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Test für innovativen Fischleitrechen in der Praxis
Im Mai wurde mit dem Einbau des neuen Einlaufschütz die Abschlussphase der ökologischen Sanierung beim Kraftwerk Herrrentöbeli im Kanton St. Gallen eingeläutet. Wie sich der innovative Fischleitrechen bei seinem ersten Praxiseinsatz bewährt, wird ab August im Rahmen eines zweijährigen Monitorings überprüft.
Foto: SAK
SAK TESTET INNOVATIVEN FISCHLEITRECHEN BEIM KW HERRENTÖBELI ERSTMALS IN DER PRAXIS
Beim Wasserkraftwerk Herrentöbeli im Schweizer Kanton St. Gallen steht ein innovatives Sanierungsprojekt kurz vor dem Abschluss. In enger Zusammenarbeit mit der ETH Zürich (Eidgenössische Technische Hochschule) testet der Kraftwerksbetreiber SAK (St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG) bei der Anlage einen neuartigen Fischleitrechen erstmals unter Realbedingungen. Der neu entwickelte CBR-Rechen (Curved Bar Rack) zeichnet sich durch eine spezielle Stabkrümmung aus, die im Wasser Druckunterschiede erzeugt. Fische erkennen dies als Hindernis und schwimmen dem Rechen entlang zu einem sicheren Bypass Richtung Unterwasser. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesamt für Umwelt (BAfU) unterstützt und hat großes Potential zur Verbesserung des Fischschutzes. Wenn sich das System beim Kleinwasserkraftwerk Herrentöbeli bewährt, soll der CBR zukünftig auch bei größeren Wasserkraftwerken zum Einsatz kommen.
Erstmals in Betrieb genommen wurde das Wasserkraftwerk Herrentöbeli an der Thur im Jahr 1886, damals noch mit einer eher bescheidenen Maximalleistung von knapp 6 kW. Rund 60 Jahre später wurde das Kraftwerk in der Gemeinde Nesslau im Zuge einer Erweiterung auf ca. 160 kW Engpassleistung ausgebaut. 1981 ging die Anlage in den Besitz des Energieversorgers SAK über, der an dem Traditionsstandort zwischen 1989 und 1991 für eine komplette Erneuerung der veralteten Kraftwerkstechnik sorgte. Im Zuge des Umbaus wurde das Stauwehr um 2 m erhöht und zwei horizontal durchströmte Kaplan-Turbinen mit einer Engpassleistung von jeweils 420 kW installiert. 30 Jahre nach der Erneuerung begannen die Betreiber im Herbst 2021 mit einem ökologischen Sanierungsprojekt an der Anlage mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von rund 3 Millionen kWh sauberer Energie.
Foto: SAK
Bei der Montage des insgesamt 23 Tonnen schweren Einlaufschütz war Millimeterarbeit gefragt.
STRÖMUNG WEIST DEN WEG
2011 trat das neue Schweizerische Gewässerschutzgesetz in Kraft, das Maßnahmen zur Wiederherstellung der freien Fischwanderung in Schweizer Flüssen vorschreibt. Aufgrund der Gesetzesanpassung müssen landesweit in Summe rund 1.000 Querbauwerke im Hinblick auf die ökologische Durchgängigkeit saniert bzw. umgebaut werden. „Für den Standort Herrentöbeli, an dem eine sichere Abstiegsmöglichkeit für die Fische geschaffen werden musste, wurden von der SAK zunächst mehrere Varianten geprüft. Im Zuge der Gespräche erhielten wir vom Umweltamt die Empfehlung, ein vielversprechendes Forschungsprojekt der ETH Zürich in Betracht zu ziehen“, sagt SAK-Leiter Projektentwick-
lung Ralph Egeter. An der renommierten Universität beschäftigt man sich bereits seit 2011 mit der Fischabstiegsthematik. 2017 startete die Entwicklung des innovativen Rechensystems Curved Bar Rack (CBR) im Rahmen einer Doktorarbeit von Claudia Beck, erklärt Prof. Dr. Robert Boes, Direktor der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW) an der ETH: „Es handelt sich um einen Fischleitrechen mit gekrümmten vertikalen Rechenstäben. Dank der Krümmung werden die hydraulischen Rechenverluste gegenüber geradlinigen Stäben um mehr als das 4-Fache reduziert und die Strömung in der Rechenabströmung vergleichmässigt, so dass die Anströmung auf unterstrom liegende Turbinen günstig ist. Besonders ist außerdem, dass die lichte Stabweite mit 25 – 50 mm so groß ist, dass die meisten Fische passieren könnten. Diese werden aber zu einem Großteil durch die turbulenten Ablösungen an den Rechenköpfen und der Strömung parallel und entlang des Rechens hin zu einem Bypass geleitet.“
PILOT- UND DEMONSTRATIONSANLAGE
Von diesem Konzept überzeugt, entschloss sich die SAK, das System beim Kraftwerk Herrentöbeli erstmals unter Realbedingungen zu testen. Der Einsatz des CBR beim Kraftwerk Herrentöbeli machte beträchtliche Umbauten beim Einlaufbereich notwendig, so Ralph Egeter: „Anfänglich hatte man gehofft, mit geringerem Bauaufwand auszukommen. Die Strömungssimulationen und Laborversuche zeigten allerdings, dass größere bauliche Maßnahmen getroffen werden müssen, um die entstehenden Kräfte sicher in die neuen Strukturen einleiten zu können. Herausfordernd bei dem Projekt sind baulich gesehen vor allem die begrenzten Platzverhältnisse und die große Nähe zum Wasser. Diese Punkte sind in sicherheitstechnischer Hinsicht während der Bauphase sehr anspruchsvoll, hinzu kommt ein eng getakteter Zeitplan.“ Mittlerweile stehen die im Oktober des Vorjahres gestarteten Bauarbeiten kurz vor der Finalisierung. Am 12. Mai wurde mit dem Einbau des insgesamt 23 Tonnen schweren Einlaufschützes, der aufgrund seines erheblichen Gewichts in zwei Teilen angeliefert wurde, die Abschlussphase des Projekts an der Pilot- und Demonstrationsanlage eingeläutet.
Foto: SAK Der neue Fischleitrechen wurde in der Testanlage der VAW entwickelt und seine Funktionalität mit wilden Bachforellen erprobt.
STAHLWASSERBAU-PROTOTYPEN
Etwa drei Wochen später konnte Anfang Juni die Montage des 11 m langen und 4 m hohen Fischleitrechens starten. Ralph Egeter weist daraufhin, dass es sich bei sämtlichen Stahlwasserbauteilen im Prinzip ausschließlich um Sonderanfertigungen handelt. Zum Reinigen der Rechenfläche von Laub und Geschwemmsel kommt eine pegelgeregelte Rechenreinigungsmaschine in Teleskoparmausführung zum Einsatz. Die Putzharke befördert das Rechengut in eine Spülrinne, von wo dieses ohne Entsorgungsaufwand in das Unterwasser geleitet wird. Wie reinigungsfreundlich sich das Profil des CBR in der Praxis erweist, wird sich laut Prof. Boes noch zeigen: „Man weiß von einem ähnlichen Leitrechen – dieser ist allerdings mit geraden Stäben ausgeführt –, der aktuell in Norwegen mit Beteiligung unseres Instituts getestet wird, dass das meiste Geschwemmsel dem Rechen entlang geleitet wird. Der dortige Rechen ist sehr einfach zu reinigen. Die bisherigen Betriebserfahrungen in Norwegen sind gut, insbesondere auch, was die Fischleitung betrifft “
Foto: ETH Zürich/VAW
INBETRIEBNAHME IN SICHTWEITE
Der weitere Zeitplan sieht vor, den Einlaufbereich des Kraftwerks Mitte Juli zu fluten und somit die Nassinbetriebnahme zu starten, im August soll die Anlage wieder in Vollbetrieb gehen. Wie sich der neuartige Fischleitrechen in der Praxis bewährt, wird im Rahmen eines auf zwei Jahre angelegten Monitoringprojekts untersucht. Stefano Garbin, CEO der SAK zeigt sich über den aktuellen Fortschritt hocherfreut: „Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir mit dem Feldversuch bei unserem Wasserkraftwerk nicht nur weitere Innovationen vorantreiben, sondern auch den Schutz der Fische verbessern. Als ‚naturemade-zertifizierter‘ Produzent umweltfreundlicher elektrischer Energie setzen wir uns für das Wohl von Flora und Fauna rund um unsere Kraftwerksanlagen ein. Beim Kraftwerk Herrentöbeli testen wir gemeinsam mit der ETH ein ausgeklügeltes System, das unserem Anspruch gerecht wird und den Fischen in der ganzen Schweiz mehr Schutz vor Kraftwerksanlagen bieten kann.“
SAK-Leiter Projektentwicklung Ralph Egeter
Durch die Schrägstellung des Rechens entsteht eine Leitströmung, welche die Fische am Kraftwerkseinlauf vorbei zum sicheren Bypass Richtung Unterwasser lotst. Foto: SAK