Sonderveröffentlichung
KUNST PLANER
Rineke Dijkstra
Die Fotokünstlerin und ihre empathischen Porträts
100 Jahre Neue
Sachlichkeit Wie eine Ausstellung einen epochalen Stil prägte
William Kentridge Der Allrounder unter den globalen Kunststars
SOME ENCO UNTERS YO UW EA RF OREVER .
KUNST darf 2025 nicht fehlen.
Wir haben den PLANER.
Wir leben in unruhigen Zeiten. Die Wirtschaft schwächelt, die liberale Demokratie wankt, der Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist kein Tabu mehr. Wer in die Kunstgeschichte blickt, dem mag das wie ein Déjà-vu vorkommen. War nicht vor fast 100 Jahren die Lage schon einmal ganz ähnlich? Und hat nicht die deutsche (und europäische) Kunst damals mit einem neuen Stil darauf reagiert? Die Neue Sachlichkeit, die in Malerei und Fotografie in jenen Jahren Einzug hielt, hatte nichts Heimeliges mehr und auch nichts versponnen Überspanntes. Schonungslos erkannte sie die Lage und ging von den Beständen aus, nicht von den Parolen, um einmal Gottfried Benn zu paraphrasieren. Dieses Sezieren der Realität, oft kühl und emotionslos, ist heute nicht wenigen befremdlich, die von allem „berührt“ werden wollen und Empathie zum
Gebot der Stunde machen. Doch manchmal hilft es, Dinge mit Distanz zu betrachten, um sie klar und fokussiert in den Blick zu bekommen, und dabei Emotionen und Rationalität nicht zu vermischen. Die Aufgaben und Gefahren sind zu groß, um sich in Befindlichkeiten zu verlieren. All das können wir heute mitbedenken, wenn wir uns im Jubiläumsjahr der Neuen Sachlichkeit mit der Kunst der 1920/30er Jahre auseinandersetzen, die in Ausstellungen in Mannheim oder Stuttgart präsentiert wird. Dass Distanz auch als künstlerisches Mittel zu eindrücklichen Resultaten führt (die dann wiederum Empathie hervorrufen), führen uns die Porträts der Fotografin Rineke Dijkstra vor. Und dass verspielte Subtilität ein größeres Echo hervorrufen kann als laute Parolen, zeigt uns das Werk des südafrikanischen Künstlers William Kentridge. Matthias Ehlert
INHALT
Der die Epoche prägende Stil in einer großen Ausstellung in Mannheim
Rineke Dijkstra
Die niederländische Fotokünstlerin hat das Genre des Porträts neu interpretiert
William Kentridge
Der südafrikanische Allround-Künstler wird in Essen und Dresden gewürdigt
500 Jahre Bauernkrieg
Ein historischer Gedenktag und seine künstlerische Würdigung in Ost und West
Stuttgarter Jubiläen
Grund zum Feiern: 100 Jahre Städtische Sammlung und 20 Jahre Kunstmuseum
Wiedersehen und Impressum
KULTURHIGHLIGHTS
Advertorials ab ▸ S. 45: Europäische Malerei aus Odesa in der Gemäldegalerie Berlin ▸ S. 46. Wie der Surrealismus von der deutschen Romantik inspiriert wurde, erzählt eine Ausstellung in der Kunsthalle Hamburg ▸ S. 47. Das neue Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden präsentiert die amerikanische Pionierin der abstrakten Malerei Helen Frankenthaler ▸ S. 49. Die Bundeskunsthalle in Bonn veranstaltet ein Themenjahr der ökologischen Nachhaltigkeit ▸ S. 50. Das Lenbachhaus in München spürt den Verbindungen von Surrealismus und Antifaschismus nach ▸ S. 53. Das Werk von Paula Rego und Sandra Knecht kann man in Basel entdecken ▸ S. 55. Im Panorama Museum im thüringischen Bad Frankenhausen ist Werner Tübkes Monumentalgemälde zur frühbürgerlichen Revolution eine Reise wert ▸ S. 61.
SPIEGEL DER MODERNE
Von Ulrich Clewing
Gut hundert Jahre
ist es her, dass die
Neue
Sachlichkeit
erfunden wurde.
Doch ihre Kunst und Denkweise ist uns heute noch nah, wie u.a. die große
Jubiläumsausstellung in Mannheim zeigt
EEr war um seine Meinung gebeten worden, also äußerte er sie in der gebotenen Deutlichkeit: „Die Qualität des jungen Nachwuchses ist im Allgemeinen trostlos“, schrieb der Münchner Galerist Hans Goltz im Frühjahr 1923 an Gustav Friedrich Hartlaub. Das harte Urteil klang für den Leiter der Mannheimer Kunsthalle wenig ermutigend, war aber noch nicht alles. Auch Otto Dix ließ durch seinen Händler Karl Nierendorf ausrichten, dass er sich an Hartlaubs geplanter Ausstellung sicher nicht beteiligen würde.
Zwei Jahre später hatten sowohl Dix als auch Goltz ihre Meinungen geändert: Dix schickte Bilder von sich nach Mannheim. Und auch Goltz hatte mit Georg Schrimpf, Carlo Mense und Alexander Kanoldt Maler gefunden,
deren Arbeiten er so viel Wertschätzung entgegenbrachte, dass er sie gerne in die ehemalige kurpfälzische Residenzstadt entsendete. Sie und die übrigen Künstler dieser sehr besonderen Schau prägten damit den Stil einer ganzen Epoche.
Sechzig Maler, 130 Bilder und ein genialer Titel, das reichte, um aus „Die Neue Sachlichkeit – Deutsche Malerei seit dem Expressionismus“ die kunstgeschichtliche Kategorie Neue Sachlichkeit zu machen. Dass in der Kunsthalle Mannheim drei Monate lang so unterschiedliche Werke zu sehen waren wie die im Duktus klassischen, in ihrer Haltung extrem unterkühlten Bilder eines Christian Schad, die bitterbösen Darstellungen gesellschaftlicher Missstände von George Grosz, Otto Dix und Georg Scholz und die immer irgendwie anscheinend gerade aus dem Gleichgewicht gefallenen Kompositionen des grandiosen Einzelgängers Max Beckmann, dieser nicht zu leugnende Umstand fiel 1925 schon den Zeitgenossen auf. Doch das schmälerte die Kraft des Begriff „Neue Sachlichkeit“ keineswegs, im Gegenteil: vermutlich steigerte es sie noch. Der Titel der Mannheimer Ausstellung ist vermutlich das früheste Beispiel,
dass eine Kunstrichtung der letzten 150 Jahre nicht mit einem Ismus bezeichnet wurde. Sondern dass man ihr ein Label verlieh, um sie zu charakterisieren. „Es gelingt Museumsleuten sehr selten“, sagt Inge Herold, die stellvertretende Direktorin der Mannheimer Kunsthalle, „mit dem Titel einer Ausstellung einen bis heute gültigen Epochenbegriff zu erfinden.“
Die Neue Sachlichkeit war vieles: Bilder wie Christian Schads „Sonja“ von 1928, heute in der Neuen Nationalgalerie Berlin, oder „Operation“, das der Künstler ein Jahr darauf malte und das seit Langem zur Sammlung des Lenbachhauses in München gehört, sind emotionslos und distanziert bis an die Frostgrenze. Sie sezieren die Realität, als hätte Schad dafür statt eines Pinsels ein Skalpell verwendet.
Andere, etwa die Werke von George Grosz, Georg Scholz und Otto Dix sind dagegen tatsächlich alles, nur nicht „sachlich“ – und sie wollen es auch gar nicht sein. Grosz’ „Leichenbegräbnis“ von 1917/18, eines der Hauptwerke der Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, sein Gemälde „Grauer Tag“ von 1921 ,Scholz’ „Industriebauern“ aus dem Jahr davor ,Otto Dix’ an gotische Dreiflügelaltäre angelehn-
tes Werk „Der Krieg“ von 1929/32: alles Malerei gewordene Anklagen aus dem Geist der Sozialkritik in verschärfter Form, entstanden unter dem Eindruck der Gräuel des Ersten Weltkrieges und so ätzend wie eine LiveReportage von den Schlachtfeldern von Verdun.
Und Grosz, Dix und Scholz ging es auch um die Auswüchse des Kapitalismus. Um diese anzuprangern, verwandelten sie ihre Figuren in Karikaturen –allen voran Dix, der jede und jeden ins Lächerliche zog, außer einem: Der Einzige, der in den Zwanzigerjahren auf seinen Bildern gut aussieht, ist er selber. Diese Spielart der Neuen Sachlichkeit nannte man schon damals „Verismus“. George Grosz, als Berliner quasi von Natur aus geradeheraus, brachte es 1925 auf den Punkt: „Der Verist hält seinen Zeitgenossen den Spiegel vor die Fratze. Ich zeichnete und malte aus Widerspruch und versuchte durch meine Arbeiten diese Welt davon zu überzeugen, dass sie hässlich, krank und verlogen ist.“
DANN WAR DA der große Sonderling, auch ihn rechnete man von Anfang an zur Neuen Sachlichkeit: Max Beckmann, der die Menschen in den Städten porträ-
tierte, als spielten sie Theater in einem Stück, das „Leben“ heißt. Oder „Alltag“. Oder „Zirkus“. Beckmann war in den frühen Zwanzigern dem Expressionismus noch am nächsten, aber er nutzte ihn im Lauf der Zeit als seine Bühne für seine eigenen Symbole, so rätselhaft, so ergreifend und so fremdartig schön, dass man den Eindruck hat, er überrage die anderen Künstlerinnen und Künstler dieser Jahre wie heute die Frankfurter Bankentürme den Eisernen Steg über den Main, den er mehrfach malte. Beckmann nannte seinen Stil „tranzendente Sachlichkeit“, und natürlich war auch er in der geschichtemachenden Mannheimer Ausstellung von Gustav Friedrich Hartlaub prominent vertreten.
Schließlich gab es noch die „rechte, konservative“ Fraktion, die schon Hartlaub als solche erkannte. Maler wie der gebürtige Karlsruher Alexander Kanoldt und Georg Schrimpf aus München, die die Zeit anzuhalten versuchten, in Stillleben oder Kompositionen mit jungen Frauen in Rückenansichten, die am Fenster stehen und hübsch und nett und brav hinaus in die Landschaft schauen. Sie sind elegisch, wenn man so will auch „klassisch“ und haben ohne Zweifel ihren Reiz. Aber sie wollen ausdrücklich niemandem wehtun, was in der Kunst der Neuen Sachlichkeit, erinnert man sich an das Zitat von George Grosz, nicht selbstverständlich war.
2025 jährt sich Hartlaubs Ausstellung zum hundertsten Mal. Da die Twenties des 20. Jahrhunderts im Moment sowieso ziemlich präsent sind und Jubiläen inzwischen offenbar schon aus Prinzip vorverlegt werden, kann man im Jahr 99 nach der Schau in Mannheim ein erhebliches Maß an Aktivitäten registrieren. Bereits diesen Som-
mer zeigte das Leopold Museum in Wien „Glanz und Elend –Neue Sachlichkeit in Deutschland“. Seit Ende Oktober legt man dort mit einer Einzelausstellung des Bregenzer neusachlichen Malers Rudolf Wacker nach. Sehr interessant ist auch die Schau „Neues Sehen, Neue Sachlichkeit und Bauhaus. Fotografische Neuerwerbungen aus der Sammlung Siegert“ an der Staatsgalerie Stuttgart. Gezeigt werden auf 600 Quadratmetern in den Räumen „The Gällery“ rund 150 Fotografien der Epoche, die die Stuttgarter seit zwei Jahren besitzen. Da sie in Chem-
nitz scheinbar als Einzige bis Hundert zählen können, eröffnet dort im Frühjahr 2025 eine Ausstellung mit Arbeiten der bis dahin doch recht unterbelichteten Neuen Sachlichkeit aus Osteuropa. Doch das größte, ambitionierteste und wissenschaftlich engagierteste Projekt ist die Ausstellung, die seit dem 22. November in der Kunsthalle Mannheim zu sehen ist. Kuratiert hat sie die promovierte Kunsthistorikerin Inge Herold, und es handelt sich bei der Schau um weit mehr als nur um eine Jubiläumswürdigung. Obwohl dort auch rund zwei Dutzend der Arbeiten ver-
KÖRPERBILDER
Christian Schads „Sonja“, o.li, schenkt uns 1928 einen Jahrhundertblick. Oben re. das Selbstporträt „Umbo“ des gleichnamigen Fotografen (1927–1930). Darunter erzählen in der Mannheimer Jubiläumsschau Max Beckmanns „Rugbyspieler“ (1929) von einem neuen, freiheitlichen Körperbild. Seite 6: Fast surrealistisch wirkt Herbert Bayers „Selbstporträt“ von 1931.
ZEITGESCHEHEN
Der ungeschönte Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit gehört zu den Wesensmerkmalen der Neuen Sachlichkeit. Eine wichtige Rolle nahm dabei die Fotografie ein, die nach dem Ersten Weltkrieg einen künstlerischen Quantensprung erlebte, wie etwa li. o. beim großen Porträtisten August Sander („Landstreicher“, 1929). Darunter Otto Dix’ verhaltenes „Bildnis des Malers Hans Theo Richter und Frau Gisela“ von 1933, aktuell ausgestellt in Gera, sowie der ins Karikaturhafte gesteigerte „Kriegerverein“ von Georg Scholz von 1922, ein bissiger politischer Kommentar zur Zeit. Re. Seite: Als hätte der Maler Christian Schad ein Skalpell statt des Pinsels verwendet –„Operation“, entstanden im Jahr des Börsenkrachs 1929.
treten sind, die schon 1925 in der Kunsthalle Mannheim ausgestellt waren, ist es keine bloße Kopie – denn die ist in einer virtuellen Präsentation auf Tablets aufgespielt, die auf die Besucherinnen und Besucher im Altbau der Kunsthalle warten.
Hinter dem Hightech-Erlebnis steht echte geschichtliche Basisarbeit. Herold und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stand zwar der Katalog von 1925 zur Verfügung, aber der war praktisch ohne Abbildungen, bei vielen Malern wurden noch nicht einmal die Titel der Werke genannt, auch Maßangaben fehlten. Um herauszufinden, wie die Hartlaub’sche Schau im Einzelnen aussah, musste das Team zwei dicke Leitz-Ordner mit Künstlerkorrespondenzen durchforsten. Nach Wochen des mühevollen Klein-Klein konnten immerhin 110 der ursprünglichen 132 Bilder „mit großer Wahrscheinlichkeit“ identifiziert werden. Von dieser Arbeit werden künftige Generationen von
Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern profitieren.
Und da sich Herold, der Kunsthallen-Direktor Johan Holten und alle anderen am Haus ohnehin darüber im Klaren sind, welche Bedeutung die Ausstellung von vor einhundert Jahren hat, können sie in Mannheim unverkrampft und ohne Skrupel daran gehen, das Konzept von 1925 kritisch zu hinterfragen. Auch wenn die Schau, die Hartlaub damals nach gut zwei Jahren Vorbereitung auf die Beine stellte, bis in die Gegenwart nachwirkt, so war sie in einem Punkt doch sehr in ihrer eigenen Zeit gefangen. Der wichtigste Kritikpunkt heute: „Zu der Ausstellung vor einhundert Jahren hatte er nur männliche Künstler eingeladen“, sagt Inge Herold, „Frauen waren nicht vertreten, obwohl sie es verdient gehabt hätten. Das konnten wir so nicht stehen lassen, deshalb zeigen wir nun auch Werke von Anita Rée, Jeanne Mammen, Lotte Laserstein und Georgia O’Keeffe.“ Dass auch O’Keeffe ab November in Mannheim gastiert, deutet auf Teil zwei der kritischen Befragung: Wie der Untertitel von 1925 schon sagte, nahmen seinerzeit nur Künstler aus Deutschland an Hartlaubs Ausstellung teil. Jetzt binden Herold und ihr Team auch Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus den USA, aus Italien, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und Frankreich in ihre Schau mit ein. Und auch der dritte neue Aspekt in der Beschäftigung mit „Neue Sachlichkeit – Deutsche Malerei seit dem Expressionismus“ verspricht einiges ans Tageslicht zu befördern, das sonst gerne unter den Teppich gekehrt wird. In Mannheim haben sie sich die Mühe gemacht, die Biografien und künstlerischen Entwicklungen der damals beteiligten Künstler
nach 1933 zu untersuchen. Bei Hartlaub war der Fall klar: Die neuen Machthaber entließen ihn als „Kulturbolschewiken“, sobald sie die Gelegenheit hatten – am 20. März 1933, zwei Wochen nach der letzten „freien“ Reichstagswahl. Doch es gab etliche Maler, die sich in den geänderten Verhältnissen erstaunlich gut zurechtfanden.
DAS IST EBEN AUCH eines der Merkmale der Neuen Sachlichkeit: Die Künstlerinnen und Künstler, die man heute unter dem Epochenbegriff zusammenfasst, hatten oft sehr unterschiedliche Vorstellungen und Ziele. Was sie aber einte, war die Art, in der sie ein langes Jahrzehnt lang die Malerei zum Spiegel der Gegenwart machten. „Das Neue an der Neuen Sachlichkeit“, sagt Inge Herold, „war das Zeitgefühl, waren die Inhalte. Wenn man diese Bilder betrachtet, erfährt man eine Menge über das neue Menschenbild in den Zwanzigerjahren, über die Menschen der damaligen Zeit überhaupt. “ Da ist auf der einen Seite das Verlorene, Versehrte, Gebrochene nach 1918, und das oft sehr konkret: Noch nie sah man so viele Männer, denen Gliedmaßen fehlten wie in der Neuen Sachlichkeit – ehemalige Soldaten, denen die Kriegstreiber nach dem Attentat von Sarajewo ihr Leben stahlen, ihre Arme und Beine, Augen und Ohren nahmen und die nun als Bettler auf den Straßen saßen, bedauert von den Witwen und Töchtern derjenigen, die auf den Schlachtfeldern in anonymen Gräbern lagen.
Da war aber noch mehr: das Vergnügen, das zur Sucht wurde, die Nächte ohne Sperrstunden, die Freiheit zu lieben, wen Mann und Frau wollte. Da waren die Kabaretts und Revuen, die Tiller Girls, die professionel-
len Antänzer und Illusionisten, die Dichter und andere Helden der brotlosen Kunst. Allzeit verfügbar waren Prostitution und Drogen, ständig auf Achse die Journalisten wie Egon Erwin Kisch, der 1924 seine Augenzeugenberichte unter dem Titel „Der rasende Reporter“ veröffentlichte. Christian Schad überlieferte ihn mit all seinen Tattoos am entblößten Oberkörper der Nachwelt – der Buchtitel wurde zu seinem Spitznamen, das Bild befindet sich heute in der Hamburger Kunsthalle. 1928 malte Rudolf Schlichter Kisch ein zweites Mal, mit Humphrey-BogartBlick, brennender Zigarette im Mund, im Anzug mit Weste vor einer Litfaßsäule („Fußball –Tennis Borussia gegen Sturm Prag“ ) am Romanischen Café, dem Wohnzimmer der Kulturboheme am Berliner Breitscheid-
man gar nicht oft genug erwähnen kann: Kurzhaarschnitt, Zigarette rauchend, am Tisch allein im Café, blasse Haut, dunkle Augenringe, im schwarzen Kleid mit durchsichtigen ChiffonÄrmeln, Stoffblume an der Schulter, mit einem Blick wie ein 400-Seiten- Roman und dem Dichter Max Herrmann-Neiße mitsamt Champagnerflasche im Hintergrund. Das Bild ist fast einhundert Jahre alt, aber wenn einem Sonja heute in einem Berliner Lokal begegnete, wundern würde sich niemand.
platz. Schlichters Gemälde gehört heute zur Sammlung der Kunsthalle Mannheim und wird auch in der aktuellen Ausstellung gezeigt.
Die Ehrenloge am prominenten Ende dieser Aufzählung ist für die selbstbewussten Frauen reserviert, die man nun plötzlich überall sah. Die Tennis spielen wie in einem Gemälde von Lotte Laserstein, die im Sportwagen am Steuer sitzen, den Rausch der Geschwindigkeit genießen wie bei Albert Birkles „Dame im offenen Wagen“ von 1925. Auch Tamara de Lempicka hat sich selbst so porträtiert, in einem Auto der Farbe British Racing Green, mit furchtlosen stahlblauen Augen und rot geschminkten Lippen. Emanzipiert, selbstermächtigt, was seinerzeit als Ideal galt, gilt noch immer. Oder Schads „Sonja“, die
Denn auch das zeichnet die Neue Sachlichkeit aus: Die Menschen auf diesen Gemälden machen es einem leicht, sich mit ihnen zu identifizieren. Ihre Präsenz zu spüren. Sich ihnen nahe zu fühlen, in ihnen Verwandtschaften, Mütter und Väter, Schwestern und Brüder zu erkennen. Dies gilt genauso für die Fotografien der Zeit – auch hier gab es nach den Ersten Weltkrieg einen Quantensprung, eine Annäherung an unsere Gegenwart, wie sie zuvor, wenn überhaupt, nur ansatzweise und flüchtig existiert hatte.
DER KURATOR Jens-Henning
Ullner von der Staatsgalerie in Stuttgart hat die Ausstellung mit Fotoarbeiten des Neuen Sehens, der Neuen Sachlichkeit und des Bauhaus aus der Sammlung Siegert kuratiert. „In der Nachkriegszeit verbreitete sich die Fotografie so rasch wie nie zuvor. Auf einmal gab es Handkameras zu kaufen, die man problemlos überall mit hinnehmen konnte. Auch viele Künstlerinnen und Künstler benutzten nun die Fotografie in ihren Arbeiten“, sagt Ullner. „Gleichzeitig haben die Menschen nach dem Krieg nach neuen Perspektiven gesucht, nach neuen Formen des individuellen Ausdrucks, nach individuellen Sichtweisen. Das
Neue Sehen und die Neue Sachlichkeit haben der Fotografie zu einer eigenen neuen Sprache verholfen.“ Das zeigt sich sehr konkret: Ein Mann wie Friedrich Seidenstücker fotografiert sich und seine Begleiterin 1932 im Liegen. Was man sieht, ist die Wiese, sind die Felder in der Ferne – und die Beine der beiden („Picknick, Berlin“ ). Etwa zur selben Zeit hält sich Otto Umbehr, kurz Umbo, einfach die Kamera vors Gesicht: freier Oberkörper, Sonnenbrille, die Schatten seiner Arme und der Kamera. Jahrzehnte später wird man solche Fotos Selfies nennen.
Für Jens-Henning Ullner besteht kein Zweifel, dass die Fotografie der Zwanziger- und frühen Dreißigerjahre in ähnlich viele einzelne Strömungen zerfiel, wie die Malerei. Ein Selbstporträt wie das von Herbert Bayer ist im Grunde ein surrealistisches Werk, hochgradig künstlerisch und künstlich komponiert. Walter Peterhans’ reizende, unmittelbare, bemerkenswert nahbare Aufnahme einer „Bauhausschülerin “ dagegen entstand offensichtlich aus dem Moment heraus, im wahrsten Sinne des Wortes als Bild eines Augenblicks. Und Albert Renger-Patzschs streng symmetrisch fotografierter „IndustrieSchornstein“ von 1925, er könnte auch eine Arbeit von Bernd und Hilla Becher aus den Sechzigerjahren sein.
Zu beobachten sind aber auch eine Menge Parallelen in den divergierenden künstlerischen Ansätzen. „Nach 1918 war die Sehnsucht groß, zu einer gewissen Nüchternheit in der Darstellung zu finden“, sagt Ullner. „Nehmen Sie als Beispiel August Sander, er schaut in seiner Serie ›Menschen des 20. Jahrhunderts‹ auf alle und jeden mit dem gleichen analysierenden Blick, seien es ›Landstreicher‹ oder
›Der Aristokrat‹.“ Sander entwickelte die Idee zu seiner Porträtserie 1925, im selben Jahr, in dem Gustav Friedrich Hartlaub in Mannheim seine Ausstellung auf den Weg brachte. Ursprünglich plante der Fotograf 45 Mappen à zwölf Porträts, daraus wurde schließlich ein voluminöser Bildband mit 619 Fotos: ein eminent bedeutendes Zeitdokument und ein bis dahin (und auch danach) einmaliges gesellschaftliches Panorama.
Die Neue Sachlichkeit hat also unsere Vorstellung von den Zwanzigerjahren maßgeblich beeinflusst – auch weil die Gemälde und Fotografien so gut gealtert sind. Sie sind frisch geblieben, sie sagen uns noch immer etwas. Sie befriedigen unsere Neugierde, Schaulust und Seh-Sucht ebenso wie den Wunsch, Kunst als Spiegel des eigenen Ich zu verstehen.
DER SCHWIERIGKEIT , die verschiedenen Phänomene der Neuen Sachlichkeit unter einen Hut zu bekommen, begegnen die Kuratorinnen und Kuratoren in Stuttgart und in Mannheim, indem sie ihre Ausstellungen thematisch gliedern. An der Staatsgalerie zeigt Jens-Henning Ullner die 150 Werke der etwa 60 Fotografinnen und Fotografen der Sammlung Siegert in Blöcken, geordnet nach „Porträt“, „Landschaft“ und „Stillleben“. Für die Schau in Mannheim hat Inge Herold eine kleinteiligere Gliederung gewählt. Die großen drei, George Grosz, Max Beckmann und Otto Dix sind in einem Saal versammelt, der eine reizvolle, spannungsreiche Gegenüberstellung bietet: Dix’ „Streichholzhändler II“ von 1927 und sein „Bildnis der Tänzerin Anita Berber“ (1925) treffen auf Werke von George Grosz sowie Max Beckmanns „Fastnacht“ (1925) oder dessen Porträt sei-
ner ersten Ehefrau Minna Beckmann-Tube von 1924.
Im folgenden Rundgang erwartet die Besucherinnen und Besucher das Thema „Zeitgeschichte“. Dort treffen unter anderen die beklemmenden Darstellungen von Aufruhr, Ausbeutung und Spießertum eines Georg Scholz auf Heinrich Maria Davringhausens verstörendes Bild eines Lustmörders mit dem noch verstörenderen Titel „Der Träumer II“ – ergänzt und in der Wucht ihrer Wirkung potenziert durch die Bilder von Trinkern und Bettlern der zu Unrecht eher in die zweite Reihe versetzten Künstler Ernest Neuschul, Otto Ritschl und Erich Drechsler. Weiter geht es mit dem „Menschenbild “ und dem „Bild der Frau“, die absichtlich zwei voneinander getrennte Kapitel bilden: Denn die modernen Frauen, die Karl Hubbuch („Lissy im Café“ ), der bereits erwähnte Albert Birkle, Heinrich Zernack, Gerta Overbeck und Lotte B. Prechner („Jazztänzerin“ ) malten, waren bis dahin in der Kunst praktisch unbekannt. Heute dagegen scheinen uns die „Laborantin“ von Richard Birnstengel und Meredith Framptons „Marguerite Kelsey“ aus der Tate Modern in London doch wohlvertraut.
Als nächstes Kapitel schließen sich die „Körperideale“ mit Picassos „Die Leserin“ von 1920 und dem „Akrobaten“ von Davringhausen an. Beckmanns fantastische „Rugbyspieler “ sind dort ebenso ausgestellt wie Rudolf Bellings Bronzefigur des Boxers Max Schmeling, eine der wenigen plastischen Arbeiten der Mannheimer Schau. Es folgen intensive „Selbstbildnisse“, etwa das von Lotte Laserstein vor der zerklüfteten Berliner Stadtlandschaft oder das „Selbstbildnis in der Malkutte“ von Fridel Dethleffs-Edelmann, auf
dem uns einmal mehr auf verblüffende Weise eine Frau von 2024 gegenübertritt. Das Gleiche gilt für das Selbstporträt, der niederländischen Malerin Charley Toorop von 1930/31. Die Themen „Stillleben“, „Landschaft“ und „Stadt, Industrie, Mobilität“ runden den Parforceritt durch ein auf und anregendes Jahrzehnt der europäischen Kunstgeschichte ab. Als kluger Schachzug entpuppt sich die Entscheidung, in diese Themenblöcke, wo es sich anbot, Werke aus den späten Dreißigerjahren zu integrieren. Zum Beispiel Otto Dix’ gekonnt ausgeführtes, aber als Bild in seiner Gefälligkeit vollkommen zahnloses Porträt der „Emmi Hepp“ von 1939, sein kitschiger „Christophorus (im großen Teich)“ von 1941 oder – bei den „Körperidealen“ – Gerhard Keils uniforme und schablonenhaft seelenlose „Turner“, ebenfalls aus dem Jahr 1939. So wird die Fallhöhe augenfällig, welche die Maler, die sich nach 1933 mit Repression und Restriktion zu arrangieren versuchten, künstlerisch ins Bodenlose abstürzen ließ. Hier ist kein Biss mehr, nichts Neues, Unerwartetes, keine Präsenz, die einen faszinieren könnte. Nur Abklatsch, Niedergang und Selbstbeschädigung. 1925 lief die Ausstellung, die Hartlaub organisierte, mehr als drei Monate lang. Damals sahen sie bemerkenswert wenige Menschen, obwohl sie in den Zeitungen rauf und runter besprochen wurde. 4100 waren es, um genau zu sein. Die Prognose sei erlaubt: Dieses Mal werden es deutlich mehr sein.
„Die Neue Sachlichkeit. Ein Jahrhundertjubiläum“, Kunsthalle Mannheim, bis 9. März 2025; „Neues Sehen, Neue Sachlichkeit und Bauhaus“, Staatsgalerie Stuttgart, bis 23. Februar 2025
STARKE FRAUEN
Auch wenn in der ersten Ausstellung 1925 keine Künstlerin vertreten war, spielten Frauen eine große Rolle. Von o. n. u.: Aenne Biermann „Kind mit Tasse (Magdalene Engels)“, um 1930, Hannah Höch „Gläser“, 1927, Barbora Didziokiene, „Selbstporträt“, 1933-1967 – ab Ende April 2025 im Museum Gunzenhauser in Chemnitz ausgestellt. Li.: Die „Tennisspielerin“ ,1929, von Lotte Laserstein, unlängst zu sehen im Wiener Leopold Museum
ESSENZ DER EMOTION
Die niederländische Fotokünstlerin Rineke Dijkstra schafft beeindruckende Bilderserien und Videoarbeiten, die in ihrer Authentizität das Genre des Porträts neu interpretieren. Große Ausstellungen in Berlin und Frankfurt/M. stellen nun ihr Werk umfassend vor
Etwas Eigenartiges passiert, steht man vor den großformatigen „Beach Porträts“ von Rineke Dijkstra aus dem Jahr 1992. Die Bilderflut, der wir im Social-Media-Zeitalter heute ununterbrochen ausgesetzt sind, scheint für einen Moment innezuhalten und schafft Platz für ein Gefühl, das wir beim Betrachten von Bildern junger Menschen weitgehend verloren haben: Empathie und Teilnahme, statt Meinung und Bewertung.
Da ist zum Beispiel dieses Mädchen mit dem grünen Badeanzug an einem polnischen Strand. Ihre Hüfte hat sie leicht nach rechts geschoben, ihren Kopf nach links, es ist keine Haltung, die man stundenlang vor dem Spiegel übt. Mit ihren dunkelblauen Augen schaut sie direkt in die Kamera. Sie strotzt dabei nicht vor Selbstbewusstsein, strahlt aber auch keine große Unsicherheit aus. Das Foto zeigt einen schwer zu fassenden Zustand – die Verletzlichkeit, ein junger Mensch zu sein.
„Wenn ich Porträts anfertige, versuche ich immer die Komplexität des Menschen zu erfassen“, erklärt Rineke Dijkstra. Die Personen auf ihren Bildern sind für sie immer auch Symbole
einer Epoche, eines Lebensgefühls oder einer Phase des Wandels. Dieses Allgemeine versuche sie festzuhalten, zugleich aber auch das Spezifische jedes Individuums. Am Tag unseres Interviews trägt Dijkstra, die oft lange nach den richtigen Worten sucht, ihre langen, braunen Haare offen. Streng und glatt hinter die Ohren gekämmt, von wo aus sie wie ein wilder Fluss über die Schultern strömen. Ein zufälliges Sinnbild für das Spannungsfeld, in dem sich die niederländische Fotokünstlerin auch bei ihrer Arbeit bewegt. Auf der einen Seite ist sie Perfektionistin, auf der anderen sucht sie stets nach Authentizität, will Raum für das Unvorhersehbare lassen.
Beim Malen könne man sich Zeit nehmen und alles kontrollieren. Die Stärke der Fotografie aber sei es, dass alles in einem Moment zusammenkommen müsse, sagt Dijkstra. „Man kann bestimmte Dinge kontrollieren, aber die Magie entsteht im Zufall.“ Der scheinbare Gegensatz zwischen perfekter Bildkomposition und den ungestellt wirkenden Menschen macht ihre Fotos so einmalig. Sie hinterlassen beim Betrachter zarte Spuren wie die Abdrücke der
Kinderfüße im Sand der „Beach Portraits“. Man möchte die jungen Heranwachsenden fragen: Was beschäftigt dich? In welcher Welt wirst du groß? Was für ein Mensch willst du einmal sein?
Auch wenn sie heute längst mit beiden Beinen im Leben stehen.
DIE SUCHE NACH Authentizität ist das große Leitmotiv in Rineke Dijkstras Werk. Nach ihrem Studium an der Gerrit Rietveld Kunstakademie in Amsterdam arbeitete die Fotografin, 1959 in Sittard geboren, zunächst auf Auftragsbasis. 1991 nahm sie sich eine Auszeit, um darüber nachzudenken, an welch größerem Projekt sie als Künstlerin arbeiten könnte. Während dieser Zeit hatte sie einen Unfall mit dem Fahrrad, brach sich die Hüfte und war fortan ans Bett gefesselt. Zur Rehabilitation musste sie täglich schwimmen gehen. Nach einem Training stellte sie sich selbst im Badeanzug vor die Kamera. Erst im Zustand der Erschöpfung, so empfand sie es, konnte ein authentisches Bild von ihr entstehen. Gedanklich kehrt sie mit dem Bild auch an die Orte ihrer Jugend zurück: „Ich bin in der Nähe der Küste aufgewachsen. Für die Beach-Serie probte
ich zuvor mit meinen Eltern und Freunden“, erinnert sie sich. Das Selbstporträt war das, wonach sie monatelang gesucht hatte. Aus ihm entstand die Idee für ihre erste freie Arbeit „Beach Porträts“, jene Serie, die ihr weltweite Aufmerksamkeit einbringen sollte. In Frankfurt zeigt das Städel Museum aktuell 21 Bilder aus der Beach-Porträts-Serie, zudem das Selbstporträt der Künstlerin im Schwimmbad und auch drei Werke der Reihe „Street“. Anlass der Ausstellung war der Ankauf des Motivs „Odessa, Ukraine, August 7, 1993“ für die Sammlung des Museums. Bis 1998 hatte Dijkstra für die Serie Jugendliche vor der Kulisse des Meeres fotografiert, an Stränden in den Niederlanden, den USA, Polen, der Ukraine, Belgien, Kroatien, Gabun und England. Schaut man bewusst nicht auf die Titel der einzelnen Werke, die immer auch den Ort verraten, vergisst man schnell, dass zwischen den einzelnen Stränden und Porträtierten oft Tausende Kilometer liegen. Das pure, konzeptionell klare Setting aus Strand und Meer lenkt den Blick auf die Menschen. Auf die Teenager und Kinder, auf ihre
Gesichter, Körperhaltungen und Strandbekleidungen, auf die einfachen Codes komplexer Leben. Die Strandporträts suggerieren dabei eine große Entspannung und Ruhe. Das täuscht aber, wie Rineke Dijkstra lächelnd einräumt. In Polen etwa bildete sich schnell eine Menschentraube um sie, die dem Shoot voller Neugier beiwohnte.
DIE LEUTE, DIE sie fotografiert, müssen stets lange posieren. Dijkstra macht zunächst Polaroids, die sie sich gemeinsam mit den Porträtierten ansieht. Erst dann kommt es zum tatsächlichen Fotografieren.
„Diese gemeinsame, intensive Erfahrung baut eine kurze Beziehung auf“, sagt die Künstlerin. In Kontakt bleibe sie mit den Menschen nur in wenigen Fällen. Aber letzten Sommer, da habe sie eine E-Mail bekommen von dem Mädchen aus Polen im grünen Badeanzug. Es ist bis heute eine ihrer berühmtesten Arbeiten. Ihre Tochter sei nun genauso alt wie sie damals als Mädchen auf dem Bild und wolle Kunst studieren. „Das Problem ist“, sagt die Fotografin, „dass ich eine jahrelange Beziehung zu den Bildern habe, aber nicht zu den Menschen, die darauf sind.“ Als sie die E-Mail gelesen habe, habe sie fast geweint, so berührt war sie. Nach kurzer Korrespondenz entschied sie, nach Polen zu fahren und die Familie zu besuchen. „Ich habe ein Familienporträt gemacht und es ihnen gerahmt geschickt. Die Begegnung war etwas ganz Besonderes für mich.“
Mit ihrer 4x5-Zoll-Großformat-Plattenkamera porträtiert Dijkstra Personen rund um den Globus. Sie sucht dabei, sagt sie, nach dem Kern des menschlichen Seins. Auffällig an ihren Bildern ist die Detailtreue, die
das große Format mit sich bringt, und der langwierige Prozess der Herstellung. Am liebsten arbeite sie allein, erzählt sie, und habe deswegen nur so viel Equipment, wie sie selbst tragen könne. Die Platten, die den analogen Film beinhalten, sind in Kassetten gefasst. 40 Bilder am Tag kann sie machen, mehr nicht. Während die Kamera auf einem Stativ steht, arbeitet sie nur mit einem kleinen Blitz, versucht, das Licht so natürlich wie möglich zu halten. Während der Vorbereitung komme sie mit ihrem Gegenüber ins Gespräch, über dessen Leben oder auch nur, wie der Tag sich bisher anfühlt. Und mit jedem Moment des Miteinanders würden sich die Personen mehr entspannen und aus Posen natürliche Haltungen werden. „Sie werden sich und der Kamera immer unbewusster“, beschreibt es Dijkstra. Sie versuche nicht zu dirigieren oder in die Haltungen einzugreifen. So bildet sich die Magie, die ihre Bilder ausmacht.
Um diese kostbaren Momente zu schaffen, begegnet Dijkstra allen Modellen mit der gleichen aufwändigen Zugewandtheit. Seit 1992 entstanden auf diese Weise verschiedene Serien, von denen manche bis heute nicht abgeschlossen sind.
„Almerisa“ (1994-2008) ist eine Serie über ein gleichnamiges Mädchen, das Dijkstra 1994 erstmalig in einer Geflüchtetenunterkunft in den Niederlanden fotografierte. Die damals Sechsjährige war nach Ausbruch des Jugoslawienkrieges mit ihrer Familie aus Bosnien geflohen. Alle zwei Jahre trafen Dijkstra und Almerisa sich und jedes Mal entstand ein in der Komposition ähnliches Bild: Almerisa auf einem Stuhl sitzend in der Kleidung, in der sie sich zu diesem Zeitpunkt am besten gefiel. Über eine Spanne von 15 Jahren sehen
wir, wie aus dem Mädchen eine junge Frau und schließlich selbst eine Mutter wird. Und aus dem Kind in unsicheren Verhältnissen eine selbstbewusste, angekommene Frau.
Es sind solche Zeiten des Wandels, die Rineke Dijkstra besonders faszinieren – Erwachsenwerden, gesellschaftliche Anpassung, extreme emotionale Momente. Für „New Mothers“ (1994) fotografierte sie Mütter mit ihrem ersten Kind, direkt nach der Hausgeburt. Vor den Wänden ihres Zuhauses, nackt, mit dem Neugeborenen im Arm. Einer Frau läuft noch Blut am Bein herunter. Dijkstra sagt, sie wollte anhand dieser intimen Fotos die Essenz von Emotionen einfangen: „Es war ein Experiment, ob es möglich ist, gegensätzliche Emotionen in einem Portrait darzustellen: die Erschöpfung und die Erleichterung, das Glück und den Stolz über die Erfahrung der ersten Geburt.“
Für „Bullfighters“ (1994 und 2000) wiederum porträtierte sie vier portugiesische Stierkämpfer, genannt Forcados, direkt nach ihrem jeweiligen Auftritt. Die Männer sind erschöpft und stolz, ihre Krawatten hängen schief und die traditionellen Sakkos haben Risse. Blut klebt ihnen an Haut und Kleidung. Nebeneinander gestellt erzählen beide Serien davon, was es heißt, in bestimmten Gesellschaften ein Mann oder eine Frau zu sein und den Gefühlen, die das mit sich bringt.
„2025 WIRD DAS JAHR der Rineke Dijkstra in Deutschland“, sagt Thomas Köhler. Der Direktor der Berlinischen Galerie hat für sein Haus „Rineke Dijkstra: Still — Moving, Portraits 1992 –2024“ kuratiert, eine Retrospektive, die alle wichtigen Werkserien und Videoinstallationen der Künstlerin zeigt. Einen Fokus legt Köhler auf die Jahre
1998 bis 2000, die Dijkstra im Rahmen des DAAD-Künstlerprogramms in Berlin verbrachte. „Das war eine ganz besondere Zeit für mich, nach dem Fall der Mauer war die Stadt noch im Umbruch“, erinnert sich Dijkstra, von der in dieser Schau auch bislang unveröffentlichte Arbeiten gezeigt werden. In diesen Jahren entstanden zum Beispiel die ersten Bilder für die Serie „Parks“ (1998-2006). Dijkstra fotografierte dafür Jugendliche im Berliner Tiergarten, wobei es sie besonders faszinierte, wie diese, in all ihrer Verletzlichkeit, gerade in den künstlich angelegten Grünflächen zur Ruhe kommen. Zum Ende unseres Gespräches ist Rineke Dijkstra sich unsicher, ob sie sich gut genug erklärt hat. Aber vielleicht muss sie das garnicht. Gefühle ließen sich schon immer besser in Bildern als mit Worten festhalten. Auch deswegen entschied sie sich dazu, nie viel über die Menschen zu sagen, die sie porträtierte. „Es ist nicht nur die Kleidung, die sie tragen, nicht nur ihre Umgebung, ihr Blick oder die Art, wie sie stehen, die Komplexität des Bildes ergibt sich aus dem Zusammenspiel all dieser Elemente“, setzt sie zu einem letzten Erklärungsversuch an.
Berlinische Galerie
Still — Moving. Portraits 1992 – 2024, Bis 10. Februar 2025
Städel Museum
Beach Portraits, Bis 18. Mai 2025
Galerie Max Hetzler
Bis 21. Dezember 2024
AUF ALLEN BÜHNEN
Zeichnungen, Filme, Theater, Oper, Skulpturen und Schöpfungen, für die es noch nicht mal eine Kategorie gibt: William Kentridge ist ein Universalkünstler, der Persönliches mit gesellschaftlicher Relevanz verbindet
Von Ulrich Clewing
EEs sind die Lautsprecher, sie sind auf vielen dieser Zeichnungen. Es gibt sie auch als Skulpturen, dann stehen sie auf Menschenbeinen wie bei der mannshohen Arbeit „Apron“ („Schürze“) aus dem Jahr 2023. Sie sehen aus wie die Dinger, die man Flüstertüten nennt, obwohl die doch alles andere als leise sind. Sie haben etwas Altmodisches, und sie wirken bedrohlich böse. Und manchmal ist da dieser korpulente Mann, der in sich gekehrt, die Arme auf dem Rücken, in Gedanken versunken zu sein scheint. Er trägt Pantoffeln, einen Hut und ist ansonsten nackt. Rechts unten liest man den Satz „How can one be warm alone”, dieses Blatt ist Teil eines der animierten „Studio Life“Filme – und der dicke Mann mit Hut ist womöglich William Kentridge selbst.
DER SÜDAFRIKANER gehört zu den bekanntesten Künstlern der Gegenwart. Er war zweimal eingeladen zur Documenta in Kassel (1997 und 2002), hat 2003 den Goslaer Kaiserring verliehen bekommen, 2019 den hochdotierten Praemium Imperiale der Japan Art Association und jüngst den internationalen Folkwang-Preis.
Kentridge hat seine Werke auf der Biennale von Venedig und auf der Istanbul-Biennale präsentiert, er hatte Ausstellungen in Museen vom Louvre bis zur Pinacoteca do Estado de Sao Paulo, vom MoMA und dem Metropolitan Museum in New York über das Israel Museum in Tel Aviv bis zum National Museum of Modern Art in Kyoto.
Künstler, die in dieser Liga spielen, kalkulieren das Risiko anzuecken oft sehr genau – so richtig verderben will man es sich ja mit niemandem. Bei William Kentridge ist das anders. Seit er in den Achtzigerjahren international bekannt wurde, macht er es seinem Publikum nicht leicht. Viele seiner filmischen Arbeiten kreisen um das Leben in seiner Heimat Südafrika. Dabei vermeidet er krude Anklagen ebenso wie „unpolitische“ verharmlosende Beschönigungen. Aber was immer mitschwingt, ist das Leben und das Nachleben der Apartheidpolitik des Landes, ist das Ausgesetztsein von Propaganda und Ungerechtigkeiten aller Art.
Durchweg etwas Düsteres haben die Zeichnungen, aus denen er seine Animationen baut, und das nicht nur, weil er für sie Kohlestifte verwendet. An eine Mischung aus einer sich streckenden Katze und einer Panzersperre erinnert etwa eine Bronzeplastik wie „Stroke“ von 2023. Auch die bunten, abstrakten, wie übergroße Collagen erscheinende Figuren der Serie „Paper Procession III“, die im selben Jahr entstand, sind irrlichternd beschädigt, deformiert, gequält. Die heile Welt, sie ist bei Kentridge nicht zu haben. Und auch die Bialetti, Ikone der italienischen Kaffeekultur, wird unter seiner Hand zu einem Objekt, das eher an die Postapokalypse als an einen Espresso denken lässt („Pour“, 2020).
Es muss kein Widerspruch sein, dass es Kritikerinnen und Kuratoren gibt, die William Kentridge bei seinen Erzählungen der „großen Tragödien der Geschichte“ eine „Leichtigkeit“ attestieren, welche das Dargestellte fast konterkariert – das liegt nicht an den Inhalten, sondern an der Form: ein Animationsfilm ist immer etwas offensichtlich Handgemachtes. Häufig sieht man sogar Kentridges Hände im Bild, wenn er einzelne Zeichnungen vor sich hinlegt und bewegt oder ein Buch auf einer bestimmten Seite offen hält. Das kann auf den ersten Blick erheiternd sein, aber den Zwischentönen und Ambivalenzen entkommt man nicht lange.
Bei William Kentridge ist das Familientradition. Wegsehen, das Offenkundige ignorieren, bei Eltern wie seinen war das schlecht möglich. Er wurde 1955 in Johannesburg als Sohn von Felicia und Sidney Kentridge geboren. Sydney Kentridges jüdische Familie stammte ursprünglich aus Litauen, die Mutter von Felicia war
die erste in Südafrika zugelassene Rechtsanwältin. Sie und Sidney wurden ebenfalls Rechtsanwälte, Sidney verteidigte ab 1958 im so genannten Hochverratsprozess südafrikanische Oppositionelle und erreichte für Nelson Mandela und siebzig weitere Angeklagte 1961 Aufsehen erregende Freisprüche. Felicia gründete 1978 mit dem Mandela-Vertrauten Arthur Chaskalson in Johannesburg das Legal Ressources Centre, wo sie sich auch dann noch für die Wahrung der Menschenrechte in Südafrika einsetzte, als sie und Sydney längst in London lebten. William Kentridge selbst studierte in den Siebzigerjahren zunächst Politik und Afrikanistik in Johannesburg. Anschließend besuchte er die Kunstschule Art Foundation, bevor er Anfang der Achtzigerjahre an die École internationale de théâtre Jacques Lecoq in Paris ging. Danach arbeitete er eine Zeitlang als Regisseur, Schauspieler und Designer. Eine Tätigkeit parallel zu der als Künstler, die er erneut aufgriff, als er anfing, zusammen mit der Handspring Puppet Com-
pany aus Kapstadt Stücke zu inszenieren wie etwa 1997 „Ubu And The Truth Commission“ auf dem Kunstfest Weimar. Seitdem hat Kentridge immer wieder Theaterstücke und Kammeropern auf die Bühne gebracht, zum Beispiel 2015 mit Luc de Wit Alban Bergs Oper „Lulu“ in Amsterdam, 2016 „Triumph and Laments“ in Kooperation mit Thuthuka Sibisi auf der Piazza Tevere in Rom oder drei Jahre darauf, wieder in Rom, „Waiting For The Sybil“ am Teatro dell’ Opera, eine Ko-Produktion mit Nhlanhla Mahlanbu.
Seit vielen Jahren unterhält Kentridge, der Kosmopolit aus Johannesburg, auch enge Beziehungen zu Kulturinstitutionen in Deutschland. Zu seinem 70. Geburtstag am 28. April 2025 widmen ihm das Folkwang Museum in Essen und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in einer bis dahin beispiellos engen Zusammenarbeit eine große Retrospektive in mehreren Akten. „William Kentridge gelingt es, relevante gesellschaftliche Fragen auf eine ausgesprochen kunstfertige Weise anzu-
sprechen. Er ist dabei weder belehrend, noch ein Agitator, das macht ihn für mich als Künstler so besonders“, sagt Tobias Burg, Leiter der Grafischen Sammlung am Folkwang Museum und einer der Kuratoren der in zahlreiche Kapitel unterteilten Schau.
AB ANFANG SEPTEMBER wird in Essen der Teil der Multi-Ausstellung „Listen To The Echo“ zu sehen sein, der sich auf die Zeichnungen, Skulpturen und die animierten Kurzfilme des südafrikanischen Künstlers konzentriert. Seine Inszenierungen für das Musiktheater werden in Mehrkanal-Projektionen präsentiert, die Architektur der ungefähr 1400 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche steuert die international gefragte belgische Bühnenbildnerin und KentridgeVertraute Sabine Theunissen bei. „Wir wollen vor allem jüngere Arbeiten zeigen“, sagt Burg, „und darunter speziell solche, die sich mit dem kolonialen Erbe des Ruhrgebiets und der Geschichte der Stadt Essen verbinden lassen, etwa mit dem Aufschwung und Niedergang der
Montanindustrie.“ Ebenfalls in „Listen To The Echo“ will Burg exemplarische Werke aus der ständigen Sammlung integrieren, Gemälde und Skulpturen von Max Beckmann oder El Lissitzky, um deutlich zu machen, an welchen Vorbildern sich Kentridge bei seinen eigenen Arbeiten orientierte, wenn man das bei einem so eigenständigen Künstler überhaupt sagen kann.
Auch in Dresden werden bei dieser Retrospektive Werke ausgestellt, die einen spezifischen Bezug zu den Orten des Geschehens haben. Das Kupferstichkabinett im Residenzschloss wird einen umfassenden Überblick über die Druckgrafik Kentridges geben. Im Albertinum will man die großformatigen Entwürfe zum Dresdner „Fürstenzug“ von 1968 bis 1872 mit der monumentalen Panoramaprojektion „More Sweetly Play The Dance“ kombinieren.
Vor acht Jahren gründete Kentridge in Johannesburg das interdisziplinäre Kunstzentrum mit dem ironischen Namen „Centre For The Less Good Idea“. Dessen Team werden
die Staatlichen Kunstsammlungen einladen, die Jahresausstellung im Kraftwerk Mitte zu kuratieren. Für die künstlerischen Interventionen will man auch auf historische Puppen der rund 50.000 Figuren zählenden Dresdner Puppentheatersammlung zurückgreifen, die auf dem Areal des Kraftwerks in diesem Herbst eine neue Heimstatt gefunden hat. „Wir möchten“, sagt Mailena Mallach vom Dresdner Kupferstichkabinett und wie Tobias Burg eine der Ko-Kuratorinnen der Retrospektive, „in ihr das Kooperative und Prozesshafte widerspiegeln, das wir im Werk von William Kentridge vorfinden.“ Eine Schau gleichzeitig in zwei Städten und an vier Orten, das klingt wie etwas, das der Vielfalt im Schaffen von William Kentridge gerecht wird.
William Kentridge, „Listen to the echo“, Ausstellungsfestival im Museum Folkwang in Essen und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden von September 2025 bis Januar 2026
Der Aufstand
der deutschen Bauern
Wie künstlerisch fruchtbar und spannungsreich die Sicht auf den Bauernkrieg 1525 in Ost und West heute noch ist, zeigen zwei große Landesausstellungen im Jubiläumsjahr
Von Ralph Gerstenberg
Als frühbürgerliche Revolution wurde der Bauernkrieg in der DDR angesehen, deren freiheitliche Ideale sich im Arbeiter- und Bauernstaat endlich erfüllt hatten. Das Konterfei des Theologen und Reformators Thomas Müntzer, der sich dem Bauernheer anschloss und am 27. Mai 1525 nach der Schlacht bei Frankenhausen als geistiger Führer der aufmüpfigen Bauernschaft enthauptet wurde, zierte die Fünf-Mark-Banknote der DDR. Eine tragische, quasi präkommunistische Lichtgestalt und eine blutig niedergeschlagene Revolution – zirka 6000 Bauern ließen auf dem thüringischen Schlachtfeld ihr Leben – , das war das Narrativ, das die SED-Führung zu einem künstlerischen Großprojekt inspirierte. Ein monumentales Schlachtengemälde sollte entstehen, das die historischen Ereignisse heroisierte. Vorbild dafür war ein russisches Panoramabild der Schlacht bei Borodino, das 1962 in einem eigens dafür erbauten Panoramamuseum in Moskau untergebracht worden war.
Mindestens ebenso gigantisch sollte das Bauernkriegspanorama auf dem Schlachtenberg bei Bad Frankenhausen werden. 1972 wurde das Projekt in Auftrag gegeben. 1975, zum 450. Jahrestag des Bauernkrieges, waren der Rundbau, der das 123 Meter lange und 14 Meter hohe Monumentalgemälde beherbergen sollte, sowie das Eingangsgebäude fertiggestellt. Allein ein Künstler fehlte den Auftraggebern. „Man hat wohl zuerst mit Bernhard Heisig und auch mit Wolfgang Mattheuer
BAUERNKRIEG
gesprochen, die dankend abgelehnt haben“, erzählt Silke Krage, Leiterin für Museumsmanagement / Fachwissenschaft des Panorama Museums. „Und irgendwann kam dann Werner Tübke ins Gespräch.“
Tübke, dessen eigener Malstil sich eher an Alten Meistern wie Albrecht Dürer, Lucas Cranach und Pieter Bruegel orientierte, als am sozialistischen Realismus, sagte schließlich zu –allerdings zu seinen Bedingungen. Keine ideologisch gefärbte Staatskunst wollte er schaffen, sondern das zeitlose Porträt einer Epoche: der Renaissance. Mit zahlreichen Helfern arbeitete er zwischen 1976 und 1987 an seinem apokalyptischen „Welttheater“, das er mit über 3000 Figuren in Szene setzte. Noch heute seien die Menschen beeindruckt von der künstlerischen Wucht, den Details, der Farbigkeit, der Lichtinszenierung, wenn sie vor dem monumentalen Werk stehen, sagt Silke Krage, die schon zur feierlichen Eröffnung 1989, kurz vor dem Mauerfall, im Panorama Museum beschäftigt war.
Nach der deutschen Einheit gab es mehrfach Bestrebungen, das Museum zu schließen. DDR-Auftragskunst stand unter dem Verdacht, ideologisch kontaminiert zu sein. Doch der Besucherstrom hielt an. „Und wie hätte ein Kunstwerk von diesen Dimensionen anders entstehen sollen als mit einem Staatsauftrag?“, fragt Silke Krage. „Auch die Sixtinische Kapelle in Rom war ein Auftragswerk.“
2025 ist die „Sixtina des Nordens“, wie sich das Museum inzwischen selbstbewusst nennt, Teil der großen Thüringer Landesausstellung „freiheyt 1525 –500 Jahre Bauernkrieg“. Dann werden auf dem Schlachtenberg bei Bad Frankenhausen die historischen Vorlagen, Holzschnitte
und Flugblätter, zu sehen sein, die Werner Tübke bei der Arbeit am Panoramabild verwendet hat, um sich die vergangene Epoche zu vergegenwärtigen.
Ein weiteres Zentrum des Bauernkrieges befand sich im heutigen Baden-Württemberg. Vor fünfhundert Jahren besetzten und plünderten die aufständischen Bauern dort Burgen und Klöster, zum Beispiel das Kloster Schussenried in der Nähe von Biberach. Als Teilprojekt der Großen Baden-Württembergischen Landesausstellung wird dort die Präsentation „Uffrur! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ zu sehen sein, die die historischen Ereignisse im gesamten Südwesten Deutschlands mit zirka 200 Exponaten beleuchtet. Zentrales Objekt der Ausstellung sei die „Weißenauer Chronik“, erklärt
Nach jahrelangen Vorarbeiten setzte der Maler Werner Tübke am 16. August 1983 den ersten Pinselstrich auf die gigantische Leinwand. Sechs Jahre später war das gewaltige Kunstwerk in Bad Frankenhausen vollendet. Anfänglich als reines Schlachtenpanorama geplant, wurde das Monumentalgemälde „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ dank Tübkes Schöpferkraft zur metaphorischen Interpretation einer ganzen Epoche.
Als der Deutsche Bauernkrieg 1524/25 im Südwesten Deutschlands ausbrach, schuf der Abt Jakob Murer ein eindrückliches Zeitdokument. Seine „Weißenauer Chronik“ beschreibt den Krieg in der Gegend von Ravensburg in 11 doppelseitigen Federzeichnungen. Sie illustrieren die Geschehnisse, wobei oft mehrere, räumlich getrennte Ereignisse in einem Bild dargestellt werden.
der Kurator Marco Veronesi. „Sie beschreibt die Geschehnisse im Kloster Weißenau, unweit von Ravensburg, anhand von elf Federzeichnungen. Das heißt, wir haben hier die Dynamik der Ereignisse im Bild.“
Ergänzt werden die Exponate durch acht Protagonisten des Bauernkrieges, die „mittels Künstlicher Intelligenz zum Leben erweckt“ werden. Neben Götz von Berlichingen und Georg von Waldburg-Zeil, der wegen seines brutalen Vorgehens gegen die Bauern den Beinamen „Bauernjörg“ erhielt, wird auch der Maler Jerg Ratgeb für die Ausstellung digital animiert. Ratgeb, der bedeutende Werke wie den „Herrenberger Altar“ schuf, verhandelte als Rat der Stadt Stuttgart mit den aufständischen Bauern, die ihn schließlich zum Kriegsrat und Kanzler wählten. Nach der Niederschlagung des Aufstands wurde er des Verrats
bezichtigt und zum Tode verurteilt. Marco Veronesi sieht in ihm eine tragische Figur, jedoch keinen Revolutionär, wie es die DDR-Historiker getan haben. „Man wollte ihn als Revolutionär sehen, aber es gibt tatsächlich wenig Anhaltspunkte dafür.“
Auch Werner Tübke hat Jerg Ratgeb in seinem Panorama porträtiert. Indem er ihn zwischen Tilman Riemenschneider und Albrecht Dürer platzierte, würdigte er ihn ebenfalls vor allem als Künstler, nicht als Revolutionär. Wie spannend und spannungsreich die Sicht auf den Bauernkrieg in Ost und West heute noch ist, kann man in den beiden großen Landesausstellungen sowie in verschiedenen Einzelausstellungen zum Jubiläumsjahr herausfinden. Auch ein Gegenwartsbezug wird sich leicht herstellen lassen, denn soziale Ungleichheit und der Kampf um Freiheits- und Menschenrechte prägen auch unsere unruhigen Zeiten.
Service
FREYHEYT 1525
Thüringen war Schauplatz eines entscheidenden Wendepunktes des Aufruhrs und finaler Wirkungsort des radikalen Reformators Thomas Müntzer. Daran erinnert die Thüringer Landesausstellung in Mühlhausen – Müntzers letztem Wirkungsort als Prediger – und in Bad Frankenhausen.
DER WELT LAUF
Die kunsthistorische Betrachtung der zeitgeschichtlichen Quellen und deren künstlerischer Verarbeitung durch Werner Tübke in seinem monumentalen Epochengemälde bilden das Zentrum der Ausstellung „Der Welt Lauf“ im Panorama Museum in Bad Frankenhausen vom 11. Mai bis 11. August 2025.
GERECHTIGKEYT 1525
Mit einer dezentralen Landesausstellung unter dem Titel „Gerechtigkeyt 1525“ erinnert auch Sachsen-Anhalt an die Aufstände vor 500 Jahren und ihre Auswirkungen. Höhepunkte sind Ausstellungen im Kunstmuseum Moritzburg in Halle sowie Veranstaltungen im Mansfelder Land.
UFFRUR!
Als Teil der Großen Landesausstellung des Landesmuseums Württemberg erzählt die Ausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ von den Ereignissen im deutschen Südwesten. Die Schau ist vom 26. April bis 5. Oktober 2025 im oberschwäbischen Kloster Schussenried zu sehen, das selbst Schauplatz der Ereignisse war: Im März 1525 wurde es von Bauern besetzt und geplündert.
Semperoper Dresden
Stell dir vor, Fantasie istdas Auge derSeele.
Sergej Prokofjew
Die Liebezuden drei Orangen
7.12.2024
Maurice Ravel
Das Kind undder Zauberspuk
16.2.2025
John Neumeier Nijinsky
24.1.2025
Mahler-Zyklus mit Chefdirigent
Daniele Gatti
Februar bis Juni2025
Oper &mehr
Kaija Saariaho Innocence
15.3.2025
CharlesGounod Roméo et Juliette
3.5.2025
Ballett
Julian Nicosia
Francesca Frassinelli
Giovanni Insaudo TagTeam
1./11./23.4.2025
Highlights
Programm zu 40 JahreWiederaufbau
Semperoper Dresden
Februar 2025
Alle Termine finden Sieauf semperoper.de
LeonardBernstein Candide 11.5.2025
GeorgFriedrichHändel Saul 1.6.2025
Sidi LarbiCherkaoui Imre&Marne vanOpstal Vice Versa
28.6.2025
Extras zu 200Jahre
Semperoper Ballett
März &April 2025
Grund zum Feiern Doppelt
AAufenthaltsqualität und Offenheit, das wird vom Museum der Zukunft gefordert. Die früher gern elitären Kunstburgen sollen ein breites Publikum ansprechen, und oft folgt dann der Wunsch, mitten in der Stadt präsent zu sein. Dort, wo die Menschen sowieso schon sind. Für das Kunstmuseum Stuttgart ist das seit 20 Jahren Realität. Man könnte auch sagen, 2005 hat mit der Eröffnung des Neubaus schon die Zukunft begonnen.
Wer von der pulsierenden Königstraße kommt, stolpert am Schlossplatz fast ins Gebäude oder zumindest ins Café. Scheint die Sonne, sind die Tische vor dem Museum schnell belegt. Hemmschwellen gibt es nicht, denn die transparente Hülle hat etwas Vermittelndes. Was einen drinnen erwartet, ist draußen schon auszumachen. Und selbst aus der Ferne wird sofort klar, wer im gläsernen Würfel gerade die Hauptrolle spielt – es steht in riesigen Lettern an der Fassade.
Sarah Morris nimmt mit ihren farbstarken geometrischen Abstraktionen derzeit drei Etagen ein. Das ist eine komfortable Situation und geht auf eine simple wie stupende Einteilung zurück: Der Kubus ist den Sonderschauen vorbehalten, während sich die ständige Kollektion in den Weiten des Parterres und im Untergrund erschließt. Das sind rund 80 Prozent der 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, die
Dimensionen lassen den stillgelegten Autotunnel noch erahnen. Zum 20-Jährigen des Neubaus werden sämtliche fünf Stockwerke neu bespielt, denn es gibt ein zweites Jubiläum: Vor 100 Jahren wurde die Städtische Sammlung gegründet.
Über 50 Gemälde wurden am 28. Mai 1925 erstmals in den Meistersälen der Villa Berg ausgestellt. Der Marchese Silvio della Valle di Casanova hatte der Stadt seine Sammlung schwäbischer Impressionisten vermacht, mit der Bitte, sie öffentlich zu präsentieren. Aus diesem Anlass wurde die Villa Berg, die einstige königliche Sommerresidenz, zur „Städtischen Gemäldesammlung“ umfunktioniert. Mit einer schönen Begleiterscheinung: In der Folge wurde jährlich eine feste Summe zur Verfügung gestellt, um Werke zeitgenössischer Künstler der Region zu erwerben. Und diese Verbindung zur Stadt und zum gegenwärtigen Kunstschaffen bestimmt bis heute die Ankaufspolitik.
Während in einigen deutschen Häusern die Übergänge nach 1945 mehr oder weniger „fließend“ waren, gab es in Stuttgart eine deutliche Zäsur. Oder besser: eine lange Durststrecke. Denn nach der Zerstörung der Villa Berg im Zweiten Weltkrieg, bekam die Sammlung 1945 zwar mit Eugen Keuerleber einen jungen neuen Direktor, doch erst 1961 als „Galerie der Stadt Stuttgart“ auch eine neue Bleibe im Kunstgebäude am Schlossplatz, nur einen Steinwurf vom heutigen Museum entfernt.
In diesem Umfeld konnte die Städtische Sammlung auch ihr Profil schärfen. Keuerleber hat damit begonnen, die Moderne zurückzuholen, kaufte Werke von Adolf Hölzel und Willi Baumeister, von Ida Kerkovius sowie den Bauhaus-Lehrern Oskar Schlemmer und Johannes Itten.
Die Galerie gewann bald ein internationales Ansehen, zudem gelang es Keuerleber, Otto Dix in die Sammlung zu holen. Das war sicher sein größter Coup. Denn durch die intensive Kontaktpflege am Bodensee befindet sich in Stuttgart die mit Abstand umfangreichste Werksammlung: mit der „Prager Straße“, die zwei zum Betteln verdammte Kriegsversehrte zeigt, mit dem eindrucksvollen „Großstadt“-Triptychon oder der längst zur Ikone avancierten Anita Berber im hautengen roten Kleid.
Eine entscheidende Prägung hat die Sammlung durch Johann Karl Schmidt seit 1986 erfahren. Er konzentrierte sich auf die Malerei im Südwesten, beginnend mit den 1950er-Jahren. Das betraf etwa die Karlsruher Schule um die bewusst Figurativen wie HAP Grieshaber, dessen Schüler Horst Antes oder Walter Stöhrer, aber genauso das Informel mit K. R. H. Sonderburg und Peter Brüning. Ein besonderes Faible hatte der Direktor für den herrlich widerspenstigen Dieter Roth mit seiner Eat-Art – dazu gehört auch ein „Stuttgarter Fernsehturm“ aus gestapelten Holzvitrinen voll gammliger Schokolade – und für den minimalistischen Asketen Wolfgang Laib.
Solche Schätze verlangen freilich nach einem adäquaten Ort der Präsentation. Kurz vor der Jahrtausendwende hat das die Entscheidung für einen Neubau noch einmal forciert, und mit dem Entwurf der Berliner Architekten Hascher und Jehle begann für das Kunstmuseum Stuttgart wieder eine neue Ära – nun eine weithin sichtbare. Zumal der gläserne Kubus, der einen Kalkstein-Würfel umschließt, nach Einbruch der Dunkelheit auch noch betörend leuchtet und schnell zu einem Wahrzeichen der Stadt wurde.
Oben: die „Doppelkäseplatte“ von Dieter Roth, um 1968, re.: Anton Stankowskis „SEL-Zeichen“ aus dem Jahr 1958. Vorige Seite: Das „Bildnis der Tänzerin Anita Berber“, 1925, von Otto Dix ist eine Leihgabe der Sammlung LBBW im Kunstmuseum Stuttgart.
Denn seit seiner Eröffnung 2005 ist das Haus in der Beliebtheit kontinuierlich gestiegen. Und durch Marion Ackermann, die zwei Jahre zuvor das Ruder übernommen hatte, sind die Schwerpunkte weiter betont worden. Das betrifft den zentralen Otto Dix und die Neue Sachlichkeit, die regelmäßig für Besucherrekorde sorgen. Man pflegt aber genauso die Konkrete Kunst, die durch die Sammlung Teufel 2009 einen hochkarätigen Zuwachs erhalten hat, sowie die Nähe zur Angewandten Kunst.
Überhaupt denkt man am Haus interdisziplinär. Das unterstreicht gerade auch Ulrike Groos, seit 2010 Direktorin, die regelmäßig die Musik in ihre Konzepte integriert. Sei es mit der aufsehenerregenden Kunstund Jazz-Schau „I got Rhythm“ oder Events wie einem Clubbing mit DJ Hell auf dem Schlossplatz. Berührungsängste gibt es jedenfalls nicht, dem Jubiläums-
programm 2025 kann das nur guttun. Wobei in erster Linie die eigene Sammlung gefeiert wird: mit einer „Doppelkäseplatte“, die ab 8. März sieben Monate lang aufgetischt bleibt.
Gemeint ist das doppelte Jubiläum, der mittlerweile gereifte Käse lässt eine gewisse Selbstironie erkennen – die Kunst im Haus ist voll davon. In der Ausstellung werden neue Deutungen gewagt, Übersehenes und Vergessenes aus dem
Depot geholt, ungewohnte Querverbindungen hergestellt und die Ankäufe der letzten Jahre ins Bewusstsein gerückt. Wenn sich Yael Bartana und Kara Walker etwa mit Otto Dix beschäftigen, erwachen seine grotesken wie dadaistischen Figuren zu neuem Leben. Um nur ein Beispiel zu nennen. Es wird vieles in Bewegung kommen, vielleicht sogar ins Rotieren. Ein Museum der Zukunft kann das nur aufs Neue beflügeln.
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German Design Aw ar d
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Die Mongolei zwischen Tradition und Moderne wird ein Thema im Museum Rietberg. Pascal Gertschs Foto eines Freizeitparks und Tempels in Murun, Khuvsgul Aimag, bietet schon einen Vorgeschmack
TERMINE VORSCHAU
PLANER
Das sollten Sie
nicht verpassen 2025 im Jahr
Von Tim Ackermann
2025 locken wieder viele großartige Ausstellungen in die Museen. Mit Chemnitz besuchen wie die aktuelle Kulturhauptstadt Europas. Außerdem verzaubern uns Glitzerwelten in Hamburg und Fra Angelico in Florenz
WINTER
MALER UND MAHNER
Anselm Kiefers „Innenraum“ (1981) kommentiert den Architekturwahn der Nazis und ist ab März Teil einer großen Doppelschau in Amsterdam
Camille Claudel & Bernhard
Hoetger: Emanzipation von Rodin
Zwei Menschen, die dem großen Bildhauer August Rodin den Rücken kehrten: Camille Claudel war seine Partnerin und schuf auch nach der Trennung so ausdrucksstarke Skulpturen wie er. Bernhard Hoetger bewunderte als junger Künstler Rodin, ging aber später eigene Wege. Zwei unterschiedliche Lebenswerke sind hier originell verknüpft. Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen vom 25.1. bis 18.5.
Berlinde De Bruyckere Stets leicht verstörend wirken die gesichtslosen Pferdeleiber aus Wachs und Tierhaar, die Berlinde de Bruyckere als gefallene Giganten ausstellt. Belgiens berühmteste Künstlerin erhält jetzt in ihrem Heimatland eine große Überblicksausstellung. Bozar, Brüssel vom 21.2. bis 31.8.
Bling-Bling
Funkelnde Partikel auf Augenlidern, Nägeln oder anderen interessanten Körperpartien sind ein Zeichen des Protests gegen die Normalität des Alltags. Freuen wir uns also in Hamburg auf viele knallbunte Fotografien des glitzernden politischen Widerstands und eine „Hall of Glitter“, in der 100 Lieblingsobjekte vom Stickeralbum bis zur Bling-BlingHandyhülle versammelt sind. Museum für Kunst & Gewerbe, Hamburg vom 28.2. bis 26.10.
ZEITLOSE RUHEPOSE
Egon Schieles „Sitzende Frau mit hochgezogenem Knie“ von 1917, zu sehen bald in Wien, wirkt so krass entspannt und gegenwärtig, als käme sie direkt vom Yoga-Kurs
Anselm Kiefer
Am Tag vor dem 80. Geburtstag des Mythenmeistermalers gratuliert ihm in Amsterdam die Doppelschau „Sag mir wo die Blumen sind“. Das Stedelijk zeigt seinen Gesamtbestand an Werken von Anselm Kiefer. Und im Van Gogh Museum treffen seine Stroh-auf-Leinwand-Kompositionen auf passende Bilder von Van Gogh wie „Weizenfeld mit Krähen“. Bombastisch!
Stedelijk Museum & Van Gogh Museum, Amsterdam vom 7.3. bis 9.6.
Jacqueline Mesmaeker
Ob abgerissene Bildertapeten oder Flecken auf Goldrahmen: Jacqueline Mesmaekers Arbeiten erzählen auf sinnliche und ästhetische Weise von der Vergänglichkeit. Die 2023 verstorbene Belgierin ist als Konzeptkünstlerin neben den Männern der Zunft wie Marcel Broodthaers immer noch sträflich unterbewertet. Museum der Moderne, Salzburg, vom 7.3. bis 14.9.
Wolfgang Tillmans
Der 1968 in Remscheid geborene Fotograf ist ein großer Poet des Alltags: Nur Tillmans schafft es, vier Kartoffeln auf einem Fensterbrett in San Francisco so abzulichten, als hätten sie Gruppensex. Zu bewundern ist dieses Bild neben anderen neuen Fotografien aus Kalifornien, Taiwan oder der Mongolei. Albertinum, Dresden vom 8.3. bis 29.6.
Mama – Von Maria bis Beyoncé
Als zwei Evangelisten die Geschichte einer Jungfrauengeburt populär machten, war Marias Hauptrolle in der christlichen Kirche und westlichen Kunst nicht mehr zu stoppen. Mit Werken ab dem 14. Jahrhundert illustriert die Ausstellung den sich wandelnden Blick der Gesellschaft auf die Mutterfigur. Hoffen wir, dass sich ein Kapitel mit den schwierigen Lebensbedingungen von Müttern im Kunstbetrieb beschäftigt. Kunstpalast, Düsseldorf vom 12.3. bis 1.6.
L’art est dans la rue
Die Kunst ist auf der Straße, mais oui! Und zwar seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als künstlerisch gestaltete Werbung die Boulevards von Paris eroberte. Ein Plakat für den „Bal du Moulin rouge“ von Pionier Jules
Chéret hängt hier neben André Devambez’ gemaltem Zeugnis eines nächtlichen Polizeigroßeinsatzes – beleuchtet vom bunten Schein der Liftfaßsäulen. Musée d’Orsay, Paris vom 18.3. bis 6.7.
Egon Schieles letzte Jahre
Als Egon Schiele im Herbst 1918 an der Spanischen Grippe starb, war er erst 28 Jahre alt und seine Schaffenskraft in voller Blüte. Wenn jetzt in Wien der Fokus auf seine letzten Jahre fällt, sind daher viele berühmte Werke zu sehen – auch wertvolle Leihgaben wie die „Sitzende Frau mit hochgezogenem Knie“ aus der Prager Nationalgalerie. Leopold Museum, Wien vom 28.3. bis 13.7.
Schweizer Schätze
Des einen notwendige Sanierung ist des anderen Ausstellungsgelegenheit: „Schweizer Schätze“ locken nach Köln, denn das Museum Langmatt in Baden hat seine Sammlung temporär ausgeliehen. Werke wie den „Badenden“ (um 1895/1896) von Paul Cézanne oder der Ansicht „Boulevard Montmartre, Frühling“ (1897) von Camille Pissarro will wirklich niemand den Status als glanzvolle Kunstpreziosen der (post-) impressionistischen Malerei absprechen. Wallraf-RichartzMuseum, Köln vom 28.3. bis 27.7.
Laure Prouvost Ihr Unterwasserwelt-Märchen „Deep See Blue Surrounding You“ für den Französischen Pavillon auf der Venedig-Biennale 2019 war ein Publikumsrenner. Den dazugehörigen Film hatte Laure Prouvost zum Teil in Marseille gedreht. Dorthin kehrt sie nun zurück. um im Mucem laut Ankündigung „unerwartete Orte“ zu bespielen. Sich freuen darf man, wie stets bei Prouvost, auf schräge Einfälle. Vielleicht steuert sie ihr Boot mit der Segelaufschrift „Here we Dream of no more Front Tears“ am Museum vorbei. Oder sie erzählt uns wieder die Geschichte, dass ihre Oma fliegen kann. Mucem, Marseille vom 31.3. bis September
GLITZER MACHT GLÜCKLICH
Es funkelt im Frühjahr in Hamburg, wenn das MK&G mit Werken wie Hannah Altmans Foto „Untitled III“ aus der Serie „And Everything Nice” (2015) der Bling-Bling-Kunst huldigt
BIN SO ABSTRAKT!
Ungegenständliche Kunst hat bei Julie Mehretu eine zutiefst menschliche Komponente. Ihre Bilder wie das 2023 gemalte „TRANSpaintings (recurrence)“ faszinieren ab Mai in Düsseldorf
Amy Sherald
Wer könnte den Riss heilen, der mitten durch die einst Vereinigten Staaten geht? Selbstverständlich die Künstlerin Amy Sherald! Denn sie malt in fotorealistischer Manier Schwarze Männer auf Traktoren oder Dirtbikes und suggeriert so, dass die Liebe zu PS-starken Motoren keine Frage der Hautfarbe ist. Das streichelt die amerikanische Seele. „American Sublime“ lautet treffend der Untertitel der Schau. Sheralds Porträt von Michelle Obama, das die Malerin 2018 weltberühmt machte, wird auch gezeigt. Als ein riesiges „Was-wäre-wenn...“! Whitney Museum of American Art, New York vom 9. April bis August.
Mamluken
Erstmals widmet sich der Louvre den Mamluken, jenen türkischen und kaukasischen Militärsklaven, die ab 1250 rund um das Rote Meer ein eigenes Sultanat begründeten. 300 Objekte aus dem Louvre-Depot und dem Musée des Arts Décoratifs, darunter Textilien, verzierte Messingobjekte, Manuskripte oder Elfenbeinschnitzereien, erzählen von dieser kulturellen Blütezeit. Louvre, Paris vom 30.4. bis 28.7.
Julie Mehretu
Pinselstriche sind wie individuelle Charaktere, die zusammenfinden und gemeinsam eine explosive Dynamik entfalten: Diese
Analogie von abstrakter Malerei und gesellschaftlichen Massenbewegungen sprach Julie Mehretu schon 2007 mit ihren „Black City“-Bildern an. Fast 20 Jahre später sind die Werke der New Yorkerin mehr denn je Ausdruck ihrer turbulenten Entstehungszeit, wie auch diese furiose Überblicksausstellung zeigen wird. K21, Düsseldorf vom 10.5. bis 12.10.
Richard Pousette-Dart
Will man von Planetenkonstellationen sprechen oder doch lieber von Zahnradkonstruktionen gigantischer Maschinen? Egal, was man in seinen Bildern sieht, Richard Pousette-Darts Beitrag zum Abstrakten Expressionismus war höchst originell. Er wurde leider nicht so berühmt wie Pollock oder Rothko. Umso mehr lohnt heute die Wiederentdeckung. Museum Frieder Burda, Baden-Baden vom 10.5. bis 14.9.
Lygia Clark
Kunst wird nur existent, wenn das Publikum sie berührt. Diese Idee kam Lygia Clark früh: Ab 1963 schuf die brasilianische
SCHATZ DER MAMELUKEN
Das „Taufbecken Ludwig des Heiligen“ aus dem 14. Jh. hat mit dem Namensgeber wenig zu tun. Es ist ein Kunstwerk aus einer islamischen Dynastie
Künstlerin Skulpturen in geometrischen Formen, die beweglich waren und von den Betrachtenden aktiv verändert werden sollten. Daraus entwickelten sich kollektiv-interaktive Performances, die Corpo Coletivo. Clarks Retrospektive würdigt ihre Geniestreiche. Anfassen (zum Teil) erlaubt! Neue Nationalgalerie, Berlin vom 23.5. bis 12.10.
Auguste Herbin
Alle Macht der Farbe: Wenn der französische Künstler Auguste Herbin zum Pinsel griff, dann knallte das Kolorit ins Auge –egal ob er um 1907 fauvistische Landschaften malte oder in den 1920-Jahren Kreise und Dreiecke. In Paris ist Herbin bereits wiederentdeckt. Jetzt kommt er nach München. Lenbachhaus, München vom 30.5. bis 19.10.
Abstract Erotic Alles klar, ungegenständliche Kunst darf auch mal „hot“ sein. Dass die Courtauld Gallery zu diesem klischeehaften Titel drei Frauen versammelt, ist dann allerdings peinlich. Vergessen wir den doofen Titel und freuen wir uns am Aufeinandertreffen dreier skulptural arbeitender Gigantinnen: Bei Louise Bourgois’ üpigen Busen- und Phalliformen ist Eros noch nachweislich im Spiel. Aber in Eva Hesses Werken wie „Untitled (Three Nets)“ von 1966 (u.) baumelnde Hoden erkennen zu wollen, würde ihre feinsinnigen Beiträge zur Minimal Art missinterpretieren. Gleiches gilt für Alice Adams, die mit abstrakten Stoffgebilden in intellektuelle Opposition zum harten Metallminimalismus der Machomänner ging. The Courtauld Gallery, London vom 20.6. bis 14.9.
FRÜHLING
SOMMER
ARBEITSEINSATZ
Klar, im August heißt es Faulenzen. Doch ein Besuch bei Millets fleißigen Menschen in London gehört zum Pflichtprogramm
Millet: Life on the Land Als überzeugter Realist hatte Jean-François Millet keine Probleme, die Plackerei des Alltags ehrlich zu zeigen: Aufrichtig bedauern wir die „Milchmagd“, die um 1853 im Mondschein einen Krug trägt. Allerdings war Millet auch Romantiker, denn Maschinen tauchen in seinen Bildern nicht auf. Seine Figuren ackern in einem vorindustriellen Zeitalter, das als „golden“ erscheint. Die Idylle summiert sich in London mit vielen ausgeliehenen Hauptwerken, wie „Das Angelusläuten“ aus Paris. National Gallery, London vom 7.8. bis 19.10.
Edvard Munch
Kein Witz: Edvard Munch war mal in Chemnitz. Er kam auf Einladung des Unternehmers Herbert Esche 1905 in die sächsische Industriestadt. Heute sind die Fabriken im Abschwung. Sehenswertes gibt es dennoch. Besuchen wir also die Kulturhauptstadt Europas 2025. Im Sommer widmet man sich dort tatsächlich Munch und fokussiert auf dessen ängstlich-melancholische Seite mit Werken wie dem „Selbstporträt“ von 1895 (u.). Kunstsammlungen am Theaterplatz, Chemnitz vom 10.8. bis 2.11.
HERBST
PUNKTLANDUNG
Yayoi Kusama mag heute aussehen, als sei sie einem UFO
entstiegen (oben mit „Yellow
Tree / Living Room“ auf der
Aichi Triennale 2010). Doch ihre kosmische Kunst bleibt weiter radikal
Treasure Houses
Englische Landsitze sind heute noch wahre Wunderkammern des feinen Kunstgeschmacks, erzählen sie doch von der Sammel- und Reiselust ihrer Besitzer. Das Mauritshuis in Den Haag, ebenfalls einst als Adelspalais errichtet, kooperiert mit drei Country Houses und holt deren Schätze nach Kontinentaleuropa. So lernen wir in einem Gemälde Thomas William Coke kennen: Der 1. Earl of Leicester ließ sich 1774 von Pompeo Batoni auf Grand Tour in Rom porträtieren. Später errichtete Coke mit Holkham Hall in Norfolk sein Landhaus im palladianischen Stil. Die anderen beiden Leihgeber sind Burghley House und Woburn Abbey. Mauritshuis, Den Haag vom 18.9. bis 4.1.2026
John Wilson
Weil es keine Kunstwerke gab, die Menschen wie ihn zeigten, schuf er die Bilder selbst. Zum Beispiel „Streetcar Scene“: Diese Lithografie von 1945 zeigt einen Schwarzen Mann, der in einer Straßenbahn in Boston neben vier weißen Frauen sitzt und von ihnen misstrauisch beäugt wird. Vorurteile im Norden der USA, offener Rassenhass im Süden –die Bilder von John Wilson aus dieser Zeit sind Zeugnisse, die von der Kunstgeschichte bis jetzt, also viel zu lange, ignoriert wurden. Metropolitan Museum, New York vom 20.9. bis 8.2.2026
Fra Angelico
Für Freunde der Alten Kunst ist dies die wichtigste Ausstellung des Jahres: In Florenz gehören die Fresken von Fra Angelico im Museo di San Marco eh zum Pflichtprogramm. Und der Palazzo Strozzi holt nun dazu alles an Meisterwerken heran, was die Museen in Paris, New York oder Berlin hergeben. Palazzo Strozzi, Florenz vom 26.9. bis 25.1.2026
Daniel Spoerri
Nein, ein One-Hit-Wonder war der unlängst verstorbene Künstler Daniel Spoerri nicht. Obwohl seine legendären „Fallenbilder“ alles andere in der Rezeption überdecken: In den 1960ern begann Spoerri, die Reste gemeinsamer Abendessen mit Klebestoff auf der Tischplatte zu fixieren und diese als Bilder an die Wand zu hängen. Auch andere lustige Werke leitete der Fluxus-Mitstreiter aus der Küche ab. So dauerte eine seiner Ausstellungen sieben Minuten – die Zeit, die es für ein hartgekochtes Ei braucht. Sammlung Falckenberg, Hamburg vom 28.9. bis 26.4.2026
Michaelina Wautier
Als wichtige Vertreterin der Barockmalerei war Michaelina Wautier lange vergessen, und so weiß man heute recht wenig über ihr Leben, zum Beispiel, ob sie dem Feiern zugeneigt war. Der Verdacht besteht, weil sie sich in ihr Gemälde „Bacchanal“ (vor 1659) selbst einfügte als Anhängerin des Weingottes mit entblößter linker Brust. Das KHM in Wien, das auch noch drei sittsame Heiligenporträts von ihr besitzt, richtet Wautier die bisher größte Einzelausstellung aus. Kunsthistorisches Museum Wien vom 29.9. bis 25.1.2026
Yayoi Kusama
Wer sich ärgert, dass die Schlange vor dem „Infinity Mirror Room“ wegen der Selfiewütigen wieder so lang ist, der kann sich stattdessen mit den anderen tollen Arbeiten von Yayoi Kusama beschäftigen. Denn die Japanerin holte in den Fünfzigerjahren mit ihren „Infinity Net“-Bildern den Kosmos in den White Cube und mischte danach mit politisch-feministischen Happenings die Kunstwelt der Nachkriegszeit auf. Fondation Beyeler, Basel / Riehen vom 12.10. bis 25.1.2026
HERBST
WILDE BILDER
Zeichnungen von Max Beckmann, darunter „Rodeo“ von 1949, sind in Frankfurt im Fokus
Mongolei – Eine Reise durch die Zeit
Das Klischee behauptet, dass die Mongolen rund um die Uhr im Sattel saßen, doch schon Dschingis Khan befahl den Bau seiner später befestigen Hauptstadt Karakorum. Von dort und aus der uigurischen Stadt Karabalgasun stammen die archäologischen Funde, die in dieser Schau die urbanen Mongolen erklären. Eine Erzählung, die durch Werke gegenwärtiger Kunstschaffender aus Ulaanbataar noch bereichert wird. Museum Rietberg, Zürich vom 24.10. bis 22.2.2026
Einhorn. Das Fabeltier in der Kunst
Es hat zwar nie gelebt, aber es ist in der westlichen Kunstgeschichte auch nicht totzukriegen: Das Einhorn. Noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts malte es Alessandro Varotari Padovanino sorglos in einem
Bild neben Löwe und Vogel, die dem musizierenden Orpheus lauschen. Zu Padovanino war offensichtlich nicht die neueste Nachricht seiner Zeit vorgedrungen: 1638 bestätigte der dänische Naturforscher Ole Worm das ominöse Horn als langen Vorderzahn des Narwals. Davon unbeeindruckt hat das Einhorn häufige Renaissancen erlebt –zuletzt mit wilder Lockenmähne in Malereien von Marie Cecile Thijs, die an Kinderzimmerposter erinnern. Museum Barberini, Potsdam vom 25.10. bis 1.2.2026
Anni Albers
Die Teppiche und Wandbehänge von Anni Albers haben unsere Vorstellung des modernen Wohnens geprägt. Von allen Lehrenden des Bauhauses war sie es, die Textilien am konsequentesten als Architektur verstand. Auch nach der Emigration 1933 in die USA lehrte Albers am Black Mountain College, dass Bauen und Weben zusammenge-
WUNDERVOLL!
Fra Angelicos Fresken in Florenz (o.: „Die Verkündigung“, ca. 1442)
werden im Herbst durch eine große Schau seiner Tafelbilder ergänzt
hören. Highlights dieser Schau sind ein Wandbehang von 1927 oder ihre „Ark Panels“, die sie 1962 für eine Synagoge in New England schuf. Zentrum Paul Klee, Bern vom 7.11. bis 22.2.2026
Turner and Constable
Wohl nie wieder hat eine Malerrivalität eine Epoche so gegensätzlich geprägt, wie der Wettstreit von William Turner und John Constable die britische Romantik. Während der erste mit seinen dynamischen Sturm-undRegen-Darstellungen das Fenster zur modernen Malerei weit
aufstieß, zielte der zweite mit seinen pittoresken Dorfansichten und Flussuferidyllen zweifellos genauer in die englische Seele. 2025 feiern wir Turners 250. Geburtstag, und zu diesem Anlass lädt die Tate den ein Jahr jüngeren Rivalen zum ewig unlösbaren Vergleich ein. Tate Britain, London vom 27.11. bis 12.4.2026
Germaine Krull
Ein vergangenes Jahrzehnt, das uns auf unheimliche Weise immer näher zu rücken scheint, sind die 1920er-Jahre. Wir sollten daher die autobiografischen
und fiktiven Texte von Germaine Krull genau lesen und ihre wundervollen Schwarzweißfotos betrachten. Vielleicht finden wir dort den Schlüssel, wie wir den politischen Bedrohungen der Zukunft begegnen können. Museum Folkwang, Essen vom 28.11. bis 15.3.2026
Max Beckmann
Zeichnungen und Grafiken von Max Beckmann präsentiert das Städel in dieser Ausstellung aus
zwei guten Gründen: Zum einen hat das Museum vor drei Jahren eine Dauerleihgabe von 16 Blättern aus der Sammlung Karin und Rüdiger Volhard erhalten, darunter „Der Mord“ von 1933, ein originell aquarellierter Tatort als totenstilles Stillleben. Und zum anderen soll 2025 das Werkverzeichnis von Beckmanns Zeichnungen erscheinen, das auch viele Skizzen zu seinen Malereien enthält. Städel Museum, Frankfurt vom 3.12. bis 15.3.2026
Hans Ticha
Als Andy Warhol im Jahr 1982 Siebdrucke von Michael Jackson und Willy Brandt machte, malte Hans Ticha in Ost-Berlin ein graues Bild mit einer Gruppe anonymer Figuren, die sehr kleine Köpfe haben aber riesige applaudierende Hände („Klatschender Bauch II“). Beides hat seine Berechtigung, aber die Frage, wer mehr riskierte, erübrigt sich. Ticha, Jahrgang 1940, ist und bleibt der große ostdeutsche
Pop-Maler. Zum Jahresausklang leuchten seine Bilder in Rostock wie Leitsterne. Kunsthalle Rostock vom 14.12. bis 26.2.2026
POP GEGEN DAS EINHEITSGRAU
Mit Hans Ticha und seinen Werken wie „Derbysieger“ (1970) zündet die Kunsthalle Rostock zum Jahreswechsel ein wahres Farbfeuerwerk
ADVERTORIALS
Die Kulturhighlights des Jahres 2025
Auf den folgenden Seiten präsentieren
Ihnen Kulturorte, Museen und Messen Höhepunkte des Jahres 2025. Erleben Sie in HAMBURG das Rendezvous von Surrealismus und deutscher Romantik
S. 45 und freuen Sie sich in WIESBADEN auf die herrliche Farbfeldmalerei von Helen Frankenthaler S. 47. Begegnen Sie in MÜNCHEN dem französischen Kunstmagier Philippe Parreno S. 50 sowie in BASEL den faszinierenden Nordlichtern um Hilma af Klint und Edvard Munch S. 53. Und in HALLE lockt der Aufbruch der Frührenaissance in Mitteldeutschland S. 59.
Alexander Kanoldt, Porträt der Tochter Angelina, Detail, 1935 © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger
Böse Blumen Sammlung ScharfGerstenberg, Nationalgalerie
Bis 4. Mai 2025
Ausgehend von zeitgenössischen Illustrationen zu Charles Baudelaires berühmtem Gedichtband „Les Fleurs du Mal“ („Die Blumen des Bösen“) von 1857, unternimmt die Ausstellung einen Streifzug durch die Kunst der beginnenden Moderne bis hin zu zeitgenössischen Werken, um die Ästhetik Baudelaires in ihren verschiedenen Aspekten, ihren Nachund Nebenwirkungen zu beleuchten. smb.museum/ssg
Von Odesa nach Berlin Europäische Malerei des 16. bis 19. Jh. Gemäldegalerie, Berlin 24. Januar – 22. Juni 2025
In dieser einzigartigen Sonderausstellung zeigt die Gemäldegalerie 60 Gemälde aus dem Odesa Museum für Westliche und Östliche Kunst. Die Werke wurden aus der vom Krieg bedrohten Hafenstadt in der Südukraine in Sicherheit gebracht. In Berlin treten sie in Dialog mit Gemälden der dortigen Sammlungen. Mit der Ausstellung wird die facettenreiche Sammlung aus Odesa erstmalig in Westeuropa präsentiert und zugleich ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine gesetzt. smb.museum/odesa
Höhepunkte der Hamburger Kunsthalle 2025
Erstmalig zeigt die Hamburger Kunsthalle einen repräsentativen Überblick über das facettenreiche Schaffen des schwedischen Superstars Anders Zorn (1860–1920), der in den Jahren um 1900 zu den berühmtesten Künstler*innen weltweit zählte: Er avancierte in Europa zu einem regelrechten Malerstar und in den Vereinigten Staaten ließen sich neben diversen Köpfen der amerikanischen High Society zwei Präsidenten von ihm porträtieren. Zu sehen sind rund 150 Arbeiten, darunter zahlreiche Hauptwerke, aber auch selten gezeigte Gemälde und Aquarelle.
ANDERS ZORN
26. September – 25. Januar 2026
RENDEZVOUS DER TRÄUME
Surrealismus und deutsche Romantik 13. Juni – 12. Oktober
Die vor 100 Jahren in Paris entstandene Bewegung des Surrealismus war begründet in einer Umwertung aller Werte und hat das 20. Jahrhundert geprägt wie keine andere Strömung. Eine ihrer wichtigsten Geistesverwandtschaften bestand dabei zur deutschen Romantik mit ihren Inspirationsquellen des Übernatürlichen und Irrationalen, Traum und Zufall, der Gemeinschaft und der Begegnung mit einer sich wandelnden Natur. Und so treffen Max Ernst, Meret Oppenheim, René Magritte, Salvador Dalí, Valentine Hugo, Toyen, André Masson, Paul Klee und viele andere auf die großen romantischen Maler wie Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge. In Kooperation mit dem Centre Pompidou in Paris.
ILLUSION Traum –Identität – Wirklichkeit
Bis 6. April
Kunstwerke zu schaffen, die von der Realität nicht zu unterscheiden sind, war seit jeher eine Herausforderung für Künstler*innen. Die epochenübergreifende Ausstellung zeigt mit rund 150 Werken von den Alten Meistern bis in die Gegenwart, dass »Illusion« weit mehr bedeutet als nur bloße Augentäuscherei. Angesichts der Macht illusionistischer Bilder wirft sie vor dem Hintergrund von Fake News und KI auch ein Schlaglicht auf unsere Gesellschaft und lädt zum Nachdenken über den Menschen selbst ein: über seine Sehgewohnheiten, Erwartungen, Konventionen und seine Verführbarkeit.
hamburger-kunsthalle.de
Darmstadt
Candida Höfer. Fotografien Hessisches
Landesmuseum
Darmstadt
22. Mai – 24. August
Mettingen
immer dabei:
DIE TASCHE
Deutsches
Ledermuseum
12. Oktober – 10. August Sie ist Transportmittel, nützlicher Begleiter und Objekt der Begierde. Es gibt sie in unzähligen Ausführungen und für die verschiedensten Anlässe: DIE TASCHE. Über 200 Exponate aus drei Jahrtausenden erzählen in der Ausstellung immer dabei: DIE TASCHE die Kulturgeschichte des weltweit verwendeten Gebrauchsgegenstands, Modeartikels und Luxusguts. Nutzung, Vielfalt und Design des wohl ältesten und vielseitigsten Accessoires der Menschheit werden teils chronologisch und anhand von Themenschwerpunkten zum Beispiel zu Material oder Offenbacher Lederwaren aufgezeigt. Designer- und Luxustaschen stehen stellvertretend für die Tasche als Statussymbol. ledermuseum.de
Wiesbaden
Candida Höfer gehört zu den wichtigsten Künstlerinnen, die mit dem Medium Fotografie arbeiten. Bekannt geworden ist die prominente Vertreterin der Düsseldorfer Becher-Schule mit präzise komponierten Aufnahmen von Innenräumen öffentlicher Gebäude: Museen, Opernhäuser, Theater, Kirchen, Zoologische Gärten oder Bibliotheken. Das Hessische Landesmuseum Darmstadt präsentiert einen breiten Überblick über das Werk der Künstlerin. hlmd.de
SPRACHE/ TEXT/ BILD
Draiflessen Collection
20. Oktober – 16. Februar
Die Ausstellung thematisiert die zentrale Rolle von Sprache, Text und Bild, die wesentliche Ausdrucksmittel menschlicher Kommunikation und Bedeutungserzeugung sind. Dreizehn ausgewählte Künstler*innen des 20. und 21. Jahrhunderts untersuchen in ihren Arbeiten das Verhältnis von Sprache, Text und Bild und ihre Möglichkeiten, etwas sag-, sicht- und hörbar zu machen. Sie befragen das menschliche Bedürfnis, gehört sowie gesehen zu werden. Dabei zeigen sie auch Mechanismen von Ein- und Ausgrenzungen auf und bieten Spielräume für Aneignungen sowie Bedeutungstransfers. draiflessen.com
Feininger, Münter, Modersohn-Becker… Oder wie Kunst ins Museum kommt Museum Wiesbaden 5. September – 12. April 2026
Das Museum Wiesbaden freut sich anlässlich seines 200. Jubiläums feierlich zu verkünden, dass ihm die hochkarätige Sammlung eines Wiesbadener Mäzens testamentarisch versprochen worden ist. Große Namen des deutschen Expressionismus wie Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, Ida Kerkovious und Max Pechstein verleihen der Sammlung ihre Strahlkraft. Selten ausgestellte Künstlerinnen wie Erma Bossi, Elisabeth Epstein oder Ilona Singer und bedeutende Skulpturen von Ernst Barlach, Gerhard Marcks, Marg Moll oder Milly Steger ergänzen die herausragende Werkzusammenstellung. In der Ausstellung wird die bewegte Geschichte der in über einhundert Jahren aufgebauten Abteilung „Klassische Moderne“ des Museums Wiesbaden reflektiert. museum-wiesbaden.de
Helen Frankenthaler
Pionierin der Abstraktion: „Sea Level“ (o.) entstand 1976, „Untitled“ (re.) 1959-60.
© Helen Frankenthaler Foundation, Inc./ VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Mit nahezu fünfzig Werken befindet sich die größte Privatsammlung von Arbeiten der amerikanischen Malerin Helen Frankenthaler in Wiesbaden. Der Unternehmer Reinhard Ernst hat diese Meisterwerke aus den Schaffensperioden von 1950 bis 1990 der Künstlerin im Verborgenen zusammengetragen.
Eine Auswahl dieser Arbeiten, die zuvor überwiegend nur in den USA zu sehen waren, wird nun zum ersten Mal in Deutschland gezeigt – im Museum Reinhard Ernst (mre) in Wiesbaden, das in den ersten 100 Tagen seit seiner Eröffnung im Juni 2024 bereits über 60.000 Besucher begrüßen konnte.
Helen Frankenthaler (1928–2011) ist eine der einflussreichsten Vertreterinnen der zweiten Generation amerikanischer abstrakter Künstler:innen der Nachkriegszeit. Sie stellte ihr Werk über sechs Jahrzehnte lang weltweit in Museen und Galerien aus. In der New Yorker Kunstszene der 1950er Jahre setzte sich die nur 23 Jahre alte Künstlerin mit ihrer Erfindung der Soak-Stain-Technik durch, der eine so einfache wie innovative malerische Entscheidung zugrunde lag: Die Künstlerin ließ die verdünnte Farbe ungehindert in die auf dem Boden liegende, ungrundierte Leinwand sickern.
Indem Helen Frankenthaler die Farbe direkt von allen Seiten auf den Bildgrund auftrug, bildeten sich Lachen, die sie so belassen oder frei auf der Ober fläche verteilen konnte. Sie erschuf damit einen völlig neuen Farbauftrag. Und eine unvergleichliche Bildwirkung. Denn ohne die traditionelle Grundierung färbt die Farbe den Stoff ein und wird so eins mit ihm. Die Leinwand ist plötzlich Teil der Komposition – die Unterscheidung zwischen Bildträger und Bild wird aufgehoben. Farbräume eröffnen sich auf der Leinwandoberfläche: Sie fließen ineinander, treten hervor oder weichen zurück, reichen von tiefen, voll gesättigten Tönen bis hin zu Farben, die fast transparent und leuchtend hell wirken. Im Kontrast dazu stehen schärfer definierte Formen, die die Künstlerin als Farbmasse auf dem Gewebe stehen lässt.
Damit gelang ihr ein Paradigmenwechsel, dessen Innovation ihre Kollegen Morris Louis und Kenneth Noland sofort erkannten und für sich adaptierten. Heute wird Helen Frankenthaler als wegweisende Vermittlerin zwischen Action Painting und Farbfeldmalerei gefeiert. Sie gab der amerikanischen Nachkriegskunst so eine entscheidende Wendung. museum-re.de
Das Key Visual der Ausstellung
„Save Land“; © Bundeskunsthalle
Themenjahr der ökologischen Nachhaltigkeit Bundeskunsthalle, Bonn Januar – Dezember 2025
Die immersive Schau SAVE LAND. UNITED FOR LAND wurde in Kooperation mit der UNCCD-G20 Global Land Initiative entwickelt. Ab dem 6. Dezember 2024 thematisiert die Präsentation eindrucksvoll die Dringlichkeit zur ökologischen Wiederherstellung von Land. Sie vereint dabei wichtige Positionen zeit-genössischer Kunst mit Exponaten aus den Naturwissenschaften und nutzt neueste Medientechnologien, um die existenzielle Bedeutung unserer Landflächen für die Artenvielfalt und dasWeltklima zu verdeutlichen.
Mit der Ausstellung läutet die Bundeskunsthalle das Jahr 2025 als Themenjahr der ökologischen Transformation und Nachhaltigkeit ein: PARA-MODERNE. LEBENSREFORMEN AB 1900 (11.4. – 10.8.2025), INTERACTIONS 2025 (1.5. – 26.10.2025), WETRANSFORM. THE NEW EUROPEAN BAUHAUS AND BEYOND (6.6.2025 – 25.1.2026), EXPEDITION WELTMEERE (3.10.2025 – 4.4.2026) Zudem im Programm: TANZWELTEN (bis 16.2.2025), MARK DION. DELIRIOUS TOYS. DIE SPIELZEUGWUNDERKAMMER (bis 9.2.2025), SUSAN SONTAG. SEHEN UND GESEHEN WERDEN (14.3. – 28.9.2025), WIM WENDERS (1.8.2025 – 11.1.2026) bundeskunsthalle.de
W I L L KO M M E N A M
S
T R AU B I N G E R P L AT Z
Im Herzen von Bad Gastein, wo sich das älteste Grand Hotel und das Lifest yle-Hotel Badeschloss am Wasser fall befinden Zwei Hotel-Ikonen, die eine langersehnte Renaissance feiern.
Hans-Peter Feldmann, Zwei Mädchen mit Schatten, 1999, s/w-Fotografie auf Karton, ausgeschnitten 92 × 60 cm, Dauerleihgabe der Stiftung Kunst in Landesbesitz (ehem. Sammlung WestLB) im Kunsthaus NRW Kornelimünster, Foto: Anne Gold, © VG BildKunst, Bonn 2024
Künstlerinnen in Expressionismus und Fluxus–
„Tell these people who I am“
Dortmunder U
Bis 23. März 2025
„Warum gab es keine großen weiblichen Künstlerinnen?“, fragte sich die Kunsthistorikerin Linda Nochlin 1971 und antwortete selbst: Es gab bedeutende Künstlerinnen, aber sie wurden lange nicht beachtet. Die aktuelle Sonderausstellung des Museum Ostwall möchte das ändern und beschäftigt sich ausdrücklich mit weiblichen Beiträgen zur Kunstgeschichte. Basierend auf den beiden Schwerpunkten der eigenen Sammlung präsentiert sie 30 Künstlerinnen des Expressionismus und Fluxus – begleitet von einem umfangreichen Vermittlungsprogramm mit Führungen, Workshops und Filmen sowie zahlreichen Kooperationen. dortmunder-u.de
Ausstellungsansicht; Foto: © Dortmunder U / Roland Baege
From Dawn Till Dusk. Der Schatten in der Kunst der Gegenwart Kunstmuseum Bonn 3. Juli – 2. November
Anhand von rund 40 internationalen Positionen zeichnet die Ausstellung erstmalig in einem deutschen Museum die Emanzipation des Schattens zu einem bildgebenden, dabei immer medienreflexiven Thema innerhalb der aktuellen Kunst nach. Sie untersucht dabei das vom Existenziellen über das Bedrohliche bis zum Politischen reichende Spektrum der Schattenwelten. Mit Werken von u. a. Vito Acconci, David Claerbout, Marlene Dumas, Hans-Peter Feldmann, William Kentridge, Astrid Klein, Farideh Lashai, Nadia Kaabi-Linke, Gerhard Richter, Regina Silveira, Javier Telléz, Kara Walker, Jeff Wall. kunstmuseum-bonn.de
Otto Mueller LWL-Museum für Kunst und Kultur
Bis 2. Februar
Anlässlich des 150. Geburtstages des expressionistischen Malers Otto Mueller veranstaltet das LWL-Museum für Kunst und Kultur eine große Ausstellung und beleuchtet sein Schaffen im Kontext seiner Zeit. Die Schau stellt Mueller in einen Dialog mit Künstler:innen unter anderem aus der Gruppe „Die Brücke“. Zudem thematisiert die Präsentation Muellers Beziehung zum Akt und zur Natur sowie das Leben seiner Partnerinnen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der analytischen Aufarbeitung romantisierender und stereotypisierender Darstellungen von Minderheiten in Muellers Werk. Die Ausstellung wird von der Stiftung kunst³, dem Stifterkreis des Museums, und der LWL-Kulturstiftung gefördert. lwl-museum-kunst-kultur.de
Maurice de Vlaminck.
Rebell der Moderne Von der Heydt-Museum
16. Februar – 18. Mai
Maurice de Vlaminck (1876–1958) ist einer der bedeutendsten französischen Maler der Moderne. Das Von der Heydt-Museum realisiert mit dem Museum Barberini die erste postume Einzelausstellung in Deutschland und rückt damit eine zentrale Figur der französischen Kunst des 20. Jahrhunderts ins Licht der Öffentlichkeit. Anhand von rund 50 Gemälden vermittelt die Schau einen Überblick über sein malerisches Œuvre: von seinen ersten Kompositionen über seine berühmten fauvistischen Gemälde, die von Cézanne und Picasso inspirierten Experimente mit dem Kubismus bis hin zu seinen letzten Landschaftsbildern, in denen er eine individuelle Spielart des Spätimpressionismus entwickelte, von-der-heydt-museum.de
Philippe Parreno. Voices Haus der Kunst
13. Dezember 2024 –25. Mai 2025
Philippe Parreno hat das Erleben von Ausstellungen revolutioniert. Der französische Künstler choreografiert Räume, in denen parallele Realitäten miteinander verknüpft werden und unerwartete Ereignisse die Wahrnehmung von Raum und Zeit verändern.
Seine Ausstellung „Voices“ im Haus der Kunst erforscht die Macht der Sprache. Dabei nutzt er ∂A, eine von künstlicher Intelligenz entwickelte Kommunikationsform, der die Stimme der tagesschau-Sprecherin Susanne Daubner Leben einhaucht. Gemeinsam mit Tino Sehgal lässt Parreno menschliche Körper mit den Ausstellungselementen interagieren. Der Raum verwandelt sich in eine lebendige Umgebung, in der die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen. hausderkunst.de
A. R. Penck, Young Generation, um 1975, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Pinakothek der Moderne, München; seit 1984 Dauerleihgabe des Wittelsbacher Ausgleichsfonds, Sammlung Prinz Franz von Bayern; © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Nicole Wilhelms
Wie Bilder erzählen:
Storytelling von Albrecht Altdorfer bis Peter Paul Rubens Alte Pinakothek
5. Juni 2025 – 5. Juli 2026
Ein Wiedersehen mit lange nicht gezeigten Werken der Altdeutschen und Altniederländischen sowie der Flämischen Malerei des 16. und frühen 17. Jahrhunderts verspricht die eine oder andere Überraschung. Beleuchtetet werden unterschiedliche Facetten eines Themas, das zu den Kernaufgaben der Malerei schlechthin gehört: Das Erzählenvon Geschichten. Wie, was und durch wen wird erzählt? Welche Ziele ver folgen Künstler sowie diejenigen, in deren Auftrag sie handeln, zu unterschiedlichen Zeiten und an welches Publikum richten sie sich dabei? Und ist dies überhaupt immer eindeutig, oder wird man manchmal sogar bewusst in die Irre geführt? pinakothek.de
Unser Raum ist die Stadt
Public Art München
Münchens Programm für Kunst im öffentlichen Raum. Ein Angebot für alle, so vielfältig wie die Kunst und die Stadtgesellschaft selbst. Die Kunstprojekte sind temporär. Sie treten in Wechselwirkung mit Orten, Menschen und deren Alltagswelt – analog und digital. Public Art München bezieht Stellung zu Themen der Gegenwart, trifft Aussagen und regt Diskussionen an. Die temporären Kunstprojekte nutzen den Moment. Ihre Impulse wirken nach. Lassen Sie sich überraschen! publicartmuenchen.de
„Könnt Ihr noch?“ – Kunst und Demokratie | Königsklasse Schloss Herrenchiemsee
10. Mai – 12. Oktober 2025
In der Sommerausstellung der Sammlung Moderne Kunst auf Schloss Herrenchiemsee werden über 50 Arbeiten von Künstler:innen präsentiert, die in ihren Werken demokratische Grundwerte wie Freiheit, Selbstbestimmung oder die Würde des Menschen verhandeln. Werke u. a. von Picasso, Francis Bacon, Maria Lassnig und Georg Baselitz treffen auf eine ortsspezifische Arbeit von Sheila Hicks. Die Ausstellung nimmt Bezug auf den Verfassungskonvent, der im August 1948 auf Herrenchiemsee stattfand und die Grundlage für die deutsche Verfassung schuf und dem im Alten Schloss die Ausstellung „Der Wille zu Freiheit und Demokratie“ gewidmet ist. pinakothek-der-moderne.de
Aber hier leben? Nein danke.
Surrealismus + Antifaschismus
Lenbachhaus Bis 2. März
„Die menschliche Seele ist international“ – dieses Zitat aus dem Bulletin international du surréalisme von 1935 fasst die Ideen des Surrealismus in einem Satz zusammen. Surrealist*innen prangerten die europäische Kolonialpolitik an, organisierten sich gegen faschistische Bewegungen, kämpften für die Spanische Republik, wurden verfolgt, gingen ins Exil, fielen im Krieg gegen die Nationalsozialisten. Sie schrieben Poesie, dekonstruierten eine vermeintlich rationale Sprache in einer vermeintlich rationalen Welt, arbeiteten an Gemälden, kollektiven Zeichnungen, fotografierten und collagierten. Als Methode, die sich oft ganz selbstverständlich mit emanzipatorischen Anliegen verbindet, wurde der Surrealismus von den 68ern bis zur Schwarzen Bürgerrechtsbewegung aufgegriffen. Die Ausstellung sieht sich als Bündelung von Versuchen, einen immer noch eng definierten surrealistischen Kanon zu revidieren und die Frage neu zu beantworten: Was ist Surrealismus? lenbachhaus.de
M Ü N C H E N
Auguste Herbin Lenbachhaus 30. Mai – 19. Oktober
Das Lenbachhaus München feiert die Wiederentdeckung des französischen Malers Auguste Herbin (1882 - 1960), einem bedeutenden Revolutionär der Moderne und Begründer der Abstraktion in Frankreich. Er beginnt in den 1910er Jahren mit spätimpressionistischen Landschaften, Stillleben und Porträts – schon jetzt in leuchtenden, dabei harmonisch gehandhabten Farben, die in der darauffolgenden fauvistischen Phase immer wilder werden und es ein Leben lang bleiben. Herbin malt in unterschiedlichen Gegenden Frankreichs von der belgischen Grenze bis zur spanischen, im belgischen Brügge, im Hamburger Hafen und auf Korsika. Jeder Ortswechsel bringt die Wahrnehmung neuer Formen mit sich und löst häufig Veränderungen in seiner Bildsprache aus. Erst als er sich in den 1930er Jahren endgültig auf die abstrakte Kunst verlegt bleibt er vor Ort: in Paris. Nach 1945 wird Herbin Vorbild für Vertreter der konkreten und kinetischen Kunst und der Op-art, er erhält zahlreiche Einzelausstellungen und engagiert sich bis zu seinem Tod als Erneuerer der französischen Abstraktion. lenbachhaus.de
Surrealismus
– Welten im Dialog Kunsthalle Vogelmann
31. August – 5. Januar
Mit fantastischen, radikal subjektiven Motiven revolutionierte der Surrealismus die Kunst ab den 1920er Jahren. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des surrealistischen Manifests zeigt die Ausstellung Werke von den 1920er Jahren bis heute. Avantgardisten wie René Magritte, Max Ernst und Salvador Dalí treten in einen Dialog mit zeitgenössischen Positionen wie Penny Slinger, Cindy Sherman oder Marco Brambilla. museen.heilbronn.de
Heilbronn
Emil Nolde – Welt und Heimat Museum Würth 2 7.
April – 28. September
Emil Nolde, zu dessen Markenzeichen dramatische Landschaftsdarstellungen zählen, ist tief geprägt von seiner Heimat im deutsch-dänischen Grenzgebiet. Er weitet seine Sicht durch Reisen von Skandinavien bis in die „deutschen Schutzgebiete“ Neuguinea. Dies bereichert nachhaltig seine Kunst, die Sicht auf seine Heimat und so auch auf die eigene Identität. Was sagt uns sein Blick auf Welt und Heimat und welche Bedeutung hat Heimat heute? Eine Ausstellung mit Werken der Sammlung Würth und Leihgaben der der Nolde Stiftung Seebüll. Der Eintritt ist frei. kunst.wuerth.com
Verhüllt, verschnürt, gestapelt – Christo und Jeanne-Claude. Sammlung
Würth Museum Würth
Bis 25. Januar 2026
Christo (1935 – 2020) und Jeanne-Claude (1935 – 2009) waren eines der bemerkenswertesten Künstlerpaare des 20. Jahrhunderts. Aus Anlass des 90. Geburtstags des Künstlerduos – beide wurden am 13. Juni 1935 geboren – präsentiert das Museum Würth in Künzelsau einen Querschnitt durch 60 Jahre ihres Schaffens. Mit rund 130 Arbeiten besitzt die Sammlung Würth eines der größten Konvolute von ChristoWerken weltweit. 1995 verhüllten Christo und Jeanne-Claude das Museum Würth mit vielen Quadratmetern Stoff zu einer skulpturalen Installation. Der Eintritt ist frei. kunst.wuerth.com
Katharina Grosse Staatsgalerie
Stuttgart im Kunstgebäude
11. April –
11. Januar 2026
Die Staatsgalerie Stuttgart präsentiert als Große Landesausstellung das beeindruckende Werk von Katharina Grosse. Die Malerin ist international für ihre einzigartigen Farbinstallationen bekannt, in denen sie die traditionellen Gattungsgrenzen überschreitet und ganze Räume in farbgewaltige Kunstwerke verwandelt. Die Auswahl von skulpturalen und plastischen Werken aus den 1980er-Jahren bis heute gewährt einen gänzlich neuen Blick auf die künstlerische Entwicklung der Künstlerin. Höhepunkt der Ausstellung wird eine atemberaubende Installation im 26 Meter hohen Kuppelsaal im Kunstgebäude am Schlossplatz sein. staatsgalerie.de
HOME IS A FOREIGN
PLACE – Sandra Knecht Kulturstiftung Basel
10. Januar – 27. April
In »HOME IS A FOREIGN PLACE« in der Kulturstiftung Basel H. Geiger präsentiert Sandra Knecht ihre bislang umfassendste Einzelausstellung, die den vielschichtigen Begriff der Heimat hinterfragt. Mit klarer Präzision verbindet sie unterschiedliche Medien – von Skulpturen bis hin zu performativen Dinnern, bei denen das Essen zur vergänglichen Skulptur wird. Die Ausstellung wirft tiefgehende Fragen zu Identität und Zugehörigkeit auf und eröffnet einen Raum der Reflexion, der zugleich intim und universell ist. Knecht fordert uns heraus, das Fremde im Vertrauten zu entdecken und die Grenzen zwischen Kunst, Ritual und sozialer Skulptur neu zu denken. kbhg.ch
Paula Rego. Machtspiele Kunstmuseum Basel
Bis 2. Februar
Ein Bilderrausch ist die fabelhafte Welt der portugiesisch-britischen Künstlerin Paula Rego (1935 – 2022) – voll von abgründigem Humor, unumwunden drastisch und eindringlich. Sie erschuf über Jahrzehnte hinweg komplexe, emotionsgeladene Szenen, die wie der Stoff von Albträumen wirken: Sie lassen tief blicken, auf menschliche Beziehungen und soziale, politische und sexuelle Machtdynamiken. Ihre erste Ausstellung in der Schweiz stellt ihr Schaffen in Schlüsselwerken vor. Die weiteren Ausstellungen 2025 sind: »Medardo Rosso. Die Erfindung der modernen Skulptur« (29.3. – 10.8.2025) und »Geister. Dem Übernatürlichen auf der Spur« (20.9.2025 – Februar 2026). kunstmuseumbasel.ch
Fresh Window. Kunst & Schaufenster Museum Tinguely Bis 11. Mai
Die Geschichten von Schaufensterdekoration und Bildender Kunst sind seit Jahrzehnten eng miteinander verwoben. Neben Jean Tinguely setzten zahlreiche Künstler:innen wichtige Impulse im Bereich der Schaufenstergestaltung. Andererseits taucht das Schaufenster immer wieder als Motiv in Kunstwerken auf oder dient als Bühne für Performances und Aktionen. Die Ausstellung beleuchtet diese wechselvolle Beziehung und wird mit künstlerischen Interventionen in Schaufenstern in Basel in den Stadtraum erweitert. tinguely.ch
Nordlichter Fondation Beyeler
26.
Januar –
25. Mai
Im Fokus der Gruppenausstellung »Nordlichter» stehen rund 80 Landschaftsgemälde von Künstler:innen aus Skandinavien und Kanada, die zwischen 1880 und 1930 entstanden sind, darunter Meisterwerke von Hilma af Klint und Edvard Munch. Im Mittelpunkt steht der boreale Wald als Inspirationsquelle. Die gewaltigen Wälder, das lange Sommerlicht, dunkle Winternächte und das Nordlicht haben eine moderne nordische Landschaftsmalerei her vorgebracht, die bis heute fasziniert. Gezeigt werden Werke auch von Helmi Biese, Anna Boberg, Emily Carr, Prinz Eugen, Gustaf Fjæstad, Akseli Gallen-Kallela, Lawren Harris, J. E. H. MacDonald, Iwan Schischkin, Harald Sohlberg und Tom Thomson. fondationbeyeler.ch
Breites Spektrum mit Klassischer Moderne und Gegenwartskunst
Oben: Blick in die Messehallen 2024. Rechts o.: Die Galerie Fetzer zeigt den „Kuhschädel“ von Bernd Zimmer, die Galerie Ludorff bringt die „Dame auf einem Balkon (Gerda Haglund)“ von Lotte Laserstein mit nach Karlsruhe (re. u.)
Mit einem neuen Konzept und einer neuen Leitung, die an die traditionellen Stärken der Messe anknüpften, gelang im vergangenen Februar der art karlsruhe ein echter Aufbruch in die Zukunft. Bei den ausstellenden Galerien und den rund 47.000 Besucherinnen und Besuchern stieß der spürbar frische Wind durchweg auf positive Resonanz. Großen Anklang fand auch „re:discover“ – ein neues Format, das Künstlerinnen und Künstler wieder sichtbar macht, die nicht mehr so im Fokus des Kunstmarkts stehen, es aber qualitativ verdient hätten. Diese Erfolgsgeschichte soll 2025 fortgesetzt werden, wenn sich vom 20. bis 23. Februar die lichtdurchfluteten Hallen der
Messe Karlsruhe erneut in einen großen temporären Ausstellungsort verwandeln. Mit einem breit gefächerten Spektrum künstlerischen Schaffens bietet die art karlsruhe Kunstliebhabern und -liebhaberinnen eine in ihrer Qualität unvergleichliche Zusammenstellung von Werken – von Klassischer Moderne über Nachkriegsmoderne bis hin zu Gegenwartskunst. Vier Hallen, ein großes Entrée und ein begrünter Innenhof geben Raum für kleinste Grafiken bis hin zu raumgreifenden Skulpturen und garantieren Entdeckungen sowohl für Kunst-Einsteiger als auch für erfahrene Sammler. Dieses inspirierende Zusammenspiel ist in Karlsruhe einmalig und lohnt einen Besuch!
100 JAHRE NEUE SFRANKFURT
Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung ganzjährig
Das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung ist ein einzigartiger Lern- und Erinnerungsort zu Flucht, Vertreibung und Zwangsmigration in Geschichte und Gegenwart. Flucht und Vertreibung von rund 14 Millionen Deutschen im Kontext des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Politik bilden den Schwerpunkt. Das Dokumentationszentrum versteht sich als ein Ort historischer Bildung und lebendiger Debatten im Geiste der Versöhnung. An zentraler Stelle in der Ständigen Ausstellung laden das Forum und die Werkstatt das Publikum ein, sich aktiv zu beteiligen. Das vielfältige Vermittlungsangebot richtet sich an Zeitzeugen und ihre Nachkommen, Schulklassen und Jugendgruppen, an Besuchergruppen aus dem In- und Ausland sowie an Lehrkräfte und Studierende. Neben der Ständigen Ausstellung „Das Jahrhundert der Flucht“ erwarten Sie in der Stresemannstraße 90 eine Bibliothek mit Zeitzeugenarchiv, ein Raum der Stille, Führungen, Workshops und Veranstaltungen. Die Öffnungszeiten sind von Dienstag bis Sonntag, 10 bis 19 Uhr, der Eintritt ist frei. flucht-vertreibung-versoehnung.de
www.museen-aschaffenburg.de
Wie sich Künstler von der Natur der Champagne Louis Roederer inspirieren lassen, dabei geeint vom Willen, die Schönheit und Vielfalt der Natur zu bewahren.
Duy Anh Nhan Duc
In seinen Installationen thematisiert der 1983 in Ho-Chi-MinhStadt, Vietnam, geborene Künstler immer wieder seine ganz besondere Beziehung zur Natur, vor allem zu den Pflanzen, deren Fragilität und Schönheit er hervorhebt. Er arbeitet mit Kleeblättern, Löwenzahn, Bocksbart, Weizen oder Flechten – und in den mittlerweile sechs Werken, die aus den Begegnungen in den Weinbergen von Louis Roederer entstanden sind, auch mit Reben oder Kalk. „Duy Anh besitzt diese sensible Intelligenz, die ihn veranlasst, ganz nah heranzugehen“, sagt Frédéric Rouzaud, CEO von Louis Roederer. „Ihm geht es darum die vorhandene Schönheit herauszustellen. Uns berührt das sehr, da es sich dabei um das Gleiche handelt, was wir jeden Tag mit der Kreation unserer Weine versuchen.“
Jean-Charles Gutner
Der Gang in die Weinberge und der intensive Dialog mit dem Kellermeister Jean-Baptiste Lécaillon von der Maison Louis Roederer über die Art, wie dieser zu einem naturnahen, biodynamischen, nachhaltigen Weinbau zurückfand, inspirierte den Fotografen Jean-Charles Gutner zu dem Projekt „Solar Panel“. Ausgangspunkt war der Gedanke, dass die Blätter der Reben „auf dem Höhepunkt ihres Wachstums der perfekte Ausdruck einer besonderen Symbiose von Himmel und Erde, Sonne, Regen und Weinreben seien. In voller Reife sind sie sogar wahre Sonnenkollektoren.“ Zwei Serien von Fotografien – eine mit Blättern von Pinot Noir-, die andere von Chardonnay-Rebstöcken – entstanden auf diese Weise. Sie fangen die Vielfalt der Natur in den Weinbergen von Louis Roederer detailliert ein.
Weitere Informationen über das Champagnerhaus, die Louis Roederer Weine und die Kunst finden Sie hier: www.louis-roederer.com /de
Alkersum / Föhr
Momente der Klarheit – Janus la Cour und das neue Bild der Natur Museum Kunst der Westküste
Bis 22. Juni
Janus la Cour (1837–1909), an der dänischen Westküste geboren, gilt es wiederzuentdecken. Bekannt als großer Einsiedler, hatte den Traum von einem perfekten Bild: ein leerer Strand, wild und öde. Er suchte karge, einsame Orte auf und verherrlichte sie in seiner fast meditativen Kunst. Bis heute faszinieren diese oft seriell angelegten menschenleeren Monumente der Stille. Nicht zuletzt hält er eine gefährdete Natur fest, die in der fortschreitenden Industrialisierung Europas zu verschwinden droht, und betont damit zugleich seine Ablehnung des impressionistischen Paris. Er animiert uns, innezuhalten. Erweitert wird die Ausstellung um zeitgenössische Perspektiven: Die Maler Per Kirkeby und Sven Drühl, die selbst La-Cour-Sammler waren beziehungsweise sind. mkdw.de
MusikTheater an der Wien ganzjährig
Nach 2 Jahren Sanierung erstrahlt das historische Theater an der Wien wieder in neuem Glanz. Das Haus zählt zu den schönsten und traditionsreichsten Bühnen Wiens – hier wirkten bereits Beethoven und Schikaneder und eine Vielzahl bedeutender Werke, wie Beethovens „Fidelio“, wurden hier uraufgeführt. Unter der Intendanz von Regisseur Stefan Herheim bietet das Haus ab Januar 2025 wieder herausragendes Musiktheater in hochkarätigen Besetzungen. Am Programm stehen Raritäten, Wiederentdeckungen und Höhepunkte aus 400 Jahren Musiktheatergeschichte – vom Barockjuwel bis zur zeitgenössischen Uraufführung, von der Strauss-Operette bis zum Belcanto. Im deutschsprachigen Raum einzigartig ist der Stagionebetrieb, der jedes Monat eine neue Premiere bietet. theater-wien.at
Nike: Form Follows Motion Vitra Design Museum Bis 4. Mai
Mit »Nike: Form Follows Motion« präsentiert das Vitra Design Museum die erste Museumsschau über Nike, die größte Sportmarke weltweit. Die Ausstellung verfolgt den Aufstieg des Unternehmens von einem lokalen Startup zu einem globalen Phänomen und legt den Fokus auf Nikes faszinierende Designgeschichte. Diese reicht von den experimentellen Anfängen in den 1960er-Jahren und dem Entwurf des berühmten »Swoosh«-Logos Anfang der 1970er über Innovationen wie die Air-Sohle oder die Air-Jordan-Kooperation bis hin zu aktuellen Forschungen zu Nachhaltigkeit und neuen Materialien. Zugleich untersucht die Ausstellung die Rolle des Sports innerhalb unserer Gesellschaft, sowie die fast mythische Verehrung von Sneakers und Sportmode in Popkultur und sozialen Medien. design-museum.de
Picasso 347 Kunsthaus Zug 25. Januar – 8. Juni
Pablo Picasso (1881–1973) war ein Meister der Druckgrafik. Zeitlebens experimentierte er mit verschiedenen Techniken, um seiner Fantasie und kreativen Kraft nachzukommen. 1968 schuf er von März bis Oktober 347 Gravüren. Ohne Rücksicht auf Normen mischte Picasso Kupferstich, Radierung, Kaltnadel, Aquatinta und Mezzotinta. Blatt für Blatt entfaltet sich eine Parade von Artisten, Kurtisanen, Musketieren, Künstlern und Modellen. Kostümiert spielen sie in der Komödie des Daseins, gezeichnet von Humor des alten Künstlers. In der Ausstellung werden rund vierzig Blätter einer Zuger Privatsammlung gezeigt. kunsthauszug.ch
Frührenaissance in Mitteldeutschland Macht. Repräsentation. Frömmigkeit.
Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Bis
2. März 2025
Die Welt ist im Wandel und ein neuer Stil kommt! Ein großer Umbruch vollzieht sich in einer der bewegendsten Epochen der deutschen Geschichte: Neue Impulse verändern Kunst und Kultur am Vorabend von Reformation und Bauernkrieg nachhaltig. Es entsteht die mitteldeutsche Frührenaissance.
Vor Ort in Mitteldeutschland hat sich von der Kunst jener Zeit nur wenig erhalten, sodass die Sonderausstellung eine seltene Zusammenschau der Kunst der Frührenaissance in der Region bietet. Vieles kehrt nach Jahrhunderten erstmals wieder in die Region der einstigen Bestimmung zurück. Hierfür stellt die Moritzburg als just in dieser Zeit errichtete erzbischöfliche Residenz in einer selbstbewussten bürgerlichen Handelsstadt den idealen Rahmen dar.
Gezeigt werden etwa 250 Werke von Künstlern wie Albrecht Dürer, Martin Schongauer, Jacopo de‘ Barbari und Lucas Cranach dem Älteren (re.: „Maria mit Kind und Johannesknaben“) aus öffentlichen und privaten Sammlungen ebenso wie selten gezeigte Grafiken und kostbare Preziosen. kunstmuseum-moritzburg.de
Bauern Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
25. Mai – 14. September 2025
Wichtige Erinnerungsorte des Bauernkriegs (1525) befinden sich im mitteldeutschen Raum. Anlässlich des 500-jährigen Gedenkens gibt dies den Impuls für eine gegenwartsbezogene künstlerische Auseinandersetzung, die sich sowohl mit den damaligen Ereignissen als auch mit den Bedingungen der heutigen globalisierten Landwirtschaft beschäftigt. 15 Künstler:innen und Kollektive sind von Werkleitz, dem in Halle ansässigen Verein für Film- und Medienkunst, eingeladen, in Sachsen-Anhalt neue Arbeiten zu entwickeln. Diese erforschen die Produktionsbedingungen und das emanzipatorische Potenzial heutiger landwirtschaftlicher Praktiken. Bis zu 14 weitere künstlerische Positionen kuratieren Övül Ö. Durmusoglu und Joanna Warsza für das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale). Sie richten den Blick auf allgemeine gesellschaftliche Fragen und Problemstellungen, die vor 500 Jahren zu den Bauernkriegsereignissen führten und in veränderter Form in einem globalen Kontext noch heute aktuell sind.Von Mai bis September 2025 werden alle ca. 30 Positionen im kompletten Neubau des Museums sowie an verschiedenen Stellen in der historischen Residenz in einer großen Zusammenschau zu sehen sein. planetarische-bauern.de
ZUKÜNFTE. Material und Design von morgen Grassimuseum Bis 24. August 2025
Das Leipziger GRASSI Museum für Angewandte Kunst widmet sich in seiner Sonderausstellung Themen ferner und nahen Zukünfte. Neben spekulativem Design, welches sich kritisch mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt, werden Materialien und Produkte gezeigt, die derzeit schon existieren und umsetzbare Alternativen darstellen.
Im dritten Kapitel zeigen Hochschulen die Prozesse hinter ihren aktuellen Forschungen. Vermehrt beschäftigen sich Designer*innen und Künstler*innen mit Aspekten von möglichen „Zukünften“. Design steht dabei an den Schnittstellen der unterschiedlichsten Disziplinen, dient als Impulsgeber und übernimmt die Vernetzungsrolle zwischen Forschung, Industrie, und Gesellschaft. grassimak.de
Charlotte Wenig in Zusammenarbeit mit dem Max-PlanckInstitut. Foto: Patrick Walter
Rudolf Hausner, Adam sicher (Selbstporträt), 1970, Lithografie, 31,2 x 27,9 cm, Sammlung Helmut Klewan, Foto: Christoph Sandig, Leipzig; © Sammlung Helmut Klewan
Reise ins Ungewisse. Ein Blick in die Welt des Surrealismus KUNSTHALLE „Talstrasse“ Bis
21. April 2025
In ihrer aktuellen Ausstellung setzt sich die in Halle beheimatete Kunsthalle “Talstrasse“ thematisch mit unterschiedlichen Spielarten surrealistischer Ausdrucksformen auseinander. Beginnend bei den Protagonisten der 1920/30er Jahre werden Perspektiven der Zwischen- bzw. Nachkriegszeit genauso gewürdigt wie Positionen des sogenannten „Phantastischen Realismus“. Darüber hinaus setzt die Kunsthalle einen besonderen Akzent mit grafischen Arbeiten von Künstlern aus der DDR, denen es gelang, eine eigene Bildsprache und Ästhetik zu entwickeln und künstlerische Grenzen neu auszuloten. kunstverein-talstrasse.de
Zeitalter-Besichtigung in Sixtina des Nordens
Eines der weltweit größten und faszinierendsten Ölgemälde auf Leinwand präsentiert das Panorama Museum in Bad Frankenhausen. Auf 14 Metern Höhe und 123 Meter im Umfang entfaltet sich in altmeisterlicher Formensprache ein Universum menschlicher Leidenschaften mit über 3000 Einzelfiguren, das ausgehend von den Bauernaufständen im 16. Jahrhundert den epochalen Umbruch vom Spätmittelalter zur Neuzeit mit überzeugender Authentizität und geschichtlicher Wahrhaftigkeit wie kaum ein anderes Werk bildhaft erlebbar macht.
Im Rahmen der Thüringer Landesausstellung „freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“ werden dem sogenannten Bauernkriegspanorama von Werner Tübke die historischen Vorbilder, die das Malergenie als Motivreservoir nutzte, zur Seite gestellt und in die Epoche von Humanismus, Renaissance und Reformation eingebettet. Die aus den historischen Quellen gespeiste, wissenschaftlich fundierte „Zeitalter-Besichtigung“ wird auf zwei Etagen des Museums zu erleben sein. panorama-museum.de
Oben ein Ausschnitt aus dem riesigen Gemälde von Werner Tübke, auf dem das Schlachtgeschehen der Bauernaufstände um 1525 zu sehen ist. Darunter die Außenansicht des Panorama Museums
WIEDER Jean Fouquet in Antwerpen SEHEN
Gibt es eine glamourösere, exzentrischere Madonna? Eine, die mit solcher Erotik aufreizt und zugleich so vereist in ihrer Unberührbarkeit erscheint? Ich kenne keine. Fast wirkt diese Muttergottes wie eine halblebendige Puppe, wie ein perfekter Avatar. Ihr Körper ist weiß und schimmernd wie Porzellan, die Wespentaille genauso künstlich wie die ballförmigen Brüste oder die kahlrasierte Stirn unter der Himmelskrone. Umringt werden Maria und das ebenfalls schneeweiße Jesuskind von Engeln, die ihrer in roten und blauen Durchfärbung so artifiziell, ja fast schon poppig sind wie alles in diesem Bild. Gemalt hat es Jean Fouquet, der erstmals Eindrücke der italienischen Frührenaissance nach Frankreich brachte. Die Madonna schuf er zwischen 1452 und 1460 für den Schatzmeister Étienne Chevalier. Das Tafelbild, heute im Königlichen Museum in Antwerpen, war ursprünglich der rechte Flügel eines Diptychons. Der linke Flügel hängt in der Berliner Gemäldegalerie und zeigt lebensecht und in sinnlichem Naturalismus Étienne Chevalier mit dem heiligen Stephanus. Im Herbst 2017 wurde das Diptychon in Berlin erstmals seit 80 Jahren zusammen ausgestellt. Auf Abbildungen fand ich Fouquets Madonna schon immer schräg, aber nun vor dem Original war ich völlig hingerissen. Beim Wiedersehen in Antwerpen vor anderthalb Jahren erging es mir genauso. Ich muss unbedingt wieder dorthin. Sebastian Preuss
IMPRESSUM
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Boxhagener Str. 18, 10245 Berlin
VERANTW. REDAKTEUR
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ART DIRECTION Céline Odermatt
REDAKTION Tim Ackermann Ralph Gerstenberg
BILDREDAKTION Iris Ströbel
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twentyfour Seven Creative
Münchner Opernfestspiele 27.6.–31.7.2025