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Turbineningenieur haucht altem Standort neues Leben ein
„Wasserkraft-Urgestein“ Matthias Viertler am Standort der zukünftigen Wehranlage. Im Juni startete die Erneuerung seines eigenen Kleinkraftwerks im Kärntner Hermagor. Foto: zek
KÄRNTNER TURBINEN- UND LUFTFAHRTINGENIEUR HAUCHT ALTEM KRAFTWERK NEUES LEBEN EIN
Ein erheblicher Leistungs- und Erzeugungsschub steht dem Wasserkraftwerk Viertler in der Kärntner Stadtgemeinde Hermagor bevor. Dank der Versetzung der Wehranlage an einen höher gelegenen Standort am Gebirgsbach Vella und der umfassenden Erneuerung bzw. Revitalisierung der Technik im Krafthaus verdoppelt die Anlage zukünftig ihre Jahresproduktion. Dass der Anlagenbetreiber Matthias Viertler, ehemaliger Konstruktions- und Entwicklungsleiter beim Kärntner Wasserkraftspezialisten EFG Turbinenbau mit 36 Jahren Berufserfahrung die Turbinen-Sanierung selbst erledigt, liegt auf der Hand. Bei der Materialauswahl für die um rund 340 m verlängerte Druckrohrleitung zur neuen Wasserfassung setzt der Betreiber mit der Tiroler Rohre GmbH (TRM) auf den heimischen Branchenprimus im Gussrohrbereich. Zwei Drittel der komplett zug- und schubgesicherten Druckleitung waren kurz nach Baustart Mitte Juli schon verlegt, bereits im November soll die Wiederinbetriebnahme der rundum modernisierten Anlage erfolgen.
Nach 36-jähriger Betriebszugehörigkeit beim Kärntner Wasserkraftspezialisten EFG Turbinenbau verabschiedete sich Matthias Viertler im Frühjahr 2020 in den offiziellen Ruhestand. Ruhestand könnte durchaus in Anführungszeichen stehen, schließlich wird dem Technik-Allrounder, dessen Ausbildungen unter anderem zwei Lehrabschlüsse, die HTL für Maschinenbau, in Summe vier Meistertitel und den Dipl.HTL-Ing. an der TU Wien beinhalten, auch nach seiner Pensionierung garantiert nicht langweilig. Beispielsweise bei seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der EFG Luftfahrttechnik GmbH, die sich mit der Entwicklung einer innovativen Drohne beschäftigt. Als Konsulent und Teilhaber an der von ihm mitgegründeten EFG Turbinenbau in Feldkirchen bleibt er der Wasserkraftbranche weiterhin eng ver-
Erdbauspezialist Stefan Stemberger, TRM-Vertriebsmanager Igor Roblek und Matthias Viertler (v.l.) beim Baustart im Juni. Für die Verlängerung der bestehenden Druckrohrleitung um ca. 340 m zur neuen Wehranlage kommen duktile Gussrohre von der Tiroler Rohre GmbH zum Einsatz. Foto: Viertler
Foto: Viertler
Die zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial gefertigten duktilen Gussrohre tragen schon fertigungsbedingt zum grünen Fußabdruck des Projekts bei. Darüber hinaus steht das robuste Material für optimale Fließbedingungen und höchste Beständigkeit.
Das anwenderfreundliche Verlegesystem der TRM ermöglicht ein rasches Vorankommen der Arbeiten. Das schub- und zuggesicherte Muffen-Verbindungssystem VRS-T entlang der ca. 340 m langen Rohrtrasse DN500 hält höchsten Belastungen stand.
bunden. Darüber hinaus betreibt Matthias Viertler seit neun Jahren ein eigenes Kleinwasserkraftwerk in der Stadtgemeinde Hermagor, dessen Kompletterneuerung nach langjähriger Bewilligungsphase schließlich im heurigen Juni beginnen konnte.
ÖKOSTROMPRODUKTION WIRD VERDOPPELT
Erworben hat der Neubesitzer das Wasserkraftwerk am Gebirsbach Vella, der in östlicher Richtung in den Pressegger See entwässert, bereits im Jahr 2012. „Vor der Elektrifizierung diente das energetische Potential des Gewässers zum Antrieb der mechanischen Transmissionen eines Sägewerks, 1899 wurde der Anlage in ihrer ursprünglichen Form das erste Wasserrecht erteilt. Während der 1970er Jahre erfolgte dann die Kompletterneuerung des Kraftwerks. Damals wurde eine auf 282 l/s Ausbauwassermenge ausgelegte Francis-Spiral-Turbine mit horizontaler Welle installiert, die via Riemenantrieb einen Generator in Bewegung versetzte. Zudem wurde eine neue Wasserfassung gebaut und eine rund 700 m lange Druckrohrleitung aus Stahl verlegt“, erläutert Matthias Viertler und ergänzt, dass er gleich nach der Übernahme die ersten Konzeptionen zur Effizienzsteigerung der Anlage erstellte: „Eine ursprüngliche Variante, bei der die Wasserfassung noch weiter oben positioniert war, wurde leider nicht bewilligt.“ Das sei allerdings verschmerzbar, so Viertler. Denn der Standort der neuen Wasserfassung steigert die Fallhöhe erheblich und ermöglicht in Kombination mit der Modernisierung der Krafthaus-Technik eine mehr als 50-prozentige Steigerung der jährlichen Stromproduktion. Dieses erhebliche Erzeugungs-Plus gewährt der Anlage einen von der österreichischen Abwicklungsstelle für Ökostrom (OeMAG) noch etwas höher geförderten Tarif.
HEIMISCHE UNTERNEHMEN AM ZUG
Den größten Bauaufwand des Projekts stellen die Neuerrichtung der Wehranlage und die Verlängerung der Druckrohrleitung (DRL) dar. Die neue Wehranlage wird anders als die alte, als Seiteinlauf mit Grobrechen ausgeführte Wasserfassung, vollständig automatisiert funktionieren. Die Betriebswasserentnahme aus der Vella erfolgt zukünftig mittels robustem Tiroler Wehr. Ein vertikaler Feinrechen inklusive hydraulischer Rechenreinigungsmaschine im unterirdischen Entsandungs- und Beruhigungsbecken sorgt dafür, dass die anschließende DRL frei von Geschwemmsel bleibt. Mit der Verlegung des oberen DRL-Teilstücks zum Standort der Wehranlage ging das Projekt Ende Juni in die Umsetzungsphase über. Matthias Viertler betont, dass ihm bei der Vergabe der Bau- und Techniklose das Engagement heimischer bzw. lokaler Unternehmen ein wichtiges Anliegen war. So werden die Rohrverlegung und Hoch- und Tiefbauarbeiten von zwei Kärntner Unternehmen aus dem Lesachtal bwz. dem oberen Gailtal durchgeführt. Dass die Revitalisierung der Turbine und die Neuausführung des Stahlwasserbaus vom Betreiber selbst bzw. gemeinsam mit EFG Turbinenbau erledigt wird, überrascht nicht. Für die Ausführung der Elektrotechnik kommt ebenfalls ein Kärntner Unternehmen zum Zug, den Generator liefert ein steirischer Hersteller.
Foto: Viertler Foto: Viertler
DUKTILE GUSSROHRE SCHLIESSEN DEN MATERIALKREISLAUF
Bei der Materialauswahl für den neuen Druckrohr-Abschnitt vertraut Matthias Viertler auf die im gesamten Alpenraum und weltweit bewährten duktilen Gussrohre von der Tiroler Rohre GmbH. „Obwohl die Trassenführung auch den Einsatz von günstigeren Kunststoffrohren erlaubt hätte, habe ich mich aus guten Gründen für die vielfach robustere Guss-Variante entschieden. So verläuft die Rohrtrasse ab der Wasserfassung entlang der Forststraße direkt neben dem unverbauten Wildbach. Bei Hochwassersituationen durch Starkregenereignisse, die bekanntlich leider immer häufiger auftreten, würde eine dabei freigespülte Kunststoff-Rohrleitung den Naturgewalten wohl nicht standhalten. Duktile Gussrohre hingegen kommen mit solchen Extremsituationen und -belastungen erfahrungsgemäß viel besser zurecht und überstehen diese oft unbeschadet.“ TRM-Vertriebsmanager Igor Roblek merkt an, dass die Gussrohre zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial hergestellt werden und somit hinsichtlich ökologischer Bilanz und Materialkreislauf Bestnoten verdienen. „Dazu kommen die bekannten Vorzüge von duktilen Gussrohren wie Langlebigkeit, hervorragende Festigkeit und beste Fließbedingungen dank hochglatter Zementmörtelbeschichtung sowie der kundenorientierte Service von TRM, der
auch auf spezielle Anforderungen schnell und flexibel reagiert.“ Sämtliche Rohrverbindungen des neuen Kraftabstiegs werden mit dem patentierten VRS-T Muffen-Verbindungssystem schub- und zuggesichert ausgeführt. Weitläufige Richtungsanpassungen der DRL können dank der Abwinkelbarkeit der Rohrenden innerhalb der Verbindungsmuffen – bei DN500 sind Abwinkelungen bis zu 3 Grad erlaubt – ohne zusätzliche Formstücke hergestellt werden.
INBETRIEBNAHME IN SICHTWEITE
Zwei Drittel der neuen Druckleitung waren beim zek HYDRO-Lokalaugenschein Mitte Juli in Hermagor bereits verlegt. Innerhalb von nur drei Wochen hatte das Montageteam vom Erdbauspezialisten Stefan Stemberger den oberen, rund 240 m langen Trassenabschnitt am linken Bachufer von der Straßenbrücke bis zum Wehrstandort fertiggestellt. Der Zusammenschluss mit der bestehenden Druckleitung erfolgt nach der Fertigstellung der Wehranlage. Für die Überquerung der Vella sorgt eine selbsttragende Rohrbrücke, rund 100 m bachabwärts nach der Querung wird der Übergangsflansch von der neuen auf die alte DRL gesetzt. „Damit der beträchtliche Zuwachs an Fallhöhe von 17 auf 24 m möglichst effektiv genutzt werden kann, erhält die Francis-Turbine ein umfassendes Refurbishment-Programm. Von der alten Maschine bleiben im Prinzip nur die Spirale und das Saugrohr erhalten. Grundlegend erneuert werden dafür sämtliche beweglichen Teile der Turbine wie das strömungsmechanisch optimierte Laufrad und der Leitapparat bzw. der Verstellmechanismus, der automatisch in die Kraftwerkssteuerung integriert wird“, so Viertler. Neben den Verbesserungen des hydraulischen Wirkungsgrads sorgt zudem die direkte Kopplung von Turbinen- und Generatorwelle für erheblich verringerte Übertragungsverluste. Der Betreiber rechnet damit, dass die Turbine unter Volllast zukünftig eine Engpassleistung von 58 kW schafft. Bei der Jahresproduktion ist eine Steigerung von vormals durchschnittlich ca.150.000 kWh auf bis zu rund 350.000 kWh zu erwarten. Angesicht des wunschgemäß verlaufenen Baustarts zeigt sich Matthias Viertler zum Redaktionsschluss der aktuellen Ausgabe zuversichtlich, dass der ökologische Fußabdruck seines Wasserkraftwerks schon im November beträchtlich größer ausfallen wird.
Der Maschinensatz (Aufnahme vom 14. Juni) im Krafthaus erhält bis zur Wiederinbetriebnahme der Anlage im November ein umfassendes Refurbishment bzw. eine Erneuerung. An der Francis-Turbine werden unter anderem das Laufrad und der Leitapparat komplett erneuert. Der neue Synchron-Generator wird zukünftig direkt von der Turbinenwelle angetrieben. Foto: zek
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