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Das Von der Heydt-Museum Wuppertal zeigt den Land-Art-Künstler Hannsjörg Voth

Zu Lande und zu Wasser Das Von der Heydt-Museum Wuppertal zeigt den Land-Art-Künstler Hannsjörg Voth

Fragen nach dem ökologischen Bewusst- sein unserer Gesellschaft und dem Umgang mit der Natur sind heute absolut aktuell und gleichzeitig nicht neu. Bereits in den 1970er-Jahren widmeten sich jene Künstlerinnen und Künstler diesen Fragestellungen, die man heute zur Land Art zählt, darunter auch der Deutsche Hannsjörg Voth.

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Hannsjörg Voth (geboren 1940 in Bad Harzburg) ist seit den 1970er-Jahren für seine aufsehenerregenden Land-ArtProjekte bekannt. Der studierte Gebrauchsgrafiker, der auch als Artdirector in München tätig war, widmete sich zunächst der Malerei und Zeichnung, es entstanden beispielsweise die sogenannten „Acrylbilder“. 1973/74 gab Voth die Malerei dann auf, um sich fortan baulichen Projekten und Aktionen im Außenraum zuzuwenden. Die Ausstellung „Zu Lande und zu Wasser“ ist als umfassende Werkschau gemeinsam mit dem Künstler konzipiert worden. Im Zentrum stehen Voths beeindruckende Großprojekte, die anhand von Zeichnungen, Fotografien und Modellen dokumentiert und so in der Ausstellung erlebbar werden.

Das erste Projekt, das Voth im Außenraum realisierte, war „Feldzeichen“ (1975). Auf einer Anhöhe in Ingelsheim (Oberbayern) stellte Voth mit der Hilfe von Freunden und Bauern vier 30 Meter hohe Stämme auf, die mit weißen Leintüchern umwickelt und mit Seilen verschnürt waren. Schon von weitem sichtbar erinnerten die „Feldzeichen“ einerseits an die Tradition des Maibaumaufstellens, mahnten aber andererseits eindrucksvoll vor der Ausbeutung der Landschaft. Schon dieses erste Projekt zeigt eine soziale Dimension, die auch die folgenden Werke Voths prägte und die die besondere Spezifik des Künstlers ausmachen. Die „Feldzeichen“ sollten ein Jahr stehen bleiben, wurden aber nach kurzer Zeit von Unbekannten umgesägt.

Eine der eindrücklichsten, sicherlich aufsehenerregendsten Aktionen war „Reise ins Meer“ im Jahr 1978. Dafür ließ der Künstler ein Floß bauen, auf dem eine 20 Meter lange männliche Figur mit einer Bleimaske und von Leintüchern umwickelt lag. Von Ludwigshafen bis Rotterdam trieb das Floß rheinabwärts und wurde dann angezündet. So symbolisierte die Aktion die Übergabe des Menschen an die Natur – wie man es aus der Tradition der Feuerbestattung kennt.

Anfang der 80er-Jahre zog es Hannsjörg Voth nach Marokko, er war auf der Suche nach einem geeigneten Ort für ein neues Projekt und sehnte sich zudem nach einer unberührten, ursprünglichen Natur, die er in der Marha-Ebene fand. Zwischen 1985 und 87 baute er gemeinsam mit einheimischen Arbeitern die „Himmelstreppe“, eine 16 Meter hohe Treppe in Form eines Dreiecks aus Lehm. In der weiten flachen Wüstenlandschaft bildet die immer noch

Linke Seite: Hannsjörg Voth, Reise ins Meer, 1978, Fotografie: Ingrid Amslinger, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Hannsjörg Voth, Himmelstreppe, 1985, Mischtechnik auf Transparentpapier, 30 cm x 42 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Hannsjörg Voth, Stadt des Orion, 2003, Fotografie: Ingrid Amslinger, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

vorhandene „Himmelstreppe“ ein markantes, sich schon aus der Ferne in Richtung Himmel reckendes Bauwerk. In den in der Großskulptur vorhandenen Räumen hat der Künstler einige Zeit gelebt und gearbeitet. In unmittelbarer Nähe zur „Himmelstreppe“ entstand Anfang der 90erJahre die „Goldene Spirale“, ein architektonisches Gegenstück zur „Himmelstreppe“, das sich spiralförmig 22 Meter in die Erde erstreckt.

Mit der „Stadt des Orion“ verwirklichte Voth die letzte Großskulptur in Marokko (1997 bis 2003). Ziel dieses letzten Projektes war es, das Sternbild Orion dreidimensional auf der Erde darzustellen. Schon in München, als Voth den Auftrag bekam, eine begehbare Installation zwischen den Gebäuden des Europäischen Parlaments zu errichten, gri” der Künstler auf kosmische Symbole zurück. „Zwischen Sonnentor und Mondplatz“ (errichtet zwischen 1991 und 93) zeigt die unterschiedlichen Mondphasen und integriert das Sonnenlicht, das bei Sonnenhöchststand genau durch ein dafür vorgesehenes Tor fällt und die Meridianlinie zeichnet. In der Ausstellung werden die Großprojekte, die teilweise, wie „Feldzeichen“ oder „Reise ins Meer“, nicht mehr existieren, anhand von architektonischen Modellen, Zeichnungen und Fotografien wiedergegeben und so für die Besucherin/den Besucher erfahrbar. Während die Modelle und Zeichnungen Voths Konzeptionen baulich verdeutlichen und Einblick in die Vision des Künstlers geben, setzen die Fotografien von Ingrid Amslinger die Großprojekte monumental und stark in Szene. Diese Bilder dokumentieren die Projekte nicht bloß, sie geben den ästhetischen Reiz und den baulichen Anspruch der Projekte auf beeindruckende Weise wieder.

Neben den Großprojekten präsentiert die Ausstellung Zeichnungen und Malereien, die der Künstler in Marokko angefertigt hat. Der Zeichenzyklus „Jenseits der Zeit“ ist zwischen 1987 und 2006 während der Aufenthalte in den Bauskulpturen „Himmelstreppe“, „Goldene Spirale“ und „Stadt des Orion“ entstanden. Es handelt sich um feine Bleistift- und Kohlezeichnungen, die mystische Tier- und Menschenwesen zeigen. Ebenfalls in der Wüste und zur

Hannsjörg Voth, ohne Titel, 1987, Stahlstift, Wasserfarben auf Büttenpapier, 32 cm x 40 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

gleichen Zeit schuf Voth die sogenannten „Materialbilder“, die aus Materialien der Wüste bestehen. Lehm, Sand, Asche, Ruß und Kalk hat der Künstler mit bloßen Händen aufgetragen. Die Werke strahlen so eine verblü”ende Direktheit aus – als könne man dem Prozess des „Malens“ unmittelbar nachspüren. In der Zusammenstellung mit den Großprojekten zeigt sich so die mediale Vielseitigkeit des Künstlers, der sowohl das kleine, zeichnerische Format als auch das Großformat in Form der Bauskulpturen beherrscht.

In all seinen Werken spielt das Material eine entscheidende Rolle, es ist stets ursprüngliches, natürliches Material – Voth arbeitet und malt mit Lehm und Sand und baut nach alter Tradition. Es ist dieser Wunsch nach Ursprünglichkeit, der den Projektkünstler Hannsjörg Voth auszeichnet.

Das Arbeiten mit und in der Landschaft, mit vergänglichen Materialien, ist typisch für die Künstlerinnen und Künstler der Land Art, die danach strebten, die Natur als Empfindungs- und Wahrnehmungsraum zurückzugewinnen und so ein ursprüngliches, einvernehmliches Verhältnis von Mensch und Natur wieder zu ermöglichen. Wie auch Voth in Marokko realisierten in den USA einige Land-ArtKünstlerinnen und -Künstler wie Robert Smithson oder Nancy Holt Projekte in der Wüste. Geometrische Formen und archetypische Symbole sind zudem charakteristisch für Objekte der Land Art.

Hannsjörg Voth gilt als einer der wichtigsten deutschen Vertreter der Land Art, der mit seinen Großprojekten in Deutschland, den Niederlanden und in Marokko nicht nur beeindruckende Bauten erscha”en hat, sondern dabei das Verhältnis von Mensch und Natur hinterfragt oder die soziale und gesellschaftliche Bedeutung von Natur thematisiert. In der Ausstellung machen Objekte, Fotografien, Zeichnungen und Malerei dies in einer umfassenden Weise deutlich.

Dr. des Anna Storm Kuratorin der Ausstellung am Von der Heydt-Museum

24. März bis 13. September 2020 Hannsjörg Voth Zu Lande und zu Wasser Mit Fotos von Ingrid Amslinger

Von der Heydt-Museum Wuppertal Turmhof 8, 42103 Wuppertal www.von-der-heydt-museum.de

Hannsjörg Voth, ohne Titel, 2006, Mischtechnik: rote Erde, Kohle, Kalk auf Büttenpapier, 180 cm x 107 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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