ZEIT MAGAZIN 10/2023

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Jacken und Accessoires für den Frühling – ein Outdoor-Schwerpunkt, S. 44

CIAO!

2.3.2023 N0 10



Ein Gespräch mit der italienischen Rockband Måneskin



die italienische Rockband Måneskin wurde 2021

schlagartig weltberühmt, als sie den Eurovision Song Contest mit ihrem Song »Zitti e buoni« gewann – was auf Deutsch zwar »Leise und brav« bedeutet, aber optisch und musikalisch alles andere als leise und brav daherkam. Während viele ESC-Sieger danach wieder verschwinden, ging es für Måneskin seitdem nur bergauf: Sie tourten um die Welt, gerade erschien ihr neues Album »Rush!«. Giovanni di Lorenzo hatte von der Band schon ein paar Wochen vor dem ESC

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gehört, als sie das legendäre Sanremo-Festival gewonnen hatte. Er traf die vier jungen Musiker jetzt zum Interview in Berlin und war überrascht, wie offen sie über Politik und Kultur in ihrem Heimatland Italien redeten, »ohne zu befürchten, dass Kritik vielleicht dem Verkauf ihrer Musik schaden könnte«. Für ihn selbst hatte das Interview (S. 16) einen positiven Nebeneffekt: Seine Tochter ist großer Måneskin-Fan, »und für sie war es das Coolste, was ich je für die ZEIT gemacht habe«. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihre ZEITmagazin-Redaktion

Titelfotos FABIO GERMINARIO

Foto privat

ANTI-RUTSCH-BAND IM ELASTISCHEN BUND REFLEKTOREN AN DEN HOSENAUFSCHLÄGEN STRETCHANTEIL FÜR HOHEN BEWEGUNGSKOMFORT OEKO TEX® STANDARD 100 ZERTIFIZIERT


»Mich kann

HEITER BIS GLÜCKLICH

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man nicht ohrfeigen, ich heule Christoph Waltz spielt mal wieder den Bösewicht: In der Serie The Consultant stellt er einen eiskalten Unternehmens­ berater dar, der eine Firma in Angst und Schrecken versetzt ­(Prime Video)

Und so sieht das aus, wenn die Modemarke Burberry aus der Wärmflasche ein ziemlich heißes Accessoire macht

Jimmy Kimmel, Moderator der diesjährigen Oscarverleihung, erklärt, warum er der Richtige für den Job ist

Der Preis für die putzigsten Tierchen der Woche geht an diese zwei Madagassischen Spinnenschildkröten, die gerade im Zoo Hannover geschlüpft und derzeit kaum größer als eine EuroMünze sind

Im Pariser Picasso-Museum sind die farbgewaltigen Gemälde und Quilts der Künstlerin Faith Ring­ gold zu sehen, die schwarze Schönheit, aber auch die amerikanische Bürger­ rechtsbewegung abbilden

Apropos Oscars: Was trug Gwyneth Paltrow noch mal, als sie 1999 als beste Hauptdarstellerin ausgezeich­ net wurde? Und was sagt uns Elizabeth Taylors Kleid über das Jahr 1960? Kann man alles nachschlagen in Dijanna Mulhearns Oscars. Glamour auf dem roten Teppich (Prestel)

Diese orange-weißen Wandhaken von Raawii kosten deutlich mehr als der blau-weiße Angeber­ haken von Twitter, man hat allerdings auch mehr Freude daran

Glaubt man dem legendären Musik­ produzenten Rick Rubin, kann es schon reichen, eine Kerze anzuzünden, um kreativ zu werden. Diesen schockierenden Tipp gab Rubin jedenfalls neulich im Podcast The Ezra Klein Show, er machte dort Werbung für sein Buch kreativ. Die Kunst zu sein. Auch rät er zu Atem­ übungen, und: »Gemälde muss man sich im Museum angucken, nicht auf dem Laptop.« Ach, wow! Wenn Rubin jetzt noch ein Handy-Detox empfiehlt, muss man seine Genie-Anleitung gar nicht mehr lesen

Die Entdeckungen der Woche von Claire Beermann

Swampy, den neuen Song der Band Dry Cleaning, sollte man schön laut und mit geschlossenen Augen hören: Hypnotisierende Gitarrenriffs, darüber Sprech­gesang und Geflüster

Fotos Andrew Casey/Prime Video; Burberry; Alamy; Riedelt/Erlebnis-Zoo Hannover; Picture Alliance/Everett Collection; Raawii; Faith Ringgold/ARS, NY and DACS/ACA Galleries/Tom Powel Imaging/Pippy Houldsworth Gallery/Glenstone Museum; 4AD

schnell.«





HARALD MARTENSTEIN

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Ich habe in einem Artikel in der Welt über eine Frau gelesen, die dringend einen Partner sucht, es soll ein Mann sein. Vielleicht findet sich unter den ZEIT-Lesern jemand? Diese Frau ist dreißig, sie sieht sehr gut aus, besonders ihre Augen sollen atemberaubend sein. Ihre Hobbys sind akademische Debatten und Salsa­tanzen. Im Urlaub stöbert sie gern durch Galerien in schönen Städten, sie macht aber auch Gletschertouren. Diese Frau hat zwei Uni-Abschlüsse an Top-Hochschulen und einen Doktortitel in Chemie. Zurzeit arbeitet sie in einer hoch bezahlten Führungsposition. Sie findet keinen Mann, der ihr gefällt. Deshalb hat sie jetzt eine Spezial­ agentin für extrem schwierige Partner­suchen engagiert, Amy Andersen. Anfangs hat Andersen nur Frauen für die Internet­millionäre im Silicon Valley gesucht. Diese Männer seien zwar hochintelligent und reich, aber auch so­zial unsicher, sagt Andersen in dem Artikel. Sie arbeiten außerdem fast ununterbrochen. Mit Ende 30 wollten sie dann eine Beziehung, aber viele hätten noch nie im Leben ein ­Date gehabt und wüssten gar nicht, wie so etwas geht. Weder Small Talk noch Witz, noch Einfühlsamkeit gehörten zu ihren Stärken. Nun aber widmet sich Ander-

sen hauptsächlich einer Klientel, die sie für noch schwerer vermittelbar hält, den Kar­riere­ frauen. Davon gibt es ja immer mehr. Ihre Kundinnen hätten in der Regel präzise Vorstellungen von einem Partner. Er solle einen Harvard-Abschluss oder Vergleichbares besitzen, aus­sehen wie ein Adonis, mindestens 1,85 Meter groß und Mil­liar­där sein. Das Problem sei, dass es solche Männer nicht annähernd in der Zahl gibt, in der sie nachgefragt werden. Dies sei für Kar­riere­frauen, die glauben, durch Ehrgeiz alles erreichen zu können, nicht akzeptabel. Für das Argument, dass ein Mann sich auch liebevoll um die Kinder kümmern könne, sei dieser Personenkreis in der Regel nicht sehr aufgeschlossen. Für Kinder gibt es schließlich Personal. Es brauche also lange Vorgespräche. Das erste ­ Date wird mit Schauspielern geübt. Dabei geht es zum Beispiel um eine Körpersprache, die wohl nicht zu bossy sein darf. Es habe nämlich schon mal ein erstes Kontaktgespräch damit geendet, dass der Bewerber sich völlig verschüchtert um eine Stelle in der Firma der Frau bewarb. Als Partnerin aber sei sie für ihn nicht infrage gekommen. Es gibt auch Karrierefrauen, die den Mann nach dem ersten ­ Date auffordern, seine

Illustration Martin Fengel

Spermienqualität prüfen zu lassen und den Nachweis vorzuzeigen, dies scheint vor allem für Enddreißigerinnen zu gelten, denen die Zeit wegläuft. Bei den Männern kommt dies sicher nicht immer gut an. Frauen wollen meist keine Männer, deren sozialer Status unter dem ihren liegt, und ­seien sie auch noch so lieb, darauf läuft es wohl nach wie vor hinaus. Dass arme Männer in der Regel nichts gegen eine reiche Ehefrau haben, halte ich dagegen für wahrscheinlich. Gelöst wäre das Problem der Top-Frauen, wenn es jede Menge junge, schöne, hochgebildete Mil­liar­däre gäbe. Das ist schon in den USA kaum machbar, in Deutschland würde es die SPD niemals zulassen. Angeblich nehmen die meisten Partneragenturen im Silicon Valley keine Kundinnen an, so Amy Andersen, sie nehmen nur die unkomplizierteren Männer. Andersen bekommt, im Falle vollzogener Hochzeit, bis zu eine Mil­lion Dollar. Zurzeit sucht sie auch für eine Filmproduzentin einen Mann, der intellektuell ist, humorvoll, romantisch, leidenschaftlich, kunstinteressiert, reich, aber bitte nicht durch ein Erbe, sehr sportlich, jung, muskulös und Vegetarier. Dafür ist eine Million als Honorar sicher angemessen.

Zu hören unter www.zeit.de/audio

Über anspruchsvolle Karrierefrauen auf der Suche nach ebenbürtigen Männern


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WOCHENMARKT

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ICH BIN GERADE AUF GRATIN

Gratin mit Weißkohl und Maronen Zutaten für 4 Personen: 1 kleiner Kopf Weißkohl (ca. 800 g), 2 EL Olivenöl, Salz, 50 g Butter, 4 kleine Zwiebeln, 4 Knoblauchzehen, 100 ml Weißwein, 200 g Crème fraîche, 1 EL scharfer Senf, 100 g Gruyère (oder Comté oder ein ähnlicher Käse), 200 g Maronen (vorgekocht)

Ich finde es unhöflich, wenn man anderen Leuten erläutert, welche Diät man gerade macht. Es ist langweilig und übergriffig zugleich, eine seltene Kombination. Verzichtet gern auf Zucker, trackt eure Makros, führt ein Food-Journal, esst nur Eier und Ananas, aber redet nicht darüber. Jedenfalls nicht mit mir. Sonst denke ich vielleicht noch, ich muss auch eine Diät machen. Was soll dann aus dieser Kolumne werden? Oder gibt es eine Gratin-Diät? Dieses Rezept für überbackenen Weißkohl stammt von Joe Wood­house, einem Anti-­ Otto­ len­ ghi, der lieber mit fetten Milch-

Von Elisabeth Raether

produkten statt mit Kreuzkümmel kocht. Zunächst den Ofen auf 180 Grad Umluft heizen. Weißkohlkopf in etwa 8 große Schnitze zerteilen, die man in eine Auflaufform setzt. (Man sollte eine Form nehmen, in der die Schnitze ne­ ben­ ein­ an­ der Platz finden.) Olivenöl darüber verteilen, salzen. Ungefähr 45 bis 60 Minuten lang im Ofen rösten, bis der Kohl gar ist. Butter in einem kleinen Topf zerlassen. Zwiebeln und Knoblauch schälen, grob hacken, zur Butter geben, ebenso etwas Salz. Für etwa 15 bis 20 Minuten köcheln lassen, währenddessen ab und zu umrühren, bis die Zwiebeln

weich sind, sie sollen dabei auf keinen Fall bräunen. Wein dazugießen, eventuell Temperatur erhöhen, die Mischung soll etwa 2 Minuten lang köcheln. Das Ganze zusammen mit Crème ­fraîche, Senf und der Hälfte des geriebenen Käses mit dem Pürierstab zu einer Soße mixen. Mit Salz abschmecken. Weißkohl aus dem Ofen nehmen. Maronen mit den Fingern zerkleinern und zum Kohl in die Form geben. Soße in die Form gießen, um die Schnitze herum und darauf. Die andere Hälfte geriebenen Käses darauf verteilen und noch einmal 30 bis 40 Minuten im Ofen backen.

Foto Silvio Knezevic


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TAGEBUCH AUS KIEW

Als ich als Kind im Osten der Ukraine lebte, gab es einen Zeitplan für die Wasserversorgung. Je weiter man von großen Orten wie Donezk entfernt war, desto weniger Wasserstunden bekam man. Außerdem fiel das Wasserversorgungssystem von Zeit zu Zeit ganz aus. Wir haben für unsere Familie oft eine Badewanne mit Wasser gefüllt, für alle Fälle.

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16. FEBRUAR: DER FLUSS DNIPRO

Als ich mit 26 Jahren den Osten verließ und nach Kiew ging, fühlte ich mich deshalb in der Nähe des Wassers hier sehr wohl. Der Fluss Dnipro ist schön, lebendig und kraftvoll. Er ist romantisch und historisch. Gezeichnet habe ich ihn auf einer Brücke in der Stadt Dnipro, etwa 400 Kilometer südöstlich von Kiew.

Vor mehreren Wochen öffneten die russischen Besatzer die Tore des Staudamms von Kachowka in der Region Cherson, um den Dnipro auslaufen und anschließend austrocknen zu lassen. Das könnte dazu führen, dass 70 Prozent der Menschen, die ihr Wasser aus dem Fluss beziehen, ohne Wasser dastehen.

Der Illustrator Sergiy Maidukov, 42, ist in Donezk geboren und aufgewachsen, seit 2006 wohnt er in Kiew. Für uns zeichnet er, wie er sein Land in diesen Tagen sieht und erlebt


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Unsere Fotos zeigen Måneskin Ende November 2022, auf dem Weg von Chicago nach Detroit, während ihrer »Loud Kids«-Tour

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Sie sind jung, sie sind klug, und sie kommen aus Rom: Ein Gespräch mit Måneskin, einer der erfolgreichsten Rockbands der Welt

»DIE WAHREN LEGENDEN SIND TOTAL LASSIG« Von GIOVANNI DI LORENZO

Fotos FABIO GERMINARIO


18 wenn Sie im Ausland auf Tour sind, mit Menschen reden, In-

terviews geben – sind die Leute dann überrascht, dass eine junge Rockband, die auf der ganzen Welt Erfolg hat, aus Italien kommt?

Thomas Raggi: Immer! Zuerst sind alle erstaunt, es gibt einen Haufen Fragen, manche sind ganz klug und interessiert und drehen sich um kulturelle Unterschiede. Andere Fragen sind einfach nur dämlich: »Darf man Ananas auf Pizza tun?« Solche Fragen gab es beispielsweise in Amerika. Victoria De Angelis: Doch das lässt nach, inzwischen wissen ja alle, dass wir Italiener sind. Überrascht sind sie aber irgendwie immer noch. Ethan Torchio: Vielleicht auch, weil niemand mit dieser Musik aus Italien gerechnet hat. Häufig sind wir aber so sehr mit unserem Ding beschäftigt, dass wir gar nicht richtig mitkriegen, wie wir von außen wahrgenommen werden. Und eigentlich haben unsere Herkunft und der Wert unserer Musik nichts mit­ein­an­der zu tun. Werte sind an nichts gebunden. Musik aus Italien – damit verbindet man in Deutschland jenseits der Schlager Gianna Nannini, Zucchero, Eros Ramazzotti. Vielen Italienliebhabern ist Paolo Conte ein Begriff. Wen man hier gar nicht kennt, ist Lucio Battisti. Seine Musik ist wie der Soundtrack ganzer Jahrzehnte des Lebens in Italien. Heute, ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod, wird er immer noch täglich im Radio gespielt. Können Sie mit Battisti etwas anfangen?

Damiano David: Das ist zwar lange her, aber das macht ihn nicht weniger großartig, er ist zeitlos. Natürlich ist er von unserer Musik Lichtjahre entfernt, das komplette Gegenteil, aber trotzdem bleibt er auch für uns faszinierend. Warum kann Musik wie die von Lucio Battisti die Zeit überdauern?

Damiano: Weil sie etwas von ihrer Zeit einfängt, oder besser gesagt: weil es ihr gelingt, der Ausdruck eines Zeitenbruchs zu sein, einen Wendepunkt zu markieren, den viele Leute womöglich erst Jahre später verstehen.

Kochen wie anno dazumal, Ferien machen wie anno dazumal, die Musik von anno dazumal ... Gilt das auch für den Faschismus?

Ethan: Es gibt tatsächlich noch immer Leute, die behaupten, zu Kriegszeiten sei alles besser gewesen. Völlig irre! Ich glaube, diese latente Verklärung der guten alten Zeit hat den Neofaschismus salonfähig gemacht. Victoria: Meiner Meinung nach hat das auch viel mit Ignoranz zu tun. Das Schlimme ist, dass die Parteien auf die Unwissenheit der Leute setzen, auf ihre Rückwärtsgewandtheit oder ihre religiösen Einstellungen. Und jetzt haben wir eine Regierung, die sich Diskriminierung auf die Fahnen schreibt. Daran ist auch das Wahlverhalten schuld. Viele Menschen sind gar nicht zur Wahl gegangen. 40 Prozent der jungen Leute zwischen 18 und 25 haben nicht gewählt. Das sind verdammt viele! Woran liegt das?

Thomas: Wenn ich will, dass eine bestimmte Partei gewinnt oder verliert, gehe ich zur Wahl. Aber wenn es mich nicht juckt und ich keine Lust habe, von meinem gemütlichen Sofa aufzustehen, um mich vor ir­ gend­einem Wahllokal in die Schlange zu stellen, dann kommt es zu so einem Wahlergebnis. Aus der LGBTQSzene sind quasi alle zur Wahl gegangen und haben gegen Meloni gestimmt, denn für diese Menschen steht etwas auf dem Spiel. Sie wissen, dass sie buchstäblich in Gefahr sind, nicht nur ideell, sondern physisch. Aber ganz viele Menschen, die kein besonderes Anliegen haben, sagen sich: Meine Stimme ändert doch eh nichts. Nach dem Wahlerfolg von Giorgia Meloni im September haben Sie, Damiano, gepostet: Dies ist ein trauriger Tag für mein Land ...

Damiano: Dafür haben sie mich fertiggemacht. Sowohl in den sozialen Netzwerken als auch im Radio. Italien war mal sehr links, hatte die größte kommunistische Partei Westeuropas. Warum hat die Linke so stark an Anziehungskraft verloren?

Thomas: Für uns ist das schwer zu beurteilen. Wir haben nur die letzten fünf Jahre politisch bewusst erlebt. Mit dreizehn oder vierzehn kapiert man noch so gut wie nichts. Deshalb ist unser politischer Blick sehr beschränkt. Es steht uns nicht zu, ein Urteil über den Niedergang einer politischen Idee zu fällen. Was wir ansatzweise mitbekommen haben, sind gebrochene Versprechen und ebendiese Enttäuschung, dass die eigene Stimme keinen Unterschied macht.

Wenn wir beim Bild Italiens im Ausland bleiben, möchte ich eine Frage stellen, mit der ich selbst oft konfrontiert werde und die mich leider meist ziemlich ratlos macht: Wie ist es möglich, dass ein so liebenswertes Land wie Italien von einer postfaschistischen Partei regiert wird, zusammen mit einem Mann wie Silvio Berlusconi, der schwere Straftaten begangen hat und noch vor Kurzem seinem Fußballclub AC Monza einen Kleinbus voller Prostituierter versprach, wenn sie große Mannschaften schlagen würden, und einem Matteo Salvini, der sich über die Vorstellung ergötzt, Geflüchtete wieder im Boot zurückzuschicken.

Bekommen Sie, beispielsweise von Ihrem Plattenlabel, nie zu hören, dass Sie sich bei politischen Themen zurückhalten sollen?

Damiano: Für mich gibt es zwei Hauptgründe. Zum einen hat Italien ein kurzes historisches Gedächtnis. Wir haben die letzte rechte Regierung vergessen, wir haben vergessen, was passiert ist. Und zum Zweiten gibt es diese Vin­tage-­Weh­mut: Alles, was alt ist, ist schön.

Damiano: Wir haben eine ganz gute Balance gefunden, weil wir nie über konkrete Politik reden. Wir vier sind politisch ja auch nicht immer einer Meinung. Und wir wollen weder politische Meinungsmacher noch Moralapostel sein. Wir sprechen von Dingen, die unserem


19 Verständnis nach über jede politische Diskussion hinausgehen: Wir sind gegen den Krieg in der Ukraine, wir sind gegen die Diskriminierung von Minderheiten. Die Menschenrechte sind unantastbar. War Damianos »Fuck Putin« am Ende eines Konzerts beim kalifornischen Coachella-Festival spontan, oder haben Sie vorher darüber gesprochen?

Victoria: Das war spontan.

Aber die Verantwortung tragen Sie dann alle.

Victoria: Natürlich. Wenn es eine Haltung gibt, die weltweit selbstverständlich sein sollte, dann positionieren wir uns klar und deutlich. Darüber sollte Einigkeit herrschen, ganz gleich, ob ich rechts, links oder sonst was bin. Hat die katholische Kirche in Italien heute noch großen Einfluss?

Alle: (ironisch, im Chor) Nein! Ach was! Victoria: Sie stellt sich nur cleverer an und tritt weniger in Erscheinung. Auf Druck der Kirche hat der staatliche Rundfunk RAI in Italien Anfang der Siebzigerjahre John Lennons Song ­»Imagine« nicht gespielt, weil darin die Zeilen »­ Imagine ­there’s no heaven ... And no religion, too« vorkommen. Diese Worte haben genügt. Im Vergleich dazu ist der Einfluss der Kirche doch sehr klein geworden.

Victoria: Aber er ist leider immer noch sehr groß. Viele Menschen halten an den Werten der Kirche fest. Als unsere Plakate in Rom geklebt werden sollten, hat uns die Kirche Schwierigkeiten gemacht. Auf dem Foto war ich mit verdrehten Augen zu sehen, man sah nur das Weiße, das war denen zu dämonisch. Deshalb wurde uns die Plakatierung in der Nähe des Vatikans untersagt. Aber wenn das stimmt, dann ist das doch eigentlich Werbung für Sie?

Thomas: Nein. Das haben wir bisher noch niemandem erzählt. Die Werbung können Sie ja jetzt für uns machen. (lacht) Bei anderen Themen hingegen ist man in Italien entspannter als zum Beispiel in Amerika: Als Victoria bei den MTVAwards ihr Oberteil verlor und man die Brust sah, wurden die Bilder sofort ausgeblendet. So etwas wäre in Italien dann doch undenkbar, oder?

måneskin gehören mit 27 Millionen monatlichen Hörern

bei Spotify zu den erfolgreichsten Rockbands der Welt. Ethan Torchio (Schlagzeug), 22, Damiano David (Gesang), 24, Thomas Raggi (Gitarre), 22, (von links nach rechts) und Victoria De Angelis (Bass), 22, kennen sich zum Teil aus der Schule in Rom, 2016 gründeten sie die Band, ein Jahr später nahmen sie an der Castingshow »X Factor« teil. 2021 gewannen sie das San­ remo-­Festival und den Eurovision Song Contest mit ihrem Lied »­ Zitti e buoni«. Im Januar erschien ihr drittes Album, »Rush!«, das in 20 Ländern an der Spitze der iTunes-­Charts einstieg. Im März spielen sie zwei Konzerte in Deutschland. Das Wort Måneskin kommt aus dem Dänischen und bedeutet »Mondschein«

Damiano: In Italien sind wir mit Nacktheit gelassener, mit anderen Dingen weniger. In Amerika ist Nacktheit total tabu. Dafür sieht man überall Waffen. Victoria: Und man darf keine Schimpfwörter sagen, die werden sofort zensiert. Damiano: Als Victorias Brustwarze zensiert wurde, hatte es vor uns einen Auftritt mit lauter phallischen Symbolen gegeben, aber das war offenbar kein Problem. Das männliche Geschlechtsteil geht in Ordnung, das weibliche nicht. Waren Sie mit Ihrer Haltung, Ihren Haaren, Ihren Outfits schon in der Schule Outsider?

Ethan: Ja, wir waren anders, stachen heraus, experimentierten mit unseren Looks. Ich war an meiner Schule ein ziemlicher Sonderling, wurde zwar nicht gemobbt, war aber der bunte Hund im Gegensatz zu den anderen, die sich alle gleich anzogen. Das ist heute noch so. Alle sehen gleich aus. Damiano: Es geht darum, bloß nicht aufzufallen, möglichst ­basic daherzukommen, so nennen wir das. Der Unterschied lässt sich nur am Preis festmachen: Man


In Italien gebe es eine »Vintage-Wehmut«, sagen Måneskin. Ob Kochen, Ferien oder Musik: Alles, was alt ist, sei schön


21 hat genau die gleichen Schuhe wie die anderen, aber in der Limited Edition, die sechsmal mehr kostet.

gegen den Strich gegangen. Aber sie haben uns machen lassen und an uns geglaubt.

Und gleichzeitig hat die Toleranz gegenüber Abweichungen abgenommen?

Sie, Damiano, haben in Ihrem Leben angeblich nur einen Monat ordentlich gearbeitet, und das muss schrecklich gewesen sein.

Ethan: Toleranz ist ein ganz wunder Punkt. Man redet sich ein, die Gesellschaft sei total offen, die Mentalität habe sich geändert, weil es heutzutage läppisch klingt, zu sagen, ich werde wegen meiner Klamotten ausgelacht. Aber in Wirklichkeit ist es noch genauso. Als ich klein war, hat mir das zu schaffen gemacht. In Italien ist das noch viel extremer als in anderen Ländern. Hier ist man in vielen Dingen sehr konservativ, Andersartigkeit wird als bedrohlich oder falsch empfunden. Junge Männer mit langen Haaren zum Beispiel?

Ethan: Total. Für mich war das ein Filter, um zu kapieren, auf welche Leute ich mich einlassen kann und um welche ich lieber einen Bogen mache. Ganz viele haben mich gefragt: Warum hast du lange Haare? Ich habe geantwortet: Weil ich es schön finde. Aber du bist doch ein Junge. Na und? Ja, aber so siehst du aus wie ein Mädchen. Das ging mir auf die Nerven, aber zum Glück habe ich mich davon nicht beeinflussen lassen. Trotzdem fühlte ich mich als Außenseiter und damit diskriminiert. Damiano: Wenn man die Kommentare und Kritiken aus Italien liest, die wir beispielsweise auf Face­book bekommen, drehen sie sich zu achtzig Prozent um unser Aussehen. Sobald wir ein Foto posten, auf dem einer von uns ein bisschen Haut zeigt oder eigenwillig angezogen ist, hagelt es ätzende Kommentare. Es ist verdammt traurig, die geballte Wut dieser Menschen zu sehen, die andere niedermachen. Was juckt es dich, wie ich mich anziehe? Wieso nervt es dich, wenn ich mit mir selbst im Reinen bin und ein Foto poste? Betrifft das auch Ihre Texte?

Damiano: Ja, aber paradoxerweise geht es mehr um unser Äußeres. Viele hören sich unsere Texte gar nicht an. Die sehen die Fotos und ­haten los. Stimmt es eigentlich, dass nur einer von Ihnen die Schule beendet hat und die anderen sich auf die Musik gestürzt haben?

Thomas: In Wirklichkeit haben wir uns alle auf die Musik gestürzt. Ich habe Abi gemacht, aber das war etwas Persönliches. Wir alle haben die gleiche Entscheidung getroffen: Die Sache gefällt uns, es läuft gut, also hängen wir uns da voll rein. Auch, als Sie noch keinen Erfolg hatten?

Thomas: Ja! Vor allem Victorias Entscheidung für die Musik war als Impuls ganz wichtig. Wir dachten, wenn sie sich traut, dann trauen wir uns auch. Waren Ihre Eltern damit einverstanden?

Ethan: Einverstanden nicht. Aber sie haben sofort kapiert, dass uns die Sache wirklich wichtig ist. Deshalb haben sie uns mehr Freiheiten gelassen, als es bei den meisten Teenagern unseres Alters der Fall gewesen wäre. Natürlich ist ihnen die Sache mit der Schule

Damiano: Das war länger als ein Monat. Ich war als Vertreter für alle Arten von Wellness-Produkten unterwegs, habe Klinken geputzt. Die Produktpalette war weit gefasst – von Kosmetika bis Matratzen. Unsere Zugpferde waren eine Kaffeemaschine und ein Wasserfilter, die kosteten ein Vermögen, völlig krass. Wenn ich bei den Leuten vor der Tür stand, kam ich mir vor wie ein Dieb. Wir bekamen diesen gigantischen Schwachsinn eingetrichtert, den wir denen verklickern sollten, damit sie 400 Euro für ein Kopfkissen springen lassen. Ich war ziemlich gut darin. Aber es war grauenhaft. Ich habe von Juni bis September gearbeitet, steckte im heißesten Sommer von morgens bis abends im Anzug und musste schweißgebadet mit der U-Bahn von einer Endstation zur anderen gondeln. Hat Ihnen diese Zeit auch etwas gebracht, wovon Sie heute profitieren?

Damiano: Man lernt, sich einem Publikum zu stellen, mit Menschen zu interagieren, auch wenn man ihnen auf den Wecker geht. Und man lernt etwas fürs Leben: Respekt, Disziplin, Pünktlichkeit. Man lernt, zu einem Team zu gehören und sich unterzuordnen. Man lernt, verlässlich zu sein, auch wenn man total fertig ist: Da sind Leute, die mit dir zusammenarbeiten, also lass sie nicht hängen. Zwischen Italien und Deutschland gibt es einen Unterschied, der ausnahmsweise kein Klischee ist: In Deutschland ziehen die Kinder möglichst schnell nach der Schule von zu Hause weg, in Italien leben viele noch mit 35 bei den Eltern. Warum ist das so?

Victoria: Darüber denke ich ziemlich oft nach. In Dänemark ist es ähnlich wie in Deutschland. Allerdings haben junge Menschen dort auch viel mehr Möglichkeiten. In Italien gucken sie nicht nur in künstlerischer Hinsicht ziemlich in die Röhre. Es gibt kaum Unterstützung vom Staat, in Italien zu studieren verlangt einem viel ab: Die Anforderungen sind hoch, zum Jobben bleibt keine Zeit, und wenn man keine staatliche Hilfe bezieht oder nebenher Geld verdient, ist es praktisch unmöglich, von zu Hause auszuziehen. Es sind also rein finanzielle Gründe?

Victoria: Ich glaube, es hat auch was mit unserer Kultur zu tun. In meinem Freundeskreis gibt es viele Eltern, die sehr an ihren Kindern hängen und glauben, sie müssten sie beschützen und möglichst lange zu Hause behalten. In anderen Ländern ist das anders, in Dänemark setzen einen die Eltern mit achtzehn vor die Tür. Eltern, die sagen: Hau ab! – das ist in Italien völlig unvorstellbar. Hier heißt es: Nein, aber du bist doch mein Kind, bleib bei mir, ich kümmere mich um dich.


22 Damiano: In Italien spielt die Familie eine große Rolle, aber unsere Generation würde alles dafür geben, von zu Hause wegzukommen. Die erträgt ihre Eltern nicht mehr – bei aller Liebe. Doch ihr fehlen die Mittel. Ich beispielsweise komme aus einer stinknormalen Familie, uns fehlt es an nichts, aber für meinen älteren Bruder, der arbeitet und einen guten Job hat, wäre es momentan noch völlig unmöglich, bei unseren Eltern auszuziehen. Ich hingegen hatte Riesenglück und konnte früh von zu Hause weg. Sie sind alle Anfang zwanzig. Lebt von Ihnen noch jemand zu Hause?

Ethan: Wir sind eigentlich alle ausgeflogen. Thomas: Ich wohne zurzeit noch bei meinen Eltern, aber demnächst vollziehe ich den großen Schritt. Damiano: Aber du hast doch schon allein gelebt und fandest es blöd! Thomas: Ich hatte diese Wohnung in Trastevere, aber das waren höchstens sechs Monate, das zählt nicht. Ich war gar nicht richtig von zu Hause weg, musste keine Verantwortung übernehmen. Jetzt geht was völlig anderes los. Haben Sie es Ihren Eltern schon gebeichtet?

Thomas: Ja, und die fanden es jetzt auch gar nicht mehr so schlimm. In Deutschland gibt es diese Redewendung: Kneif mich mal. Waren die vergangenen Jahre für Sie nicht auch ein bisschen unglaublich?

Damiano: Und wie, jeden Tag! Als wir im Sommer vergangenen Jahres im Circo Massimo aufgetreten sind, und das auch noch in Rom, in unserer Stadt, habe ich darum gebeten, das Publikum anzustrahlen, weil wir auf der Bühne wenig sehen. Siebzigtausend Zuschauer – es war ein Meer von Menschen! 2021, nur wenige Monate nach Ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest, waren Sie Vorband der Rolling S ­ tones. Sie haben Mick Jagger getroffen. Wie war er?

Victoria: Obergeil. Ethan: Wie man ihn sich vorstellt. Voll unter Strom, begeistert. Mit dieser typischen Stimme. Wusste er, wer Sie sind?

Damiano: Ja, er wusste voll Bescheid. Er hatte sich vorbereitet. Keith ­Richards dagegen war ganz ehrlich: Ich habe keinen Schimmer, wer ihr seid, aber ich sehe die Gitarre, das Schlagzeug – super, sehr gut, weiter so. Ciao. Bei einem Konzert von Metallica hat man angeblich zwei von Ihnen – Victoria und Thomas – wie ganz normale Fans begeistert vor der Bühne tanzen sehen.

Thomas: Stimmt! Aber wir haben uns auch in Rom schon gesehen. Und in Mailand. Bevor wir sie kennenlernten, waren wir glühende Fans. Würden Sie sagen, dass die wahren Künstler nahbar bleiben?

Damiano: Ja, im Großen und Ganzen schon. Victoria: Aber es fällt schon auf, dass die Superstars von heute, vor allem die jungen, sich mächtig aufplus-

tern. Die wahren Legenden sind dagegen total lässig, setzen sich zu dir ins Studio und plaudern stundenlang, ohne sich einen Zacken aus der Krone zu brechen. Fast alle alten Musiker sagen, was sie in ihrer Jugend gemacht haben, das könnten sie heute nicht mehr bringen – schon allein deswegen, weil sie nicht mehr politisch korrekt wären.

Victoria: Nein, das ginge gar nicht mehr. Viele von denen, die Rockgeschichte geschrieben haben, waren total crazy oder dauer­high. Damiano: Wenn man früher durchgeknallt und zugedröhnt war und krasses Zeug gemacht hat, haben die Leute das nur mitbekommen, wenn man eine Berühmtheit war. Heute kann jeder No-­Name sich mit Drogen vollpumpen, aus dem Fenster hüpfen und damit viral gehen. Jeder kann Rockstar spielen. Alles will bedeutend sein, und nichts hat mehr Bedeutung. In Las Vegas haben Sie zwei Instrumente zertrümmert, eine klassische Rockgeste, für die Sie heftig kritisiert wurden ...

Damiano: Für uns war das eine Art, das letzte Konzert zu feiern. Wir haben den Moment genossen, da war es uns egal, was die sozialen Netzwerke dazu sagen. Thomas: Wir haben extra schrottige Instrumente genommen. Ich haue doch keine Fünftausend-Euro-Gitarre zu Klump! Haltet ihr uns für so bescheuert, oder was! Das hat mich am meisten genervt. Aber man muss lernen, drauf zu scheißen. Victoria: Ich finde es scheinheilig, uns vorzuwerfen, wir würden mutwillig Instrumente zerdeppern. Wenn bei anderen Bands die Feuerwerke fliegen, sagt keiner: Da wurden hunderttausend Euro verpulvert. Gibt es jemanden von den alten Rockstars, den Sie gern treffen würden?

Thomas: Jimmy Page. Victoria: David Bowie. Geht leider nicht. Also vielleicht Patti Smith. Damiano: Ich Paul McCartney. Ethan: Hätte ich auch fast gesagt. Aber auch Bono. Was würden Sie sie gerne fragen?

Damiano: Von großen Bands hört man immer diese Geschichten, von denen viele, glaube ich zumindest, schlicht erfunden sind: Sie haben diesen Gitarrenriff gespielt – und zack, war der Song da! So läuft das aber nie. Ich würde mir gern erzählen lassen, wie es wirklich war, aus erster Hand. Nach dem Motto: Die Story ist ein Märchen, in Wahrheit lief es ganz anders ... Und wie ist es bei Ihnen? Es heißt, der Song »Zitti e buoni«, der Ihr Durchbruch wurde, sei deswegen gerade bei Jugendlichen so erfolgreich gewesen, weil er ein Aufschrei gegen die Covid-Beschränkungen war. Stimmt das denn?

Thomas: Das ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Tatsächlich war Zitti e buoni ein Ausdruck unserer Wut zu der Zeit. Wir freuen uns riesig, dass die Leute sich darin wiedererkannt und den Song zur Hymne für ihre eigenen Anliegen gemacht haben. Natürlich


Die Superstars von heute, vor allem die jungen, würden sich mächtig aufplustern, finden Måneskin

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24 bezog er sich nicht nur auf die Covid-Situation und hatte auch nicht die Absicht, zum Aufstand gegen die damals geltenden Regeln aufzurufen. Stimmt es denn, dass Sie sich bei einem Konzert in den USA in eine italienische Flagge gehüllt haben?

Damiano: Das war dann wahrscheinlich ich, weil ich vom Publikum alles zugeworfen kriege und als Einziger die Hände frei habe. Anders als in Italien oder Amerika würde man das in Deutschland als patriotische, wenn nicht gar rechte Geste deuten.

Damiano: Wenn wir in Rom spielen, käme ich nicht auf die Idee, mir eine italienische Flagge umzuhängen. Aber wir sind auf Tour in Amerika, und da zeige ich Flagge, um zu sagen: Ich bin ein Italiener in der Welt. War da ein bisschen Stolz mit dabei?

Thomas: Aber klar, und ob! Das wird zelebriert. Damiano: Je mehr ich von der Welt sehe, desto fester bin ich überzeugt, dass Italien das schönste Land der Welt ist, Fehler hin oder her. Nichts zu machen. Victoria: Italien ist ein wunderbares Land, in dem

großartige Menschen leben. Es ist mit keinem anderen Land vergleichbar. Und es tut weh, dass es so viele Leute gibt, die es mit ihrer Scheißmentalität kaputt machen wollen. Deshalb versuchen wir, eine positive Message rüberzubringen, drauf zu pfeifen und die Einstellung dieser Menschen zu ändern. Mein Lieblingssong von Ihnen ist »Vent’anni«. Darin heißt es: »Ich habe Angst, dass ich in der Welt nur Geld hinterlasse.« Ist das in Ihrem Alter wirklich eine Angst?

Damiano: Weniger eine Angst als das Bewusstsein, dass das nicht passieren soll. Dieser Satz meint, ich will der Welt nicht nur das hinterlassen, was ich erwirtschaftet habe, sondern etwas erschaffen, das die Zeit über­ dauert, das am Innersten des Menschen rührt. Thomas: Wir sprachen vorhin über Lucio Battisti. Er und auch Vasco Rossi, ein anderer großartiger italienischer Sänger, werden niemals sterben. Damiano: Weil sie Generationen beeinflusst haben, die ihrerseits ihre Kinder damit beeinflussen. Das ist das Erbe, das zählt und das man gerne hinterlassen will.

Mitarbeit HANNA GIEFFERS, SIMONE STEINMETZ, VERENA VON KOSKULL (Übersetzung)

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Die guten Tanzschuhe der Oma kamen nicht mit ins Altersheim, sondern in einen Laden für Bedürftige. Rechte Seite: Das Bild hat Köhler aufgenommen, als sie ihre Oma zum letzten Mal in deren Wohnung besucht hat


GOLDFISCHOMA Irgendwann war die Pflege ihrer dementen Großmutter für Karen Köhler und ihre Familie nicht mehr zu schaffen. Die Schriftstellerin hat sie nun beim Umzug ins­ Altersheim begleitet


Text und Fotos KAREN KÖHLER Meine Oma ist ein Goldfisch. Durch ihre dicken und sehr großen Brillengläser werden ihre Augen grotesk vergrößert, weshalb ich sie liebevoll Goldfisch nenne. Ich weiß, dass Goldfische ein gutes Gedächtnis haben, bis zu fünf Monate können sie sich zurückerinnern, das schafft meine Oma nicht mehr. Heute habe ich sie auf dem Weg durch den Speisesaal verloren. Es sind nur 20 Meter geradeaus durch den Raum bis zur Terrasse, aber sie ist irgendwo abgebogen, hat mich schon wieder vergessen. Meine 95-jährige Oma ist demenzkrank, und seit Opas Tod hat sie einen richtigen Schub, sie schwimmt mehr durch die Tage, als dass sie sich an festem Grund orien­tiert. Meine Mutter und ich haben die Pflege nicht mehr geschafft, nun ist Oma seit Kurzem in einem Altersheim. Es bricht uns das Herz, aber es ging nicht mehr anders, wir haben es so lange wie möglich hinausgezögert. Kurz vor ihrem Umzug hätte Oma fast ihre kleine Mietwohnung in Brand gesetzt. Nach Opas Tod aß ich regelmäßig mit ihr zu Mittag, auch um ihr die Würde zu schenken, noch jemanden bewirten zu können. Wir machten immer Arbeitsteilung: Sie kochte, na ja »kochte«, es war eher ein Aufwärmen und Zusammenschütten, und ich deckte den Tisch, versuchte Untersetzer zu finden, die noch einigermaßen sauber waren, stellte Teller, Besteck, Gläser und die Pillendöschen bereit, holte das Staatlich Fachingen aus dem Keller, das sie immer trank. Oma hatte nur Pflegegrad 1, und niemand außer uns kümmerte sich darum, dass sie ihre Ta­blet­ten auch in der richtigen Menge und zur richtigen Tageszeit nahm, wir aber konnten nicht rund um die Uhr bei ihr sein, weshalb sie es manchmal vergaß, auch mal die doppelte oder gar dreifache Menge einwarf, was schon zu Kreislaufproblemen, Stürzen und einem Krankenhausaufenthalt geführt hat. Seitdem hat sie den Rollator. Omas Mittagessen war in den letzten Jahren zu einem in Fett ertränkten Eintopf verkommen, in dem Fertigbratkartoffeln und bis zur Besinnungslosigkeit zerkochtes Gemüse in einer undefinierbaren Flüssigkeit schwammen. Die Fett­augen an der Oberfläche sahen mir tief in die Seele und machten mir Angst. Aus Liebe zu meiner Oma würgte ich aber trotzdem immer ein paar Löffel davon herunter, ansonsten hielt ich mich an den Salat, auch wenn er mal in Essig ertrank, dann hatte sie das Öl vergessen, aber die doppelte Portion Kräuteressig verwendet. Kurz bevor sie ins Altersheim kam, saßen wir also Punkt 12.30 Uhr am Esstisch, als ich den Geruch von Verbranntem wahrnahm. Ich stürzte in die winzige Küche, Oma hinterher, vom Herd qualmte es dunkel, die Gasflamme war zwar kleingestellt, aber eben nicht ausgestellt worden, in der Bratpfanne schrumpelten schwarze Reste Teufelsbratkartoffeln. Ich wuchtete die Pfanne in die Spüle, meine Oma drehte den Gasregler hoch und legte ein Küchenhandtuch auf die Flamme, die gleich gierig begann, sich das Tuch einzuverleiben: Es brannte. Meine Oma wich erschrocken zurück, ich löschte, riss das Fenster auf, im Flur ging der Pieper an der Decke an, den meine Oma routiniert mit einem Regenschirm zum Schweigen brachte. Ich wedelte, wischte und weichte ein. Dann setzten wir uns wieder an den Esstisch. Meine Oma beschwerte sich über die Temperatur des Essens, mit einer Vehemenz, als sei sie in einem Restaurant und würde gleich den Service rufen wollen und hätte nicht eben fast ihre eigene Küche abgefackelt. In einer Gesprächspause hörte ich es plätschern. Ich stand auf, horchte, pirschte und riss die Badezim-

28 mertür auf, das Waschbecken lief über. Das war der Moment, in dem auch ich begriff, dass es so nicht mehr weiterging. Meine Mutter hatte Oma schon Wochen vorher in einem Heim auf die Warteliste setzen lassen, sie war mit ihren Kräften am Ende, jetzt sah auch ich es ein. Ich drehte den Wasserhahn zu, löste den Stöpsel, meine Oma sagte: »Na so was.« Als hätte sie nichts damit zu tun. Ihre großen Kugelaugen schwammen durch Bruchstücke ihres Kurzzeitgedächtnisses, sie sah mich hilflos durch ihr riesiges AchtzigerjahreBrillengestell an, wo ihre neueste Brille ist, wissen wir nicht, niemand kann sie mehr finden. Ich beruhigte sie. Ich wusste ja, was sie gewollt hatte: Löschwasser sammeln. Dass es gebrannt hatte, daran konnte sich meine Gold­fisch­oma aber schon nicht mehr erinnern ... Ihr Alltag bestand seit Jahren im Grunde nur noch aus Suchen und begonnenen, aber nicht zu Ende geführten Tätigkeiten. Sie verbrauchte deswegen sehr viele Kalorien. Essen, das für zwei bis drei Tage reichen sollte, war oft bereits am nächsten Tag verspeist, weshalb meine Mutter hochfrequent für sie einkaufte. Unser Whats­App-­ Chat sah beispielsweise so aus: Mama: Habe gestern 700 Gramm Spargel gekauft, die liegen im Kühlschrank. (In feuchtem Tuch eingewickelt!) Daneben steht fertige Hollandaise. Lasst es euch schmecken. Ich: Kein Spargel, keine Soße mehr da. Oder: Brauchst keine Kekse mitbringen. Habe ihr gestern zwei Packungen in den Schrank gelegt. Wie viele Kekse pro Tag passen in eine demenzkranke Oma? Demenz ist eine sehr hungrige Krankheit, das weiß ich auch von meiner anderen, bereits verstorbenen Oma, die Alzheimer hatte und in deren Kühlschrank ich mal über 20 Sahnejoghurts fand. Alzheimer ist auch eine sehr knitterige Angelegenheit, das wurde klar, als ich die vier Bügeleisen in ihrem Kleiderschrank inspizierte, alle innerhalb von Tagen bei Aldi im Angebot gekauft. Die Kassenbons lagen noch in den Tüten. Sie hatte mir die Bügeleisen wie Fremdkörper gezeigt, nachdem sie mir die Wohnungstür geöffnet hatte, dabei trug sie den BH über dem Pullover. Es war einer dieser steifen, beige­far­be­nen Büstenhalter mit spitz zulaufender Form, der nun den Strickpullover und die Brüste unter sich erstickte. »Oma, du hast da was verwechselt.« – »Ich hab mich schon gewundert, warum der heute so stramm sitzt.« Wir gingen ins Schlafzimmer, um die Reihenfolge der Oberbekleidung zu ändern, da machte sie den Schank auf und fragte: »Brauchst du eigentlich ein Bügeleisen?« Sie zeigte auf die vier Aldi-Tüten. Sie hatte keine Ahnung, wo die herkamen, diese Bügeleisen-Schlingel, die sich gegen ihren Willen zwischen den Pullovern vermehrten. Demenz frisst dir die Persönlichkeit schneller weg, als du dich von ihr verabschieden kannst. Meine Goldfischoma hat im Heim stark abgenommen, weil sie jetzt keine 700 Gramm Spargel mehr am Tag weghauen kann, sondern vier geregelte Mahlzeiten einnimmt, davon nur eine warm, sie aber trotzdem immer noch sucht und sucht und sucht. Es kann aber auch an dem jetzt intensiven Gebrauch des Rollators liegen. In ihre enge, alte Mietwohnung hatte der nicht gepasst, weshalb er ein paar Monate einsam unten im Treppenhaus stand und auf Einsatz wartete, jetzt im Heim pest Oma regelrecht durch die Gänge, in die Fahrstühle, in den Garten, sie ist die schnellste Maus des Altersheims und schmilzt aus ihren C&A-Hosen. Vor einigen Tagen hatte Oma ihr Gebiss verloren, die ganze Station war alarmiert, sie hatte das komplette Heim danach abgesucht; in ih-


rer Handtasche, die sie oft vorne in ihrem Rollator verstaut, tauchte es nach Stunden wieder auf. Sie fand es, als sie nachsehen wollte, ob sie genug Geld für Kaffee und Kuchen dabeihabe – der Aufenthalt im Heim erscheint ihr noch als gigantische Kreuzfahrt –, und strahlte mich und die Pflegerin dann mit Kukident-2-Phasen-Lächeln an: »Ich habe meine Zähne gefunden!« Wir gratulierten erleichtert. Ich stehe draußen auf der Terrasse, lege meine Hände an die Scheibe, schirme das Sonnenlicht ab und suche meine falsch abgebogene Oma im Saal. Wegen der Pandemie darf ich mich im Speisesaal nicht aufhalten, durchgehen ja, aufhalten nein, trotz Maske, Negativtest und Impfung nicht. Oma und ich hatten das vorher an der Tür des Saals besprochen: Wir gehen geradeaus durch, auf die Terrasse und von da in den Garten, und dann drehen wir eine kleine Runde, ja? Ich hätte hinter ihr gehen sollen. Drei Frauen an einem Tisch in der Nähe des Fensters sehen mich mit großen, wässrigen Augen an. Auch sie schwimmen durch die Zeit in diesem Aquarium, suchen mit Blicken Halt, sehen in mir nur Besuch, der nicht ihnen gilt. Besuch, der nicht gekommen ist, um ihren Alltag zu unterbrechen. »Wer bist du? Wessen Besuch bist du?«, fragen diese Augen, dazu gehen ihre Münder lautlos auf und zu. Ich winke ihnen zaghaft. Sie lächeln und winken zurück, ihre Kuchengabeln winken, ihre Hände winken, ihre Wimpern winken. Meine Oma sitzt am Tisch dahinter und schenkt sich gerade einen Tee ein. Ich winke energischer und zeige auf meine

Oma, aber die Frauen nicken nur und stecken ihre Kuchengabeln in rechteckige Mandarine-Schnitten. Ich will reingehen, um Oma zu holen, aber vor der automatischen Schiebetür hat sich ein kleiner Stau gebildet: Zwei Rollstühle haben sich in­ein­an­der verkeilt. Die Frau, die rauswill, hat sehr blaue Augen, der Mann, der reinwill, hat sehr wenig Geduld. Beide ruckeln und rütteln an den verkeilten Rädern. »Immer dasselbe mit dir!«, schimpft der Mann, hinter ihm kommentieren andere, ob es bald mal weitergehe, was denn da los sei, und meine Güte. Einer will wissen, ob ich öfter hier sei, er flirtet mich hart von links unten an, ein Ü80-Hecht im Rollstuhl, wir lachen. Ob ich irgendwie helfen könne, frage ich in die Runde. Aber nein, bitte nicht, so weit komme es wohl noch, dass ich ihnen den letzten Rest Selbstständigkeit raube! Hallo? Also stelle ich mich hinten an und warte. Irgendwann lösen sich die verkeilten Räder, und die Frau mit den blauen Augen schwimmt gezielt auf mich zu. »Ich habe MS«, sagt sie zur Begrüßung und strahlt. »Das tut mir leid«, sage ich. Fünf Minuten später kenne ich die grob umrissenen Stationen ihres Lebens, den Verlauf ihrer Krankheit und ihre Trauer darüber, da sie doch immer sehr sportlich gewesen sei. »Und nun«, sagt sie, »warte ich hier auf den Tod.« Uff. Was kann ich hierauf Höfliches antworten? Ich denke: Ja scheiße, genauso ist es, da dreht sie sich auch schon weg und steuert auf einen Terrassentisch zu. In der Mitte des Speisesaals steht jetzt eine Betreuerin mit Gitarre. Sie singt: Stein auf Stein, Stein auf Stein, das Häuschen muss bald fertig

Seit ihrer Kindheit hat die Autorin mit ihrer Oma regelmäßig gekniffelt. Rechts: Beim gemeinsamen Teetrinken


sein. Dazu rasseln manche Bewohner und Bewohnerinnen mit eiförmigen Perkussionsinstrumenten, mal im Takt, mal nicht. Die Alten sehen nicht unglücklich aus, das nicht, im Gegenteil, aber etwas an dieser Szene fasst mich tief an. Ich versuche mir vorzustellen, dass auch ich eines Tages ein Goldfisch in einem Aquarium sein werde und so eine Rassel in meinen alten, knotigen Fingern halten werde. Ich habe leider keine Kinder bekommen können und frage mich, wer mich dann besuchen würde. Oder, noch schlimmer, ob mich überhaupt jemand besuchen würde und ob sich meine Augen dann auch so an den Enkeln der anderen festsaugen würden. Was bleibt vom eigenen Leben übrig, wenn nach einem niemand mehr kommt? Wie viele Freundschaften pflege ich mit jüngeren Menschen? Für wen werde ich noch Bedeutung haben? Und welche Kinderlieder kenne ich überhaupt noch? Mir fällt spontan nur Hejo, spann den Wagen an ein. Vielleicht könnten sie in meinem Aquarium später Dead Kennedys spielen, da wäre ich wahrscheinlich textsicherer. Eine Angestellte kommt auf mich zu und sagt, dass ich mich im Speisesaal nicht aufhalten dürfe und ob sie mir helfen könne. Ich antworte, dass ich mit meiner Oma in den Garten wollte, sie aber im Saal hängen geblieben sei. Wir gucken zu ihr rüber, sie lächelt und winkt mir überrascht zu. Die Pflegerin sagt, sie bringe Oma auf die Terrasse, ich solle schon mal vorgehen. Die Alten singen, manche schütteln ihre Ei­rasseln. Andere stochern in ihren Kuchenschnitten. Poch, poch, poch; poch, poch, poch: Der Schuster schustert zu das Loch. Vor ein paar Tagen hat mich meine Schwester angerufen, Oma habe

ihr am Telefon erzählt, ich sei ihre beste Freundin. Sie habe gesagt, dass wir uns nur anzusehen bräuchten und beide genau wüssten, wie es uns gehe. Da musste ich weinen. Dass meine Oma mich so sieht. Dass sie das als Freundschaft sieht. Oma und ich sind uns tatsächlich sehr nahegekommen seit Opas Tod. Sie bespricht mit mir zwischen zwei Kniffel-Würfen Sachen, die sie sonst mit niemandem ansprechen mag. Der frühe Tod eines ihrer Kinder, noch im Krankenhaus, kurz nach der Geburt, und dass sie immer noch an das Baby denken müsse, gerade weil man es ihr nicht gezeigt habe, zum Beispiel. Sexualisierte Gewalt zum Beispiel. Wie manche Männer sie behandelt haben zum Beispiel. Sticheleien von anderen Frauen zum Beispiel. Manchmal zeigte sie mir die aktuelle Post, mit der sie überfordert war. Einen Brief von ihrer Bank. Meine Oma sagte, sie verstehe kein Wort, ob ich ihr sagen könne, was die von ihr wollten. Ich las, dass ihr Konto nur noch über Online-Banking und eine App zugänglich sei, Bitte scannen Sie den QR-­Code mit Ihrem Smart­phone ... Dieser Satz ergab für meine Oma gar keinen Sinn. Sie hat weder ein Gerät, mit dem sie ins Internet könnte, noch weiß sie, was ein QR-­ Code ist oder was genau dieses Scannen und das Internet sein sollen. Meine Oma, Jahrgang 1927, wird im Alter von der Gesellschaftsentwicklung regelrecht ausgegrenzt und abgehängt. Mehrmals täglich rief sie mich aus ihrer Wohnung an, immer hatte sie das Gefühl, Mist gebaut zu haben, nicht mehr mithalten zu können mit den Anforderungen der hochdigitalisierten Welt. Vielleicht bestelle ich ja später mit 95 aus Versehen immer Flugtaxen mit meiner


Smartbrille, weil ich falsch geblinzelt habe, oder was weiß ich, keine Ahnung, wie die Welt dann sein wird, aber ich komme auch jetzt schon oft nicht dem Tempo hinterher, mit dem sich digitale Anwendungen ändern. Wie soll das noch werden in 30 Jahren? Wer richtet mir an Weihnachten meinen Robot neu ein? Oder erklärt mir die Smartbrille? Ich habe nicht wirklich Lust aufs Altern, solange die Gesellschaft mich als Ballast oder Hindernis sieht oder maximal als Person, die man ausnehmen kann. Manchmal klingelte bei Oma das Telefon, kurz nachdem wir sie besucht hatten. Stichwort Enkeltrickbetrüger. Einmal, das fand ich besonders schlimm, ich war gerade auf Lesereise und saß irgendwo in der Empfangshölle im Allgäu im Zug, rief meine Oma mich weinend an. Ob ich wisse, in welchem Krankenhaus Mama nun sei? Sie habe einen Umschlag mit allem Bargeld fertig gemacht, das sie finden konnte, aber sie habe keine 2000 Euro, nur 350, und das reiche ja nicht. Ich fragte alarmiert, aber ruhig, was genau passiert sei. Oma sagte, sie habe einen Anruf von der Polizei erhalten, dass Mama einen Unfall hatte, kurz nachdem sie von ihr weggefahren war, und jetzt im Krankenhaus sei. Und nun solle sie Geld bezahlen für den entstandenen Schaden. Ein Beamter werde das Geld gleich bei ihr abholen. Die Verbindung riss immer wieder ab, und zwischen vielen Oma-hörst-du-michs sagte ich: »Bitte lass niemanden rein. Verriegle die Tür. Niemandem öffnen, auch nicht in Polizeiuniform, hörst du? Ich rufe jetzt Mama an und melde mich dann wieder bei dir.« Ich erreichte meine Mutter putzmunter in einem

Supermarkt und bat sie, Oma anzurufen, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Oma erreichte ich erst aus dem nächsten Städtchen wieder, das mir zwei Balken Empfang schenkte. Der Polizist meinte übrigens zu meiner Mutter, dass das organisiertes Verbrechen sei, alte Menschen würden regelrecht ausgespäht und beobachtet und gezielt nach einem Besuch telefonisch kontaktiert. »Wie schön, dich zu sehen!«, ruft Oma und kommt mit ihrem Rollator durch die Terrassentür auf mich zu. Ich freue mich auch. Sie hat es endlich zu mir raus geschafft. Es ist ja nicht so, dass wir uns heute nicht schon begrüßt hätten, du kleiner Goldfisch. Die Pflegerin hinter ihr drückt mir ein Ta­blett mit einer Kanne Tee und zwei Tassen in die Hand. Ausnahmsweise, meint sie, eigentlich darf ich keinen Tee hier mittrinken. Oma und ich steuern einen Tisch in der milden Sonne etwas abseits der Terrasse im Garten an. Wir setzen uns. Sie trägt die Kette, die Mama ihr neulich geschenkt hat. Pastellfarbene Steinperlen in Grün- und Blautönen, sieht richtig gut an ihr aus. Seitdem meine Oma im Heim ist, kleidet sie sich wieder sorgfältiger. »Mädchen, ich hab uns einen Tee gekocht«, sagt sie und schenkt uns ein. In ihrer alten Wohnung habe ich sie manchmal massiert. Dazu setzte sie sich im Unterhemd auf einen Stuhl, und ich strich ihr ganz sanft die Schultern und den stets verspannten Nacken aus. Jetzt kraule ich ihr bei jedem Besuch kurz den Nacken. Ich kann die Gänsehaut kommen sehen. Neuerdings besitze ich zwei Unterhemden von Oma, in die sie selbst ihre Namensschilder eingenäht hat,

Vor dem Umzug musste sich Köhlers Oma von fast allem, was sich über die Jahrzehnte angesammelt hatte, trennen


zwei Unterhemden, die ich regelmäßig trage. Genau: Ich trage die Unterhemden meiner Oma. H ­ aters gonna h­ ate, ­lovers gonna l­ove. Die Namensschilder habe ich dringelassen. Ich benutze jetzt täglich ihr Salatbesteck. Ich habe jetzt eine Kristallschale, gefühlte drei Kilo Stopfgarn aus den Sechzigern und Opas SPD-Parteibücher. Omas Wohnung habe ich vor Kurzem an die Hausverwaltung übergeben. Das Klingelschild habe ich aufbewahrt, es klemmt in meiner Handyhülle. Zwei Hortensien habe ich aus dem Gärtchen mitgenommen. Alles, was Oma jetzt noch besitzt, passt in zwei Kartons und einen Kleiderschrank. Ihr Leben und ihr Besitz fasern langsam aus, alles schrumpft wieder zusammen im Alter. Und jetzt wohnt sie hier in diesem Aquarium. Sie vermisse nichts, meint sie. Wenn wir uns sehen, fotografiere ich sie, jedes Mal denke ich, vielleicht war es das letzte Mal, manchmal nehme ich ein Video von ihr auf, das ich dann meiner Schwester und meinen Cousinen schicke. Als sie noch nicht im Heim war, habe ich Oma und mir eine Pizza in ihre Wohnung bestellt, wir waren zum Abendbrotessen verabredet gewesen, aber der Kühlschrank war leer, also fragte ich sie, ob sie Pizza mag. »Glaub schon«, meinte sie. Ich das Telefon rausgeholt, nach einem Pizzaservice gegoogelt, einen um die Ecke gefunden, Pizza ausgewählt, Oma wollte Margherita, per PayPal bezahlt und ihr gesagt, Pizza komme in 40 Minuten. Wir deckten den Tisch und kniffelten, bis es klingelte. Meine Oma wusste da schon nicht mehr, worauf wir warteten, und fing dann an, hektisch nach Geld zu suchen. Ich: »Oma, ich hab die Pizza schon

bezahlt.« Sie: »Wann? Womit?« Ich: »Mit einem digitalen Bezahlsystem, das PayPal heißt.« Oma: »???« Wie wir dann da saßen, die Pizza im Pappkarton zwischen uns, und meine Oma mit Messer und Gabel an dem ersten Stückchen auf ihrem Teller säbelte, ich hatte sie noch nie zuvor Pizza essen sehen, wie sie kaute und schluckte und sagte: »Nicht schlecht.« Wir pusten in unsere Teetassen, dann fummelt Oma an ihrem Sturz­ arm­band, sie mag das Gefühl des Plastiks auf der Haut nicht und macht einen Witz darüber, dass sie schon zweimal Fehlalarm ausgelöst habe mit dem Ding und plötzlich seien aus allen Himmelsrichtungen Pflegekräfte angelaufen gekommen. »Zu Recht«, sage ich. Ein paar Tage nach ihrem Einzug ins Heim ist Oma nachts auf dem Weg zur Toilette gefallen und hat sich dabei drei Rippen gebrochen. Sie war deswegen ein paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus. Jetzt sitzt sie vor mir, als sei das alles nichts, aber ich weiß, wie langsam Rippenbrüche heilen und wie schmerzhaft es ist. Ich frage Oma, wie es ihr geht. Gut, sagt sie, ich solle mich nicht sorgen, alle ­seien reizend zu ihr. Sie mache ja noch alles selber und komme gut zurecht. Sie koche regelmäßig und wasche auch ihre Wäsche selber, ich verschlucke mich fast, aber ich widerspreche nicht, ich lasse sie in dem Glauben, sie habe noch ihre Selbstständigkeit. Das Bewusstsein meiner Oma ist ein Puzzle, bei dem die Teile nicht mehr ganz in­ein­ an­der­pas­sen, aber es stört sie nicht. Mich auch nicht. Manchmal legt sie ein Puzzleteil aus den Fünfzigerjahren direkt an eins aus den Achtzigern. Manchmal eins von gestern an eins in der Zukunft, manch-

Karen Köhler bringt ihrer Oma regelmäßig Blumen und Obst mit ins Altersheim


33 mal verbindet sie Fantasie- oder Traumteile mit Ereignissen, die sie tatsächlich erlebt hat. Ich drifte mit ihr durch die vierte Dimension, ohne korrigierend einzugreifen, ich verstehe immer, was sie meint, wo sie gerade innerlich ist, wir kommen klar. Ich stelle Fragen, sie kaum noch. Wie sie mit den anderen Bewohnern und Bewohnerinnen zurechtkomme, möchte ich wissen. Ich habe den Eindruck, sie ist ruhiger geworden hier im Heim. Die Wochen vor dem Umzug waren furchtbar. Es sah für mich von außen so aus, als würde sie ihre Lebensfäden durchtrennen. Sich von jedem Gegenstand lösen. Alles über die Jahrzehnte Angehäufte loslassen. Die Wohnung war in dieser Zeit ein absolutes C ­ haos. Meine Oma im Ausnahmezustand. Koffer, die meine Mutter am Vortag mit ihr gepackt hatte, waren am nächsten Tag, als ich kam, wieder ausgeräumt. Geschirr, das wir für eine Cousine aussortiert hatten, stand wieder im Schrank. In allen Schubladen war alles. In keiner Schublade war etwas. Es gab keine Ordnung mehr, kein System. Die Auswahl an Dingen, die sie letztlich mitgenommen hat, habe ich immer noch nicht verstanden: einen leeren Briefumschlag ihrer Krankenkasse? Eine von vielen Trauerkarten zu Opas Tod, aber warum ausgerechnet jene von dieser ihr nicht besonders nahestehenden Person? Vor allem verstehe ich diese Auswahl nicht im Verhältnis zu dem, was sie vor dem Umzug alles zerstört und weggeworfen hat. Seit 20 Jahren war eigentlich klar gewesen, dass ich einmal alle Briefe meiner Großeltern erben sollte, so hatten sie es mir immer gesagt und mir auch gezeigt, wo die Tasche mit den wichtigen Unterlagen stand, darin das ebenfalls mir zugedachte Familienbuch mit allen Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden meiner Vorfahren. Angeblich stammt die Familie meiner Oma von einem unehelichen Kind eines polnischen Grafen ab, der Ossowsky hieß. Ich würde das alles so gerne noch mal nachsehen, aber meine Oma hat das komplette Buch mit einer Nagelschere zerschnitten und weggeworfen. Und nicht nur das, auch die Briefe zwischen Opa und ihr. Ich bin richtig sauer geworden, als ich in einer leeren Kleenex-Verpackung die Schnipsel fand, obwohl ich wusste, dass es die Krankheit war, nicht sie. »Oma, die wolltet ihr mir doch mal ver­erben«, sagte ich traurig und leise. »Stimmt«, sagte sie. Und: »Ein paar hab ich noch irgendwo.« Sie fing an zu suchen, wurde aber bald von etwas abgelenkt, einem Fotoalbum, und während sie erzählte, was 1964 war, steckte ich mir heimlich die Schnipsel in die Hosentasche. Sie kann doch nicht einfach so meine Herkunft zerschneiden? Zu Hause rekonstruierte ich anhand der Schrift und Papiersorte vier ganze und zwei halbe Briefe und klebte sie mit Tesafilm zusammen. Durfte ich das? Es waren ja ihre Briefe, sie konnte damit doch machen, was sie wollte? Ich beschloss, sie erst nach ihrem Tod zu lesen. Zwei Wochen später stand Oma vor mir und überreichte mir die letzten verbliebenen Briefe zwischen ihr und meinem Opa, an dem ich sehr gehangen hatte. Von dem ich Schach gelernt hatte und abstraktes Denken. Etwa zehn Briefe sind übrig geblieben aus den 77 Jahren, die sich meine Großeltern kannten. Es war mal ein ganzer Karton voll, Omas Nagelschere muss jetzt stumpf sein. Sie stand vor mir und überreichte mir den Rest mit einem tiefen Blick in die Augen, es war rührend. »Nimm, mein Mädchen, nimm sie.« Das war bei meinem letzten Besuch in ihrer alten Wohnung. Zum Abschied hatten wir immer eine Ritualkette aus Handlungen und Dialog: Abschied an der Wohnungstür. »Ich hab dich lieb, Oma.«

– »Komm gut nach Hause, Mädchen.« Ich ging das Stockwerk hinunter bis zur Haustür. »Ist offen, Oma.« – »Na dann ist gut.« – »Bis bald.« – »Bis bald, Karen.« Ich ging ums Siedlerhäuschen herum. Währenddessen ging Oma ans Wohnzimmerfenster. Ich drehte mich um und sah, wie sie die Gardinen aus­ein­an­der­schob und winkte. Ich winkte zurück. So war es immer gewesen. Beim letzten Mal machte ich ein Foto von ihr. Und als ich die Male danach die Wohnung verließ, als sie schon im Heim war, blickte ich stets hoch zu dem leeren Fenster, aus dem jetzt niemand mehr winkte. Oma erzählt mir gerade zum elften Mal oder so, dass sie heute beim Friseur war, was nicht stimmen kann, denn Friseurtag ist donnerstags, und der eingetragene Termin auf dem Zettel in ihrem Zimmer gibt das Datum von nächster Woche an. Und ich antworte zum elften Mal oder so: »Sieht gut aus.« Dann wird sie plötzlich ernst und ganz klar und fragt mich, was das Heim koste und wer das bezahle. Ich erkläre ihr die Summe und die Zusammensetzung, dass sie nun Pflegegrad 2 bekommen habe und ein Teil von den Versicherungen getragen werde. Den anderen Teil müsse sie selbst zahlen. Dass ein Teil davon durch die Witwenrente abgedeckt sei, aber sie auch monatlich etwas vom Sparbuch nehmen müsse. Dass das alles automatisch laufe und sie sich nicht zu kümmern oder zu sorgen brauche. »Wie lange reicht das Geld?«, fragt Oma. Ich bleibe vage, aber sie insistiert: »Wie lange?« Ich rechne. »Knapp drei Jahre, Oma.« Sie nickt, dann blickt sie düster. Opa habe immer gesagt, es sei alles geregelt, sie müsse sich nicht sorgen. Warum sie sich bitte nie darum gekümmert habe, sie sei so gut in Mathe gewesen!? Ich streichle ihren Nacken. Meine Oma macht mit 95 Jahren eine Eman­zi­pa­tions­pha­se durch, und ich feiere sie dafür, auch wenn das sehr spät ist. Ich frage sie, ob ich über sie schreiben dürfe. Nur zu, sagt sie, nur zu. Es ist frisch geworden und bald Zeit fürs Abendbrot, also machen wir uns auf den Weg nach drinnen. Wir verabreden, dass wir uns nicht lange im Speisesaal aufhalten, dass ich nur das Ta­blett zum Tresen bringe und sie mich noch zur Tür begleitet. Diesmal gehe ich hinter ihr. Maske auf und los. An einem Tisch im Saal falten Bewohnerinnen nach Anleitung Geschirrhandtücher und sehen glücklich dabei aus. Andere dümpeln in ihren Tagträumen. Im Foyer stehen wir uns gegenüber, ich umarme Oma. »Du machst das alles ganz toll, Oma. Ich hab dich lieb.« Sie mich auch und danke für den Besuch, sie wisse es sehr zu schätzen, was wir alles für sie täten. Ich öffne die Tür zum Treppenhaus und sage, dass ich ihr gleich aus der »Schleuse« hinter der Glastür nochmals winke. Sie tuckert um die Ecke, ich nehme den Ausgang zur Anmeldung, der Schleuse. Oma lächelt. Wir winken uns durch die verriegelte Glasschiebetür zu. Ich gehe durch die Eingangstür nach draußen. Oma winkt immer noch. Ich nehme die Maske ab und winke zurück. Ich drehe mich wieder um und steige die Treppenstufen auf den Gehweg runter. Oma winkt tapfer weiter aus ihrem Aquarium. Ich winke zurück. Ich gehe bis zu der Hecke und drehe mich wieder um, der Goldfisch winkt immer noch. Ich winke zurück. karen köhler, 49, ist Dramatikerin und Schriftstellerin und

lebt in Hamburg. Sie hat zahlreiche Theaterstücke geschrieben, ihr jüngstes Buch »Miroloi« erschien 2019

2.3.23  N0 10


MITGEHÖRT

Und dann stand er da, und ich so: »Sie sind doch Uwe Timm!« Und: »Dann können wir jetzt auch ein Stück zusammen gehen.« Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich in meinem Alter noch mal einen Typen anbaggere. Aber ich hab den voll angebaggert. Ja, bei dem kannste das auch machen. Er ist ja auch ein attraktiver Mann. Obwohl er schon so alt ist.

Auf wen freust du dich besonders? Kristen Stewart. Mal schauen, wie das wird. Die ist ja auch nicht so schreibfreudig.

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Da ist noch mal eure Lieblingspolitikerin, warum auch immer. Was heißt »warum auch immer«, die war die Managerin von Ton Steine Scherben. Das hat Bedeutung.

ier stehen! Entschuldigen Sie, wer ist denn d a? nn re

Kirsten! Kirsten! Kirsten! Ah, ich fall um. Kirsten? Oder Kristen? enn alle zu ihr herübe cke, w r ü L e Kristen! t ein h e t ents Kristen! Kristen! KRISTEN!!! Da Och, das gibt’s doch gar nicht. Die schreibt auf gar keine Bilder drauf.

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Er ist so ein lieber Junge. Letztens hat er zu mir gesagt: Mama, ich liebe dich. Später hab ich ihm 500 Euro überwiesen.

Foto Getty Images

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Oh wow. I’m surprised that she looks good tonight.

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Marisa! Marisa! Marisa, would you come, please? Marisa, please! Marisa! Och, come on ... FUCK!

Ein Ticket für den Berlinale Palast ist immer ganz schwer. Vielleicht kann ich N. fragen. Frag doch mal C., ob sie dir eins besorgt. Kannste sagen, hast dein Badge verloren. C. mag mich nicht.

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Vor dem Berlinale Palast am ersten Tag des Filmfestivals: Ein irres Gewusel. Autogrammjäger und Fotografen lauern auf Stars wie Kristen Stewart, Anne Hathaway, Marisa Tomei und Peter Dinklage; Journalisten und Filmleute holen ihre Akkreditierungen ab. Wir haben uns von morgens Von LENA NIETHAMMER bis abends dazugestellt – und gelauscht

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Oh. Jetzt geht’s los. JETZT GEHT’S LOS!

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Eigentlich müsstest du uns mal vorstellen.

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Mein Herz schlägt so krass. Ja, krass. Da hat sich das Warten ja gelohnt. Schau, wie sie hier guckt. Ich muss ma gucken, ob man überhaupt wen erkennt. Hier bewegt sie sich ein bisschen. Bleiben wir noch ein paar Tacken da? Ja.

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Was denkst du? Na ja, der Film kriegt gerade noch so die Kurve, aber ist ein bisschen angekitscht.

Du kannst doch nicht Teil der Jury sein und erst mal sagen, du findest zeitgenössisches Kino schlecht.

Wollt ihr die als Sponsor haben? Braucht ihr einen neuen PodcastSponsor?

Scusi! Scusi! Permesso!

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Das ist aber ein schwieriges Kleid. Na ja. An der Grenze zu schwierig.

Die ist wahnsinnig elegant, aber die sieht immer so grau aus, die Frau. Die hat so ein graues Gesicht.

ls a , e g n a l Wissen wir auch h nicht. Da war ’ne Sc Er ist so ein bisschen lost. Samstag ist er auch im Berlinale Palast. Da spielt ein Freund von ihm mit, sogar die Hauptrolle. Ist nicht leicht für ihn ...

Ich hab Sie erkannt und wollte Guten Tag sagen. Ach, wie nett. Schauen Sie auch immer die »Abendschau«? Jaja. Und ich finde, Sie gehören noch zu denen, die man gerne hört und gerne sieht.

Anne! Anne! Schnell! Schnell! Schnell! Anne! Anne! Einmal die Ausfahrt frei machen, bitte. Ach, schade.

Die vom Ministerium sind alle immer recht spendabel. Das ist immer ganz geil. Ich hab mir die ganze Zeit Red Bull reingedrückt.

das war gut. Kristen hab ich auch bekommen – das war auch gut.

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Kommt nun wer raus? Du bist größer. Sehe nur irgendwelche Autos. Teslas, alles Teslas. Hm ... Komm, wir geben dem Ganzen noch fünf Minuten, dann waren wir Teil des Events. Da kommt wer! Schicke Schuhe! Der Anzug ist auch schick. Aber wer ist jetzt hier der Star: sie oder er? Ach, guck mal, das ist der Typ von »Game of Thrones«. Der Kleine, dahinten mit der Mütze.

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Vor hundert Jahren stand ich da mal vorn am Hotel, und dann kam die ganze Meute mit 50 Cent, 50 Cent ist ja eine Riesennummer in den USA. Und ich dreh mich um und denk so: Wer is’n das? Den musste doch kennen. Aber als ich ihn erkannt hatte, hatte ich überhaupt keine Zeit mehr, draufzudrücken.

Schweighöfer hab ich bekommen –


Das Owamni in Minneapolis wurde zum besten neuen Restaurant in den USA gekürt. Dort serviert Sean Sherman die älteste Küche des Landes: Die indigene – mit Zutaten, als hätten die Europäer nie einen Fuß auf den amerikanischen Kontinent gesetzt

Fotos ERINN SPRINGER


Sean Sherman (Mitte) mit seinen Mitarbeitern im Owamni. Linke Seite: Eigelbe vom Entenei, eine viel benutzte Zutat

DER SIOUX-CHEF Von RIEKE HAVERTZ


38 Wenn Sean Sherman den Gästen in seinem Restau­ rant Owamni medium gebratenes Bisonsteak mit Schmorgemüse und einer Reduktion aus Apfel­ beeren serviert, ist das nicht bloß ein gefeiertes Gericht, sondern auch ein Symbol. Denn im Aus­ gang des 19. Jahrhunderts war es auch die nahezu vollständige­Ausrottung der Bisons, die den weißen Siedlern ihren Sieg über die indigenen Einwohner des Kontinents bescherte und den Anfang von ­deren Unterdrückung markierte. Die US-Armee schoss in den 1870er-Jahren Mil­ lionen von Bisons im Westen des Landes, um das »India­nerproblem« zu lösen, wie weiße Siedler und Politiker die Tatsache nannten, dass die Indigenen ihr Land nicht einfach für die weißen Eroberer räumen wollten. Selbst aus Zügen durften Hobbyjäger auf die Tiere schießen. Mehr als 30 Millionen Bisons leb­ ten vor der Ankunft der neuen Siedler auf dem Kon­ tinent, Ende des 19. Jahrhunderts waren es nur noch wenige Hundert. Mit ihnen verschwand die Lebens­ grundlage der Sioux, der Kiowa, der Comanchen, fast aller Stämme, die die großen Ebenen des Westens bevölkerten. Die Reservate und die Lebensmittel der Weißen waren der einzige Weg, zu überleben. 150 Jahre später kocht Sean Sherman im Owamni ohne all die Zutaten, die die Weißen mitbrachten. Und das Bison auf dem Teller ist auch eine Geste, eine Einladung, die seine Gäste neugierig machen und zu einem Gespräch auffordern soll. So versteht Sherman, aufgewachsen im Pine-­Ridge-­Reser­vat in South Dakota – dort, wo die amerikanischen Bisons im Kampf um Land und Vorherrschaft abgeschos­ sen wurden –, seine Küche. Der indigene Spitzenkoch, der zum Stamm der Oglala Lakota Sioux gehört, eröffnete das Owamni­ im Sommer 2021. Benannt ist es nach einem Was­ serfall, der von den Dakota »Owamni Yomni«, wirbelndes Wasser, genannt wurde. Heute heißt er Saint Anthony Falls und liegt mitten im Zentrum von Minneapolis. Durch die bodentiefen Fenster des Restaurants blickt man auf Dämme, die das Wasser durchfließen muss – das Wasser des Missis­ sippi ­River, der hier im US-Bundesstaat Minnesota seinen Ursprung hat und bei New Orleans in den Golf von Mexiko mündet. Das Owamni wurde innerhalb kürzester Zeit zu dem Ort für indigene Küche in den Vereinigten Staaten. Die Konkurrenz ist bislang allerdings auch nicht groß. Das Land kennt unzählige Küchen seiner Ein­ wanderer, besonders die »typisch weiße« Küche: die Burgerläden, Pizzaketten und europäisch geprägten gehobenen Restaurants. Die indigene Küche war mit den Bisons verschwunden. Im Owamni lebt diese Küche wieder auf. Hier wird gekocht, als hätten die Europäer Amerika nie

b­ etreten. Es gibt kein Weizenmehl, keine Milchpro­ dukte, kein Rind, Schwein oder Huhn, keinen Rohr­ zucker, keinen schwarzen Pfeffer, keine der Zutaten, die die Europäer ins Land brachten. Daran halten sich Chef Sean, wie Sherman nur genannt wird, und sein Team strikt. Einzige Ausnahme: Das Restaurant schenkt Wein und Bier aus. Im Juni 2022 wurde das Owamni von der für die US-Kochszene wichtigen James Beard Foundation zum besten n ­ ­euen Res­ taurant in den Vereinigten Staaten gekürt. Wer die »dekolonialisierte« Küche, wie Sherman sie nennt, probieren möchte, braucht seither Geduld. Das Res­ taurant ist Wochen im Voraus ausgebucht. An einem Mittwochnachmittag Ende Januar, der Rest der Stadt ist dem Schnee und der Kälte erlegen, die Straßen und Geschäfte sind ausgestorben, sitzen auch in der Unzeit zwischen Lunch und Dinner Gäste­an den schlichten Holztischen. Mit Folklore hat das Ambiente nichts zu tun, Klischees sucht man vergebens. Die Einrichtung ist modern, ohne kühl zu sein, dem Backsteingebäude, das das Restaurant beherbergt, angepasst. Auf einem roten Neonschild an der Wand steht: »You are on native land«. Dies soll ein Ort sein, den sich die Indigenen zurück­ erobert haben, den sie prägen. Chef Sean nimmt an der Bar Platz, er ist gerade von zu Hause gekommen, er wohnt nur ein paar Kilometer vom Restaurant ent­ fernt. Er steht nur noch selten selbst in der Küche, das Tagesgeschäft hat er weitestgehend abgegeben an sein Team. Viele von dessen Mitgliedern begleiten ihn schon lange – etwa Darius, der heute am Herd steht und seit fast 20 Jahren für Sherman arbeitet. Wenn zur Hauptsaison die Terrasse und ein Food­ truck am Ufer geöffnet sind, hat das Owamni 120 Angestellte. Drei Viertel haben indigene Wurzeln. Zum Gespräch lässt Sherman aus der Küche eine kleine Schale mit Wildreis bringen, ohne Öl in der Pfanne gebraten, ein Klassiker der indigenen K ­ üche. »Kann man mit Wildreis aus dem Supermarkt auch selber mal ausprobieren, wird aber nicht so gut wer­ den«, sagt Sherman und lacht leise. Der Reis, der im Owamni serviert wird, wächst rund um die Gro­ ßen Seen, an denen Minnesota liegt, und wird von Hand geerntet. Im Owamni wird regional gekocht. Das betrifft nicht allein die Zutaten, sondern auch die Speisen selbst: Denn die eine indigene Küche, sagt Sherman, gebe es natürlich nicht. In Arizona im Süden würde seine Speisekarte anders aussehen, weil die zur Verfügung stehenden Lebensmittel andere wären. »Wir sind so streng mit unseren Zutaten, weil wir beweisen wollen, dass es ohne die ins Land ge­ brachten Sachen geht. Eine notwendige Herausfor­ derung.« Die Begrenzungen des indigenen Kochens bedeuten für Sherman gleichzeitig Freiheit von allen europäischen Vorstellungen vom Kochen. Und seine


Süßkartoffeln mit Ahorn-Chili-Crunch; daneben Wildreis-Porridge mit getrockneten Beeren Gäste haben die Gelegenheit, über Elchtatar, Brot aus blauem Hopi-Mais und Süßkartoffeln mit AhornChili-Crunch und Frühlingszwiebeln einen Moment einzutauchen in eine präkoloniale Küche. Sherman, die langen Haare in zwei Zöpfen, an einem Handgelenk eine Smartwatch, am anderen ein geflochtenes Armband, spricht leise, schnell, gleichzeitig mit großer Ruhe über das, was eher spät und zufällig zu seiner Lebensaufgabe wurde: der indigenen Küche wieder Raum zu verschaffen, sie lebendig zu halten, mit dem Essen ein Gespräch anzustoßen über Kolonialisierung und die Verbrechen an den Indigenen. Wenn er an das Essen seiner Kindheit denkt, ist es ein Mix aus traditioneller und amerikanischer­ Küche. Geboren 1974, wächst Sherman im Reser­ vat auf, auf der Farm seiner Großeltern. Die Fami­ lie hat wenig Geld, der Junge viele Freiheiten. Sherman ist sieben, als er seine erste Schrotflinte bekommt. Er streift oft stundenlang durch die Prärie, schießt Fasane und Enten, sucht Apfelbeeren, und er erinnert sich bis heute genau an den Geruch der Soße, die seine Großmutter daraus einkochte. Die Wojapi-Soße, die im Owamni zum Bisonsteak serviert wird, ist eine leichte Abwandlung davon. Ganz anders rochen die Lebensmittel, die den Alltag im Reservat dominierten. Auch deren Gerüche haben sich Sherman eingeprägt: Industrieware, abgepacktes Zeug, Konserven, Teil eines staatli­ chen Grundnahrungsmittelprogramms, von dem Shermans Familie wie so viele andere Indigene ­abhängig war. »Das roch immer wie Hundefutter«, sagt er. Bis heute sind Indigene in den USA vielfach auf die staatlichen Lebensmittelhilfen angewiesen. In der Folge haben sie im Schnitt einen deutlich schlechteren Gesundheitszustand als weiße Amerikaner, eine geringere Lebenserwartung, sie erkran­ ken überproportional oft etwa an Diabetes. Die traditionelle indigene Küche, erzählt Sherman, habe dagegen eine große Pflanzenvielfalt, viele Proteine, wenig Kohlenhydrate, dadurch niedrige glykämische Werte, was den Blutzuckerspiegel nicht so schnell ansteigen lasse. Sherman verließ das Reservat als Teenager, seine Mutter zog mit ihm und seiner Schwester in eine Kleinstadt. Der Geschichte seiner Familie ist er allerdings nie entflohen, auch wenn er Minneapolis mittlerweile seine Heimat nennt. Auf seinem und ebenso auf den T-Shirts aller Mitarbeiter im Owamni steht #86colonialism. Ein Insiderwitz, der all jenen, die nicht in amerikanischen Küchen arbeiten, erklärt werden muss. »Eighty-six!« wird in Restaurants gerufen, wenn ein Gericht ausverkauft ist. Kolonialismus ist aus, so lässt sich der T-Shirt-Aufdruck übersetzen, es ist der Kern von Shermans Arbeit. Kochen

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Die Sonnenblumenkernmilch ist mehliger als Kuhmilch, das Bisonsteak so fein wie das feinste Rindersteak, der Geschmack der Tacos vielleicht noch am vertrautesten als Widerstand. Es geht nicht allein um qualitativ gehobenes Essen, mit dem sich Geld verdienen lässt. Das Owamni ist teuer, aber für amerikanische Verhältnisse weder überteuert noch am oberen Ende der Skala. Das Bisonsteak kostet 50 Dollar, umgerechnet 47 Euro, nur die Rippchen vom Elch sind mit 55 Dollar noch teurer. Tacos aus Mais mit Steckrübe oder Maisknödel gibt es aber schon für acht Dollar, die proteinreichen kleinen Heuschrecken für zehn. Die Gerichte lassen sich gut teilen, so lässt sich viel probieren. Alles schmeckt klar, rein. Gut, aber ungewohnt. Die Sonnenblumenkernmilch ist mehliger als Kuhmilch, das Bisonsteak so fein wie das feinste Rindersteak, der Geschmack der Tacos vielleicht noch am vertrautesten. Nichts ist durch zu viele Zutaten, Zucker oder Fett überlagert, nichts lenkt ab von dem, was wirklich auf dem Teller liegt. Die Kellnerinnen und Kellner kennen jedes


Elchtatar mit Entenfett-Kürbis, eingelegten Waldpilzen und gepökeltem Entenei Gericht, an fast jedem Tisch dauert die Bestellung, es werden unterschiedliche Maisarten erklärt und Empfehlungen gegeben. Sherman will weder ein Sterne- noch ein museales Essen servieren. »Wir versuchen, diese Küche in die Zukunft zu bringen.« Für die Reichen kochen will er ohnehin nicht. Teurer als sein Foodtruck ist es dennoch, man muss sich den Besuch leisten können, an diesem Abend sind die Gäste divers – aber mehrheitlich weiß. Als die Pandemie die geplante Eröffnung des Restaurants verzögerte und der gewaltsame Tod des Schwarzen ­ George Floyd durch weiße Polizisten Minneapolis im Mai 2020 in eine doppelte Krise stürzte, kochten Sherman und ein paar seiner Leute 10.000 Mahlzeiten pro Woche für die Menschen auf den Straßen, außerdem für neun der elf Reservate des Bundesstaates, die besonders hart von Corona ­betroffen waren. »Die Stadt brannte um uns herum«, erinnert sich Sherman. Auch er ist Rassismus und Ungleichbehandlung oft begegnet. Die Blicke, die er selbst ertragen musste, als er aus dem Reservat in eine überwiegend weiße Kleinstadt zog, die offene Ablehnung in tausend Gesten und Handlungen. Einer seiner Cousins kam durch Polizeigewalt ums Leben. Selbst im Restaurant machen die indigenen Angestellten immer mal wieder unangenehme Erfahrungen, hören sie unpassende Sprüche, sagt er. An diesem Tag ist davon im Owamni nichts zu merken, die Stimmung ist an den Tischen und in der Küche gut, auch als das Restaurant später am Abend voll wird, wirkt das Team für eine Profiküche ­erstaunlich gelassen. Es ist eine Gelassenheit, die vielleicht von Sherman ausstrahlt. Als Gäste sich gern einen Moment mit ihm unterhalten wollen, unterbricht er unser Gespräch. Er nimmt sich Zeit. Wut über all das, was ihm, seiner eigenen Familie, seinem Volk vor noch nicht allzu langer Zeit angetan wurde, scheint bei Sherman nie durch. Seine Worte über die Verbrechen und die Vernichtung sind dennoch hart, und im Restaurant konfrontiert er die Gäste offen mit der Vergangenheit. »Wir müssen uns Geschichte bewusst machen, egal wie schrecklich und gewalttätig sie sein mag, damit sich die Gräueltaten der Vergangenheit nicht wiederholen.« Shermans Urgroßeltern kämpften noch gegen die weiße Armee der eingewanderten Amerikaner. 1883 erließ die Regierung schließlich den sogenannten ­Code of Indian Offenses. Der verbot alle indigenen Bräuche, von Medizin über Tänze bis hin zum Kochen. Traditionen waren aus weißer Sicht bedrohlich, und wer altes Wissen nutzte und praktizierte, lebte gefährlich. Auch deshalb wurde vieles nicht weitergegeben. Shermans Großeltern gehörten zur ersten Kindergeneration, die ins Internat gezwungen wurde; sie mussten Englisch lernen,

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Wie eine komplette indigene Speisekarte aussieht, konnte Shermann in keinem Buch nachlesen. Sein eigenes Denken war vom europäischen Kochen geprägt erhielten christlichen Religionsunterricht, bekamen die Haare abgeschnitten. Indigene Kultur ging von der US-Regierung verordnet verloren. »Das ist es, was die Kolonisierung bewirkt«, sagt Sherman: »Sie schließt aus, sie schafft eine Struktur, die wir heute als Kapitalisierung und Globalisierung kennen.« Was seit anderthalb Jahren im Owamni gekocht wird, ist daher auch das Ergebnis langer Recherche. Aus Mais eine Tortilla zu machen und mit geräucherter Forelle zu servieren liegt vielleicht noch recht nahe. Eine ganze indigene Karte inklusive Nachspeisen – die konnte Sherman in keinem Buch nachlesen, die musste er erfinden. Und auch sein eigenes Denken war ja lange sehr vom europäischen Kochen geprägt. »Ich habe mich das erste Mal als richtiger Koch gefühlt, als ich einen perfekten Risotto hingekriegt habe«, erinnert sich Sherman. Dass er einmal mit


41 Bison-Tacos und nussigen Grillen auf Popcorn berühmt werden würde, hätte er zu Beginn seiner Karriere niemals gedacht. Überhaupt wollte Sherman ursprünglich nie Koch werden. Reisen, Fotografieren, Kunst, davon träumte er. Die Umstände zwangen ihn aber, sich früh Jobs zu suchen: Seine Mutter war nach der Trennung von ihrem Mann alleinerziehend, das Geld immer knapp. Mit 13 fängt Sherman an, in einer Küche zu jobben. »Das war wirklich Zufall. Ich habe mich dann einfach immer weiter hochgearbeitet.« Den ersten Job als Chefkoch bekommt er 2001 in einem spanischitalienischen Restaurant in Minneapolis. Sherman heiratet, wird Vater, arbeitet in unterschiedlichsten Jobs, die alle mit Essen zu tun haben, aber nie mit indigener Küche. Er denkt europäisch, wenn er am Herd steht. Ohne dass ihm das bewusst wäre. Mit Anfang 30 kommt das Burn-out. Sherman reist nach Mexiko, will herausfinden, wie es weitergehen soll. Was ihm dann in San Pancho, an der Pazifikküste des Landes, passiert, nennt er selbst eine ­»Erleuchtung«. Er beginnt, sich für die Geschichte der Indigenen der Region zu interessieren, entdeckt Gemeinsamkeiten, in Kunstwerken, Zeremonien, Essen. »Mir wurde klar, dass ich Hunderte von europäischen Gerichten aus dem Stegreif benennen kann und sogar die Zutaten in den jeweiligen Sprachen kenne, aber nur sehr wenige Lakota-Rezepte, wenn überhaupt eines.« An einem mexikanischen Strand begreift er, wie unsichtbar die Indigenen in Nordamerika geworden sind. Sherman versucht nun, das Kochen seiner Vorfahren zu verstehen. Restaurants gibt es nicht, Fachliteratur ebenso wenig. Historische Bücher helfen weiter,

Gespräche mit den Ältesten der unterschiedlichen Stämme, den wenigen Menschen, die noch zu berichten wissen, wie einst geerntet, gesammelt und konserviert wurde, wie Salze, Fette und Süßungsmittel eingesetzt und kombiniert wurden. »Ich habe versucht herauszufinden, wie die Menschen vor den Europäern gelebt haben, von welchen Tieren, Wildpflanzen, welchem Saatgut und was davon überhaupt noch zu finden ist.« Sherman beginnt zu verstehen. Er verändert sein Denken beim Kochen. Das Set-up der Küche im Owamni ist nichts Beson­ deres, eine typische Restaurantküche, ein enger Schlauch aus Edelstahl. Es ist die Einstellung vor dem Herd, die das Kochen verändert. »Man muss sich klarmachen, wie groß die Vielfalt hier in diesem Land war, wie viele Möglichkeiten die Menschen erfunden haben, Lebensmittel auf unterschiedlichste Weise zu verwerten«, sagt Sherman. Fünfmal im Jahr würde er gern das Menü verändern. Noch ist das Restaurant nicht so weit, Sherman möchte seinen Gästen aber eine neue Perspektive auf die nordamerikanische Küche, den Kontinent eröffnen. »Denn was sind die wahren Lebensmittel Nordamerikas? Nicht Burger und Coca-Cola.« An den gut zwei Dutzend Tischen im Owamni soll diese kulinarische Weiterbildung nicht enden. Sherman will das Wissen, das er durch die Reise zur Küche seiner Vorfahren gewonnen hat, weitergeben. Damit nicht noch einmal verloren geht, was die Kolonialisierung beinahe vollständig verdrängt hat. Schon sieben Jahre bevor das Owamni zur neuen Sensation in der amerikanischen Restaurantszene wird, gründet Sherman 2014 sein Unternehmen The Sioux Chef – ein Wortspiel, »Sioux« und

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Gebratene Teparybohne mit Sonnenblumenkernsahne und pürierten Früchten »Sous« werden im Englischen gleich ausgesprochen. Als Sioux-Chef catert Sherman indigene ­Gerichte. Er fängt an, vor Gruppen über seine ­Arbeit zu sprechen, die Auftritte werden größer, bis er irgendwann vor den Vereinten Nationen einen Vortrag hält. 2017 erscheint sein erstes Kochbuch: The ­Sioux Chef ’s Indigenous Kitchen. Neben dem profitablen Geschäft mit dem Owamni hat Sherman mittlerweile noch eine Non-Profit-­ Organisation gegründet. North American Traditional Indigenous Food Systems, NATIFS, soll mehr Menschen die Möglichkeit geben, alles über die indigene Küche zu lernen. Neben einem Schulungszentrum, in dem Kurse gegeben werden, gehören dazu auch ein Lebensmittellabor und ein Markt, auf dem indigene Produkte gekauft werden können. In Alaska, Montana und South Dakota sollen ähnliche Orte entstehen. »Es sollte«, findet Sherman, »in ­jeder Region, in jeder einzelnen Stadt indigene Restaurants geben, um die Geschichte und das Essen wirklich zu würdigen. Wir wollen ein Vorbild sein.« Für sein Restaurant kauft Sherman nach strikten Regeln ein: indigen regional, indigen national, erst dann werden auch andere Lieferanten in ­Erwägung gezogen. Den Alkohol und Kaffee bezieht Sherman, soweit es geht, von BIPoC-Unternehmen, Firmen also, die von Black, Indigenous and People of Color gegründet wurden. Der Espresso kommt von den Na­ tive Coffee Traders im PoospatuckReservat in New York, der Omay Pinot Noir vom Weingut Meyye in Kalifornien, dessen Besitzer ­indigene Wurzeln hat. Das Bisonfleisch stammt von der Cheyenne ­River Sioux T ­ ribe Buffalo Authority Corporation in Wyoming, der Fisch wird von zwei Fischereien in der Nähe geliefert. In dieser Hinsicht könne Amerika noch viel von Europa lernen, findet Sherman. Mehr regional zu kaufen und saisonal. Er selbst ernährt sich überwiegend auf pflanzlicher ­Basis. Ausnahmen erlaubt er sich. Zum chinesischen Neujahrsfest kamen Freunde zu ihm zum Essen, es gab Dumplings und selbst gemachte Nudeln. Wenn Sherman über Essen spricht, verliert seine Freundlichkeit die leicht professionelle Note, die seine vielen öffentlichen Auftritte mit sich gebracht haben. Die Soße seiner Großmutter, sein erster ­Risotto, überhaupt die italienische Küche, die er neben der eigenen am meisten schätzt: Sherman ­begeistert sich für alle Gerichte und ihre Geschichte. Im Owamni mag er nicht mehr am Herd stehen, zu Hause kocht er ständig. »Ich liebe Kultur, ich liebe Essen, ich liebe es, zu experimentieren und zu verstehen zu versuchen.« Und so hat ihm seine Karriere als Koch doch noch das Reisen beschert, das er sich in seiner Jugend erträumte. Nicht nur in Nordamerika spricht er über die Geschichte der indigenen

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Sherman redete vor den Vereinten Nationen, er reist um die Welt – und hat trotzdem das Gefühl, künftigen Generationen nicht mehr als eine Grundlage zu hinterlassen Küche. In diesem Jahr wird er nach Norwegen und Australien reisen, um sein Wissen weiterzugeben und selbst Neues über die indigenen Küchen anderer Länder zu erfahren. Manchmal, erzählt Sherman, habe er das Gefühl, gerade erst mit der Arbeit angefangen zu haben, zu spät dran zu sein, weil über zu viele Jahre hinweg zu wenig bewahrt wurde. Er werde künftigen Generationen nicht viel mehr als eine Grundlage hinterlassen können, fürchtet er. Aber er glaubt an die Kraft einer Bewegung, auch in Amerika. »Die weiße Vorherrschaft verliert wirklich an Macht«, sagt er. Sean Shermans Beitrag zum Wider­stand ist der Platz, den er für die indigene­ Küche wieder geschaffen hat – und der noch wachsen kann. 2016 machte Barack Obama den Bison zum Nationaltier der Vereinigten Staaten. Im Westen leben heute wieder Tausende Tiere in wilden Herden. Auch die Bisons sind zurückgekehrt.

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Neulich titelte das US-Magazin The Atlantic: »Wir leben schon längst im Meta­verse«. Der Artikel vertrat die These, unser Leben sei mittlerweile schon so von Bildschirmen durchsetzt, dass wir kaum noch unterscheiden können, was eigentlich digital und was real ist. Einen großen Teil der Dinge, die wir über die Welt zu wissen glauben, erfahren wir über elektronische Medien. Wo wir auch sind, schauen wir auf Bildschirme, egal, ob wir nun gerade im Bus unterwegs sind, die Straße entlangschlendern oder im Restaurant sitzen. Me­dien sind längst nicht nur Beobachter und Vermittler der Welt, sie bilden die Welt nicht mehr ab, sondern formen sie. Vieles von dem, was in der sogenannten Realität geschieht, findet dort nur statt, um es in den Me­dien präsentieren zu können. Das gilt ganz besonders für die Mode. Eine Modenschau ist heute keine Veranstaltung mehr, bei der unbedingt gezeigt wird, welche Kleider eine Marke in ein paar Monaten zu verkaufen gedenkt. Es werden auch etliche Stücke präsentiert, die nie auf den Markt geworfen werden. Und oftmals sitzen in den ersten Reihen Gäste, die bereits die Looks tragen, die eigentlich gerade erst auf den Laufstegen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das eigentliche Leben mancher Kleidungsstücke findet auf den Bildschirmen statt, nur dort wird man sie bewundern können, nicht auf der Straße, nicht in der Boutique. Und längst gibt es Mode, die ausschließlich für den digitalen Raum kreiert wird. So haben Louis Vuitton, Balenciaga und Moncler sogenannte Skins für das Spiel Fort­nite hergestellt, digitale Outfits, in die sich Avatare kleiden. Etro und Dolce & Gabbana haben virtuelle FashionShows veranstaltet. Bei so viel Vermischung von Realität und Il­lu­ sion war es nur eine Frage der Zeit, dass auch die Laufstegmode zur Illusion wird. So sind nun in mehreren Kollektionen auf den Stoff gedruckte Körper zu sehen: Bei Off-­White werden Oberteile präsentiert, auf denen stilisierte Muskelpakete zu bewundern sind, und Hemden mit dem Abbild eines menschlichen Skeletts. Bei Gaultier und Balmain sieht man ein Kleid, auf das ein nackter Frauenkörper gedruckt wurde, was den Eindruck erzeugt, die Trägerin selbst sei nackt. Bei Schiaparelli gibt es Kleider mit dem Motiv eines goldenen Frauenkörpers und bei Loewe T-Shirts, die so aussehen, als seien sie – und ihre Trägerinnen – Teil einer Computergrafik. Trompe-­l’Œil wird dieses Spiel mit der Täuschung genannt. In der wirklich echten Realität können wir also jederzeit einem Skelett begegnen oder einer Figur aus Mine­craft. Allerdings nur, wenn diese Mode tatsächlich für den Verkauf produziert wurde. Und wenn wir zwischendurch mal kurz von unseren Smart­phones aufschauen.

Mirko

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Borsche, Creative Director des ZEIT­magazins, testet jede Woche einen neuen Alltags­ gegenstand KABELBINDER GEAR TIE VON NITE IZE Material: gummierte Außenhülle, Kern aus formbarem Stahldraht; Preis (2 Stück):

Aufgezeichnet von LEA MARLEN BALZER

Foto Don Markus/Nite Ize

8,49 Euro Das Kabelthema ist ein nerviges: Kabel sind immer zu lang oder zu kurz. Inzwischen meistens zu lang, denn wenn heute Gebäude saniert oder neu gebaut werden, planen Elektriker gefühlt sieben Steckdosen pro Quadratmeter ein. Trotzdem hat jede Stehlampe weiterhin ein Kabel von zehn Metern Länge, von denen neuneinhalb Meter keine Funktion haben, außer Wohnungen und Büros vollzukabeln. Ganz zu schweigen von all den lebensnotwendigen Ladekabeln, die überall herumfliegen, wenn man sie nicht braucht, die aber nie griffbereit sind, wenn man sie dringend benötigt. Bei ausufernden Kabelkrisen packen die Gear Ties von Nite Ize zu wie abgebrühte Managerinnen: Sie bündeln, sie organisieren, sie fixieren, sie bringen die Dinge in geordnete Bahnen. Man kann mit diesen angenehm biegsamen Drähten Kabel zu kleinen Knäueln schnüren, sie aufhängen oder an Tischbeine verbannen. Das Beste: Im Unterschied zu billigeren Plastikbindern umklammern diese Halterungen die Kabel wirklich nur so lange, wie man es möchte. Danach löst man den Binder aus Stahldraht einfach wieder und sortiert sich neu. So stabil, wie die Gear-Tie-Kabelbinder gefertigt sind, kann man das wahrscheinlich viele tausend Mal machen, ohne dass sie jemals den Halt verlieren. In einem Bewerbungsschreiben würde es vermutlich heißen: »Gear Tie sind flexibel, anpassungsfähig und umweltfreundlich. Und verbindlich. Und zuverlässig. Und anspruchslos.« Nicht zuletzt haben sie eine tolle Haptik, die ein bisschen an diese langen roten Gummischlangen erinnert, die nach Kirsche schmecken.


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N0 113 LEXIKON DER LIEBE

Illustration ANNA HOFMANN *Alle Namen geändert

AUFREGUNG

Wenn Sie uns etwas über die Liebe erzählen wollen, schreiben Sie uns an liebe@zeit.de

Nora*, 40: »Es war Nacht, ich lag auf dem Bett unseres Ferienhauses in Portugal und zerfloss vor Aufregung. Er werde zu mir kommen, hatte João mir in der Disco versprochen. Ich war 25 und wie jedes Jahr mit meiner Schwester in das Dorf am Meer gefahren, in dem er lebte. Seit mindestens fünf Sommern schon umschlichen João und ich einander. Längst hatten wir ganze Nächte durchgeredet und waren uns innig vertraut, nur zu einem Kuss kam es nie. Heute würde es endlich so weit sein. Ich wartete Stunde um Stunde, aber er kam nicht. Als es hell wurde, stand plötzlich meine Schwester im Zimmer: ›Ach, hier bist du?!‹ Durch ein Missverständnis hatte sie gedacht, ich sei nicht daheim – ich wartete in einem Anbau, wo niemand nachsah. Als João in der Nacht gekommen war, hatte sie ihn nach Hause geschickt und sich Sorgen gemacht. Sie startete eine Suchaktion auf der Landstraße, während ich an die Decke starrte, bemüht, meinen Adrenalinspiegel in den Griff zu kriegen.

Ich war fassungslos. Wenn Leute sagen, nach fünf Jahren käme es auf die paar Stunden auch nicht mehr an, ist das Quatsch. Es kommt auf jede Stunde an, nach fünf Jahren erst recht! Am nächsten Mittag stand ich in der Küche, als ich ein Auto an der Einfahrt und dann Schritte im Haus hörte. Ich drehte mich um und sah ihn. Fluchtartig verließ meine Schwester den Raum, und ich dachte nur noch: ›O Gott, zum Glück habe ich meine Brille nicht auf‹, da küsste er mich schon. Weitere fünf Sommer lang hatten wir eine romantische Affäre, bis ich in Deutschland eine Beziehung einging und das Verhältnis zu João, der verheiratet war, abkühlen ließ. Auch danach legte er hin und wieder einen Stein auf die Mauer vor unserem Haus, um mir zu zeigen: Ich war hier, ich denke an dich. Fast niemand weiß von uns. Wenn ich ihm im Sommer über den Weg laufe, erschaudern wir beide kurz.« Aufgezeichnet von Lea Marlen Balzer

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»Schach ist nicht wie das Leben – Schach ist das Leben. Genau wie das Theater«, sagte Fernando Arrabal. Das eine wie das andere dient dem spanisch-französischen Dramatiker, Filmemacher, Dichter und Romancier (sein Schachroman Hohe Türme trifft der Blitz erhielt den Premio Nadal), aber eben auch leidenschaftlichen Schachspieler und Schachkolumnisten im L’Express dazu, die Absurdität unseres Daseins zu beleuchten. Es mag oft schön und dramatisch sein, doch wie Samuel Beckett und Marcel Duchamp – beide auch Schachspieler, mit denen Arrabal befreundet war – ist er der Meinung, dass die wichtigste Partie im Leben nicht zu gewinnen sei. Sein Urtrauma des im Spanischen Bürgerkrieg verschleppten und ermordeten Vaters ist nicht zu heilen. Kürzlich spielte der 90-Jährige im Rollstuhl anlässlich der Wiedervorstellung seines autobiografischen Films Viva la muerte (Es lebe der Tod) in Montpellier an 24 Brettern simultan. Das erinnerte mich an ein surreales TV-Interview mit ihm anlässlich der Schach-WM Kasparow gegen Karpow 1986 in London. Als ich Arrabal fragte, wer wohl gewinnen werde, sprang er entgeistert aus seinem Sessel auf: »Was für eine Frage?! Was für eine perverse Frage: natürlich Kasparow!« Er sollte recht behalten. In der 16. Partie schien Karpow mit seinem letzten Zug De7-e5, der die weiße Dame fesselt, den Angriff abgeschlagen zu haben. Doch mit welcher Kombination konnte nun Kasparow als Weißer die schwarze Dame gewinnen?

Lösung aus Nr. 9: Welcher Zug gewann schnell für Schwarz? Nach 1...Sg5! gab Weiß schon auf. Die angegriffene Dame muss innehalten, weil jeder Wegzug, wie beispielsweise 2.Dg4, sogar zum unmittelbaren Matt durch 2...Sxe3++! (Doppelschach) führt

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Impressum EDITORIAL DIRECTOR Christoph Amend CHEFREDAKTEUR Sascha ­Chaimowicz STELLVERTRETENDE CHEFREDAKTION Anna Kemper, Tillmann Prüfer, Emilia Smechowski CREATIVE DIRECTOR Mirko Borsche ART DIRECTOR Jasmin Müller-Stoy TEXTCHEFINNEN

Christine Meffert, Annabel Wahba BILDCHEFIN Milena Carstens BERATER (BILD) Andreas Wellnitz STYLE DIRECTOR Claire Beermann REDAKTIONELLE KOORDINATION Margit Stoffels REDAKTION Amelie Apel, Anita Blasberg, Jörg Burger,


LEBENSGESCHICHTE

SCRABBLE

Während der Pandemie fehlte ihm der direkte Kontakt zum Publikum, eine geplante Tournee mit mehr als 80 Shows wurde verschoben. Andererseits konnte er auch Vorteile entdecken, etwa unbehelligt spazieren gehen: »Mit Maske wurde ich nämlich nicht gleich erkannt.« Schon seit einem halben Jahrhundert ist er ja so berühmt wie der sprichwörtliche bunte Hund, jedes Kleinkind kennt seinen Namen, sein Gesicht und nicht zuletzt seine Stimme. Die Karriere des mit Preisen Überhäuften ist dabei so einzigartig wie er selbst, zumal er bis heute der Sache nicht müde wird. Nach und nach hat er viele Bühnen erobert, wechselt von der großen Leinwand verspielt auf die kleine, vom Live-Geschehen ins Aufnahmestudio. In seiner Geburtsstadt steht eine Art Museum, von ihm gestiftet, ein beliebtes Ausflugsziel im beschaulichen Umland. Seine breit gefächerten Talente kommentiert er selbstironisch: »Heute würden die Ärzte bei einem Kind, wie ich es war, wahrscheinlich ADHS diagnostizieren. Aber so was kannte man damals noch nicht.« Bei einer Fernseh-­Umfrage nach den Allzeit-Größten seiner Zunft wies man ihm Platz drei auf dem Treppchen zu, das Bundesverdienstkreuz bekam er 1. Klasse. So ist er ein Entertainer im besten Sinn, weil er den Menschen etwas gibt, das unbezahlbar ist: Dank ihm können sie abschalten, ihre Sorgen für kurze Zeit vergessen. Können über die Absurditäten des Lebens lachen oder über sich selbst, weil sie sich in ihm und seinen Kunstfiguren wiedererkennen. Wer ist’s? Lösung aus Nr. 9: Monika Mann (1910–1992) galt als die ungeliebte Tochter von Thomas und Katia Mann. Monika heiratete 1939 den Kunsthistoriker Jenö Lányi; 1940 wurde das Flüchtlingsschiff, auf dem sie nach Kanada emigrieren wollten, von einem deutschen Torpedo versenkt, ihr Mann und viele Passagiere ertranken. Monika überlebte auf einem Rettungsboot, 1952 kehrte sie nach Italien zurück und fand auf Capri in dem Fischer Antonio Spadaro ihren zweiten Lebensgefährten

SPIELE

Doppelter Wortwert Doppelter Buchstabenwert Dreifacher Wortwert Dreifacher Buchstabenwert

Es gelten nur Wörter, die im Duden, »Die deutsche Rechtschreibung«, 28. Auflage, verzeichnet sind, sowie deren Beugungsformen. Die Regeln finden Sie im Internet unter www.scrabble-info.de

LOGELEI 1. »Erbsen und Möhren sind gut für das Gehirn«, sagt die Mama und schreibt:

2. Das Kind meint: »Und für wen sind Eier und Milch gut?« Die Mama schreibt, wird aber kurz vorm Ende unterbrochen. Können Sie trotzdem herausfinden, für wen Eier und Milch gut sein sollen?

Beim Scrabble gibt es gewisse Zwänge – wie bei den meisten Spielen. Die Regeln sind zu befolgen, es gilt das Gebot der Fairness, bisweilen muss man schon lange vor dem Ende einsehen, keine Chance mehr zu haben. Und wenn das Gegenüber ein feines Wort nach dem anderen legt, so sollte jeder Akteur die Größe haben, anzuerkennen, dass die Synapsen auf der anderen Seite des Spielfelds einfach prima arbeiten und eine Niederlage kaum abzuwenden ist. Derlei widerfuhr mir neulich, wie die hier abgebildete Situation belegt. Meine Spielpartnerin brillierte erst mit HOLDINGS (nicht wirklich leicht zu finden), anschließend mit dem Plural INOSITEN (von der Grundform »Inosit« hatte ich noch nie gehört) und schließlich mit GRADEZU (einer zulässigen Nebenform von »geradezu«). Dann kam der Knüller, sie erzielte in dieser Kon­stel­la­ tion einen Wert in den mittleren 70ern – mit einer phänomenalen Beugungsform. Dass ein anderes Wort etwas mehr als 70 Punkte bringt, sei hier nur am Rande erwähnt.

Lösung aus Nr. 8: Zeilenweise: X59X263847, 14583X2769, X9XXX35621, X76XXX19XX, XX126XXX35, 582XXX741X. Nächste Woche an dieser Stelle: Sudoku und die Auflösung aus Nr. 9. Online Sudoku unter www.zeit.de/sudoku

Lösung aus Nr. 9: Der Ausruf EY brachte, auf 3B–3C platziert, insgesamt 48 Punkte. Davon entfielen 22 Zähler auf das gelegte Wort, hinzu kamen 4 sowie 22 Augen für HIE und NY

Johannes Dudziak, Alard von Kittlitz, Friederike Milbradt, Lena Niethammer, Khuê Pha.m, Ilka Piepgras, Jürgen von Ruten­berg; Mitarbeit: Klaus Stock­hausen (Contributing Fashion Director) GESTALTUNG Nina Bengtson, Mirko Merkel, Gianna Pfeifer

Nagel, Frank Siemienski DRUCK Mohn Media Mohndruck GmbH REPRO Twentyfour Seven Creative Media Services GmbH ANZEIGEN­ PREISE ZEITmagazin-­Preisliste Nr. 17 vom 1. 1. 2023 ANSCHRIFT VERLAG Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Bucerius­straße,

BILD­REDAKTION Nora Hollstein AUTOR(INNEN) Heike Faller, Harald Martenstein, Jana Simon, Matthias Stolz KORREKTORAT Thomas Worthmann (verantw.) DOKUMEN­TATION Mirjam Zimmer (verantw.) HERSTELLUNG Torsten Bastian (verantw.), Oliver

Eingang ­Speersort 1, 20095 Hamburg; Tel.: 040/32 80-0, Fax: 040/32 71 11; E-Mail: DieZeit@zeit.de ANSCHRIFT REDAKTION ZEITmagazin, Schöneberger Str. 21 A, 10963 Berlin; Tel.: 030/59 00 48-0, Fax: 030/59 00 00 39; E-Mail: zeitmagazin@ zeit.de, www.zeitmagazin.de


UM DIE ECKE GEDACHT NR. 2683 1 7

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7 Wird bei einer hintergründigen Szenenanalyse im Mittelpunkt stehen 11 Orte der Wahl für Aufmerksamkeitsüberdrüssige 16 Berts Namensvetter, Brügges Schwester, Efeus Pseudonym – zusammengenommen: Macht aus Blau Grün 18 Ehemaliger Hafen? Ein Rausschaffen in großem Stil! 19 Superchefetage? Randerscheinung zweier Themen 20 Ein Quäntchen einst in I­ndien, andererseits eine Menge in Britannien 21 Der bringt Fein-Dünnes in flächige Form 23 Kein Waldwunder, wenn jemand vor lauter Laub die ... nicht sieht 25 Der wittert Gewinne trotz schlaffer Börse 28 Position dessen, was 33 waagerecht ist 30 Seine Wiege: in Hertford, sein Haus: in Budapest, angeblich 31 Menschen ... nur das, was sie erwarten zu ... (R. W. Emerson) 33 Arges Fazit einer Ansehensüberprüfung, ärgeres eines Segeltörns 35 Ein 41-waagerecht-Überwachungsorgan? Facettenreicher Hingucker! 38 So leben: nichts auf Nutztiernutzung geben 39 Wasalaufläufer sehen einiges davon

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41 Der Surfer wird’s wohl sein, dem Wind und Welle ganz egal 43 Wer nicht fragen kann, kann nichts ... (Sprichwort) 44 In ihnen spricht die 24 senkrecht ihr Warn-, Straf-, Jubelwort 45 Türme sind’s oft, ­Taler allemal, beide im Gemenge sowieso 46 Ein Stück Hochitalien, namentlich auch an Côte d’Azur und rund um Kotor gefunden senkrecht: 1 Pause im Material, als Spur handwerklichen Wirkens 2 Dient kleinen Sprüngen ins oder unbegleiteten Fahrten auf dem Nass 3 Señor, bei gewissen Schärfebringern eingangs erwähnt 4 Deren Nutzer: am häufigsten daran interessiert, was am 28-waagerecht-Sein zu ändern 5 ­Bauernregelmäßig: Einem ... muss man kein Ei unterlegen 6 Wort, auch Wortlaut, aber größtenteils gerade nicht laut 7 Seine Devise: Dich kenne ich, dich bevorteile ich! 8 Es sei uns immer angelegener, Menschlichkeit zu zeigen als ... (G. E. Lessing) 9 Machen die 34 senkrecht vom Land so beliebt 10 Buchstäblich recht frei verteilt innerhalb der Spurenelemente

11 Unter Freunden: keine stachelhaften Anreden eigentlich 12 Die Arbeit von 4 senkrecht an gewissen Spielplätzen 13 Alternative, wenn der Autor wegen der Lyrik wieder Drama macht 14 Seit 2000 olympisch ausgebootet 15 Der auf Geburtstagsfeiern ... wird durchaus auch für die geschätzt 17 Wie elf Millionen Karibikbewohner ihre Heimat nennen 22 Haushaltstipp: Wer seine Sachen auf ... hat, muss weniger ...! 24 In den Büchern liegt die ... aller gewesenen Zeit (Th. Carlyle) 26 Die eine Hälfte vom berühmtesten SohlistenPaar der Filmgeschichte 27 Das längste Wasser zwischen den Küsten der Britischen Inseln 29 Wer sich keinen Pass-Spaß verspricht, findet vielleicht einen ... stattdessen 32 Sprichwörtliches Motto: Besser bei den ... gesessen als mit den Falken geflogen! 34 Streckt sich von Ecke bis Ecke im Allgemeinen 36 Zweibeiniger Besuch im Karpfenteich 37 Fernweh der Pupillen kann es stillen 40 Ein Tokio-Vorgänger in der Spielestättenliste 42 Privat ohne Ende: nicht mehr Peruanerbörsenfüller

Lösung von Nr. 2682: Waagerecht 7 BRISANT nicht von Brise 10 KRAWATTE 14 REFLEXIONEN, Spiegelungen und Nachdenken 16 »Es ist noch kein MEISTER vom Himmel gefallen«, »Übung macht den Meister« 18 »Meine GUETE!« 19 GEISTIG 20 TAT 21 EISBERG 23 Ur-(Auerochsen)-Teilen und URTEILEN 24 FILTER 26 Band RAGE Against the Machine mit Zack de la Rocha 28 AHN 30 SONAR mit Schallwellen 31 FLUREN vs. Flure 33 Lämmer und LEMMA 35 TENNE 37 FUNK mit Antenne 38 NELE aus N-e-(b-)e-l 40 ein »öde« und die EINOEDE 42 die und das MENGEN 43 UEBERTREIBEN 45 GERENNE 46 Erich KAESTNER, »Der kleine Mann« schläft in einer Streichholzschachtel – Senkrecht 1 ERFUELLUNG 2 Kur-TAXE und für Taxi 3 STOER mit Kaviar und »Stör mich nicht« 4 MANTRA in Visu-mantra-gsteller 5 »SAEGEN« = schnarchen 6 WETTEN 7 BEGRIFFEN 8 SETS 9 NIGER 10 Adolph von KNIGGE 11 RESUEMEE 12 TITISEE und Titicacasee 13 PENNAELER (»Die Feuerzangenbowle«, »Das fliegende Klassenzimmer«, »Fack ju Göhte«) 15 LEITUNGEN ohne Leck 16 MIT-denker 17 SALON 22 »B-Renner« und BRENNER(-pass) 25 ERKER 27 allen und Woody ALLEN 29 HANTEL 32 NEUNEuro-Ticket 2022 34 MIRA in Mira-culix 35 TOR 36 NEBEL, rückw. Leben 39 EBER, rückw. Rebe 41 DIN = Deutsches Institut für Normung e.V. 44 ETA in He-rakles

Kreuzworträtsel ECKSTEIN

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Scrabble SEBASTIAN HERZOG

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Logelei ZWEISTEIN

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Lebensgeschichte FRAUKE DÖHRING

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Schach HELMUT PFLEGER

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waagerecht

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Greta ist 15 Jahre alt.

PRÜFERS TÖCHTER

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Ihr Vater Tillmann Prüfer schreibt hier in wöchentlichem Wechsel über sie und seine anderen drei Töchter im Alter von 23, 17 und 9 Jahren

Illustration ALINE ZALKO

Zu hören unter www.zeit.de/audio

»Da kann ich nicht!«

Es wird ja sehr viel über die negativen Seiten der Digitalisierung gesprochen, gerade was Kinder betrifft. Da ist dann die Rede von TikTok-Sucht oder einem Leben, das nur für Instagram geführt wird. Man regt sich total darüber auf, dass es für Lehrer nun sehr schwer wird, zu unterscheiden, ob eine Hausaufgabe von der Schülerin oder von ChatGPT geschrieben worden ist, und natürlich ist alles komisch an dieser Jugend, die sich ständig mit neuen Apps verbindet, dauernd online ist und doch irgendwie disconnected wirkt. Ich finde trotzdem, dass noch nicht genug über das digitale Elend gesprochen worden ist. Etwa über die Bluetooth-Box von Greta. Nicht nur, dass diese tragbaren Lautsprecher einfach alles – Musik, Lärm, Podcasts – in alle Ecken tragen. Greta nutzt Spotify. Diese Audio-Streaming-Plattform bietet nicht nur Musik, sondern sie kann sie auch für einen auswählen. Ähnliche Musik wie die, die man schon gehört hat. Wer AnnenMayKantereit mag, der mag sicher auch Provinz, wer Provinz mag, der mag auch Von Wegen Lisbeth, und wer Von Wegen Lisbeth mag, hört sicher gerne auch Kraftklub. Wer das alles nicht gerne hört, AnnenMayKantereit, Provinz, Von Wegen Lisbeth, Kraftklub, das ist der Vater. Wenn Spotify in der Gewalt meiner Tochter ist, dann ergänzt der Algorithmus Musik, die ich nicht mag, mit Musik, die ich noch weniger mag. Was ist das für ein Internet, das das zulässt? Habe ich vor Jahren irre viel Geld ausgegeben für diesen superschnellen Glasfaseranschluss, damit ich nun mit deutschem Indiepop vollgesülzt werde? Aber die Digitalisierung hat ja auch andere Seiten. Mit ihrem Smart­phone kann Greta auch in den Familien-Kalender schreiben. Den haben wir mal angelegt, damit die Kinder sehen, an welchen Wochenenden wir bei Opa und Oma eingeladen sind. Nun aber sehe ich darin immer wieder Termine wie »Schuko 1 2023«. Das hat Greta reingeschrieben, Schuko, habe ich mir übersetzen lassen, ist die »Schulkonferenz«. Greta ist in der Schülerinnenvertretung ihrer Schule sehr involviert. Es gibt auch den Kalendereintrag »KoSi«. Das ist die »Kommissions-Sitzung«, hat Greta mir erklärt. Offenbar ist Greta auch Kommissarin. Wenn sie Termine in den Kalender schreibt, heißt das so viel wie: »Da kann ich nicht!« »Da kann ich nicht« höre ich in letzter Zeit ziemlich oft. Greta ist voll verplant. Ich frage mich beim Blick in den Familien-Kalender, wie das erst mal werden soll, wenn Greta mit der Schule fertig ist. Hat sie dann weniger Termine oder mehr? Wie kann man so beschäftigt sein, gibt es denn keinen Spaß mehr in der Jugend? Doch, den gibt es. Neulich lagen Greta und ihre Schwestern quer auf dem Sofa und konnten sich vor Lachen kaum in den Kissen halten. Sie hatten nämlich auf ihren Handys alte Videos gefunden, die sie für musical.ly gedreht hatten, die App, die irgendwann mal von TikTok geschluckt wurde. Sie hatten die alten Videos in der Cloud entdeckt und mussten sehr lachen, als sie ihre ersten Singversuche wieder sahen. Es war, wie in einem alten Fotoalbum zu blättern, nur dass es einem auf dem Smart­phone angeboten wird. Darauf war ich sehr neidisch. Ich hätte auch gerne ein Video von mir, wie ich zu Taylor Swift tanze. Deren Musik mag ich nämlich auch viel lieber.


Was ich gern früher gewusst hätte

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Von Shania Twain

Tanz so oft wie möglich zu Abba und den Bee Gees. Tiefer Schmerz lässt sich mit starkem Willen aushalten. Nicht nur Cowboys machen Country-Musik. Werd dir schnell darüber klar, was du nicht aus deinem Leben machen möchtest. Wenn du dein Leben ordnen willst,

denken. Lass das Handy öfter aus. Lass in einer Bar niemals dein

Zieh dich eine Weile von der Welt

Such nach angenehmen Dingen,

Glas aus den Augen, besonders

zurück, wenn du herausfinden willst,

die dein inneres Gleichgewicht

wenn du jung bist.

wer du bist.

wiederherstellen.

Erfahrung ist alles.

Zu Ennio Morricones Soundtrack

Erfolg befreit, denn danach kommt

»The Mission« zu weinen ist wie

der Spaß.

Verbring viel Zeit allein mit Männern,

Medizin.

dann wirst du eine starke Frau. Pfleg den Kontakt zu deiner Familie.

Zieh in die Schweiz, da gibt es gutes Find deine eigene Wahrheit, und steh

Essen, Käse, überwältigende Land-

zu ihr.

schaften und vor allem Frieden.

Hier erzählen jede Woche Prominente, was sie erst spät begriffen haben. Die Country- und Popsängerin Shania Twain, 57, stammt aus Kanada. 1997 wurde sie mit ihrem Album »Come On Over« berühmt, das zu den meistverkauften der Geschichte gehört. Gerade erschien von ihr »Queen of Me«.

Aufgezeichnet von CHRISTOPH DALLACH

Ruhm ist nicht so aufregend, wie alle

Illustration ROBERT RADZIEJEWSKI / Foto Louie Banks

schreib einen Song.


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