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Blick nach vorn“
„Der Blick geht nach vorn“
Doppeljubiläum: 25 Jahre Kunstmuseum Solingen 75 Jahre Internationale Bergische Kunstausstellung
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Gegenwartskunst, Konzerte mit jungen Pianistinnen und Pianisten und Museumspädagogik sind die Schwerpunkte des Kunstmuseums Solingen. Und mit dem Motto
„Blick nach vorn“, welches Gisela Elbracht-Iglhaut, Direktorin des Kunstmuseums seit 2020, ausgab, wird der Geist des Hauses gut beschrieben.
Das Kunstmuseum Solingen feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum, wobei die stets wachsende Solinger Kunstsammlung schon seit 1938 existiert. Solinger Bürger, darunter Arthur Dorp, hatten der Sammlung Gemälde von Franz von Stuck, Anselm Feuerbach, Lovis Corinth, Hans Thoma, Albert Bierstadt u.a. vermacht. Albert Bierstadt, 1830 in Solingen geboren, sozusagen also Urahn der Malerei in Solingen, wurde ein bedeutender Maler in den USA. Seine großformatigen Bilder hängen nicht nur in Solingen, sondern auch im Metropolitan Museum New York und im Washingtoner Capitol. Die romantischen Landschaftsbilder von Friedrich August de Leuw (Düsseldorfer Malerschule des 19. Jahrhunderts) gehören ebenso zum Grundstock der Sammlung wie die Werke Johann August Preusses (Meisterschüler Paul Klees) und dessen Freundes, dem Maler und Widerstandskämpfer Ernst Walsken, zugleich langjähriger Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Vereins Solinger Künstler. Seine Bilder, die im KZ des Emslandes entstanden, sind von besonderer Ausdruckskraft.
Eröffnung Bergische Kunstaus-
stellung, 2017, Foto: Christian Beier
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Kunstmuseum Solingen im Neuschnee, Foto: Peter Herrmann
„Den wichtigsten Teil der Sammlung bildet der Nachlass Georg Meistermanns (1911 bis 1990), der aus Solingen stammt und als Schüler Matarés nicht nur Gemälde und Grafiken schuf, sondern auch wichtige Kirchenfenster und Bauwerke im öffentlichen Raum. Schon wegen seines Werks lohnt sich der Besuch der Sammlung hier im umgebauten, ehemaligen Gräfrather Rathaus“, sagt die Museumsdirektorin im Gespräch. Der Elberfelder Architekt Arno E. Fritsche hatte es entworfen. Er war zwischen 1895 und 1929 infolge seiner zahlreichen Kirchenbauten weithin geschätzt. Auch die Sonnborner Hauptkirche in Wuppertal (1918 bis 1926 erbaut) und das Bürgerhaus in Langenberg wurden nach seinen Entwürfen gebaut. Der neubergische Heimatstil im Gefolge des Historismus entfaltet noch heute seinen Charme. Das repräsentative Gräfrather Rathaus wurde nach der Gründung der Großstadt Solingen im Jahre 1930 überflüssig und beherbergte bis zur Nutzung durch das Deutsche Klingenmuseum (ab 1954) verschiedene Behörden und Dienststellen, auch NS-Einrichtungen. Nach dem Krieg war es wegen Zerstörungen wiederaufgebaut worden. Als das Klingenmuseum ob der zunehmenden Größe seiner Sammlungen dort aus- und in das vom Stararchitekten Josef Paul Kleihues umgebaute Chorfrauenstift Gräfrath (gegründet 1185) zog, konnte das Rathaus anders genutzt werden. Der Kunstverein veranstaltete dort Ausstellungen, und unter der Führung der Witwe Georg Meistermanns und der Sammler Ilse und Kurt Baden bzw. der von ihnen 1974 gegründeten Bürgerstiftung Solingen entstanden Pläne für ein Kunstmuseum. Nach Renovierung, Umbau und Erweiterung wurde das Kunstmuseum Solingen als „Museum Baden“ in Anwesenheit von Johannes Rau als gemeinnützige GmbH eröffnet, da die Finanzierung des Betriebs zu zwei Dritteln durch Stiftungserträge, Sponsoring und Mäzenatentum, Spenden und selbsterwirtschaftete Mittel erfolgt.
„Die Stadt steht zu ihrem Museum“, versicherte Oberbürgermeister Tim Kurzbach bei der Einführung der neuen Museumsdirektorin im Januar 2020, und das trotz des „Solinger Fenstersturzes“, der Installation von Rudolf Scholl im 1. Stock links am Fenster des ehemaligen BürgermeisterDienstzimmers (bis 1944). Das Gebäude teilt sich das Kunstmuseums seit 2015 mit dem Zentrum für verfolgte Künste. Diesaes widmet sich gründend auf die Sammlungen Gerhard Schneider und Jürgen Serke, ausschließlich durch Diktaturen unterdrückten Künstlerinnen und Künstlern.
Im Kunstmuseum fand nicht nur die städtische Kunstsammlung eine Heimat. Die Sammlung der Max-KratzStiftung brachte 134 Skulpturen ein. Der Bildhauer Max Kratz (1921 bis 2000) schuf nicht nur das Bergarbeiterdenkmal („Steile Lage“) auf dem Europaplatz in Essen, sondern u.a. auch das Bandwirkerdenkmal in Wuppertal-Ronsdorf.
2021 feiert man in Solingen ein Doppeljubiläum. Das Kunstmuseum besteht 25 Jahre, und die Internationale Bergische Kunstausstellung findet in diesem Jahr zum 75. Mal statt.
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Führung im Kunstmuseum Solingen mit der legendären Mary Bauermeister, Foto: Christian Beier
Sie wurde 1946 von Solinger Künstlern gegründet, die nach der NS-Katastrophe in Freiheit zusammenkommen, Kunst zeigen und diskutieren wollten. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Ernst Walsken und Willi Deutzmann. Otto Dix und Conrad Felixmüller nahmen früh an der Kunstausstellung teil, auf der Jahr für Jahr Kunstschaffende der Region ausstellen.
In diesem Jahr erhält Pascal Sender den anlässlich der Ausstellung verliehenen und mit 10000 Euro dotierten Bergischen Kunstpreis. Dieser wird seit 1987 zur Förderung bergischer Kunst nur an professionelle Kunstschaffende vergeben, aktuell von der National Bank gesponsert und überregional zur Kenntnis genommen. Zu den Teilnehmern gehörten u.a. Cornelius Völker (Professor an der Kunstakademie Münster), Sabrina Fritsch und Stefan Kürten (Professoren der Kunstakademie Düsseldorf). Zusätzlich zum durch eine Jury ausgewählten Hauptpreis werden Publikumspreise von 1500, 1000 und 500 Euro vergeben. Im Kunstmuseum Solingen wurden u.a. Karl-Otto Götz, Armin Müller-Stahl, die mit 37 Jahren tragisch zu Tode gekommene Gertrud Kortenbach mit Einzelausstellungen geehrt. An sie erinnert die vor dem Museum stehende Skulptur „Engel“. Ein Höhepunkt der Einzelausstellungen war auch die von Mary Bauermeister, der „Mutter der Fluxusbewegung“.
Daneben wird im Museum einmal jährlich junge Kunst von Künstlerinnen oder Künstlern gezeigt, die Bezug zum Bergischen Land sowie zu den umliegenden Städten haben. Auf diese Weise werden zusätzliche Besucher aus Wuppertal, aber auch aus Düsseldorf und Köln angezogen. Die Jahresschau des Vereins Solinger Künstler ergänzt diese Blicke auf die Gegenwartskunst.
Darüber hinaus fördert das Museum junge Musikerinnen und Musiker durch ein erstklassiges Konzertprogramm. Konzerte der Jungen Pianisten Elite gehören seit 1996 zum
Programm des Museums. Viele der jungen Musikerinnen und Musiker, die in diesem Rahmen aufgetreten sind, haben damit ihre internationale Karriere begründet: Igor Levit, Katia Buniatishvili, Nikolai Tokarew, Alice Sara Ott u.a. Auch durch weitere musikalische Veranstaltungen erweckt das Museum immer wieder Interesse. Unvergessen ist die 2014 im Museum erfolgte Uraufführung der Lieder des australischen Komponisten George Dreyfus nach Texten von Else Lasker-Schüler.
Der dritte Schwerpunkt des Kunstmuseums Solingen besteht in der Museumspädagogik. Jahr für Jahr werden mehr als hundert Schulklassen durch die Ausstellungen geführt. Und bei dem Projekt Klasse Kunst – Solinger Schulen stellen aus setzen sich Schülerinnen und Schüler mit Kunst auseinander und betätigen sich künstlerisch. Dazu wurden Kooperationsverträge mit zehn weiterführenden Schulen geschlossen. Die Werke der Jugendlichen werden stets unter großer Publikumsbeteiligung im Rahmen einer Ausstellung des Museums gezeigt. Doch auch Jüngere haben die Gelegenheit, kreativ zu werden: Ateliervormittage für Sechs- bis Zwölfjährige bieten Einführungen und die Vermittlung künstlerischer Techniken für diese Altersgruppe. Und mit dem Jugendkunstclub lädt man Jugendliche ab 13 Jahren ins Museum ein. Die oft studentischen Pädagoginnen sind selbst nah an der Zielgruppe und verstehen es, den Jugendlichen Einblicke in die Welt der Kunst und deren Sujets zu verschaffen. „Jugendkultur“ hat hier eine andere, auch zukunftsträchtige Bedeutung. Denn: Die Kinder von heute sind das Publikum von morgen. Die Solinger sind stolz auf ihr Kunstmuseum und engagieren sich ehrenamtlich. Finanzierung, Museumsaufsicht, Organisation, Steuerberatung und Finanzplanung, Haustechnik und Museumsladen werden von diesem Engagement getragen. Das Café Junkbrunnen im Untergeschoss des Museums bzw. im Sommer im Garten lockt mit kulinarischen Genüssen, bei denen es sich trefflich über Kunst und Konzert diskutieren lässt. Und der Blick nach vorn? Auf der Webseite des Kunstmuseums www.kunstmuseum-solingen.de kann man schnuppern und entdeckt etwa: „Solingen isst bunt“: Der FocacciaWettbewerb ergab appetitanregende essbare Kunstwerke. Und die Zeichnungen der Sechs- bis Zwölfjährigen beim Malwettbewerb Karneval digital zeigen eindeutig, dass Joseph Beuys recht hatte mit seinem Mai-Gedicht: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ – erst recht die Kinder.
Ob die zahlreichen digitalen Angebote des Museums zu Coronazeiten den Weg in die Zukunft zeigen? Sie werden auf jeden Fall ausgeweitet werden. Geplant ist, die städtische Kunstsammlung Interessierten in Gänze auch digital zur Verfügung zu stellen. Inwieweit Malerei auf Papier oder auch die skulpturale Kunst durch solche Angebote ersetzt werden wird, ist schwer vorherzusagen. Und ob zunehmende Online-Präsenz eines Tages auch das Verhältnis zur Kunst und den Kunstgenuss signifikant verändern wird, bleibt natürlich offen. Im Solinger Museum bleibt die Kunst jedenfalls präsent; hier wird es immer um deren leibhaftige Gegenwart, um das unmittelbare Betrachten der Werke gehen. Und davon profitiert auch der Jugendkunstclub-Besucher von heute. Dessen ist sich die Museumsdirektorin sicher.
Johannes Vesper
75. Internationale Bergische Kunstausstellung Kunstmuseum Solingen
Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen, bis 21. Oktober 2021 Geöffnet: Di-So 10-17 Uhr, Führungen: sonntags 11.15 Uhr
Werke von Felix Breidenbach, Rike Droescher, Sebastian Fritzsch, Josephine Garbe, Camillo Grewe, Ryo Kinoshita, Danila Lipatov & Karen Zimmermann, Philipp Naujoks, Fynn Ribbeck, Jan-Luka Schmitz, Pascal Sender, Denise Winter
Museumspädagogik, Foto: Kunstmuseum Solingen
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