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Wuppertaler Jazzmeeting
Andrea Galluccio und Gregor Eisenmann, Mai 2020
Neun Tage – neun Orte
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Der Lockdown im November letzten Jahres kam eine Woche zu früh. Nach langer Vorbereitung musste der veranstaltende Verein open Sky e.V. das Wuppertaler Jazzmeeting 2020 im letzten Moment absagen. Aber dank
der Förderung durch das Kulturbüro Wuppertal und das Land NRW konnte der Verein allen Beteiligten eine Ausfallgage zahlen.
„Jetzt erst recht!“, heißt es 2021. Das Konzept vom letzten Jahr wird fortgesetzt: zwölf regionale Bands und Musikerinnen und Musiker aus ganz Deutschland, die neun Tage an neun verschiedenen Orten quer durch Wuppertal jazzen.
Was halten eigentlich die beteiligten Bands von dieser Idee? Wir befragten den Wuppertaler Andrea Galluccio dazu, der zusammen mit Gregor Eisenmann den Auftakt des Jazzmeetings macht. Sie spielen im Jazzclub LOCH am 29. Oktober 2021.
„Superpassend“, findet Andrea Gallucio die Idee, an verschiedenen Orten auch unterschiedliches Publikum zu erreichen. Und beim Jazzmeeting dabei zu sein, bedeutet ihm viel. Obwohl er bei der Anfrage spontan meinte: „Ich mach gar keinen Jazz.“ Gleichzeitig ist seine Art zu improvisieren, sich mit Live-Loops (eine elektronisch erstellte Endlosschleife von Melodien, Rhythmen oder Sounds) zur E-Gitarre zu begleiten und zu entwickeln eine Form, den Jazz zu erweitern.
Besonderen Drive erhielt diese Art, Musik zu machen, durch die Begegnung mit Gregor Eisenmann, der seit elf Jahren als Lichtkünstler mit Projection Mapping und Konzert Visuals, z.B. zur Eröffnung des Engelsjahrs, großformatige bewegte Bilder erzeugt. Bei der ersten gemeinsamen Session im Probenraum von Galluccio meinte Eisenmann zu ihm „Das ist genau meine Musik.“ Galluccio: „Er hat Musik zu seinen Bildern im Kopf. Ich hatte Visionen von Farbe und Bildern im Kopf beim Gitarrespielen. Es passte
Gregor Eisenmann und ...
genau.“ Auch bei einem Auftritt, schon in Coronazeiten als Live-Stream in der Hasenschule erstellt, war die Erfahrung von beiden: „Wir haben nie geprobt. Es kommt einfach. Ich geh einfach auf die Bühne und gucke seine Bilder, die Pattern, Videos, Zeichnungen und Effekte an. Wir improvisieren. Es ist inspirierend. Ich verliere mich einfach.“ „Live Loop meets visual art“ ist auch als Video auf Galluccios Internetseite anzusehen.
Der gebürtige Mailänder Andrea Galluccio machte eine klassische Musikausbildung. Als Jugendlicher entdeckte er die E-Gitarre als „sein“ Instrument und die Vielfalt der Stilrichtungen, Pop, Blues, Rock usw. „Ich habe mir sehr viel selbst beigebracht.“ Direkt nach der Schule ging Andrea Galluccio nach London, spielte jeden Abend in Pubs; gründete eine Band, komponierte und lernte, war offen für alle musikalischen Einflüsse, z.B. auch für mittelalterliche Musik. Nach sieben Jahren wechselte er nach Berlin und war auch dort musikalisch kreativ, schrieb Musik fürs Theater, mischte Rock und Klassik und produzierte verschiedene LPs. Die berufliche Entwicklung seiner Frau brachte die kleine Familie nach Wuppertal. Hier setzte er seine genreübergreifende Musik fort; er lernte Tänzerinnen und Tänzer des Pina Bausch Ensembles kennen. „Ich hab ein Stück geschrieben zur Eröffnung der Huppertsbergfabrik für Cello, Bratsche, E-Gitarren und zwei Tänzer.“ Außerdem hat er zu einem Projekt von Ruth Amarante (Pina Bausch Ensemble) Musik komponiert. Als Gründer der Band „Back to the roots“ produzierte er zahlreiche Songs und Videos, z.B. „I Apologize“ mit der Jazz-Sängerin Brenda Boykin oder „Kashmir“ mit Musikern aus Indien.
Wir wollen schließlich noch wissen, wie er denn darauf gekommen ist, seine Gitarrenmusik mit Loops zu kombinieren? Letztlich war es ein Zufall; ein Auftritt allein, ohne begleitende Band, beim Luisenstraßenfest brachte ihn dazu, Loops einzusetzen, mit zweiter Gitarre, später Keyboard u.a. Er experimentierte immer weiter. Er kreiert die Loops aber live auf der Bühne. Das heißt, er spielt keine vorgefertigten Stücke oder legt Präproduktionen an und nutzt den Computer auf der Bühne nur, um seine Stücke aufzunehmen. Seit zweieinhalb Jahren hat ihn das Live-Looping „erwischt“. „Ich bin so begeistert. Man kann sich in so viele Richtungen erproben.“ Seine Experimentierfreude hat ihn auch an das Instrument Theremin geführt. Dies und vieles mehr ist auf seiner Homepage sowie auf seinem Youtube Channel zu hören. https://andreagalluccio.com/
Das Jazzmeeting ermöglicht dem Publikum seit 2003 nicht nur, die ausgesprochen kreative Musikszene aus Wuppertal und der Bergischen Region kennen- und schätzen zu lernen. Es präsentiert auch immer wieder herausragende Jazzerinnen und Jazzer aus Deutschland, Europa oder Übersee. Künstlerinnen und Künstler, die oft noch nicht so bekannt sind, aber mit Preisen ausgezeichnet und als heimliche Top Acts von Jazz und mehr gelten können. Tillmann Braune und Karin Linde Alle Fotos: Immanuel Gehlmann
Andrea Galluccio
Jazzmeeting – Volles Programm
vom 29. Oktober bis 6. November 2021
Neben Andrea Galluccio und Gregor Eisenmann, der in diesem Jahr Träger des Kulturpreises der Springmann-Stiftung ist, spielen beim ältesten Jazz-Festival im Bergischen vom 29. Oktober bis 6. November 2021 noch weitere elf Formationen.
Am 29. Oktober spielt als zweiter Act im LOCH die Berliner Stephan-Max Wirth Experience, die mit Live Experience (4-CD-Box anlässlich des 25-jährigen Bestehens) den Preis der Deutschen Schallplattenkritik gewonnen hat.
Am 30. Oktober ist Joo Kraus in der börse zu hören. Er hat für sein Soloalbum „Painting Pop“ den EchoJazz als bester Trompeter erhalten.
Für den 31. Oktober ist ein Event im Rex-Kino in Planung. Näheres dazu wird im Programmheft zum Festival nachzulesen sein.
Am 1. November findet im Café Ada im Rahmen der JazzSession der Wettbewerb zum Wild Card Contest 2021 statt, dessen Siegerinnen/Sieger beim Abschlusskonzert spielen werden.
Am 2. November kommt die Wuppertaler Bassistin Inga Eichler mit ihrer neuen Band Endeevior in den Bürgerbahnhof Vohwinkel.
About Aphrodite, die Band der persischen Saxofonistin und Theremin-Spielerin Gilda Razani, spielt am 3. November in der CityKirche.
Am 4. November stehen zwei sehr unterschiedliche Konzerte auf dem Programm: TOKUNBO gastiert mit ihrer „The Swan“ Tour im Elberfelder Kontakthof. Tokunbo Akinro war eine der Stimmen von TOK TOK TOK und ist Gewinnerin bei den IAMA International Acoustic Music Awards als Best Female Artist. Parallel dazu spielt Wolfgang Schmidtke im ort ein Konzert aus der Reihe Jazzpool NRW. Den Abend am 5. November im Barmer Bahnhof eröffnen die Wuppertaler Marvin Dillmann, Daniel Bark, Salome Ahmend, gefolgt von der Nürnberger Klarinettistin Rebecca Trescher mit ihrem famosen Tentett.
Das Abschlusskonzert im Barmer Bahnhof beginnt am 6. November mit der Siegerband des Wild Card Con-
test 2021. Danach spielt das Hanno Busch Trio mit dem Organisten Claus Fischer. Hanno Busch ist Preisträger des ECHO-Jazz 2018 in der Kategorie Gitarre/national. Das Nu Hussel Orchestra aus Hamburg mit der Sängerin Nathalie Dorra beendet den Abend und das Festival mit seinen Grooves.
Näheres unter:
www.opensky-ev.de oder kontakt@opensky-ev.de
Vor dem Hintergrund der Entwicklungen im vergangenen Jahr beschlossen die Organisierenden, das Motto „Let‘s work together“ beizubehalten, da es nichts an Relevanz verloren habe. Damit möchte open Sky e.V. ein Zeichen setzen gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung – für eine aktive Demokratie, ein respektvolles Zusammenwirken und eine baldige Rückkehr zu einer sicheren Normalität.
Finanziert wird das Festivalprogramm durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, durch das Wuppertaler Kulturbüro, die Stadtsparkasse und einige Firmen und natürlich durch die verkauften Tickets.
Letztere können für die einzelnen Veranstaltungen über wuppertal-live.de gebucht werden. Alle Eintrittskarten berechtigen zur Nutzung von Bussen und Bahnen der WSW, womit ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden soll. Darüber hinaus geht pro Ticket ein Euro an den kulturellen Hilfsfonds Eintopf (https:// eintopfwuppertal. de), und bei allen Konzerten wird für die Betroffenen der Hochwasserkatastrophe in Wuppertal gesammelt.