BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.
2019
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Schwerpunkt Bauen mit Beton
AIV Oberhessen St채dtebauliche Exkursion nach Innsbruck
Oldenburgischer AIV 150-j채hriges Gr체ndungsjubil채um Studienreise nach Sizilien
BAUKULTUR
beton
Beton. Für große Ideen.
Messner Mountain Museum Corones – Italien Zaha Hadid Architects
www.beton-fuer-grosse-ideen.de
editorial
BAUKULTUR 1_2019
LIEBE LESERINNEN UND LESER, VEREHRTE FREUNDE DER BAUKULTUR, Ihnen alles erdenklich Gute für das neue Jahr 2019, Gesundheit, beruflichen Erfolg und Wohlergehen. Hoffentlich war der Start in dieses neue Jahr für Sie und Ihre Familien erfreulich! Vor einem Jahr an dieser Stelle habe ich Stellung genommen zur damals laufenden Regierungsbildung auf Bundesebene. Die Verhandlungen für „Jamaika“ waren geplatzt und wie es weitergehen würde, konnte niemand wirklich vorhersehen. Heute, Anfang 2019, ist die Bundesregierung knapp 9 Monate im Amt, und wir müssen konstatieren, dass es Missstimmungen im Land gibt. Der politische Motor scheint etwas zu stottern. Trotz nach wie vor konjunkturell guter Lage ist eine gewisse Unzufriedenheit mit Händen zu greifen: Fachkräftemangel, eine Infrastruktur, die an ihre Grenzen stößt – zu Lande, zu Wasser und in der Luft, nach wie vor massive Probleme bei der Energie- und Verkehrswende. Auch unsere Berufsstände stehen in der Kritik. Während anderswo Flughäfen und Brücken in Rekordzeit fertig gestellt werden, hält man uns BER, S21 oder Fehlplanungen beim Umbau der Karlsruher Innenstadt vor. Eine Ursache für die Probleme ist aus Sicht des DAI – und das schon seit Jahren – der massive Abbau an Kompetenz in öffentlichen Verwaltungen. Die öffentliche Hand tut sich so wahnsinnig schwer, weil Experten fehlen und politische Entscheidungsträger zu oft ans Prestige denken und nicht an die Wirklichkeit. Eine besondere Herausforderung liegt mit Blick auf den Wohnungsmarkt immer noch vor uns. Einige behaupten, der Mangel an für breite Bevölkerungsschichten bezahlbarem Wohnraum in Ballungsgebieten sei die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Ja, das ist ein Problem, aber keines, das wir nicht in den Griff bekommen können. Wir haben uns im September beim DAI Tag in Leipzig intensiv mit der Frage von Bodenbepreisung und dem Umgang mit öffentlichem Raum auseinandergesetzt. Entstanden ist die Erklärung von Leipzig, in der wir einige Hinweise geben, was zu tun ist. Hier sind alle staatlichen Handlungsebenen – Bund, Länder und Kommunen – gleichermaßen gefragt. Eine Baulandsteuer und ein Wegkommen vom Höchstpreisgebot aus kommunaler Sicht sind nur zwei Aspekte. Das Format des diesjährigen DAI Tages war aus meiner Sicht gut – kompakt, intensiv, unaufgeregt. Voraussichtlich wird auch der kommende DAI Tag am 21.9.2019 in Berlin wieder als kompakte Eintagesveranstaltung stattfinden. Ich werde dort nicht wieder als DAI Präsident kandidieren. Nach dann 16 Jahren an der Spitze des Verbandes wird es aus meiner Sicht Zeit, das bestellte Feld jüngeren Kräften zu überlassen.
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Foto: P. Varasano
Die Baukultur wird mich aber weiter beschäftigen, faszinieren und herausfordern. Auch werde ich der Bundesstiftung Baukultur eng verbunden bleiben, in deren Beirat ich berufen bin. Der Konvent Anfang November in Potsdam war aus meiner Sicht eine herausragende Veranstaltung, und mit dem dritten Baukulturbericht in Folge – Erbe-Bestand-Zukunft – kann sich die Arbeit der Stiftung wahrlich sehen lassen. Ich bin froh, dass wir über die letzten Jahre eine so intensive und gute Beziehung aufgebaut haben und auch leben. Wann wird Architektur zu Baukultur? Da ist viel Kommunikation erforderlich. Allerdings liefert die Architektur eben selbst auch Anlass für die Kommunikation: Ein Gebäude braucht Angemessenheit hinsichtlich der Nutzung und des Erscheinungsbildes. Die unmittelbare Umgebung und Nachbarschaft spielen eine Rolle. Menschen brauchen in Gebäuden offene, helle und kommunikationsfreundliche Räume, die sie sich auf natürliche Weise erschließen können. Wer die oft dunklen und tageslichtfernen Gänge von über 100 Jahre alten öffentlichen Gebäuden kennt, weiß, wovon ich schreibe. Diese Themen zu transportieren und vor allem auch der jüngeren Generation zu vermitteln, ist die zentrale Aufgabe aller Architektur- und idealerweise Baukulturschaffenden. Von Baukultur können wir nur sprechen, wenn viele Aspekte maßvoll und angemessen berücksichtigt wurden. Mit 2019 liegt ein spannendes Jahr vor uns. Unter dem Dach des DAI steht ein würdiger Geburtstag an: Der Oldenburgische AIV feiert am 1. Februar sein 150-jähriges Jubiläum. Die Rückschau ist aber auch immer ein Blick nach vorn. Im Frühjahr planen wir eine Zukunftswerkstatt. Viele Vereine haben dieselben Themen – Nachwuchs, Veranstaltungsformate, administrative Herausforderungen. Darüber sollten wir meines Erachtens ausführlich diskutieren. Ich wünsche Ihnen in erster Linie Gesundheit; persönlich, im familiären Umfeld und natürlich auch in Ihren Büros und Arbeitsstätten. Weiterhin freue ich mich, wenn Sie dem DAI und der BAUKULTUR gewogen bleiben und uns unterstützen, für die Interessen unserer planenden und bauenden Berufe einzutreten. Wir alle sind es, die die Zukunft der Baukultur gestalten. Herzlichst Ihr
Prof. Dipl.-Ing. Christian Baumgart DAI Präsident
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DAI bundesweit
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Kiel
BAU 2019 in München Pinneberg
Vom 14.–19.1.2019 findet turnusmäßig die BAU in München statt. Sie gilt als Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme. Die vorliegende Ausgabe 1_2019 der Zeitschrift BAUKULTUR wird auf dem Stand des InformationsZentrums Beton (IZB) zur Auslage gebracht. Besuchen Sie das IZB in Halle A2.320!
Osnabrück
Dortmund
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Leipzig Düsseldorf
Oberhessen
Wiesbaden Aschaffenburg Bamberg
Mainz
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kein DAI Mitgliedsverein DAI Mitgliedsverein mit Textbeitrag in der vorliegenden Ausgabe
DAI MITGLIEDSVEREINE AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Karlsruhe AIV Koblenz
AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Leipzig AIV Magdeburg AIV Marburg AIV Mark Sauerland AIV Oberhessen AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Ulm
AIV Würzburg AIV zu Berlin Dortmunder AIV Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oberrheinischer AIV Freiburg Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg
inhalt
BAUKULTUR 1_2019
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Rubriken Nachrichten Kolumne Bundesstiftung Baukultur Wirtschaft + Recht
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DAI blickpunkt Als Senior Experte in Mittelamerika DAI aktuell Aus dem Präsidium
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DAI regional Oldenburgischer AIV: 150-jähriges Gründungsjubiläum Oldenburgischer AIV: Studienreise nach Sizilien AIV Oberhessen: Städtebauliche Exkursion nach Innsbruck
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Schwerpunkt: Bauen mit Beton hochstrasser.architekten: Golf-Clubhaus in Neu-Ulm X Architekten: Produktionsgebäude in Linz heneghan peng architects: Stadtmuseum in Lahr pbr Planungsbüro Rohling: Parkhaus in München ALN Architekten: Wohn- und Bürogebäude in Landshut MGF Architekten: Seminargebäude in Konstanz
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Advertorials | Anzeigen Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG: Platzgestaltung in Wiesbaden Liapor GmbH & Co. KG: Predigerseminar in Wittenberg Hering Bau GmbH & Co. KG: Bürogebäude in Düsseldorf Pommer Spezialbetonbau GmbH: Betoninstandsetzung und -sanierung Peri GmbH: V&A Museum of Design in Dundee Rudolf Hensel GmbH: Farbiger Brandschutz für Beton SÄBU Morsbach GmbH: Bürogebäude in modularer Stahlbauweise StoCretec GmbH: Emissionsarme Bodenbeschichtung FUCHS Fertigteilwerke GmbH: Hotel in Bayreuth Rieder Gruppe: Fassaden aus Glasfaserbeton Villa Rocca GmbH: Bauteile und Möbel aus der Beton-Manufaktur herr.lucas GbR: Accessoires aus Beton werftbeton GmbH: Interiordesign aus Beton
46 Titel: Tischleuchte „luna concrete lamp“ (Foto: werftbeton)
Editorial Prof. Christian Baumgart DAI bundesweit Inhalt
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Autoren | Vorschau | Impressum
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nachrichten
Concrete Design Competition Bereits seit 15 Jahren schreibt das InformationsZentrum Beton mit dem Concrete Design Competition einen Studentenwettbewerb für kreatives und innovatives Gestalten mit Beton aus. Im Studienjahr 2018/19 steht er unter dem Motto „Plasticity“. Gesucht sind Projekte, die die Plastizität von Beton – seine Formbarkeit und räumliche Ausdruckskraft – als zentrale Material- und Gestaltqualität in den Fokus stellen. Beiträge können von Objekten und Bauteilen über Gebäudeentwürfe bis hin zu stadt- und landschaftsplanerischen Projekten reichen. Einsendeschluss ist der 30.4.2019. www.concretedesigncompetition.de
63. Beton Tage „Innovation in Beton“ ist das Motto der 63. Beton Tage vom 19.–21.2.2019 in Neu-Ulm. Das Fachprogramm mit Vorträgen von rund 90 namhaften Referenten wird ergänzt durch 160 Aussteller aus der Zuliefer-, Maschinen- und Softwareindustrie. Auf Podien werden Themen wie anwendungsgerechte Forschung und Praxis, konstruktiver Fertigteilbau, serielles und modulares Bauen oder Architektur und Tragwerksplanung beleuchtet. www.betontage.de „Neue Heimat“ (1950–1986) Die Neue Heimat war der größte und bedeutendste nicht-staatliche Wohnungsbaukonzern im Europa der Nachkriegszeit. In einem Zeitraum von über 30 Jahren hat das Gewerkschaftsunternehmen mehr als 400.000 Wohnungen und zahlreiche Kommunal- und Gewerbebauten in Deutschland geplant und ausgeführt. Die Mehrzahl davon steht noch heute. Eine Ausstellung im Architekturmuseum der TU München (28.2.–19.5.2019) dokumentiert herausragende Beispiele dieser Bauten durch zahlreiche historische Foto- und
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Siedlung Kranichstein in Darmstadt, ab 1968 errichtet von Ernst May (Foto: © Hamburgisches Architekturarchiv)
Parkgarage in Augsburg, Zeichnung von Gerd Wiegand, 1955
Filmaufnahmen, Planmaterialien und Modelle. Im Fokus stehen außerdem die Protagonisten der Neuen Heimat einschließlich der rund 700 Architekten und Stadtplaner und deren Einfluss auf den Wohnungs- und Städtebau. www.architekturmuseum.de
Architektur zeichnen Die Architekturzeichnung umfasst ein weites Spektrum an Ausdrucksformen: angefangen von der Skizze einer Entwurfsidee über die detailgetreue Darstellung von Räumen und Rissen bis hin zur freien künstlerischen Interpretation von Architektur. Die Ausstellung im Architekturmuseum Schwaben fokussiert noch bis 17.2.2019 Augsburger Gebäude und Stadtansichten aus dem Archivbestand und bietet Architekten und Künstlern wie den Urban Sketchers Augsburg ein Forum, die Ergebnisse ihrer zeichnerischen Auseinandersetzung mit Architektur zu präsentieren. https://schwaben.architekturmuseum.de
Der Deutsche Holzbaupreis zeichnet Gebäude aus Holz, Holzwerkstoffen und weiteren nachwachsenden Rohstoffen aus. Die bis 31.1.2019 einzureichenden Bauwerke sollen von hoher gestalterischer Qualität sein und im Sinne der Nachhaltigkeit umweltfreundlichen und ressourcensparenden Aspekten entsprechen. In die Bewertung wird auch der Lebenszyklus der Bauwerke hinsichtlich ihrer Energieeffizienz, Wirtschaftlichkeit in Betrieb und Unterhalt bis hin zur Recyclingfähigkeit einbezogen. Bauwerke und Gebäudekomponenten sollen insgesamt ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept darstellen. www.deutscher-holzbaupreis.de Architektur und Landschaft in Norwegen Mit atmosphärischen Fotografien dokumentiert Ken Schluchtman bis zum 17.1.2019 im Felleshus der Nordischen Botschaften Berlin, wie spannungsvoll Natur und Architektur sich gegenseitig in Szene setzen können: Zahlreiche renommierte Architekten und Künstler, darunter z. B. Peter Zumthor, beteiligen sich seit 1994 an der Gestaltung der Norwegischen Landschaftsrouten. Die entstandenen Bau- und Kunstwerke zeigen, wie vielfältig einsetzbar das Material Beton ist. www.nordischebotschaften.org
Architekturkalender 2019 ARCHIPENDIUM ist eine Zusammenstellung zeitgenössischer Baukultur im kompakten Kalenderformat. Die Ausgabe 2019 zeigt 365 Tage neue Te n d e n zen internationaler Architektur. Jedes Kalenderblatt liefert die wichtigsten Informationen zu jeweils einem Architekturprojekt mit einem Foto auf der Vorderseite und einer Kurzbeschreibung mit Plan bzw. Grundriss auf der Rückseite. https://archipendium.com
Norwegische Landschaftsroute Geiranger-Trollstigen (Foto: Ken Schluchtman)
ArchitekTouren 2019 Das InformationsZentrum Beton bietet im kommenden Jahr eine Reihe von Fachexkursionen an, die dem Bauen mit Beton gewidmet sind. Reiseziele sind Japan, Brasilien, die USA, Finnland und Israel. Die Studienreisen dienen der Fortbildung und beruflichen Weiterbildung. www.beton.org
kolumne
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EINE BEWEGUNG FÜR BAUKULTUR! Anfang November versammelten sich zum Konvent der Baukultur 2018 in Potsdam mehr als 500 Bauschaffende. Das Programm war vielfältig und spannend, die Stimmung ausgezeichnet.
prägende und häufig liebgewonnene Bauwerke leer stehen oder verloren gehen. Der Baukulturbericht liefert hierzu Fakten, Umfrageergebnisse, Grafiken, gute Beispiele und Argumente für eine zukunftsgerichtete Umbaukultur.
Zu aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen fand zunächst das so genannte Basislager der Baukultur statt, als Stützpunkt für weitere Unternehmungen der Bundesstiftung: Wo stehen wir und wo wollen wir hin? Es stand unter der selbstbewussten Überschrift „Baukultur als Teil der Lösung“; zu Recht, wie sich zeigte. Denn in den 5 Foren, die sich mit der Entwicklung innovativer Wohnungsbaustandorte im Bestand befassten, mit ressourcenschonender Planung, mit dem Erfahrungsaustausch von Gestaltungsbeiräten und Baukultur-Initiativen oder mit der Steigerung des Angebots und Niveaus baukultureller Bildung, wuchs die Erkenntnis, dass Baukultur wirkungsvolle und machbare Handlungsoptionen für eine Verbesserung der Lebenswelten bietet. Auf die im Raum stehenden Fragen zum Umgang mit zunehmend trivialem Planen und Bauen, mit anhaltender Flächeninanspruchnahme für neue Gewerbe- und Siedlungsgebiete oder zum Verlust historischer Bauwerke gab es kreative und mutmachende Antworten.
Alle Akteure entlang der Wirkungskette Baukultur sind jetzt gefragt, ihre Kompetenz in eine Situationsanalyse einzubringen und gute Wege für eine bessere Baukultur in Deutschland aufzuzeigen. Die große Anzahl von aktiven Konventteilnehmern und die noch größere Nachfrage nach dem Baukulturbericht auch aus dem politischen Raum zeigen, dass die Bereitschaft zunimmt, einem gesellschaftlich unterbelichteten Thema mit großer Relevanz und noch größerem Potential mehr Geltung zu verschaffen. Oliver Martin, Denkmalpfleger und Architekt aus Bern, der maßgeblich für die Davos Deklaration zur Baukultur 2018 steht, hat es in seinem Text für den neuen Essayband der Bundessstiftung treffend formuliert: „Die Zukunft? Es wird besser, denn langsam scheint sich Widerstand gegen die Banalisierung des Landes zu formieren. Eine Bewegung für Baukultur! Eine Bewegung, die baukulturelle Bildung für alle verlangt und die Städtebau statt flache Raumplanung fordert. Die das kulturelle Erbe schützt und pflegt und gleichzeitig einen Anspruch auf das zeitgenössische Schaffen formuliert.“ Nicht zuletzt der DAI hat dieser Bewegung mit seinen engagierten Mitgliedern von Anfang an Auftrieb gegeben.
Druckfrisch lag der neue Baukulturbericht 2018/19 am Konventtag vor. Unter der Überschrift „Erbe – Bestand – Zukunft“ nimmt er im Europäischen Kulturerbejahr 2018 den Bestand in den Fokus. Hier liegt nicht nur der Schlüssel für Identität und Charakter der europäischen Städte und Gemeinden, sondern auch die große Chance für eine reflektierte Qualitätsdebatte. Bereits heute gehen rund zwei Drittel der Bauinvestitionen in bestehende Bauwerke, mit steigender Tendenz gegenüber reinen Neubauten. Die Zukunft des Planens und Bauens ist bestandsorientiert. Vom historischen Erbe über ortsbildprägende Bauwerke bis zur grauen, in Gebäuden gebundenen Energie wird klar: Wir sollten uns die vielerorts erkennbare „Wegwerfmentalität“ nicht weiter leisten. Dagegen sprechen nicht nur die bereits heute verbauten 370 t Baustoffe je Einwohner, sondern der „Heimatverlust“, wenn durch einen zu schnellen Wandel ortsbild-
rechts Teilnehmer am Konvent der Baukultur 2018 in Potsdam (Foto: © Fabian Schellhorn für die Bundesstiftung Baukultur)
Den Baukulturbericht können Sie bestellen oder als PDF herunterladen unter: www.bundesstiftung-baukultur.de Reiner Nagel
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wirtschaft + recht
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§§ Die in Berlin, München, Frankfurt und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien-, Bau- sowie das Vergaberecht.
NEUES AUS DEM... ...aus dem Bau- und Architektenrecht
...Vergaberecht
Keine Maklerprovision für Verwalter oder Gehilfen
Grenzen der Angebotskalkulation
Wenn der Architekt über seine Leistungen nach HOAI fehlerhaft zu niedrig abrechnet, dann kann er seine Rechnung in der Regel später noch nach oben korrigieren. Das OLG Zweibrücken hat mit seiner Entscheidung vom 19.06.2015 unter dem Az. 2 O 1161/04, kürzlich bestätigt durch Beschluss des BGH vom 05.06.2018 unter dem Az. VII ZR 228/16, deutlich gemacht, dass dieser Grundsatz jedoch nicht uneingeschränkt gilt. Grundsätzlich sei zwar in der Stellung einer fehlerhaft zu niedrigen Rechnung nach HOAI kein Verzicht auf die vergessene berechtigte Mehrforderung zu sehen. Der Architekt könne jedoch an eine falsche Schlussrechnung gebunden sein, wenn sich der Auftraggeber aufgrund einer andauernden Untätigkeit des Architekten darauf einrichten durfte, dass keine weiteren Ansprüche geltend gemacht werden würden. Dann habe der Architekt seinen Anspruch auf die vergessene Mehrvergütung nach Treu und Glauben verwirkt. Dies setze einerseits voraus, dass bereits längere Zeit seit Stellung der falschen Schlussrechnung vergangen sei (Zeitmoment). Im vorliegenden Fall waren bereits 17 Jahre vergangen, bis der Architekt Nachberechnungen anstellte.
Die Angebotskalkulation ist in den meisten Vergabeverfahren die entscheidende Stellschraube für den Bieter, um den Auftrag zu bekommen. Gleichzeitig unterliegt sie aber vergaberechtlichen Grenzen.
Andererseits setze die Verwirkung voraus, dass der Auftraggeber auch darauf vertrauen konnte, dass keine Nachberechnungen mehr gemacht würden (Umstandsmoment). Da es Auseinandersetzungen über die Höhe der damals gelegten Schlussrechnung gegeben hatte, der Architekt im Zuge dessen jedoch nur die damalige Rechnungshöhe verteidigt hatte und diese letztendlich auch gezahlt worden war, konnte der Auftraggeber darauf vertrauen, dass später nicht eine noch höhere Rechnungsforderung auf ihn zukomme. Der Architekt kann also nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass er Nachforderungen zu einem späteren Zeitpunkt geltend machen kann, wenn er fehlerhaft abgerechnet hat. Jedoch sollte sich der Architekt, der eine Nachforderung geltend machen will, nicht sofort vom Einwand der Verwirkung verunsichern lassen. Denn die Fälle der Verwirkung nach Treu und Glauben sind der absolute Ausnahmefall. Bringt der Auftraggeber diesen Einwand hervor, wird er damit nur unter großem Begründungsaufwand Erfolg haben. Rechtsanwalt Milan Meixelsberger
In dem Fall, den die VK Lüneburg in ihrem Beschluss vom 23.07.2018 – VgK-27/2018 zu entscheiden hatte, war für die zu vergebenden Bauleistungen der Preis das alleinige Zuschlagskriterium. Bei der entsprechenden Leistungsbeschreibung unterliefen dem Auftraggeber offensichtlich Fehler. Um die – nach Meinung des Bieters – erforderlichen Leistungen einzupreisen, strich und erweiterte der Bieter eigenhändig diverse Positionen des Leistungsverzeichnisses. Das entsprechende Angebot wurde wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen ausgeschlossen. Der Ausschluss erfolgte laut der Vergabekammer zu Recht. Wenn dem Auftraggeber bei Erstellung des Leistungsverzeichnisses Fehler unterlaufen, habe der Bieter die Möglichkeit, über eine Bieterfrage oder eine Rüge auf den Fehler hinzuweisen. Er könne auch etwa bei Annahme eines Messfehlers in Flächenmaßen den möglichen Fehler für sich behalten und ein auf dem angenommenen Messfehler begründetes besonders günstiges Angebot abgeben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2011, Verg 11/11). Der Bieter sei jedoch nicht berechtigt, den Inhalt der Angebotsunterlagen eigenmächtig abzuändern, da die Angebote sonst nicht mehr vergleichbar sind. Es gelten folgende Grundsätze für die Angebotskalkulation: 1. Der Bieter ist nicht dazu berechtigt, den Inhalt der Angebotsunterlagen eigenmächtig abzuändern. Bei offensichtlichen Fehlern im Leistungsverzeichnis sollte im Wege einer Bieterfrage oder Rüge darauf hingewiesen werden. Zudem kann ein solcher Fehler in engen Grenzen genutzt werden. 2. Eine zu Lasten des Auftraggebers aufgestellte so genannte Mischkalkulation ist grundsätzlich unzulässig. Verteilt der Bieter in seinem Angebot die tatsächlich für einzelne Leistungspositionen anzugebenden Einheitspreise auf die Preise anderer Leistungspositionen, gibt er nicht die geforderten Einheitspreise an, und sein Angebot ist von der Wertung auszuschließen. Rechtsanwalt Fin Winkelmann, LL.M.
Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe, Tel.: 030–880331–231, Fax: 030–880331–100, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May, Tel.: 089–29050–231, Fax: 089–29050–290, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de
Lösungen liefern. Zukunft bauen. Wenn Architekten und Ingenieure Herausragendes planen und umsetzen, steht ihnen Holcim als Lösungsanbieter engagiert und ideenreich zur Seite. Denn großen Herausforderungen begegnen wir mit großem Engagement – und als eines der führenden Unternehmen der Baustoffindustrie auch mit einem kompetenten und hochmotivierten Team.
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