2 minute read

Mehr Freiheit wagen  Prof. Dr. Hendrik Streeck

Foto: AdobeStock©alphaspirit

Mehr Freiheit wagen

Die große Mehrheit der Bevölkerung hat Antikörper gegen das Corona-Virus ausgebildet und es gibt Medikamente, die vor schweren Verläufen schützen.

Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hat für diesen Winter eine gute Vorbereitung angemahnt. Dazu zählen ein Abwassermonitoring, ein

Echtzeit-Lagebild zur Situation in den

Kliniken und eine Impfkampagne für vulnerable Gruppen. Auch die frühzeitige Beschaffung von angepassten

Impfstoffen ist in meinen Augen richtig. Wir sollten unser Handeln aber nicht allein von Sorgen bestimmen lassen, denn es gibt auch sehr positive

Entwicklungen. Denn bei aller Sorge um neue Virus-Varianten haben wir sehr viel Grund zur Hoffnung. Wir können alles ein bisschen mutiger und gelassener angehen und dem Virus endlich selbstbewusster entgegentreten.

Mehr als 95 Prozent der Bürger haben inzwischen Antikörper gegen

SARS-CoV-2 gebildet. Das ist der

Wert, den wir uns zum Ziel gesetzt hatten und ein guter Grundschutz.

Mit anderen Worten: Wir finden kaum jemanden, der keine Antikörper gegen das Corona-Virus im Blut hat.

Dabei ist es wichtig zu wissen, dass das nicht nur einzelne Antikörper sind. Sondern eine ganze Vielzahl von

Antikörpern, auch T-Zellen, die das

Immungedächtnis bilden und bei einer Infektion reaktiviert werden. Wir verfügen also über eine gute Basis. Aus medizinischer Sicht ist es nämlich vollkommen egal, wie man seinen Antikörperschutz bekommen hat. Ob durch eine Infektion, Impfungen oder durch eine Kombination daraus.

Zusätzlich hatten wir auch eine enorme Sommerwelle. Das ist für den Winter ebenfalls eine gute Nachricht. Denn wir haben im Sommer am Tag bis zu 300.000 Neuinfektionen gemessen, und wir schätzen, dass die Dunkelziffer um das Zehnfache höher lag. Trotzdem sind die Krankenhäuser und die Intensivstationen nicht vollgelaufen. Geschätzt rund 30 Prozent der Bürger hatten im Sommer eine Corona-Infektion. Den milden Verlauf verdanken wir den Impfungen und der Omikron-Variante. Auch das sind gute Nachrichten. Denn die Sommerwelle wird uns helfen, den Winter besser zu beherrschen. Wer bereits infiziert war, infiziert sich eben nicht mehr so leicht. Noch besser ist es, wenn sich Geimpfte infiziert haben, denn sie haben eine Hybrid-Immunität aufgebaut. Alle Studien haben gezeigt, dass das die beste Kombination ist.

Das sind fantastische Nachrichten. Außerdem verfügen wir inzwischen über Medikamente, die bei rechtzeitiger Gabe vor einem schweren Verlauf schützen können. Das alles zeigt doch, dass wir mutiger sein können. Und dass wir langsam damit beginnen können, staatlich verordnete Maßnahmen wieder in die Hände der Bürger zu geben. Ich glaube, die Menschen wollen selbst verantwortlich sein, wollen Eigenverantwortung ausüben. Aber wir müssen ihnen

auch eine Anleitung dafür geben. Es ist keine Zeit für Alarmismus, keine Zeit mehr für Schwarzmalerei. Ich bin mir sicher: In punkto Corona werden wir einen besseren Herbst und Winter haben als letztes Jahr. l

Prof. Dr. Hendrik Streeck

Direktor Institut für Virologie Universitätsklinikum Bonn und Mitglied des Expertenrats der Bundesregierung

„Wir können langsam damit beginnen, staatlich verordnete Maßnahmen wieder in die Hände der Bürger zu geben.“

This article is from: