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Wehranlage Ovella als Nagelprobe für erfahrene Stahlwasserbauer
GROSSPROJEKT GKI: WEHRANLAGE OVELLA ALS NAGELPROBE FÜR ERFAHRENE STAHLWASSERBAUER
Seit circa acht Jahren wird am Gemeinschaftskraftwerk Inn, kurz GKI, im österreichisch-schweizerischen Grenzgebiet gearbeitet. Der Bau der Anlage wurde nicht nur aufgrund der hohen technischen Finessen zu einer Herausforderung, sondern auch aufgrund der zum Teil beengten Platzverhältnisse sowie diverser, unvorhergesehener Naturereignisse, wie Steinschlag und einem Lawinenabgang, welche zu entsprechenden Verzögerungen im Baufortschritt führten. Dieser Herausforderung mussten sich auch die erfahrenen Stahlwasserbauer der Firma Künz stellen. Das Vorarlberger Traditionsunternehmen zeichnet für die Ausrüstung der zugehörigen Wehranlage Ovella verantwortlich, es liefert dafür zwei Staubalken-Wehrverschlusssysteme mit je einem Drucksegment und einer Wehrklappe, die in Zukunft eine geregelte Abfuhr von bis zu 2 x 170 m³/s sicherstellen. Im Sommer dieses Jahres erfolgt der erste Aufstau und die Inbetriebnahme der Wehranlage.
Fotos und Grafik: Künz
An der Wehranlage Ovella des Gemeinschaftskraftwerks Inn stellte einmal mehr der Stahlwasserbauspezialist Künz seine Kompetenz unter Beweis. Die Arbeiten an der Wehranlage sollen diesen Herbst zum Abschluss kommen.
Bereits in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts tauchten erste Pläne auf, den Inn im österreich- schweizerischen Grenzgebiet für eine Kraftwerksnutzung heranzuziehen. Um regulatorische Rahmenbedingungen zu definieren, wurde 1952 eine Kommission zur Nutzung der gemeinsamen Innstrecke unter österreichischer und schweizerischer Beteiligung gebildet. 2006 kam es zur Gründung der Gemeinschaftskraftwerk Inn GmbH (GKI) und im folgenden Jahr zur Einreichung des Projekts bei den zuständigen Stellen der beteiligten Länder. Nach umfangreichen Prüfungen und Verfahren wurde das Projekt im Jahr 2013 schließlich genehmigt und 2014 der Baubeschluss gefasst. Noch dauern die Arbeiten an, sie werden aller Voraussicht nach aber im Herbst dieses Jahres weitestgehend abgeschlossen werden.
WEHRANLAGE OVELLA
Ein Kernbestandteil des Gemeinschaftskraftwerks Inn ist die unterhalb von Martina (GR) situierte Wehranlage, die mit Verschlussorganen der Firma Künz GmbH ausgerüstet wird. Durch den ca. 15 m hohen Aufstau des Inns bildet sich an dieser Stelle ein rund 2,6 km langer Stauraum, dessen Stauwurzel bis hin zur Innbrücke in Martina auf schweizerischem Staatsgebiet zurückreicht. Der Stauraum dient der Wasserfassung des Kraftwerks, einer Vergleichsmäßigung des Zuflusses, der Dämpfung des Schwalls aus dem Kraftwerksbetrieb der Oberlieger und der Sicherstellung einer Mindestdotation der Restwasserstrecke. Auf der orografisch rechten Seite der Wehranlage befindet sich der Einlauf zum 23 km langen, mit Tübbingen ausgekleideten Triebwasserstollen, durch welchen das Wasser unterirdisch zum Krafthaus in Prutz gelangt und dort die beiden 46 MW Maschinensätze antreibt. In den Wintermonaten wird am Wehr eine konstante, ökologisch angepasste Dotierwassermenge abgegeben. In der Sommerperiode sieht das dynamische Restwassermodell eine Anpassung der Restwassermenge an die natürlichen Zuflüsse im Inn vor. Je nach aktueller Abflusssituation im Oberlauf des Inn liegt in dieser Zeit die minimal garantierte Restwassermenge zwischen 10 und 20 m3/s, welche im zusätzlich errichteten Wehrkraftwerk abgearbeitet werden.
BESONDERE HERAUSFORDERUNGEN
Der anspruchsvolle Standort der Baustelle, eingeengt an der Talsohle zwischen beiderseits mehrere hundert Meter hohen felsdurchsetzten und lawinengefährdeten Flan-
Vorbereitung der Segmentmontage im Schutz der eigens angefertigten Dammtafel. • Betreiber: Gemeinschaftskraftwerk Inn GmbH • Ort: Martina im Engadin • Technische Ausführung: Staubalkenwehr mit zwei Wehrfeldern • Gewässer: Inn
Zahlen und Fakten zur Wehranlage Ovella:
• Auftraggeber: Gemeinschaftskraftwerk Inn GmbH • Anzahl Wehrverschlüsse: 2 Segmente und 2
Klappen • Max. Abfluss der Wehranlage: ca. 1,5 x HQ1000 • Voraussichtliche Inbetriebnahme: Sommer 2022
Isometrische Modellansicht von Künz aus der Sicht des Unterwassers. Die Grafik zeigt den Schnitt durch das linke Wehrfeld. Das Segment und die Klappe befinden sich in Staustellung. Technische Daten:
• 2 Wehrsegmente, 11,5 m Lichte Weite, 4.3 m Lichte Höhe, Belastung 13,8 mWS • 2 Wehrklappen, 11,5 m Lichte Weite, 4 m
Lichte Höhe, Belastung 4 mWS • 11 Stk. Dammbalken, 11,5 m Lichte Weite,
Bauhöhen von 2,1 bis 2,6 m • 1 Dammtafel, 11,5 m Lichte Weite, 5,8 m
Lichte Höhe, Belastung 5,8 mWS
ken war für die Künz GmbH eine der bisher herausforderndsten Baustellen im Stahlwasserbau. Das bestätigt auch Dipl.-Ing. Johannes Galehr, seit 2015 seitens Künz mit der Leitung des Projekts betraut: „Der alpine Standort mit seinen sehr beengten Platzverhältnissen stellte alle Beteiligten immer wieder vor anspruchsvolle Herausforderungen in der Projektabwicklung. Nicht vorhersehbare Naturereignisse führten dann sogar zu einer vorübergehenden Einstellung der Bauarbeiten. Für uns bedeutete dies, dass teils gravierende Anpassungen an den bestehenden Konzepten notwendig wurden.“ Künz bewies dabei nicht nur sein großes technisches Know-how, sondern auch beachtliche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
ZWEI WEHRFELDER FÜR OVELLA
In der ersten Bauphase wurde das Bauwerk der Wehranlage mit zwei Wehrfeldern in einer eigenen Baugrube hergestellt. Während dieser Zeit wurde der Inn rechtsufrig um die Baugrube umgeleitet. Anders als sonst üblich konnten aufgrund von Verzögerungen im Bauablauf, konkret einem Lawinenereignis, die Stahlwasserbaumontagen am Ende dieser Bauphase nicht komplett abgeschlossen werden, da im Sinne des Gesamtprojektfortschritts die Durchleitung des Inns vor der Verschlussmontage erfolgte. In dieser ersten Phase wurden jedoch alle Lagerungen, Armierungen und Panzerungen fertig eingebaut, sodass zumindest die Abdämmung mit Dammbalken einfach möglich sein sollte. Aufgrund weiterer Erschwernisse dauerte die Durchleitungsperiode jedoch wesentlich länger als ursprünglich geplant. Als Folge stellten sich einerseits umfangreiche Verlandungen im Tosbecken und andererseits Erosionen am Aufbeton ein. Um diesen neuen Gegebenheiten Herr zu werden, mussten unter anderem eine neue Dammtafel errichtet und das Montagekonzept erheblich angepasst werden. Im Schutze der Dammbalken bzw. Dammtafel erfolgte im Winter 21/22 die Montage der Segmentverschlüsse ohne weitere Schwierigkeiten, sodass die erneute Durchleitung rechtzeitig vor der Schneeschmelze erfolgen konnte.
ABSCHLUSS IN SICHT
Konkret handelt es sich bei den Verschlussorganen am Staubalkenwehr der Wehranlage Ovella um zwei Wehrsegmente mit darüber angeordneter Klappe. Dieses System ermöglicht bei voller Öffnung beider Wehrfelder die Abfuhr eines 1,5-fachen 1000-jährigen Hochwasserereignisses und bei gänzlicher Blockierung eines Wehrfeldes noch die Abfuhr eines HQ1000-Ereignisses. Die beiden Segmente sind auf eine Belastung von 13,8 m Wassersäule ausgelegt. Das gesamte System stellt somit das Rückgrat der hydraulischen Betriebssicherheit dar. Seit Anfang Mai laufen bereits die abschließenden Montagen der Wehrklappen sowie der gesamten Steuerungs- und Antriebstechnik, sie dauern noch bis in den August hin an. Damit wird Künz eines seiner anspruchsvollsten Stahlwasserbauprojekte dieser Größenordnung abschließen können. Seit 2015 haben die Harder Stahlwasserbauprofis an dem Projekt gearbeitet. Johannes Galehr resümiert: „Trotz all dieser Unwägbarkeiten konnten in sehr partnerschaftlicher Zusammenarbeit und mit viel Flexibilität bei allen Beteiligten zufriedenstellende Maßnahmen umgesetzt werden. Wir freuen uns nun – nach bald 8 Jahren Projektdauer – die Wehranlage Ovella diesen Sommer mit dem erstmaligen Aufstau des Wehrs erfolgreich in Betrieb nehmen zu können. Damit geht eine spannende und anspruchsvolle Bauphase an einem außergewöhnlichen Bauwerk für alle Beteiligten zu Ende.“