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Wasserkraft bleibt das wichtigste
Ein Blick auf die aktuellste Kraftwerksbaustelle der TIWAG: Kühtai II.
DIE WASSERKRAFT DER ALPEN BLEIBT DAS WICHTIGSTE INSTRUMENT ZUR FLEXIBILISIERUNG DER NETZE
Mit dem Green Deal hat die Europäische Union die Weichen für eine Transition unseres Energiesystems gestellt. Die Energie der Zukunft ist zweifellos erneuerbar. Das spiegelt sich auch im österreichischen EAG – Erneuerbaren Ausbau Gesetz wider, das eine bilanzielle Stromautonomie auf Basis 100 Prozent erneuerbarer Energie bis zum Jahr 2030 vorsieht. Doch dieser Umbau birgt gerade im Hinblick auf unsere Stromnetze einige Unwägbarkeiten und veritable Herausforderungen. Manche davon dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden. Im Interview geht der anerkannte Fachmann Dr. Peter Bauhofer, Leiter des Bereichs Energy Strategy and Efficiency bei der TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG, auf die wesentlichen Fragen ein.
zek: Das Ziel 100 Prozent Stromversorgung aus Erneuerbaren bis 2030 ist ambitioniert. Halten Sie es persönlich grundsätzlich für machbar? Bauhofer: Mit der Betonung auf „grundsätzlich“ durchaus. Aber da gibt es Parameter, die dafür und welche, die dagegensprechen: Dafür spricht sicher einmal, dass sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene die gesetzlichen Grundlagen dafür festgeschrieben sind und eine enorme Bereitschaft für große Investitionen in die Stromerzeugung aus Erneuerbaren gegeben ist. Darüber hinaus befeuert die Auswirkung des Ukraine-Kriegs diesen ohnehin äußerst ambitionierten Prozess zusätzlich. Das betrifft vor allem den forcierten Ausbau der hoch volatilen Quellen Windkraft und Photovoltaik. 27 TWh zusätzlicher erneuerbarer heimischer Strom bis 2030 ist übrigens erst der Beginn. Es gilt, die gesamte österreichische Energieversorgung in den kommenden 20 bis 30 Jahren zu dekarbonisieren. Dafür brauchen wir ab heute trotz bzw. gerade wegen ambitioniertester Energiesparmaßnahmen, die jeden einzelnen von uns betreffen, insgesamt mindestens zusätzliche 55 TWh an erneuerbarer heimischer Stromerzeugung. Das wäre ein Faktor 2 bis 3, und jede Kilowattstunde zählt. zek: Und was spricht dagegen? Bauhofer: Sicherlich das Thema Verfahrensdauer. Die Leidtragenden dabei sind Großwasserkraftbauten, Übertragungsnetzprojekte und große Vorhaben für PV und Windparks. Da kommt es zu massiven Verzögerungen. Wir haben nur noch acht Jahre Zeit für die Umsetzung von 27 TWh mehr Stromerzeugung. Aber für mich ist es nicht das Wichtigste, dieses Ziel termintreu in 2030 zu erreichen. zek: Warum nicht? Bauhofer: Für mich ist entscheidend, dass dieser Transitionsprozess jetzt konsequent an- gestoßen wurde und nun in umfassender Wirkung ordentlich Fahrt aufnimmt. Die EU-Pakete Fit-for-55 und Repower EU werden zudem stark beschleunigend wirken. Derzeit deutet für mich alles darauf hin, dass wir unser Ziel zwischen 2030 und 2035 erreichen werden. Da bin ich sehr optimistisch, wenn alle an einem Strang in derselben Richtung ziehen. Systemdenken ist hier unabdingbar. zek: Es braucht also keine weiteren Weichenstellungen der Politik? Bauhofer: Was das allgemeine Förderregime anbelangt: eher nicht. Allerdings würde ich mir wünschen, dass auch in Österreich ähnlich wie in der Schweiz der speicherfähigen Großwasserkraft das entsprechende Gewicht für die nationale Versorgungssicherheit zugeordnet wird und das heimische Potenzial genutzt wird. Ein wichtiger anderer Punkt wäre, dass die Politik Mittel und Wege findet, um die Verfahren wirksam zu beschleunigen. Dabei möchte ich aber betonen, dass damit keinerlei Qualitätseinbußen einhergehen dürfen. zek: Wie sehen Sie aktuell den Status Quo des Ausbaus in Österreich – auch im Vergleich mit unseren Nachbarn?
Die Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen werden in absehbarer Zukunft weiterhin den größten energiewirtschaftlichen Nutzen erbringen.
Bauhofer: Grundsätzlich starten wir in Österreich von einem hohen Niveau – unser Erneuerbaren Anteil in der Stromversorgung liegt aktuell bei rund 75 Prozent, was wir natürlich der Wasserkraft verdanken. Österreich und insbesondere Tirol haben seit jeher auf eine stark ökologisierte Stromversorgung gesetzt. Von einem noch verfügbaren technisch wirtschaftlichen Restpotenzial von grob 12 TWh sollen bis 2030 5 TWh realisiert werden. Mit diesen 75 Prozent sind wir EU-weit Spitzenreiter. Das ist übrigens in der Öffentlichkeit gar nicht so bekannt. Im Vergleich dazu liegt Deutschland etwa bei 45 Prozent. Allerdings zeigt die Ausbaukurve in Deutschland mittlerweile einen stark überproportionalen Anstieg. Das bedeutet, dass bei unseren nördlichen Nachbarn der Ausbaupfad bereits deutlich überschritten wurde. Das Problematische dabei ist, dass der Ausbau der Erneuerbaren schneller voranschreitet als der Netzausbau. Und das gilt jetzt nicht nur für Deutschland, sondern für das gesamteuropäische Stromnetz. zek: Von welchen Problemen sprechen wir? Spüren wir das aktuell schon? Bauhofer: Liest man die Reports der APG, liegt es auf der Hand: Schon heute haben wir immer öfter Netzengpässe auf der Transportebene – auch im deutschen Netz. Diese beginnen sich nun auf unterlagerten Spannungsebenen fortzusetzen und können zu Abregelungen wertvoller erneuerbarer Erzeugung führen. Bei großen Ringflüssen im europäischen Verbundsystem etwa kann es sogar zu Problemen bei der Versorgungssicherheit kommen. Diese werden im Wesentlichen durch die Windkraft in Norddeutschland ausgelöst und haben auch ihre Auswirkung in Österreich. Damit Ringflüsse nicht zu netzkritischen Faktoren werden, müssen kostenintensive Kompensationsmaßnahmen etwa durch Kraftwerkseinsätze getroffen werden. Wir fahren hierzulande also heute ab-
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schnittsweise schon Kraftwerkseinsätze am Anschlag und leben von den Reserven der Vergangenheit, die nun sukzessive aufgebraucht sind. zek: Worin liegt nun die Herausforderung im verstärkten Ausbau von PV und Wind? Bauhofer: Wenn man einseitig nur Photovoltaik und Wind forciert, der Netzausbau auf allen Spannungsebenen zurückbleibt und auch keine hocheffizienten Speichermöglichkeiten großtechnisch ausgebaut werden, ist mit Problemen bei der Systemstabilität und Versorgungssicherheit zu rechnen. Denn die erzeugte Energie aus Wind oder PV kann in momentanen Überschusszeiten dann nicht ausreichend abtransportiert oder gespeichert werden, um sie später wieder zur Verfügung zu haben. Daher braucht es eine konsequent integrierte Vorgangsweise mit Systemorientierung. zek: Integriert heißt? Bauhofer: Das heißt, dass der Ausbau innerhalb der volatileren Erneuerbaren abgestimmt und auch gemeinsam mit dem Netzausbau und der Speicherinfrastruktur erfolgen muss. Entweder-oder-Diskussionen sind hier völlig unangebracht. zek: Wie sieht denn die Stromverbrauchs-/ Stromerzeugungskurve für Österreich aus? Bauhofer: Sowohl der Verbrauch, als auch die Erzeugung schwanken stark in allen Zeitbereichen und dies nicht gleichzeitig. Die Kunst ist es nun, jederzeit Verbrauch und Erzeugung auszugleichen. Im Winter steigt der Verbrauch, in den Sommermonaten geht er bis auf etwa 60 Prozent zurück. Strom aus Wasserkraft hat im Tagesverlauf vergleichsweise einen glatten Verlauf, jener aus Windkraft und PV durchaus einen sehr dynamischen. PV steht in der Nacht und bei starkem Schneebelag überhaupt nicht zur Verfügung. Alle drei Erzeugungsarten haben überdies eine ausgeprägte saisonale Charakteristik: Wasserkraft und PV mehr im Sommer, Windkraft mehr in den Übergangszeiten. Damit bedient das natürliche Dargebot nur sehr bedingt den Strombedarf. Es entstehen in allen Zeitbereichen Überschüsse oder Deckungslücken – ein Delta, das ausgeglichen werden muss. Die größte technische Herausforderung ist dabei, möglichst verlustarm und kostengünstig die Energie vom Sommer in den Winter zu bringen. Eine Situation, die in etwa mit einem Getreidespeicher zu vergleichen ist: Ernte im Sommer, Bedarf mit Stoßzeiten ganzjährig. Daraus resultiert die Frage: Wie können wir den Überschussstrom aus den Sommermonaten in die kalte Jahreszeit transferieren, um möglichst energieautonom zu werden? zek: Wie geht das, wenn man davon ausgeht, dass sich in Zukunft an der Lastcharakteristik nicht allzu viel ändern wird? Bauhofer: Tatsächlich dürfte sich an der saisonalen Lastcharakteristik nicht allzu viel ändern, auch wenn sie künftig in kurzen Zeitbereichen über das Demand-Side-Management und Sektorkopplung beeinflussbarer wird. Aber das Erzeugungsvolumen im Sommer wird weiter deutlich nach oben gehen. Bislang wurde das Delta im Winter hauptsächlich durch thermische Kraftwerke, in Österreich im Wesentlichen durch Gaskraftwerke und Speicherkraftwerke ausgeglichen. Diese Option wird in absehbarer Zeit eingeschränkt werden: Kohleausstieg in Deutschland, möglicherweise auch eine neue Orientierung des Gaseinsatzes. In
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Wenn Sonne und Wind über große Regionen hinweg keine oder kaum Energie liefern, spricht man von der sogenannten „Dunkelflaute“ – ein wetterbedingter Zustand, der die Netze zunehmend in Bedrängnis bringt.
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Blick auf den Gepatschspeicher im hinteren Kaunertal. Er speist das Kaunertalkraftwerk der TIWAG in Prutz.
Zukunft rechnen wir für diese Flexibilisierung der Erzeugung einerseits mit einer insgesamt deutlich erhöhten Kraftwerkskapazität. Die installierte Turbinenleistung wird dafür leicht überproportional steigen müssen, die Leistung zur Rücknahme von Strom aus dem System deutlich überproportional (Pumpen, Batteriespeicher, Elektrolyseure, …). Die Deckung dieses enormen Bedarfs muss bereits jetzt konsequent unter Anwendung aller technischen Möglichkeiten vorbereitet werden. zek: Wie können wir es denn schaffen, die Wind- und PV-Spitzen und den Stromüberschuss aus den Sommermonaten rauszubekommen und quasi saisonal zu verschieben? Bauhofer: Die Spitzen kann man technisch über mehrere Wege abfedern. Der bei uns geläufigste und am besten bewährte funktioniert über unsere Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke. Bei Stromüberschuss von Wind und PV nehmen Speicherkraftwerke die Erzeugung zurück und die Pumpspeicherkraftwerke pumpen Wasser. Beide speichern damit die Lageenergie des Wassers. Zum späteren Zeitpunkt des Bedarfs erzeugen sie Strom und gleichen wirksam das Delta aus. Das kann stunden-, wochenweise, oder eben saisonal passieren. Unsere großen Speicherkraftwerke und eine Reihe von Pumpspeicherkraftwerken in Tirol, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg sind in der Regel als Saisonalspeicher ausgelegt. Sie verlagern die Energie vom Sommer auch in den Winter. Der aktuelle Ausbau des Kraftwerkes Kühtai bedient etwa diesen enormen künftigen Bedarf nicht nur an installierter Leistung (GW) sondern auch an Energiespeicherkapazität (TWh). zek: Werden wir in Zukunft in dieser Hinsicht das Auslangen mit den Pumpspeicherkraftwerken finden? Bauhofer: Nein, in Zukunft wird es zunehmend wichtiger werden, dass die entstehenden Ungleichgewichte auch dezentral über Lastmanagement, Sektorkopplung und Batteriespeicheranlagen abgefedert werden, und die Gaskraftwerke weiterhin substanziell ihren Beitrag leisten. Essentiell für dezentrale Anlagen ist im Sinn des Gesamtnutzens, dass diese in Masse nicht alleine und nach dem Eigenoptimierungsbedarf des Besitzers betrieben werden. Vielmehr müssen wir sie ins Gesamtsystem integrieren. zek: Wo sehen Sie die Herausforderung bei willkürlich betriebenen dezentralen Speichern? Bauhofer: Untersuchungen belegen, dass dezentrale Speicher auch gegenteilige Effekte zeitigen können, wenn sie in großer Anzahl dem momentanen Bedarf zur Systemstabilisierung entgegenlaufen. Das heißt, wenn alle gleichzeitig z.B. gerade laden, wenn das System insgesamt einen Strommangel hat oder diese steile Rampen verursachen, wenn das System gerade eine Beruhigung benötigt. Bei einer Rampe steigt oder fällt der Leistungswert von einer Stunde auf die nächste unter Umständen extrem steil. Derartige Effekte können auch andere Technologien und Anwendungen auslösen. zek: Was ist also die technische Antwort darauf? Bauhofer: Wir brauchen für diesen Zweck in Zukunft Flexibilisierungstechnologien, die sehr zuverlässig, sehr rasch und skalierbar auf Änderungen reagieren können. Ein Dampfkraftwerk ist langsam, ein Gaskraftwerk schneller, aber es kann nicht mit der Geschwindigkeit eines modernen Pumpspeicherkraftwerks mithalten. Auch brauchen wir diese hohe Flexibilität jederzeit in beiden Energieflussrichtungen. zek: Bei Speicheranlagen geht Energie verloren. Wie ist es um die Wirkungsgrade der gängigen Technologien bestellt? Bauhofer: ‚Efficiency first‘ ist tatsächlich ein wichtiges Thema. Bei modernen Pumpspeicherkraftwerken liegt der Zyklus-Wirkungsgrad bei ungefähr 80 Prozent. Bei der Sektorkopplung mit Power2Gas-Anlagen kommen wir heute auf Zyklus-Wirkungsgrade von maximal 30 %, wenn wir den ganzen Weg vom Elektrolyseur bis zur Verstromung in einem Gaskraftwerk kalkulieren. Das heißt im Klartext: Wenn die Verluste in diesem Umwandlungsbereich nicht unverhältnismäßig hoch werden sollen, braucht es noch enorme technische Fortschritte, weil diese Anwendung mittel- bis langfristig eine bedeutende Rolle spielen wird. zek: Ganz naiv gefragt: Gleichen sich Spitzen und Täler in einem großen europäischen „Stromsee“ nicht irgendwie aus? Bauhofer: Das wäre für eine zukunftstaugliche Systemplanung ein gefährlicher Trugschluss. Denn heute schaffen Großwetterlagen europaweit immer wieder sehr vergleichbare Erzeugungsverhältnisse, auch über ausgedehnte Regionen – denken Sie an die berühmte „kalte Dunkelflaute“ – also kein Wind und keine Sonne ungünstigerweise in der kalten Jahreszeit. Gerade durch den Klimawandel werden
Foto: Rainer Sturm_pixelio.de Schon heute haben wir immer öfter Netzengpässe auf der Transportebene.
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Das neue Rellswerk der Vorarlberger Illwerke vkw gilt als eine der modernsten Pumpspeicheranlagen Österreichs. Das technische Herz besteht aus einer 3-stufigen Pumpturbine aus dem Hause Voith Hydro.
diese Phänomene eher häufiger. In diesem Fall ist es schnell vorbei mit dem überregionalen Ausgleich. Da dürfen wir uns nicht in Sicherheit wiegen. Auch wird jedes Land enorme Anstrengungen unternehmen müssen, nicht nur den Entfall der Erzeugung sondern auch den Flexibilitätsbeitrag der Kohlekraftwerke nicht nur wirksam zu ersetzen sondern mit Alternativen CO2-frei zu erhöhen. zek: Haben Atomkraftwerke daher auch weiterhin ihre Existenzberechtigung? Bauhofer: Ich halte es für illusorisch, dass wir in absehbarer Zeit ohne Atomkraft in Europa auskommen werden. Frankreich hat seine Strategie diesbezüglich klar festgelegt. Man muss wertfrei sagen: Die bestehende Atomkraft hat zweifellos zumindest für einen Übergangszeitraum eine stabilisierende Wirkung auf die europäische Stromversorgung. zek: Also hat die Pumpspeicherkraft immer noch den größten energiewirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen, oder? Bauhofer: Ja, auf alle Fälle. Im Sinne einer effizienten Energieanwendung und Ressourcennutzung muss das Generalziel lauten, die hocheffiziente Wasserkraft nach allen Möglichkeiten umweltfreundlich auszubauen, diese aber Zug um Zug um andere Technologien zu ergänzen. zek: Österreich hat den großen Vorteil, seine Flexibilisierung über Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke zu bewerkstelligen. Wie machen das andere Länder, wie etwa Deutschland? Bauhofer: Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir auch längerfristig ein paneuropäisches Stromsystem haben werden, in dem ein grenzüberschreitender Austausch erfolgt. Aber dennoch wird es geboten sein, dass jedes Land bilanziell seinen Eigenbedarf decken kann – und auch seinen Flexibilisierungsbedarf. Wenn künftig die fossilen Kraftwerke in der Erzeugung reduziert werden, bleibt im Wesentlichen die Wasserkraft als große kalkulierbare Einheit übrig. Auch in Deutschland strebt man daher einen beträchtlichen Ausbau der Pumpspeicheranlagen an. Ich verweise hier auf den neuen Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber. Darüber hinaus setzt vor allem Norddeutschland stark auf den Beitrag der norwegischen Speicherkraftwerke. Die nötigen Seekabelverbindungen dafür entstehen gerade. Der Nachteil Deutschlands liegt dabei aber in der Topographie. Die Anlagen in den Mittelgebirgslagen, können in der Regel keine größeren Fallhöhen als etwa 300 Meter nutzen und weisen auch nur vergleichsweise geringe Speicherinhalte auf. Das bedeutet in weiterer Konsequenz, dass diese Anlagen nur der kurz- und mittelfristigen Flexibilisierung dienen, aber keinen saisonalen Ausgleich schaffen können. So wie das bei den Anlagen in Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien aber auch auf der iberischen Halbinsel und dem Balkan der Fall ist. Und diese haben noch einen weiteren Vorteil. zek: Der wäre? Bauhofer: In den Alpen verfügen so gut wie alle Pumpspeicher über bedeutende natürliche Zuflüsse. Das verbreitert die Einsatzmöglichkeiten dieser Kraftwerke enorm. Sie können damit zusätzlichen erneuerbaren Strom erzeugen – und zwar genau dann, wenn man ihn braucht. Dieser Effekt wird überdies durch nachfolgende Wasserkraftkaskaden verstärkt. Diesen Vorteil haben die Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland in der Regel nicht, die von ihrem Prinzip her „Wälzwerke“ sind. In Österreich macht die Erzeugung aus den natürlichen Zuflüssen von PSKW und SKW knapp 10 Prozent der gesamten Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie aus. zek: Welchen Vorteil der Wasserkraft gegenüber den anderen, volatileren erneuerbaren Energien würden Sie noch herausstreichen? Bauhofer: Da gibt es schon ein paar. Aber einer, der in der Öffentlichkeit nicht so bekannt ist, betrifft die bewusst eingesetzte Passivität der Anlagen. Das heißt, dass man mit einem Speicherkraftwerk die Möglichkeit hat, in Zeiten des Erzeugungsüberschusses aus Windkraft und PV weniger oder keinen Strom zu produzieren. Die Turbinen sind weniger eingesetzt oder stehen still. Das funktioniert bei Wind und PV so nicht: Man kann die Primärenergie weder bei PV-Anlagen (solare Strahlung) noch bei Windrädern (Windströmung) speichern, man kann sie nur abregeln. Wertvolle Energie geht damit verloren, die wir später dringend benötigen. Auf diese Weise speichert die Wasserkraft verlustfrei Primärenergie zugunsten der anderen Erzeugungsarten. Ein einfacher Effekt, aber ein massiver Vorteil. zek: Haben wir Möglichkeiten, die Pumpspeicher in Österreich weiter auszubauen? Bauhofer: Technisch durchaus. Um die geplanten Projekte umsetzen zu können, braucht es zur Sicherung unserer Energieversorgung das Augenmaß von allen Akteuren und Stakeholdern. Österreich hat eine der strengsten Umweltgesetzgebungen in Europa überhaupt. Diese schließt zum Beispiel den Bau von Anlagen zur Stromerzeugung und -speicherung jeglicher Technologie in sensiblen Gebieten a priori aus. Wo es möglich ist, leisten wir sogar für den Naturerhalt oder für Ersatzmaßnahmen mehr, als von der Behörde vorgeschrieben wird. Das Schöne ist, dass in Österreich immer noch eine sehr positive Stimmung der Bevölkerung gegenüber der Wasserkraft herrscht. Heute sind es eher Interessensgruppierungen, die sich gegebenenfalls negativ artikulieren. Wasserkraft macht unsere Energiewende sicher. zek: Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: Bauhofer
Dr. Peter Bauhofer, Leiter des Bereichs Energy Strategy and Efficiency bei der TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG