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Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch

Helge Achenbach: Selbstzerstörung, Bekenntnisse eines Kunsthändlers, 240 Seiten, einige Karikaturen, Hardcover, 22 x 14,5 cm, riva Verlag, 19,99 €

Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch Licht und Dunkel

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Daan Roosegaarde, englisch, 160 Seiten, durchgehend Farbabbildungen, gebunden, flexibles Cover, 29 x 25 cm, Phaidon, 45,- €

Diese Autobiographie musste rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft erscheinen. Helge Achenbach ist aus dem Gefängnis entlassen, der studierte Sozialpädagoge hat eine Organisation zur Unterstützung von Künstlern, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, initiiert, und was er heute tut, hört sich wirklich gut an. Auch ansonsten zeigt das Buch sehr viel reflektierte Haltung und Selbstkritik gegenüber seinen gefälschten, „collagierten“ Rechnungen, die ihn ins Gefängnis gebracht haben. Bei all dem, das Verdienst von Achenbach ist: Er hat die zeitgenössische Kunst ins ö”entliche Gespräch gebracht und er hat wesentlich mit dafür gesorgt, dass sie als Kulturgut in Büros und Foyers Eingang fand. Wenn man in dem Beruf des Kunstberaters so etwas wie Prominenz erlangen kann, dann ist dies Helge Achenbach gelungen, der ihn hierzulande ja auch – gemeinsam mit Horst Kimmerich – im großen Stil ins Leben gerufen hat … „Selbstzerstörung“, die Autobiographie, die trotz gebotener Eile sorgfältig lektoriert im riva Verlag erschienen ist, berichtet von all dem in einem leicht zerknirschten Ton und liefert tiefere, mitunter lehrreiche Einblicke. Helge Achenbach erzählt über seine ersten Kontakte mit dem Verkaufen und dann mit der Kunst selbst, die Arbeit in einer Galerie, die Bekanntschaft mit berühmten Künstlern, die er zu maßgeschneiderten Aufträgen überreden kann. Er berichtet, wie ein Kontakt zum nächsten führt und am Ende dieses Netzwerkes das Ehepaar Berthold und Babette Albrecht steht. Aber das Berichten geschieht mit angezogener Handbremse. Neues erfährt man eigentlich nicht, die längst verbreiteten Anekdoten gibt es einmal mehr zu hören. Erzählt von Achenbach, wirken sie jetzt wie gut ausgedacht. Je konkreter es um das Geschäftliche geht, desto verschwiegener wird er. Nur wenige Künstler- und Sammlernamen sind genannt; Gerhard Richter repräsentiert dadurch große Teile der Künstlerzunft. Emotionalität bricht nur indirekt durch – natürlich muss Helge Achenbach, beraten von einer Kanzlei, mit allen Äußerungen zurückhaltend sein. Nur, ganz so aufregend wie der Titel „Selbstzerstörung“ und das dazugehörige Cover (zwischen Gefängnisgitter und Banksy-Auktion!) ist die Autobiographie nicht. Oder doch? Helge Achenbach hält sich im Gespräch.

Ein „Macher“, der sich auf seine Weise in Szene setzt und mit seinen Projekten die große ֔entlichkeit bespielt, ist Daan Roosegaarde. Der niederländische Künstler wurde 1979 in Nieuwkoop geboren, er arbeitet in Rotterdam und Shanghai. Ich kannte ihn vorher nicht, bin aber aufmerksam geworden, weil die Monographie über sein bisheriges Scha”en bei Phaidon in der superprominenten Reihe der „Contemporary Artists“ erschienen ist, die eigentlich den renommiertesten oder doch besten Künstler vorbehalten ist. Auch der Band über Roosegaarde weist alle Qualitäten der Reihe auf – die Choreographie mit Essay, Interview, Künstlertext, großen Werkabbildungen, Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven und während der Produktion sowie einer chronologisch systematischen Biographie – aber das künstlerische Werk selbst enttäuscht, auch wenn man mit stimmungsvollen großformatigen Abbildungen von Lichtkunst bei Dunkelheit schnell Eindruck scha”en kann. Daan Roosegaarde ist ein Lichtdesigner, der Phäno

Bauhaus und Amerika. Experimente in Licht und Bewegung, 272 Seiten, zahlreiche Farbund s/w-Abbildungen, Hardcover, 30,5 x 24 cm, Kerber, 55,- €

Neil Pearson (Hg.), Apollo – VII-XVII, englisch, 320 Seiten, durchgehend überwiegend ganzseitige Farbabbildungen, Hardcover, 27 x 27 cm, teNeues, 50,- €

mene der Natur mit der Technologie verknüpft und dabei zwischen minimalistischer und theatralischer Sprache wechselt. LED-Lampen und Laser gehören zum konstant genutzten technischen Equipment. Das alles ist nicht neu, man denke nur an Olafur Eliasson (das geht sogar so weit, dass man auch Roosegaardes Team beim gemeinsamen Mittagessen am langen Tisch sieht), der seinerseits mancherlei, etwa von der ZERO-Bewegung, zitiert, aber bei ihm kann man darauf verweisen, dass er in einer anderen Zeit arbeitet und eben ein neues ökologisches Interesse zum Ausdruck bringt. Bei Roosegaardes teils temporär angelegten, teils im ö”entlichen Raum auf Dauer präsenten Werken geht es eher um die Gestaltung des urbanen Raumes: Wie kann die Stadt der Zukunft aussehen. Es scheint, dass Roosegaarde damit noch relativ am Anfang steht; manche Werke im Buch werden nicht besser, indem man sie oft abbildet – aber seien wir optimistisch und verfolgen das weiter: Das Buch selbst lädt dazu ein.

Auf die Wurzeln von Roosegaarde – und ja auch Olafur Eliasson – weist dann ein anderes, schon zu Beginn des Bauhaus-Jahres erschienenes Buch: „Bauhaus und Amerika“, anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im LWL-Landesmuseum Münster. Der Untertitel lautet: „Lichtkunst und Bewegung“. Ausstellung und Buch stellen Künstler von den 1920er-Jahren bis in die jüngste Gegenwart vor, die sich die Praxis und Erfahrungen der Bauhauslehre zu eigen gemacht haben. Aspekte sind ein minimalistisches Formrepertoire, der abstrakte Tanz – die Bauhausbühne – und die Wertschätzung des Lichtes in fotografischen Experimenten. Einige der bahnbrechenden Bauhauskünstler sind ab den 1930er-Jahren in die USA ausgewandert, wo sie wiederum Künstler inspiriert haben und auf Künstler getro”en sind, die ihrerseits weitere Entwicklungen initiierten. So wird hier die Op Art auf Josef Albers und Marcel Dzamas „Merry go round“ auf Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ zurückgeführt. Die wechselseitigen Beziehungen, die über die direkt beteiligten Künstler auch der Nachkriegsjahrzehnte das künstlerische Umfeld einbeziehen, wirken zunächst verwirrend. Aber die Systematik und die repräsentativen Abbildungen des Buches sorgen für Klarheit – und führen eben viele Stränge der Kunst im 20. Jahrhundert auf die Phänomene des Lichts und der Bewegung zurück.

Sind die Fotografien der Astronauten der Apollo-Missionen Kunst? So genial, wie das Buch „Apollo – VII-XVII“, das, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der ersten Mondlandung bei teNeues erschienen, konzipiert ist, ist dies gewiss bedenkenswert. Es ist ein kapitales Buchwerk, quadratisch, schwergewichtig, trägt also schon in der Aufmachung den Charakter des lange unter Verschluss gehaltenen Archivs. Tatsächlich handelt es sich, geordnet nach den einzelnen Flügen zum Mond, um bislang unverö”entlichtes Material der NASA. Unverö”entlicht wahrscheinlich deshalb, weil sich die Bilder vom Mond und der Reise zu ihm eben doch gleichen. Wir sehen in sturer monotoner, teils nur wenig variierter Folge den Mond im Universum, die Erde im Universum, die Mondoberfläche im schweifenden Überblick und aus unmittelbarer Nähe, die Raumsonde im Universum, dann gelandet auf dem Mond und dann die Astronauten, im Universum schwebend oder bei der Arbeit – und das war‘s auch schon. Und dann verlangsamt sich das Sehen, fällt der Blick auf die Brillanz der Details, die Intensität eines jeden Moments. Und war es nicht die (damals einsetzende) Weltraumfahrt, die die ZERO-Künstler maßgeblich inspirierte? Selten war eine Geschichte von Licht und Dunkel - und Zeit! - so spannend wie im Apollo-Buch! teNeues sollte öfter solche Bücher machen.

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