ZEIT für Unternehmer Ausgabe 1/24

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SCHWERPUNKT DIGITALISIERUNG

Künstliche Intelligenz kann Chefinnen und Chefs helfen – oder sie ersetzen?

»Komm, das kriegen wir hin!«

Anne-Marie Großmann will ihr Stahlwerk klimaneutral machen. Aber grüner Strom ist teuer, die Auflagen für eigene Windkraftanlagen sind hoch, von der Politik ist sie enttäuscht. Ein Gespräch mit einer Unternehmerin, die Zweifel mit Zuversicht kontert

April 2024
Nummer 01

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Über diese Ausgabe

IMPRESSUM

Herausgeber: Dr. Uwe Jean Heuser

Art-Direktion: Haika Hinze

Redaktion:

Jens Tönnesmann (verantwortlich), Carolin Jackermeier

Autoren: Carolyn Braun, Manuel Heckel, Kristina Läsker, Navina Reus, Marcus Rohwetter, Celine Schäfer, Marlene Seidel, Jeanne Wellnitz

Redaktionsassistenz: Andrea Capita, Katrin Ullmann

Chef vom Dienst:

Dorothée Stöbener (verantwortlich), Mark Spörrle, Imke Kromer

Textchef: Dr. Christof Siemes

Gestaltung: Christoph Lehner

Infografik: Pia Bublies (frei)

Bildredaktion:

Amélie Schneider (verantwortlich), Navina Reus

Korrektorat: Thomas Worthmann (verantwortlich), Oliver Voß (stv.)

Dokumentation: Mirjam Zimmer (verantwortlich)

CPO Magazines & New Business: Sandra Kreft

Director Magazines:

Malte Winter

Vertrieb:

Sarah Reinbacher

Marketing:

Elke Deleker

Unternehmenskommunikation und Veranstaltungen:

Silvie Rundel

Herstellung:

Torsten Bastian (Ltg.), Oliver Nagel (Stv.)

Anzeigen:

ZEIT Media

www.media.zeit.de

Anzeigenpreise:

Objektprofil ZEIT für Unternehmer vom 1.1.2024 unter www.iqm.de

Druck:

Vogel Druck und Medienservice GmbH, Höchberg

Anschrift Verlag und Redaktion: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Eingang Speersort 1, 20095 Hamburg; Tel.: 040/32 80-0, Fax: 040/32 71 11; E-Mail: DieZeit@zeit.de

Diese Ausgabe enthält Publikationen von folgenden Unternehmen in Teilauflagen: Westerwald Brauerei, 57627 Hachenburg

Wenn eine Stahlunternehmerin erklärt, warum es sich in Deutschland nicht auszahlt, frühzeitig nachhaltig zu werden, dann ist das ein echtes Warnzeichen. Wenn die KI anfängt, die Arbeit der Manager zu erledigen, ist das ein Hoffnungsschimmer für den Standort. Und wenn gleich eine Handvoll bekannter Familienunternehmer dafür wirbt, dass Firmen für die Demokratie kämpfen, ist das – genau richtig. Viel Gewinn also beim Lesen!

Ihr Team von ZEIT für Unternehmer

Von Georgsmarienhütte bis Glashütte

Wo die Firmen ihren Sitz haben, die in dieser Ausgabe vorkommen

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Korrektur: Im Beitrag »In blauen Schuhen Richtung Zukunft« aus Ausgabe 4/2023 haben wir irrtümlich berichtet, das Dortmunder Maschinenbau-Unternehmen Klöpper sei ein Kunde des Unternehmers Markus Rall, der eine virtuelle Feile entwickelt habe. Tatsächlich ist Ralls Auftraggeber die Firma H&S Hard- und Software Technologie, die wie Klöpper zur Beimdick-Gruppe gehört und die Feile nach eigener Darstellung maßgeblich entwickelt hat.

20 München 7 Rust 7 Glashütte 38 Glückstadt 44 Norderstedt 22 Bremerhaven Oranienburg 32 6, 7, 46 Berlin 26 8 14 Bremen Georgsmarienhütte Werther (Westfalen) 6 16 Mundelsheim Mainhardt 16 Heidelberg Mainz 18 Düsseldorf 14 Duisburg 42 EDITORIAL

Titelfoto:

»Es ist manchmal das Beste, wenn Dinge kaputtgehen, damit etwas Neues entstehen kann.«
VERENA BAHLSEN

Diese Kaffeebohnen werden in Äthiopien geröstet. Warum ist das so besonders? S. 22

Dieses Boot ist aus natürlichen Rohstoffen gebaut. Hält es den Wellen stand? S. 26

Dieser Unternehmer hat eine Hochschule gegründet und vor der Pleite bewahrt. S. 46

5 JAHRE »ZEIT FÜR UNTERNEHMER«

Was haben die Persönlichkeiten, die wir für unsere ersten Ausgaben getroffen haben, in den Krisen seit 2019 gelernt? 6/7

TITELTHEMA

Anne-Marie Großmann leitet das Stahlwerk, das ihr Vater vor dem Ruin rettete. Jetzt will sie es grüner machen 8–13

SCHWERPUNKT DIGITALISIERUNG

KI soll Chefinnen und Chefs helfen. Wie leicht sind sie selber zu ersetzen? 14–17

Eine Gießerei gründet ein Start-up, um Innovationen zu beschleunigen 18–20

LIEFERKETTEN

Wie der Frosta-Chef einem äthiopischen Kaffee-Start-up den Weg ebnete 22–24

FOTOSTORY

Zu Besuch in der Greenboats-Werft 26–29

Der Bootsbauer Friedrich Deimann hat alles auf eine Karte gesetzt 30

ARBEITSWELT

Wie kann man motiviert bleiben, wenn eine Krise die nächste jagt? 32–34

NACHFOLGE

Der Generationswechsel fällt vielen Unternehmern schwer. Eine Analyse 36/37

Eine Großbäckerei soll sich zukünftig selbst gehören 38/39

RAT AUS DEM SILICON VALLEY Wie umgehen mit Whistleblowern? 40

DIE ERFINDUNG MEINES LEBENS Ein Ball für Demenzkranke 42

KLIMA-CHECK Wie grün ist Schülke? 44/45

EIN TAG MIT ... Hochschul-CEO Thomas Bachem 46–48

TO–DO–LISTE

Was Sie tun könnten, was Sie lassen sollten, was Sie delegieren dürfen 50

Making the world a more safe and secure place.

Keine Safety ohne Security!

DieIndustrie befindet sich im Wa ndel. Neben Safet ya ls funktionale Sicherheit für Mensch und Maschine ist Industrial Security zum Schutz vor Cyberangri ff en oder Manipulatio n unverzichtbar.M itarbeiter sollen sicher arbeiten können –und die Produktivität von Maschinen und Anlagen muss gewährleistet bleiben. Deshalbdenken wirbei Pilz ganzheitlich, von der Beratung bis zum Produkt. Füreine sichereAutomation IhrerProduktions-und Industrieanlagen.

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22.–26.

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5
Jewgeni Roppel für ZEIT für Unternehmer; Fotos (v. o.): Solino; Enver Hirsch; Maximilian Schulz
April 2024
Pilz GmbH &Co. KG Tel.: 0711 3409-0, info@pilz.de,
www.pilz.de

»Was für ein Drama«

ZEIT für Unternehmer wird fünf Jahre alt. Anlass für einen Rückblick, der auch in die Zukunft weist VON JENS TÖNNESMANN

Erst die Pandemie, dann der russische Angriff auf die Ukraine: Als im März 2019 die erste Ausgabe von ZEIT für Unternehmer erschienen ist, hätte niemand von uns für möglich gehalten, welche Krisen in kurzer Zeit aufeinander folgen würden. In diesem Magazin haben wir von Anfang an zum Thema gemacht, wie Unternehmerinnen und Unternehmer mit den Herausforderungen umgehen – und nebenbei auch noch die grüne Transformation meistern und ihre Betriebe digitalisieren.

Jetzt wird ZEIT für Unternehmer fünf Jahre alt. Das haben wir zum Anlass genommen, die Optik des Magazins zu modernisieren. Und wir haben bei jenen Unternehmerinnen und Unternehmern nachgefragt, die wir in unseren ersten Ausgaben begleitet haben: Was haben Sie in den vergangenen fünf Jahren Neues über Unternehmertum gelernt? Und welchen unternehmerischen Glaubenssatz haben Sie über den Haufen geworfen?

Verena Bahlsen, 31: Aus eigener Kraft wachsen 2019 gab uns Verena Bahlsen mit ihrem Vater Werner M. Bahlsen eines jener Doppelinterviews, die danach zu einem Markenzeichen von ZEIT für Unternehmer wurden. Darin sprach sie über ihre Rolle bei Bahlsen und die große Angst, ihren Vater zu enttäuschen. Im Jahr 2022 verkündete sie ihren Abschied von dem Süßwarenhersteller aus Hannover. Heute sagt Bahlsen, es sei für sie lange ein »Ober-Tabu« gewesen, dass Dinge kaputtgehen. »Aber dann sind Dinge kaputtgegangen, ich habe Bahlsen verlassen

und mich von meinem Vater freigeschwommen. Und ich habe gemerkt: Ich bin immer noch da! Ich beschäftige mich jetzt mit Markenentwicklung und habe ein anderes, gesünderes Verhältnis zu meinem Vater.« Sie schließt daraus: »Es ist also manchmal sogar das Beste, wenn Dinge wie eine Arbeitssituation oder eine Beziehung kaputtgehen, damit etwas Neues entstehen kann.«

Gelernt hat Bahlsen, dass nachhaltige Entwicklung Zeit braucht. »Ich wollte viel, und das unglaublich schnell, das hat nicht funktioniert.« Sie hat sich mit drei Partnern zusammengetan und entwickelt nun Markenstrategien für kleine Firmen. »Uns geht es nicht darum, das nächste große Rad zu drehen, viel Geld einzusammeln, zu ballern und zu skalieren«, sagt die 31-Jährige. »Wir wollen etwas über mehrere Jahre aufbauen, das aus eigener Kraft wächst.« Und das fühle sich »richtig großartig« an.

Susanne Berner, 48:

Die Produktionsfirmen fliehen Die Insolvenzverwalterin und Anwältin warnte schon 2019 vor einer Rezession. Heute blickt sie ernüchtert auf das Land: »Die Wirtschaft in Deutschland sei die Lokomotive in Europa, hat es lange geheißen. Ich habe inzwischen den Glauben daran verloren, dass die deutsche Wirtschaft gut genug aufgestellt ist, damit sie nicht flächendeckend getroffen werden könnte«, sagt sie. Aufgrund der gestiegenen Energiekosten, Löhne und Rohstoffpreise könnten viele Firmen nicht mehr kostendeckend produzieren: »Die Gefahr einer Deindustrialisierung ist real.«

Andreas von Bechtolsheim, 68: Deutschland, ein Rundungsfehler Der gebürtige Bayer lebt seit den Siebzigerjahren im Silicon Valley. Er forderte vor fünf Jahren Mittelständler auf, in Soft ware zu investieren und Ingenieure einzustellen, um nicht die Zukunft zu verpassen. Heute sagt von Bechtolsheim: »Die Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz gingen noch schneller vonstatten, als ich 2019 erwartet hatte.« Er warnte auch davor, dass Deutschland seine wirtschaftliche Führungsrolle einbüßen könnte, wenn es nicht auf KI setze. »Bei KI-Start-ups sind die USA bei Weitem vorne«, sagt der Unternehmer heute, Deutschland sei da nur »ein Rundungsfehler«. Zwar dürften die USProdukte auch die Produktivität europäischer Firmen »enorm steigern«, so der 68-Jährige. »Allerdings bleibt die Wertschöpfung in der Technologie in den USA.«

»Wir müssen der Demokratie Schützenhilfe geben, wenn diese uns
5 JAHRE »ZEIT FÜR UNTERNEHMER«
Fotos (v. l.): Paulina Hildesheim; Evelyn Dragan; Felix Schmitt

Sarna Röser, 36:

Geheimhaltung, nein danke

Die Familienunternehmerin aus Mundelsheim war sechs Jahre lang Bundesvorsitzende des Vereins »Die Jungen Unternehmer«. Röser sagt heute, sie habe gelernt, »wie durch ein starkes gemeinsames Netzwerk, Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen neue Ideen geschaffen werden und Wachstum ermöglicht wird«. Sie folgert: »Der oft empfohlene Tipp ›Geheimhaltung als Schlüssel zum Erfolg‹ hat sich für mich in vielerlei Hinsicht nicht bewahrheitet.«

Harald Christ, 52: Werte verteidigen!

Der Unternehmer warnte 2019 davor, dass sich die Grenze zwischen Politik und Wirtschaft schließe. Damals engagierte er sich noch in der SPD, wechselte aber kurz darauf in die FDP. Christ hat beobachtet, dass Firmen heute häufiger im Ausland investieren, und für Arbeitskräfte sei Deutschland schon lange nicht mehr die erste Wahl, der Standort werde »immer kritischer« gesehen. Ein Grund: »Der zunehmende Rechtsruck schreckt viele ab, das höre ich immer wieder.«

Der 52-Jährige appelliert deswegen an die Unternehmer, nicht nur für demokratische Werte, Toleranz, Vielfalt und Mitmenschlichkeit einzustehen: »Wir müssen diese Werte auch verteidigen, dafür kämpfen.« Und zwar: »Jeden Tag – laut und deutlich.« Nur mit stabilen gesellschaftlichen Verhältnissen könne der Wirtschaftsstandort Deutschland erfolgreich sein – und damit seine Unternehmer.

Judith Borowski, 55: Der Demokratie Schützenhilfe geben

Die Chefin des Uhrenhersteller Nomos Glashütte aus Sachsen forderte schon 2019, dass sich »Unternehmer raustrauen«, wenn es darum gehe, »Demokratie zu verteidigen und Rechtsradikalismus die Stirn zu bieten«.

Heute hat sie dafür noch ein Argument mehr: »Da Kirchen, Gewerkschaften, Vereine an Relevanz verlieren, sind unsere Unternehmen letzte Orte, wo Menschen unterschiedlichster Bildungshintergründe, jeden Alters, verschiedener Herkunft aufeinandertreffen und sich austauschen. Was für eine Chance! Und auch: Verantwortung!«

Sie habe in der Pandemie gelernt, dass es zwar die erste Aufgabe von Unternehmen bleibe, Geld zu verdienen. Das allein reiche aber nicht. »Wir müssen der Demokratie Schützenhilfe geben, wenn diese uns braucht«, findet Borowski, »wir brauchen sie ja schließlich auch.«

Miriam Wohlfarth, 54: Raus aus der Angst!

Die Seriengründerin kritisierte 2019, dass nur jede sechste mittelständische Firma von einer Frau geführt wurde. Heute ist es etwa jede fünfte. »In den Führungsstrukturen des Mittelstands sind nur geringfügige Veränderungen erkennbar«, findet sie.

Wohlfarth sagt, sie habe sich von dem Glaubenssatz verabschiedet, »dass ich mich als Unternehmerin nicht politisch äußern sollte«. Und sie habe gelernt, »dass ein gutes Team alles schaffen kann«. Es gelte, »mit Unvorhergesehenem umzugehen und dabei optimistisch zu bleiben, da sich die Dinge ständig verändern und weiterentwickeln«. Sie wünscht sich: »Wir müssen raus aus der Angst und Dinge auch einfach mal tun.«

Roland Mack, 74, und Michael Mack, 45: Optimismus gelernt

Den Macks gehört der Europapark in Rust. 2019 waren sie dabei, immer mehr digitale Inhalte wie Filme oder virtuelle Achterbahnfahrten zu entwickeln. Und sie erzähl-

braucht. Wir brauchen sie ja schließlich auch«

ten von ihrer riesigen neuen Wasserwelt. Kaum eröffnet, musste die in der Pandemie monatelang schließen. »Was für ein Drama«, sagt Roland Mack heute. Sohn Michael findet: »Solch eine Krise möchte ich nie mehr erleben. Aber sie war und ist eine Schule mit Erfahrungen und Erkenntnissen, wie ich sie an keiner Universität hätte lernen können.«

Aus Sicht des Juniors hat die Pandemie gezeigt, »wie existenziell wichtig es war und ist, dass wir schon lange in der jungen Generation auf die Digitalisierung und Innovationen setzen«. Roland Mack betont, er habe »sehr viel über den Zusammenhalt im Unternehmen gelernt, über das Zusammenstehen und das gemeinsame Bewältigen einer existenziellen Krise«. Man sei zusammengerückt. »Die schwierigste und emotionalste Entscheidung für mich war es, mehrere Tausend Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken, ohne jede Klarheit, wie es weitergeht.«

Die Staatshilfe sei dann zu zäh geflossen. Er habe begriffen, »dass man sich in der Not leider selbst helfen muss«. Nur so habe der Park überlebt. Seit 2023 investiere man wieder Millionen in die Anlage, schaffe neue Arbeitsplätze und habe 2023 rund 6,5 Millionen Besucher angelockt. Die Menschen sehnten sich nach Freizeit und Unterhaltung, »in Krisenzeiten mehr denn je«.

Judith Borowski, Nomos Glashütte
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Anne-Marie Großmann, 35. Nachdem das Porträtfoto gemacht ist, schlüpft sie in die Arbeitskluft …

TITELTHEMA INTERVIEW GROSSMANN

»Dafür brenne ich total«

Anne-Marie Großmann leitet das Stahlwerk, das ihr Vater einst vor dem Ruin rettete. In Zeiten großer Herausforderungen formuliert die Unternehmerin große Ambitionen – und sendet eine Warnung an die Politik VON JENS TÖNNESMANN

... und führt durch ihr Stahlwerk, in dem Fließbänder fast im Minutentakt heiße Stahlstränge ausspucken

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WWer das Stahlwerk Georgsmarienhütte besucht, kann schon auf der Taxifahrt zum Werktor erfahren, wie wichtig es für die gleichnamige Stadt bei Osnabrück ist. Die Taxifahrerin erzählt vom Jahr 1993, als das Stahlwerk vor der Schließung stand – und viele ihrer Angehörigen vor der Arbeitslosigkeit. »Dann hat der Jürgen Großmann es für zwei Mark übernommen und wieder auf Vordermann gebracht«, sagt die Fahrerin. Nachdem der spätere RWE-Chef das Unternehmen gekauft hatte, erholte es sich. Nun sind wieder schwierige Zeiten angebrochen. Zeit für ein Gespräch mit Anne-Marie Großmann. Die 35-jährige Tochter des Werksretters arbeitet seit 2021 in der Geschäftsführung der GMH Gruppe, die im Stahlwerk und weiteren Tochterfirmen heute etwa 6000 Menschen beschäftigt.

ZEIT für Unternehmer: Frau Großmann, Ihr Unternehmen soll spätestens 2039 klimaneutral arbeiten – ausgerechnet mit Stahl. Und sogar schneller als Deutschland insgesamt, das erst 2045 so weit sein will. Überschätzen Sie sich?

Anne-Marie Großmann: Nein. Wir wollen ein Vorreiter sein, so wie wir es auch in der Vergangenheit schon waren. 1994 haben wir hier als erster deutscher Konzern einen Gleichstrom-Elektrolichtbogenofen installiert, mit dem wir aus Schrott neuen Stahl kochen – damit sind schon damals auf einen Schlag 80 Prozent unserer CO₂-Emissionen weggefallen.

Sie könnten hier also schon jetzt in großem Stil umsetzen, was andere Stahlwerke noch nicht schaffen: mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen sogenannten grünen Stahl herstellen. Was hält Sie auf? Wir bieten schon Stahl an, für dessen Herstellung wir Windenergie einkaufen und so nur 0,05 Tonnen CO₂ pro Tonne Stahl ausstoßen – bei klassischem Stahl ist es etwa das 40-Fache. Viele Unternehmen bekunden an diesem grünen Stahl Interesse,

etwa Autokonzerne. Aktuell laufen die Bestellungen eher langsam hoch.

Weil Sie zu viel Geld dafür wollen?

Es gibt einen Aufschlag, aber der ist überschaubar: Ein Auto, in dem 350 Kilo grüner Stahl stecken, würde ungefähr 200 bis 300 Euro mehr kosten als ein konventionelles. Wie sehr ärgert Sie dann, dass es bei Lippenbekenntnissen bleibt?

Die Konzernmanager wissen eigentlich, dass sie nachhaltiger werden müssen – aufgrund gesetzlicher Vorhaben und weil der CO₂-Preis steigen dürfte. Allerdings fürchten sie auch steigende Energiepreise. Der Preisdruck der Konzerne dämpft die Nachfrage nach grünem Stahl.

Ihr Werk verbraucht mehr Strom als Osnabrück mit seinen 172.000 Einwohnern. Warum bauen Sie nicht selbst die etwa 60 Windräder, um den Bedarf zu decken?

Wir würden gerne eigene Windkraftanlagen aufstellen! Wenn grüne Energie bezahlbar werden soll, müssen wir alle mehr Angebot schaffen. Und wenn wir die Windenergie direkt ins Werk einspeisen, erhöhen wir nicht einmal die Netzlast – noch ein Vorteil.

Warum zögern Sie?

Wir haben intensive Gespräche geführt, insbesondere mit der lokalen Politik. Aber es gibt hohe Auflagen – etwa zum Schutz von Waldboden. Und Abstandsregelungen. Ich hatte es mir einfacher vorgestellt, einen Windpark zu bauen. Stattdessen wird unsere Lage immer schwieriger. Nun ist auch noch die Befreiung von den Netzentgelten für energieintensive Unternehmen weggefallen ... ... weil die Ampel nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts sparen muss. Immerhin hat sie die Wirtschaft dafür bei der Stromsteuer entlastet. Die Entlastung macht etwa ein Prozent unserer Energiekosten aus, die zusätzliche Belastung 15 Prozent. Unterm Strich zahlen wir heute etwa doppelt so viel für Strom wie vor einem Jahr – da lagen die Preise auch schon deutlich höher als im OECD-Schnitt. Ihre zuletzt veröffentlichte Bilanz weist für das Jahr 2021 einen Umsatz von zwei Milliarden Euro aus und einen Gewinn vor Steuern und Abschreibungen von 142 Millionen Euro; 2022 wollten Sie beides steigern. Haben Sie das geschafft?

TITELTHEMA INTERVIEW GROSSMANN

Die glühenden Stränge werden zu verschiedenen Produkten weiterverarbeitet

Über nicht veröffentlichte Zahlen spreche ich nicht. Aber so viel kann ich sagen: Wir haben in den vergangenen beiden Jahren auskömmlich Geld verdient, um wie geplant in unser Werk zu investieren. Nur sind die Aussichten jetzt deutlich gedämpfter.

Wie reagieren Sie?

Wir versuchen, unsere Kosten zu senken, auch indem wir Stellen abbauen und phasenweise Kurzarbeit anmelden. Und trotzdem haben wir im globalen Wettbewerb nur noch eine Chance, wenn wir auf Marge verzichten und unsere Investitionen deutlich zurückzuschrauben. Weswegen wir schlussendlich auch Alternativen erwägen. Welche? Ihr Stahlwerk lässt sich nicht so leicht abbauen und ins Ausland verlagern. Genau. Aber um das Werk zu erhalten, müssen wir permanent Geld investieren, damit es nicht noch unrentabler wird. Zwei Jahre halten wir das noch durch, auch wenn sich die Investitionen angesichts der aktuell hohen Energiepreise kaum rechnen.

Und wenn die Preise nicht wieder sinken?

Dann haben wir hier keine Zukunft. Wir müssten weitere Arbeitsplätze abbauen und

142 Mio.

Euro Gewinn vor Steuern und Abschreibungen erzielte GMH 2021. Neuere Zahlen gibt es nicht

Der Umsatz der Firmengruppe schwankt – auch aufgrund vieler Umstrukturierungen, Käufe und Verkäufe

würden im Ausland investieren. Das wäre das Worst-Case-Szenario.

Denken Sie auch an einen Verkauf?

Wir fühlen uns für das Unternehmen und den Standort verantwortlich. Einerseits. Andererseits können wir nichts am Leben erhalten, was keine Perspektive hat. Bisher ist ein Verkauf allerdings keine Option. Hoffen Sie noch auf einen staatlich gedeckelten Industriestrompreis, damit es nicht so weit kommt?

Als Volkswirtin sehe ich Subventionen skeptisch. Aber wenn wir die energieintensive Industrie halten wollen, muss der Staat sie entlasten. Sonst müssen die Unternehmen hier ihren Stahl zukünftig im Ausland kaufen. Vielleicht wäre das ja sogar günstiger?

Sie wären viel abhängiger von Frachtraten und den Energiepreisen im Ausland. Unterm Strich wäre es auch schädlicher fürs Klima, wenn der Stahl mit Kohle hergestellt und über längere Strecken transportiert wird. Die Ampel unterstützt allerdings auch Stahlkonzerne mit Milliarden dabei, auf grünen Stahl umzustellen. Haben Sie auch Hilfen erhalten?

Wir handeln aus dem inneren Antrieb heraus, wettbewerbsfähig Stahl zu produzieren. Und den ganzen Weg bis hierher haben wir – von kleineren Investitionsförderungen abgesehen – ohne staatliche Hilfe beschritten. Und das wird auch so bleiben.

Fühlen Sie sich übers Ohr gehauen, wenn Ihre Konkurrenten nun Geld erhalten, um nachzuziehen?

Es ist schon eine Verzerrung des Wettbewerbs. Und ein schlechtes Zeichen, wenn Unternehmen nur aufgrund von Subventionen umstellen – grüner Stahl müsste doch ein attraktives Geschäftsmodell sein! Statt vereinzelt große Werke zu unterstützen, sollte die Politik die Rahmenbedingungen für die energieintensive Industrie verbessern. Und zwar wie?

Drei Dinge: Wir brauchen erstens dauerhaft bezahlbaren Strom, denn wir investieren in Anlagen, die schon jetzt 30 Jahre laufen müssen, damit sie sich rechnen. Die Politik muss zweitens Bürokratie und Auflagen abbauen, um den Unternehmern Freiraum zu geben, ihre Probleme selbst zu bewältigen. Dazu kommt drittens: Unsere Bruttolöhne

11
2021 2015 2018
2,12
2012
2,69 Mrd.
1,93 2,30
Foto: Jewgeni Roppel für ZEIT für Unternehmer

sind im vergangenen Jahr um 4,7 Prozent gestiegen – unsere Produktivität aber nur um etwa zwei Prozent. Wenn immer mehr Menschen in den Ruhestand gehen, wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Die Politik muss es uns also erleichtern, motivierte Leute nach Deutschland zu holen.

Wünschen Sie einen Regierungswechsel?

Nach der Bundestagswahl 2021 habe ich große Hoffnungen auf die Ampel gesetzt, aber inzwischen bin ich enttäuscht. Daher wünsche ich mir zuallererst eine gute und verlässliche Wirtschaftspolitik. Wenn das nur mit einer anderen Regierung geht, wünsche ich mir tatsächlich auch einen Wechsel. Das »manager magazin« nennt Sie eine der 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft. Warum dringen Sie nicht durch?

Vermutlich, weil es der Wirtschaft aktuell noch zu gut geht. Und so hört uns die Ampel zwar zu, aber sie versteht nicht, was auf dem Spiel steht. Ich habe den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck deswegen nach Georgsmarienhütte eingeladen, damit er sich hier die grüne Stahlproduktion anschauen kann – bisher ist er allerdings nicht gekommen. Die Einladung steht.

Ihr Vater Jürgen Großmann, früher Chef des Energiekonzerns RWE, nennt die deutsche Energiepolitik in einem neuen Buch ›Super-GAU mit Ansage‹. Das Land habe sich übereilt von der Kernenergie verabschiedet und zu abhängig vom russischen Gas gemacht. Hat er recht?

Das Problem ist: Die Politik hat den Atomausstieg beschlossen, ohne einen funktionstüchtigen Plan zu haben, woher der Strom stattdessen kommen soll. Und es gab auch keinen Plan, russisches Gas zu ersetzen. Im Jahr 2009 haben Sie »DeutschlandRussland – Die neue Generation« mitgegründet, waren anfangs dessen Vorsitzende. Der Verein hat Konferenzen für Nachwuchsmanager ausgerichtet*. Heute steht er in der Kritik, die Abhängigkeit von russischem Gas befeuert zu haben. Wie blicken Sie auf Ihr Engagement?

Ich glaube weiterhin, dass ein Dialog auf der zivilen, zwischenmenschlichen Ebene zentral ist, um zu verstehen, wie ein Land tickt. Und ich bin immer noch überzeugt, dass wir

über Handel und Partnerschaften positiv Einfluss auf andere Staaten nehmen können. Aber wir sind tatsächlich zu wenig aufgestanden, als immer deutlicher wurde, wohin sich Russland entwickelt – und das war lange vor dem schrecklichen Angriff auf die Ukraine. Sie haben auch in Peking studiert. Was können wir aus dem Umgang mit Russland für den Umgang mit China lernen? Wir dürfen weder blauäugig sein noch überreagieren, denn China ist für uns sowohl ein Wettbewerber als auch ein Abnehmer. Auch wir exportieren Stahl in die Volksrepublik. Von Protektionismus halte ich deshalb nichts, zwei Drittel der deutschen Exporte sind stahlintensiv, der freie Handel ist die Grundvoraussetzung für unsere Industrie. Wie sehr besorgt Sie dann die Stärke der AfD, die die EU für gescheitert hält und zur D-Mark zurückkehren will?

Sehr. Wir stehen für Demokratie und Weltoffenheit und sind gegen Rechtsextremismus. Meine Sorge ist: Wenn die Industrie abwandert und Jobs verloren gehen, stärkt das die Extremen weiter. Es ist also umso wichtiger, dass die Bundesregierung endlich eine Politik für die Wirtschaft macht und nicht gegen sie.

Sollten Unternehmer öffentlich Stellung gegen die AfD beziehen?

Ich finde wichtig, dass wir uns im Sinne unserer Unternehmen politisch einbringen –und zwar mit Bezug auf Inhalte und nicht auf bestimmte Parteien.

Im Jahr 2007 haben Sie ein Praktikum bei einem SPD-Bundestagsabgeordneten gemacht. Haben Sie jemals überlegt, selbst in die Politik zu gehen?

Ich bin ein politisch interessierter Mensch. Aber mich treibt es noch mehr an, Dinge schnell umsetzen zu können, die Prozesse der Politik wären mir schlicht zu langsam. (lacht) Sie haben auch Philosophie studiert. Hilft Ihnen das als Unternehmerin?

Es hilft mir dabei, logisch zu denken, zu argumentieren und den Dingen auf den Grund zu gehen.

Sie klingen auch sehr sortiert und nüchtern, selbst wenn Sie über die aktuellen Schwierigkeiten reden. Schwärmen Sie doch mal: Was lieben Sie an Ihrer Arbeit? Wenn Sie bei uns ins Werk reinkommen

und sehen, wie die Menschen hier Schrott in edlen Blankstahl verwandeln, dann merken Sie, welcher unglaubliche Aufwand das ist und wie viel Know-how da drinsteckt. Dafür brenne ich total.

Wann hat das angefangen? Sie sind ja schon als Kind mit der Werkbahn hier übers Gelände gefahren ...

Das war etwas ganz Besonderes. Meine Geschwister und ich haben hier auch später Zeit verbracht, um die Unternehmensgruppe kennenzulernen.

Trotzdem haben Sie nach Ihrem Studium erst im Bereich Innovationsökonomie promoviert und dann für eine Beratung gearbeitet. Was hat Sie später gereizt, doch Unternehmerin zu werden?

Das liegt sicher auch an meinem Naturell: Stillstand finde ich langweilig, ich will die Zukunft gestalten. Als ich 2018 eingestiegen bin, gab es außerdem einen ganz konkreten Bedarf für meine Unterstützung. Sie mussten damals gleich zwei Tochterfirmen restrukturieren. Kein einfacher Job. Als Sie in die Geschäftsführung der Gruppe aufrückten, nannte die »WirtschaftsWoche« das eine »Turbokarriere«, andere Magazine bezeichnen Sie nun als »eiserne Lady« und »Stahlbaronin«. Fühlen Sie sich passend beschrieben?

Nein. (lacht) Ich sehe mich weder als Baronin noch als Lady. Ich wollte als Kind auch nie Prinzessin sein, sondern einfach ganz nüchtern den Weg nach vorn gehen. Auch Ihre Mutter Dagmar Sikorski ist Unternehmerin. Was haben Sie von ihr gelernt – und was von Ihrem Vater?

Mein Vater ist visionär unterwegs und denkt langfristig und strategisch. Meine Mutter ist eher die Umsetzerin und operativ stark. Beide haben mir beigebracht: Wenn du etwas erreichen möchtest, musst du die Ärmel hochkrempeln und machen. Zweifeln Sie trotzdem manchmal, ob das in diesen schwierigen Zeiten reicht?

Wenn unser CEO Alexander Becker und ich mit den anderen Geschäftsführern zusammensitzen und wir die Energiepreise anschauen, sind wir schon manchmal ernüchtert. Aber das Gute ist: Wir sind ein Team, wir bauen uns auf und piksen uns gegenseitig: Komm, das kriegen wir hin!

TITELTHEMA INTERVIEW GROSSMANN

Foto: GMH Gruppe

Der Elektrolichtbogenofen nutzt Gleichstrom, um tonnenweise Schrott zu neuem Stahl zu kochen, bei mehr als 1600 Grad. 1994 eingeweiht, hat er einst 100 Millionen Mark gekostet

In der Geschäftsführung sind Sie die einzige Frau. Wie weiblich ist Ihr Stahlunternehmen insgesamt?

Weniger als zehn Prozent unserer Beschäftigten sind Frauen. Den Anteil wollen wir deutlich steigern – weil ich überzeugt bin, dass jedes Unternehmen unglaublich davon profitiert, diverse Teams zu haben. Wir haben eigene Kitas und bieten flexible Arbeitszeiten, damit unsere Beschäftigten Familie und Job in Einklang bringen können. Herr Becker ist als CEO Ihr Chef, gleichzeitig können Sie als Gesellschafterin über seine Zukunft mitentscheiden. Wer hat also wirklich das Sagen?

Das ist eine besondere Situation, das stimmt. Aber wir haben in der Geschäftsführung klare Entscheidungsprozesse, und da berichte ich an unseren CEO. Außerdem ziehen wir alle am selben Strang.

Die Firma gehört heute Ihnen, Ihrer Schwester, Ihrem Bruder und Ihrem Vater – nur hält der etwas mehr als 25 Prozent und Sie und Ihre Geschwister etwas weniger, er hat eine Sperrminorität. Wie ist es zu dieser Konstellation gekommen?

»Die meisten Mittelständler sind doch Kerle, die etwas schaffen wollen«

Jürgen Großmann in einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« im Jahr 2005

»Jedes Unternehmen profitiert unglaublich davon, diverse Teams zu haben«
Anne-Marie Großmann

Das war ein Prozess, in dem mein Vater uns früh Anteile überschrieben hat. Wir haben dann alle unsere Rollen so gewählt, dass sie zu unseren Neigungen und Möglichkeiten passen. Jeder kann sich auf seine Weise einbringen – auch dann, wenn er Dinge anders sehen sollte als mein Vater.

Wie oft legt Ihr Vater sein Veto ein?

Zu solchen spezifischen Fragen möchte ich nichts sagen. Aber ich bin überzeugt, dass der intensive Austausch unter uns Gesellschaftern sowohl für das Unternehmen wertvoll ist als auch für uns als Familie. Sie telefonieren ja mehrmals täglich mit ihm. Mischt er sich so gern ins operative Geschäft ein, oder halten Sie ihn einfach nur auf dem Laufenden?

Natürlich hat mein Vater manche Situationen schon mehrmals erlebt, die für mich neu sind. Da hole ich mir gern Rat.

Geben Sie uns ein Beispiel?

Ich verstehe Ihre Neugier, aber ich glaube, es ist für Familienunternehmen ganz gut, solche Fragen nicht öffentlich zu verhandeln.

Das »manager magazin« hat berichtet, dass Ihr Bruder in einer Sitzung des Auf­

sichtsrats gestichelt hat, als Sie gerade neu in der Geschäftsführung waren. Gab es doch Uneinigkeit darüber, wer operative Verantwortung übernimmt?

Einmal vorweg: Kritische Fragen sind uns willkommen. Wie soll man sonst gut nach vorne kommen? Davon abgesehen hat jeder von uns Verantwortung. Meine Geschwister sind als Gesellschafter und Aufsichtsräte sehr nah dran. Das ist auch gut so, denn mein Bruder hat als Manager bei einem Autozulieferer enorm viel Erfahrungen in der Automobilindustrie und sieht sehr klar, wohin sich die Branche entwickelt. Wer von Ihnen hat die größten Zweifel daran, dass Ihr Werk bis 2039 klimaneutral werden kann und sollte? Keiner bezweifelt das. Wir sind dem alle verpflichtet.

* Transparenzhinweis: In den Tagungsunterlagen des Vereins »Deutschland­Russland –Die neue Generation« wurde neben Gazprom und namhaften deutschen Konzernen wie Siemens und Porsche auch die ZEIT als Unterstützer in den Jahren bis 2012 aufgeführt.

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Mach mal Platz, Boss!

Künstliche Intelligenz soll Chefinnen und Chefs dabei helfen, die Prozesse in ihren Firmen effizienter zu machen. Wie leicht sind sie selber zu ersetzen?

MMarkus Kerkhoff hätte auf sein Bauchgefühl hören, seiner Intuition vertrauen oder sich von seinen Erfahrungen leiten lassen können. Der 52-Jährige hätte Kollegen konsultieren oder eine Pro-und-ContraListe erstellen können. Es ging ja um Menschen, ihre Arbeit, ihre Zukunft! Doch wenn der Unternehmer in den vergangenen drei Jahren die Projektleiter in seinen Teams austauschte, verließ er sich nicht so sehr auf menschliche Fähigkeiten, sondern: auf Software.

In Werther bei Bielefeld leitet Kerkhoff seit vergangenem Jahr das Familienunternehmen Poppe und Potthoff. Die Firma stellt seit 1928 Spezialrohre für Verbrennermotoren und Dieseleinspritzsysteme her. Heute entwickelt die Gruppe zudem Systeme für E-Mobilität und Wasserstofftechnologie. »Für diesen Technologiewandel brauchten wir auch einen Strukturwandel im Unternehmen selbst«, sagt Kerkhoff.

Vor drei Jahren, damals war er noch Beauftragter für Innovation, begann er die Firma zu transformieren. Er bildete gemischte Teams: Ingenieure sollten mit Produktionshelfern zusammenarbeiten, Verwaltungsangestellte mit Produktent-

wicklern. Statt getrennter und hierarchisch strukturierter Ableitungen gab es plötzlich selbst organisierte Projektgruppen. Ob das funktioniert, lässt er künstliche Intelligenz (KI) beurteilen.

KI soll zukünftig nicht nur Produktionsstraßen effizienter machen, Marketingtexte verfassen und E-Mails formulieren, sondern Chefinnen und Chefs in ihren Kernkompetenzen unterstützen: strategische Entscheidungen treffen, die passenden Menschen ins Team holen – oder gleich die Firma leiten. Der chinesische Spieleentwickler Netdragon Websoft beschäftigt als Geschäftsführer einer Tochterfirma seit gut einem Jahr bereits einen KI-gesteuerten Roboter, der Managementaufgaben übernimmt, Gespräche mit Mitarbeitenden führt und Berichte erstellt.

Laut einer Umfrage der Online-Bildungsplattform EDX in den USA glaubt fast die Hälfte der 500 befragten Chefinnen und Chefs daran, dass ihre Arbeit komplett oder zum Großteil durch KI ersetzt werden könnte. Die Managementberatung Kearney und der Personalvermittler Egon Zehnder kommen bei einer nicht repräsentativen Umfrage unter 100 Vorständen und Geschäftsführern aus Deutschland und drei weiteren Ländern zu dem Schluss, fast die Hälfte der hochrangigen Führungskräfte erwarte, dass KI ihre Rolle fundamental verändern werde. Mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden sehen darin vor allem eine Chance.

Was unumstritten ist: Große Sprachmodelle wie ChatGPT von OpenAI und Gemini von Google machen KI für die meisten zugänglich. Bei einer Umfrage unter den

Leserinnen und Lesern von ZEIT für Unternehmer antwortete die große Mehrheit, sie nutze die Technologie bereits. Hauptsächlich aber, um Routineaufgaben effizienter zu erledigen und mehr Zeit für kreatives Arbeiten zu haben. Oder wie es ein Unternehmer formuliert: »um unliebsame Aufgaben übernehmen zu lassen«.

Markus Kerkhoff genügt das nicht: »Meine Aufgabe als Unternehmer ist es, mit dem bestmöglichen Team das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Und dabei hilft mir die Technologie.« Beraten lässt sich der Unternehmer von der Software des Start-ups Monday Rocks.

Dessen Gründer haben eine »Leadership-App« entwickelt, die mithilfe von KI die Zusammenarbeit von Teams verbessern soll. Das Düsseldorfer Start-up warb einen siebenstelligen Betrag ein. Unter anderem hat der ehemalige SAP-Personalvorstand Stefan Ries investiert. Zu den Kunden zählen Volkswagen und der Pharmakonzern Novartis.

Das Konzept der App: Zunächst fragt die Plattform ab, wer in welcher Struktur mit wem zusammenarbeitet. Die Mitarbeitenden erhalten jeweils ein eigenes Profil und sollen quartalsweise Fragen zur Zusammenarbeit im Team und ihrem Arbeitsalltag beantworten: Wie zufrieden sind sie mit ihrem Team? Wie ist der Umgang miteinander? Welche Konflikte gibt es?

Zusätzlich geben sie ihren Kolleginnen und Kollegen anonymes Feedback zu deren Verhalten. Führungskräfte sehen auf ihrem Dashboard dann, wie strukturiert ihr Team arbeitet, wer welche Rolle einnimmt und wie zufrieden die Mitarbeiter sind.

SCHWERPUNKT DIGITALISIERUNG KI

Und was wird aus dem Chefsessel, wenn die KI übernimmt? Die Künstler Wendy van Santen und Hans Bolleurs hätten da eine Idee

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Foto: Van Santen & Bolleurs

Anschließend gibt die Plattform Tipps, wie die jeweiligen Einheiten besser zusammenarbeiten können. Das Start-up selbst spricht von »KI-gestützten Führungsimpulsen«, die es aus wissenschaftlichen Studien und Daten mehrerer Hundert ausgewerteter Teams herleitet.

Wie erfolgreich die Maßnahmen sind, misst Monday Rocks mit Kennzahlen, etwa der Fluktuation oder der Arbeitszeit, die für bestimmte Aufgaben anfällt. Die KI lernt aus den Daten, mit denen Firmen wie Poppe und Potthoff sie füttern, welche Strategien für welche Teamkonstellationen am besten funktionieren. Meist sind die Ratschläge banal: Da heißt es, man solle die Kommunikationskanäle vereinheitlichen, weniger Meetings abhalten oder gemeinsame To-do-Listen führen.

Im vergangenen Jahr sei die Nachfrage stark angestiegen. »Wir merken den Antrieb aus dem klassischen Mittelstand, der zuvor im Umgang mit KI eher zurückhaltend war«, sagt der Soziologe und Mitgründer Christoph Schönfelder. Doch die dortigen Führungskräfte haben auch Bedenken. Schönfelder muss viele Präsentationen halten und mit Personalräten und Datenschutzbeauftragten von Kunden sprechen. »Es geht darum, Angst zu nehmen und anfängliche Skepsis zu überwinden«, sagt er.

So war es auch bei Poppe und Potthoff. »Als wir die App einführten, waren erst mal alle skeptisch und hatten Angst, gläsern zu werden«, erinnert sich Geschäftsführer Markus Kerkhoff. Die Mitarbeitenden hätten sich beim Betriebsrat erkundigt, was mit ihren Daten geschieht. Viele seien damit überfordert gewesen, offenes Feedback zu geben, sodass die Kommentarfelder leer blieben. Mittlerweile sprechen vier Businesscoaches regelmäßig mit den Mitarbeitenden und werten die Ergebnisse aus. Im Konfliktfall wenden sie sich an Kerkhoff. Die Daten, die die App sammelt, helfen ihm, überhaupt von Spannungen zu erfahren und zu verstehen, wie sie die Dynamik der Teams beeinflussen.

Kerkhoff sagt zwar, er wolle keine Arbeit einsparen. Aber wirtschaftlich motiviert dürfte der KI-Einsatz trotzdem sein. Obwohl der Umsatz des Unternehmens

2022 leicht gestiegen ist, brach der Gewinn von knapp zehn Millionen Euro auf weniger als zwei Millionen Euro ein. Als Gründe weist die Bilanz unter anderem die steigenden Preise für Stahl und Energie sowie die sinkende Nachfrage der Automobilbranche aus. Die Lohnkosten der rund 1.600 Mitarbeitenden sind ein erheblicher Kostenfaktor. Im Jahresabschluss schreibt das Unternehmen, dass mithilfe der neuen Software »geeignete Maßnahmen zur Effizienzsteigerung abgeleitet und konsequent angewandt« würden.

Kerkhoff folgte den Daten, strukturierte Teams um und besetzte sogar Führungspositionen neu. Die Produktivität der Teams sei deutlich gestiegen, sagt er.

»KI ist kein Autopilot, sondern eine Führungsnavigation«

»Wo die Mitarbeiter harmonisch zusammenarbeiten, ist die finanzielle Leistung besser.« Mit einem so klaren Zusammenhang habe er nicht gerechnet.

KI kann auch helfen, jenseits von Personalfragen strategische Entscheidungen zu treffen. »Die eigentliche KI-Revolution findet im Management und bald auf der obersten Führungsebene statt«, meint Thorsten Heilig. Er hat vor vier Jahren das Start-up Paretos gegründet und will mit desen Hilfe unternehmerische Entscheidungen automatisieren. »Unternehmer müssen keine Excel-Listen mehr hin- und herschaukeln oder sich nicht mehr auf ihr Bauchgefühl verlassen, sondern handeln datengetrieben«, beschreibt Heilig das Ziel.

Seine Software kann nicht nur vorhersagen, welche Produktmenge an einem bestimmten Tag nachgefragt wird, und anschließend empfehlen, welche Mengen welcher Waren wann im Lager sein sollten. Sie kann die Ware auch selbstständig bestellen und den Mitarbeitenden Anweisungen geben. Die KI als Befehlsgewalt? »Die Technologie ist so weit, aber die Menschen wollen immer noch selbst auf den Knopf drücken«, sagt Heilig. Noch.

Forscherinnen und Forscher der Universität St. Gallen kommen in einer Studie zu dem Schluss, dass sich der Einsatz von KI für Führungsaufgaben negativ auf das Vertrauen von Mitarbeitenden in ihre Vorgesetzten auswirken könne. Zum Beispiel wenn nicht mehr klar ist, ob eine Führungskraft eine Entscheidung eigenmächtig getroffen hat oder sie einem Algorithmus folgt. Dann drohen Mitarbeitende nicht nur an der Entscheidung selbst zu zweifeln, sondern auch an der Kompetenz der Chefinnen und Chefs. Und wenn die Algorithmen übernehmen, können noch ganz andere Konflikte auftreten.

»Willkommen Operator X.« – »Okay.«

»Regal 300X.« – »Okay.«

»Nimm Kiste X.« – »Okay.«

»Bringe sie zur Warenausgangszone.«

So klingt Mary, die im schwäbischen Mainhardt das Sagen hat, im Lager des Getränkeherstellers Aqua Römer. Mary ist das Sprachrohr eines EDV-Programms. Via Funk dirigiert sie die Staplerfahrer durch die Regalreihen und sagt ihnen, was sie zu tun haben. Diese nuscheln »Okays« in ihre Headsets und rasen mit Paletten voller Getränkekisten auf ihren Gabelstaplern durch die Gänge. Wer am Tag die meisten Kisten schafft, erhält eine Prämie, Mary zählt mit.

Um mit ihr zu kommunizieren, wird von jedem Lagermitarbeiter ein Sprachprofil angelegt. Konkret heißt das, dass die Mitarbeiter 43 Befehle einsprechen müssen, die sich das System merkt. Mary begrüßt sie dann zu Schichtbeginn persönlich, entlässt sie in die Pause und schickt sie in den Feierabend.

Als Aqua Römer das System 2004 einführte, gab es weder Siri noch Alexa, ge-

SCHWERPUNKT DIGITALISIERUNG KI

schweige denn eine Datenschutzgrundverordnung. Niemand habe gewusst, welche Daten das System aufzeichnet und wo diese gespeichert werden, erzählt Efstathios Michailidis. Er war damals Betriebsratsvorsitzender bei Aqua Römer. »Als ich begriffen habe, was Mary alles erfasst, war ich schockiert«, erzählt Michailidis. Er rief die Belegschaft zum Streik auf und setzte gemeinsam mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung durch, die festhält, dass die Daten nicht vom Management ausgewertet werden und zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen dürfen.

Heute ist Mary eine Selbstverständlichkeit im Unternehmen. »Wir haben uns so sehr an das System gewöhnt, wir wüssten gar nicht, wie es ohne funktionieren soll«, sagt der sogenannte Hoflogistiker Joachim Wild. Er arbeitet täglich mit Mary und überwacht die Aufträge aus der »Zentrale«, einem Büro auf der Empore mit Blick auf

die Lagerhalle. Seine Chefin ist auch glücklich: »Mithilfe der Technologie arbeiten wir effizienter und nahezu fehlerfrei«, sagt die Geschäftsführerin Nadja Ohlendorf.

Vieles hängt also davon ab, welche Grenzen man der KI setzt. Christoph Schönfelder, der Mitgründer vom Monday Rocks, resümiert: KI könne Unternehmerinnen und Unternehmern Zeit einsparen, ihnen Einblicke in die Teams liefern, sie ihre Mitarbeitenden besser verstehen lassen. Aber er sagt auch: »Die KI ist kein Autopilot, sondern eine Führungsnavigation.«

Die Technologie kann eben nur auf Basis bestehender Daten prognostizieren, welche Entscheidung wahrscheinlich die beste ist. Als Amazon 2014 eine KI einsetzte, um Bewerbungen auszuwerten, stellte sich heraus, dass das Programm Frauen systematisch diskriminierte, weil das System hauptsächlich mit Daten weißer Männer trainiert wurde. Die hatten in der

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Vergangenheit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit den Job bekommen.

Auch heute noch ist KI abhängig von den vorhandenen Informationen. Sie hat kein Bewusstsein, keine Emotionen oder Erfahrungen. Unternehmen müssen dagegen neuartige Krisen bewältigen, Innovation vorantreiben und Entscheidungen auch moralisch abwägen.

Selbst ChatGPT glaubt nicht, dass KI die Firmenführung in naher Zukunft ganz ersetzen wird: »In den nächsten Jahren wird die KI­Technologie zweifellos weiterentwickelt werden, aber es bleibt unwahrscheinlich, dass sie die menschlichen Eigenschaften und Entscheidungsfähigkeiten erreicht, die für effektive Führung erforderlich sind«, schreibt die beliebte KI auf Nachfrage. Doch seien wir ehrlich: Auch diese Aussage basiert wieder nur auf dem, was in der Vergangenheit geschrieben und gesagt wurde.

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Ganz heiße Eisen

Eine Mainzer Gießerei baut systematisch ein Start-up auf, um neue Märkte zu erschließen. Warum sich der Mittelstand an das »CompanyBuilding« wagt – und worauf es dabei ankommt

So ganz zufrieden ist Rudi Riedel noch nicht mit dem Platz in der Fabrikhalle, den sein Team für die Zukunft reserviert hat. Riedel ist Chef von Römheld & Moelle, einer fast 160 Jahre alten Eisengießerei in Mainz, man denkt da eher an Tradition als an Innovation. Doch nun eilt der 57-Jährige durch die Halle und zeigt auf zwei turmhohe Silos voller Sand und Schläuche, durch die Harz und Härtemittel laufen. Und zwar in zwei 3-D-Drucker, jeder so groß wie ein Kleinlaster. Manche Röhren liegen im Weg, manche Behälter müssen immer wieder hinund hergeschoben werden. »Richtig optimal sind die Abläufe mit der aktuellen Aufstellung hier noch nicht«, sagt Riedel, »aber wir wollten schnell ins Machen kommen.«

Eigentlich gießen die rund 150 Mitarbeiter von Römheld & Moelle gigantische Maschinenteile oder die Pressformen, die dann in der Autoindustrie Karosserien formen. »Bisher fühlen wir uns wohl so ab einer Tonne bis 38 Tonnen«, sagt Riedel. Doch die Branche steht unter Druck, die Energiekosten sind hoch, die Aufträge aus der Autoindustrie stocken, einige deutsche Gießereien mussten schon aufgeben. Römheld & Moelle wurde 2014 von einem PrivateEquity-Unternehmen übernommen, weil die Inhaberfamilien keine Nachfolge fanden. Seit 2020 führt Rudi Riedel mit einem Kollegen die Geschäfte und muss die Gießerei mehr oder minder neu erfinden.

Riedel zog erst mal das Standardprogramm durch: Abläufe effizienter machen, den Vertrieb intensivieren, Prozesse digitalisieren. Auf der Website der Gießerei können Kunden jetzt verfolgen, in welcher Phase sich ihr Auftrag befindet. Die Gießerei setzt nun auf Ökostrom und weist den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte aus, auch das soll im Wettbewerb helfen. Dazu kam ein Sparkurs: Von 2020 bis Ende 2022 gab es einen »Zukunftssicherungstarifvertrag« zwischen Geschäftsführung und Belegschaft, der schmerzhafte Gehaltseinschnitte vorsah, dafür aber betriebsbedingte Kündigungen ausschloss. Zu Jahresbeginn 2023 verkündete Riedel: »Jetzt ist Schluss mit Krise«.

Und es ist Zeit für die Zukunft. Riedel schaffte vor zwei Jahren einen ersten 3-D-Drucker an, um mit der neuen Techno-

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SCHWERPUNKT DIGITALISIERUNG   COMPANY-BUILDING
Foto: Römheld & Moelle
Solche tonnenschweren Metallteile stellt Römheld & Moelle her

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logie zu experimentieren. Und er beschloss, ein Start-up zu gründen, um noch mehr aus dem 3-D-Drucker herauszuholen.

»Company-Building« oder »VentureBuilding« nennt sich diese Methode, die langsam im Mittelstand ankommt. Dabei geht es darum, innovative Geschäftsmodelle zu erdenken und schnell zu erproben. Also nicht in langwierigen Prozessen eine neue Abteilung aufzubauen, sondern mit möglichst geringem Aufwand eine neue Firma hochzuziehen. »Company-Building kann Unternehmen helfen, Innovationen deutlich strukturierter voranzutreiben«, sagt Christoph Baier, Mitgründer der Beratung Ambivation, die Mittelständler, Konzerne und Start-ups zusammenbringt. Bosch baute mit der Beratung BCG einen Leihscooter-

die Schwesterfirma des Traditionsbetriebs. Im Hintergrund raunen sich Mitarbeiter auf Englisch Programmiertipps zu, als Bildschirmständer dienen Kopierpapierpakete.

Marcel Tschillaev soll hier mit seinem fünfköpfigen Team herausfinden, was die Kunden in der Gussindustrie nervt und wie sich Römheld & Moelle von Wettbewerbern abheben kann. Üblich sind in der Branche noch wochenlange Abstimmungen zwischen Kunde und Auftraggeber. Castfast analysiert die hochgeladenen Zeichnungsdaten der Kunden dagegen mit einem Algorithmus und meldet sofort eine Preisspanne, einen Liefertermin und den CO₂-Fußabdruck. Dabei konzentrieren sich Tschillaev und sein Team erst mal auf Teile, für die man den 3-D-Drucker einsetzen kann.

Dann geht es darum, schnell ein Geschäftsmodell zu entwickeln, ohne es zu zerdenken. So wie beim 3-D-Drucker der Eisengießerei. Über eine rasch gezimmerte Website kamen bei Castfast Anfragen herein, bevor ein klarer Fokus feststand.

Neben dieser Start-up-Methodik bringen Dienstleister mit, was Mittelständlern fehlt: Programmierer, Designer, Projektmanager. Und bei Castfast eine Soft ware, die Preise und Lieferzeiten kalkuliert. Dafür haben die Agenturen keine Ahnung, wie Gießen funktioniert, worauf es im Maschinenbau ankommt, was die Pharmabranche bewegt –dieses Wissen bringt der Mittelständler ein.

Die Firmen müssen dann laufend Bestandsgeschäft und Start-up ausbalancieren. »Es kann sinnvoll sein, eine Idee außerhalb

Dutzende neue Kunden? »Das ist völlig ungewöhnlich für eine altehrwürdige Eisengießerei wie uns!«

Dienst auf (und stampfte ihn später wieder ein), Blanc & Fischer gründete mithilfe eines Dienstleisters die Marke »Atoll«, die hochwertige Kücheneinrichtung an Endkunden vertreibt. Bei Römheld & Moelle waren die 3-D-Sanddrucker der Ausgangspunkt.

Mit ihnen kann die Gießerei nun Gussformen aus mit Harz verklebtem Sand herstellen, automatisiert und ohne Modell. Sonst läuft es so: Die Mitarbeiter schneiden Styropormodelle zu, die mit Sand umhüllt werden. Wenn sie dann das flüssige Eisen in die Form gießen, verdampft das Modell aus Kunststoff. Mit den 3-D-Druckern lassen sich die Sandformen schneller herstellen. Das lohnt sich vor allem, wenn man mit ihnen Einzelanfertigungen, Prototypen, Ersatzteile oder kleine Serien gießen will.

Die Drucker allein reichen Riedel aber nicht. Er hat in einer ehemaligen Mainzer Kaserne zwei Räume gemietet. Fünf Minuten dauert die Autofahrt von der Gießerei, dann begegnet man ein paar Mittzwanzigern, deren Schreibtische hier dicht an dicht stehen. Sie bauen die Castfast GmbH auf,

Castfast agiert quasi als Plattform: Es nimmt die Aufträge an, kalkuliert sie und leitet sie an Römheld & Moelle weiter. Die Gießerei hat so schon Aufträge von Dutzenden neuen Kunden für ihre Drucker erhalten. »Das ist völlig ungewöhnlich für eine altehrwürdige Eisengießerei wie uns«, sagt Rudi Riedel. Castfast will außerdem weitere Gießereien als Lieferanten gewinnen und mehr Verfahren als Eisenguss anbieten – erste Aufträge für Aluguss kamen bereits über die Website herein, Stahlguss soll folgen.

Castfast gehört zu einhundert Prozent Römheld & Moelle. Entstanden ist das Start-up aber mithilfe der Münchner Agentur Eisbach Partners. Bridgemaker, Mantro, WattX oder Xpress Ventures heißen andere Dienstleister, die sich ihren Einsatz meist mit üppigen Pauschalen vergüten lassen. Die Berater empfehlen Unternehmern wie Riedel oft erst mal etwas, das die gar nicht gewohnt sind: Feedback einholen! Kunden, so Matthias Siedler von Eisbach Partners, »sind oft sehr froh, wenn sie ihre Wünsche und Probleme zurückspielen können«.

des eigenen Unternehmens zu verfolgen, weil Einkauf, Regulatorik, Entscheidungsprozesse dann viel schneller sind«, sagt Anne Decker von WattX, dem Company-Builder der Viessmann-Gruppe.

Oft bringt das Konflikte mit sich. Etwa wenn erfahrene Vertriebler aus der Traditionsfirma ihre Kontakte mit den neuen innovativen Kollegen teilen müssen. Wenn in der Ausgründung größere Freiheiten herrschen. Oder wenn ins Start-up investiert wird, während der Kernbetrieb spart. Bei Römheld & Moelle mussten etwa die Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten die Styropormodelle erstellen, ihre Fläche neu organisieren – weil die 3-D-Druck-Neulinge mehr Platz benötigten. »Am Anfang gab es durchaus viel Skepsis«, sagt Rudi Riedel.

In einer Betriebsversammlung warb der Chef für das Konzept, eine Vertreterin der IG Metall unterstützte ihn. Als Castfast startete, hätten sich engagierte Mitarbeiter sogar aus dem Urlaub gemeldet, erzählt er. Um dabei zu sein, wenn in Mainz die Krise endet und die Zukunft beginnt.

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Wer erntet, der röstet!

Unternehmertum statt Entwicklungshilfe: Wie der Frosta-Chef Felix Ahlers dem äthiopischen Kaffee-Start-up Solino den Weg in den deutschen Markt geebnet hat

Per WhatsApp-Videochat meldet sich Blen Hailu aus Addis Abeba. In der äthiopischen Hauptstadt arbeitet die Marketingmanagerin für die Kaffeemarke Solino, die man in Deutschland kaufen kann. Das Produkt ist nicht außergewöhnlich. Das Konzept dahinter ist es schon. »Der Export von geröstetem Kaffee ist eine sehr gute Möglichkeit, hier im Land qualifizierte Arbeit zu schaffen«, sagt Hailu.

Den Satz muss man erklären. Denn obwohl Äthiopien als Heimatland des Kaffees gilt, ist der Handel mit braunen, also gerösteten Kaffeebohnen hier sehr ungewöhnlich. Viel Geld geht dem ostafrikanischen Land deswegen verloren.

Felix Ahlers findet das ungerecht. Dabei ist er weder Aktivist noch Entwicklungshelfer, er ist ein mittelständischer Unternehmer. Ahlers, 57, ist der Chef der deutschen Tiefkühlfirma Frosta mit Sitz in Bremerhaven. Vor einigen Jahren brachte er Solino in Deutschland auf den Markt und bewies damit: Wer die Wertschöpfungskette verändert, braucht keine Entwick-

Plungshilfe und keine Fairtrade-Almosen. Das ist die Idee. Die 150 Menschen, die heute bei Solino arbeiten, verdienen nach Unternehmensabgaben umgerechnet bis zu 300 Euro im Monat – fast zehnmal mehr als typische Kaffeebäuerinnen und -bauern. Es sind andere Jobs als früher. Bessere Jobs. Äthiopien und Kaffee verbindet eine lange Geschichte. Der Ursprung der bekannten Arabica-Bohnen liegt im ostafrikanischen Hochland. Der Legende nach soll ein Ziegenhirte einst bemerkt haben, dass seine Tiere die Bohnen des Kaffeestrauchs gefressen und sich danach seltsam benommen haben. Ob sich der Name Kaffee von der historischen äthiopischen Provinz Kaffa ableitet oder doch von einem arabischen Wort für Lebenskraft, ist umstritten.

Heute zählt Kaffee zu den wichtigsten Wirtschaftsgütern Äthiopiens. Etwa 15 Millionen der 120 Millionen Einwohner arbeiten in der Branche. Die meist einfachen Bäuerinnen und Bauern ernten und trocknen die Bohnen. Danach verlässt der Rohkaffee das Land – meist ungeröstet, als

ÄTHIOPIEN
Foto: Solino
LIEFERKETTEN SOLINO

Kaffee gehört zu den wichtigsten Wirtschaftsgütern Äthiopiens

grünlich graue Bohne. 2022 exportierte Äthiopien nach Angaben der Weltbank etwa 273.000 Tonnen Rohkaffee im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar. Größter Abnehmer: Deutschland. Hier wird er geröstet, verpackt und weiterverkauft. Hier wird das Geld verdient.

Bei Solino erledigen sie vieles schon vor Ort. Jeder Schritt macht das Produkt Kaffee etwas wertvoller. 30 Prozent zusätzliche Wertschöpfung bringt allein das Rösten. Zählt man noch das Portionieren, die Codierung für die Scannerkassen der Supermärkte sowie die Transportverpackung dazu, sind es 60 Prozent. Pro Kilogramm bleiben damit umgerechnet acht statt wie sonst nur fünf Euro im Land.

Das erlaubt es Solino, höhere Löhne zu zahlen. Die Attraktivität für qualifizierte Angestellte steigt, ein sich selbst erhaltender Aufschwung kommt in Gang. »Wir suchen immer nach neuen Mitarbeitern«, sagt die Managerin Hailu. »Wir könnten noch mehr produzieren und dann auch mehr Jobs schaffen.«

Bis vor 15 Jahren wurde die europäische Röstkaffee-Industrie radikal geschützt: Rohkaffee durfte man ungehindert einführen, für Röstkaffee galten Importzölle von 30 Prozent. So wurde Deutschland zu einer globalen Röstkaffeemacht. Die Anbauländer im Süden hingegen blieben in ihrer Rolle als schlecht bezahlter Rohstofflieferant gefangen. 2008 wurden die Zölle verringert. Äthiopien und anderen armen Ländern wurden sie später ganz erlassen.

Kurz zuvor war Felix Ahlers in Äthiopien, es war das Jahr 2006. Weil er eine Weile im Land festsaß, habe er bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit nachgefragt, »was ich denn hier tun könne«, erzählt der Frosta-Chef. »Dort erfuhr ich, dass der Zoll auf Röstkaffee bald fallen könnte – und man half mir mit ein paar Kontakten in die Kaffeebranche.«

Kurz darauf war es so weit. Die Zölle fielen. Und Ahlers kannte ein paar Leute, die Lust hatten, Kaffee zu rösten.

Ein paar Fehlschläge gab es schon, nicht alle Partner erwiesen sich anfangs als zuver-

lässig. 2008 aber begann die Sache zu laufen – in Eigenregie der Äthiopier. »Die Firma hat mir nie gehört. Ich wollte das auch nicht, denn dazu hätte ich dauerhaft vor Ort sein müssen«, sagt Ahlers. Er habe seine Expertise beigesteuert, Kontakte vermittelt, sogar mal einen Röster aus Hamburg runtergeschickt und Verpackungsmaschinen besorgt. »Vor allem aber spreche ich mit Edeka und Rewe, damit sie Solino mehr und mehr in ihr Sortiment aufnehmen«, sagt Ahlers. Die Handelsgesellschaft seines Vaters Dirk Ahlers vertreibt den Kaffee in Deutschland.

Felix Ahlers hat schon früher unkonventionelle Entscheidungen getroffen. So führte er 2003 bei Frosta das »Reinheitsgebot« ein. Durch den Verzicht auf Farb- und Zusatzstoffe stiegen zwar die Kosten. Doch die Idee überzeugte die Kunden schließlich.

Sein Engagement bei Solino darf man daher auch in einem größeren Kontext sehen. Unternehmerisches Denken zu fördern, sei der »bessere Weg«, sagt Ahlers – verglichen mit den vielen Förderprogrammen, die der Norden jahrzehntelang für den Süden

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übrighatte. »Klassische Entwicklungshilfe verlängert nur die bestehenden Abhängigkeiten«, sagt er. »Aber wenn Menschen von ihrem wirtschaftlichen Erfolg profitieren können, dann übernehmen sie auch Verantwortung und werden kreativer.«

Ähnlich argumentiert die in Sambia geborene US-Ökonomin Dambisa Moyo. Ihr Buch Dead Aid, das etwa zur gleichen Zeit entstand wie die Idee zu Solino, analysiert die Konstruktionsfehler klassischer Entwicklungshilfe. Es liefert so zugleich das theoretische Fundament zur Kaffee-Story.

Politische Anerkennung erfährt Solino bereits. Im Januar 2023 schaute Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der Rösterei in Addis Abeba vorbei. Auf ihrem Instagram-Account postete sie anschließend Fotos – mit ihr im weißen Kittel und mit Kopfhaube. Am Beispiel des Kaffees könne man viel lernen, schrieb die Ministerin, denn derzeit bemühe sich wieder einmal alle Welt um Rohstoffe vom afrikanischen Kontinent, etwa für die grüne industrielle Revolution. Das sei »eine Riesenchance«,

»Wenn Menschen von ihrem wirtschaftlichen Erfolg profitieren können, dann übernehmen sie auch Verantwortung und werden kreativer«
Felix Ahlers, Frosta

schrieb Baerbock, wenn wir »die Gewinne und Arbeitsplätze nicht ausschließlich in Europa, Amerika und Asien belassen«.

Auch in Äthiopien ist der Weg von der guten Idee bis zur erfolgreichen Umsetzung mitunter weit. »Die Regierung will ja mehr Wertschöpfung im Land aufbauen«, sagt Ahlers, nur sei die riesige Bürokratie auf den Export gerösteten Kaffees nicht eingestellt: »Blen Hailu und andere hängen sich wirklich rein, um all die Stempel und Unterschriften zu bekommen, ohne die sie den Kaffee nicht ins Ausland bringen könnten.« Mehr als 150 Tonnen waren es 2023.

In etlichen Filialen von Edeka und Rewe steht der Kaffee schon in den Regalen. Kürzlich wurde die transparente Lieferkette der Rösterei nach dem Standard ISO 22000 zertifiziert, für Solino »ein wichtiger Meilenstein«, um das Lieferkettensorgfaltsgesetz zu erfüllen. Das Kilogramm kostet im Laden dann 23 Euro. Kein Schnäppchen, aber auch nicht mehr als bei einigen klassischen Marken. Nur dass ein größerer Teil des Geldes in der Heimat des Kaffees verbleibt.

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LIEFERKETTEN SOLINO
Wer bei Solino den Kaffee röstet und verpackt, unterschreibt hinterher auf der Packung Foto: Solino

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1 Erst der Plan, dann die Arbeit: Die Skizzen zeigen ein Segelboot des Typs Flax 27. Es wird 8,20 Meter lang und 2,25 Meter breit und ist damit gut geeignet für Tagesausflüge

2 Dieser Flachs wurde in Frankreich angebaut und erreicht Greenboats als gewebtes Gelege auf solchen Rollen. Er ist einer der natürlichen Stoffe, aus denen die Werft Boote baut

3 Mika Boss, Bootsbauer in Ausbildung, streicht Harz auf drei Schichten Flachs und Balsaholz. In Handarbeit entstehen so »Sandwichplatten«, die in einer Presse gehärtet werden

Klar zur Wende!

Die Bremer Werft Greenboats setzt auf Nachhaltigkeit und stellt Boote her, die zu einem großen Teil aus natürlichen und recycelten Rohstoffen bestehen. Und aus sehr viel Handarbeit. Ein Besuch

VON NAVINA REUS; FOTOS: ENVER HIRSCH

FOTOSTORY GREENBOATS 1 2
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4 Der Bauplan einer Kielfinne. Als eines der wenigen Teile hat sie einen Kern aus Carbon, um den Belastungen auf See standhalten zu können

5 Der Bootsbauer Paul Pundt sägt die gepressten »Sandwichplatten« zurecht, damit sie in den Booten verbaut werden können. Die Naturfasern und das Harz sorgen dafür, dass die Platten steif, reißfest und leicht sind. Außerdem lassen sie sich einfacher recyceln als der im Bootsbau übliche Kunststoff, der mit Glasfasern verstärkt ist

6 Dieses grüne Modell ist eine Art »Backform« für die Flax 27: Auf ihr schichten Friedrich Deimann und sein Team mehrere Lagen Flachsgewebe auf. Mit einer Vakuumpumpe wird dann Harz durch das Laminat gesaugt, die Form wird fest und zugleich imprägniert. Dank der »Backformen« kann Greenboats Boote in Serie bauen. Das ist ein wichtiger Vorteil gegenüber dem Holzbootsbau

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7 Im Lackiertunnel bekommen die Boote ihren Glanz. Dabei verwendet Greenboats klaren Lack, damit das optisch schöne Flachsgewebe sichtbar bleibt

8 Eine fertige Flax 27 ist bereit zur Abfahrt. In dem Segler stecken 17 Quadratmeter Naturplatten, dazu kommen Materialien für 24 Quadratmeter Rumpf und 16 Quadratmeter Deckoberfläche. Und Hunderte Stunden Arbeit. Leinen los!

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UNTERNEHMER-FRAGEBOGEN

»Mach jetzt, oder schweig!«

ZEIT für Unternehmer: Herr Deimann, Sie sind gelernter Bootsbaumeister und haben Greenboats gegründet. Was macht Ihr Unternehmen?

Wir wollen den Bootsbau mit Booten aus einem neuartigen Kunststoff revolutionieren, der durch Naturfasern wie Flachs und Harzsystemen auf Pflanzenbasis verstärkt wird. Der Kern dieses sogenannten naturfaserverstärkten Kunststoffs, kurz: NFK, besteht aus recyceltem Plastik, Kork oder Balsaholz, was unsere Boote leicht und nachhaltig macht. Mit diesen Eigenschaften ist er auch für andere Branchen interessant. Was ist die größte Herausforderung?

Die liegt in den höheren Kosten und der komplexeren Verarbeitung unserer Materialien. Wir arbeiten deshalb daran, unsere Produktionsprozesse zu optimieren und die Kosten zu senken – in der Überzeugung, dass wir langfristig Erfolg haben, wenn die Umweltwirkung in Produkte und Dienstleistungen immer mehr eingepreist wird. Woran wären Sie beinahe gescheitert?

Ich habe von Anfang an fest an die Zukunft unseres Materials geglaubt, musste aber erst andere überzeugen. Mit einem ein Meter langen Modellboot bin ich zwei Jahre lang über Messen gezogen – niemand wollte investieren. Dann hat mich meine Lebensgefährtin angespornt: ›Friedrich, mach jetzt, oder schweig!‹ Also haben wir bei den Lieferanten lange Zahlungsziele ausgehandelt und geradezu filmreif in einer kalten Werft gekämpft, unterstützt von Freiwilligen. Bis wir unser halb fertiges Boot auf einer Messe präsentieren konnten und einen Käufer gefunden haben. Gegen jede Vernunft sind wir »all in« gegangen. Diese Mentalität ist der Grund, warum es Greenboats heute gibt. Was an Ihren Produkten finden Sie ästhetisch und was nützlich?

Die Faseroptik, die man durch den Lack hindurch sehen kann, sieht einfach gut aus. Nützlich ist unser Material, weil es Leichtbau, Design und Nachhaltigkeit vereint. Wie entwickeln Sie neue Materialien?

Wir probieren viel aus und haben zum Beispiel schon Hanffasern verarbeitet. Um ein Gefühl für das Material zu bekommen, bauen wir ein Testteil. Wenn sich das als stabil genug erweist, testen wir die Biegeeigenschaften und die Zugfestigkeit des Ma­

terials. Dafür arbeiten wir mit den Bionikern der Hochschule Bremen zusammen. Wenn die Ergebnisse stimmen, suchen wir einen Kunden, um ein erstes Projekt umzusetzen. Wie blicken Sie auf Wettbewerber?

Ich ärgere mich schon ein wenig, wenn andere uns stumpf kopieren. Und wenn ihre Materialien dann auch noch von schlechter Qualität sind, schadet das allen Anbietern. Aber im Großen und Ganzen freue ich mich, wenn mehr Werften auf nachhaltiges Material setzen. Das macht uns alle sichtbarer – und das ist ja genau richtig.

Welche Entwicklung Ihrer Firma erfüllt Sie mit größter Genugtuung?

Dass unsere NFKs anerkannt sind und wir in zwei bis drei Jahren mit Serienproduktionen in verschiedenen Branchen rechnen können. Dabei wird Greenboats mit seinen Materialien und dem Verarbeitungs­Know­how eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur bei Booten. Was begrenzt Ihr Wachstum am meisten?

Zunächst ist da die Verfügbarkeit und der Preis des Rohmaterials: Naturfasern sind nicht nur schwer zu beschaffen, ihre Verfügbarkeit hängt von der Ernte ab. Und wir müssen unsere Produktion erweitern, um die Herstellungskosten der Boote zu senken und die steigende Nachfrage zu befriedigen. Dafür bauen wir eine Plattenpresse, mir der wir eine 15 Quadratmeter große Platte in 15 Minuten herstellen können – bisher brauchen wir drei Tage. All das erfordert erhebliche finanzielle Mittel. Daher sind wir fortwährend auf Risikokapitalgeber angewiesen, die in unser Wachstum und unsere Vision eines nachhaltigen Leichtbaus investieren. Was schätzen Sie am Unternehmertum? Dass jeden Tag etwas Neues auf mich zukommt. Gestern zum Beispiel habe ich ein neues Kernmaterial entdeckt und gleich Proben bestellt. Schon kommende Woche werden wir daraus erste Prototypen für einen Kunden aus der Luftfahrt herstellen. Welchen Unternehmer würden Sie gern mal zum Businesslunch treffen?

Weil in der DDR Stahl knapp war, wurden die Karosserien der Trabis mithilfe von Baumwolle und Phenolharz hergestellt. Damals wurden die Autos als »Rennpappe« verschmäht. Aber eigentlich war die Bauweise schon ziemlich fortschrittlich – und ich würde gerne die Leute treffen, die diese Idee damals realisiert haben.

Die Fragen stellte Navina Reus

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Friedrich Deimann, 38
FOTOSTORY GREENBOATS
Foto: Enver Hirsch für ZEIT für Unternehmer

Wergroßdenkt , übersiehtkeine KL EINIGKEI T.

Mirja Vier telhaus- Koschig, Vorstandsvor sitz ende

Nachhaltig Mobilitätsichern.#DasIstMirW ichtig

Beider VIEROL AG hatman einenBlick fürdie ChancennachhaltigerMobilit ät .Das Familienunternehmenaus demhohen Norden liefer tmehrals 50.000 Fahrzeugteileinüber125 Länder.Die Sustainable FinanceE xper ts derHypoVereinsbank tragen mitinnovativen Toolswie demE SG Branchenbarometerdazubei,dassdas UnternehmenauchinZukunft aufder Überholspurbleibt.

hvb.de/vierol

Ausgekriselt

Wie kann man motiviert bleiben und andere motivieren, wenn eine Krise die nächste jagt? Fünf Rezepte von Orafol, das vom DDR-Betrieb zum Weltkonzern aufstieg

RRiesengroße Folienrollen säumen die eine Seite der Halle, auf der anderen lärmt die hochautomatisierte Produktionsstraße: Es wird beschichtet, kaschiert und zugeschnitten. Jeden Samstag läuft Holger Loclair durch diese und die weiteren Hallen, spricht mit den Mitarbeitern, in der Hand ein Notizbuch. Wenn sich der 73-Jährige etwas notiert, hört er sie tuscheln. »Ja, ich weiß, mein Büchlein wird manchmal kritisch gesehen«, sagt der Firmenchef später und schmunzelt. Aber es sei nun mal so, er sei ein Ordnungsliebhaber. Die Hallen müssen aufgeräumt sein, die Arbeitsabläufe den technischen Vorgaben entsprechen.

Wer in Europa auf ein Verkehrszeichen oder Hinweisschild blickt, schaut mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Spezialfolie aus Oranienburg. Diese finden sich weltweit auch auf Flugzeugen und Schiffen oder werden auf Kreditkarten und Reisepässe gepresst. Eine Million Meter Material können am Stammsitz des Industrieunternehmens Orafol täglich produziert werden.

Die Gruppe ist zum Weltmarktführer avanciert, produziert international und legte

2022 mit fast 870 Millionen Euro Umsatz das erfolgreichste Geschäftsjahr seiner wechselvollen Firmengeschichte hin. Laut seinen Geschäftsberichten erzielte es in den vergangenen Jahren auch ordentliche Gewinne, die Eigenkapitalquote liegt bei 75 Prozent. Kerngesund also.

Dieser Erfolg steht in sonderbarem Kontrast zur bedrückenden Stimmung im Land. Die Pandemie, die Energiekrise, die Inflation, die geopolitische Lage – eine Krise folgt auf die nächste. Das Mittelstandsbarometer der KfW sank im Januar auf den niedrigsten Stand seit Ausbruch der CoronaPandemie. Deutschland ist erschöpft. Die Motivation sinkt, die Veränderungsbereitschaft bröckelt, Burn-out-Raten steigen. Hinzu kommen Trends wie die künstliche Intelligenz oder die Viertagewoche und Auflagen wie das Lieferkettengesetz. Nachhaltiger, agiler, digitaler: Überall dröhnt die Forderung nach Veränderung. Wie gelingt es Loclair, seine Mitarbeiter bei Orafol in diesen Zeiten zu Höchstleistungen zu motivieren?

Die Firmenzentrale nordöstlich der Oranienburger Innenstadt erinnert eher an eine Wellnessoase als an produzierende Industrie: Leise plätschert ein Brunnen, warmes Licht verbindet sich mit dem Tageslicht, das durch die Glasdecke fällt, Malereien säumen die Etagen des Atriums, des Entrées zur Hauptverwaltung. Mehrere Tausend Pflanzentöpfe hängen an der Wand. Hier konzipieren, entwickeln und forschen rund 500 Menschen. Im zweiten Stock sitzt Jan Raether in seinem Büro. Er ist als Werkleiter für Wohl und Wehe der

ARBEITSWELT MOTIVATION

Ein Verkehrsschild, wahrscheinlich mit Folie von Orafol beschichtet und offenbar ziemlich gut gelaunt

rund 800 Produktionsmitarbeiter verantwortlich, die in den Hallen arbeiten. Der 41-Jährige blickt durch bodentiefe Fenster über das Gelände, auf Bäume, Büsche, Grünflächen – die Leute sollen sich wohlfühlen, Pause im Grünen machen können.

1. Nahbar sein, ohne es sein zu müssen »Ich kann niemanden motivieren«, meint Raether. »Motivieren kann man sich nur selbst.« Aber er könne die Grundlage dafür schaffen, dass es seiner Mannschaft gut gehe. Das Telefon des Managers vibriert. »Der Chef«, sagt er und hebt ab. »Guten Morgen, Holger.« Vor einem Jahr hat Loclair ihm das Du angeboten. Für Raether eine besondere Form der Wertschätzung. Sie telefonieren mehrmals täglich, Loclair erfragt den Stand der Produktion, um Probleme frühzeitig abzusehen.

Loclair möchte wissen, was die Arbeiter an den Maschinen umtreibt. Bei seinen wöchentlichen Runden durch die Produktion – die große dauert zweieinhalb Stunden –tragen die Mitarbeiter dem promovierten Chemiker ihre Anliegen vor. Drei Dinge wird er oft gefragt: Wie geht es der Firma? Welche Investitionen sind geplant? Was bedeutet das für mich?

Sich einbezogen zu fühlen, ist wichtig für die Mitarbeiterzufriedenheit, zeigt die Forschung. »Menschen geht es schlecht, wenn sie nur auf die Ausführung reduziert werden«, sagt Ute Stephan, Professorin für Entrepreneurship an der King’s Business School in London. Sie wollen aktiv mitgestalten. Selbstwirksamkeit als Motivator also.

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Foto [M]: Kuttig/Mauritius Images

2. Neues wagen, bevor es notwendig ist Holger Loclair ist sieben Tage in der Woche vor Ort im Betrieb. »Es macht mir Spaß, das spüren die Leute, und das spornt mich an«, sagt der Firmenchef, dem 99 Prozent der Anteile an Orafol gehören. »Ich wollte aus diesem Unternehmen immer etwas Besonderes machen.« Schon zu DDR-Zeiten.

Loclair steigt 1977 mit 26 Jahren als Mitarbeiter in der Forschung des verstaatlichten Unternehmens VEB Spezialfarben Oranienburg ein und arbeitet sich zum Betriebsdirektor der Foliensparte hoch, die später unter dem Namen Orafol geführt wird. Schon vor dem Mauerfall spürt er, dass der Betrieb einen Sprung in die Marktwirtschaft nur mit der nötigen technologischen Grundlage schaffen kann. Loclair setzt alles auf den Kauf einer speziellen Beschichtungsmaschine. Die ebnet Orafol den Weg zur globalen Vorreiterrolle, wenn es darum geht, Kunststoffe herzustellen und zu veredeln. 1991 privatisiert er den Betrieb, überbrückt den schwierigen Start mit Krediten und findet einen Geschäftspartner in Westberlin. Damals beschäftigt Orafol gut 60 Mitarbeiter. Heute sind es weltweit 2800.

3. Diversifizieren, bevor die Krise da ist »Wir haben alle Krisen bislang sauber gemeistert«, sagt Loclair und meint damit unter anderem die Finanzkrise, Corona, Gaslieferengpässe, Lieferkettenabrisse und hohe Energiepreise. Während der Pandemie etwa brach der Absatz von Industrieklebebändern für die Automobilproduktion ein. Stattdessen boomte das Geschäft mit Folien für Schutzmasken. Kurzerhand entwickelte das Unternehmen neue Produkte rund um Absperrgitter, Uniformen und Einsatzfahrzeuge. Vom russischen Erdgas machte man sich durch ein Flüssiggastanklager auf dem Betriebsgelände unabhängig.

4. Investieren, statt nur zu reagieren Siegrun Brink ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mittelstandsforschung Bonn und beschäftigt sich mit der Widerstandsfähigkeit von Unternehmen. »Nur weil ein Unternehmen eine Krise meistert, heißt das nicht, dass es durch alle Krisen kommt«, sagt Brink. Resilienz hänge

Als so motiviert schätzten sich zu Jahresbeginn die Chefinnen und Chefs ein, die ZEIT für Unternehmer lesen ...

zeit. Es werde übertariflich entlohnt, inklusive mindestens 30 Tage Urlaub, gibt die Pressestelle durch.

17

sehr 54 27

15

2 % 35 48

vom Geschäftsmodell und vom Umfeld ab – und von der Unternehmerpersönlichkeit. Aus diesem Dreiklang entstehe der Handlungsspielraum in einer Krise. Es kommt also darauf an, wie innovativ, lösungsorientiert und flexibel ein Unternehmer ist.

Holger Loclair investiert beständig in die Zukunft: 160 Millionen zwischen 2022 und 2024 allein in Oranienburg. Und fast genauso viel an den sechs Produktionsstandorten in den USA. Die Produktion soll auf verschiedenen Kontinenten für sich allein funktionieren. Das Einzige, wogegen er nicht anzukommen scheint, ist die deutsche Bürokratie. Genehmigungen, auf die er hier Jahre warte, würde er in den USA binnen vier Wochen bekommen. Deshalb investiere er auch besonders gern dort. Loclair sagt: »Ich habe das Gefühl, wir als Chemieunternehmen sind hier nicht mehr erwünscht.«

Auch Werkleiter Raether ist so oft er kann in den Hallen unterwegs. Zwei Dinge wünschen sich die Produktionsmitarbeiter immer wieder: mehr Geld und mehr Frei-

Geld sei allerdings nur bis zu einem gewissen Grad motivierend, sagt die Psychologin Ute Stephan. Was auch anspornt: Weiterbildung, neue Aufgaben und Lob, und zwar möglichst spezifisch! Oder einen Extra-Tag frei gewähren, wenn ein großes Ziel erreicht wurde.

5. Flexibilisieren, statt nur mehr zu bezahlen Catherine Loclair sieht aber auch eine Herausforderung darin, mehr Freiräume zu gewähren. Die 46-jährige Tochter des Firmenchefs hat an einem riesigen Konferenztisch im vierten Stock Platz genommen und berichtet, wie sie vor zwölf Jahren begann, die Personalabteilung aufzubauen. Orafol solle ein durchlässiges Unternehmen sein, sagt sie. Eine Mitarbeiterin etwa, die in der Konfektionierung gearbeitet hat und dort unglücklich war, sei aufgeblüht, seit sie in der Logistikabteilung arbeite. Orafol bemühe sich, individuelle Lösungen für Mitarbeiter zu finden, etwa wenn Eltern gepflegt werden müssen und die Schichtarbeit nur eingeschränkt möglich ist.

Allerdings: Die Maschinen stehen nie still, es gibt Schichtbetrieb und Nachtarbeit. Ein Mitarbeiter schlug vor drei Jahren einen Fünfschichtbetrieb vor: eine Person mehr, dafür durchschnittlich 33,5 Wochenstunden statt 40 und auch mal vier statt zwei Tage frei. Für weniger Lohn, versteht sich. »Wir würden die Schichtmodelle gern noch flexibler gestalten«, sagt Catherine Loclair, »aber dafür brauchen auch wir mehr Leute, und die fehlen auf dem Arbeitsmarkt leider.« Die Juristin konzentriert sich deswegen darauf, Mitarbeiter zu halten. »Mitarbeiterbindung ist das beste Recruiting«, sagt sie.

3 % ZEIT-Grafik: Pia Bublies

Was sie selbst motiviere? »Zahlen«, sagt Catherine Loclair. »Denn sie geben uns recht.« Die Fluktuation bei Orafol liegt mit zehn Prozent unter dem Branchendurchschnitt der verarbeitenden Industrie von rund zwanzig Prozent. Wenn das so bleibt, dann könnte Orafol bald sein nächstes Ziel erreichen: 2025 soll die Umsatzmilliarde geknackt werden.

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ARBEITSWELT MOTIVATION
... und als so motiviert erlebten sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Umfrage ist nicht repräsentativ motiviert etwas motiviert eher unmotiviert sehr unmotiviert

„IT-Sicherheit istm ehr al sreine Cy be ra bwehr“

Smartphones, Tabletsund Laptopsentwickelnsichfür Mitarbeitendekleiner undmittlerer Unternehmen(KMU) zunehmendzum unverzichtbaren Begleitern.Die mobilenGerätegehören zu denTreibern derDigital isierung undsinddie Voraussetzungfür hybrideArbeitsplät ze.Gleichzeitig steigt dasRisikofür Cyberattacken unddamit dasBedürfnis nach sicheren mobilenLösungen. WieKMUsihreunternehmenskritischen Datenschüt zenund dasPotenzial vonMobileWorking ausschöpfenkönnen, erklärt Tuncay Sandikci im Interview. Er istDirectorB2B fürden BereichMobileExperiencebei derSamsung ElectronicsGmbH.

Cyberattacken nehmen weltweit zu und verursachenimmer größerewirtschaftliche Schäden. Warumgeraten zunehmendmittelständische Betriebe insVisiervon Cyberkriminellen? Vielekleineund mittlereFirmensindinSachenITSicherheit einfach schlechter aufgestelltals diegroßen Player.Das zeigen auch dieZahlenvom Bundesamtfür Sicherheit in derInformationstechnik.Dochauchfür beispielsweise Handwerksbetriebeoderden Elektrohändler um dieEckekönnen Cyberattacken existenzbedrohende Auswirkungen haben. Unddiese Attacken werden immerraffinierter. DieDigitalisierungerhöhtdas Tempo, so dass dieAufgabe fürkleineund mittlereUnternehmen nichteinfacher wird.JemehrmobileEndgeräte fürunternehmenskritischeAufgabengenutzt werden,desto stärkermüssensichBetriebe um dieSicherheitdieser Geräte kümmern.Hierist dasRisikogroß, dass siesichMalware oder Vireneinfangen,weil vieleEndpunkte innerhalbder IT-Infrastruktur nichtausreichend starkgeschützt sind. Passwörter könnengehackt,sensibleDaten gestohlenwerden. Ganze Systemewerdenvon jetzt aufgleicharbeitsunfähig.

WiekönnensichBetriebesoschützen, dass derSpagatzwischen steigenden Security-Anforderungen undbegrenztenRessourcen gelingt?

DieIT-Sicherheit im eigenen Unternehmenlässt sich mitpraktischen Maßnahmenerhöhen,ohnedassspezielle Security-Expertise im Betrieb vorgehaltenwerdenmuss. Betriebssystemund Anwendungensollten automatischinregelmäßigenAbständen aktualisiert werden.Die Datensicherung istP flicht. Personenbezogene Informationen undGeschäftsgeheimnissesollten standardmäßigmit einerstarken Verschlüsselungvor Fremdzugriffen geschütztsein. Undstets gilt:Das eigene Team muss immerwiederfür dieGefahren sensibilisiertund geschult werden.DochguteIT-Sicherheit istmehr alsreineCyberabwehr.Ebensosinnvollist es,sensibleDaten schon im Kern derHardwarezuschützen, beiSamsung etwa durchhardwarebasierte Sicherheitschips

DieDigitalisierungslücke zwischen BigPlayern undKMUswächst. Istdie digitale Transformation fürUnternehmen im Zusammenhangmit derCyberkriminalität eher Chance oder Risiko?

DieKluft wird weiter wachsenund sich vermutlich mit demAusbauvon Technologien wieKInochverstärken. Klar ist: Werjetzt nichteinsteigt, verpasst möglicherweiseviele Chancen– undsetzt gleichzeitig dieSicherheit seiner mobilenInfrastrukturen aufs Spiel.Dagegen lässtsichgeradeimMittelstand mit wenigen, aber effektiven Mittelnvorbeugen:Esgehtumpassende Geräte,Servicesund Sicherheitslösungen. Ichbin überzeugt, dass diesichere Einbindungleistungsfähiger Geräte im Zusammenspiel mitder richtigenSoftwareinUnternehmensprozesseund Kommunikation technologischund wirtschaftlich machbarist.Uns bei Samsungkommt eineSchlüsselrolledabei zu,die Digitalisierungslückemit beiden Komponenten, denrichtigen Devicesund einer neuenGenerationKI-gestützter Hard-und Software,zuschließen. Washat Samsungfür kleine undmittlereUnternehmen in Sachen Mobile Security im Portfolio?

Wirdenkendas ThemaSicherheit beiunseren Smartphonesund Tabletsvon Anfang an mit– undbieten hochfunktionale, individualisierbare undbezahlbareLösungen, dieklarauf denMittelstand ausgerichtetsind. MitSamsung Knox stellenwir aufjeder Ebenesicher, dass vertrauliche undsensibleDaten geschütztbleiben.Die Plattform hilft, diemobileIT-Infrastrukturvon Unternehmenabzusichern undvor Datenlecks,Cyberangriffenund Virenzuschützen. Speziell fürmittelständischeUnternehmen konzipiertist dieKnoxSuite als kostengünstige Device-Management-Plattformfür dieÜberwachung mobilerGeräteund dasPatch-Management.

>>

Quelle:https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/Lageberichte/Lagebericht2023.pdf?__blob=publicationFile&v=7

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Früher suchen, leichter finden

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer regeln die Übergabe ihrer Firma erst spät, manche finden gar keine Nachfolger. Ein Überblick und einige Ratschläge

Der Nachfolgemonitor der FOMHochschule zeigt die Altersverteilung der Chefinnen und Chefs, die zwischen 2014 und 2022 ihre Firmen übergeben haben. Vielen von ihnen gelang das erst, als sie über 65 Jahre alt waren

VON MARLENE SEIDEL; INFOGRAFIK: PIA BUBLIES 1

Ungeplante Nachfolgen (Erbschaft etc.)

Gesundheitsbedingte Nachfolgen und Sonstige Verkäufe

23 % Frühe Übergaben

50 % Typische Nachfolgen

15 % Späte Übergaben

Woran die Übergabe häufig scheitert ...

626.000

der 3,81 Millionen mittelständischen Unternehmen streben bis Ende 2027 eine Nachfolge an. Von den ...

224.000

Firmen, in denen dieses Jahr die Übergabe ansteht, haben 72 Prozent die Nachfolge geregelt oder verhandeln darüber

15 Prozent

der Unternehmer haben eine Stilllegung ihrer Firma definitiv geplant oder sehen darin eine Option. Von ihnen nennen ...

63 Prozent

fehlendes Interesse innerhalb der Familie als Hauptgrund. Das sind 13 Prozentpunkte mehr als noch 2022

Folgende Hürden beim Generationswechsel nennen Mittelständler laut Daten der Förderbank KfW am häufigsten: (Mehrfachnennungen möglich)

Passenden Nachfolger finden Bürokratieaufwand

Über den Kaufpreis einigen Rechtliche Komplexität Finanzierung sicherstellen

NACHFOLGE   IN ZAHLEN
%
%
11
<20 25-29 35-39 45-49 55-59 65-69 75-80 20-24 20-34 40-44 50-54 60-64 70-74 >80
Modernisierungsaufwand Beratungsangebote unzureichend % 74 30 30 28 16 7 4
hatten Unternehmer 2022 im Schnitt auf dem Buckel, als sie ihre Firmaweitergaben
61 Jahre
... weshalb auch das Geschlecht eine (zu) große Rolle spielt ...

21,7 Prozent

der Übernehmenden sind Frauen. Das entspricht in etwa dem Anteil frauengeführter Unternehmen im Mittelstand und zeigt, dass der Gender-Gap bei Generationswechseln reproduziert wird

Das Ausmaß der Lücke variiert von Bundesland zu Bundesland. Die Karte zeigt den durchschnittlichen Frauenanteil unter den Übernehmenden zwischen 2014 und 2022

... welche Lösungen es gibt ...

Eine aktuelle Studie der Stiftung »In guter Gesellschaft« kommt zu dem Ergebnis, dass die Nachfolge von Frauen selbstverständlicher werden muss. Dafür brauche es ...

... mehr sichtbare weibliche Vorbilder, von denen andere Frauen lernen können

... eine neue Rollendefinition von Unternehmerinnen

3. ... spezifische Vernetzung und Austausch unter Nachfolgerinnen

4. ... eine Stärkung des Selbstverständnisses von Frauen als Nachfolgerinnen

Bereits im Jahr 2022 hatte eine Studie von ZEIT für Unternehmer und der Stiftung ergeben, dass sich Unternehmerinnen spezielle Austauschformate wünschen

... und was die Industrie- und Handelskammern raten:

Grundsätzlich: Einen Notfallkoffer mit den wichtigsten Dokumenten und Vollmachten packen, damit die Nachfolge auch im Todesfall gewährleistet ist

Drei bis zehn Jahre vor Übergabe: Mit den Vorbereitungen für die Übergabe beginnen. Konkret: überlegen, auf welche Produkte es in Zukunft besonders ankommt und wo noch investiert werden muss

Drei Jahre vor Übergabe: Spätestens jetzt die Suche nach einem Nachfolger starten, Spannungen in der Eigentümerfamilie klären und Erwartungen besprechen

Ein Jahr vor Übergabe: Mit der Einarbeitung des Nachfolgers und der Übergabe beginnen und Fragen und Probleme klären

»Stunde null«: Den Zeitpunkt der Übergabe klar definieren, damit sich die Beteiligten und die Beschäftigten darauf einstellen können

Wie es auch laufen kann, lesen Sie auf den folgenden Seiten

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Frauenanteil in Prozent 25 25 17 19 28 28 17 27 24 28 16 15 17 31 25 13

Nichts zum Verhökern

Die Mattkes fanden keine Nachfolger für ihre Großbäckerei.

Bis sie auf eine ungewöhnliche Idee kamen VON CELINE SCHÄFER

Lange hat Hans-Paul Mattke vergeblich jemanden gesucht, dem Croissants mindestens genauso wichtig sind wie ihm, genauer: Vollkorn-Buttercroissants. Seine Großbäckerei Moin Bio-Backwaren aus Glückstadt in der Nähe von Hamburg produziert auf über 4.500 Quadratmetern jährlich rund neun Millionen Croissants, die Bäcker verarbeiten jeden Tag sieben Tonnen Teig. 80 Menschen arbeiten in dem Betrieb, der im vergangenen Jahr laut eigenen Angaben zwölf Millionen Euro Umsatz erzielt hat. »Und der Markt ist ja noch lange nicht ausgeschöpft«, sagt Mattke. Doch er ist mittlerweile 69 Jahre alt, seine Frau, Brigitta Sui Dschen Mattke, die vor zehn Jahren zur Mitinhaberin wurde, ist 61. Hans-Paul Mattke sagt: »Wir sind erschöpft, auch vom schnellen Wachstum.«

Nur: In der Familie fand sich niemand, der die Nachfolge der Mattkes antreten wollte. An einen Außenstehenden will das Paar ungern verkaufen – zu groß ist die Angst, dass sich jemand mit Moin bloß die Taschen vollmacht. Das passt zu Hans-Paul Mattke: Vor 25 Jahren hat er die Firma als »anarchistisches Bäckerkollektiv« gegründet, gemeinsam mit Freunden, mit denen er sonst gegen Atomkraft demonstrierte. Die Mattkes produzieren

ausschließlich bio, stellen eine Gemeinwohlbilanz auf und haben schon vor mehr als zehn Jahren vegane Croissants in ihr Sortiment aufgenommen. Nachhaltigkeit und soziales Engagement sind ihnen wichtig, und sie wollen diese Werte in ihrem Unternehmen bewahren, auch wenn sie es nicht mehr leiten.

Deshalb geht das Inhaberpaar nun einen neuen, ungewöhnlichen Weg: Den Mattkes wäre es am liebsten, wenn Moin sich selbst gehört – und zu sogenanntem Verantwortungseigentum wird. Das würde vor allem zwei Dinge bedeuten. Erstens: Moin bliebe selbstbestimmt. Die Kontrolle über die Geschäfte hätten Menschen, die dem Unternehmen verbunden sind, also zum Beispiel die Mitarbeiter, und kein externer Eigentümer. Zweitens: Das Vermögen des Unternehmens wäre an einen Zweck gebunden. Bei Moin wäre das die Produktion hochwertiger BioBackwaren. Der Gewinn würde nicht ausgeschüttet, sondern bliebe in der Firma.

Mehr als 200 deutsche Unternehmen haben laut der Stiftung Verantwortungseigentum inzwischen diese Form der Nachfolge gewählt, darunter große Industrieunternehmen wie Zeiss, Bosch und ZF Friedrichshafen. Bei ihnen gehört die Mehrheit der Anteile

einer Unternehmens- oder Familienstiftung. Kleinere Unternehmen haben eine solche Stiftung jedoch in der Regel nicht.

Aber mal ehrlich: Ist das eine gute Idee, wenn es keine Gesellschafter mehr gibt, die in guten Zeiten Gewinne entnehmen und in schlechten investieren können? Die Frage geht an Tom Rüsen. Er leitet das Wittener Institut für Familienunternehmen und lehrt an der Uni Witten-Herdecke, außerdem berät er Firmen in Nachfolgefragen. Rüsen sagt: »Dass ein Unternehmen sich selbst gehört, halte ich für eine gute Idee.« Allerdings: »Eine Stiftungslösung lässt sich für kleine Mittelständler schwer umsetzen, der Aufwand ist zu groß«, sagt er. »Das ist, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen.«

Deshalb haben sich die Befürworter des Verantwortungseigentums etwas einfallen lassen, damit auch kleine und mittelständische Firmen sich selbst gehören können. Christoph Bietz arbeitet für die Stiftung Verantwortungseigentum, die für die Idee seit einigen Jahren energische Lobbyarbeit betreibt. Mit dem Ziel, »eine eigene Rechtsform für Verantwortungseigentum« zu schaffen, wie Bietz sagt. Tatsächlich hat das die Ampelregierung in ihrem Koalitionsver-

NACHFOLGE   VERANTWORTUNGSEIGENTUM
Fotos: Heinrich Holtgreve/Ostkreuz (3); privat

nur ein kleiner Teil der Firma, die pro Jahr neun Millionen Croissants herstellt

trag versprochen: »Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt«, heißt es darin.

Nur: Bisher gibt es keine neue Rechtsform, und die Legislaturperiode ist schon zur Hälfte rum. Otto Fricke sitzt für die FDP im Bundestag und ist in seiner Fraktion für das Thema zuständig. Er schreibt auf Anfrage von ZEIT für Unternehmer, im Bundesjustizministerium werde »mit Hochdruck an einem Entwurf gearbeitet, um zeitnah erste Eckpunkte präsentieren zu können«. Das Ziel sei es, das parlamentarische Verfahren noch in diesem Jahr einzuleiten und idealerweise auch abzuschließen. »Damit könnte ein zu erwartendes Gesetz zur Gesellschaft mit gebundenem Vermögen schon im kommenden Jahr in Kraft treten«, schreibt Fricke. Vertreter von SPD und Grünen geben ähnliche Antworten, auch sie hoffen auf ein schnelles Vorankommen.

Die Mattkes beschließen schon im Jahr 2019 ihren Ausstieg. Als sie schon lange vergeblich einen Nachfolger suchen, melden sich drei Mitarbeiterinnen mit einer Idee: »Warum machen wir das nicht einfach?«,

fragt Jule Usadel. Vicky Leskien, Julianna Müller und sie sind damals schon die Stellvertreterinnen der Mattkes. »Wir hatten einfach nicht daran gedacht, dass die drei überhaupt wollen könnten«, erzählt Brigitta Sui Dschen Mattke. Aber die Mattkes sind schnell überzeugt: Ihr Lebenswerk bleibt in bewährten Händen.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, wollen sie Moin nun in Verantwortungseigentum verwandeln. 73 Prozent der GmbH soll die GTreu-Stiftung erhalten. GTreu steht für Gesellschaft treuhändischer Unternehmen, sie bietet kleineren Betrieben eine Alternative zur eigenen Unternehmens- oder Familienstiftung. Mit ihren Stimmrechten garantiert die GTreu, dass Moin nicht in die falschen Hände gerät oder Gewinne entnommen werden. Einfluss auf das operative Geschäft hat die GTreu nicht. Die restlichen 27 Prozent sollen an die drei Mitarbeiterinnen gehen, damit sie bei manchen Entscheidungen ein Vetorecht haben.

»Als wir zum ersten Mal über die Idee gesprochen haben, dass wir übernehmen könnten, waren wir total aufgeregt«, erinnert sich Usadel, Betriebswirtin und bei Moin verantwortlich für Ein- und Verkauf, Kom-

munikation und Produktentwicklung. »Wir alle«, ergänzt Brigitta Sui Dschen Mattke.

Seit dem vergangenen Sommer sind Usadel, Leskien und Müller die neuen Geschäftsführerinnen von Moin. Und die Mattkes haben sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Sie haben ihre Büros geräumt und die drei Frauen dort einziehen lassen. Brigitta Sui Dschen Mattke und ihr Mann sind jetzt Mentoren für die neuen Chefinnen. »Wir versuchen den dreien zu zeigen, wie man Unternehmertum leben kann«, sagt Hans-Paul Mattke. Es gehe es um Fragen wie: Wie trifft man gute Entscheidungen? Was ist eigentlich Intuition? Woraus lassen sich neue Ideen schöpfen?

Jetzt müssen nur noch die Anteile wie geplant übertragen werden. Die Mattkes und die neuen Geschäftsführerinnen »kneten« noch an der besten rechtlichen Lösung. Es geht zum Beispiel um die Frage, wie Usadel, Müller und Leskien an ihre Anteile kommen, ohne sich einfach einzukaufen. »Wenn das so gelingt, wie wir uns das vorstellen, wäre das aus meiner Sicht ideal und sehr zukunftsfähig«, sagt Hans-Paul Mattke. Denn: »Das Unternehmen kann dann nicht mehr verhökert werden.«

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Vicky Leskien, Julianna Müller, Jule Usadel (von links) sollen die Bäckerei von Brigitta Sui Dschen Mattke und Hans-Paul Mattke übernehmen. Gehören wird ihnen aber

»Feiern Sie die Hinweisgeber!«

»Leider ist es in vielen Firmen noch immer so: Wenn jemand auf einen Missstand hinweist, dann geht es ihm an den Kragen und nicht dem Problem selbst. Wir erschießen den Boten – als wäre er schuld an der schlechten Nachricht, die er überbringt. Ich verstehe es als meine Lebensaufgabe, Unternehmerinnen und Unternehmer davon zu überzeugen, dass es falsch ist, so mit Hinweisgebern umzugehen. Ein Fehler ist es nicht in erster Linie, weil es inzwischen Gesetze gibt, die Hinweisgeber schützen und etwa in der EU Firmen ab 50 Beschäftigten zwingen, Meldekanäle einzurichten.

Der Hauptgrund ist ein anderer. Wer Sie auf Missstände in Ihrem Unternehmen hinweist, ist keinesfalls illoyal – er gehört zu den treuesten Mitarbeitern überhaupt. Diese Mitarbeiter äußern sich, wenn andere schweigen – oft versuchen sie es mehrmals, zu ihren Chefs durchzudringen, wie Studien zeigen. Das ist keine Frechheit, sondern zeugt von Verantwortungsgefühl und Mut.

Ich vertrete Menschen, die diesen Mut gezeigt haben. Viele verstehen sich anfangs gar nicht als Whistleblower. Sie werden von ihrem uneinsichtigen Arbeitgeber erst dazu gemacht. Nur weil sie intern mit ihrer Kritik

Mary Inman aus San Francisco vertritt namhafte Whistleblower. Aus ihrer Sicht gehören diese Menschen zu den loyalsten Mitarbeitern überhaupt Illustration:

Lnicht durchdringen oder sogar schikaniert werden, sehen sie irgendwann keinen anderen Ausweg mehr, als öffentlich auf den Missstand hinzuweisen – oft anonym, manchmal aber auch unter ihrem Klarnamen.

So wie meine Klientin Frances Haugen, die erst versucht hat, intern an den Missständen bei Facebook zu arbeiten, und dann unter ihrem vollen Namen an die Öffentlichkeit ging, nachdem sie auf taube Ohren gestoßen war. Hätte Facebook sie früher ernst genommen, hätte es nicht so weit kommen müssen – und der Konzern hätte viele Probleme weniger, wäre wahrscheinlich wertvoller und ein attraktiverer Arbeitgeber.

An die Öffentlichkeit zu gehen, ist für diese Menschen selbst eine enorme psychische Herausforderung: Sie erwarten eigentlich Lob, wenn sie im Unternehmen auf Probleme hinweisen – stattdessen verlieren sie nicht selten ihren Job und ihre Kollegen.

Ich bekomme oft zu hören, dass Whistleblower auf Geld aus seien. Es stimmt zwar, dass die amerikanische Finanzaufsicht SEC Hinweisgebern Prä mien zahlt, wenn sie später tatsächlich Strafen verhängt. Trotzdem zeigen Studien, dass 80 Prozent aller Whistleblower, die eine solche Belohnung

erhalten, das Problem vorher intern angesprochen haben. Bitte nicht vergessen: Die Hinweisgeber wollen Ihnen nicht schaden, sondern Sie vor Schaden bewahren.

Natürlich können kritische Hinweise für diejenigen zum Problem werden, die sie betreffen. Diese Menschen haben verständlicherweise einen hohen Anreiz, den Kritiker zum Schweigen zu bringen. Für sie geht es um alles. Mein Rat lautet deswegen: Benennen Sie in Ihrer Firma Ansprechpartner, an die sich Mitarbeiter außerhalb der Hierarchie wenden können – auch wenn Sie nicht per Gesetz zur Einrichtung einer Meldestelle verpflichtet sind.

Hören Sie kritischen Stimmen zu! Sorgen Sie für eine Firmenkultur, in der Mitarbeiter, die auf Missstände hinweisen, keine negativen Folgen befürchten müssen. Nicht nur, weil das inzwischen Vorschrift ist – sondern weil es für Sie und Ihr Unternehmen gut ist. Belohnen Sie Mitarbeiter, die Ihr Unternehmen durch gute und frühe Hinweise vor den Folgen solcher Missstände bewahren, vor größeren Schäden wie auch Strafen, die Sie empfindlich treffen können. Verteufeln Sie diese Menschen nicht – feiern Sie sie!«

Protokoll: Jens Tönnesmann

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Pia Bublies für ZEIT für Unternehmer; Foto: privat
RAT AUS DEM SILICON VALLEY
Mary Inman ist Partnerin in der Kanzlei Constantine Cannon in San Francisco. Die Juristin vertritt seit mehr als 25 Jahren Whistleblower, so etwa die frühere Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen. Auch Tyler Shultz, der die Praktiken des Bluttest-Unternehmens Theranos öffentlich machte, gehört zu ihren Klienten.

ERP-Software so vielseitig wieein SchweizerTaschenmesser

FürU nternehm en istesessenziell, schnellauf Verä nderungen reagierenzukön nen–unter anderemmit einerEnterprise Resource Planning (ERP)Lösung. Einent scheiden derSchritt ist da beider Wechseldes ERP-Systems –den ndie Wartungvieler System eläuft nunaus .Welche Chancendas fürIhr Unternehmen bietet ,erklärenwir hier.

Unternehmen müssen un te rs chiedlich sten Anforderungen gerechtwerden und sich an externe sowie interne Veränderungen anpassen. Umso wichtiger,das dieseAnpassungen leicht umzuse tzen sind. Eine wich t ige Grundlage für die AgilitätinUnternehmen stellt das ERP-Systemdar –

und damit dessenWechsel. Dennin den kommenden Jahren endetdie Wartung einiger etablierter ERPSysteme der älteren Generation. Ein Upgradedes bestehenden Systems isthäufig genauso aufwendig und kostenintensiv wie der Wechsel zu einem modernen ERP-System. Und dieser bietetmeistsogar noch mehr Vorteile: Flexibilität,Funktionalität und die Möglichkeit, we tt berbsfähig zu bleiben.

Egal wie Ihre neue Lösungaussehen soll: Sie entscheiden!

Der We chse ld es hauseigenen ERPSy st ems ka nn dabei ganz ein fa ch sein: mit ComarchERP Enterprise.Denn andersals bei anderen Anbietern, die Druck auf Unternehmenskunden

ausüben, sichfür eine cloudbasierte ERP-Lösung zu entscheiden, lässt Comarch die freie Wahl. Die Entscheidungfür eine Cloud-basierte oder eine On-Premises-Infrastruktur liegtallein beiden Kunden. Das erhöht die UnabhängigkeitIhrer unternehmerischen Entscheidungen. Und: DieSicherheit, dass etablierte ERP-Systeme weiterentwickelt werden, haben Sie auch. Der Wechsel lohntsich aber auch finanziell: Ein transparentesLizenzmodell erhöht Ihrewirtschaftliche Prognosefähigkeit. Also:worauf warten?

Ein Wechsel, viele Chancen–findetauch Victorinox Unternehmen, die den Wechsel machen, positionieren sichnichtnur für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft. ComarchERP Enterprise bietet nebenflexiblenBetriebsmode ll en, in di vi due ll er Sk al ie rba r-

keit und schneller Implementierung auch einen großen Funktionsumfang –wie ein Schweizer Taschenmesser eben! Kein Wunder also,dassneben Hunderten vonUnternehmen auch der Schweizer KonzernVictorinox zu den zufriedenen Ku nde nvon Co march zählt :A ls in te rn at iona l agierendes Un te rnehmen ko nn te dieVictorinoxAGden stetig wachsenden Anforderungennichtmehr genügen –unübersichtliche Strukturenwaren die Folge.Also entschied sichder Schweizer Taschenmesserhersteller für eine Lösung vonComarch –unter anderem, weil das Produkto rt-u nd ze itunabhängi g verfügbar istund eine einfach zu bedienende Oberfläche bietet.

Profitieren auch Sie vo nd en Vorteilen eines Wechsels und den Lö sunge nvon Co ma rc hu nd machen Sie Ihr Un te rnehmen fit für dieZukunft!

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Junge Gründer aus Duisburg bauen einen Ball, um wieder mit ihren demenz kranken Großeltern interagieren zu können. Mittlerweile rollt er in Hunderten Händen

Ohne seine Oma wäre Steffen Preuß vor etwa zehn Jahren nicht auf die Idee gekommen, die heute seinen Alltag prägt. »Wenn man Anfang 20 ist, interessiert man sich ja normalerweise eher nicht für Alter und Krankheit«, sagt der 34-Jährige.

Während er noch im Studium steckt, erkrankt seine Großmutter schwer an Demenz. Als er 2013 in einer Projektwerkstatt an der Hochschule Düsseldorf Produktideen entwickeln soll, möchte er etwas bauen, womit er wieder mit ihr kommunizieren kann. Gemeinsam mit Mario Kascholke, dessen Großvater ebenfalls an Demenz leidet, und Eleftherios Efthimiadis, dessen Oma erkrankt ist, beginnt er an einer Lösung zu tüfteln.

Das Marktpotenzial ist groß: 2022 lebten hierzulande laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft 1,8 Millionen Menschen mit Demenz.

Die Studenten, zwei angehende Kommunikationsdesigner und ein künftiger Elektroingenieur und Medieninformatiker, entwickeln eine Art Lernspielzeug: einen mit Elektronik vollgestopften Ball, den sie Ichó nennen. Das ist griechisch und bedeutet übersetzt Echo oder Klang. Der Ball kann Geschichten erzählen und Rätselaufgaben stellen, er spielt Musik und animiert zum Singen, vibriert und leuchtet in verschiedenen Farben. Und er registriert, wie er bewegt, gedrückt oder geworfen wird. Rund 100 Förderspiele kann die interaktive Kugel abspielen. So soll sie die kognitiven und motorischen Fähigkeiten von Menschen mit allen möglichen neurologischen Erkrankungen trainieren.

Den ersten Prototyp – »eher ein Modell aus Hasendraht, das Mario übers Wochenende zusammengebaut hatte« – testet Preuß’ Oma. Damals habe sie ihren Enkel schon nicht mehr erkannt. Aber als sie den

Ins Rollen gebracht

Der Ichó-Ball singt, erzählt Märchen, leuchtet und vibriert

Ball bewegt und er ein Lied von Roy Black spielt, fängt sie an zu schunkeln.

Im Social Impact Lab in Duisburg entwickeln die Tüftler die Silikonkugel weiter. 2018 gründen sie eine GmbH, die Betriebswirtin Alkje Stuhlmann verstärkt das Team als Fachfrau für Finanzen, und Ichó beantragt die Zulassung als EU-Medizinprodukt der Klasse 1. In diese Kategorie fallen Produkte mit geringem Sicherheitsrisiko, etwa Rollatoren oder Pflaster. 2020 sollen die ersten 1.000 Bälle verkauft werden, Stückpreis: rund 1.500 Euro.

Doch der geplante Markteintritt fällt mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie zusammen. Kliniken und Pflegeeinrichtungen schotten sich ab, an Vertrieb ist nicht zu denken. Das zweite Problem: Studien über die tatsächliche Wirksamkeit des Balls fehlen damals noch. Den Erfindern gelingt es nicht, die Investoren der bei Gründern beliebten Fernsehsendung Höhle der Löwen zu überzeugen –obwohl die Präsentation zwei der »Löwinnen«, Judith Williams und Dagmar Wöhrl, zu Tränen rührt.

Heute sind nach Firmenangaben deutschlandweit in 850 Kliniken und stationären Pflegeeinrichtungen zwischen einem und 20 Bällen im Einsatz, und Ichó beschäftigt 13 Mitarbeiter.

Zusammen mit der NRW Bank und dem Frühphasen-Investor Capacura haben eine Handvoll Business-Angels rund zwei Millionen Euro in Ichó investiert. Im Januar holte das Start-up den IT-Dienstleister Meerkat als Investor an Bord. Zukünftig möchten der Geschäftsführer Preuß und seine Kollegen nicht nur Bälle verkaufen, sondern auch Daten liefern, die helfen sollen, Menschen mit verschiedenen Krankheitsbildern zu behandeln. Derzeit läuft dazu ein Pilotprojekt mit den Unikliniken Köln und Düsseldorf.

Abbildung:

42 DIE ERFINDUNG MEINES LEBENS ICHÓ-BALL
Ichó Systems

JoachimRoth erstellt Brandschutzgutacht und Wertermittlungen

ellt Brandschutzgutachten

Mark Bosold stellt die digitale

Benefit-Plattformbereit

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Astrid Sachse entwickeltLösungen für betriebliche Benefits

.mlp.de

Grüner sprühen

Schülke produziert Desinfektionsmittel und gehört laut einem Rating zu den grünen Vorreitern im Gesundheitswesen. Wie machen die das?

VON KRISTINA LÄSKER

Das Unternehmen:

Schülke & Mayr GmbH, Norderstedt bei Hamburg

Direkter Ausstoß von Klimagasen, der sogenannte Scope 1: 4.607 Tonnen (1,3 Prozent)

Indirekter CO₂-Ausstoß aus eingekaufter Energie, bezeichnet als Scope 2: 434 Tonnen (0,1 Prozent)

Indirekter CO₂-Ausstoß von Zulieferern, Dienstleistern und Kunden, Scope 3: 342.988 (98,6 Prozent)

CO₂-Ausstoß insgesamt: 348.028 Tonnen

Quellen:

Nachhaltigkeitsbericht 2022, Angaben in CO₂-Äquivalenten

Operativer Gewinn (Ebitda) 2023: etwa 100 Millionen Euro

Börsenwert: 3,01 Milliarden Euro

Mitarbeitende:

1.183 Menschen, davon 573 in der Zentrale in Norderstedt

Produkte:

Schülke produziert Desinfektionsmittel wie Desderman und Antiseptika wie Octenisept zur Wundversorgung. Der Mittelständler wurde 1989 gegründet und hat Sagrotan erfunden, seit 1997 gehört die Marke nicht mehr dazu.

Eigentümer:

Klimaziele:

Schülke möchte den direkten und indirekten Ausstoß von Treibhausgasen (Scope 1 und 2) bis 2030 um 42 Prozent reduzieren. Basisjahr ist 2021. Viel gewichtiger für das Unternehmen sind jedoch die Emissionen der eingekauften Waren und Dienstleistungen (Scope 3), sie sollen bis 2030 um 25 Prozent sinken. Laut dem jüngsten Nachhaltigkeitsrating der Beratung Ecovadis nimmt Schülke schon jetzt »eine Vorreiterrolle« in seiner Branche ein.

Vor der Corona-Pandemie gehörte die Firma zum französischen Gashersteller Air Liquide. Dieser reichte sie 2020 an den schwedischen Finanzinvestor EQT weiter. Ende 2023 übernahm ein Investoren-Konsortium, geführt von Athos, dem Family-Office der Milliardärsbrüder Strüngmann. Seitdem leitet Jan-Dirk Auris, zuvor Chef der Klebstoffsparte von Henkel, das Unternehmen.

Der Auslöser:

Was hat Schülke motiviert?

Jahresumsatz 2023: etwa 400 Millionen Euro

»Von unseren Kunden, etwa den Klinikketten, kommt noch relativ wenig Druck«, sagt Firmenchef Auris. Trotzdem wollte man bei Schülke nicht abwarten. Die 58-jährige Ärztin Nicole Steinhorst betreut den medizinischwissenschaftlichen Bereich und ist seit drei Jahren zusätzlich »Chief Sustainable Officer«. »Ich habe nicht geahnt, wie viel Netzwerken und Klein-Klein beim Daten-

SCHÜLKE
ZEIT
Unternehmer
KLIMACHECK
Illustration: Pia Bublies für
für

erfassen das bedeuten würde«, sagt sie. Der Einstieg von EQT sei ein »Kickstart für die Nachhaltigkeit« gewesen. Die Schweden wollten Schülke klimafreundlicher machen und damit den Firmenwert steigern.

Bis 2030 will Schülke den Scope 3 verkleinern. Den Großteil verursachen künstlich hergestellte Alkohole, die die Firma für die Desinfektionsmittel braucht. Sie will nun mehr grüne Vorprodukte einkaufen, etwa BioAlkohole, bei deren Herstellung weniger CO₂ entsteht.

Was schadet dem Klima am meisten?

Viele Monate suchte Steinhorst die CO₂-Quellen an den 19 Standorten weltweit. Was tanken die Firmenwagen?

Wie grün ist der Strom im brasilianischen Werk? Womit wird die Zentrale beheizt? »Nach einem Jahr wussten wir, wo wir ranmüssen«, erzählt sie. In der Produktion wurden lange Wärme und Strom aus fossilen Brennstoffen genutzt. Zudem kauft der Hersteller bis heute klimaschädliche Chemikalien ein. Im Juli 2022 trat Schülke der Science-Based-Targets-Initiative bei und verpflichtet sich damit, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Reduzieren oder kompensieren?

Schülke reduziert Treibhausgas-Ausstöße, statt zu kompensieren. Kopierer und Drucker verwenden nun Recycling-Papier. Eine Software meldet, wenn in der Produktion das Licht brennt, obwohl keine Maschine läuft. Die Werke in Norderstedt und Frankreich wurden auf Ökostrom umgestellt. Vor allem aber hat Schülke in energieeffiziente Kühlanlagen und neue Lüftungen investiert.

Wie wirken die Maßnahmen?

Erstaunlich: Trotz der Schritte stieg der CO₂-Ausstoß seit 2021 um 80.000 Tonnen, weil die externen Klimasünden, also Scope 3, in der Bilanz zunahmen. Schülke begründet das mit der Berechnungsmethode, »bei der die Emissionen anhand der Einkaufsangaben bestimmt werden«. Dazu gehören die Preise für Rohstoffe. Weil die gestiegen seien, habe sich auch die CO₂-Bilanz verschlechtert. Eine Schwäche der sogenannten ausgabenbasierten Methode, die sich anbietet, wenn es wenige Daten zur Klimawirkung der Vorprodukte gibt.

So wird gemessen

Schülke erfasst die Emissionen auf der Basis des Greenhouse Gas Protocol, eines weltweiten Standards. Die Beratung Schneider Electric erstellt die Klimabilanz.

Was kostet es?

Manpower: Steinhorst steckt etwa die Hälfte der Arbeitszeit in Klimathemen, eine Mitarbeiterin unterstützt sie.

Geld: In die neuen Anlagen hat Schülke 9,2 Millionen Euro investiert, EQT beteiligte sich. Auch Athos will nach eigener Aussage den grünen Kurs der Firma fördern. Überzeugungsarbeit: Um Bio-Alkohole einzukaufen, verhandelt Schülke seit eineinhalb Jahren mit Lieferanten – die Gespräche seien zäh.

Was bringt es?

Investoren: »Schülke produziert bereits grüne Produkte wie etwa plastikfreie Desinfektionstücher. Außerdem ist die Firma dabei, auf nachhaltige Herstellung und Bestandteile umzustellen«, sagt Wolfgang Essler, Geschäftsführer von Athos. »Das hat uns beim Einstieg überzeugt.«

Der Voreigentümer EQT hat auch profitiert: 2020 soll er 900 Millionen Euro für Schülke bezahlt haben und verkaufte laut Bloomberg für 500 Millionen Euro mehr.

Vorteile beim Recruiting: »Wenn man sein Bemühen nicht glaubhaft vermittelt, bekommt man keine guten Leute«, sagt Auris. 25- bis 40-Jährige würden meist nach dem Klima-Engagement fragen.

Gute Gefühle: Nachhaltigkeit sei laut Steinhorst für viele Kollegen sinnstiftend – obwohl sie Mehrarbeit beschert.

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Der Hochschul-CEO

Thomas Bachem hat vor acht Jahren seine eigene Hochschule gegründet – und sie gerade so vor der Pleite bewahrt. Zu Besuch bei einem Gründer, der Gründer ausbildet VON CAROLIN JACKERMEIER

EIN TAG MIT...  THOMAS BACHEM
Foto: Jonas Holthaus

Was andere Menschen stressen würde, verschafft Thomas Bachem Beruhigung: Sein digitaler Kalender ist dicht gefüllt, die Tage sind in 15-Minuten-Slots durchgetaktet. So wie an diesem Donnerstag im Februar. Der 38-Jährige sitzt in der Cafeteria der Factory, einem Berliner Co-Working-Space, und schiebt Termine hin und her. Hier hat auch die Code University of Applied Sciences ihren Sitz, die Bachem gegründet hat. »Die Code« nennt er sie kurz und liebevoll. Eine Hochschule, die – der Name legt es nahe –Menschen das Programmieren beibringen und sie in IT-Unternehmer verwandeln soll. Um genau zu sein: »Leute, die Bock haben, ihr Ding zu machen«, sagt Bachem.

Wer Bachem einen Tag lang begleitet, merkt: Wenn sich mal Lücken im Tagesablauf auftun, füllt er sie sofort, er kann gar nicht anders. In jeder noch so kurzen Pause muss er zumindest eine Mail beantworten und akribisch abhaken. Erledigt. »Neulich habe ich eingetragen, wann ich geduscht habe«, sagt er und nippt an einem HaferCappuccino, »da habe ich darüber nachgedacht, ob das vielleicht etwas too much ist.«

Bachem verkörpert so ziemlich das Gegenteil dessen, was man sich unter einem Hochschulkanzler vorstellt. Er kennt die meisten Studierenden beim Namen und läuft grüßend im Kapuzenpulli durch die Flure, in der rechten Hand das Smartphone, in der linken Hand die Vape. Für alle hier ist er: Tom. »Ich musste erst mal lernen, dass ich nicht nur der Kumpel sein kann, sondern eine Vorbildrolle für die Studierenden habe«, sagt er. Die wollen und sollen erreichen, was Bachem schon geschafft hat: erfolgreich ein Unternehmen zu gründen.

Bachems eigener Weg ist ein bisschen klischeehaft. Als Zwölfjähriger bringt er sich auf seinem ersten Computer im Kinderzimmer das Programmieren bei. Als Jugendlicher baut er Webseiten für Unternehmen. Weil ihm das Informatikstudium an einer staatlichen Uni zu theorielastig ist, studiert er Betriebswirtschaft an der privaten Cologne Business School. Währenddessen gründet er ein Videoportal und entwickelt nach Abschluss des Studiums ein Onlinespiel. Den finanziellen Durchbruch bringt sein drittes Unternehmen: ein

Wsammenarbeiten, Ideen pitchen – und bestenfalls ein eigenes Start-up gründen. Mehr als 60-mal hat das schon geklappt.

Um ihren staatlich anerkannten Bachelor in Software Engineering, Interaction Design oder Product Management abzuschließen, müssen die Studierenden zehn praktische Module bestehen. Im Gebäude gibt es keine Vorlesungssäle, dafür ein Bällebad. Die Professoren sind Lernbegleiter statt Frontalvorleser. Ein fester Lehrplan fehlt, stattdessen werden die Projekte der Studierenden individuell betreut und bewertet. Und die Hochschule ist international ausgerichtet, alles läuft auf Englisch.

Online-Editor, mit dem Nutzer Lebensläufe gestalten können. Der Verkauf an das Online-Netzwerk Xing macht ihn mit Ende zwanzig zum Millionär. Er hätte vermutlich so weitermachen können. Aber er wollte etwas mit purpose machen, also Sinn stiften. Mit der Gründung der Hochschule startete er 2016 sein Lebensprojekt. Und das fordert ihn, immer wieder aufs Neue.

An diesem Februartag ist Bachem mit seiner Innenarchitektin auf der Baustelle für den neuen Campus der Code in BerlinNeukölln verabredet. Er hat sich ein Uber bestellt, im Auto kann er besser arbeiten als in Bus oder Bahn. Auf der Baustelle angekommen soll er entscheiden, welche Farbe der neue Boden bekommt (Rosarot? Besser Beige!) und mit welcher Technik die Wände gestrichen werden. Nebenbei gibt er ein Zeitungsinterview und lässt sich von einer Fotografin ablichten. In schwarzen knöchelhohen Ugg-Boots, Jeans und Code-Hoodie posiert er in den Wasserlachen auf dem Dach des Baus im Berliner Winternebel.

An der Code sollen Bachems Studenten lernen, was staatliche Universitäten seiner Meinung nach nicht bieten: Coden, Projekte umsetzen, in interdisziplinären Teams zu-

Auf dem Weg zum nächsten Termin wird Bachem etwas nervös. Der Uber-Fahrer lässt auf sich warten. Eigentlich sollte Bachem schon vor einer halben Stunde zurück am alten Campus im Gebäude der Factory sein. Er klopft den Baustaub von den Jeans, kramt sein Handy aus der Tasche, verschiebt den nächsten Termin im Kalender nach hinten. »Nicht so schlimm«, sagt er und zieht an seiner E-Zigarette.

Nächster Termin: ein Treffen mit Justin Reichelt, sie betreut die Unternehmenspartnerschaften der Hochschule, außerdem ist sie mit Bachem verlobt. Die beiden diskutieren, wie man die Start-ups der Studierenden mit Venture-Capital-Firmen zusammenbringen könnte. Klar: Ohne Geld lassen sich digitale Geschäftsideen nur schwer skalieren. Die Hilfe der Code zahlt sich offenbar aus: Die Alumni haben schon mehr als 60 Millionen Euro an Kapital für ihre Start-ups eingeworben, über 250 Jobs geschaffen.

Dann auf der Agenda: Mittagessen mit einem Partner der Telekom, später ein Treffen mit Vertreterinnen der Deutschen Bahn, um über eine mögliche Kooperation zu sprechen. Solche Partnerschaften sind wichtig für die Code. Sie bekommt keine staatlichen Gelder, sondern finanziert sich nur über Studiengebühren und das Geld von Sponsoren und Förderern. Zu den Partnern zählen etwa Metro, Porsche und Meta.

Der Bachelor an der Code kostet 41.400 Euro. Die Studierenden können den Beitrag entweder in monatlichen Raten von 1.150 Euro über drei Jahre abstottern. Oder sie studieren umsonst, verpflichten sich aber,

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nach dem Berufseinstieg über acht Jahre 13,5 Prozent ihres Bruttoeinkommens zurückzuzahlen, sofern es 27.000 Euro pro Jahr übersteigt. »Ich will die besten Talente finden und nicht nur die mit reichen Eltern«, erklärt Bachem die Idee dahinter.

Aber es gibt ein Problem: Das zweite Modell muss jemand vorfinanzieren. In der Vergangenheit übernahm das eine Genossenschaft. Im vergangenen Sommer war damit Schluss, weil diese angesichts der finanziellen Lage der Code und der hohen Zinsen selbst keine Finanzierer fand. Derzeit kann also hier nur studieren, wer die Studiengebühren sofort zahlen kann. Das frustriert Bachem. Und es schränkt den Bewerberpool ein: Rund 40 Studierende seien aktuell für das kommende Wintersemester eingeschrieben, 150 müssen es sein, um die Kosten zu decken. »Das wird richtig tough«, sagt Bachem. Er will bis zum Semesterstart unbedingt eine neue Finanzierung für die Studiengebühren auftreiben.

Bachem lässt keine Gelegenheit aus, um zu netzwerken. Seine Tage drehen sich fast ausschließlich um Geld. Wenn er nicht genug ranschafft, geht die Uni bankrott. Und daran hängen nicht nur die Jobs der Mitarbeiter, das Geld der Investoren und sein eigener Erfolg – sondern auch das Leben von 600 Studierenden. Wird die Uni geschlossen, haben sie nicht nur keinen Abschluss, sondern unter Umständen auch kein Visum mehr. Knapp 40 Prozent der Studierenden kommen aus dem Ausland, und ihre Aufenthaltsgenehmigung ist häufig an den Studienplatz geknüpft. »Das ist ein unglaublicher Druck, der da auf einem lastet«, sagt Bachem.

Gleichzeitig muss das Alltagsgeschäft laufen. Nach dem Lunch nippt Bachem an einer Dose Red Bull und diskutiert mit dem Sprecher der Studierenden über die Satzung eines neuen Fördervereins. »Ich höre mich mal in meinem Netzwerk um, ob jemand einen Juristen kennt, der da pro bono draufschaut«, sagt Bachem. Kurzer Vermerk im Kalender. Jetzt noch schnell eine Einladung an den Berliner Bürgermeister für die Eröffnung des Campus im Herbst ausdrucken.

Dann: virtuelle Schalte mit dem Hochschulpräsidenten Peter Ruppel. Er kümmert sich um die Lehre und den akademischen

Frontalvorlesungen und einen festen Lehrplan gibt es hier nicht

werk dazu zu bringen, die Hochschule finanziell zu stützen. »Ich musste feststellen, dass es in Deutschland nahezu unmöglich ist, eine Bildungseinrichtung ohne private Unterstützung zu finanzieren«, erzählt er.

Bachem telefonierte all seine Kontakte durch, schrieb Nachrichten, bat um Hilfe. Sein Netzwerk ist ja groß, 2012 hat er den Bundesverband Deutsche Start­ups mit gegründet, als Business­Angel hat er in zehn Jungunternehmen investiert. Allerdings geht es dabei oft um Geschäftsmodelle, die Geld vermehren. Eine Hochschule dagegen ist nicht auf Profit ausgelegt, es geht darum, den Alltagsbetrieb zu finanzieren.

Betrieb an der Code. Themen: ein Problem mit einem Paragrafen in der Prüfungsordnung, neue Vereinbarungen zu Nebenjobs von Studierenden und ein Zero­WasteKonzept für den neuen Campus. Zwischendurch öffnet Bachem immer wieder seinen Kalender und passt den Zeitplan an. Ein Termin mit einer privaten Wirtschaftshochschule ist ausgefallen, er hat etwas mehr Luft.

Jetzt schnell die Campusführung mit der Delegation der Deutschen Bahn. Dann wieder ein Termin im Konferenzraum, auf dem Bildschirm ploppt das Gesicht von Rolf Schrömgens auf. Der 47­Jährige hat das Hotelportal Trivago gegründet, er ist vielfacher Millionär. Bachem hat sich oft bei ihm Rat geholt – und Geld für die Hochschule. Schrömgens und anderen namhaften Internetgründern wie Stephan Schambach und Florian Heinemann ist es zu verdanken, dass es die Code weiterhin gibt.

Zeit für eine kurze Rückblende. Eigentlich sollte sich die Code nach einer Grundfinanzierung von fünf Millionen Euro nach sieben Jahren finanziell selbst tragen. Doch 2023 stand die Hochschule kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Über Monate versuchte Bachem Menschen aus seinem Netz­

Mitte 2023 schafft er es: 50 Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen die Code mit kleineren Summen. Dazu kommen fünf Unternehmer, die sich an einem neu gegründeten Trust beteiligen. »Das war eine riesige Last, die da von mir abfiel«, erzählt Bachem. Einen Tag später wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Diagnose: eine Entzündung im Bauchraum. Potenzieller Auslöser: Stress.

Bachem teilt sich seitdem die finanzielle Verantwortung, aber auch das Mitspracherecht. Er ist jetzt Geschäftsführer, den Posten des Kanzlers hat Reimar Müller­Thum von ihm übernommen. Der erfahrene Hochschulmanager kümmert sich darum, dass die Code wirtschaftlich arbeitet und intern alles läuft. Bachem repräsentiert sie nach außen und pflegt das Netzwerk. Noch findet er sich in seine neue Rolle an der Hochschule ein. Ein Termin in seinem Kalender an diesem Tag lautet: Jobprofil verfassen, für die Homepage. Aber er weiß nicht so recht, was er da reinschreiben soll. »Ich mache gerade 100 Sachen am Tag, und alles ist immer wichtig«, sagt er. »Ich muss dringend priorisieren.«

Dann könnte er vielleicht auch wieder häufiger machen, was zurzeit etwas zu kurz kommt: Mentor sein, Ideen fördern. Kurz vor Feierabend trifft er noch zwei Studenten, die gerade ihr erstes Start­up gegründet haben. »Ich habe da den idealen Business­Angel für euch«, sagt er. Er verspricht ein Intro via WhatsApp und trägt es sich ein. Für die Zeit während der Heimfahrt. Da ist doch tatsächlich noch eine Lücke im Kalender.

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EIN TAG MIT... THOMAS BACHEM Foto: Code
Die Studierenden an der Code sollen ihr Ding machen.

KI verändertSpielregeln fürCybersecurity.

VieleUnternehmen glauben, dass ihre Sicherheitsmaßnahmen ausreichendsind. Doch Vorsicht:Künstliche Intelligenzwirddie Spielregelnvöllig verändern. Überzeugende Phishing-Mails undautomatisierteAngriffekönnen jeden treffen. Daherist es jetzthöchste Zeit,die eigene Security-Strategie zu überprüfen

Cybervor fälle sind dasmit AbstandgrößteGeschäftsrisiko im Jahr 2024,sodas jährlicheAllianz Risk Barometer. Dabeierweitert sich dieResilienzlückezwischengroßenund kleinerenUnternehmen Denn demMittelstand fehlen oftZeitund Ressourcen, um sich effektiv aufAngriffevorzubereiten

Zudemhinkt dasRisikobewusstsein oftder Realität hinterher. So glaubt dieGeschäftsleitunghäufig, dass ihre kleine oder mittelständische Firmazuunwichtig wäre,umein Ziel fürCyberkriminelle zu sein.Entsprechend würden dieaktuellenSecurity-Maßnahmen schonausreichen.

KI veränder tdie Spielregeln

Neue Hacker-Toolsautomatisierenjedochgängige Angriffsprozesse undnutzenKIzur Erstellung perfektaussehender,individuell angepasster Phishing-Mails.Zudem können Hacker damitPasswör ter einfacher knacken.SowerdenCyberangriffe durchKIschneller undeffektiver.

WeralsoZugänge fürMitarbeitende aufdie eigenenSysteme nicht vollständig abgesicher that,bekommt oftunangenehmenBesuch vonEinbrechern.Diese stehlennicht nursensibleInformationen, sondernverschlüsseln auch wichtige Daten, um Lösegeld zu erpressen. Werseine Belegschaftnicht vorneuen Phishing-Trickswarnt –wie gefälschte Mailsvom vermeintlichen Chef mitÜberweisungsaufträgen oder garKI-generier te Videokonferenzen –kannebenfalls vielGeldverlieren

Dasverändert dieSituation grundlegend. Denn es spieltkeine Rolle mehr,wie groß dasUnternehmen ist. Cyberkriminellesuchen einfacheZiele,die siemit wenigAufwand er folgreichangreifen können.Daher wird jederzum Opfer, derseine Systemenicht ausreichend absicher t.

GrundlegendeMaßnahmen reichenoft

DieguteNachrichtlautet, dass häufig schongrundlegendeSchutzmaßnahmengenügen,umdie Mehrheit derAngreifer abzuschrecken. Dazu zählen zumBeispiel eine durchgängige Multi-Faktor-Authentifizierung, ständige Updatesder Anwendungen, homogene Infrastruktur,Vergabe dergeringstenZugriffsrechte, Datenklassifizierung oder moderneEndpointProtection.

KommendeKI-Gefahren er fordernzusätzlicheineumfassende Anomalie-Erkennung in Bezugauf ungewöhnlicheAktivitäten in den Systemen sowieein Security Operations Center füreinen Rundum-die-Uhr-Schutz. Hier gibt es fürden Mittelstandzuverlässige Service-Lösungen vonPar tnern.

Es istaußerdemwichtig,die technischenMaßnahmen durchregelmäßige Sicherheitsschulungen fürdie Belegschaftzuergänzen. Heute lässt sich eine Phishing-Mailebennicht mehr durchRechtschreibfehler erkennen.SelbstTelefonateund Videos können überzeugend gefälschtwerden, mitStimme undGesicht desVorgesetztenoder derKollegin, demKollegen. DasmüssenMitarbeitende wissenund darauf sensibilisiert sein

Sicherheit istChefsache

KeineFrage:Cyberkriminelle nutzen KI,umihreAngriffezuverbessern.Entsprechend sollten Unternehmenjetzt ebenfalls ihre Maßnahmen erweitern. Denn Angreifermüssennur einmal gewinnen –Unternehmenhingegenimmer. So istSecuritykeinreinesIT-Thema mehr,sondern Teil derUnternehmenspolitikund liegtdamit in der Verantwortungder Geschäftsleitung

Damitman einenAngriff bemerkt, sind diebisherigenpassivenAbwehrmaßnahmendurch aktive Analysen zu ergänzen.Schließlich sind auch kleine Unternehmenfür Angreiferinteressant –obals mögliches Erpressungsopfer oder Eintrittstor in eine Lieferkette.

WerkeinOpfer vonKIwerdenwill, darf niedamit aufhören,seine Schutzmaßnahmenkontinuierlichzuprüfen. Fangen Sieheute damit an undstellenSie Ihrenaktuellen Sicherheitsstatus sowiemögliche Schwachstellenfest. Nutzen Siedazueinfach den Security Quick Checkvon Campana& Schott.

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Wie Sie jetzt weitermachen könnten ...

TUN

Nein, lassen Sie das Thema Nachfolge nicht schleifen, sondern kümmern Sie sich am besten schon bei Ihrem Einstand darum. Im Ernst: Mindestens zehn Jahre vor der Übergabe sollten Sie aus Sicht von Experten mit den Vorbereitungen des Generationswechsels beginnen (S. 36). Zum Beispiel, indem Sie in die Zukunft investieren: Ermitteln Sie die CO₂-Bilanz Ihres Betriebs, und ersetzen Sie mindestens Ihr Druckerpapier durch die recycelte Variante (S. 44). Oder Sie orientieren sich an der Unternehmerin Anne-Marie Großmann, die ein ganzes Stahlwerk klimaneutral machen will (S. 8).

LASSEN

Alles geheim zu halten, ist vielleicht keine gute Idee, wenn Sie Erfolg haben wollen (S. 7). Holen Sie sich Rat von anderen, und geben Sie nicht auf, wenn zunächst niemand an Ihre Idee glaubt (S. 30). Verteufeln Sie auch Whistleblower nicht: Es sind oft sehr loyale Mitarbeiter, die Sie mit ihren Hinweisen vor Schaden bewahren können (S. 40). Speisen Sie Ihre Beschäftigten nicht nur mit höheren Löhnen ab, um sie zu motivieren: Schmeißen Sie auch mal eine Party, und lassen Sie sie mitentscheiden. Oder führen Sie einen eigenen Firmen-Feiertag ein (S. 32).

DELEGIEREN

Quälen Sie sich nicht mit allen strategischen Entscheidungen, sondern lassen Sie künstliche Intelligenz auswerten, wie Ihr Team effizienter wird oder wann neue Ware bestellt werden muss (S. 14). Dann haben Sie mehr Zeit – zum Beispiel um Coden zu lernen (S. 46) oder um auf neue Ideen zu kommen (S. 42). Mit deren Umsetzung beauftragen Sie ein ausgegründetes Start-up (S. 18). Und wenn Sie eine Auszeit brauchen: Vertrauen Sie wie die Mattkes von der Bäckerei Moin Ihren engsten Mitarbeitern wichtige Aufgaben an (S. 38). Dann könnten Sie einfach davonsegeln –aber bitte nachhaltig (S. 26)!

50 DIE NÄCHSTE AUSGABE VON ZEIT FÜR UNTERNEHMER ERSCHEINT AM 20. JUNI 2024
TO-DO-LISTE
Illustration: Pia Bublies für ZEIT für Unternehmer

Miteinanderstatt nacheinander Unternehmensnachfolge neugedacht

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