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Besser wappnen für die nächste Pandemie  Boris Palmer

Besser Foto: AdobeStock©Tobias Arhelger

wappnen für die nächste

Pandemie Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben, konsequent Risikogruppen schützen und Öffnungen erproben.

„In Deutschland waren wir der Meinung, mit dem am besten ausgestatteten Gesundheitssystem der Welt die massivsten Maßnahmen zur Schädigung der Volkswirtschaft am längsten durchhalten zu müssen.“

Schon heute müssen wir uns fragen, wie wir die nächste Pandemie besser bewältigen können. Viel zu lange hat sich die Legende gehalten, wir hätten alles großartig gemacht. Das hat mit dazu beigetragen, dass wir in der zweiten und dritten Welle gar nicht gut ausgesehen haben. Nach meiner Auffassung geben dabei folgende Punkte den Ausschlag: Erstens die fehlende Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitswesens. Auch die nächste Pandemie wird wieder eine Atemwegsinfektion sein. Und wer weiß, wer infiziert ist und wessen Kontakte potenziell die Infizierten sind, der hat die Pandemie innerhalb einer Woche unter Kontrolle. Wir brauchen dazu Tracking & Tracing auf höchstem Niveau.

Jedes Handy hat eine GPS-Funktion. Der Staat muss zwangsmäßig eine App aufspielen, die im Moment einer Pandemie alle dazu zwingt, ihre Kontakte offenzulegen, wenn sie sich infiziert haben. Das Gesundheitsamt muss auf Knopfdruck wissen, wer gefährdet ist, und diese Leute gehen in Quarantäne. 0,1 Prozent der Bevölkerung sind dann in Quarantäne, die Pandemie ist unter Kontrolle. Technisch ist das machbar.

Zweitens müssen wir das machen, was in den Pandemieplänen steht. Wenn eine Pandemie nicht mehr aufzuhalten ist, müssen wir die Risikogruppen konsequent schützen. Jetzt erst kommt langsam zu Bewusstsein, dass Bildungsbiographien von Kindern brechen und die Jugendpsychiatrie in Triage-Situationen kommt. Bleibt noch die Frage von präventiven Teststrategien. Auch hier waren wir extrem langsam. So lange, wie wir gebraucht haben, um Masken zu beschaffen und in unserem überbürokratisierten System an Risikogruppen zu verteilen, solange haben wir gebraucht anzuerkennen, dass Konzeptöffnungen angezeigt waren. Die Schweiz und Österreich, viele europäische Nachbarn haben es uns vorgemacht.

Solche Konzeptöffnungen sind der Inzidenzsteuerung vorzuziehen. Warum? Weil ich als Oberbürgermeister alle Aspekte betrachten muss – auch dass Menschen um ihre Existenz gebracht werden und die Bildungsbiographien der Kinder in Gefahr sind. Wenn ich dadurch nicht mehr Infektionen habe, durch so ein kontrolliertes, mit Freitesten verbundenes Öffnungskonzept, dann ist es geradezu geboten, auf diese Weise zu öffnen und nicht einfach nur das Instrument der Kontaktreduktion einzusetzen.

Aber in Deutschland waren wir der Meinung, mit dem am besten ausgestatteten Gesundheitssystem der Welt die massivsten Maßnahmen zur absichtlichen Schädigung der Volkswirtschaft am längsten durchhalten zu müssen. In Wahrheit ging es um die Unterbindung des menschlichen Lebens mit massivem staatlichen Freiheitsentzug. Ein Lockdown kann aber

nur das allerletzte Mittel sein, wenn man von einer Pandemie überrascht wird und keine anderen Instrumente zur Verfügung hat. Das deutsche Vorgehen hat viel mit german angst zu tun. Und ich finde, das alles bedarf einer gründlichen Aufarbeitung, bevor die nächste Pandemie kommt. l

Boris Palmer

Oberbürgermeister Tübingen, Bündnis90/Die Grünen

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