Kalender «Wörter und Zahlen»

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T itel

Material, Format

Zwischen Wort und Zahl Acryl auf Papier, 60 x 90 cm

© Eugen Jost, Thun, Schweiz www.mathematik-und-kunst.de

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wörter und zahlen


When I’m Sixty-Four

© Eugen Jost, Thun, Schweiz

Acryl auf Leinwand, 60 x 60 cm

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Die Null

Dipl. Math. Georg Schierscher Gymnasiallehrer in Pension Eh. Wirkungsstätte: Liechtensteinisches Gymnasium in Vaduz/Liechtenstein

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Die 9 [3+6] Striche am unteren Rand bilden ein stilisiertes Kerbmuster aus dem über 10'000 Jahre alten IshangoKnochen aus Belgisch-Kongo (Belgien 2000).

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Aus der Serie «Die 10 mathematischen Formeln, die das Antlitz der Erde verändert haben» (Nicaragua 1971). Beide Briefmarkenmotive verweisen auf die unermess­liche Bedeutung des Zählens und des Zahlverständnisses.

Zentren der Mathematik in islamischen Ländern im Mittelalter.

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Im europäischen Kalender gibt es zwischen dem Jahr 1 vor und dem Jahr 1 n. Chr. kein Jahr Null, ein Umstand, der vor dem letzten Jahrtausendwechsel Uneinigkeit über den wahren Zeitpunkt dieses Ereignisses verursachte. Würde unsere Zeitskala der Zahlengerade nachgebildet, dann würde der herkömmlich auf den 24. Dezember festgesetzte Geburtstag Christi (✽) wohl ins Jahr 0 gelegt und der Zeitnullpunkt auf den Anfang dieses Jahres. Danach wären «nur» genaue vorchristliche Jahrzahlen um 1 zu verringern. Die Dekadenwechsel fänden zeitgleich mit dem Ziffernwechsel in der Jahrzahl statt.

Wieso kein Jahr Null? Soviel im Voraus: Die Null war bei der Schaffung des Julianischen Kalenders und noch lange darauf nicht anerkannt als Zahl. Die Null ist im Alltag eher eine Aussenseiterin. Wer seine «sieben Sachen» zählt, der beginnt mit 1 und nicht mit 0. Niemand kauft 0 kg Brot. Normal-Null lässt sich mit mittlere Meereshöhe und Stockwerk 0 mit EG umschreiben. Das Fehlen des Jahres Null hat aber vor allem mit der Geschichte der Null zu tun.

Indien als Geburtsland der Null Der Nullbegriff wurde durch ein Fehlzeichen – nennen wir es F – im babylonischen Stellenwertsystem vorbereitet. F diente als blosser Platzhalter für eine Leerstelle im Zahlgefüge. Das Jahr 2011 hiesse in unserem Zehnersystem nachgestellt so: 2F11, also zwei Tausender, keine Hunderter, ein Zehner und ein Einer. Die Inder benutzten ein Fehlzeichen namens sunya (=leer). Genial: Sie (an-)erkannten es etwa im 5. Jh. n. Chr. als Ziffer mit einem eigenen Wert für das Nichts – die Null wurde geboren!

Kulturfluss von Osten nach Westen Während der Ausbreitung des Islam ab dem 7. Jh. wurden Bagdad im Osten und Cordoba im Westen zu Hauptzentren der Mathematik. In Bagdad wurde griechisches, persisches und indisches Kulturgut ins Arabische übersetzt, fortentwickelt und an die islamischen Länder weitervermittelt, also auch nach Spanien. Dort wurde es in den Klöstern ins Lateinische übertragen und gelangte so ins Abendland. Der Weg der Null durch die Zeit lässt sich fast an ihren Namen ablesen: sunya (ind.) / as-sifr (arab.) / cifra (lat.) / zefiro (it.) / zero (fr.) Aus dem nulla figura (lat., keine Zahl!) ist unser null entstanden.

Quelle: Hans Wussing: 6000 Jahre Mathematik. Bd. 1. Springer-Verlag 2008 Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media.

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Vier der vielen Mathematiker, die dem indischen 10erSystem und damit speziell der Null Auftrieb gaben:

Sinnbild für den Sieg des Ziffernrechners über den langsameren Brettrechner. Bild aus Gregor Reisch: Margarita Philosophica. Nachdruck der Auflage Basel 1517. Stern-Verlag 1973.

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1 Al-Chwarismi (ca. 780 – ca. 850) mit seiner Schrift «De numero Indorum» (über die indischen Zahlen; Original in Arabisch) 2 Mönch Gerbert von Aurillac (ca. 945 – 1003), der spätere Papst Silvester II., mit den bezifferten Rechen­ steinen (apices, Abb. 5) seines Klosterabakus 3 Leonardo von Pisa / Fibonacci (ca. 1180 – ca. 1250) mit seinem «Liber Abaci» (Rechenbuch) 4 Adam Riese (1492 – 1559), Rechenmeister, Autor dreier Rechenbücher.

Platte des Basler Rechentisches der Dreierherren, aus dem Basler Rathaus, 16. Jh. Die drei Rechentafeln tragen die Zeichen M [1000], C [100], X [10] und die Geldeinheiten lib [libra = Pfund], s [solidus = Schilling] und d [denarius = Pfennig]. Historisches Museum Basel. Foto: A. Eaton.

Internationaler Mathema­ tikerkongress Madrid 2006 BIBLIOTECA DEL MONASTERIO DEL ESCORIAL. CODICE VI­GILANUS. Westarabische Ziffern 1 bis 9 (Spanien 2006). Der Codex Vigilanus von 976 ist die erste bekannte eu-­ ro­päische Handschrift, in der die neuen Ziffern indischen Ursprungs auftreten.

World Telecommunication Day Wählscheibe mit den ost­ arabischen Ziffern 1 bis 9 und dem Punkt für die Null (Iran 1987).

Spott und Ehre Das römische Zahlensystem war dem Zehnersystem in jeder Hinsicht unterlegen. Doch das eine war altvertraut, das andere neu und fremd. Was ist 0:0, 00, 1:0? – knifflige Fragen! Zum Nichts gesellt sich das Unendlich: Ursache gedanklicher Schwierigkeiten und Ablehnung, die zeitweise in Spott und sogar Verbot der Null ausartete. John Wallis schrieb noch 1697: «Nullum non est numerus.» (Die Null ist keine Zahl. Opera Mathematica. Bd. I. Georg Olms Verlag 1972). Tempi passati! Die lange Verkannte kommt schliesslich

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Indisch-arabische Ziffern in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Nach Karl Menninger: Zahlwort und Ziffer. Eine Kulturgeschichte der Zahl. Bd. 2. Vandenhoeck & Ruprecht 1958. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

zu höchsten Ehren. «Die Null ist in einem gewissen Sinne die zivilisierteste aller Kardinalzahlen», schreibt A. N. Whitehead in seiner ‚Einführung in die Mathematik’ (A. Francke Verlag 1948). Ohne sie stünde die Welt still! Und als Zwilling der Unendlichkeit macht sie weiter auf sich aufmerksam.

When I’m Sixty-Four Zahlen im Alltag, Zahlen in Kultur und Geschichte ... Fragen zum Bild? Rückmeldungen? www.mathematik-und-kunst.de oder Mail an eugenjost@bluewin.ch


AnnA, oTTo and Lucy

Š Eugen Jost, Thun, Schweiz

Acryl auf Leinwand, 50 x 50 cm

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Achille Brocot, der Uhrmacher

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Zahn um Zahn Zahnradgetriebe erlauben die Übersetzung von Kräften, Geschwindigkeiten und Drehzahlen von einem Rad auf andere Räder. Im einfachsten Fall treibt ein Zahnrad A ein Zahnrad B an, welches irgendeine Arbeit verrichtet. In der Fachsprache heisst A der Driver und B der Follower.

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A

Im Beispiel (Fig. 1) hat das Rad A 22 Zähne und B deren 14. Das Zahnrad B macht 11 Umdrehungen, wenn A sich 7 mal dreht und ist daher schneller. Drehzahl und Geschwindigkeit werden erhöht, das Drehmoment wird vermindert und die Drehrichtung umgekehrt.

B

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Unter der Übersetzung des Getriebes versteht man das Verhältnis der Zähnezahl des Followers zur Zähnezahl des Drivers.

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In unserem Beispiel beträgt die Übersetzung 14:22 = 7:11 ≈ 0.64.

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Intermezzo: Huygens automatisches Planetarium Im 1703 posthum herausgegebenen Werk Descriptio automati planetarii beschreibt Huygens (1629 – 1695) das Konzept seines Planetariums. Bereits 1682 baute Johannes van Ceulen (ca. 1650 – 1715) die achteckige Planetenuhr nach den Plänen von Huygens. Exemplarisch verfolgen wir die Überlegungen zum Planeten Merkur. Die besten damals erhältlichen Daten für die Umlaufzeiten waren – für die Erde: 365 Tage 5 Stunden 45‘ 15‘‘ 46‘‘‘ und – für den Merkur: 87 Tage 23 Stunden 14‘ 24‘‘. Huygens rundete für die Erde auf 365 Tage 5 Stunden und 50 Minuten, für Merkur auf 87 Tage 23 Stunden und 15 Minuten.

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Albert A. Gächter Dipl. Math. ETH, Lehrerfortbildung, pensionierter Gymnasiallehrer

Paris 1860. Napoleon III ist seit 1852 Kaiser von Frankreich. Im Zuge der industriellen Revolution erlebt die Uhrmacherkunst eine Hochblüte. Ab 1855 publiziert Claudius Saunier, der seine Lehrjahre in der Schweiz verbrachte, die Revue chronométrique, das älteste Fachblatt der Uhrmacher. In der Ausgabe des Jahres 1860 findet sich ein Artikel von Achille Brocot (1817 – 1874) mit dem Titel Calcul des rouages par approximation. Nouvelle méthode. Als Sohn eines berühmten Uhrmachers wächst Achille in einer äusserst kreativen Umgebung auf und ergreift ebenfalls diesen Beruf. Als Hobby-Mathematiker interessiert er sich

erst für die Astronomie, als er sich mit der Herstellung von Planetenuhren beschäftigt. Um die Rotationsgeschwindigkeiten der Zahnräder den astronomischen Gegebenheiten anzupassen, bedient man sich seit langem der Getriebe von Rädern mit unterschiedlicher Anzahl von Zähnen. Da kein bekanntes Verfahren zur Berechnung der Zähnezahl genügend einfach und genau ist, erfindet Brocot ein eigenes System und beschreibt es in der obigen Abhandlung. Zusätzlich liefert er später eine Tabelle, um die Rechnungen effizienter zu machen.

Schaltet man zwischen Driver und Follower weitere Zahn­ räder (so genannte Idler, Nichtstuer) in einer Kette dazwischen, so haben diese überraschenderweise keinen Einfluss auf die Übersetzung. Besonders für die Astronomie sind Getriebe mit mehreren Zahnrädern auf derselben Achse interessant. Brocot formuliert die damals bereits bekannte Regel:

Beispiel (Fig. 2): Die Zahnräder 7 und 14 befinden sich auf derselben Achse. Driver: 22 und 7. Follower: 14 und 12. Die Übersetzung berechnet sich zu (14*12)/(22*7)=12/11=1.091.

Les révolutions du premier et du dernier axe sont exactement dans le même rapport que s‘il s‘agissait d‘un rouage à deux mobiles dont l‘un serait le produit des nombres de dents de tous les mobiles menants, et dont l‘autre serait le produit des nombres de dents de tous les mobiles menés. (Die Umdrehungen der ersten und letzten Achse sind genau in demselben Verhältnis wie wenn es sich um ein Getriebe mit zwei Rädern handeln würde, von denen das eine das Produkt aller Zähne der führenden Räder (Driver) und das andere das Produkt der Zähne der geführten Räder (Follower) besitzt.)

Dies ergab ein Verhältnis von 105190:25335 = 21038:5067 ≈ 4.15. Da es unmöglich war, Zahnräder mit so vielen Zähnen zu konstruieren, musste Huygens einen Bruch finden, welcher kleinere Zähler und Nenner besass, aber den obigen Bruch möglichst gut annähert. Huygens kannte die neue Theorie der Kettenbrüche und zeigte bei seinem Planetarium zum ersten Mal eine praktische Anwendung dieser Theorie. Er entwickelte also den Bruch in einen Kettenbruch und bestimmte die daraus entstehenden Näherungsbrüche. Da die Zähler stets 1 betragen, kürzt man die Darstellung (Fig. 3) des Kettenbruches zweckmässig wie folgt ab: 21038/5067 = [4,6,1,1,2,1,1,1,1,7,1,2]. 22 7 11 14 12 = 12 Durch das 0.917. schrittweise Berechnen des Kettenbruchs (z. B. [4,6]=4+1/6=25/6), entstehen die Näherungsbrüche 29 54 137 191 328 519 847 6448 7295 21 038 4, 25 6 , 7 , 13 , 33 , 46 , 79 , 125 , 204 , 1553 , 1757 , 5067 .

137/33 als bester Bruch mit erträglicher Zähnezahl in Frage. Die darauf folgenden drei Näherungsbrüche ergeben keine vernünftige Zerlegung. Als wichtigen Glücksfall erweist sich aber der nächste Bruch 847/204 ≈ 4.15, da sich die Zerlegung (7*121)/(12*17) anbietet. Dies lässt sich mit 4 Rädern (Fig. 4) realisieren. Eine Umdrehung in einem Jahr des Erdenrades mit 121 Zähnen bewirkt ca. 4.15 Umdrehungen des Merkurrades mit 12 Zähnen.

Von den Näherungsbrüchen kommt für zwei Räder nur

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8 :1 33:4 58 :7 83 :10 191: 23 108 :13 25:3 17:2 9:1

Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler Fehler

Die neue Methode Achille Brocot kennt ebenfalls die von Huygens angewendete Theorie der Kettenbrüche, welche jedoch nicht allen Uhrmacherkollegen vertraut ist. Zudem bemängelt er, dass man um das Suchen geeigneter Zahlen nicht herum kommt, da die Möglichkeiten der Näherungen begrenzt sind (Huygens hatte «Glück» mit der schönen Faktorisierungsmöglichkeit von 847/204).

-7 -5 -3 -1 0 +1 +2 +9 +16

Deshalb zeigt er seine neue einfache Methode am Beispiel des gekürzten Bruches 191/23. Der Bruch liegt zwischen 8/1 und 9/1. Die Fehler betragen -7/23 (zu wenig) und 16/23 (zu viel). Nun bildet Brocot den Zwischenbruch (8+9)/(1+1), indem er die Zähler und die Nenner addiert. Der Bruch 17/2

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Testfall Merkur Im zweiten Beispiel wendet sich Brocot dem Planeten Merkur zu. Ein Rad dreht sich vollständig in einem Tag. Wie sieht eine Übersetzung für 87.96926 Tage aus? Dies ist die bis heute gültige siderische Umlaufzeit des Merkur. Vergleich: Zur Zeit von Huygens betrug sie lediglich 87.9683 Tage.

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Die Tabelle mit 87:1 bis 88:1 als Start wird etwas aufwendig. Brocot verwendet sein Tabellenwerk und beginnt mit 5718:65 und 8621:98. Die Fortsetzung durch Mediantenbildung ergibt:

heisst Mediant von 8/1 und 9/1. Nicolas Chuquet führte im 15. Jh. diesen Begriff ein. Brocot stellt fest, dass auch der neue Fehler wieder Mediant der beiden ursprünglichen Fehler ist. Eine einfache Tabelle (Fig. 5) zeigt die Fortsetzung der Methode: Der Nenner beim Fehler wird weggelassen. Ziel ist es, den Fehler auf +1 oder -1 zu reduzieren. Ist man mit 83/10 nicht zufrieden, sucht man weitere Medianten zwischen 83/10 und 191/23. Dasselbe gilt für 108/13. Die entstehenden Brüche 274/33 usw. weisen grössere Zähler und Nenner auf. Deshalb versucht er wie Huygens Brüche zu finden, welche eine Faktorisierung zulassen. Brocot zeigt zahlreiche Varianten. Beispiel: 1802/217 =(34*53)/(7*31) mit einem Fehler von lediglich -1/4991 = -0.00020036.

Eine genauere Betrachtung der Tabelle zeigt, dass sämtliche Näherungsbrüche 8, 25/3, 83/10, 191/23 der Kettenbruchentwicklung von 191/23 vorkommen Die zusätzlichen Brüche 33/4, 58/7 und 17/2 in der Tabelle hat bereits La­ grange (1736 – 1813) als Pseudonäherungen der Kettenbruchentwicklung bezeichnet und ein allgemeines Verfahren zur Berechnung mittels Mediantenbildung angegeben. Das Verdienst von Brocot besteht darin, dass er seine Methode einem breiteren Publikum ohne den Einsatz von Kettenbrüchen und mittels einer einfachen Tabelle zugänglich gemacht hat.

5718:65 20057:228 14339:163 22960:261 8621:98 Nur der Bruch 22960:261 liefert eine gute Zerlegung, nämlich (10*56*41)/(3*3*29). Leider sagt Brocot nicht, wie er sich das Räderwerk vorstellt, denn Zahnräder mit 3 Zähnen eignen sich nicht. Mein Vorschlag: Erweitern mit 4. Dies ergibt (40*56*41)/(6*6*29) mit den Drivern 29,6 und 6.

Ausblick Die von Achille Brocot fortlaufende Mediantenbildung kommt besonders im nach ihm (und dem Mathematiker Stern) benannten Stern-Brocot-Baum zur Geltung. Zwar dient er weniger den Uhrmachern als vielmehr den Mathematikern. Der Baum enthält sämtliche nicht negativen Brüche genau einmal und aufsteigend geordnet. Der Baum zeigt eindrücklich, dass es «gleichviele» natürliche Zahlen wie Brüche gibt, da man diese auf eine elegante Weise durchnumerieren kann.

AnnA, oTTo and Lucy Parkett, Spiegelungen, Palindrome, Kaleidoskop, ... Fragen zum Bild? Rückmeldungen? www.mathematik-und-kunst.de oder Mail an eugenjost@bluewin.ch


Quattro Stagioni

Š Eugen Jost, Thun, Schweiz

Acryl auf Leinwand, 40 x 40 cm

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Der Tesserakt von Paris

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Werner Jundt Pensionierter Sekundarlehrer und Dozent für Fachdidaktik Mathematik

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Körper

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Ein Punkt hat keine Ausdehnung. Er ist ohne Dimension. Eine Strecke hat eine Länge. Sie ist 1dimensional. Sie hat zwei Endpunkte. Ein Quadrat hat Länge und Breite. Es ist 2dimensional. Es hat vier Eckpunkte und wird von vier Strecken begrenzt. Ein Würfel hat Länge, Breite und Höhe. Er ist 3dimensional. Er hat acht Eckpunkte, zwölf Kanten und wird von sechs quadratischen Flächen begrenzt. Wie geht das weiter? Was lässt sich über das nächste Objekt in der Reihe aussagen? Wagen wir für die Spalte «Punkte» nach 1, 2, 4, 8 eine 16! Aber was folgt auf 1, 4, 12? Eine Regel taucht auf: «Wenn wir von zwei nebeneinander stehenden Zahlen die rechte verdoppeln und die linke addieren, erhalten wir die rechts darunter stehende» – z. B.

[4 ; 1] ➝ 2 ∙ 1 + 4 = 6. Gilt das allgemein? Wenn ja, hätte das neue – 4dimensionale – Objekt 16 Punkte, 32 Strecken, 24 Flächen und würde von 8 Körpern begrenzt. Wie sollen wir uns das vorstellen? Unsere Vorstellung wird aus der optischen und haptischen Erfahrung im 3dimensionalen Raum geprägt. Höher dimensionale Objekte können wir uns nicht eigentlich vorstellen. Hingegen lassen sie sich in unseren Erfahrungsraum projizieren und in der Projektion betrachten. So, wie man einen 3dimensionalen Körper auf eine 2dimensionale Leinwand projizieren kann. Aber wie kommen wir überhaupt zum Objekt, das wir projizieren wollen? Indem wir zum Beispiel der Spalte «Punkte» in der obigen Tabelle folgen. Die Anzahl Punkte verdoppelt sich von Dimension zu Dimension.

Ein Punkt wird ausserhalb seiner selbst (nach rechts) verdoppelt: Es entsteht eine Strecke. Die Strecke wird in einer neuen Dimension (nach unten) verdoppelt: Es entsteht ein Quadrat. Dieses wird in einer weiteren Dimension (nach hinten) verdoppelt: Wir erhalten einen Würfel (Abb. 1). Da die uns vertrauten 3 Dimensionen (linksrechts, oben-unten, vorne-hinten) aufgebraucht sind, erfinden wir eine zusätzliche Dimension. Wir nennen sie «innen-aussen» – wobei das nichts mit dem Inneren bzw. Äusseren des Würfels zu tun hat. «Aussen»

ist ausserhalb unseres 3d-Raumes; «innen» ist ebenfalls ausserhalb unseres 3d-Raumes. In der neuen (vierten) Dimension verdoppeln wir den Würfel nach «aussen» (Fig. 2). Das so entstehende 4dimensionale Objekt heisst Tesserakt. Dieser lässt sich zeichnen (2dimensional darstellen). Wir können auch – z. B. aus Trinkhalmen – ein 3dimensionales Modell davon bauen. Beides – Zeichnung und Modell – sind Projektionen aus einem höherdimensionalen Raum in einen tiefer­ dimensionalen.

Am Tesserakt-Modell (Fig. 3) lassen sich die oben abgeleiteten Zahlen nachweisen: 16 Punkte, 32 Strecken, 24 Flächen (in Fig. 4 sind drei davon gefärbt) und 8 Körper. Diese 8 Körper – es sind Würfel, aber durch die Projektion z. T. verzerrt – grenzen den Tesserakt gegen den restlichen 4d-Raum ab. In Fig. 5 sind die Grenzkörper links, rechts und «innen» gefärbt. Dazu kämen fünf weitere: oben, unten, vorne, hinten und «aussen». Der «äussere» Würfel umfasst das Modell. Zwei Paare von je gegenüberliegenden Begrenzungskörpern bilden einen «TesseraktMantel» (Fig. 6). Ein solcher ist als eindrückliches Bauwerk im Pariser Quartier «La Défense» realisiert: «La Grande Arche» (Abb. 7). Mit der Einweihung der Grande Arche am 14. Juli 1989 – auf den Tag 200 Jahre nach dem Beginn der Französischen Revolution – ging ein Jahrzehnte langes Ringen um diesen städtebaulichen Angelpunkt zu Ende. Viele namhafte Architekten hatten vor der Jury keine Gnade gefunden, bis dem Dänen Johan Otto von Spreckelsen (Abb. 8) der Durch-

bruch gelang. Da aber auch der Bauprozess nicht reibungslos verlief, erlebte der Schöpfer der Grande Arche deren Fertigstellung nicht mehr. In den Unterlagen von Spreckelsen findet sich kein Hinweis auf den Tesserakt. Er selber sprach von einem «offenen Würfel». Eine Strophe eines längeren Gedichts aus seinem Projektbeschrieb lautet: Un cube ouvert | Une fenêtre sur le monde | Comme un point d’orgue provisoire sur l’avenue | Avec un regard sur l’avenir. Der «provisorische Orgelpunkt auf der Avenue» meint das vorläufige Ende der «Königsachse», welche sich 10 km schnurgerade vom Louvre über die Tuilerien, die ChampsElysées, den Arc de Triomphe, die Av. de la Grande Armée, die Av. Charles-de-Gaulle und den Pont de Neuilly bis hinaus ins moderne Geschäftszentrum «La Défense» erstreckt. «Ein Fenster zur Welt mit einem Blick in die Zukunft» – wer aus dem «inneren» Würfel der Grande Arche nach «aussen» geschaut hat, sieht die Welt anders.

Quattro Stagioni Ein Drehbild: Je drei Monate lang stehen die roten, orangen, grünen oder blauen Dreiecke oben. Welche Bildstellung passt zu welcher Jahreszeit? Fragen zum Bild? Rückmeldungen? www.mathematik-und-kunst.de oder Mail an eugenjost@bluewin.ch


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