BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.
2018
6
Schwerpunkte Denkmalpflege Sanierung
AIV Marburg Exkursion nach Dresden
MAIV Darmstadt Tagesfahrt nach Marburg
BAUKULTUR
um
Dedicated to People Flow™
EINFACH ANKOMMEN Sie haben alle Hände voll zu tun, wenn Sie nach Hause kommen? Das muss nicht sein: Mit KONE Residential Flow öffnet sich die Haustür per App, der Aufzug wird gerufen, sobald Sie das Gebäude betreten – so gelangen Sie nahezu berührungslos bis in Ihre Wohnung.
www.kone.de/smart-home
editorial
BAUKULTUR 6_2018
3
LIEBE LESERINNEN UND LESER, VEREHRTE FREUNDE DER BAUKULTUR, wer hätte es vermutet: Die Veränderungen gehen weiter, und ein Umdenken ist nicht nur beim Planen und Bauen gefragt – wie wir mit unserem aktuellen und traditionellen Titel zum Jahresende, der umBAUKULTUR, einmal mehr unter Beweis stellen. Das Umbauen kann sinnhaft auf alle Bereiche übertragen werden: Integrationspolitik, Europapolitik, Klimawandel, Energie- und Mobilitätswende usw. Gerade mit Blick auf das Klima und die Energiepolitik erleben wir einen Paradigmenwechsel: Das Zeitalter der Kohle geht zu Ende. Vielleicht – für das globale Klima hoffentlich – rascher, als wir uns das heute vorstellen wollen und können. Der Umbau gilt also nicht nur dem Bad, Wohnzimmer oder auch dem Dach, er gilt Häusern, Quartieren, Gemeinden und Städten – im ganzen Land. Aktuell haben wir nicht nur die große Chance, sondern auch die Pflicht, die hochwertige Bau- und Planungskultur in Deutschland, wie sie in den Baukulturberichten der letzten Jahre zum Ausdruck kommt, in die Tat umzusetzen. Der dritte Bericht „Erbe-BestandZukunft“ wird bei Erscheinen dieser Ausgabe bereits vorliegen und im Bundestag zur Beschlussfassung eingereicht sein – Handeln statt Zögern ist das Motto der Stunde und wird mit Sicherheit noch auf Jahre das Motto bleiben müssen. Den Planern und allen Bauschaffenden kommt eine gesellschaftspolitische Schlüsselrolle zu. Beim Planen und Bauen muss weiter umgedacht werden, und klare Prioritäten müssen gesetzt werden: Bestandsbauten unterschiedlichster Art nutzen und aufwerten, innerstädtisch angemessen verdichten sowie Aufstockungsmöglichkeiten mit innovativen Leichtbauweisen denken. Während des DAI Tages in Leipzig – einige Eindrücke der aus meiner Sicht gelungenen Veranstaltung finden Sie in diesem Heft – haben wir diskutiert, wie der DAI zu diesen wichtigen Fragen unserer Zeit mit Blick auf die Wohnraumsituation in den Ballungszentren Stellung beziehen kann. Die Formulierungen mündeten in der „Leipziger Erklärung“ für eine nachhaltige Boden- und Steuerpolitik. Sie können den Text auf unserer Web-Seite unter www.dai.org jederzeit nachlesen. Nicht zu vergessen natürlich die Gründung des AIV Leipzig, die wir während des DAI Tages offiziell begleitet haben. Schön, dass es nun auch in Leipzig wieder einen AIV gibt!
Umbaukultur bedeutet aus Sicht unseres Verbandes auch, ein Bestandsgebäude in seiner Ursprünglichkeit und Geschichte zu erfassen und durch die Möglichkeit neuer Nutzungsüberlegungen weiter zu beplanen und so umzubauen, dass es für die Zukunft sinnhaft erhalten bleibt. Das ist die Herausforderung. Zwar wird öffentlichkeitswirksam immer über Neubau gesprochen. Aber der Löwenanteil, nämlich 75% aller Bauinvestitionen, fließt in den Bestand. Da liegt der Hebel in vielerlei Hinsicht: Stadt- und Quartiersplanung, Energieeffizienz, Material- und Logistikplanung, Wiederverwertung von Baustoffen u.v.m. Ressourcen schonend einzusetzen und trotzdem das Bewusstsein für eine anspruchsvolle Planungs- und Baukultur im Auge zu behalten, ist ein hoher Anspruch. Architekten und Ingenieure tragen hierbei eine große Verantwortung, zu der sich auch und gerade die Mitglieder des DAI bekennen. Bereits an dieser Stelle der Hinweis, dass im kommenden Jahr der DAI Tag am 21.9.2019 in Berlin stattfinden wird und wir im kommenden Herbst erneut eine internationale Fachexkursion anbieten werden. Geplant ist entweder Kanada oder Mexiko. Es geht also wieder einmal nach Westen. Über das Programm werden wir Sie hier in der BAUKULTUR und via Newsletter rechtzeitig informieren. Wie immer wünsche ich Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre dieser seitenstarken Ausgabe. Bleiben Sie dem DAI und unserer BAUKULTUR gewogen, Sie unterstützen damit die Interessen unserer planenden und bauenden Berufe. Herzlichst Ihr
Prof. Dipl.-Ing. Christian Baumgart DAI Präsident
4
DAI bundesweit
BAUKULTUR 6_2018
Kiel
Pinneberg
Berliner Dom (Foto: pixabay, Kai Vogel)
DAI Tag 2019 in Berlin Im kommenden Jahr findet der DAI Tag am 21.9.2019 in Berlin statt. Bitte merken Sie sich diesen Termin heute schon vor. Der DAI und die Mitglieder des AIV zu Berlin freuen sich auf ihre Gäste!
Osnabrück
Dortmund
Leipzig Düsseldorf
#DAITAG19 www.dai.org/veranstaltungen/ verbandstermine
Oberhessen
Wiesbaden Aschaffenburg Bamberg
Mainz
Mannheim
Saar
Nürnberg
Folgen Sie dem DAI im Netz: www.dai.org www.facebook.com/baukultur Freiburg
www.twitter.com/baukultur https://plus.google.com/ +DaiOrgBaukultur
DAI Mitgliedsverein
www.instagram.com/ baukultur_dai/
kein DAI Mitgliedsverein DAI Mitgliedsverein mit Textbeitrag in der vorliegenden Ausgabe
DAI MITGLIEDSVEREINE AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Karlsruhe AIV Koblenz
AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Leipzig AIV Magdeburg AIV Marburg AIV Mark Sauerland AIV Oberhessen AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Ulm
AIV Würzburg AIV zu Berlin Dortmunder AIV Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oberrheinischer AIV Freiburg Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg
inhalt
BAUKULTUR 6_2018
30
22
3 4 5 6–9 6–7 8 9
Rubriken Nachrichten Wirtschaft + Recht Kolumne Bundesstiftung Baukultur
10–11 10 11
DAI aktuell DAI Tag 2018 – Rückblick Aus dem Präsidium
12–13 12–13
DAI blickpunkt Interview: Neuinterpretation bewährter Formen
14–15 14 15
DAI regional AIV Marburg: Exkursion nach Dresden MAIV Darmstadt: Tagesfahrt nach Marburg
18–33 18–19 20–21 22–23 24–25 26–27 28–29 30–31 32–33
Schwerpunkte: Denkmalpflege + Sanierung Sanierung des Hofguts Wöllried Umbau einer Fabrikhalle zur „Sammlung Philara“ Sanierung, Umbau und Erweiterung der Hochschule Zittau/Görlitz Umbau der Burg Bachem Umbau und Erweiterung einer ehemaligen Alpwirtschaft Umbau und Erweiterung eines Wohnhauses Umbau einer Druckerei zu einem Wohnhaus Umbau eines Gasthauses zu einem Bürogebäude
34–54
Advertorials | Anzeigen
55
Titel: Sammlung Philara in Düsseldorf (Foto: Stefan Müller)
Editorial Prof. Christian Baumgart DAI bundesweit Inhalt
Autoren | Vorschau | Impressum
5
26
6
nachrichten
denkmal 2018 Die europäische Leitmesse für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung ist der Drehund Angelpunkt der Branche rund um den Erhalt des kulturellen Erbes. Nationale und internationale Aussteller präsentieren vom 8.–10.11.2018 in Leipzig denkmalpflegerische Produkte, handwerkliche und restauratorische Leistungen, Technologien und Innovationen. Als größte Fort- und Weiterbildungsveranstaltung in Europa zu den Themen Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung bietet die Messe im Fachprogramm hochkarätige Kongresse, nationale und internationale Fachveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und Expertenrunden sowie zahlreiche Preisverleihungen. www.denkmal-leipzig.de Bau 2019 Die Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme findet vom 14.–18.1.2019 in München statt. Durch den Bau von zwei neuen Messe-
hallen steigt die Ausstellerfläche erstmals auf 200.000 m². Dennoch bleibt das Platzangebot knapp. Erwartet werden rund 2.200 Aussteller aus mindestens 45 Ländern. Als Taktgeber für die BAU 2019 fungieren die 4 Leitthemen „Digital: Prozesse und Architektur“, „Vernetzt: Wohnen und Arbeiten“, „Integral: Systeme und Konstruktionen“ und „Smart: Licht und Gebäude“. In den Messeforen werden diese Leitthemen unter verschiedenen Aspekten erörtert und diskutiert. Und in den Sonderschauen werden sie anhand von Produkt- und Projektbeispielen veranschaulicht. www.bau-muenchen.com Denkmalschutz und Nachhaltigkeit So lautet der Titel einer Tagung, die die Evangelische Akademie Tutzing und das Denkmalnetz Bayern, hier federführend Wolfgang Weise, Mitglied im Schwäbischen AIV Augsburg, gemein-
BAUKULTUR 6_2018
sam organisieren. Sie findet vom 30.11.–2.12.2018 in Rothenburg ob der Tauber statt. Im Fokus steht das Thema Denkmalschutz und Nachhaltigkeit. Auch wird der Frage nachgegangen, welche Möglichkeiten für Bürger bestehen, sich für Denkmale zu engagieren und politische Wirkung zu erzielen. In Arbeitsgruppen soll erarbeitet werden, wie diese Themen in die Schulen und in die Erwachsenenbildung getragen werden können. www.ev-akademie-tutzing.de Erhaltung von Bauwerken Die Technische Akademie Esslingen veranstaltet vom 22.–23.1.2019 das Kolloquium „Erhaltung von Bauwerken“. Aufgrund der immensen Anzahl von Altbauten gewinnt das facettenreiche Thema zunehmend an Bedeutung. Es soll in 60–80 Beiträgen erneut bearbeitet werden. Dazu sind 3–4 parallele Sessions sowie eine Ausstellung geplant. Der Austausch von Wissen sowie Erfahrung zwischen Praxis und Wissenschaft stehen dabei im Vordergrund. www.tae.de Königsschlösser und Fabriken – Ludwig II. und die Architektur Diese Ausstellung zeigt das Architekturmuseum der TU München noch bis 13.1.2019. Erstmals wird die gesamte Spannweite der Architektur- und Bautätigkeit unter der Ägide des Hochschulgründers Ludwig II. von Bayern (1864–1886) in einer fundierten Betrachtung umfassend vorgestellt, nicht nur die der weltbekannten Schlösser. Dazu zählen so prominente Gebäude wie das Münchner
Königshaus auf dem Schachen, errichtet 1869– 1872 von Georg Dollmann (Foto Myrzik und Jarisch, © Architekturmuseum)
Rathaus von Georg von Hauberrisser, die Münchner Akademie der Bildenden Künste von Gottfried Neureuther und das Bayreuther Festspielhaus von Otto Brückwald, aber auch weniger bekannte architektur- und kulturgeschichtlich bedeutende Bauten. www.architekturmuseum.de
Sowjetische Großwohnsiedlung, errichtet 1976 von Otar Kalandarishvili und G.Potskhishvili (Foto: © Erik-Jan Ouwerkerk)
Hybrid Tbilisi – Architektur in Georgien Das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt (DAM) unternimmt noch bis zum 13.1.2019 einen Streifzug durch die kaukasische Metropole Tiflis – Abrissbaustelle des Alten, Fabrik des Neuen, faszinierende Stadt auf der Suche nach sich selbst. Die widersprüchliche Großstadt, die geografisch und geistig zwischen Europa, Russland, der Türkei und den arabischen Staaten, zwischen Orient und Okzident oszilliert, wird in einem Stadium der Transformation beleuchtet. www.dam-online.de Best Highrises 2018/2019 Der Internationale Hochhauspreis wird alle zwei Jahre gemeinsam von der Stadt Frankfurt am Main, dem DAM und der DekaBank vergeben. Die Entwicklungen der Hochhausarchitektur werden längst nicht mehr nur in Nordamerika und Europa, sondern mittlerweile weltweit geprägt. Aus insgesamt 36 nominierten Bauten wählte die internationale Jury aus Architekten, Ingenieuren und Immobilienfachleuten 5 Finalisten und schließlich das Gewinnergebäude. Die
Zu den Finalisten gehören die Büros Ole Scheeren und OMA Office for Metropolitan Architecture mit dem Projekt MahaNakhon in Bangkok (Foto: Hufton + Crow)
Ausstellung im DAM stellt all diese Bauten bis zum 3.3.2019 vor. www.dam-online.de Herbstforum Altbau 2018 Veranstalter des Kongresses am 21.11.2018 in Stuttgart ist Zukunft Altbau, ein vom
nachrichten
BAUKULTUR 6_2018
Umweltministerium Baden-Württemberg gefördertes Programm. Im Fokus des Austauschs von Bau- und Energieexperten stehen die Effizienz von Wärmepumpen, die Erneuerung von Heizungsanlagen, energiepolitische Entwicklungen und der Wandel in Wohnund Baukultur. Neben Referenten aus Forschung, Politik und Wirtschaft werden Gebäudeenergieberater, Architekten und Ingenieure erwartet. Das Herbstforum Altbau wird durch eine Ausstellung zur energieeffizienten Gebäudesanierung ergänzt. www.zukunftaltbau.de
Frankfurt Rhein-Main werden für alle, die sich mit dem modernen Siedlungsund Städtebau in Praxis und Forschung beschäftigen. www.frankfurt-university.de European Prize for Architecture 2018 Der russisch-deutsche Architekt Sergei Tchoban wurde mit dem „European Prize for Architecture“ ausgezeichnet, der jährlich durch das „Chicago Athenaeum: Museum of Architecture and Design“ und das „European Centre for Architecture Art Design and Urban Studies“ an einen europäischen Architekten vergeben wird. Er erhält die Aus-
Wohnraum der Nachkriegszeit Das Forschungslabor Nachkriegsmoderne versteht die Wohnsiedlungen der Jahre 1945–1975 als wichtige kulturelle,
Insbesondere in Ballungsräumen bieten Wohnsiedlungen aus der Nachkriegszeit dringend benötigten günstigen und qualitativ hochwertigen Wohnraum (Foto: Maren Harnack)
soziale, wirtschaftliche, architektonische und städtebauliche Ressource. Auf dieser Grundlage will es die besten Strategien für deren Weiterentwicklung und für das Weiterbauen entwickeln und kommunizieren. Das Forschungslabor soll erste Anlaufstelle in der Region
Sergei Tchoban (Foto: © Holger Talinski)
zeichnung für seine „kraftvollen Projekte und seine einzigartige Designvision“, aber auch für sein Werk als Zeichner. Seine Gebäude seien „internationale Ikonen, komplex, rätselhaft, provokativ und tief künstlerisch“. Mit der Wanderausstellung „Sergei Tchoban: Visionary Architect“ ehrt ihn das Chicago Athenaeum im Contemporary Space Athen. www.chi-athenaeum.org
Installation von Victor Papanek (Foto: © Vitra Design Museum, Norbert Miguletz)
Victor Papanek: The Politics of Design Mit dieser Ausstellung präsentiert das Vitra Design Museum in Weil am Rhein bis zum 10.3.2019 eine Retrospektive über den Designer, Autor und Aktivisten Victor J. Papanek (1923–1998), einen der seit den 1960er Jahren wichtigsten Vordenker eines sozial und ökologisch orientierten Designansatzes. Sein Schlüsselwerk „Design for the Real World“ aus dem Jahr 1971 gilt bis heute als das meistgelesene Buch über Design, das jemals veröffentlicht worden ist, ein Plädoyer für Inklusion, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Die Ausstellung umfasst Zeichnungen, Objekte, Filmdokumente, Manuskripte und Druckgrafik und ergänzend Werke von Zeitgenossen wie George Nelson, Richard Buckminster Fuller, Marshall McLuhan und der Radical-DesignInitiative „Global Tools“. www.design-museum.de
SYSTEX X ACTIVE FIREPROTECT
NICHT BRENNBARES TAPETENSYSTEM FÜR INNOVATIVEN BRANDSCHUTZ IHRE VORTEILE
7
Zertifiziertes System (Kleber / Tapete) Brandklasse A2-s1, d0 (DIN EN 13501-1 (2010)) Erfüllt Forderung der Landesbauordnung nach nicht brennbaren Wandbelägen für Fluchtwege! Jährliche Überwachung durch unabhängiges Prüfinstitut Zum Patent angemeldet
systexx@vitrulan.com I www.systexx.com SYSTEXX by Vitrulan ist eine Marke von Vitrulan Textile Glass GmbH
8
wirtschaft + recht
BAUKULTUR 6_2018
§§ Die in Berlin, München, Frankfurt und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien-, Bau- sowie das Vergaberecht.
NEUES AUS DEM... ......aus dem Bau- und Architektenrecht
...Vergaberecht
Schadensersatz bei Überschreitung der Kostenobergrenze
Ausschluss eines Bieters wegen schlechter Erfahrungen
Die Einhaltung von vertraglichen Kostenobergrenzen kann den Architekten vor Probleme stellen, zumal die Höhe der tatsächlichen Kosten nicht ausschließlich von seiner Planung, sondern auch von der Marktlage bei Ausschreibung und Vergabe abhängt, die von ihm nicht beeinflusst werden kann. Das Kammergericht Berlin hat nun in einer erwähnenswerten Entscheidung zur Frage der Schadensersatzpflicht bei Überschreitung vertraglicher Kostenobergrenzen im Rahmen der Architektenleistungen Stellung bezogen.
Machen öffentliche Auftraggeber bei der Durchführung öffentlicher Aufträge schlechte Erfahrungen mit den Auftragnehmern, stellt sich die Frage, ob die entsprechenden Unternehmen im nächsten Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können. Nach dem Gesetzeswortlaut von § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB ist dies möglich, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei einem früheren öffentlichen Auftrag erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat.
In seiner Entscheidung vom 28.08.2018 unter dem Aktenzeichen 21 U 24/16 hat das Kammergericht das Vorliegen eines Mangels und damit einen Schadensersatz in Höhe der Kostenüberschreitung mit der Begründung abgelehnt, dass die vereinbarte Kostengrenze keine Beschaffenheitsvereinbarung sei, von der aufgrund der Kostenüberschreitung abgewichen werde. Eine Beschaffenheitsvereinbarung könne sich nur auf eine Eigenschaft beziehen, die dem herzustellenden Werk selbst anhafte, so z. B. die Verwendung bestimmter Materialien oder die Bauweise. Die Entscheidung sollte jedoch nicht missverstanden werden. Eine vertragliche Kostenobergrenze bringt nämlich auch nach Ansicht des Kammergerichts sehr wohl Pflichten für die konkreten Handlungen des Architekten mit sich. So muss der Architekt z. B. bei der Auswahl von Materialien immer das günstigere, dem Budget entsprechende Material wählen, ansonsten macht er sich, auch nach Ansicht des Kammergerichts, schadensersatzpflichtig. Aus Sicht der Architekten ist festzuhalten, dass die Pflicht, kostensparend zu planen, in keinem Fall entfällt. Es bleibt abzuwarten, ob und wie der BGH die Frage nach dem Schadensersatz in Höhe einer gegebenenfalls vorliegenden Kostenüberschreitung entscheidet. Rechtsanwalt Milan Meixelsberger
Die Vorschrift bereitet schon wegen der Vielzahl der in ihr enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung. Zudem ist fraglich, welche Anforderungen an den Nachweis der erheblichen oder fortdauernden Schlechterfüllung zu stellen sind und inwieweit die Beurteilung der Vergabestelle insoweit einer Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen unterliegt. Die VK Baden-Württemberg hat dazu entschieden (Beschluss vom 24.01.2018 - 1 VK 54/17), dass ein Ausschluss vom Vergabeverfahren wegen früherer Schlechtleistung vor dem Abschluss eines Zivilrechtsstreits darüber möglich sei. Danach genügten Indiztatsachen von einigem Gewicht, die die Entscheidung des Auftraggebers als nachvollziehbar erscheinen lassen, um den erforderlichen Nachweis zu erbringen. Dem Auftraggeber stehe ein Ausschlussermessen zu, in dessen Ausübung andere ordnungsgemäß ausgeführte Aufträge (positive Referenzen) durchaus zurücktreten können. Auch wenn die Vergabekammer den Auftraggeber stärkt, sollte die Entscheidung auf keinen Fall als „Blankoscheck“ für Ausschlüsse wegen nicht zufriedenstellender Auftragsausführungen erfasst werden. Die Entscheidung über den Ausschluss eines Bieters bedarf einer umfassenden Abwägung im Einzelfall. Insbesondere sollte sorgfältig geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB vorliegen. Nur dann kommt ein Ausschluss überhaupt in Betracht. Auch ist eine hinreichende und ordnungsgemäße Dokumentation des gesamten Vorgangs unerlässlich. Fehlt eine solche Darlegung, kann bereits dies einen Ermessensfehler darstellen, der einem Nachprüfungsantrag zu Erfolg verhelfen kann. Rechtsanwalt Fin Winkelmann, LL.M.
Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe, Tel.: 030–880331–231, Fax: 030–880331–100, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May, Tel.: 089–29050–231, Fax: 089–29050–290, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de
kolumne
BAUKULTUR 6_2018
9
ALTES ERHALTEN, NEUES SCHAFFEN Umbauen ist oft herausfordernder als neu bauen, lohnt sich aber in vielerlei Hinsicht. Erstens ist Umbauen nachhaltig: Gegenüber dem Neubau hilft der Umbau, Ressourcen einzusparen, und er beugt neuem Flächenverbrauch und Zersiedelung vor. Zweitens hat die Weiterentwicklung des Bestands eine starke soziale und gesellschaftliche Dimension: Bestandsbauten prägen Orts- und Landschaftsbilder und stiften Identität und Heimat. Nicht zu vergessen ist drittens die gestalterische Innovationskraft des Umbauens: Die Kombination aus Altem und Neuem kann eine gelungene neue Architektursprache hervorbringen – und dadurch ihre Umgebung baukulturell bereichern. Der Titel des Heftes, das Sie in Händen halten, macht es noch mal deutlich: Umbaukultur hat Konjunktur. Und ein Blick auf die Statistik zeigt, dass heute bereits zwei Drittel aller Bauinvestitionen in Deutschland in den Bestand fließen, Tendenz steigend. Grund genug für die Bundesstiftung Baukultur, sich diesem Thema intensiv zu widmen. Am 7.11.2018 legt sie den Baukulturbericht 2018/19 „Erbe – Bestand – Zukunft“ beim Konvent der Baukultur in Potsdam vor. Der Bericht thematisiert die Bedeutung des gebauten Bestandes und eine damit verbundene, verantwortungsvolle Umbaukultur. Im Zentrum steht die Frage: Welchen Gebäudebestand haben wir derzeit
Gebäudebestand bis 2030 alt und neu Laut Schätzung Bundesstiftung Baukultur Quelle: BDA NRW 2016; BBSR 2016; Wuppertal Institut 2017; Destatis 2017
ca. 8 % geschätzte Anzahl fertiggestellter Neubauten 2017–2030
3% Denkmale
Gebäudebestand am 31.12.2016
59 %
Alltagsbauten
30 %
eigentlich? Wie ist die Qualität dieses Erbes? Und wie führen wir es verantwortungsvoll in die Zukunft? Der heutige Bestand setzt sich zusammen aus rund zwei Dritteln Alltagsbauten, lediglich 3 % sind Baudenkmale und 30 % ortsbildprägende, besonders erhaltenswerte Bausubstanz. Mehr als 90 % dieser heute bestehenden Bauten werden laut einer Schätzung der Bundesstiftung Baukultur noch im Jahr 2030 existieren. Die Frage ist, was und in welchem Zustand wir künftigen Generationen hinterlassen: Während Baudenkmale aus unterschiedlichen Gründen Kulturgut sind – nicht unbedingt wegen ihres Aussehens oder ihrer Schönheit –, sind gerade die ortsbildprägenden, besonders erhaltenswerten Gebäude meist Richtschnur für gute und angemessene Gestaltung. Hierauf kann und muss sich die Stadtbildpflege in ihrer Arbeit beziehen. Aber auch in den Alltagsarchitekturen liegen große gestalterische, ökonomische und ökologische Potentiale. Jede Familie, die sich gegen das gesichtslose Neubaugebiet und stattdessen für den Umbau eines vorhandenen Hauses in gewachsenen Strukturen entscheidet,
besonders erhaltenswerte Bauten
links Der heutige Gebäudebestand setzt sich zusammen aus rund zwei Dritteln Alltagsbauten (Grafik: © Bundesstiftung Baukultur, Erfurth Kluger Infografik GBR)
setzt ein wichtiges Zeichen für mehr Nachhaltigkeit im Sinne der Baukultur. Baukindergeld gibt es übrigens auch im Bestand. Kreative, manchmal unkonventionelle Neu- oder Umnutzungen mit entsprechendem Umbau verhelfen alten, charaktervollen Bauten zu neuem Leben. Eine der großen Aufgaben für eine erfolgreiche Umbaukultur liegt in der Zusammenführung der vielen daran beteiligten Disziplinen. Bauvorhaben werden immer komplexer, etwa durch die Vielzahl an Normen und technischen Anforderungen. Dadurch steigt der Bedarf an moderierten Abläufen, an einem Wissenstransfer zwischen Experten und an der Vermittlung zwischen den Beteiligten. Neben relevanten Einflussfaktoren für eine erfolgreiche Umbaukultur zeigt der Baukulturbericht beispielhaft gelungene Umbauprojekte aus ganz Deutschland. Ergebnisse aus Kommunal- und Bevölkerungsumfragen liefern Fakten zur aktuellen Stimmungslage, etwa zur Umnutzung von Kirchen und zur Akzeptanz und Wertschätzung von Baudenkmalen. Als Handreichung bietet der Baukulturbericht Empfehlungen für die Praxis, die sich an Akteure aus Politik, Verwaltung, Planung und Bauwirtschaft richten. Den Baukulturbericht können Sie bei der Bundesstiftung Baukultur bestellen oder ab dem 7.11.2018 auf der Web-Seite der Bundesstiftung herunterladen. Sabrina Ginter www.bundesstiftung-baukultur.de
10
DAI aktuell
BAUKULTUR 6_2018
DAI TAG 2018 IN LEIPZIG RÜCKBLICK (Alle Fotos: © Juhani Karanka | fin-ger.com)
DAI Mitgliederversammlung mit Gründung des AIV Leipzig
Gründungsmitglieder des AIV Leipzig
Dieter Pommer, Stifter des Max-Pommer-Preises (links), und DAI Präsident Prof. Christian Baumgart (rechts)
Festveranstaltung im Grassi Museum in Leipzig
Verleihung des Großen DAI Preises für Baukultur (v.l.n.r.): Reiner Nagel, Prof. Christian Baumgart, Ansgar Schulz, Benedikt Schulz, Gunther Adler
Verleihung des Großen DAI Preises für Baukultur 2018
Laudatio von Prof. Dr. Annette Menting
Lust auf die ganze BAUKULTUR?