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Südtiroler Profis erneuern Sekundärtechnik

Foto: Pixabay Die komplette Sekundärtechnik des Schweizer Traditionskraftwerks Sils wurde von der Südtiroler Troyer AG erneuert.

Die Schaltschränke wurden in der firmeneigenen Elektro-Werkstätte in Sterzing vorgefertigt.

SÜDTIROLER WASSERKRAFTPROFIS ERNEUERN SEKUNDÄRTECHNIK AM KRAFTWERK SILS

Die bestehende Steuer- und Schutztechnik des Bündner Traditionskraftwerks Sils – einer Teilanlage der ewz-Kraftwerke Mittelbünden – entsprach seit einigen Jahren nicht mehr dem Stand der Technik. Es war an der Zeit, die gesamte Sekundärtechnik auf neue Beine zu stellen. Bereits gegen Ende 2020 erhielt die Troyer AG in Sterzing den entsprechenden Auftrag. Ein Auftrag, der bedingt durch viele unveränderbare Kabelwege in dem bestehenden Gebäude sowie die erforderliche Koordination der unzähligen Schnittstellen mit der Primärtechnik einige Herausforderungen mit sich brachte. Mit Ende Februar dieses Jahres waren die wesentlichen Arbeiten abgeschlossen, die neue Sekundärtechnik bewährt sich bereits im täglichen Kraftwerksbetrieb.

Sowohl ihre geschichtliche als auch die elektrizitätswirtschaftliche Bedeutung des Kraftwerks Sils für den Kanton Graubünden und die Elektrizitätswerk Zürich AG – ewz – ist hoch. Seit 1909 wird Strom aus der Albula gewonnen, damals wurde er über eine 140 km lange 47 kV-Hochspannungsleitung nach Zürich transportiert. Das Kraftwerk Sils ist heute Teil der Kraftwerksgruppe Mittelbünden, einem Kraftwerksverbund im Domleschg, der insgesamt aus sechs Kraftwerken und vier Stauseen besteht. Die dreistufige Kraftwerksgruppe mit einer Gesamtleistungskapazität von 226,4 MW gehört zum Kraftwerkspark der ewz. Im Durchschnitt liefert die Kraftwerksgruppe Mittelbünden im Jahr rund 750 GWh sauberen Strom. Davon steuert die Traditionsanlage Sils rund 102 GWh bei. Das elektromaschinelle Herz des Kraftwerks besteht aus zwei vertikalen Francis-Turbinen, die jeweils auf eine Nennleistung von 13 MW ausgelegt sind. Darüber hinaus kommt dem Kraftwerk Sils noch eine übergeordnete Bedeutung zu: In Sils befindet sich die Leitstelle aller Kraftwerke des ewz. Hier laufen alle Fäden für die Steuerung der Kraftwerke zusammen.

GEORDNETER RÜCKBAU GEBOTEN Doch das Kraftwerk befand sich zuletzt nicht mehr auf dem Letztstand der Wasserkrafttechnik. Vor allem die Sekundärtechnik, also die Steuer- und Schutztechnik für die beiden Maschinensätze sowie für Kühlwasser- und Generatorschaltanlage sowie für den Transformator, waren zu erneuern. Der Auftrag darüber ging an die Troyer AG, „Die alte Steuerung, Klemmen, die bestehenden Rangierverteiler, alte und nicht mehr benutzte Fernwirksysteme galt es abzubauen und zu

Foto: Troyer

Foto: Pixabay

Trotz eines hohen Arbeitsaufwands ist es dem Team der Troyer AG gelungen, die Modernisierung der Sekundärtechnik rund 5 Wochen vor dem geplanten Übergabetermin fertigzustellen.

Foto: Troyer Circa 3,6 Kilometer Kabel wurden im Zuge der Erneuerung der Sekundärtechnik verlegt.

entsorgen. Hinzu kamen noch alte Schutzgeräte und die Klemmen in den Mittelspannungsfeldern inklusive der internen Zellenverdrahtung“, fasst Pirmin Schneider, Projektleiter von der Troyer Suisse AG den Demontage-Aufwand zusammen. Er betont, dass man viel Wert auf einen sehr geordneten Rückbau gelegt habe, bei dem es zu keinerlei Beschädigungen der bestehenden Infrastruktur kommt. Zudem war eine lückenlose Dokumentation der Demontagen durch die Elektrobauleitung gefordert. Anfang Oktober konnte das Team der E-Technik Abteilung der Troyer AG mit den Demontagearbeiten in Sils loslegen.

KOMPLEXES SEKUNDÄRTECHNIK-PAKET Die Vorarbeiteten für das Projekt waren allerdings schon Monate zuvor im Gange. „Wir erhielten die ersten Elektro-Schemata von der ewz Ende Mai 2021. Auf dieser Basis bestellte die Troyer AG das erforderliche Material und begann dann mit dem Bau der neuen Schaltschränke in der firmeneigenen Elektrowerkstatt in Sterzing“, erzählt Pirmin Schneider. Insgesamt umfasste der Auftrag für das Sterzinger Familienunternehmen neben der Demontage der alten Installationen und dem Bau und Montage der neuen Schaltschränke auch das Ersetzen der bestehenden Reihenklemmen durch Trennklemmen, das Ersetzen der Kabeln für die beiden Maschinengruppen und deren Hilfsbetriebe, den neuen Aufbau der Niederspannungsabteile in der Mittelspannungs-Schaltanlage sowie die Prüfprotokolle für die Schaltschränke, die erforderlichen Sicherheitsnachweise und diverse Isolationsmessungen. „Grundsätzlich gab es bei zahlreichen Komponenten Abklärungsbedarf mit dem Kunden. Dabei ging es im Wesentlichen darum, welche Bauteile bestellt und eingebaut werden mussten. Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten, bei denen wir auch für die gesamte Leittechnik und die Inbetriebnahme verantwortlich waren, nahmen wir nur die Erneuerung der Sekundärtechnik vor. Die Inbetriebnahme wurde wieder vom Personal der ewz durchgeführt“, schränkt Pirmin Schneider ein.

REVISION VON KRAFTWERKSKOMPONENTEN Während es für die Sekundärtechnik des Kraftwerks einen totalen Neustart setzen sollte, blieb dessen Primärtechnik im Zuge der umfangreichen Modernisierungsarbeiten

Foto: Troyer Nach dem geordneten Rückbau der bestehenden Strukturen konnten die E-Technik-Spezialisten der Troyer AG mit der Neuverkabelung beginnen.

Foto: Troyer In der bestehenden Mittelspannungsschaltanlage wurden die Niederspannungsabteile komplett neu aufgebaut.

größtenteils erhalten. Sie wurde während der Betriebsunterbrechung vom Betreiber selbst revidiert. Auch Teile der Turbinen wurden einer Revision unterzogen. So wurden etwa einige elektrische Pumpenmotoren saniert, und die Rotoren und Statoren in einer externen Wicklerei neu gewickelt. Zudem wurden die beiden Erregermaschinen am oberen Ende der Generatorwellen durch die Gebrüder Maier AG demontiert und in deren Werkstatt generalüberholt. Außerdem wurde die Steuerung erneuert, sie wurde durch ein modernes Sicam-System von Siemens ersetzt. Generell nutzte der Betreiber die Sanierungsphase, um das Traditionskraftwerk auf den Letztstand der Technik zu bringen.

JEDE EINZELNE KABELADER GEPRÜFT Aber gerade Sanierungen, Refurbishment und Modernisierung an älteren Anlagen bergen Tücken und Herausforderungen, die bei Neuanlagen kaum eine Rolle spielen. Konkret braucht es Erfahrung und Know-how, die Sekundärtechnik in einem älteren, mehrstöckigen Gebäude zu erneuern, in dem es viele Doppelböden und viele unabänderliche Kabelwege gibt. Schließlich soll an der baulichen Struktur nichts verändert werden. Hinzu kommt eine höchst aufwändige Koordination mit zig Schnittstellen zur Primärtechnik – den Turbinen, Generatoren und den Hilfsbetrieben, also Mittelspannungs-Schaltanlage, Kühlwassersystem, Transformatoren, Erregermaschinen und Generatorschaltern. „In den Elektro-Schemata und Funktionsbeschrieben können gar nicht alle relevanten Details erfasst werden. Gewisse Punkte müssen einfach vor Ort mit dem Betriebspersonal abgeklärt werden“, umreißt Pirmin Schneider diese zentrale Herausforderung und verweist noch auf eine weitere: „Einen enormen Aufwand bedeutete die Signalprüfung der Kabeladern. Damit der Betreiber bei der Inbetriebnahme möglichst keinen Verdrahtungsfehler bekommt, haben wir vor der Übergabe jede einzelne Kabelader elektrisch – also Punkt zu Punkt – geprüft. Da reden wir von Hunderten von Kabeladern“, so der Projektleiter.

FERTIGSTELLUNG VOR DER ZEIT Ein derartiger Auftrag bedeutet auch noch jede Menge Handarbeit. Schließlich wurden sämtliche Kabel von Hand in den bestehenden Kabelkanälen eingezogen. Am Ende waren es rund 3,6 Kilometer Kabel, wie Pirmin Schneider betont, die man für das Kraftwerk Sils verlegt hat. Gemäß Auftrag sollte die Übergabe der Sekundärtechnik von Maschine 1 am 11. Februar dieses Jahres erfolgen. Dank der professionellen Arbeit, dem hohen Engagement des E-Technik-Teams der Troyer AG und der ausgezeichneten Kooperation mit dem Bauherrn konnte selbige bereits am 2. Februar übergeben werden. Noch schneller ging es mit der Sekundärtechnik für Maschinensatz 2, die schon Ende Februar, exakt fünf Wochen vor dem vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin übergeben wurde. Den Grund dafür sieht Pirmin Schneider vor allem in der guten Zusammenarbeit mit der lokalen Elektroinstallationsfirma Gall Elektro AG: „Dank der engen Zusammenarbeit mit Gall Elektro hatten wir die Möglichkeit, fehlendes Material über Nacht beim schweizerischen Elektrogroßhändler beschaffen zu können. Somit entfielen Wartezeiten wegen fehlendem Material komplett. Und weil grundsätzlich ein sehr großes Personalaufgebot auf der Baustelle herrschte, konnte parallel permanent an Maschine 2 gearbeitet werden. Damit erklärt sich, warum diese über einen Monat früher als geplant an den Kunden übergeben werden konnte.“ Mittlerweile sind sämtliche Arbeiten abgeschlossen, lediglich die Dokumentationen werden fertiggestellt. Für das Traditionskraftwerk im Kraftwerksverbund Mittel- bünden stellt diese Modernisierung einen wichtigen Schritt dar, da er zweifellos die Betriebssicherheit dieses wichtigen Bündner Kraftwerks auf ein neues Level gebracht hat.

Im Zuge der Erneuerung der Sekundärtechnik wurden im Kraftwerk Sils auch wichtige Wartungs- und Sanierungsarbeiten durchgeführt.

Foto: Wikipedia_ jag9889

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