“. Wie sehr der Relaunch in der Museums­ community beachtet wurde, zeigen Einladungen zu Konferenzen ebenso wie das „Manual of Strategic Planning for Museums“ von 2005, in dem das Wien Museum als Beispiel für einen erfolgreichen Restart stand und für das dessen Direktor zu einem Aufsatz eingeladen wurde: „Redefining the Mission: From the Historical Museum of the City of Vienna to the Wien Museum“5. Vieles war noch als Ziel formuliert, doch der Start war gelungen. „Geglückter Image-Wandel des Wien Museums“, schrieb der „Standard“ am ersten Jahrestag des Direktions­ wechsels. Beliebt waren Formulierungen wie „Flottmachen eines verstaubten Museums-Dampfers am toten Eck des Karlsplatzes“, die grüne Kultursprecherin griff zur Metapher des „Wachküssens“.

So erleichternd Rückenwind und Schulterklopfen auch waren: Die sogenannte „Neupositionierung“ war ein Berglauf unter schwierigen Rahmenbedingungen. Vor allem hatten wir mit den Mängeln eines in die Jahre gekommenen nüchtern-modernen Gebäudes zu kämpfen, bei dessen Planung in den 1950er-Jahren von ganz anderen Anforderungen an ein Museum ausgegangen worden war. Bereiche für Kinder, Veranstaltungen oder Workshops fehlten völlig (für Shop und Gastronomie sowieso), aber auch backstage fehlten die Voraussetzungen für einen zeitgemäßen Museumsbetrieb. Vor allem war es die Beengt­ heit in Oswald Haerdtls Gebäude, die zum Hindernis wurde ( → Haerdtl-Bau, S. 318). So hochwertig gestalterische Details des 1959 eröffneten Museums auch sind, so wenig erlauben Raumorganisation und Erschließung (z. B. endet der Ausstellungsparcours immer wieder in Sackgassen) eine Transformation in ein „Museum des 20. Jahrhunderts“, wie die Reformvorgabe lautete. Dazu kamen die unzureichende Klimatisierung und die mangelnde Offenheit im Eingangsbereich ( → Ankommen, S. 306).

„Neues aus der Vergangenheit“

Ebenso wichtig wie das schnelle Lancieren des neuen Namens war das schnelle Kippen des alten. Ich hatte eine gewisse Angst vor sentimentalen Protesten und Vorwürfen, gegenüber der Geschichte der Institution ehrfurchtslos zu sein. Doch es gab kaum Gegenwehr, die Sache lief emotionslos ab, und die Kuratoren und Kuratorinnen, deren bisherige Identität ja herausgefordert war, fühlten sich eher befreit. Der Name „Historisches Museum der Stadt Wien“ war offensichtlich schon seit Jahren hohl gewesen und hatte in all den Jahrzehnten seiner Verwendung weder Kraft gewinnen noch Patina ansetzen können.

„Gebäude als Hypothek“

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Für den schnell durchgezogenen Namenswechsel war – und das verblüfft Kollegen und Kolleginnen aus in- und ausländischen Stadt- und Landesmuseen bis heute – keine „Genehmigung“ notwendig, sondern er geschah in Eigenregie ( → Vienneum, S. 354). Der Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny begrüßte die längst überfällige Entscheidung.4 Bei der Umbenennung wurde erstmals deutlich, dass der Weg der Erneuerung tatsächlich in Eigenverantwortung gegangen werden konnte.


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Ein Erbstück voller Widersprüche also, bescheiden dimensioniert und Resultat allzu vieler Kompromisse: Einerseits handelt es sich um den ersten echten Museumsbau nach dem Ende der Monarchie und damit um ein Zeugnis einer bemerkenswerten kultur- und bildungspolitischen, „republikanischen“ Initiative der Stadt Wien. Andererseits war zu Zeiten des Wiederaufbaus Sparsamkeit geboten, was einen „Zweckbau in Marmor“ (Andreas Nierhaus) ergab. Kritik wurde bereits 1959 formuliert, doch auch die Freude war groß, war das 1887 gegründete Stadtmuseum doch 70 Jahre lang provisorisch im Rathaus untergebracht gewesen. Wir waren mit absurd niedrigen Museumsräumen konfrontiert, vor allem aber mit eklatantem Raummangel. Für Sonderausstellungen waren weniger als 400 Quadratmeter vorgesehen, auch die Dauerausstellung bot kaum Spielraum und endet bis heute im frühen 20. Jahrhundert. 40 Jahre nach ihrer Aufstellung im Jahr 1962 war sie „abgespielt“ und entsprach nicht mehr den heutigen Erwartungen einer diskursiv vermittelten Stadtentwicklung.6 In einer brav chronologischen Abfolge bleiben die additiv aneinandergereihten Exponate weitgehend stumm. Es fehlt jegliche Kontextualisierung, und man erfährt wenig über politische und soziale Zusammenhänge und das Leben der Menschen. Fast alle Stadt- und Landesmuseen kämpfen mit unzeitgemäßen Dauerausstellungen, auch anderswo ist eine bauliche Erweiterung Voraussetzung für eine grundlegende Neukonzeption. Also wurde die Forderung nach Vergrößerung von der ersten Pressekonferenz des neuen Direktors an offensiv und unermüdlich vorgetragen. Eine wichtige Wegmarke war ein Umbau 2006 (BWM Architekten), der dem Museum einen großzügigen Eingangsbereich brachte (inklusive des Umlegens einer Original-Haerdtl-Wand) und dank der Zumietung des Nachbarhauses für Büro- und Archivzwecke endlich einen zweiten, sogar höheren Raum für Sonder­ ausstellungen ( → Umbau 2006, S. 352). Nicht alles ist übrigens zu klein: Mit der Überdachung des ehemaligen Innenhofs entstand ein für Eröffnungen, Veranstaltungen oder Sponsorendinners großartig verwendbarer Raum, wie er in den Wiener Museen ohne Beispiel ist ( → Atrium, S. 307). Schon ab 2003 wurde im Wien Museum intensiv über eine neue Dauerausstellung nachgedacht, die der Vielfalt der Sammlung und der Notwendigkeit einer aussagekräftigen Narration entspricht und erlaubt, auch alternative Objekte aus dem Depot auf die Bühne zu holen. Eine Parole im „Vision Statement“ von 2011 ( → S. 354) lautet: „Vom Depot ins Museum“. Da ein neuer Auftritt mit bloßem Herumschieben und schnellem Basteln nicht möglich war, blieb die alte Dauerausstellung bestehen. Natürlich hofften wir darauf, schon bald die Möglichkeit einer

Neupräsentation zu haben. So kam es zu einem Paradoxon: Die Unbrauchbarkeit der alten Dauerausstellung musste als Argument für eine substanzielle Erneuerung eingesetzt werden. Zugleich aber durfte nicht der Eindruck entstehen, dass sie Uninteressantes zeigt. Speziell für Schulklassen und Touristen war und ist die hohe Qualität der Schaustücke – von gotischen Originalskulpturen aus St. Stephan über einzigartige Zeugnisse der Türkenkriege (die auf eine neue geschichtspolitische Befragung warten) – ein entscheidender Grund für Museumsbesuche. Also wurden die 100 Hauptattraktionen der permanenten Schau in einem Buch zusammengefasst, allerdings ergänzt um die im realen Rundgang fehlenden Hintergrundinformationen ( → Highlights, S. 320). Eine Konsequenz aus dem Dilemma war, die neue Linie des Museums mit dem Forcieren von Sonderausstellungen zu demonstrieren, die für die Haltung und die Ideen des Hauses stehen. Vor allem sie trugen dazu bei, dass das Museum rasch Erfolg hatte und breitere Anerkennung fand. Das Spielbein tanzt, dem Standbein fehlt die notwendige Stabilität.

„Wien Museum“ Der neue Name „Wien Museum“ sollte dem Museum nicht nur stärkere Aufmerksamkeit bringen. Er hat als sichtbarstes Zeichen eines Neubeginns vor allem auch programmatische Bedeutung. Einerseits gab das einengende Wort „historisch“ das Profil des Museums und die Bandbreite seiner Sammlungen nicht wieder. Diese umfassen neben einzigartigen archäologischen, stadthistorischen und fotografischen Zeugnissen auch kulturhistorische Spezial­ bestände wie etwa eine Modesammlung von europäischem Rang ( → Modeprojekt Europeana, S. 334). Vor allem verschweigt „historisch“, dass die Stadt Wien eine veritable Kunst- und Kunstgewerbesammlung mit Qualitätsspitzen im 19. und frühen 20. Jahrhundert besitzt, ebenso wie eine riesige Architektursammlung, die u. a. die Nachlässe von Wien prägenden Architekten wie Otto Wagner, historische Modelle oder mit dem Zimmer von Adolf Loos


ein Schlüsselwerk der Wiener Moderne enthält. Dass ein Stadtmuseum7 auch eine bedeutende Kunstsammlung beherbergt, unterscheidet das Wien Museum von den meisten kommunalen Museen Europas. Denn anders als in Paris oder Amsterdam wurde in Wien nie ein eigenes städtisches Kunstmuseum gegründet. Mit der Kombination von Kunst, Kultur, Geschichte und Alltag hat das Wien Museum die Möglichkeit, Wiens Kulturgeschichte unter Einbeziehung aller Sparten interdisziplinär und im gesellschaftlichen Zusammenhang darzustellen, wie dies keinem der jeweils auf bestimmte Sparten spezialisierten Wiener Bundesmuseen möglich ist ( → Kunst Plus, S. 327). Diese einzigartige Breite wurde zu einem zentralen Argument für das Projekt „Wien Museum Neu“. Auch aus psychologischen Gründen war der Name „Historisches Museum“ problematisch: Er wirkte allzu pädagogisch und klang nach zu lernenden Jahreszahlen, nach staatsbürgerlicher Pflicht und nicht nach Freude und Spaß. Natürlich ist das Wien Museum weiterhin Grundversorger für Schüler und Schülerinnen, natürlich definiert es sich als Bildungsinstitution, doch in einem spartenübergreifenden Sinn. Kinder erleben ihre frühen und prägenden Museumsbesuche mit eingeschränkter Freiwilligkeit. Und ihr erster Besuch bleibt allzu oft auch

Mit der Bezeichnung „Wien Museum“ wurde Wien zum Leitbegriff und zum Markenkern. „Wien“ ist, unabhängig davon, ob man auf die Stadt stolz ist, mit ihr im Clinch liegt oder sich vornimmt, sie zu besuchen, ein starker Begriff. Und das Wien Museum ist das einzige Wiener Museum, das Wien mit Slogans wie „Hier kommt man Wien auf die Spur“ als Kernkompetenz definiert. Im Namen „Wien Museum“ spiegelt sich auch Selbstbewusstsein wider.

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Die größte Hypothek des alten Namens war jedoch dessen Genetivkonstruktion „ein Museum ‚der‘ Stadt Wien“. So korrekt diese Mitteilung rechtlich auch sein mag, so sehr riecht das possessive Pronomen nach Machtausübung von oben nach unten. Ein Grund, warum viele National-, Landes- oder Stadtmuseen in eine anachronistische Rolle geraten sind, war die belastende Aura des Offiziellen oder zumindest Offiziösen. Im Gegensatz dazu konnte das Kunstmuseum mit der Freiheit und Individualität von Künstler-Autoren punkten und sich, wie etwa Boris Groys schrieb, als „Parlament“ mit rivalisierenden Positionen darstellen. Um glaubwürdig zu sein, dürfen gesellschaftsgeschichtliche Museen nicht länger im Ruch stehen, für politische Ziele eingespannt werden zu können. Mir ist bewusst, dass dies nur in demokratischen Gesellschaften möglich ist. Durch eine allzu lange Geschichte der Instru­ mentalisierung zwecks Konstruktion einer homogenisierten Geschichtsdarstellung sind Stadtmuseen in eine gefährliche Passivität geraten. Ihre künftige Wirksamkeit hängt wesentlich davon ab, ihre eigene Agenda zu setzen und mit eigener Stimme zu sprechen. Heute sind es übrigens vor allem City Marketing und tourismusstrategische Bedürfnisse, die Stadtmuseen unter Druck setzen können.8 Im Fall von Wien wurden mit der „Ausgliederung“ aus der Magistratsverwaltung die nötigen Weichen gestellt, sich auf neue Themen wie Migration oder Geschlechterdifferenz und eine multivariable Auseinandersetzung mit der Stadtgesellschaft einzulassen. Heute lässt sich feststellen, dass die offensive Erweiterung des Aktionsfeldes zum Hauptfaktor für die internationale Beachtung des Wien Museums geworden ist.

„Neues aus der Vergangenheit“

ihr letzter ( → Kinder, S. 325). Häufig stand auch die Fakten­­ orientierung derart im Vordergrund, dass das Eigentliche des Museums, nämlich eine die Sinne und das Assozia­tions­ vermögen ansprechende ästhetische Anmutung, zu kurz kommen musste. Das Streichen von „historisch“ öffnete das Aufgabenfeld des Museums und machte zudem klar, dass es sich auch mit Gegenwart und Zukunft zu befassen hat.


„GENERALISMUS ALS ATOUT“

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2012 waren im Erdgeschoss des Wien Museums am Karlsplatz Gemälde und Zeichnungen von Gustav Klimt zu sehen, alle stammten aus der über 400 Klimt-Objekte umfassenden eigenen Sammlung ( → Klimt, S. 224). Im Stock darüber wurden gleichzeitig unter dem Titel „Besetzt!“ ( → S. 222) Fotografien und Materialien von Haus­ besetzungen der Jahre um 1980 gezeigt, als es sogar im harmonieseligen Wien Jugendkrawalle gab. Es gibt wohl nicht viele Museen, in denen man zeitgleich zwei Sonderausstellungen mit derartiger Spannweite finden kann. Beide übrigens, ob ein Blatt von Klimt oder eine Wandzeitung von Besetzern, die ein autonomes Kulturzentrum fordern, haben mehr gemeinsam, als man aufgrund der gelernten Trennung von „high“ und „low“ erwarten würde: Beide verweisen auf Zeitstile mit spezifischer Ästhetik, und beide haben einst provoziert. Die Kontraste im Ausstellungsprogramm sind nicht immer derart schroff, die große Spannweite des Wien Museums ist jedoch immer spürbar. Das gilt für die Divergenz der Themen ebenso wie für die Vielspartigkeit der Sammlungen als Grundlage für die Programmentscheidungen. Wer „Diverses“ im Angebot hat, hat grundsätzlich einen Marketingnachteil gegenüber spezialisierten Anbietern. Aus diesem Grund (und wegen ihrer Überfüllung bei gleichzeitiger Unübersichtlichkeit) sind die großen Mehr­ spartenmuseen in die Krise geraten und erscheinen in oberflächlicher Betrachtung als hoffnungslos veraltet, sogar mit „Sauriern“ hat man sie verglichen. Das Wien Museum versucht, aus diesem Dilemma eine Stärke zu machen, nach dem Motto „Generalismus als Atout“. Die Klimt-Ausstellung war ein Bestseller, über 60 Prozent der Besucher waren Touristen (der übliche Touristenanteil beträgt ca. 25 Prozent). Aber auch „Besetzt!“ fand Inte­ resse, vor allem natürlich beim örtlichen Publikum, das auf die erstmalige Behandlung subkultureller Opposition im Museum sehr aufmerksam reagierte. Schließlich spitzten die Besetzer radikal eine Frage zu, die auch heute in der Auseinandersetzung mit der Stadt brandheiß ist: Wem gehört die Stadt? Erfolg haben mit scheinbar Diversem: Das ist der deutlichste Beweis für die Erfolgschancen von Unerwartetem. Nicht nur wegen „Klimt!“ war 2012, nicht nur wegen „Österreichische Riviera“ und „Wiener Typen“ war 2014, nicht nur wegen „Der Ring“ ist 2015 ein Rekordjahr. Parallel gab es auch Ausstellungen zu sperrigeren und spezielleren Themen, etwa „Werkbundsiedlung 1932“ oder „Romane Thana. Orte der Roma und Sinti“. Scheinbar krisenfeste und nicht nur von Hits abhängige Jahres­ quoten am Karlsplatz, die mit 140.000 bis 160.000 auf einem vor wenigen Jahren bestenfalls erträumten Level liegen, sind der schönste Beweis, dass die Linie der

Vielfalt gegriffen hat. Voraussetzung dafür ist eine durch positive Erlebnisse gewachsene Bereitschaft, sich auch auf Ausstellungen einzulassen, für die man sich „eigentlich“ nicht interessiert. Ob das mit der Machart der Ausstellungen, einer erkennbaren Haltung der Macher oder einer in einer Zeit des Switchens gestiegenen Neugierde auf eine mehrstimmige Programmierung zu erklären ist: Auf jeden Fall kommt es dem nahe, was ein Mehrspartenmuseum in einer Zeit der Spezialisierung leisten kann.

„rückenwind für STADTMUSEEN“ Stadtmuseen (zum Teil auch andere Sachmuseen) haben seit gut zehn Jahren wieder Rückenwind, nachdem sie lange im Schatten der Kunstmuseen gestanden waren und sich zu wenig darum bemühten, sich als relevante Akteure neu zu positionieren. Zugespitzt könnte man sagen: Sie werden interessant, weil sie so lange im Off waren und die Überholspur wieder frei ist. Wertschätzung und Aufmerksamkeit von Politik, Medien, Wirtschaft und den kulturellen Meinungsmachern konzentrierten sich im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert primär auf die prestigereichen und dementsprechend glamourös auftretenden Kunstmuseen, vor allem auf jene für


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„Neues aus der Vergangenheit“


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moderne und zeitgenössische Kunst. Das drückte sich in einer großen Zahl von spektakulären Neugründungen und Neubauten aus, von denen viele nie in die Gänge kamen. Der weltweite Boom der Kunstmuseen hat auch deshalb einen schalen Geschmack hinterlassen, weil deren Angebot immer einförmiger wird und die Unterscheidbarkeit zwischen öffentlichem und spekulativem Sammeln immer geringer. Es fällt auf, dass viele der international beachteten Museumsbauten und Erweiterungen der jüngsten Zeit nicht Kunstmuseen betreffen, sondern Stadt- oder Ethnologiemuseen, deren „public value“ darin liegt, dass sie Dinge ansprechen, die Menschen als wichtig und interessant empfinden. Dass die meisten Stadt- und Landesmuseen, zumeist stolze Gründungen aus dem 19. Jahrhundert, zu Schatten­orten der Aufmerksamkeit wurden, lag auch an ihrem Phlegma: Über Jahrzehnte hinweg haben sich Erscheinungs­bild, Agenda und Objektpräsentation kaum geändert. Ihre Respekt gebietenden Gebäude verstärken den Eindruck von Zeitferne. Schwer schleppen sie an ihren seit dem 19. Jahrhundert vor sich hin wachsenden quasienzyklopädischen Sammlungen. Heute ist genau das Verknüpfen von Diversem wieder gefragt, für dessen Vermittlung jedoch – wie vorhin angesprochen – neue Ideen und eine strukturelle Interdisziplinarität nötig sind. Denn ihre Kompetenz ist die Querschnittkompetenz. Historische Sachmuseen können glänzen und faszinieren, wenn sie ihre Sammlungen aktiv in Richtung Gegenwart weiterentwickeln, mit konsequent aktuellem Blick neu erkunden und in kurzweiligen Ausstellungsnarrativen produktiv machen. Wenn ich solche Prinzipien formuliere, tue ich es im Bewusstsein, dass die Museumslandschaft sich seit ca. 2000 ganz generell neu formiert. Handwerksbegriffe wie „Kontext“ oder „Storyline“, eine intensive museologische Diskussion zu Fragen wie Repräsentativität und In-/Exklusion oder die Neudefinition der Berufsbilder im Museum sind heute „state of the art“ – zumindest in jenen Museen, die sich der Notwendigkeit stellen, sich von Grund auf neu zu erfinden. Das heißt auch: „trial and error“. Möglicherweise ist der alle im Museum Arbeitenden betreffende

Mentalitätswandel, der für das Publikum nicht sichtbar ist, die tiefgreifendste und forderndste Veränderung in der Museumsarbeit. Eine Neudefinition mit einem Begriff wie „Medium Museum“ zieht nach sich, dass es zwischen Innen und Außen intensiveren Austausch geben muss und dass Museumsarbeit verstärkt als Übersetzungsarbeit zu begreifen ist. Noch völlig offen ist, wie die allseits und oft phrasenhaft verlangte stärkere „Partizipation“ die Museums­arbeit verändern wird. Dass heute speziell die Stadtmuseen den Zeitgeist auf ihrer Seite haben, hängt wesentlich mit der zunehmenden Bedeutung der Stadt und dem Urbanen zusammen. Stadtfragen sind Zukunftsfragen. Die Verstädterung hat ein noch nie gekanntes Ausmaß erreicht, 2007 lebte erstmals mehr als die Hälfte der Menschen in Städten, dieser Megatrend setzt sich fort. In China fallen Städte mit nur zwei Millionen Einwohnern – die vor 30 Jahren zumeist weniger als 100.000 Einwohner hatten – in die Kategorie „kleine Großstädte“. Wenn wir – wie etwa in der Schau „Experiment Metropole“ ( → S. 260) – vergegenwärtigen, dass es im späten 19. Jahrhundert ähnliche Wachstumssprünge in den europäischen Großstädten gab, wird an die Dynamik der Modernisierung ebenso erinnert wie an die sozialen Verwerfungen, die Wachstumsschübe auslösen. Heute befinden sich die großen Städte durch die Globalisierung abermals in einer Transformationsphase. Dies bewegt die Menschen, ob Langzeitbewohner oder Zuwanderer, und verändert ihre Lebenswelt dramatisch. Wenn sie ins Wien Museum kommen, sollen sie spüren, dass uns das bewusst ist. „Our Greatest Artefact: the City“ heißt ein Tagungsband der Sektion für Stadtmuseen der Museumsorganisation ICOM. „The best of the city museums“, so Ian Jones in der Einleitung, „can put the present urban condition into its historic context.“9


„EIN GEBRAUCHSMUSEUM, KEIN LUXUSMUSEUM“

„Neues aus der Vergangenheit“

Häufig habe ich versucht, gewohnte Museumsbilder mit ungewohnten Begriffen zu kontrieren, um in der Außenund Innenkommunikation Ziele und Prinzipien auf den Punkt zu bringen. Im Wissen, dass Zeitungsberichte kurz und TV-Beiträge noch kürzer sind, ergibt sich die Notwendigkeit, für grundlegende Botschaften auch griffige Slogans und Refrains wie „Schlüssel zur Stadt“ oder „Kompetenzzentrum für Wien“ zu finden. Sich öffentlich gut hörbar machen: Das ist eine heute zentrale Herausforderung im Kulturmanagement, die vor einer Generation noch der Unseriosität verdächtig war. Umso mehr gilt das für einen Direktor, der als langjähriger Medienmensch Sprach- und Kommunikationskompetenz sowie Freude am Formulieren, Titeln und Texten mitbringt und andererseits aber seinem Museum nur in begrenztem Ausmaß Gutpunkte durch glanzvolle Society-Auftritte beschaffen kann (und will).

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Z. B. „Abo-Museum“ ( → Wiederkommen, S. 356), wie „Kunst Plus“ ein Neologismus. Gemeint ist, dass speziell ein Stadtmuseum vor allem von Besuchern und Besucherinnen lebt, die immer wiederkommen und mit denen man wie mit Abonnenten verlässlich rechnen kann – im Gegensatz zu Spezialmuseen oder typischen Touristen­ zielen. Voraussetzung ist, dass immer etwas los ist und man regelmäßig Neues finden kann. Z. B. „Großstadtmuseum“ statt „Stadtmuseum“. Das meint, dass Stadtmuseen in Metropolen und Großstädten (was sich nur manchmal, wie etwa in Wien, deckt) andere Rollen haben als jene in kleinen und mittleren Städten. Einerseits finden sich in Großstädten differenziertere Lebensweisen und eine unüberblickbare Vielfalt von Phänomenen, andererseits stehen diese stärker in transnationalen, globalen Zusammenhängen. Dazu passt die wiederkehrende Feststellung, dass das Wien Museum mehr sein müsse als ein „übergroßes Heimatmuseum“ 10. Z. B. „Ein Gebrauchsmuseum, kein Luxusmuseum“. Unter dieser Überschrift stand in einem Paper mit Argumenten für die Erweiterung des Museums: „Das neue Wien Museum versteht sich als Grundversorger für Kultur und Bildung mit hohem Nutzwert für die Bevölkerung. Da Alltagskultur einen Schwerpunkt bildet, finden die Menschen ihre eigenen Erfahrungen und Erinnerungen wieder. Nicht nur das Elitäre ist museumswürdig.“ Implizit wurde hier das Kunstmuseum als Gegenmodell eingesetzt, musste die Plausibilität des Projekts „Wien Museum Neu“ doch inmitten einer Wirtschaftskrise mit Einsparungsdruck begründet werden. Wie zum Hohn wurden in dieser Zeit „Luxusmessen“ lanciert, und die Eigentümer der größten Luxusmarken der Welt zogen neue Protzmuseen hoch, womit in der medialen Wahrnehmung auch der Begriff

„Museum“ von der Bildungs- in die Goldsphäre zu wechseln drohte. Auch von teuer errichteten, ausschließlich auf regionalen Prestigegewinn abzielenden Kunstmuseen war zu hören, deren Betriebskosten aus dem Ruder liefen. Eine Gegenperspektive aus der Sicht des Wien Museums, das auch wertvollste Kunst wie Klimts goldene „Pallas Athene“ beherbergt: „Luxus für jedermann“.


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Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny hat in Eröffnungsreden (und auch im Vorwort dieser Publikation) immer wieder die Kompetenz des Wien Museums für „Alltag“ herausgestrichen und mit dieser Chiffre auf ein Allein­ stellungsmerkmal im Reigen der großen Wiener Museen hingewiesen, die zum Teil auf habsburgischen Sammlungen basieren, während das Wiener Stadtmuseum von Anfang an von bürgerlichem Selbstbewusstsein bestimmt war und sich heute auch als Haus der Demokratie und der politischen Bildung versteht.11

„EINE JAHRHUNDERTCHANCE“ Ein neues Kapitel begann am 27. August 2009: Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny kündigte in einem Gespräch mit Rainer Nowak in der „Presse“ ein „neues Museum für Wien“ an.12 Ein Ausbau oder Neubau des Wien Museums stelle eine „wichtige Belebung“ der Stadt dar und solle ein „Signal“ und ein „Rufzeichen moderner Architektur“ werden. Als Gründe nannte der Stadtrat die sowieso unumgängliche Sanierung, den akuten Platzmangel und

Ungewöhnlich war, dass der Bauplatz nicht definiert war. Eine breite Diskussion über den besten Standort sollte dazu beitragen, dem Projekt öffentliche Aufmerksamkeit und Schwung zu geben. Tatsächlich kam es zu einer mitunter schwindelerregenden Standortdebatte, die länger dauerte, als alle Beteiligten erwartet hatten, und in deren Verlauf etliche mehr oder weniger geeignete Locations ins Spiel gebracht wurden – zentrale wie der Karlsplatz ebenso wie die Donauplatte oder das Neubaugebiet, auf dem rund um den neuen Hauptbahnhof, also zwischen Südtiroler Platz, Gürtel und Arsenalstraße, eine „neue Stadt“ entstehen soll. Die Diskussion zwang dazu, die Kriterien zu schärfen. Grundlage für eine städtische Expertengruppe waren Checklisten, mit denen harte Fakten zu Publikumserwartung, Verkehrslage oder Potenzial für „Signalarchitektur“ ebenso beurteilt werden konnten wie noch härtere wie die Kosten und die erwartbare Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeit. Seitens der Museumsdirektion wurde der Museumsberater Dieter Bogner beauftragt, die für die Verortung eines Stadtmuseums entscheidenden Kriterien herauszuarbeiten. In seiner Studie erschien die Relation zwischen dem Museum und seinem Publikum als zentrales Erfolgskriterium: Ein Stadtmuseum soll aus pragmatischen Gründen so zentral wie möglich situiert sein und möglichst dort, wo schon Menschen sind oder gerne hinkommen. Der Dialog zwischen Geschichte und Gegenwart ist am besten dort zu vermitteln, wo die historische Stadt als anschaulichstes Exponat des Museums in Spannung mit der heutigen steht. Eine von der Baudirektion der Stadt Wien geleitete Arbeitsgruppe hatte die Überfülle von vorgeschlagenen Standorten auf eine „Shortlist“ zu reduzieren.13 Im nächsten Schritt wurden weniger geeignete Standorte ausgeschieden und der Morzinplatz und der Karlsplatz als bestens geeignet bewertet. Uneinheitlich war die Beurteilung des Neubaugebiets beim Bahnhof, für das es noch keine Vorgaben für einen konkreten Bauplatz gab. Schnell wurde klar, dass bei einem so bedeutenden Projekt wie einem großen Museumsbau unterschiedliche Interessen und Ziele zu koordinieren waren: Aus der Sicht der Stadtplanung waren die Impulse für die Stadtentwicklung zu beurteilen,14 aus der Sicht des Fremdenverkehrs die Stärkung des Kulturtourismus, aus der Sicht des Museums die Erfolgschancen nach der Eröffnung. Ein Neubau auf der grünen Wiese hätte zwar ein Idealgebäude fast ohne

„Neues aus der Vergangenheit“

Der hohe Gebrauchswert des Wien Museums zeigt sich auch, wenn Ausstellungen Themen behandeln, die eigene Erinnerungen und Erfahrungen der Besucher und Besucherinnen spiegeln und ihnen so persönlich besonders nahegehen. Vor allem ist es der durchgehende Schwerpunkt „Alltag“, der das Wien Museum von einem exklusiven „Sonntagsmuseum“ unterscheidet. Das ist keinesfalls neu, denn immer schon hat das Museum der Stadt Wien, das Vorreiter im modernen Ausstellungswesen gewesen ist, auch „normale“ Lebenswelten behandelt, also nicht nur die der oberen Schichten, die in der Museumssammlung überrepräsentiert sind. Das emanzipatorische Bemühen um soziale Breite ist eine der ganz großen Herausforderungen heutiger und künftiger Museumsarbeit, beim Sammeln ebenso wie beim Konzipieren von Ausstellungen.

die Notwendigkeit einer „grundsätzlich anderen Präsentation der Sammlung“. Denn nicht nur ein neues Gebäude sollte entstehen, sondern ein „völlig neues Museum“. Dafür sollte das Museum auf Basis des eingeschlagenen Weges ein überzeugendes Konzept entwickeln. Damit war Realität geworden, wofür das Museum mit einer Machbarkeitsstudie für Vergrößerungsvarianten des Haerdtl-Baus 2007 einen viel beachteten Impuls gegeben hatte ( → Machbarkeitsstudie, S. 331).

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Der Schwerpunkt der „Ansage“ liegt aber auf „Gebrauchs­ museum“. Wir im Wien Museum sind felsenfest davon überzeugt, dass unser Haus einen Musterfall von „public value“ darstellt: Themen, die viele betreffen, Zielgruppen auch außerhalb der kulturellen Kernzonen, niederschwelliger Zugang auch für Finanzschwache ( → Freier Eintritt, S. 315), kostenlose Spielstation, Bühne für Stadtdiskurs und vor allem Schulangebote zu vielen Aspekten der Wiener Geschichte, die Lehrer und Lehrerinnen nicht zuletzt deshalb gerne nutzen, weil auch Themen angesprochen werden, die im Curriculum kaum vorkommen, aber Diskussionsbedarf haben. Das kann der Umgang mit Minderheiten ( → Romane Thana, S. 274) ebenso sein wie Projektarbeit mit Klassen mit überwiegend Migrations­ hintergrund.


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Rücksichtnahme auf die Umgebung und die Bauhöhe ermöglicht, der Verzicht auf eine zentrale und verkehrsoptimale Lage wiederum erschien uns als sehr riskant. Als von der Stadt bestellter Museumsverantwortlicher trug ich in den folgenden Jahren der engagierten Debatte, an der zunehmend auch Medien, Politiker und Politikerinnen, Museumsfreunde und Persönlichkeiten aus dem Kulturleben teilnahmen, weitreichendere Verantwortung, als Direktoren bei „Normalbetrieb“ haben. Keineswegs sollten subjektive Vorlieben die Rationalität der Entscheidung beeinflussen. Gefragt war eine klar nachvollziehbare Linie, die in zahlreichen Interviews und Statements auf den Punkt zu bringen war, etwa mit diesem Satz, der zu einem „Stehsatz“ wurde: „Ein künftiger Standort darf nicht schlechter sein als der Karlsplatz.“ Damit wurde die Bedeutung eines lebendigen, urbanen Umfelds ebenso herausgestrichen wie die der optimalen Erreichbarkeit für alle Wiener und Wienerinnen. Der Satz ließ sich auch ausführlicher formulieren: „Es gibt klare und unerbittliche Erfolgskriterien, ob ein Standort funktioniert. Man braucht ein urbanes Umfeld mit Treffpunkten in der Umgebung. Ein neues Wien Museum muss von allen Wienern optimal erreichbar sein, und es muss für Touristen gut am Weg liegen.“15 2010 wurde von der Direktion ein „Vision Statement“ ( → S. 354) vorgelegt, mit dem vermittelt werden sollte, wofür das künftige Museum inhaltlich stehen werde und warum es essenziell ist, zu einem „Museum für alle“ zu werden. Erstmals wurden nach jahrlanger Nachdenkarbeit auch die Prinzipien und Themen einer neuen Dauerausstellung vorgestellt. Hier ein Ausschnitt aus der damaligen APA-Aussendung, die mit „Flexible Dauerausstellung mit sechs Themenmodulen als Herzstück“ überschrieben war: „Die einzelnen Themeninseln in der Größenordnung zwischen 400 und 1200 Quadratmetern sollen unabhängig voneinander erlebbar sein und sich collageartig zu einem Ganzen fügen. Kos will dabei weg von einer ‚biederen chronologischen und additiven Abfolge‘. Vielmehr stehen inhaltliche Vertiefung und kontextualisierte Querschnitte im Vordergrund. […] Hinsichtlich der Modulbespielung hat der Museumschef bereits ziemlich konkrete Vorstellungen. Im Modul ‚Wien von oben‘ soll die Entwicklung der Stadtstruktur vom dünn besiedelten Naturraum bis zur Metropole veranschaulicht werden. Historische Stadtmodelle, Panoramen, Luftaufnahmen und digitale 3D-Visualisierungen werden hier zu sehen sein. Konkreten Orten soll ebenfalls ein Part der Dauerausstellung gewidmet werden. Anhand der Leopoldstadt, der Ringstraße oder des Karl-Marx-Hofes will man – pars pro toto – politische Strömungen, Zuwanderung oder soziale Veränderungen nachzeichnen.“16 Als weitere Teilausstellungen – mit dem Anbieten mehrerer Module sollten Mehrfachbesuche animiert werden ( → Wiederkommen, S. 356) – waren zu diesem Zeitpunkt vorgesehen: eine die Sparten Kunst, Architektur, Kunstgewerbe und Mode verbindende Präsentation von wienspezifischen

Highlights der Sammlung, Rückblenden auf heiße Phasen politischer Konflikte und Veränderungen („Politik und Gesellschaft“), Alltagsgeschichte an Beispielen wie Wohnen, Geschlechterbeziehungen oder Ernährung sowie, quasi als Metaebene, die Entstehungsgeschichte und die kritische Befragung von „Wiener Mythen“ wie Alt-WienNostalgie, Musik oder Kaffeehaus. Aber weniger das „Wie“ als das „Wo“ bestimmte weiterhin den Diskurs. Seitens des Wien Museums wurde auf die hervorragende Eignung der „Stadtbrache“ Morzinplatz ( → S. 334) hingewiesen, so an der Bruchlinie zwischen Altstadt, Donaukanal und Leopoldstadt ein Neubau mit Signalwirkung möglich schien. Nachdem diese Variante ebenso wie jene am Ort der ehemaligen Kunsthalle („Karls­ platz West“) seitens der Stadt nicht weiter verfolgt wurde, spitzte sich die sehnlichst erwartete Entscheidung auf zwei sehr unterschiedliche Möglichkeiten zu: Erweiterung und Neubau am bereits gut eingeführten bisherigen Standort oder Übersiedlung auf einen von der Immobilientochter der Erste Bank vorgeschlagenen Bauplatz vis-à-vis des 21er Haus an der Arsenalstraße. In einem internatio­ nalen Expertenhearing überwogen die Argumente pro Karlsplatz, indem etwa Max Hollein einen Satz sagte, der zu einem Leitspruch werden sollte: „Das Wien Museum braucht den Karlsplatz, der Karlsplatz braucht das Wien Museum“ ( → Karlsplatz, S. 322). Interessant ist, dass zwei Stadtentwicklungsgebiete, ein inneres und ein zentrumsferneres, zur Debatte standen. Wie komplex die Sache war, zeigt die Frage des künftigen Umgangs mit dem Haerdtl-Bau im Fall eines Neubaus an anderer Stelle. „Stünde der nicht unter Denkmalschutz“, so das Magazin „News“, „würde er im Abbruchsfall kaum vermisst.“17 Diese saloppe Sicht entsprach wahrscheinlich der Mehrheitsmeinung, doch dem Faktum, dass die Bevölkerung das Museum von 1959 stets als „schiach“ empfunden hat, was sich auf das Ansehen des Historischen Museums negativ auswirkte, war die Verantwortung für einen Schlüsselbau der Wiener Nachkriegsmoderne entgegenzusetzen. Eine etwaige Nachnutzung des Gebäudes war


vor allem ökonomisch zu bewerten: Eine Sanierung durch die Stadt Wien war unumgänglich, hätte aber Mehrkosten verursacht – außer es hätte sich eine gut fundierte Nachfolgeinstitution gefunden. Diverse Varianten blitzten auf, von einem Designmuseum bis zum „Haus der Geschichte“. Sogar eine Büronutzung des für Museumszwecke errichteten Gebäudes wurde geprüft. Alle waren sich einig, dass das neue Museum zu einer neuen Wiener Sehenswürdigkeit mit Signalwirkung werden sollte. Damit waren auch bessere Wahrnehmbarkeit in der Stadt und markante bis spektakuläre Architektur gemeint, denn: „Ein Museum, das nicht laut ‚Hallo, da bin ich‘ sagt, hat ein Problem.“18 Das Ziel einer „Signal­ architektur“ wurde vielfältig interpretiert: nicht eitle Spektakelarchitektur, sondern höchste Qualität mit für den Museumsbetrieb tauglicher Funktionalität. Klar war immer, dass das neue Museum ausreichend hoch werden musste, etwa durch einen ergänzenden Solitärbau oder durch partielle Überbauung. Eine Studie des Büros „lakonis“ schlug vor, solche Maßnahmen mit unterirdischen Erweiterungen zu ergänzen. Tatsächlich könnte so ein ausreichend großer Ausstellungsbereich gewonnen werden. Zu einem entscheidenden Faktor wurde schließlich die Möglichkeit der Belebung des Karlsplatzes durch einen Neubau, wofür auch eine von den Kultur- und Stadtplanungsressorts beauftragte Studie des Büros „Kuehn Malvezzi“ eintrat. Im November 2013 konnte der Stadtrat schließlich eine definitive Standortentscheidung bekannt geben: Das Projekt „Wien Museum Neu“ wird am Karlsplatz realisiert.19 Das sei ein Schritt in Richtung „urban renewal“, denn in seiner „spezifischen Mischung zwischen Alt und Neu“, so Mailath-Pokorny, sei der Karlsplatz „einzigartig“.20 In der Folge wurde eine stadtnahe Errichtungsgesellschaft gegründet, die den internationalen Wettbewerb einleitete, der zurzeit im Gange ist ( → Architekturwettbewerb, S. 306). Die Direktoren und das vielfach in die Planung involvierte Museumsteam sind froh, dass sich ein aufreibender Weg gelohnt hat. Die Belastung, dass falsche Weichen gestellt werden könnten, war keine geringe. Die Erleichterung war mir anzumerken, erzählen Menschen, die mich gut kennen.

Ein Bezug zu Wien, wie auch immer und mit Ausflügen in die Ferne ( u. a. „Nagoya“, Street Photography aus New York), war sicher der wichtigste gemeinsame Nenner des Ausstellungsprogramms, mit dem auch der Name des Museums und dessen Kernkompetenz unterstrichen wurden. Und gab es darüber hinaus erkennbare Programmlinien in unserem Gemischtwarenladen? Die Planung war jeden­falls eher intuitiv, neben frühen Festlegungen auf Hauptprojekte spielten auch individuelle Begeisterung, Budgetvorgaben und Zufall eine Rolle. Manches blieb Idee ( → Unrealisierte Ausstellungsprojekte, S. 352). Im Rückblick sind dennoch einige rote Fäden feststellbar. Wiederholt wurden Orte des Alltags phänomenologisch erkundet, etwa Wiens „Große Bahnhöfe“ zwischen 1840 und heute, die Orte des Fußballs („Wo die Wuchtel fliegt“) oder das Wiener Wirtshaus inklusive sozialer Milieus und Mythenbildung. Eine dringend notwendige Ausstellung zum Wiener Kaffeehaus gab es noch nicht, vielleicht deshalb, weil so viele Aspekte zu behandeln wären, um nicht in der Wien-Nostalgie hängen zu bleiben. Ein Zyklus von mittelgroßen Ausstellungen galt Wiener Erholungsgebieten, nahen wie Kritzendorf oder dem Gänse­ häufelbad, ferneren wie dem Neusiedlersee („Das Meer der Wiener“) oder der „Wiener Riviera“ an der Adria. Mehrere Ausstellungen widmeten sich vergessenen oder zu wenig bekannten Künstlerinnen und Fotografinnen: Marie-Louise von Motesiczky, Barbara Pflaum, Elfriede Mejchar, Trude Fleischmann, Edith Tudor-Hart. Ein Schwerpunkt waren Ausstellungen zum überraschend dynamischen späten 19. Jahrhundert und zur Ringstraßenzeit, von „Alt-Wien“ bis „Der Ring“, von Makart bis zur Mode der Ringstraßenzeit und August Stauda („Wien war anders“) als Gegenperspektive. Hier konnte jeweils der Reichtum der Sammlung voll ausgespielt werden. Im Lauf der Jahre wurden – auch um auf die Schätze im Depot hinzuweisen – Ausstellungen immer wichtiger, die fast völlig aus der eigenen Sammlung kamen. Bewusst wurden auch, um an einstige Stärken des Hauses anzuknüpfen und dessen Potenzial zu demonstrieren, sehr große und damit besonders breitenwirksame Ausstellungen geplant.

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Wer an Wodka denkt, liegt falsch. Wer an „Ganz Wien“ denkt, liegt richtig. So hieß eine Ausstellung mit Ankäufen und Schenkungen ( → S. 214). Das Material war extrem heterogen, dank einer plötzlichen Eingebung einer Kuratorin war ein Titel gefunden, der vage genug war, um keine Themenausstellung vorzutäuschen, und der den einzigen gemeinsamen Nenner, den Wienbezug, herausstellte. „Bezug zu Wien“ ist auch ein Kriterium, das in unserer Sammelstrategie genannt ist, allerdings nicht in einem eng lokalpatriotischen Sinn: „Wien“ schließt natürlich auch internationale Bezüge mit ein, was für Migration ebenso zutrifft wie für die Übernahme von Moden oder Wirtschaftsbeziehungen.21

„Neues aus der Vergangenheit“

„ABSOLUT WIEN“


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Dafür musste das Wien Museum aufgrund von Flächenmangel ins Exil gehen: Die Dekonstruktion von „Alt-Wien“ fand ebenso wie das Zwischenkriegspanorama „Kampf um die Stadt“ oder „Makart. Ein Künstler regiert die Stadt“ im Künstlerhaus statt. Allen Ausstellungen gemeinsame Nenner waren die intensive Einbeziehung von teilweise noch „neuen“ und immer außergewöhnlichen Ausstellungsarchitekten und Grafikbüros ( → Schnelle Jahre, S. 251, → Design in Wien S. 186) und ein hohes Augenmerk auf dramaturgische Klarheit und bestmögliches Textmanagment.22 Ich hoffe, dass im Lauf der Jahre ein Ausstellungsstil des Wien Museums deutlich geworden ist, zumindest arbeiten wir mit relativ strengen Standards. Dazu gehören ein Intro, das die Gründe und die Thematik der Ausstellung klarlegt, bevor man in Details einsteigt. Oder publikumsfreundliche und möglichst präzise Wandtexte. Das geht bis in wahrnehmungspsychologische Details wie die Maximallänge von Zeilen, die im Stehen bequem zu erfassen sind, oder möglichst große Farbkontraste auf Objektkärtchen, um sie mühelos lesen zu können.

WO STEHT DAS MUSEUM HEUTE? Das Wien Museum im Jahr 2015? Es obliegt nicht mir, die Ziele mit dem Zwischenergebnis nach fast 13 Jahren zu vergleichen und die Richtungsentscheidungen zu bewerten. Vieles ist nachzujustieren, manche Reformen wurden aufgeschoben, etliche Slogans haben zwar ihren Zweck erfüllt, sind aber ausgeleiert. Nach einem Direktor, der Historiker ist und aus dem Journalismus kam und als begeisterter Ausstellungsmacher fungiert hat (quasi als „inszenierender Direktor“), kommt mit Matti Bunzl ( → S. 312) ein Wissenschaftler mit internationalerer Erfahrung und mit anthropologischem Blick auf die Stadt und ihre Geschichte, der sich in den USA auch als Kulturmanager profilieren konnte. Mit neuen Akzenten und anderen Blickwinkeln ist zu rechnen, das Neuerfinden ist noch lange nicht zu Ende.

Eine häufig gestellte Frage ist die nach den größten Problemen meiner Amtszeit. Diese verlief, weil ich mit einem wunderbaren, fachlich exzellenten, verlässlichen und jederzeit zu unkonventionellen Lösungen fähigen Team zusammenarbeiten durfte, grundsätzlich positiv und phasenweise enthusiastisch. Was jedoch nervte, belastete und gelegentlich frustrierte, war die Notwendigkeit, immer wieder im Modus des Konjunktivs und mit dem Hinweis auf Potenziale arbeiten zu müssen. Während ich mit den Sonderausstellungen fest am Boden des Hier und Heute stand, war die Planung der neuen Dauerausstellung angesichts der unklaren Zukunft des Haerdtl-Baus ein Unternehmen mit immer weiter nach hinten rutschendem Zielpunkt, aber, wie es scheint, sehr gutem Ausgang. Auch die letztlich erfolgreiche Diskussion um einen optimalen Standort kannte kurvenreiche Phasen von großer Belastung. Mehr als Sorgenfalten verursacht hat jedoch die beängstigend angespannte Budgetlage. Wird das Wien Museum weiterhin seine Aufgaben bestmöglich erfüllen können? Um ein Zitat von 2004 zu wiederholen: „Die Kurbel ist angeworfen.“ In einem Fall konnte, ebenfalls nach langem Planen ins Ungewisse, das Ziel bereits erreicht werden, nämlich beim Bau und Bezug des neuen Depots. Für die nächste Etappe wünsche ich speziell für unser Projekt „Wien Museum Neu“ sämtlichen Beteiligten und der Stadt Wien alles Gute.


Mein spezieller Dank gilt dem Kernteam, das maßgeblich daran beteiligt war, dass das Wien Museum heute dort steht, wo es steht. Ich nenne die Mitglieder der Direktion, Finanzdirektor Christian Kircher und Vizedirektorin Ursula Storch (und deren Vorgängerinnen Angelica Röhr und Renate Kassal-Mikula), die Bereichsverantwortlichen Elisabeth Graff, Martina Klauser, Teresa Marchesani, Bärbl Schrems, Peter Stuiber und Isabel Termini und die DirektionsassistentInnen, mit denen ich seit 2003 zusammenarbeiten durfte: Monika Sommer, Marie-Theres Holler, Gudrun Ratzinger, Felix Taschner und – aktuell – Evi Scheller. Fad war es selten, glaube ich.

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Es handelte sich um einen Markenwechsel, denn offiziell trägt das Museum bis heute die Bezeichnung „Museen der Stadt Wien“. Dennoch wurde „Wien Museum“ de facto zum Namen der Institution. Das Haus am Karlsplatz heißt seit 2003 „Wien Museum Karlsplatz“. Als auf Grundlage des Museumsgesetzes bestellter Direktor wurde ich auch verantwortlicher Geschäftsführer und der erste Leiter mit Vertrag auf Zeit, der in Folge zweimal verlängert wurde – und damit der erste Direktor, der kein Beamter ist. Meine Vorgänger waren zugleich Leiter der für Museen zuständigen Magistratsabteilung 10. Von der Eröffnung 1887 bis 2003 amtierten folgende Direktoren: Karl Weiß (1887– 1889), Karl Glossy (1889–1904), Eugen Probst (1905–1922), Alois Trost (1922–1924), Hermann Reuther (1924–1936), Oskar Katann (1936–1938), Karl Wagner (1938–1949), Franz Glück (1949–1968), Alfred May (1968–1974), Robert Waissenberger (1974–1987), Günter Düriegl (1987–2003). 2003 und 2004 fand gleichzeitig mit den Erneuer­ungen in Programmpolitik und Außenkommunikation eine umfassende und alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen intensiv fordernde Organisationsreform statt, die von der damaligen kauf­ männischen Leiterin Angelica Röhr initiiert und orchestriert wurde. Partner beim „change management“ war das Team von C/O/N/E/C/T/A. Damals wurde auch die wissenschaftliche Betreuung adaptiert. Waren bis dahin einzelne Kuratoren und Kuratorinnen jeweils nach dem Referentenprinzip allein für bestimmte Teilbereiche zuständig, wurden nun Departments eingerichtet, um die Zuständigkeiten zu verbreitern und den Gesamtblick auf die Sammlung und das Sammeln zu stärken.

Ein originaler Stockautobus der Linie 13A stand einen Abend lang als Leihgabe des Straßenbahnmuseums vor dem Wien Museum. Anlass war ein Abend zum 60. Geburtstag des Schriftstellers Bodo Hell, der einen Text über eine Fahrt mit dem 13A schrieb.

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Dieses Buch enthält viele Namenslisten, die auch Dankeslisten sind. Eine mit allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die zwischen 2003 und 2015 für das Wien Museum tätig waren und sind. Alle (über 500!), die in diesem Zeitraum Beiträge für Museumskataloge geschrieben haben. Alle Architektur- und Grafikbüros, die für uns tätig waren. Alle Mitwirkenden am Projekt „Depot Neu“. Und die Namen aller Kuratoren und Kuratorinnen, die hinter den rund 100 Ausstellungen stehen, die auf dem Spielplan standen. Alle Kuratoriums- und Beiratsmitglieder. Und quer durch alle Texte wichtige Partner, die bei Veranstaltungen dabei waren oder uns unterstützten. Stellen Sie sich dazu weitere Listen vor, die aller Leihgeber etwa, oder die der Hausfreunde, die als Stammgäste unseren Weg begleitet haben.

„Neues aus der Vergangenheit“

DANK

Folgende Departments wurden 2004 eingerichtet: Archäologie und Geschichte bis 1500, Geschichte und Stadtleben 1500– 1918, Geschichte und Stadtleben ab 1918, Biografische Sammlung, Kunst, Stadtentwicklung und Topografie. 4 Die Notwendigkeit eines Markenwechsels war bereits in meiner Bewerbung von 2002 genannt und blieb in der Folge unwidersprochen. Erste Workshops in Richtung „Wien Museum“ fanden bereits in den Monaten vor meinem Amtsantritt statt. 5 In: Gail Dexter Lord/Kate Markert (Hg.), „The Manual of Strategic Planning for Museums“, Lanham/New York/Toronto/ Plymouth 2005, S. 122–128 6 Hinzuweisen ist darauf, dass das Konzept des damaligen Direktors Franz Glück, das eine offene Präsentation vorsah, als Gegenmodell zur Muffigkeit der typischen Geschichtsmuseen aus dem 19. Jahrhundert durchaus innovativ war. Um die Geschichte aufzuwerten, präsentierte er die wichtigsten Artefakte nach Art von Kunstwerken. Dem entsprach Oswald Haerdtls moderne und unpathetische Gestaltung. Vgl. Monika Sommer, Wände als Möbel. In: „Fifty Fifty. Kunst im Dialog mit den 50er-Jahren“, Katalog Wien Museum, Nürnberg 2009, S. 118f. Sowie: Andreas Nierhaus, Ein Zweckbau in Marmor. Zur Architektur des Historischen Museums der Stadt Wien von Oswald Haerdtl. In: ebd., S. 108–117. 7 Die Sammlung der Stadt Wien umfasst ungefähr 1 Million Objekte.


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20 Zitiert nach „‚Schlussakkord‘ für den Karlsplatz“, „Wiener Zeitung“, 13.11.2013 21 Als erstes österreichisches Museum hat das Wien Museum schriftliche Sammelrichtlinien und ein Paper zur Sammelstrategie (etwa zur Frage, was speziell für unsere Sammlung „relevant“ ist) erarbeitet. Vgl. „Die Sammelstrategie des Wien Museums“, in: „Neues Museum“, 2008, Heft 2. 22 Häufig wurde ich nach der Vergleichbarkeit meiner langjährigen Radioarbeit für Ö1 und dem Ausstellen gefragt. Da gibt es mehr Parallelen, als gemeinhin angenommen wird: der analoge Weg, eine logische Reihung der Themen, um mit einer „Dramaturgie der Abwechslung“ Langeweile zu vermeiden und auch innerhalb von Ausstellungserzählungen mit neuen Startpunkten Aufmerksamkeit zu schaffen. Bei einem unpublizierten Vortrag in Bregenz ging ich noch weiter und verglich die Aufgabe des Kuratierens mit dem Moderieren im Radio, dessen Aufgabe ist, am Beginn einer Sendung und zwischendurch immer wieder auf das Kommende einzustimmen und plausibel zu machen, warum es interessant sein könnte. Deshalb sind Ausstellungstexte entscheidende „tools“ für das Funktionieren von Ausstellungen beim Publikum.

„Neues aus der Vergangenheit“

Ein zunehmend problematischer Begriff ist in diesem Zusammen­hang „Identität“. Weiterhin finden Museumstagungen statt, bei denen Stadtmuseen als „Identitätsmaschinen“ aufgefasst werden, als könnten sie die Essenz einer Stadt und ein gemeinsames Selbstverständnis ihrer Bevölkerung formulieren. Das Bedürfnis ist verständlich, doch die Stadtmuseen tun gut daran, Abstand zu halten. 9 Ian Jones, Foreword. In: „Our Greatest Artefact: the City. Essays on cities and museums about them“, Istanbul 2012, S. 13. 10 Varianten waren: „Wir sind kein Pimperlmuseum“ oder, speziell am Beginn, „Wir spielen nicht in der Regionalliga“. 11 Wiener Museen, die nach dem Ende der Monarchie geplant wurden: Wiener Bezirksmuseen, Museum des 20. Jahrhunderts (heute MUMOK), Jüdisches Museum, Leopold Museum, MUSA. 12 „Mailath-Pokorny: Ein neues Museum für Wien“, „Die Presse“, 27.8.2009 13 Darauf fanden sich zweimal der Karlsplatz (alter Standort und Bereich des „Project Space“ der Kunsthalle auf dem westlichen Karlsplatz), die Donaucity, das Areal um den Hauptbahnhof, der Bereich Morzinplatz/Schwedenplatz, der Gürtel zwischen Europaplatz und Urban-Loritz-Platz sowie der Herrmannpark bei der Mündung des Wienflusses in den Donaukanal. 14 Auch seitens des Museums wurde stets darauf hingewiesen, dass ein neues Museum auch einen „Mehrwert für Wien“ bringen sollte. 15 WK in „News“, 25.11.2010 16 „Wien-Museum Neu“, APA-Bericht, 11.5.2010 17 „News“, 25.11.2010 18 WK in einem Interview im „Kurier“, 25.5.2012 19 „Die unendliche Geschichte ist beendet. Der Karlsplatz soll zum ‚zweiten Museumsquartier‘ werden“, „Die Presse“, 13.11.2013

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SONDERAUSSTELLUNGEN


2. oktober 2003 bis 6. jänner 2004

QUASI EIN GENIE Helmut Qualtinger (1928–1986)

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Im Oktober 2003 wäre der Kabarettist, Autor, Satiriker, Schauspieler und „Sprechsteller“ Helmut Qualtinger 75 geworden. Aus diesem Anlass widmete das Wien Museum dem „Virtuosen des Unbehagens“ eine Ausstellung, die gemeinsam mit dem Thomas Sessler Verlag und auf der Grundlage der Aufarbeitung von Werk und Biografie durch den Germanisten Arnold Klaffenböck entwickelt wurde. Neben biografischem und kulturhistorischem Material wurden vor allem auch Medien (Film und TV-Collagen, Tondokumente, interaktive Station) verstärkt eingesetzt. In unterschiedlichen Annäherungen wurde versucht, die vielen Gesichter, Rollen und Masken eines chamäleonhaften und merkwürdig zerrissenen Verwandlungskünstlers erahnen zu lassen. Qualtingers schwieriger Beziehung zu Wien galt ein eigener Bereich in der Ausstellung. Ein Kapitel war seiner Lieblingsgegend Prater gewidmet. Zu sehen waren auch etliche Raritäten aus dem persönlichen Bereich, zur Verfügung gestellt von Familie und Freunden. Das Gros des Materials

stammte aus dem von der Wienbibliothek im Rathaus betreuten Qualtinger-Nachlass. Am Begleitprogramm wirkten u. a. Louise Martini, André Heller und Vera Borek mit.

„Sehr viel besser, als es das Wien Museum macht, kann man Qualtinger nicht präsentieren. Man zeigt den Zerrissenen ganz.“ Neue Zürcher Zeitung

Der enorme Erfolg der Ausstellung, vor allem auch bei einem jüngeren Publikum, zeigte, dass sich Qualtinger wie wenige andere Künstler der Nachkriegs­epoche in die kollektive österreichische Erinnerung eingeschrieben hat.

„Wenn man so will, die Chance für eine neue Begegnung mit einer fast unheimlich wandelbaren Figur, ein Wiener Quasi-Genie halt.“ Kurier

Zum Projekt

„In der detailreich und liebevoll bestückten Schau sieht man den Qualtinger, wie er leibte und lebte.“ Wiener Zeitung

In vielen Brainstormings wurde nach einem prägnanten Titel gesucht. Mindestens zehn wurden verworfen, bis „Quasi ein Genie“ feststand. Quasi wurde Qualtinger von vielen Freunden genannt. Der Titel spielte auch darauf an, dass das charismatische, überbordende und selbstzerstörerische Multitalent Qualtinger letztlich doch ein Unvollendeter blieb – vor allem was seinen Ehrgeiz betraf, als Schriftsteller anerkannt zu werden. Ganz ist es ihm nie gelungen, sich von den populären Qualtinger-Stereotypen zu befreien.

KURATORENTEAM ALEXANDRA HÖNIGMANN, WOLFGANG KOS (KONZEPT), MICHAELA LINDINGER (KOORDINATION), ARNOLD KLAFFENBÖCK, ALINE EHRENFRIED, CHRISTIANE RAINER, WALTER ÖHLINGER, MARIA TEUCHMANN AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR CHECO STERNECK GRAFIK PURPUR KATALOG QUASI EIN GENIE. HELMUT QUALTINGER (1928–1968), HG. VON ARNOLD KLAFFENBÖCK, WOLFGANG KOS, ULRICH SCHULENBURG UND ALEXANDRA HÖNIGMANN, VERLAG DEUTICKE


HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004

MERKEN SIEBISSERL NICHT, MERKEN SIE NICHT, IMMER A IMMER BISSERL WIE WIEN WIENAWIEDER WIEDER WIE DAS HERZ WIRD? DABEI WELTSTADT DAS HERZ DABEI WELTSTADT WIRD?

ORGI ORGI GEME GEME

LESEN TU II AAHAASST NIX. ´S STERBN LESEN TU NIX. ´S STERBN DAMIT MUSSHAASST MA DAMIT MUSS MA AA NIX MEHR FRÜHER ANFANGEN AA NIX MEHR FRÜHER ANFANGEN

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MERKEN SIE NICHT, NICHT, EIN SCHAS MIT MERKEN SIE EIN SCHAS MIT WIE WIEN WIEDER WIE WIEN WIEDER QUAST´LN WELTSTADT WIRD? QUAST´LNWIRD? WELTSTADT

ORGI ORGI GEME GEME

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MENSCHLICHES MENSCHLICHES

HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004

HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004

YOU! YOU!

HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004

HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004

LESEN TU I AVORHAUT NIX. UNTER DER LESEN TU I A NIX. DAMIT MUSS MA UNTER DERGLEICH VORHAUT SAN ALLE DAMIT MUSS MA FRÜHER ANFANGEN SAN ALLEANFANGEN GLEICH FRÜHER

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ORGI ´S STER ORGI ´S STER AA NIX GEME AA NIX GEME

HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004

HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004

LESEN TU I A NIX. LESEN TU I A NIX.

Helmut Qualtinger 1970er-Jahre Foto Michael Horowitz, Wien Museum

2003

NASENRAMMEL NASENRAMMEL

HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004

Sonderausstellungen

HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUASI EIN GENIE 02.10.2003 BIS 06.01.2004

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MENSCHLICHES MENSCHLICHES

HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004

HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004 HELMUT QUALTINGER, QUAS 02.10.2003 BIS 06.01.2004

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16. Oktober 2003 bis 12. April 2004

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ORIENTALISCHE REISE MALEREI UND EXOTIK IM SPÄTEN 19. JH. Der Orient als Spiegel europäischer Sehnsüchte, mit der Kunst als wichtigem Transformator. Die Ausstellung zeigte die im späten 19. Jahrhundert aufkommende „Orient-Lust“ am Beispiel Österreichs, die eine Folge verbesserter Reisemöglichkeiten war. Im Mittelpunkt standen 50 Gemälde von Malern, die wiederholt in den Nahen Osten gereist sind, darunter Hauptwerke von Alois Schönn oder Leopold Carl Müller, von dem sich wichtige Gemälde in der Sammlung des Wien Museums befinden. Typische Motive waren Haremsszenen, Kamelmärkte mit Beduinen, Ruinen und Wüstenlandschaften. In Europa war die Rezeption des Orients von eigenen Projektionen und Wunschvorstellungen geprägt. Dies zeigte sich vor allem im Phantasma des erotischen, freizügigen Orients. Das spiegelt sich auch in Fotografien, wie sie etwa während eines Kairoaufenthalts einer Künstlergruppe um Franz von Lembach und Hans Makart gemacht wurden.

Die Ausstellung belegte aber auch, wie viele Alltagsbereiche von der Orientmode berührt waren: Architektur, Interieur, Kunstgewerbe, Zigarettensorten. Sichtbar wurde das Ziel des Wien Museums, zwischen künstlerischen Werken und gesellschaftlichen Trends Zusammenhänge erkennbar zu machen. Man sah Kunst und Kitsch, Belege von wissenschaftlicher Aufarbeitung und populären Nippes. Schon 1997 fand in der Residenz­ galerie Salzburg die erste umfassende Präsentation der österreichischen Orientmalerei statt. Die von Erika Mayr-Oehring unter dem Titel „Orient“ konzipierte Schau fand große Beachtung und wurde nun für die Hermesvilla adaptiert und weiterentwickelt: Eine „Neuinszenierung“ unter anderen räumlichen Gegebenheiten. „Eine erstaunliche Ausstellung.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung „Und also ist die Reise via Lainz in den Orient, wie unsere Altvorderen ihn empfunden haben, allemal den Fahrschein für den Wagen der Linie 60 oder 62 wert.“ Der Standard

In Kooperation mit der Residenzgalerie Salzburg hermesvilla Kuratorinnen Erika Mayr-Oehring (Residenzgalerie), Elke Doppler (Wien Museum) Ausstellungsarchitektur Christian Sturminger Grafik Fine Line Plakat Agentur C. Satek Katalog ORIENTALISCHE REISE. Malerei und Exotik im späten 19. Jahrhundert, Eigenverlag Wien MuseuM


2003 Sonderausstellungen 53 Eduard Charlemont Gardien du Serail, テ僕 auf Holz, um 1870/80, Wien Museum

Schwarze Tテ、nzerin 2. Hテ、lfte 19. Jh., Bronze, Wien Museum


2. Oktober 2003 bis 6. Jänner 2004

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WIENER STOLZ DIE RATHAUS-SKULPTUREN UND IHRE MODELLE IM WIEN MUSEUM Rund 1.600 Plastiken aus dem 19. und 20. Jahrhundert besitzt das Wien Museum. Im Zuge ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung wurde ein systematischer Katalog der Modelle vorgelegt, die am Rathaus zur Ausführung kamen – sozusagen als „Kollegen“ des über ihnen thronenden Rathausmannes. Das von Traute Fabich-Görg erarbeitete Werk „Die Rathaus-Skulpturen und ihre Modelle im Wien Museum“ war Anlass für die Präsentation ausgesuchter Modelle und Fotos zum Bau des Rathauses. Diese kleine Spezialpräsentation war im Rahmen der Dauerausstellung zu sehen.

Kuratorinnen Renata Kassal-Mikula, Traute Fabich-Görg Ausstellungsgestaltung Designbuero Christoph Wurzer Grafik Wolfgrafik Katalog WIENER STOLZ. Die Rathaus-Skulpturen und ihre Modelle im Wien Museum, HG. von Traute Fabich-Görg, Katalog der Plastiken im Wien Museum, Band 1, Böhlau Verlag


BRUTALE NEUGIER WALTER HENISCH: KRIEGSFOTOGRAF UND BILDREPORTER

Immer wieder hat Walter Henisch, der sowohl für die Nationalsozialisten als auch für die Sozialdemokraten tätig war, darauf hingewiesen, als Bilderjäger mit „brutaler Neugier“ ausgestattet zu sein. Dies sei eine Eigenschaft, die für einen Kriegsberichterstatter und Pressefotografen unabdingbar sei, so Henisch in einem Gespräch mit seinem Sohn. „Wenn ich vor einem brennenden Haus stehe und sehe, wie die Leute aus den Fenstern springen, so wird mir das ALS MENSCH furchtbar leid tun. ALS FOTOGRAF aber wird es mir

55

Sonderausstellungen

Eine zeitgeschichtliche Fotoausstellung mit doppeltem Boden und mehreren Zeitschichten: Zu sehen waren Propagandafotos von Walter Henisch aus dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie Reportagen aus der österreichischen Wiederaufbauära. Im Kontrast zur visuellen Ebene standen Zitate des Sohns, des Schriftstellers Peter Henisch, der sich im Roman „Die kleine Figur meines Vaters“ kritisch mit der Lebensgeschichte seines Vaters und damit mit der Profession eines Berufsfotografen befasst hat.

2003

30. Oktober 2003 bis 6. Jänner 2004

ein Motiv sein, und ich werde, den Finger am Auslöser, davorstehen, -knien oder -liegen und lauern. Und mein Fotografengehirn wird nichts anderes im Sinn haben als die genaue Entfernung, die richtige Belichtungszeit und die entsprechende Blende.“

„‚Brutale Neugier‘ zeigt lang verschollen geglaubte Fotos – dabei wird auch der Versuch unternommen, die Frage zu beantworten: Wie entstehen propagandistische Medienbilder?“ Profil „Eine kleine, aber sehr dichte Ausstellung mit interessantem Katalog.“ Kronen Zeitung „Die Kuratoren wollen auch zum Nachdenken über die Relevanz von Medien bei Kriegsereignissen und über die berufliche Verfügbarkeit des Einzelnen in Diktatur und Demokratie anregen.“ Orf-On

Kurator/innen Christian Stadelmann, Regina Wonisch, Susanne Winkler Ausstellungsgestaltung Bernhard Denkinger Grafik Maria-Anna Friedl Begleitpublikation Brutale Neugier. Walter Henisch – Kriegsfotograf und Bildreporter, Hg. VON Christian Stadelmann und Regina Wonisch, Verlag Christian Brandstätter


22. Jänner bis 11. April 2004

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GASTARBAJTERI 40 JAHRE ARBEITSMIGRATION Mit dem serbokroatischen Lehnwort „gastarbajteri“ bezeichneten sich die ArbeitsmigrantInnen, die ab den 1950er-Jahren nach Deutschland und ab 1964 auch nach Österreich geholt wurden. Grundlage waren Anwerbeabkommen mit der Türkei und Jugoslawien. Aus diesem Anlass unternahmen die Initiative Minderheiten und das Wien Museum einen kritischen Rückblick auf 40 Jahre Arbeitsmigration. Drei Generationen wurden von dieser Erfahrung seither geprägt. Es war daher an der Zeit, die „gastarbajteri“ in das kulturelle Gedächtnis der Stadt und des Landes hineinzureklamieren. Am Beispiel von zehn Orten erzählte die Ausstellung Migrationsgeschichten und beleuchtete Biografien, Arbeits- und Wohnprobleme, strukturelle Zusammenhänge sowie politische und rechtliche Veränderungen in Österreich und den Herkunftsländern. Eine der Recherchen galt z. B. der Ortschaft Adatepe in der Türkei, aus der mehr als die Hälfte der EinwohnerInnen nach Österreich emigrierte. Andere exemplarische Orte waren die

Fischfabrik Warhanek im 10. Bezirk in Wien, die als erste „legale“ Beschäftigungsmöglichkeit für Migrantinnen in Österreich diente, der Mexikoplatz und die Fremdenpolizei am Hernalser Gürtel. Die Ausstellung „gastarbajteri“ im Wien Museum war Kernstück eines dreiteiligen Projektes der Initiative Minderheiten, mit einer zweiten Ausstellung in der neuen Wiener Hauptbibliothek am Gürtel und einer Filmreihe im Metro Kino. Begleitet wurde die Ausstellung von einem speziell erarbeiteten Vermittlungsprogramm für SchülerInnen und Lehrlinge. Parallel dazu bot das Wien Museum in Form von „Interventionen“ in seiner permanenten Schausammlung Informationen zu früheren Phasen der Wiener Migrationsgeschichte.

„Neben Einzelschicksalen versucht man auch, die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und Strukturen darzustellen.“ Wiener Zeitung „Gastarbajteri ohne Klischee.“ Kurier „Die Stadt kennt keine für alle gültigen Geschichten. In Wien war das noch nie so spannend zu sehen.“ Die Furche „Unterschiedliche Repräsentationsregime prallen nicht nur als ‚majoritäre‘ und ‚minoritäre‘ Sichtweisen aufeinander – eine Differenz, die in dieser pauschalen Form immer weniger brauchbar erscheint –, sondern eben auch in Selbstdarstellungen von MirantInnen.“ Springerin „Die Bilder von Hoffnung und Enttäuschung kehren immer wieder.“ Neue Zürcher Zeitung „Die Menschen auch als handelnde Personen zeigen, und nicht immer als Opfer.“ Die Presse

in kooperation mit DER iNITIATIVE MINDERHEITEN Ausstellungsteam Cornelia Kogoj, Sylvia Mattl-Wurm (Kuratorinnen), Gamze Ongan (RECHERCHELEITUNG), Arif AkkiliÇ, Vida Bakondy, Ljubomir Bratic, Hanna Esezobor, August Gächter, Dilman Muradoglu, Michaela Schaurecker, Thomas Schmidinger, Renée Winter (Recherche Initiative Minderheiten); René Leinthaler, Peter Payer (Recherche Wien Museum) Inhaltlich-künstlerische Konzeption und Ausstellungsgestaltung Gangart Grafik Toledo i Dertschei


Als Ausstellungsort war zunächst die 2003 eröffnete Hauptbücherei am Gürtel vorgesehen. Da dort nicht ausreichend Raum zur Verfügung stand, kam es 2003 zur Kooperation zwischen Initiative Minderheiten und Wien Museum. Hier war es möglich, an einem zentralen Kulturort Wiens ein breites Publikum anzusprechen. Für das Projektteam und das Museum war die Umsetzung eine große Herausforderung, weil sehr unterschiedliche Projektkulturen aufeinandertrafen. Für das Wien Museum handelte es sich um ein programmatisches Projekt, wurde doch das Thema Migration zu einer der großen neuen Herausforderungen für Stadtmuseen in ganz Europa. Der Erfolg der Wiener Ausstellung führte dazu, dass sie in den folgenden Jahren international diskutiert wurde und heute als „Klassiker“ gilt.

Sonderausstellungen

Gastarbeiterroute 1970er-Jahre Foto Peter Philipp/Kleine Zeitung

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Der Weg bis zur Ausstellung war lang: Schon drei Jahre vorher begann die Initiative Minderheiten an einem Projekt anlässlich 40 Jahre Arbeitsmigration zu arbeiten, das „Lange Zeit in Österreich“ heißen und mehrere inhaltliche Ebenen und Schauplätze haben sollte. Ein vielköpfiges Team von RechercheurInnen entwickelte gemeinsam mit der Künstlergruppe Gangart die Themen und die Herangehensweise. Einerseits sollte aus der Sicht der Betroffenen erzählt werden, andererseits wurde ein öffentlich-repräsentativer Raum gesucht.

2004

Zum Projekt

Künstlerischer Beitrag zur Ausstellung von Andreas Fogarasi, der sich auf eine Toleranzkampagne der 1970er-Jahre bezieht. Foto Reinhard Mayr


„Von den bei den Politikern immer wieder beliebten Integrationskampagnen mit aufklärerischem Charakter oder netten Multikultifesten will sich die Ausstellung klar abgrenzen.“ Falter „Eine wichtige Ausstellung – sehenswert!“ Kronen Zeitung

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Gastarbajteri

„[…] abseits von Horror- und Erfolgs­ storys“ an.schläge „Wer sich einen Überblick über Ursachen und Erscheinungsformen der Arbeitsmigration, über ihre gesetzlichen Rahmenbedingungen und über die Versuche der MigrantInnen selbst, ihr Leben individuell oder kollektiv in den Griff zu bekommen, verschaffen will, sollte diese Ausstellung nicht versäumen.“ die linke

Arbeiterinnen bei der Rollmops­erzeugung in der Linzer Niederlassung der Fischfabrik Warhanek 1987 Foto Privat


22. Jänner bis 11. April 2004

Der Film, der vom Wien Museum mitproduziert wurde, war im Rahmen der Ausstellung „gastarbajteri – 40 Jahre Arbeitsmigration“ gemeinsam mit Fotografien von Lisl Ponger erstmals zu sehen. Seither wurde er bei etlichen Filmfestivals gezeigt.

Phantom Fremdes Wien Österreich 2004 35mm (Blow Up Super 8), Farbe, 27 min SOUND DESIGN Dietmar Schipek Musik Hakan Gürses, Viennasi Mc Voice Coach Vera Albert Avid Schnittplatz Medienwerkstatt, Wien. Filmtransfer Super 8 auf 35mm, Blow Up, München Filmkopierwerk Synchro Film, Wien DVD-Mastering Michael Loebenstein © 2004 Lisl Ponger / Amour Fou

Sonderausstellungen

Mehr als zehn Jahre hat Lisl Ponger auf Basis dieses Materials „ihr“ fremdes Wien noch einmal besucht, um ihre damalige Sicht von Multikulturalität in einem neuen Essayfilm zu reflektieren. Ponger: „Seither hat sich ja alles verändert: die politischen Gegebenheiten, das Selbstverständnis der Migranten und Migrantinnen, der ganze Diskurs.“

„Ponger isnzeniert mehrfach doppelbödig: In Form von Tagebucheintragungen weist sie die Begegnung mit dem Multikulti-Wien der frühen neunziger Jahre als zutiefst subjektiv aus – jeder Form von objektiver Kategorisierung wird von Anfang an eine Absage erteilt. Gleichzeitig macht sie sich mit Bravour auf die diskursive Suche nach möglichen Ordnungskriterien, die dem Karnevalesken und Überbordenden dieser Bilder irgendwie gerecht werden und gleichzeitig dem Film eine Struktur geben können. Die Selbsthinterfragung mündet schließlich in ein permanentes (selbstkritisches) Abschweifen, mit dem jegliches ‚Framing‘ des Fremden letztlich ad absurdum geführt wird.“ Christian Höller, springerin

Orientalische Nacht Hotel Hilton

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In den Jahren 1991/92 hat die Wiener Foto- und Filmkünstlerin Lisl Ponger eine multikulturelle Weltreise unternommen, bei der sie Wien nicht verlassen hat. Sie sammelte Super-8 Aufnahmen von Hochzeiten, Festen und Zusammenkünften und präsentierte sie unter dem Titel „Fremdes Wien“.

2004

Lisl Ponger Phantom fremdes Wien 1991/2004

Tempel der Sikh 5. Bezirk


29. April bis 20. Juni 2004

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WIENER LINIEN KUNST UND STADTBEOBACHTUNG SEIT 1960 Gemeinsam war den gezeigten Arbeiten eine systematische und konzeptuelle Auseinandersetzung mit dem Bedeutungssystem Stadt und urbanen Veränderungsprozessen. Wien war Modellbeispiel der Erkundungen, die Stadt war aus unterschiedlichsten Perspektiven zu erleben. Zu sehen waren vor allem sequenzielle Arbeiten, etwa Weg- und Zeitprotokolle, Montagen, typologische Untersuchungen oder stadthistorische Fallstudien. Künstlerinnen und Künstlern als Stadtbeobachter, Forscher, Spurensucher, Performer, Rechercheure, Sammler, Dokumentaristen und urbane Streuner. Ein neues Interesse für die Kehrseiten und Ränder der schönen Stadt und die Bedeutung des Alltäglichen veränderte die Kunstpraxis. Der Bogen der Werke reichte von strukturellen Filmen und Fotocollagen der 1960er- und 1970er-Jahre über essayistische Fotoexpeditionen an die als „amerikanisch“ empfundene Peripherie der Stadt bis zu spielerischen Experimenten und Aktionen im Stadtraum. Es waren Werke von über 50 KünstlerInnen und Gruppen zu sehen. Im Film „Wien 17, Schumanngasse“ hielt der Experimentalfilmer Hans Scheugl 1967 eine Autofahrt

durch die gleichnamige Gasse fest, die 165 Sekunden dauerte, so lange wie die Umlaufzeit der Filmrolle. Valie Export fotografierte stündlich eine Gasse mit parkenden Autos – und nannte das Bildprotokoll „Zeitgedicht“. Bodo Hell suchte die Stadt nach „sprechenden“ Geschäftsaufschriften ab und montierte sie zur „Stadtschrift“. Hans Schabus befuhr mit einem selbstgebauten Segelboot das Wiener Kanalsystem. Die Amerikanerin Danica Phelps erkundete in genau achtstündigen Fußmärschen, wie weit man von der Stadtmitte ins Grüne kommt. Neben Schlüsselwerken der Wiener Kunst- und Mediengeschichte aus vier Dezennien waren auch viele selten oder niemals gezeigte Arbeiten zu sehen. Die Schau bot die Gelegenheit, wichtige Neuerwerbungen des Museums (Hans Schabus, Candida Höfer, Johanna Kandl u. a.) zu präsentieren.

Zum Projekt Die Ausstellung war im Zuge der Neudefinition der Aufgaben des Museums von großer Bedeutung. Welche Rolle soll Kunst in einem Stadtmuseum spielen, das auch zeitgenössische Kunst sammelt? Ein definiertes Kriterium sind Werke an der Schnittstelle zwischen künstlerischer Arbeit und der Auseinandersetzung mit aktuellem Stadtleben.

„Bestechend an der Ausstellung sind der scharfe Blick auf urbane Details im Untersuchungsraum Wien und die unaufgeregte Zurückgenommenheit der künstlerischen Dokumente.“ architektur.aktuell „Das Wien Museum zeigt Kunst, die die Stadt zergliedert, bewahrt, erforscht, rhythmisiert, katalogisiert, verzerrt, erwandert, rahmt: Eine Ausstellung voller Ecken und Enden, in der man auch zu spüren meint, wie lange sie im Museumsmensch Kos gereift ist.“ Die Presse

Kurator/innen Wolfgang Kos mit Brigitte Huck und Lisa Wögenstein Ausstellungsarchitektur Wilfried Kühn mit Georgi Stefanov Grafik Günter Eder Katalog Wiener Linien. Kunst und Stadtbeobachtung seit 1960, HG. VON Wolfgang Kos, Brigitte Huck und Lisa Wögenstein, Folio Verlag


Gülsün Karamustafa und Der Blaue Kompressor, „Karamustafa Import-Export“ 1997, Aktenkoffer mit Artefakten aus Istanbul und Wien, Wien Museum


62

Wiener Linien

„Der Blick auf Wien, den die Ausstellung präsentiert, nimmt Abstand vom Spektakulären. Die künstlerische Auseinandersetzung mit historischen und modernistischen Symbolen ist fast immer in komplexe Zusammenhänge eingebunden.“ Springerin „Gezeigt wird eine Stadt, wie sie erlebt wird, quer durch alle Medien, oft in mikroskopischen Nahaufnahmen, immer jedoch mit Wohlwollen im Blick. Kleinste Partikel einer vielschichtigen Struktur werden herausgegriffen, durchleuchtet und damit wieder begreifbar.“ Bauwelt „Der Besuch dieser Ausstellung ist für alle UrbanistInnen und StadtbewohnerInnen ein Muss. Denn die Gelegenheit zu einer umfassenden Schau künstlerischer Stadtinterpretation, die das PlanerInnen- und ArchitektInnenmonopol auf Stadtbetrachtung und Stadtveränderung unterläuft, wird nur selten geboten.“ dérive Mahony Linie U4, 2004, Installation im Otto-Wagner-Pavillon am Karlsplatz

Wolfgang Ernst Anhäufung unter Wien, Nr. 4, 1969, Materialbild, Wien Museum © Bildrecht, Wien 2015


Peter Dressler Brunnenmarkt, Sonntag um ½ 12, 1972, Fotografien auf Karton Wien Museum

2004 Sonderausstellungen

William Anastasi Thomas Baumann / Martin Kaltner Der Blaue Kompressor Günter Brus Büro Wien Heinz Cibulka Georgia Creimer Peter Dressler Wolfgang Ernst Valie Export Johannes Faber Andreas Fogarasi Padhi Frieberger Rainer Frimmel, Michael Gartner Joachim Hildbrand Gangart Bodo Hell Candida Höfer Siggi Hofer Isabella Hollauf Franz Hubmann / H.C. Artmann Sabine Jelinek Werner Kaligofsky Johanna Kandl Leo Kandl Gülsün Karamustafa / Der Blaue Kompressor Herwig Kempinger Martin Kippenberger / Didi Sattmann Karl Heinz Klopf Kurt Kocherscheidt Jakob Kolding Kurt Kren Richard Kriesche Friedl Kubelka Hans Kupelwieser Paul Albert Leitner

Maria Theresia Litschauer Mahony Ursula Mayer Elfriede Mejchar Missing Link Jonathan Monk Christian Philipp Müller N.I.C.J.O.B. Max Peintner Danica Phelps Arnulf Rainer Michael S. Riedel Gerhard Rühm Hans Schabus Christoph Scharff Hans Scheugl Werner DePauli-Schimanovich Ernst Schmidt Jr. Ann-Sofi Sidén Fritz Simak Dominik Steiger Ingeborg Strobl Subreal Jochen Raar Transparadiso Octavian Trauttmansdorff Peter Weibel Michael Zinganel Heimo Zobernig / Hans Czarnik

63

KünstlerInnen


Wiener Linien 64

Bodo Hell Kosmos Universum Nordstern Saturn, aus der Serie „Stadtschrift“, ca. 1975–1980, Fotografien auf Karton Wien Museum

Paul Albert Leitner Wurstelprater, Wien, 2001, aus der Serie, „Wien: Momente einer Stadt“, ab 1995, Fotografie, Wien Museum


Hans Schabus forlorn, 2002, Segelboot Wien Museum Š Bildrecht, Wien 2015


6. Mai bis 21. November 2004

66

MAGISCHE ORTE WIENER SAGEN UND MYTHEN Die Ausstellung spürte Orten nach, an denen sich Sagen und Mythen aus der Vergangenheit konzentrierten. Hauszeichen, Denkmäler oder geheimnisvolle Inschriften geben diesen Orten bis heute ihre Bedeutung, fast überall treffen Heiliges und Dämonisches aufeinander. Der Weg durch die Ausstellung folgte Sagen und ihren Schauplätzen: Vom Sankt-UlrichsPlatz („Der liebe Augustin“) und dem Stephansdom („Hans Puchsbaums Pakt mit dem Teufel“) bis hinaus zur „Spinnerin am Kreuz“ und zum „Donauweibchen“. Gezeigt wurden kulturhistorische Kostbarkeiten (etwa historische steinerne Hauszeichen) aus den Sammlungen des Wien Museums. Doch auch in der Gegenwart, so zeigten Fotos von Didi Sattmann, werden symbolische Zeichen im öffentlichen Raum gesetzt – beispielsweise mit Sprühdose und Filzstift. Michael Köhl­ meier und Martin Haidinger erzählten Wiener Sagen, vor den Toren der

Hermesvilla empfing eine magische „Wasserstele“ von Norbert Maringer die BesucherInnen. Aufkleber und T-Shirts mit Sprüchen wie „Jeder Metropole ihren Drachen“ oder „Der Teufel wohnt in Vösendorf“ wurden anlässlich der Ausstellung produziert und fanden im Museumsshop rege Nachfrage. Zum Projekt „Das Fremde und Ferne ernst nehmen (und zwar ohne esoterischen Firlefanz) und dennoch zeitgenössisch sein – kein leichter Spagat, den sich diese Ausstellung vorgenommen hat. Es geht, um es mit einem Begriff der aktuellen Kunstdiskussion zu sagen, um ein Re-Mapping einer alten Stadt, der nicht nur viele Schichten von Gebautem Fundament sind, sondern auch Ablagerungen von Imaginiertem und Geglaubtem. Um es mit der Kuratorin und Wienforscherin Reingard Witzmann zu sagen: ‚Die verborgenen Dinge sind oft die spannendsten.‘“ (Katalog, Vorwort)

„In der Hermes-Villa bietet ‚Magische Orte‘ einen märchenhaften Rundgang durch Wiens Sagenwelt – bis zu den Sprayern von heute.“ Die Presse „Das ‚Wien Museum‘ hat nun die alten ‚Wiener G’schichten‘ neu aufgearbeitet und zeigt in einer sehenswerten Ausstellung eine Reihe von historischen Objekten zu lokalen Sagen, Legenden und Mythen.“ Wiener Zeitung „Eine magische Reise durch Wien: Kuratorin Reingard Witzmann ist es gelungen, in dieser Dichte bislang unbekannte Schichten der Stadtgeschichte freizulegen.“ Falter „Liebevoll gestaltete Schau – nicht nur mythisch, sondern ein bißchen unheimlich“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

Kuratorin Reingard Witzmann Ausstellungsarchitektur Checo Sterneck Grafik Veronika Kyral Katalog Magische Orte. Wiener Sagen und Mythen, Hg. von Reingard Witzmann, Eigenverlag wien museum


2004 Sonderausstellungen 67 Franz von Hauslab Die Sage von Meister Puxbaum von St. Stephan in Wien, テ僕 auf Leinwand, um 1830, Wien Museum

Wiener Hauszeichen, Wien Museum


8. Juli bis 10. Oktober 2004

68

SCHIELE & ROESSLER DER KÜNSTLER UND SEIN FÖRDERER KUNST UND NETWORKING IM FRÜHEN 20. Jh. Ein berühmter Künstler – Egon Schiele – und sein wichtigster Förderer – Arthur Roessler. Anhand dieser Beziehung wurden die Netzwerke und Mechanismen der Verbreitung und Vermarktung von Kunst im Wien des frühen 20. Jahrhunderts exemplarisch sichtbar gemacht. Mit dem Gemälde und Grafiken umfassenden Nachlass Roesslers stand ein bedeutender Bestand des Wien Museums im Mittelpunkt dieser Ausstellung, ergänzt durch Briefe aus der Wienbibliothek und prominente Leihgaben aus dem In- und Ausland. Den Ausgangspunkt bildete Schieles Porträt von Roessler, ein zentrales Werk der Museumssammlung, Ziel war die Rekonstruktion von Roesslers Schiele-Sammlung. Der Publizist, Kunstkritiker und „Talentscout“ Arthur Roessler (1877–1955) begleitete Österreichs Kunstgeschehen über viele Jahrzehnte hinweg. Bereits 1909 erkannte er das Talent des erst 19-jährigen Egon Schiele, nach dessen frühem Tod 1918 publizierte Roessler die

ersten Bücher über ihn. Ohne Arthur Roessler ist Egon Schieles heutiger Rang innerhalb der europäischen Kunstgeschichte kaum denkbar. Doch auch zur Mythisierung Schieles zum „Kunstmärtyrer“ und zur Legendenbildung um den Künstler trug Roessler wesentlich bei. Aufgrund seines Nahverhältnisses zum jungen Schiele besaß Roessler zahlreiche seiner Werke. Die Ausstellung versuchte eine weitgehende Rekonstruktion dieser bedeutenden Sammlung. Neben und nach Schiele förderte und sammelte Roessler aber auch eine Reihe anderer Künstler, darunter Anton Faistauer, Max Oppenheimer, Albert Paris Gütersloh, Carry Hauser und Otto Rudolf Schatz.

„Mit Architekt Luigi Blau haben die Kuratorin Ursula Storch und der Kurator Tobias G. Natter eine wunderbare Kombination von kulinarischer wie wissenschaftlich fundierter Schau erstellt, die sich auch den heutigen Begriffen wie Networking und Talent­ scout nicht verschließt, um die Aktua­ lität dieser Wiener Persönlichkeit zu unterstreichen.“ Wiener Zeitung „Akribisch versucht die Ausstellung, Roesslers Sammlung zu rekonstruieren und die Mythenbildung sowohl des eigenbrötlerischen Künstlers als auch des selbstlosen Kunstkritikers zu durchleuchten.“ Die Presse „Mit dieser Ausstellung arbeitet das Wien Museum die Geschichte seines beachtlichen Schielebestandes auf.“ Falter „Namedropping vom Allerbesten“ News „Die Schau zeigt, dass Kunstgeschichte auch Sozialgeschichte ist.“ Kurier „Mit ‚Schiele und Roessler – Der Künst­ler und sein Förderer‘ setzt Wolfgang Kos perfekt um, womit er am Karlsplatz angetreten ist: populären Themen neue Sichtweisen abzugewinnen – samt komplexem Subtext.“ Der Standard

Kurator/In Tobias G. Natter, Ursula Storch Ausstellungsarchitektur Luigi Blau Grafik Fine Line Katalog Schiele Und Roessler. Der Künstler Und Sein Förderer. Kunst Und Networking Im Frühen 20. Jahrhundert, HG. Von Tobias G. Natter Und Ursula Storch, Hatje Cantz Verlag


2004 Sonderausstellungen 69 Zum Projekt „Bewusst haben wir bei dieser Ausstellung heute übliche Begriffe wie ‚Promotion‘, ‚Manager‘, ‚Image­ aufbau‘ oder ‚Networking‘ ins Spiel gebracht, um Konstellationen des frühen 20. Jahrhunderts zu veranschaulichen. Es handelt sich dabei um einen Verfremdungseffekt, um die weihevollen Nebel, die den Komplex ‚Wien um 1900‘ umgeben, ein Stück weit aufzureißen. Durch eine genaue Analyse des Verhältnisses zwischen Roessler und Schiele und durch eingehende Untersuchungen von Roesslers Imagekonstruktionen kann der Blick frei werden, um Schiele aus der ihn früh heiligenden Legende zurückzuholen in die Realität.“ (Katalog, Vorwort)

Egon Schiele Selbstbildnis, 1911, Öl auf Holz, Nachlass Arthur Roessler Wien Museum


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