auf #04 | Stabile Fragilität. Fragile Stabilität.

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Stabile Fragilität. Fragile Stabilität.

06-09 Eine fragile Demokratie? Nico Stehr

10-13 Wie sich Europa selbst delegitimiert Georg Jochum

16-17 Das Volk fragen? Wen denn sonst! Patrick Bernhagen

18-20 Der Finanzsektor und die Resonanzkatastrophe Marcel Tyrell

22-25

Resistenz durch Resilienz

Stephan A. Jansen

26-27 Die Crux mit der Frauenquote Christian Opitz

29-33 Zwischen temporärem Wahnsinn und Demenz Bruno Preilowski

36-39 Die „Concordisierung“ der Rechtsordnung Dirk Heckmann

40-43 Ein Netz aus Individuen Marian Adolf

45-47 Regierungen müssen neue Medien verstehen lernen David L. Altheide

50-51 M it „Vielfalt“ zum öffentlichen Dienst der Zukunft Eckhard Schröter

52-53 Die Grobmotorik der öffentlichen Hand Rick Vogel & Doris Masal

54-57 Denk-Anstöße zwischen Stabilität und Fragilität Höhepunkte des Herbstsemesters

58 Impressum


Zur künstlerischen Intervention von Patricia Reed Um Fragilität und Stabilität in Bild, Inhalt und Materialität der Publikation erfahrbar werden zu lassen, greift die kanadische Künstlerin Patricia Reed (*1977, Ottawa, lebt in Berlin) das Bild der zerbrochenen Fensterscheibe auf. Sie bezieht sich dabei auf den Ökonom Frédéric Bastiat, der in seiner Parabel „La Vitre cassée“ (1850) am Beispiel eines zerbrochenen Fensters zu widerlegen versuchte, dass in der Zerstörung von Gütern grundsätzlich ein versteckter volkswirtschaftlicher Nutzen liege; wenn, so Bastiat, das Geld für den Ersatz der Scheibe eingesetzt wird, steht es danach nicht mehr für Anderes zur Verfügung. Reed verweist indes auf eine höhere Komplexität. Zeigen ihre Zeichnungen zunächst ein eher harmloses Phänomen, so ändern sie mit der Verortung in Athen, Damaskus, Bagdad, Fukushima, New Orleans, Port-au-Prince und Detroit schlagartig ihre Bedeutung. Bürgerproteste, Kriege, Naturgewalten oder Vernachlässigung waren die unterschiedlichen Ursachen und zeigen doch dasselbe materielle Resultat.

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Dabei setzt Patricia Reed ihre Zeichnungen auf unsicheren Grund. Fragilität und das Potential zur partiellen Zerstörung sind dem Printträger eingeschrieben durch ein zartes Raster aus Perforationslinien. Entscheidet man sich für das Heraustrennen an den Sollbruchstellen und damit für die Destruktion, können die 16 kodierten Fragmente zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden, dem Bild von gesprungenem Glas aus aller Welt. Auch in Bezug auf Form und Inhalt der Texte erreicht Patricia Reed mit minimalsten Mitteln maximale Erschütterung. Mit Fußzeilen verweist sie auf Paradigmenwechsel in den Wissensgebieten und schafft so Bewusstsein für die Veränderlichkeit von Theorie. Durch die Setzung von Randnotizen, welche die Wissenschaftsinhalte mit Literaturzitaten paraphrasieren, verwandelt sie Fachsprache in einen assoziativen, persönlichen Kommunikationsraum.

Ulrike Shepherd Kuratorin am artsprogram der Zeppelin Universität

1917 Marcel Duchamp Fountain deskilling/aesthetic regime


Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Sie kennen das: Nichts ist so dauerhaft wie die Provisorien. Umzugskisten, Übergangslösungen und Ausnahmeregeln sind die wahre Nachhaltigkeit – ob Rettungsschirme, Leiharbeit, militärische Interventionen oder temporäre Bauten: erstaunliche Langlebigkeiten. An Fundamenten gibt es hingegen fundamentale Zweifel. Traditionen und Rituale wirken seltsam in einer Zeit der nervösen Kommunikation. Und in der Politik kommen ewige Oppositionen in die Regierung und Piraten kapern die Brücke. Qualitätszeitungen gehen insolvent, Drogeriemärkte verschwinden und die Energien wenden sich. Das Fragile ist die neue Stabilität: Fragilitäten erfordern die nächsten Agilitäten. Zum Thema haben wir bereits im Rahmen unseres Sommerfests im September 2012 in vorsichtigen Vorträgen, wackeligen Versuchsanordnungen und zerbrechlichen Kunstobjekten gearbeitet. Und zu einigen der Beiträge in dieser Ausgabe finden Sie online auch weiterführende Informationen wie Podcasts oder Präsentationen. Im Sommer 2013 erscheint auch der Jahresband der ZU zum Thema „Stabile Fragilität. Fragile Stabilität.“ im VS-Verlag, der weitere Beiträge unserer Wissenschaftler beinhaltet. Insgesamt zwölf Beiträge erwarten Sie im vorliegenden Magazin. Darin geht es um Fragen wie diese: Sollten wir nicht besser das Volk befragen statt nur die Parlamentarier, wenn in Folge der Eurokrise auch die Bundesrepublik künftig Kompetenzen wird nach Brüssel übertragen müssen? Oder: Wie verändert sich die Kommunikation in der „schönen neuen Medienwelt“ – und welche Auswirkungen hat und Erfordernisse stellt das an jeden einzelnen? Und: Wie gehen wir eigentlich mit einem Dilemma zwischen Stabilität und Fragilität unseres Gehirns um? Schließlich muss es einerseits einen verlässlichen Speicher von Gelerntem für erfolgreiches Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Verhalten bereitstellen, andererseits aber müssen diese Inhalte veränderbar und flexibel bleiben. Und was gibt es Neues bei der auf? Wir haben das Konzept des Wissensmagazin weiter profiliert: So bereiten wir zunehmend Themen unserer Wissenschaftler journalistisch auf, so dass in diesem Heft nicht nur Autorenbeiträge, sondern auch Interviews zu finden sind. Und die auf gibt’s ab sofort nicht nur online und im ausgewählten Fachbuchhandel, sondern auch an mehr als 200 Bahnhofsbuchhandlungen in der Republik. Und was gibt es Neues an der ZU? Das erfahren Sie auf den letzten Doppelseiten, zum Beispiel auch den Bezug unserer ContainerUniversität, die neue stabil-fragile ZU-Heimat, und das neue Nachrichtenportal ZU|Daily (www.zu-daily.de) mit digitalen Delikatessen der ZU im Tagestakt, journalistisch aufbereitete Inhalte über Forschung und forschungsbasierte Projekte der Hochschule. Wir wünschen Ihnen ein wunderbar stabil-fragiles Jahr 2013 und viel Vergnügen bei der Lektüre.

Ihr Stephan A. Jansen Präsident der Zeppelin Universität

1731 Edward Cave (Sylvanus Urban) The Gentleman's Magazine general interest periodical


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Eine fragile Demokratie? Professor Nico Stehr PhD, Karl-Mannheim-Lehrstuhl für Kulturwissenschaften und Leiter des European Center for Sustainability Research | ECS

Unter Klimaforschern, in der Klimapolitik und in den Medien lassen sich eine wachsende Ungeduld mit den Tugenden der Demokratie sowie ein dringlicher Verweis auf die außergewöhnlichen Umstände unserer gegenwärtigen ökologischen Situation ausmachen. Dabei wird jedoch nicht mehr nur der tiefe Graben zwischen Erkenntnis und Handeln beklagt, der die Moderne von Beginn an plagte. Heute wird die lästige Demokratie als solche als die Schuldige ausgemacht.

Führende naturwis- Wir befänden uns in einer Art Kriegszustand. Um die senschaftlich orien- Welt ihrer Lethargie zu entreißen, sei, so Lovelock, eine tierte Klimaforscher auf die globale Erwärmung gemünzte „Nichts-als-Blutbetonen, die Mensch- Mühsal-Tränen-und-Schweiß-Rede dringend geboten“. heit stehe an einem Scheideweg. Sollten Warum wird der radikale politische Wandel um jeden wir ökonomisch wie Preis als notwendig erachtet? politisch weitermachen wie bisher, führe unser Weg unausweichlich in Zum einen ist die nationale und globale Klimapolitik die Katastrophe. Um eine global tragfähige Lebenswei- offenbar nicht in der Lage, ihre eigenen bescheidenen se zu realisieren, brauchten wir umgehend eine „große Ziele, wie sie beispielsweise in dem auslaufenden Transformation“, wie etwa Hans Joachim Schellnhu- Kyoto-Abkommen festgelegt sind, zu realisieren. Dazu ber fordert. Was genau damit gemeint ist, bleibt oft kommen Erkenntnisse über die sich immer mehr stavage. Bestandteil, wenn nicht sogar Herzstück dieser bilisierenden Ursachen und Folgen des von Menschen großen Transformation ist in den Augen mancher Kli- verursachten Klimawandels. Diese beiden Faktoren maforscher – und anderer Wissenschaftler, die sich an lassen in der Gemeinschaft der Klimaforscher und in der Diskussion beteiligt haben – ein anderes Politik- der Klimapolitik selbst die skeptische Einstellung zur regime: „Wir benötigen eine autoritäre Regierungs- Demokratie immer stärker werden. Dabei ist wichtig form, um den Konsens der Wissenschaft zu Treibhaus- zu betonen, dass sich die Diagnose einer wirkungslogasemissionen zu implementieren“, wie die Australier sen und untauglichen Klimapolitik vor allem auf die David Shearman und Joseph Wayne Smith in ihrem Folgen, das heißt auf die Reduktion von TreibhausgaBuch „The Climate Change Challenge and the Failure sen, und nicht auf die politischen Handlungsbedinof Democracy“ argumentieren. Der bekannte Klima- gungen konzentriert. Indem man sich vorrangig mit forscher James Hansen fügt ebenso frustriert wie un- den Zielen beziehungsweise Folgen politischen Hangenau hinzu, dass beim Klimawandel der demokrati- dels befasst, wird eine sozio-politische Frage auf eine sche Prozess nicht funktioniere. In „The Vanishing Face technische Frage reduziert. Ein Ergebnis dieser Interof Gaia“ wiederum unterstreicht James Lovelook, dass pretation der Klimaproblematik ist ihre Entpolitisiewir die Demokratie aufgeben müssten, um den Her- rung (bei gleichzeitiger Politisierung der Klimaforausforderungen des Klimawandels gerecht zu werden. schung). Indem die Diskussion in erster Linie die

1957 Hans Suess & Roger Revelle greenhouse effect

carbon emissions/oceanography


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Frage der Mitigation betont, wird der Eindruck geweckt, die Lösung oder Entschärfung der Klimafrage sei ein Problem, das bloß noch der technischen Realisierung harre. Ein gefährlicher Trugschluss angesichts der bereits jetzt unausweichlichen mittelfristigen Erwärmung des Weltklimas.

new orleans, 2005

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Wird die gewollte Demokratie zu einer unbequemen Demokratie?

che Beobachter glauben, sondern der eiserne Griff des Klimas selbst, der innerhalb von wenigen Jahren oder Jahrzehnten die Freiheiten und Handlungsmöglichkeiten der Menschen und damit die gesellschaftlichen Grundlagen der Demokratie auslöschen wird. Führt man beide Beobachtungen zusammen, so kommen diese Beobachter zu dem paradoxen Ergebnis, dass die Demokratie nur durch Abschaffung der Demokratie zu retten ist.

Die Demokratie, so kann man die skeptischen Beob- Ohne selbst in die Fußstapfen der radikalen Warner achtungen bilanzieren, sei ungeeignet, effektiv auf die und Zweifler treten zu wollen, gilt es klarzustellen, Herausforderungen zu reagieren, vor denen Politik und dass der Trend zu der Behauptung, die Tugenden der Gesellschaft angesichts der Folgen des Klimawandels stehen, insbesondere auf dem Gebiet der Wie ließen sich „weltweite Mitwirkungsmöglichkeit und Ausnotwendigen Reduktion von weitung der Wissenheit“, wie Sie schreiben, entscheidend Treibhausgasemissionen. Demoverbessern? „Die Ausweitung der Wissenheit ist Funktion funkratisch organisierte Gesellschaften seien zu schwerfällig, damentaler gesellschaftlicher Veränderungen, insbesondere um den Klimawandel zu vermeider wirtschaftlichen Entwicklung und der Expansion der Bilden; sie handelten weder rechtdungseinrichtungen und der Wissenschaft.“ Nico Stehr zeitig noch umfassend. Daher müsse ein starker Staat die „großen Entscheidungen“ treffen und die endlose Debatte auf diese Weise beenden. Es müs- Demokratie versagten, weder fatalistisch hingese gehandelt werden, lautet die Devise. Und damit nommen noch gedankenlos als marginale AnI accept the intellectual wird die gewollte Demokratie in den Augen dieser sicht beiseitegeschoben werden darf. Was genau rationale for democratic passiert hier? Wir sind konfrontiert mit den ForBeobachter zur unbequemen Demokratie. institutions, but derungen und Bestrebungen von „Fachleuten, die I am instinctively an In einem anderen historischen Kontext hat der Öko- die Macht fordern, zu lenken, weil sie glauben, aristocrat, in the sense nom und Sozialphilosoph Friedrich Hayek schon vor dass ihre Spezialkenntnisse nur so voll zur Gelthat I contemn and fear the Jahrzehnten auf die paradoxe Entwicklung aufmerk- tung kommen“ (Hayek). Die Diagnose des Trends crowd. I dearly love liberty sam gemacht, dass der Eindruck einer massiven Re- zum Zweifel an der Demokratie stützt sich auf and respect for rights, duktion des „Nichtwissens“ in der Wissenschaft die eine Reihe von Beobachtungen, die ihrerseits in but not democracy. Öffentlichkeit und manche Wissenschaftler selbst in einem engen Zusammenhang stehen: /Alexis de Tocqueville, 1853 dem Glauben bestärke, dass sich der Bereich unseres Unwissens ständig vermindere und wir daher „eine umfassende und bewusstere Lenkung aller menschlichen Tätigkeiten“ anstreben könnten. „Und aus diesem Grunde“, so fügt Hayek resignierend hinzu, „werden die Menschen, die vom Fortschritt des Wissens berauscht sind, so oft zu Feinden der Freiheit.“ Soll die Demokratie etwa durch Abschaffung der Demokratie gerettet werden? Die wachsenden Zweifel an der Funktionalität demokratischer Verhältnisse und der Verdacht, dass die Wertvorstellungen und Motive der Menschen unverrückbar feststehen, gehen also Hand in Hand mit einer weiteren Eskalation der Warnungen vor den apokalyptischen Folgen der Klimaerwärmung für die Menschheit. Immerhin sei es nicht nur eine lästige Demokratie, die die Zivilisation unseres Planeten immer rascher „zurück in die Steinzeit” führt, wie man-


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Warum bleiben Erkenntnisse aus der Wissenschaft ohne Konsequenzen in der Politik?

chen, konkrete, aber weitaus umfassendere Ziele zur Emissionsreduktion zu vereinbaren: Nur ein „SuperKyoto“ könne uns noch helfen. Aber wie die hehren Erstens, nicht nur die Robustheit und der Konsens in Ziele einer umfassenden Emissionsreduktion prakder scientific community hinsichtlich der relevanten tisch-politisch durchgesetzt werden sollen, verliert wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimaerwär- sich im Nebel der allgemeinen Absichtserklärungen mung haben in den vergangenen Jahren zugenom- und verstärkt die Skepsis der Forscher. Aus der Summe dieser Überlegungen entsteht die Einsicht, Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet Wissenschaftler zu „Feindass die Demokratie für dieses Problem nicht geden der Freiheit“ werden? „(1) Wissenschaftler sind überzeugt, dass eignet sei und dass ihre es eine legitime Expertise in bestimmten technische Fragen gibt und langsamen Verfahren nicht jeder an Entscheidungen dazu gehört werden kann. (2) Es gibt zur Durchsetzung und zum Management konunwidersprochene wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie verweisen kreter, politikrelevanter auf eine Gefährdung der Zukunft der Gesellschaft. Die aus diesen Erwissenschaf tlicher Erkenntnissen abgeleiteten Notwendigkeiten müssen auch gegen den kenntnisse uns in ungeahnte Gefahren stürzen. Widerstand der Uneinsichtigen umgesetzt werden.“ Nico Stehr Das auf Interessenausgleich bedachte demomen, sondern auch die Zahl der Untersuchungen aus kratische System müsse angesichts dieser alles überjüngster Zeit, die weitaus dramatischere und länger schattenden Gefahr versagen. andauernde Folgen der Erwärmung prognostizieren als bisher angenommen. Wie ist es aber möglich, so Viertens, Spekulationen über eine lästige, gescheiterhört man Wissenschaftler immer öfter fragen, dass te Demokratie, die Erkenntnisse nicht zeitnah in Handiese zuverlässigen Erkenntnisse einfach keine nach- deln umsetzt, kommen in der Regel von Wissenhaltigen und wirksamen Konsequenzen für das poli- schaftlern, die sich bisher auf dem Gebiet der Politiktische und alltägliche Handeln der Gesellschaften oder Kulturwissenschaften kaum einen Namen zeitigen? Wie ist es möglich, dass die Politik einfach gemacht haben. nicht in der Lage zu sein scheint, den sich daraus ergebenden dringenden Handlungsbedarf in wirksame Fünftens, in der argumentativen Architektur der unTaten umzusetzen? geduldigen Kritiker der Demokratie kommt es zu einer unangemessenen Verschmelzung von Natur und GeZweitens, der Erfolg der bisher dominanten Klimapo- sellschaft. Die Unsicherheiten, die die Naturwissenlitik ist ausgeblieben. Ergebnis der gegenwärtigen schaft aus dem Wissen über die Naturprozesse beseiweltweiten Rezession ist eine nicht-intendierte Reduk- tigt hat, werden auch für die gesellschaftliche Seite tion des Anstiegs des CO2-Ausstoßes. Die weltweiten des Lebens für vernachlässigbar erklärt. Es heißt, wir Reaktionen auf die Wirtschaftskrise zeigen allerdings wüssten, was zu tun sei – in Bezug auf die Natur ebensehr deutlich, dass keine Regierung die Verringerung so wie in Bezug auf die Gesellschaft. Die für die Gedes Zuwachses an Wohlstand für ihre Bevölkerung als sellschaft konstitutiven Unsicherheiten werden daher Königsweg zur Emissionsbekämpfung ansieht. Im als elementare Handlungshindernisse wahrgenomGegenteil, alle in Gang gesetzten Maßnahmen zielen men, die so schnell wie möglich – natürlich mit einem auf eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums ab. Top-Down-Ansatz – beseitigt werden müssten. Mit dem Anspringen der Konjunktur werden aber auch die Emissionen wieder steigen. Hilft ein Verzicht auf nicht-nachhaltige Lebensweisen weiter? Kommt es zu einer unangemessenen Verschmelzung von Natur und Gesellschaft? Sechstens, der Diskurs der Ungeduldigen privilegiert hegemoniale Akteure wie zum Beispiel Weltmächte, Drittens, die Diskussion der Optionen einer zukünf- den Staat, transnationale Organisationen und multitigen Politik geht offenbar davon aus, dass es bei der nationale Konzerne. Partizipative Strategien sind bisher verfehlten Klimapolitik bleiben werde und selten, „global“ hat Vorrang vor „lokal“, „Mitigation“ diese schlicht effektiver und rationaler gestaltet wer- vor „Anpassung“. „Globale“ Erkenntnisse triumphieden müsse. Alle Staaten müssten nur weiter versu- ren über „lokales“ Handeln.

1999

Bruno Latour politische Ökologie

Das Parlament der Dinge


9 _Mehr vom Autor unter › Nico Stehr auf www.zu.de/mehr

Schließlich, siebtens, drückt sich in der wachsenden Ungeduld prominenter Klimaforscher eine unausgesprochene Vereinnahmung populärer, globaler Gesellschaftstheorien aus wie etwa Jared Diamonds Thesen zum Schicksal menschlicher Gesellschaften. Diamond argumentiert, dass Gesellschaften nur eine Überlebenschance hätten, wenn sie auf eine nichtnachhaltige Lebensweise verzichteten. Klimaforscher haben sich anscheinend von der – nicht nur umweltdeterministischen – Gesellschaftstheorie Diamonds beeindrucken lassen. Allerdings ziehen sie daraus den falschen Schluss, dass nur autoritär geführte Regime wirksame und richtige Entscheidungen zum Problem Klima treffen könnten.

Athen, 2012

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Ist China ein politisches Modell, das man kopieren muss?

_Das ECS an der ZU betreibt Grundlagenforschung zu zentralen Problemlagen der Nachhaltigkeitsforschung aus einer interdisziplinären Perspektive mit sozialwissenschaftlichem Schwerpunkt. Das Zentrum wird unterstützt von der Tognum AG und der Audi AG. _Mehr zum ECS auf www.zu.de/mehr unter › ECS

Für den Kollegen von der New York Times, Thomas Friedman, ist die Beweislast eindeutig: Autoritäre politische Regime wie zum Beispiel der chinesische Staat repräsentieren ein politisches Modell, das man im Kontext der drohenden Umweltgefahren nur bewundern kann und unter Umständen kopieren muss.

Die Summe dieser Überlegungen kann man dahingehend zusammenfassen, dass demokratische Regierungsformen unangemessen seien und dass die Langsamkeit ihrer Prozeduren zur praktischen Umsetzung bestimmter politikrelevanter wissenschaftlicher Aussagen und Befunde massive und teilweise noch Die Geschichte lehrt uns, dass das Gegenteil der Fall völlig unbekannte Gefahren zur Folge habe. Das de- ist. Deshalb kann auch das heutige China in dieser mokratietypische Ausbalancieren von Interessen sei Hinsicht kein Modell sein: Ein politisches Auslaufmoangesichts dieser Gefahren unzweckmäßig. Ange- dell ist kein Vorbild. sichts der großen praktisch-politischen und gesellschaftlichen Aufgaben sei nicht nur der Zweifel an Brauchen wir mehr Mitwirkungsmöglichkeit und den eigenen politischen Idealen und dem Wert der Ausweitung der Wissenheit? Tout ça ne nous dit pas quel Errungenschaften der Demokratie angemessen, sontemps il fera demain, dern auch das Plädoyer für andere Regierungsformen, Kurz, wenn es darum geht, wirksam auf die mit c’est ça notre problème; die eine „bessere Welt“ sicherstellen würden. Folgt dem Klimawandel höchstwahrscheinlich einhers’il pleut encore sur le chantier, man den Ausführungen des Nobelpreisträgers Paul gehenden gesellschaftlichen Bedrohungen zu on ne va jamais finir Krugman, so stellt die offensichtliche Ohnmacht und reagieren, lautet die Alternative zur Abschaffung dans les temps. mangelnde Handlungsfähigkeit der Politik demokra- der demokratischen Governance: mehr DemokraQuelqu’un a-t-il écouté tischer Gesellschaften nichts Geringeres dar als einen tie und weltweite Mitwirkungsmöglichkeit und le bulletin météo? Ausweitung der Wissenheit (knowledgeability) Verrat am Planeten. Ils se trompent toujours de von Individuen, Gruppen und Bewegungen, die toutes façons. Comme les sich mit Umweltproblemen beschäftigen. Die horoscopes. Comme les prières Existenz von „tückischen“ Politikproblemen, das qui ne sont jamais exaucées. heißt, von „wicked problems“ – Probleme wie der Il pleut toujours trop Klimawandel, der offene, komplexe und ungenüou pas assez, ils ne sont gend erforschte Systeme umfasst – und geselljamais contents.. schaftlicher Komplexität als solche stehen in /Bruno Latour, Gaïa keinem Widerspruch zur Demokratie und zur Tragi-comédie Möglichkeit demokratischer Partizipation. climatique et globale


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Wie sich Europa selbst delegitimiert Professor Dr. Georg Jochum, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Steuer- und Europarecht und Recht der Regulierung

Wenn derzeit von Europa die Rede ist, steht im Mittelpunkt der Diskussion das Schicksal der gemeinsamen Währung, des Euro. Man kann die Euro-Krise und ihre Bewältigung allerdings nicht auf rein ökonomische Fragen beschränken. Die tiefere Ursache der Krise liegt darin begründet, dass der Europäischen Union die Kompetenzen fehlen, die für eine funktionierende Währungsunion unerlässlich sind. Ohne eine zentrale Steuerungskompetenz driften die nationalen Volkswirtschaften auseinander. Die dadurch erzeugten Ungleichgewichte gefährden die einheitliche Währung und damit einen Großteil des Wohlstands in Europa.

In der Krise zeigen sich nun ses Vorgehen untergräbt die Legitimität der Europäeinmal mehr die strukturellen ischen Union insgesamt, was wiederum die Politik Probleme der Europäischen veranlasst, anstatt offensiv die Reform Europas zu Union. Die wesentlichen Ent- betreiben, in nationalstaatliche Methoden zu verfalscheidungen werden durch len. Dies liegt in der institutionellen Struktur der Geden Europäischen Rat, das meinschaft begründet. heißt die Staats- und Regierungschefs, in nicht-öffentli- Welchem Muster folgte die institutionelle Struktur der chen Verhandlungen getroffen. EWG? Anschließend bemühen sich die nationalen Regierungen, Die institutionelle Struktur der Europäischen Wirtdiese Entscheidungen der Öf- schaftsgemeinschaft (EWG) folgt den Mustern interfentlichkeit zu verkaufen und dazu die nationalen nationaler Organisationen. Während man im klassiParlamente einzubeziehen. Die Rechtsprechung des schen Staatsaufbau zwischen drei Gewalten unterBundesverfassungsgerichts stärkt durch seine Forde- scheidet, nämlich Gesetzgebung, Exekutive und rung nach stärkerer demokratischer Legitimation Rechtsprechung, passt diese Einteilung bei internatidieses Vorgehen, wenn auch ungewollt. Denn nach onalen Organisationen nicht. Vielmehr ist die instider Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts tutionelle Struktur einer internationalen Organisatikann demokratische Legitimation nur durch die na- on dualistisch aufgebaut. Der eine Teil der Institutiotionalen Parlamente vermittelt werden. 17 oder gar nen dient der Repräsentation und Formulierung des 27 nationale Parlamente sind aber schon strukturell Gemeinschaftsinteresses, das heißt des Interesses der nicht in der Lage, gemeinsame Entscheidungen auf internationalen Organisation selber, während der europäischer Ebene vorzubereiten. Daher werden die andere Teil der Repräsentation der Mitgliedstaaten nationalen Parlamente regelmäßig dazu gezwungen, und damit der Durchsetzung mitgliedstaatlicher Indie alternativlos gewordenen Entscheidungen der teressen auf der Ebene der internationalen Organisanationalen Regierungen nachträglich zu billigen. Die- tion dient.

1957

Jean Monnet & Robert Schuman Treaty of Rome

European Coal and Steel Community


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Dementsprechend war auch die EWG am Anfang auf- eine Debatte darum, dass zunehmende Übertragung gebaut. Die Interessen der Gemeinschaft vertrat die von Hoheitsrechten auf die Europäische Union die von Weisungen der Mitgliedstaaten unabhängige Demokratie zerstöre. Diese Debatte beförderte zum Europäische Kommission. Die Interessen der Mitglied- einen die Rechte des Europäischen Parlamentes. War staaten wurden durch den Ministerrat repräsentiert, es vorher ein überwiegend beratendes Gremium, so die Gemeinschaftsgesetzgebung erfolgte auf Initia- wurde das Europäische Parlament in immer mehr tive der Kommission mit Zustimmung des Minister- Bereichen der europäischen Gesetzgebung zum Mitrats. Dem Ministerrat im Rahmen der EWG zur Seite entscheider. Zum anderen führte dies aber auch zu gestellt war das Europäische Parlament, welches ur- einer Reaktivierung der nationalstaatlichen Vorbesprünglich durch die Parlamente der Mitgliedstaaten halte. Beispielhaft ist hier die Rechtsprechung des bestimmt wurde und eine beratende Funktion hatte. Bundesverfassungsgerichts zum Maastricht-Vertrag. Das Bundesverfassungsgericht betonte in dieser Entscheidung, dass die Wahrnehmung von HoheitsaufWelche Veränderungen wurden vorgenommen? gaben durch die Europäische Union zunächst von den In den ersten Jahrzehnten blieb diese institutionelle Staatsvölkern der Mitgliedstaaten über die nationaStruktur im Wesentlichen unverändert. Zwar wurden len Parlamente legitimiert werde. Die Legitimation Veränderungen vorgenommen wie beispielsweise die über das Europäische Parlament sei demgegenüber direkte Wahl des Europäischen Parlaments seit 1979, nur eine relativierte ergänzende Legitimation. an der Grundstruktur änderte sich jedoch wenig. Der Umfang der auf die Europäische Gemeinschaft übertragenen Kompetenzen allerdings wuchs stetig an, Sie sehen eine Gefahr für Währung und Wohlwährend die institutionelle Struktur weitgehend stand Europas. Ist beides Ihrer Ansicht nach unverändert blieb. Daran änderte sich auch durch den noch zu retten? „Beides ist zu retten, wenn man Vertrag von Maastricht 1992 nichts, der die Einführung einer gemeinsamen Währung vorsah. Als neue sich nicht in die vermeintlich sichere nationalInstitution kam 1992 der Europäische Rat hinzu, der staatliche Wärmestube zurückzieht, sondern die als Richtliniengeber für die Europäische Union die Vertiefung Europas vorantreibt.“ Georg Jochum politischen Grundentscheidungen der Gemeinschaft treffen sollte. Im Europäischen Rat waren die Staatsund Regierungschefs vertreten. Der ursprüngliche Plan, die institutionellen Reformen Mit der Grundsatzentscheidung, den ost- und mittel- vor der Erweiterung durchzuführen, scheiterten zueuropäischen Staaten eine Mitgliedschaft in der Eu- nächst. Sie wurden vielmehr erst mit den Verträgen ropäischen Union anzubieten, mussten allerdings von Lissabon im Jahr 2009 umgesetzt. auch die institutionellen Rahmenbedingungen für eine Union geschaffen werden, die auch unter der Vo- Wie bestimmend sind die Regierungschefs für die euraussetzung von 25 und mehr Mitgliedstaaten arbeits- ropäische Politik? fähig war. Die Reform der Institutionen bestimmte Betrachtet man die Institutionen des Vertrages von demnach auch die Agenda der folgenden Jahre. Lissabon, so hat sich am Grundmuster der EuropäiWelche Rolle kommt dem Europäischen Parlament zu? schen Gemeinschaft relativ wenig verändert. Die Institutionen der Europäischen Union haben nun als Mit der Einsicht in die Notwendigkeit einer Reform zentralen Akteur die Staats- und Regierungschefs im der politischen Institutionen auf europäischer Ebene Europäischen Rat. Sie wählen den Kommissionsprärückte ein weiteres Problem sozusagen von unten sidenten und de facto die Kommissare aus, den Ratsnach. Die wirtschaftliche Integration im Rahmen der präsidenten, die Richter des Gerichtshofs, die MitglieEWG hatte dazu geführt, dass immer mehr Bereiche der des Zentralbankrates, Mitglieder des Rechnungsdes täglichen Lebens durch europäisches Recht ge- hofs. Die Staats- und Regierungschefs bestimmen prägt wurden. So entstand in den neunziger Jahren auch die Richtlinien der europäischen Politik. Damit in Deutschland, aber auch in anderen Mitgliedstaaten behält die Europäische Union die Struktur einer in1992 European community Maastricht Treaty Euro Currency


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ternationalen Organisation bei. Die Interessen der Mitgliedstaaten werden vor allem über die Regierungen der Mitgliedstaaten bestimmt. Es ist sogar festzustellen, dass die Bedeutung der nationalen Regierungen in der Europäischen Union trotz der verstärkten Mitwirkung des Parlamentes eher gewachsen ist. Welche Bedeutung haben noch die nationalen Parlamente? Damit geht ein Bedeutungsverlust insbesondere der nationalen Parlamente einher. Die nationalen Parlamente, die nach der Rechtsprechung des Wir betreten feuertrunken, Bundesverfassungsgerichts diejenigen sind, die Himmlische, dein Heiligtum! der europäischen Ebene Legitimation vermitteln Deine Zauber binden wieder, sollen, können diese Funktion nur über die RegieWas die Mode streng geteilt, rungen wahrnehmen. Die Staats- und RegieAlle Menschen werden Brüder, rungschefs oder die Regierungen im Rat sind alWo dein sanfter Flügel weilt. lerdings auf europäischer Ebene handlungsunfä/Friedrich Schiller hig, wenn sie sich in ihren Verhandlungen vorher An die Freude, 1785 und nachher mit den nationalen Parlamenten abstimmen müssen. Während auf nationaler Ebene das jeweilige nationale Parlament allein der Regierung gegenüber steht, stehen sich auf europäischer Ebene 27 Parlamente mit 27 Regierungen gegenüber. Ein effektiver Entscheidungsprozess ist unter diesen Umständen nicht zu organisieren. Insofern läuft die Beteiligung der nationalen Parlamente vor allem darauf hinaus, die auf europäischer Ebene getroffenen Entscheidungen nachträglich durch Umsetzungsakte zu sanktionieren. Die nationalen Regierungen nutzen ihrerseits diese Situation aus. Während ihre Rolle auf europäischer Ebene weitgehend intransparent bleibt, nutzen sie die nationalen Parlamente, um sich als Wahrer nationaler Interessen gegen den bürokratischen Moloch Europa zu profilieren.

Freude, schöner Götterfunken,

Athen, 2012

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Tochter aus Elysium,

Die besondere Rolle der Regierungen innerhalb der europäischen Institutionen untergräbt auf Dauer die Legitimität Europas insgesamt. Die Erosionserscheinungen sind bereits erkennbar. Die Zustimmung zu Europa und seinen Institutionen nimmt immer stärker ab. An der Delegitimierung Europas wirken nationale Regierungen, Parlamente und insbesondere auch das Bundesverfassungsgericht kräftig mit. Die Euro-Krise verschärft diese Situation noch mehr. Woher kommen die Bestrebungen zur Renationalisierung? Aus dieser Situation bieten sich verschiedene Konsequenzen an. Ein Teil der öffentlichen Diskussion möchte die Uhr der Integration zurückdrehen. Die Währungsunion soll aufgelöst werden und die Europäische Union auf eine bessere Freihandelszone reduziert werden. Eine solche Renationalisierung würde unweigerlich mit einem erheblichen Wohlstands- und Bedeutungsverlust einhergehen. Denn die internationale, insbesondere wirtschaftliche Verflechtung schränkt den Handlungsspielraum der Nationalstaaten systematisch ein. Die ökonomischen Zwänge führen zu einer wachsenden Abhängigkeit der Nationalstaaten, so dass auch eine Renationalisierung die demokratischen Erwartungen an ein höheres Maß an Selbstbestimmung nicht erfüllen kann. Die Renationalisierung Europas liefe auf eine Fremdbestimmung hinaus. Dies kann nicht im Sinne eines demokratischen Staatswesens sein. Wenn man aber die Notwendigkeit eines übernationalen Staatenverbundes in Europa erkennt, muss man bereit sein, auch die Demokratie über den Staat hinaus zu denken. Die Problematik des Demokratieverständnisses des Bundesverfassungsgerichts liegt nämlich darin, dass es Demokratie und Staatlichkeit zusammen denkt. Habermas hat dies in einem Beitrag für die Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht formuliert: Demokratie bedeutet vor allem Selbstbestimmung der Bürger. In einer Demokratie sind Bürger einzig den Gesetzen unterworfen, die sie sich nach einem demokratischen Verfahren gegeben haben. Diese Teilhabe an der Herr-


13 _Mehr vom Autor unter › Georg Jochum auf www.zu.de/mehr _Mehr zum Thema im Audio-Podcast › Lissabon

schaft wird organisiert über Wahlen von Repräsentanten oder Abstimmungen. Diese Teilhabe ist das Wesen der Demokratie. Damit ist grundsätzlich eine demokratische Teilhabe an der Herrschaft auch über nationale Grenzen möglich. Die Gegenthese, dass Demokratie nur in einem nationalstaatlichen Verbund möglich sei, beruht auf dem Missverständnis, das Volks- und Staatensouveränität zusammengehören. Es handelt sich um eine Idee des 19. Jahrhunderts. Zur Legitimation der Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts bedurfte es der Abgrenzung der Völker. Die Volkssouveränität war gewissermaßen die Kehrseite der staatlichen Souveränität, denn die Nationalstaaten sind im 19. Jahrhundert vielfach erst entstanden.

Welchen Fehler in der Entwicklung Europas würden Sie aus der Sicht eines Europarechtlers gerne rückgängig machen wollen? „Die Übermacht der nationalen Regierungen. Man hätte die nationalen Vertreter im Rat schon viel früher wählen sollen.“ Georg Jochum Welche Wege führen in die Zukunft? Reduziert man allerdings die demokratische Legitimation auf das, was es ist, nämlich eine Methode zur Herstellung der Identität von Beherrschten und Herrschenden durch Wahlen, so sind diese auch auf supranationaler Ebene denkbar. So stellt es die Souveränität der Mitgliedstaaten nicht infrage, wenn das von den Völkern gewählte Parlament die Kommission bestimmt. Auch wird die Souveränität der Mitgliedstaaten nicht infrage gestellt, wenn beispielsweise die Mitglieder des Rates von den nationalen Parlamenten oder direkt vom Nationalvolk gewählt werden. Für die Souveränität der Mitgliedstaaten ist es allein entscheidend, dass sie als Herren der Verträge letztlich darüber entscheiden, welche Entscheidungen auf welcher Ebene getroffen werden. Demokratische Mitwirkung des einzelnen auf europäischer Ebene durch Wahlen oder gar sogar Abstimmungen stehen diese Erwägungen nicht entgegen.

European values are generally thought to include respect for human rights, democracy, tolerance of the foreign, and openness to other cultures. To put it another way, the values that are proclaimed to be specifically European values are in fact universalistic, and one could rightly demand that non-Europeans respect them as well. Therein lies the entire difficulty that inevitably confronts those who would like to define European cultural identity by means of such values or analogous ones: namely, these values are too general, too universal, to define a specific cultural identity and to differentiate it from other cultures. On the other hand, the catalog of these values is too meager to do justice to the immense wealth of the European cultural tradition. The discourse on European cultural identity has been circulating this paradox for decades now. /Boris Groys, Europe and Its Others

1972 Committee of Ministers of the Council of Europe Ode to Joy European Anthem




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Das Volk fragen? Wen denn sonst! Interview mit Professor Dr. Patrick Bernhagen, Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politikfeld- und Verwaltungsforschung

Europa wird nicht nur in Folge der Eurokrise künftig enger zusammenarbeiten müssen als bisher. Und dafür wird auch die Bundesrepublik weitere Kompetenzen nach Brüssel übertragen müssen. Darüber sind sich die Politiker weitgehend einig. Nicht aber über den Weg dorthin. Zuletzt mehrten sich die Stimmen, das Volk darüber entscheiden zu lassen.

Wie nimmt ein Po- kratischen Entscheidung deutscher Bürger darüber, litikwissenschaft- wie weit die politische und wirtschaftliche Integraler aktuell den Dis- tion Europas gehen darf, werden dann wiederkehren. kurs über die Frage einer Volksabstim- Aber was werden die nutzen, wenn die Hürden für mung zur Zukunft eine Beteiligung der Bürger auf Bundesebene in Europas wahr? Deutschland eher hoch sind? In den vergangenen Monaten mehrten sich ja Rufe Natürlich bestehen Zweifel daran, wie ernst die jüngsaus den Höhenlagen der deutschen Politik nach ei- ten Vorstöße gemeint sind. Im Vergleich zu anderen nem Referendum über den zukünftigen Kurs der eu- Demokratien in Europa und anderswo gibt es in der ropäischen Integration. Nachdem Bundesfinanzmi- Bundesrepublik kaum Raum für die direkte Einbezienister Wolfgang Schäuble im Juni andeutete, dass die hung der Bürger in die nationale Gesetzgebung. Die Deutschen früher oder später über eine neue Demokratie in Deutschland ist schlichtweg nicht sehr Verfassung abstimmen müssten, um den Weg für direkt, und dieser Umstand wird von vielen Teilen der The slightest movement eine gemeinschaftliche Haftung der Eurozonen- politischen Klasse gestützt – von erfolglosen Reformwithin either person's Länder zu öffnen, folgten im August der SPD-Vor- anstößen einmal abgesehen, die alle paar Jahre von space of freedom can have sitzende Sigmar Gabriel und FDP-Fraktionschef verschiedenen Parteien – mit Ausnahme der Unionsimmediate effects on the thing, Rainer Brüderle mit ähnlich lautenden Argumen- fraktion – im Bundestag eingebracht werden. within the limits of its constraints, ten für eine Volksabstimmung zum weiteren euand the thing's reaction in turn ropäischen Einigungsprozess. Nachdem das Bun- Was sieht das Grundgesetz vor? acts unopposed on us. desverfassungsgericht allerdings am 12. Septem- Das Grundgesetz bestimmt zwar, dass die StaatsgeThis is a system of relations, ber seine Entscheidung zur Ratifizierung des walt vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgea set of exchages. Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) übt wird, für Abstimmungen zu Grundsatz- und Sach/Michel Serres, verkündet hatte, verebbten diese Rufe zunächst. fragen bleibt jedoch wenig Raum. Lediglich auf der The Natural Contract Ebene der Bundesländer darf es von Zeit zu Zeit direkDas Gericht signalisierte, es gehe anscheinend auch te Entscheidungen der Bürger zur verbindlichen Reohne Referendum. Wie sehen Sie das? gelung gemeinsamer Angelegenheiten geben – die Der durch Beteiligung am ESM erlittene Verlust an Volksentscheide über den Nichtraucherschutz in Baydemokratischer Selbstbestimmung bleibt nach An- ern oder zur Finanzierung des Stuttgarter Bahnhofssicht des Gerichts in den Grenzen dessen, was das umbaus erregten nicht zuletzt durch ihren AusnahGrundgesetz zulässt. Aber schon jetzt ist absehbar, mecharakter Aufmerksamkeit. dass in Zukunft höhere Haftungsgrenzen oder gar uneingeschränkte Haftung notwendig werden könnten. Diese würden die Budgethoheit des Bundestags weiter verkürzen; die Rufe nach einer direkten demo-

508-507 BCE Cleisthenes athenian democracy political organization


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Detroit, 2011

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_Antrittsvorlesung unter › Patrick Bernhagen Antritt Podcast

Aber trotz dieses engen Rahmens gibt es Bedeuteten Referenden und Volksentscheide auf Bundoch Möglichkeiten für ein Referendum desebene nicht auch einen schleichenden Abschied auf Bundesebene. Warum kommen sie von der repräsentativen Demokratie? „Nein. Fast alle nicht öfter zum Tragen? Auf Bundesebene kennt die VerfassungsStaaten der Welt, in denen das Wahlvolk von Zeit zu Zeit ordnung nur zwei, besonders außergedirekt über Sach- und Grundsatzfragen abstimmt, sind in wöhnliche, Fälle, in denen das Volk direkt erster Linie repräsentative Demokratien und werden dies entscheiden soll: die Neugliederung des Bundesgebietes (Artikel 29) und die Ablöauch aller Voraussicht nach bleiben.“ patrick bernhagen sung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung (Artikel 146). Aber selbst eine historische Ausnahmesituation wie die der deutschen Lissabon und dem ESM gezogenen Grenzen zur With the heroic hands of the Wiedervereinigung war anscheinend nicht außerge- Wahrung der Budgethoheit des Bundestages hipeople,Compatriots, let’s show wöhnlich genug, um den Bürgern zu ermöglichen, nausgeht, ist die Zeit reif für eine neue Verfaserect our Forehead, proud of nach Rückgabe der vollen nationalen Souveränität sung, die, im Wortlaut von Artikel 146 „von dem today for The history of an durch die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs ihrem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlosentire people, Our fathers, Land eine neue Verfassung zu geben. Die Forderung, sen worden ist“. Eine solche freie Entscheidung the people, valiant and bold, die Wiedervereinigung zum Anlass eines demokrati- kann nur durch einen Volksentscheid zustande At the virile protest of this man, schen Gründungsakts zu nehmen – komplett mit ver- kommen. Sein Gegenstand könnte eine deutsche The head of a consecrated fassungsgebender Versammlung und Volksabstim- Verfassung sein oder auch die Verfassung eines aristocrat Has at long last mung über die durch sie erarbeitete Verfassung – fand europäischen föderalen Systems – oder beides. crowned our vows and longings. einen ihrer entschiedensten Gegner im damaligen /Patricia Reed, Verses of a Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der sich Könnte es aber schlussendlich nicht auch risiNameless Land (National 1990 erfolgreich gegen eine Neukonstituierung des kobehaftet sein, eine solche Frage direkt in die Anthem Remix) deutschen Staates nach Artikel 146 durchgesetzt hatte. Hände des Volkes zu legen und somit zum Gegenstand eines dann leicht auch polemischen Gerade Schäuble jedoch sprach jüngst einen wich- Wahlkampfes zu machen? tigen Punkt an: nämlich dass die Dehnbarkeit des Aller berechtigter Kritik zum Trotze haben zum BeiGrundgesetzes im Zuge zukünftiger weitergehender spiel die erwähnten Abstimmungen in Baden-Würteuropäischer Integration bald ein Ende finden temberg und Bayern gezeigt, dass große Teile der Bevölkerung willens und fähig sind, sich die nötigen könnte. Was hieße das dann? An dem Tag, an dem die Übertragung nationaler Sou- Informationen zu beschaffen und zu verarbeiteten, veränitätsrechte an die Europäische Union ein Aus- um eine halbwegs informierte Entscheidung zu Framaß annimmt, dass über die vom Bundesverfas- gen zu finden, die sie direkt und wesentlich betreffen. sungsgericht in den Entscheidungen zum Vertrag von Angstszenarien unreflektierter Mob-Herrschaft halte ich im Kontext für ähnlich unbegründet wie anderswo auch. Allerdings könnte es natürlich passieren, dass das Wahlvolk eine ihm vorgelegte neue Verfassung mit weitreichenden Kompetenzübertragungen an die EU ablehnt. Das hätte erhebliche, manche würden sicher sagen verheerende, Folgen für den europäischen Einigungsprozess. Aber es liegt ja gerade in der Natur der Demokratie, dass es zu wichtigen Fragen mehr als nur eine Antwort gibt.


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Der Finanzsektor und die Resonanzkatastrophe Professor Dr. Marcel Tyrell, Buchanan Institut für Unternehmer- und Finanzwissenschaften

Die Dynamik von Finanzkrisen ist aufgrund der Ereignisse der letzten fünf Jahre ein intensiv untersuchtes Phänomen. Dabei interessieren sich Ökonomen insbesondere für die Frage, welche Voraussetzungen und Strukturen im Finanzsektor einer Krisendynamik Vorschub leisten. Denn nur wenn man solche Bedingungen sauber herausarbeiten und analytisch erfassen kann, ist auch eine wirkungsvolle Prophylaxe zur Vermeidung zukünftiger Finanzkrisen möglich. Aber ist dieser Anspruch erfüllbar? Gibt es erkennbare Vorbedingungen für Finanzkrisen, an denen man regulativ ansetzen kann?

Die Wissenschaft Vorfeld ausführlich auf Schwankungsresistenz gegen ist hier doch über- Kräfte getestet, die seitlich oder vertikal auf sie einwirwiegend skeptisch. ken können. Am Tage der Eröffnung, an dem es sonnig Dies liegt zu einem war und ein leichter Wind herrschte, geriet die Fußbeträchtlichen Teil gängerbrücke jedoch wenige Minuten nach der Freidaran, dass die Risiken, die sich in einer Finanzkrise gabe so stark in laterale Schwankungen, dass sich etentfalten, nicht exogene Risiken sind, die ihren Ur- liche Fußgänger an den seitlichen Halterungen festsprung außerhalb des Systems haben, sondern endo- halten mussten beziehungsweise es ihnen schwindlig gene, im System und ihren Akteuren angelegte Risiken. wurde. Die Brücke wurde daraufhin sofort gesperrt und erst 18 Monate später nach umfangreichen UmWas versteht man unter endogenen Risiken und wie baumaßnahmen wieder eröffnet. entwickelt sich deren Dynamik? Warum kam es zu diesem Desaster und was war genau Ein Ereignis aus dem Jahre 2000 in London kann hel- passiert? fen, dies zu erklären (vgl. hierzu Danielsson/Shin (2003) „Modern Risk Management: A History“, Risk- Am Tage der Eröffnung herrschte ein mäßiger seitliBooks). Im Millennium-Jahr 2000 wurde in London cher Wind, der die Brücke in eine ganz leichte Beweeine neue Fußgängerbrücke über die Themse fertig- gung versetzte. Diese Bewegung der Brücke führte gestellt, die die Kathedrale St. Paul mit der neuen dazu, dass einige Fußgänger die laterale Brückenbe„Tate Modern Gallery“ verbinden sollte. Es war der wegung ausgleichen wollten. Eine solche Ausgleichserste Brückenbau über die Themse seit mehr als 100 bewegung bedeutet jedoch, dass nun diese Fußgänger Jahren, geplant als eine leichte Konstruktion, die den automatisch in einen Gleichschritt fallen. Der GleichBlick möglichst wenig verstellen sollte. Die Brücke, schritt verstärkte die lateralen Schwankungen der die am 10. Juni durch die Queen eröffnet wurde, wur- Brücke und brachte noch mehr Fußgänger dazu, die de deshalb als eine Hängebrückenkonstruktion ohne seitlichen Schwankungen ausgleichen zu wollen. Imstabilisierend aufragende Pfeiler in der Mitte geplant. mer mehr Fußgänger fielen in einen Gleichschritt, das Sie wurde entworfen von einem der bekanntesten System schaukelte sich auf, die Schwankungen nahund erfahrensten Ingenieurbüros in England und im men zu, die Instabilität stieg.

1776

adam smith

the wealth of nations

modern economics (industrial revolution)


19 _Mehr vom Autor unter › Marcel Tyrell auf www.zu.de/mehr

Warum wurde dieses Risiko nicht in Betracht bezogen? Es ist seit langem bekannt, dass der Gleichschritt einer Vielzahl von Personen ungeheuerliche Kräfte entfalten kann – dann droht eine sogenannte Resonanzkatastrophe. Deshalb überqueren Soldaten Brücken nicht im Gleichschritt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Tausende Fußgänger, die sich unabhängig voneinander auf einer BrüSie sagen, große Finanzkrisen seien kaum progcke fortbewegen, zufällig in einem Gleichschritt gehen, ist Null und desnostizierbar. Warum aber haben einige wenige halb wurde dieses Ereignis nicht einkalWarner sie dennoch vorhergesehen? „Einige diekuliert.

ser Warner machen sich schon seit längerer Zeit mit Cassandra-Rufen einen Namen. Wenn ich andauernd Krisen vorhersage und eine meiner Vorhersagen tritt relativ zeitgenau ein, dann beruht dies nicht auf überlegener Erkenntnis.“ Marcel Tyrell

Detroit, 2011

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Der Fehler war, dass eine solche Berechnung nur stimmt, wenn man das Ereignis als exogenes Risiko auffasst. Was hier jedoch passiert ist, war die Entwicklung eines endogenen Risikos. Die leichte laterale Bewegung der Brücke hat eine individuell rationale Reaktion der Fußgänger hervorgerufen, nämlich diese Bewegung auszugleichen. Dies hat dazu geführt, dass sich die Fußgänger gleichgerichtet verhalten haben und damit die ursprüngliche Bewegung verstärkten. Aus dem Verhalten entstand ein endogenes Risiko, welche das Gesamtsystem destabilisierte, und die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Ereignis auftritt, wenn die Brücke schon durch Wind leichten Schwankungen ausgesetzt ist, ist nicht nahezu Null, sondern sehr hoch.


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Reagiert auch der Finanzsektor gleichgerichtet? Eine ähnliche Entwicklungsdynamik beobachten wir in Finanzkrisen. Ein anfänglicher Impuls, wie beispielsweise eine zu diesem Zeitpunkt unerwartete negative Preisveränderung in einem bestimmten Immobilienmarkt in den USA, führt Welchen Beitrag könnten weitere Fordazu, dass die betreffenden schungen leisten, um möglicherweise Institutionen im Finanzsektor eine Art „Vorwarnsystem“ zu entwigleichgerichtet reagieren. Sie versuchen in ihrer Gesamtheit, ckeln? „Es muss darum gehen, bessere die auf diesem Markt geschrie,Risikolandkarten‘ zu entwickeln. Die benen Finanzkontrakte, vorVernetzung des Finanzsystems mit den nehmlich verbriefte Kredite, abzustoßen. Dies verstärkt die übrigen wirtschaftlichen und gesellPreisdynamik nach unten und schaftlichen Subsystemen sollte dazu greift auf angrenzende Märkte im Mittelpunkt der Forschung stehen.“ über. Ansteckungseffekte resultieren, die sich über Märkte Marcel Tyrell und Landesgrenzen hinweg fortpflanzen und in einer globalen Krise münden. Es kommt zu Feedback-Prozessen, die durch MarktpreiSocrates and Critobulus se synchronisiert werden und das gesamte SystemC: It must, I should think, be the business of the good economist umfeld beeinflussen. Die individuell rationalen Handat any rate to manage his own house or estate well. lungen der Marktteilnehmer wirken gegenseitig verS: And supposing another man's house to be entrusted to him, he would be able, stärkend und setzen eine Abwärtsspirale in Gang, die if he chose, to manage it as skilfully as his own, would he not? kaum zu stoppen ist. Größere Finanzkrisen basieren since a man who is skilled in carpentry can work as well for another as for himself: somit auf endogenen Risiken, und sie sind genau desand this ought to be equally true of the good economist? halb auch kaum prognostizierbar. C: Yes, I think so, Socrates. S: Then there is no reason why a proficient in this art, even if he does not happen to possess wealth of his own, should not be paid a salary for managing a house, just as he might be paid for building one?

Warum ist aber gerade der Finanzsektor für solche Risiken anfällig?

C: None at all: and a large salary he would be entitled to earn if, after paying the necessary expenses of the estate entrusted to him, he can create a surplus and improve the property. S: Well! and this word "house," what are we to understand by it? the domicile merely? or are we to include all a man's possessions outside the actual dwelling-place? C: Certainly, in my opinion at any rate, everything which a man has got, even though some portion of it may lie in another part of the world from that in which he lives, forms part of his estate. S: "Has got"? but he may have got enemies? C: Yes, I am afraid some people have got a great many. S: Then shall we say that a man's enemies form part of his possessions? C: A comic notion indeed! that some one should be good enough to add to my stock of enemies, and that in addition he should be paid for his kind services. S: Because, you know, we agreed that a man's estate was identical with his possessions? C: Yes, certainly! the good part of his possessions; but the evil portion! no, I thank you, that I do not call part of a man's possessions. S: As I understand, you would limit the term to what we may call a man's useful or advantageous possessions? /Xenophon, The Economist

362 BCE

Eine zentrale Funktion des Finanzsystems ist die Fristentransformation, die er leistet. Das Finanzsystem in seiner Gesamtheit transformiert kurzfristige Verbindlichkeiten wie beispielsweise Einlagen in langfristige Forderungen wie zum Beispiel Kredite. Diese Transformationsfunktion ist die Grundlage unserer Geld- und Kreditwirtschaft und damit auch unseres Wohlstandes. Sie ist aber auch der Grund, warum der Finanzsektor so fragil ist. Denn die oben beschriebene Dynamik der endogenen Risiken kann nur einsetzen, wenn die Finanzinstitute gleichgerichtet handeln. Die Fristentransformation ist hier der anfängliche Impuls. Die Gefahr, dass den Finanzinstitutionen kurzfristig Liquidität abgezogen wird, zwingt sie in der Gesamtheit dazu, Vermögensgegenstände in fallende Märkte zu verkaufen. Insofern ist der Finanzsektor von seiner Grundstruktur dauerhaft fragil und damit instabil. Fragile Stabilität und stabile Fragilität kommen hier zusammen.

Xenophon Oeconomicus (the economist)

economics (household management)


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Resistenz durch Resilienz Professor Dr. Stephan A. Jansen, Lehrstuhl für Strategische Organisation & Finanzierung und Leiter des „Civil Society Center | CiSoC“

Man sollte schon locker bleiben, wenn es hart wird. Die Einsicht, dass Geschäfte, Märkte, Staaten und gesellschaftliche Entwicklungen noch verwundbarer und fragiler werden, stabilisiert sich. Resilienzmanagement, also die Fähigkeit der Restabilisierung nach Störungen, Schocks, Krisen wird für Organisation und deren Management im 21. Jahrhundert zur Alltagskompetenz. Aber wie sehen Designs des Diskontinuitätsmanagements aus?

fukushima, 2011

B4

Resilienzfähigkeit heißt die Hof fnung dieser Tage. Es ist eine besondere Tu rbu lenz-Toleranz, die immer dann von Nöten ist, wenn vom Widerstand gegen etwas auf eine Widerstandsfähigkeit für etwas umgestellt werden soll.

Terror, Natur- und Zivilisationskatastrophen, Wirtschaftskrisen, Staatspleiten, Konjunkturzyklen, Volatilitäten im Absatz oder rigide Regulierungsänderungen – all das gute Gründe, mal abzustürzen. Gab es in die 1980er Jahren das politische Projekt „great moderation“, also die Senkungshoffnung von Volatilität, leben wir nun wieder in einem „Paradigma der Plötzlichkeit“, die im engeren Sinne politische und u nter neh mer isc he Geistesgegenwä r tigkeiten braucht. Der Warnwert der Vokabel „Krise“ und des „Krisenmanagements“ hat nach einer Vergleichsanalyse von Soziologin Jenny Preunkert anhand des „Social Science Citation Index“ von 1960 zu 2010 deutlich verloren: Die Nennungen versechsfachten sich.


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schutz. Nun zeigten sich interessante Ergebnisse: Eine negative Korrelation zwischen Wiederaufstieg und Wir leben in Zeiten, in denen der „Schwarze Schwan“ Entlassungen einerseits und eine positive Korrelation nicht nur als Sinnbild für die Documenta 8 im Jahr zwischen der Höhe des Kassenbestandes und der Ent1992 stand, sondern für die neue Nassim Talebsche lassungspolitik andererseits. Widerstandsfähigkeit Normalität einer Gesellschaft, vorzugsweise über die entstand hier also durch erhöhte Kassenhaltung und extrem unwahrscheinlichen Ausnahmesituationen einer dadurch ermöglichten nachhaltigeren Personalund sogenannte „Anti-Fragilitäten“ zu spekulieren. politik auch in Zeiten der Volatilität. Southwest stellte Noch größere Vögel könnten aber auch als Inspirati- in der Folge von anderen entlassenden Fluggesellon für wahrhafte Turbulenzen herhalten – zum Bei- schaften ein und ist heute nach Delta die passagierspiel die Analyse von Krisen und Verwirbelungen der stärkste Fluggesellschaft der Welt. Luftfahrtindustrie selbst. Ein Forscherteam um Jody Hofer Gittel zeigte: Der Terrorangriff mit Flugzeugen Welche Ideen und Konzepte stehen hinter Resilienz? am 11. September 2001 war eine singuläre, extrem unwahrscheinliche Turbulenz. Alle Fluggesellschaf- Wenn man sich im Sturm mitbiegt, aber stabil bleibt, ten haben gleichermaßen unmittelbare wie massive dann beeindruckt das nicht nur Bambus-Züchter. Die Entsteht Resilienz durch Turbulenzen?

Wie erklären Sie sich das noch vergleichsweise junge Interesse an der Resilienz-Forschung? „Die Forschung hat anregende und bis heute stabile Urenkel in der Kybernetik, Komplexitäts- und Kognitionsforschung des frühen letzten Jahrhunderts. Nun haben wir es offenbar mit erhöhter interaktiverer Komplexität zu tun, die infektiöser, volatiler und existentieller ist als zuvor.“ Stephan A. Jansen Kurseinbrüche an den Börsen zu verzeichnen gehabt aktuellen Organisations- und Managementtheorien – börsenpsychologisch wie kundenpsychologisch gut widmen sich seit gut zehn Jahren vermehrt der Resilienz-Forschung. Kurz: Die Erforschung der Bedingungen, begründbar. Die Kursaufholung war jedoch ausgesprochen unter- wie der Ausnahmezustand in den (nächsten) Grundschiedlich: Während Southwest Airlines zumindest zustand überführt werden kann. Dabei geht es zuwieder 92 Prozent des Ausgangsniveaus vier Jahre nächst (1) durch prognostische Prävention, (2) um Respäter erreichte, lagen United Airlines und US Airways aktionsgeschwindigkeit in den Grundzustand und (3) lediglich bei 12 Prozent bzw. 23 Prozent diesen Niveaus. Vorteilserzielung durch Innovationsrenditen im UmUS Airways stand drei Jahre später unter Gläubiger- gang mit plötzlich geänderten Umweltbedingungen.

1969 Karl E. Weick The Social Psychology of Organizing

organization studies


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In welcher Form profitieren Sie selbst von der ResilienzForschung – sei es am Institut oder in der Universitätsleitung? „Container statt Marmortreppen. Redundanz statt Reduktion. Positive Paranoia statt Selbstsicherheit. Turbulente Studierende statt beruhigende Streber.“ Stephan A. jansen

Wenn in den Umwelt- robuste Transformation von Geschäft und dessen wissenschaften die Resi- Organisation. Diese Prinzipien sind abstrakt und deslienz von Ökosystemen wegen praktisch (vgl. auch in dieser Reihe „Im Feuer!“ (Umweltkatastrophen), 02/2009): in der Psychologie und Verhaltenswissenschaf- (1) Repertoire der Routinen: Zuverlässige informationelten die Resilienz psychi- le Überraschung scher Systeme (Trauer, Depression) oder in der Wie beobachtet man Überraschungen? Indem man Ingenieurwissenschaf- seine Beobachtungsroutinen beobachtet, ob sie genüten die Fehlertoleranz gend Überraschungen produzieren – also nicht nur technischer Systeme re- selbstähnliche, selbstbestätigende Information. Das levante Dimensionen der Repertoire der Routinen der Beobachtung muss selbst Resilienzforschung wa- divers sein. Eine Beziehungsfähigkeit mit Anspruchsren, basierten die Wirt- gruppen und sogar nicht mit unverwandten Nichtschaftswissenschaften und Managementtheorie Anspruchsgruppen hilft Komplexitäten der Beobachnoch lange auf dem als neoliberal verstandenen Hoff- tung zu erhöhen, um sie dann für die Unternehmen nungsprinzip der Selbstreinigungskräfte der Märkte. zu reduzieren. Der Organisationspsychologe Karl E. Die Verwundbarkeiten – ob bei Staaten oder den fra- Weick nennt das in Bezug auf den Anthropologen gilen Giganten, die absichtlich oder zufällig für Claude Lévi-Strauss „bricolage“ im Sinne des Verbums das „too big to fail-Prinzip“ stehen – erfordern von „bricoler“, Billard, Ballspiel, Jagd, Reiten oder Fahrrad… by living on a rug that jesting fahren beschreibend. Damit sind alle nicht vorgeder Politik fortwährend ad hoc-Maßnahmen. nature is ever ready to pull out zeichneten und nicht abstrakt erklärbaren Bewegunfrom under them they've got Widerstandsfähigkeit liegt in einem besonderen gen adressiert. Diese bewegliche Beobachtungsfäinto the habit of moving about Beziehungsmanagement des vermeintlich Fragi- higkeit von Überraschungen muss zuverlässig in a world of appearances: len, des Lockeren, des Unnötigen und des Noch- funktionieren und kann durch starke Krisen-Szenafragile, fleeting, revocable, Unsortierten. Nun stehen die Fragen der Kapazi- rien dieser Zukünfte vorbereitete Lösungs-Szenarien of trains that fly from planet täten und Geschwindigkeiten der Adaption wie schneller schalten lassen. Die Zeppelin Universität to planet, of samurai fighting Innovation (organisations- wie geschäftsmodell- hat mit DAX-Unternehmen über solche Schaltszenain an immutable past. bezogen) – kurz das Routinen-Design für Diskon- rien gearbeitet, die auch mit dann betroffenen BeteiThat's called tinuitäten – auf der managerialen Agenda und ligten schon vorverhandelt werden können. Die 'the impermanence of things.' Achtsamkeit steigt auf allen Seiten. mitunter auch auf der der Aufsichtsorgane. /Chris Marker, Sunless Was ist das Design resilienter Systeme?

(2) Tanz der Redundanz: Die Effizienz der Effizienzlosigkeit.

Auf Ernst Jünger bezugnehmend fordert die Design- Redundanz ist die Versicherungsprämie für resiliente anthropologin Yana Milev in ihren Überlegungen zu Hochrisiko-Unternehmen: sei es als „Redundanz durch einem „emergency design“: „Runter von den Ma- Ersatz“ (Notstromaggregate), „Redundanz durch Replimorklippen!“ In der neuen Tektonik werden fragilere kation und Verlinkung“ (Redundante Zugrifforte und Designs benötigt. Paläste sind bei Plötzlichkeit un- -wege) oder als „spiegelnden Redundanz“, die in den praktisch. Die beiden texanischen Managementfor- Einzelteilen die Information des Ganzen enthält. Rescherinnnen Cynthia Lengnick-Hall und Tammy Beck dundanz ist also teuer. Keine Redundanz kann teurer schlagen vor, die Resilienz-Kapazität einer Organisa- werden. Die Faustregel der Sicherheitsökonomie: „Jeder tion als firmenspezifisch einzigartige Mischung aus Euro für Risikominimierung spart an Folgekosten vier kognitiver, verhaltensbezogener und kontextueller bis sieben Euro.“ Versicherungen sind in diesem Falle Fähigkeit zur reaktionsschnellen Lösungsentwick- sowohl eine Vielfalt von Produkten, Märkten, Prozeslung und deren erneuerter Reflexion zu verstehen. sen und eben auch Finanzierungsmittel beziehungsEntweder für eine adaptive Veränderung oder eine weise ein potentielles Netzwerk von Akteuren, die

1998

Sandy Weill

too big to fail (citigroup)

repeal of Glass-Steagall Act


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Hilfe leisten können. Die klassische BWL kennt vor allem den Einsparungswert von Redundanz, aber noch immer wenig den Optionswert der Redundanz. Während auf Effizienz schauende Unternehmen im Dauerlauf von Reduktion und Wiederaufbau sind, tanzen redundantere resiliente Organisationen. Resilienz bekommt damit eine intertemporale Qualität: „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“. Redundanz ist ein vorgesorgter Zeit-Puffer, der einem im Paradigma der Plötzlichkeit erwartbar hilft. Dies ist übrigens bei Arbeitszeitkonten, Kurzarbeit und weiteren beschäftigungssichernden Flexibilisierungs-Maßnahmen erlebbar gewesen und wird es wieder sein.

port-au-prince, 2010

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(3) Demontage der Domino-Dominanz: Responsibilität durch Nicht-Responsivität

_Literatur: _Somers, Scott (2009): Measuring Resilience Potential: An Adaptive Strategy for Organizational Crisis Planning, in: Journal of Contingencies and Crisis Management, 17, 1 , S. 12 – 23. _Hoffer Gittel, Jody / Cameron, Kim / Lim, Sandy / Rivas, Victor (2006): Relationships, Layoffs, and Organizational Resilience: Airline Industry Responses to September 11, in: Journal of Applied Behavioral Science 42, S. 300-329. _Taleb, Nassim Nicholas (2010): Der Schwarze Schwan – Konsequenzen aus der Krise, München: Hanser. _Milev, Yana (2012): Emergency Design, Berlin: Merve Verlag. _Lengnick-Hall, Cynthia A. / Beck, Tammy E. (2005): Adaptive Fit Versus Robust Transformation: How Organizations Respond to Environmental Change, in: Journal of Management, 31, S. 738 – 757. _Das „Civil Society Center“ hat verschiedene nationale wie internationale Forschungsdimensionen u. a. gemeinsam mit der Siemens Stiftung oder der Caritas. _Mehr zum CiSoC auf www.zu.de/mehr unter › CiSoC _Mehr vom Autor unter › Stephan A. Jansen auf www.zu.de/mehr _Mehr zum Thema im Audio-Podcast › Resilienz

Domino-Spielen ist eigentlich nur überraschend, wenn ein Steinchen nicht umfällt. Resiliente Organisationen bei interaktiver Komplexität sind genau dann interessant, wenn es für ihre „corporate responsibility“ erforderlich ist, einmal nicht responsiv zu sein – also die Kettenreaktion der Krise zu unterbrechen. Dann entsteht ein Zeitgewinn, um Fehlerstreuung von einem Teilsystem in das Gesamtsystem zu vermeiden. Nicht-Responsivität bei komplexen Interaktionen vermeiden fehlerverschärfende enge Kopplungen. Während man einen linearen Domino-Effekt durch Überholen noch retten könnte, sind komViewed thus, our thinking finds itself plexere Kettenreaktionen nicht mehr überholbar, stuck between a constructed environment sondern nur unterbrechbar, indem man nicht die already present-at-hand and a technique Ursache ausschaltet, sondern sich verantwortlich still to be conceived by us. gegen die infektiöse Wirkung schützt. Resiliente We think accordingly in two directions: Organisationen schauen daher auf die Möglichin the direction of the past keit, sich Kettenreaktionen durch die Analyse von and in the direction of the future. einseitigen Abhängigkeiten zu entziehen. /Dick Raaijmakers, Method Was brauchen resiliente Organisationen? Resiliente Organisationen brauchen überraschungsroutinisierende, redudanzachtende und nicht-responsive Designs. Nur dann bleibt die Zeit in der Plötzlichkeit, um die Rückkehr zum Grundzustand oder eben auch eine Transformation noch zu erleben. Dann fliegt auch das turbulente Geschäft – so wie ein Stehaufmännchen aus Bambus.


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Die Crux mit der Frauenquote Interview mit Professor Dr. Christian Opitz, ZF Friedrichshafen-Lehrstuhl für Unternehmensführung & Personalmanagement Der Bundesrat hat ihre Einführung befürwortet, in der Regierungskoalition wie auch im Europäischen Parlament tobt über sie ein heftiger Streit: die Frauenquote. Wie sinnvoll aber wäre ihre Einführung tatsächlich? Untersuchungen aus Norwegen zeigen: Ihre Einführung könnte politisch gut gemeint, aber wirtschaftlich durchaus schädlich sein. Warum ist die Einführung einer Frauenquote über- Ahern und Amy K. Dittmar, untersuchen die Folgen der Einführung einer gesetzlichen Quote für weibliche haupt politisch in den Fokus gerückt? Frauen in Führungspositionen sind in Deutschland Aufsichtsräte in Höhe von eben jenen 40 Prozent in deutlich unterrepräsentiert. Dieser Befund gilt für norwegischen Unternehmen im Jahr 2003. Als „natürnahezu alle Bereiche des wirtschaftlichen, politischen, liches Experiment“ bietet der norwegische Fall für den kulturellen und gesellschaftlichen Lebens und wird Forscher einen entscheidenden Vorteil. Er erlaubt den von kaum jemandem ernsthaft in Frage gestellt. Strit- Vergleich der Performanz einzelner Unternehmen vor tig ist dagegen, wie mit diesem Befund umgegangen und nach der Einführung einer solchen Quote. Damit werden soll. Hier reichen die Vorschläge von der For- werden präzise Aussagen über den ursächlichen Einderung nach gesetzlichen Mindestvorgaben bis hin fluss dieser Vorgabe möglich. zu der extremen Position, dass geringe Frauenquoten Und wie sehen die Ergebnisse aus? eigentlich doch gar kein Problem darstellten. Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: Die EinfühNun gibt es erste Gesetzesentwürfe. Was sehen die rung der Frauenquote hat ökonomischen Wert in großem Ausmaß vernichtet. Unternehmen verlieren an konkret vor? Der Bundesrat hat auf Initiative des Hamburger Se- Marktwert, sind weniger profitabel und umgehen das nates erste Fakten geschaffen. Beschlossen wurde ein Gesetz, indem sie ihre Rechtsform ändern. Dabei Gesetzentwurf, der eine Quote für weibliche Auf- spielt das Geschlecht erwartungsgemäß keine Rolle. sichtsräte in nahezu allen großen deutschen Unter- Die neu berufenen Aufsichtsrätinnen sind vielmehr nehmen vorsieht. Die Umsetzung soll stufenweise deutlich jünger und weisen weniger Erfahrung in der von zunächst 20 Prozent im Jahr 2018 auf 40 Prozent Führung großer Unternehmen auf als ihre früher berufenen Kollegen; offenbar gab es seinerzeit einen im Jahr 2023 erfolgen. Mangel an geeigneten Kandidatinnen. Was sagt eigentlich die Wissenschaft zur FrauenSind denn die Verhältnisse aus Norwegen auf uns quote? Dazu passt eine wissenschaftliche Studie, die vor eini- übertragbar? gen Monaten im Quarterly Journal of Economics, einer Natürlich könnte man einwenden, Norwegen ist Norder renommiertesten Zeitschriften des Faches, publi- wegen und Deutschland ist anders. Tatsächlich gilt ziert wurde. Die beiden Autoren der Studie, Kenneth R. nun genau Norwegen als besonders fortschrittlich,

1893 Adult Women voting rights

New Zealand


27 _Mehr vom Autor unter › Christian Opitz auf www.zu.de/mehr

was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Teilhabe von Frauen in Führungspositionen anbelangt. Der Pool an erfahrenen Frauen, die sich für eine Position im Aufsichtsrat großer Unternehmen empfehlen, sollte in Deutschland also eher kleiner als größer ausfallen.

New Orleans, 2005

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Wie müssten sich rein praktisch Unternehmen verändern, damit Frauenquoten einfach überflüssig würden? „Neben Maßnahmen wie Work-Life-Balance oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen Unternehmen eine individuelle Unterstützung von Frauen, etwa durch Kontakt zu Vorbildern und entsprechende Mentoring-Programme, organisieren. Auf strategischer Ebene muss die Teilhabe von Frauen in den Führungsgrundsätzen und Leitbildern verankert und vom Topmanagement überzeugend gelebt werden.“ Christian Opitz Das klingt nicht gerade optimistisch. Wie können sich Unternehmen dennoch auf ein Gesetz zur Frauenquote einstellen? Sinnvoll wäre natürlich, den Anteil an Frauen in Führungspositionen auf allen Ebenen deutlich zu erhöhen. Die Aufsichtsrätinnen von morgen müssen heute die Chance bekommen, die Qualifikationen zu erwerben, die für eine effektive Kontrolle und Überwachung von Vorständen notwendig sind. The Bustle in a House Hier sind Unternehmen wie die Deutsche Telekom The Morning after Death AG, die als einer der ersten DAX-Konzerne eine Is solemnest of industries stärkere Teilhabe von weiblichen FührungskräfEnacted opon Earth – ten verbindlich geregelt hat, besser als andere The Sweeping up the Heart aufgestellt. Auf diese Weise kann ein notwendiger And putting Love away Kulturwandel in Gang gesetzt werden, der gesetzWe shall not want to use again liche Initiativen dann überflüssig macht. UnterUntil Eternity – nehmen müssen sich tiefer und nachhaltiger ver/Emily Dickinson, ändern, als es eine bloße Frauenquote im AufThe Bustle in a House, 1866 sichtsrat darstellen könnte.


Warum immer gleich, wenn anders schöner ist?

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Zwischen temporärem Wahnsinn und Demenz Professor Dr. Bruno Preilowski, Gastprofessur für Methoden in Verhaltens- und Hirnforschung

Es ist das Dilemma zwischen Stabilität und Fragilität: Unser Gehirn soll einerseits einen verlässlichen Speicher von Gelerntem für erfolgreiches Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Verhalten bereitstellen. Andererseits müssen diese Inhalte aber veränderbar und flexibel bleiben. Eine wichtige Rolle bei einer solchen Balance spielt die Gehirnplastizität – und das schon vor der Geburt bis ins hohe Alter. Lernt Hans wirklich nicht mehr, was Hänschen nicht lernte? Generell versteht man unter Gehirnplastizität die Fähigkeit des Zentralnervensystems, sich strukturell und funktionell aufgrund von Erfahrungen zu verändern. Es gibt unterschiedlich enge, durch genetische Programme vorgegebene Möglichkeiten und Grenzen der plastischen Veränderungen der verschiedenen Gehirnstrukturen. Ebenso ergeben sich im Verlauf der Ontogenese wechselnde Phasen der Labilität, in denen das Nervensystem mehr oder weniger anfällig oder – positiv gesehen – bereit ist, sich zu verändern. Aber bei allen Formen möglicher Plastizität gilt das Prinzip des Wettbewerbs um Kontakte zwischen den Nervenzellen und um die sich daraus ergebende gegenseitige trophische (wachstumsfördernde) Unterstützung. Werden die Kontakte einer Nervenzelle nicht aktiviert, dann verkümmern die Verbindungen und schließlich auch die von der trophischen Unterstützung abgeschnittene Zelle selbst. Im wahrsten Sinne des Wortes gilt: „Use it or lose it“.

Ursprünglich vermutete man aufgrund der durch die Enge des Geburtskanals eingeschränkten Kopfgröße und des typischen „Nesthockerverhaltens“ des menschlichen Säuglings, dass sich das Gehirn und Nervensystem erst nach der Geburt entwickelt und dann die Verhaltensmöglichkeiten stetig zunehmen können. Etwa mit dem Erreichen der Geschlechtsreife sei dann auch das Zentralnervensystem vollständig ausgebaut. Nach der Pubertät wäre somit auch keine Veränderung des Zentralnervensystems mehr möglich („Was Hänschen nicht lernt...“). Tatit’s not the large things sächlich würde zu dieser Zeit auch schon wieder that send a man to the madhouse. der Verlust von Nervenzellen einsetzen. Dieser sei death he’s ready for, zwar aufgrund der riesigen Menge an Zellen nicht or murder, incest, robbery, unmittelbar bemerkbar, aber schließlich würde fire, flood… doch mit zunehmendem Alter die Leistungsfähigno, it’s the continuing series keit stetig abnehmen und nur durch bessere Nutof small tragedies zung von zuvor erworbenen Fertigkeiten kaschiert that send a man to the madhouse… werden können. Zu diesen Annahmen schien auch not the death of his love die klinische Erfahrung zu passen, dass im Gegenbut a shoelace that snaps satz zum peripheren Nervensystem im Zentralwith no time left … nervensystem (Gehirn und Rückenmark) weder / Charles Bukowski, excerpt: neue Zellen gebildet werden, noch sich geschädigThe Shoelace te Zellen regenerieren können.

1889 Friedrich Nietzsche Wahnbriefe periodic psychosis


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die sich bis in das zweite Jahr nach der Geburt fortsetzt. Da erscheint es scheinbar widersinnig, dass zur gleichen Zeit schon ein Abbau bestimmter Zellen und Verbindungen beginnt, so dass am Ende des ersten Lebensjahres die Gesamtzahl der Synapsen schon wieder abnimmt. Die messbare Zunahme des Gehirngewichts nach der Geburt ist also vor allem auf das Wachstum der schon vorhandenen Nervenzellen und die fortschreitende Unter Berücksichtigung der Plastizität des Gehirns: Wie lernt Ausdifferenzierung ihrer Fortsätze sowie auf den Zuwachs an nichtman eigentlich richtig? „Für Veränderungen der Gehirnrepräneuronalen Zellen, insbesondere sentationen sind intensives Üben, Konzentration sowie Motivader Zellen, die durch ihre Umhültion und damit auch eine gewisse emotionale Beteiligung lung von Nervenzellfortsätzen diesen eine vielfach bessere Leiunabdingbar. Für die dauerhafte Einspeicherung sind möglichst tungsfähigkeit ermöglichen, zuvielfältige Verbindungen der neuen Inhalte mit schon vorhanrückzuführen. Der Großteil dieser Vorstellungen kann mittlerweile als korrekturbedürftig bezeichnet werden. Bezüglich der letzten Aussage müssen wir allerdings feststellen, dass im Zentralnervensystem neue Zellen und eine Regeneration geschädigter Neurone tatsächlich nur unter bestimmten Bedingungen im Tierversuch nachgewiesen werden konnten. Wir müssen also vor-

denen Wissensstrukturen wichtig; ebenso die immer wiederkehrende Aktivierung dieses Wissens.“ Bruno Preilowski erst davon ausgehen, dass die nachfolgend beschriebenen Plastizitätsphänomene – also funktionelle und strukturelle Veränderungen aufgrund von Erfahrungen – ohne die Bildung neuer Zellen möglich sind. Wie entwickelt sich die Plastizität im Säuglings- und Kindesalter?

Anywhere, anytime

B3

Bereits im ersten und zweiten Trimester der Schwangerschaft werden Neurone geboren und wandern zu den verschiedenen Gehirnteilen, wo sie dann vor Ort ihre jeweils spezifische Gestalt und Funktion annehmen. Im dritten Trimester geht die Ausdifferenzierung und das Wachstum des Nervensystems weiter. Hier findet auch eine überschießende Produktion von synaptischen Verbindungen zwischen den Neuronen statt,

Die erste plastische Phase, die durch überschießende Produktion sowie die selektive Entfernung („pruning“) von Verbindungen gekennzeichnet ist, ist tatsächlich eine sehr fragile: In dieser prä-, peri- und postnatalen Zeit ist das Gehirn besonders anfällig für traumatische und toxische Einflüsse, die zu schweren lebenslangen Beeinträchtigungen von senso-motorischen und kognitiven Funktionen führen können. Ebenso ergeben sich hier kritische Phasen, in denen das Nervensystem Umweltstimulation und Erfahrungen benötigt, um die richtigen Verbindungen zu verstärken und nicht benötigte abzubauen. Für die verschiedenen Modalitäten und Funktionen ergeben sich in dieser Periode unterschiedlich lang geöffnete „windows of opportunity“ für die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen. Das Besondere der Plastizität in diesen kritischen Phasen ist, dass die Veränderungen (positive wie negative) nach dem Schließen des jeweiligen zeitlichen Fensters nicht mehr rückgängig gemacht werden können: Ein Organismus ohne optische Stimulation nach der Geburt wird also keine visuelle Wahrnehmung entwickeln oder sogar erblinden. Die auditive Wahrnehmung wird sich auf den Bereich der Laute beschränken, die der Säugling in dieser Phase erfahren hat. Ein im asiatischen Sprachraum aufwachsendes Kind wird daher den Unterschied zwischen einem „l“ und einem „r“ nicht wahrnehmen und später auch nicht mehr erlernen können.


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Welchen Einfluss hat die Pubertät? Gesunde Kinder im Vorschulalter entwickeln sensomotorische und insbesondere sprachliche Funktionen mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Neben dem stetigen Zuwachs an Fähigkeiten und Fertigkeiten begeistern uns unsere Kinder etwa ab dem vierten Lebensjahr mit kreativen Anwendungen dieser Fertigkeiten, und zwar mit einfachsten Mitteln, mit spielerischem Witz und unbändigem Ausdruck, was Spielen soziale Reize ebenfalls eine Rolle? unsere Pinnwände und Fotoalben bis zum etwa zehnten Lebensjahr überquellen lässt. Aber dann beginnt Auch Eltern weniger musisch begabter Kinder werden diese lustvolle Kreativität allmählich verloren zu ge- die Jahre der Pubertät und Adoleszenz oft als eine hen, die ungewöhnlichen, aber originellen Zeichnun- schwierige Zeit in Erinnerung bleiben; einige Kinder gen und Malereien werden immer mehr durch wirk- ziehen sich zurück, wechseln sprunghaft ihre Vorlielichkeitsnähere, jedoch auch sehr stereotype Abbil- ben und Einstellungen, manche werden als emotional dungen verdrängt. Hier wirkt sich sicher aus, dass die schwierig beschrieben, erscheinen wie ausgewechKinder sich den Bewertungsmaßstäben ihrer Alters- selt oder gar „wie von einem anderen Stern.“ Hirnforgenossen anpassen. Aber es gibt offensichtlich auch scher machten für diese Phase des „temporären Unsicherheiten, die ihre Grundlagen in Veränderun- Wahnsinns“ vor allem den noch unterentwickelten gen des Gehirns haben, die zumindest mit hormonel- präfrontalen Kortex, der mit Verhaltensplanung und Verhaltenskontrolle in Verbindung gebracht wird, len Reifungsprozessen korrelieren. verantwortlich. Neuere Untersuchungen stellten nun Hinweise finden sich in einer mehrjährigen Langzeit- fest, dass in dieser Zeit das präfrontale Gehirn nicht studie. Hier wurden Kinder, die von Musiklehrern als nur noch nicht fertig ist, sondern dass es, genau vor begabt eingestuft worden waren, über mehrere Jahre Beginn der Pubertät, zu einer zweiten Phase der Probezüglich ihrer musikalischen Leistungen getestet. liferation von synaptischen Verbindungen und der Es wurden dabei nicht nur Tests des Gehörs und der selektiven Ausmerzung („pruning“ d.h. Beschneisenso-motorischen Fähigkeiten angewendet, sondern dung) kommt. Offensichtlich beginnt damit für das auch die kompositorischen und konzertanten Leis- Gehirn zum zweiten Mal ein sehr fragiler Zustand, tungen beurteilt. Mit Beginn der Pubertät kam es bei der alle Eigenschaften einer kritischen Phase besitzt. Jungen und in noch stärkerem Mase bei Mädchen zu Das bedeutet, dass es in dieser Zeit wiederum auf einer rapiden Abnahme der musikalischen Leistun- bestimmte Reize angewiesen ist. Man vermutet, Here the madman fell silent gen und des Interesses an kompositorischen Aktivi- dass es sich hierbei nicht oder nicht nur um Reize and looked again at his täten. Gleichzeitig stieg jedoch die Leistung, vor allem handelt, die die sensorischen und motorischen listeners; and they, too, were von Mädchen, in räumlichen Tests an. Für die Jungen Fertigkeiten weiter ausformen, sondern dass das silent and stared at him in konnte eine Korrelation mit dem Anstieg des Hor- Gehirn jetzt besonders empfänglich für den Einastonishment. At last he mons Testosteron festgestellt werden. Generell über- fluss von sozialen Reizen ist. threw his lantern on the treffen Männer die Frauen in räumlichen Leistungen, ground, and it broke into während Frauen in sprachlichen Funktionen domipieces and went out. “I have nieren. Hier wird ein Zusammenhang mit der lateracome too early,” he said then; len zerebralen Asymmetrie, also der unterschiedli“my time is not yet." chen Spezialisierung der linken und rechten Gehirn/Nietzsche, The Gay Science hälf te, für jeweils sprachliche und räumliche Aufgaben vermutet; diese asymmetrische Spezialisierung scheint bei Männern stärker ausgeprägt zu sein als bei Frauen. Und das wiederum wird mit dem Einfluss des Hormons Testosteron in Verbindung gebracht. Indirekt schließt man daraus, dass die musikalische Kreativität durch ein Gehirn begünstigt wird, dass noch keine geschlechtliche Festlegung erfahren hat. Sobald diese in der Pubertät erfolgt, kann es zu einem Verlust dieser Kreativität kommen. Einige Autoren sehen diese Annahme dadurch bestätigt, dass bei sehr produktiven Künstler, insbesondere Musikern, androgyne Züge zu beobachten seien.

500 BCE Alcmaeon of Croton Concerning Nature

Brain as Organ of Mind


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anywhere, anytime

C4

Weitere Informationen erhofft man sich durch kultur- Am besten erforscht sind diese plastischen Verändeund geschlechtervergleichende Untersuchungen. rungen bei den sogenannten Hirnkarten, vor allem Auch die Forschung über die Gründe dafür, dass in in den topographisch geordneten sensorischen und dieser Zeit bestimmte neurologische, neuropsycholo- motorischen kortikalen Repräsentationen. Hier fingische und psychiatrische Erkrankungen zum ersten den sich die räumlich geordneten Abbildungen beiMal manifest werden, könnte Hinweise liefern. In spielsweise der Gesichtsfelder, also der Bereiche der diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse neuer von den Augen erfassten visuellen Welt. Auch die Methoden der funktionellen und strukturellen sensorischen Wahrnehmungen der HautsinnesorgaBildgebung von besonderem Interesse. Sie zeigen ne sind für die Körperteile räumlich geordnet mit To My Maestro Pietro nämlich, welche Gehirnveränderungen während bestimmten Zellen des Kortex verbunden. Dabei haSing me a new song: dieser Phase des „temporären Wahnsinns“ vor- ben bestimmte Bereiche, beispielsweise die Stelle des the world is transfigured and kommen können und welche dann auch dauer- schärfsten Sehens in den Augen, die meisten Zellverall the heavens are joyous. haft bei beispielsweise entwicklungsbedingten bindungen und die größte Repräsentation im visuel-The Crucified One Schulleistungsstörungen, Depressionen oder Au- len Gehirn. Das Gleiche gilt auch für das Gesicht und /Nietzsche, Madness Letters die Finger, die im sensorischen Kortex mehr Zellen tismus zu beobachten sind. Letter to Peter Gast, 1889 besetzen als der Rest des Körpers. Was sind und was erfassen die sogenannten „HirnkarSind diese Karten lediglich zeitlich definierte Konstrukte? ten“? Selbst in der nun folgenden relativ stabileren Phase Vor ungefähr dreißig Jahren konnte man nachweisen, des Erwachsenwerdens geht die Entwicklung des Ge- dass die kortikalen räumlichen Karten lediglich zeithirns weiter. Vor allem die Myelinisierung, das be- lich definierte Konstrukte darstellen, die lebenslang deutet, die weitere Umhüllung von neuronalen Fa- veränderlich bleiben, je nach Art und Gewichtung von sern und damit die Verbesserung der Leitungsfunk- zeitlich korrelierten neuronalen Aktivitäten. Fehlte tionen, reicht in manchen Strukturen bis in die späten beispielsweise die neuronale Information von einem zwanziger Lebensjahre. Darüber hinaus aber bleibt bestimmten Finger, etwa durch eine Verletzung oder das Gehirn plastisch veränderbar auch ohne die Bil- den Verlust dieses Glieds, dann breitete sich die Reprädung neuer Nervenzellen. Dies erfolgt vor allem sentation der benachbarten Finger in die des fehlenden durch Veränderungen der synaptischen Kontakte. Die Fingers hinein aus. Später konnte dann auch gezeigt am häufigsten verwendeten Kontaktstellen werden werden, dass solche Veränderungen durch „normale verstärkt und verdrängen die Verbindungen von we- Erfahrungen“ bewirkt werden. Wenn Affen trainiert wurden, mit der Spitze eines bestimmten Fingers Oberniger genutzten Neuronen. flächenmuster zu unterscheiden, dann vergrößerte sich die Repräsentation dieser Fingerspitze im Gehirn. Vergleichbare Veränderungen konnten auch bei Menschen nachgewiesen werden. Beispielsweise fand man bei Braillelesern eine Vergrößerung der kortikalen Repräsentation des beim Lesen benutzten Fingers. Und bei Personen, die ein Saiteninstrument spielen, wurde ein vergrößerter kortikaler Bereich der Finger der linken Hand (mit Ausnahme des Daumens) gefunden. Die Ausdehnung dieses Bereichs korrelierte übrigens mit der Anzahl der Jahre der Instrumentalpraxis.


33 _Mehr vom Autor unter › Bruno Preilowski auf www.zu.de/mehr

„Use it or lose it“ – gilt das auch im Alter? Wie bereits kurz angedeutet, bleibt unser menschliches Gehirn ein Leben lang plastisch veränderbar. Es ermöglicht uns also auch, neue Dinge zu erlernen. Die Tatsache, dass das Lernen im Alter schwieriger ist, kann man nicht der mangelnden Plastizität des Gehirns zuschreiben. Das Lernen, das ja eine Veränderung von Nervenverbindungen beinhaltet, wird wahrscheinlich deshalb schwerer, weil das ältere Gehirn sehr viel mehr an fester gewordenen Verbindungen besitzt, die es zu überwinden gilt. Auch könnten die eingefahrenen Verhaltensweisen dazu beitragen, die Konzentration auf das Wesentliche zu beeinträchtigen und, bei anfänglichen Problemen, die Motivation zu verringern. Beides aber, Konzentration und Motivation, sind Vorbedingungen für jegliche Form erfolgreichen Lernens.

keiten anzuwenden. Insbesondere musische Aktivitäten, wie Singen, Tanzen und Musizieren scheinen den Patienten gut zu tun. Wenn man auch über die Empfindungen der Demenzkranken keine Auskünfte mehr bekommen kann, so scheint doch zumindest die Ausübung eine gewisse Ruhe für den Patienten mit sich zu bringen. Die ansonsten oft vorherrschenden Ängste und Unsicherheiten können so um einiges gemindert werden. Kann das Gehirn besonders „trainiert“ werden?

Pathologische Veränderungen des Gehirns nehmen Abschließend sei noch ergänzt, dass die kognitiven im Alter zu. Noch weitgehend ungeklärte Prozesse Aktivitäten durch körperliches Training unterstützt führen zu Ansammlungen von bestimmten Stoffen werden können und zwar in jedem Lebensalter. Auch in kritischen Gehirnstrukturen und führen dort zum hier gilt, nach der Regel „use it or lose it“, dass der Absterben bestimmter Neuronen und Zellen sowie größte Teil der senso-motorischen Leistungseinbußen zum Verlust wichtiger Botenstoffe und Übertragungs- im Alter durch Inaktivität erklärt werden kann. Mansubstanzen. Es wäre nun nicht gerechtfertigt, hier die gelnde körperliche Aktivität kann sich dabei über Hoffnung aufzubauen, dass man nach dem Prinzip „use it or lose it“ , auch über die normalen Plastizitätsprozesse Was kann man selbst dafür tun, die Plastizität des Gehirns hinaus, diese pathologischen Verändemöglichst lange zu erhalten? „Indem man sein Gehirn berungen beeinflussen oder gar verhinnutzt, wobei wirklich nur Tätigkeiten von Nutzen sind, bei dern könnte. Das scheint nicht der Fall zu sein. Im Augenblick müssen wir denen unsere Konzentration, Motivation und emotionale davon ausgehen, dass dementielle VerBeteiligung gefordert ist. In der routineförmigen Ausübunänderungen letztendlich der neokorgen wird der Neokortex, um dessen Plastizität es ja geht, tikalen Plastizität ein Ende bereiten. Ein Trost besteht zur Zeit nur darin, nicht wirklich gefordert.“ Bruno Preilowski dass die Kontrolle von hochgeübten Fertigkeiten, für deren Ausbildung der Neokortex unabdingbar ist, mit zunehmender Auto- direkte physiologische Veränderungen negativ auf matisierung auf andere Gehirnstrukturen wie bei- kognitive Funktionen auswirken. Aber auch indirekspielsweise die Basalganglien und das Kleinhirn über- te Auswirkungen sind bekannt. Beispielsweise kann gehen. Wenn also die Demenz die neokortikalen Struk- geringere körperliche Bewegung zu Schlafstörungen turen zerstört und so neues Lernen verhindert, besteht führen, die dann Stimmung und geistige Leistungsdoch immer noch die Möglichkeit, hochgeübte Fertig- fähigkeit negative beeinflussen. Bezogen auf die Gegensätze von Fragilität und Stabilität, könnte man vielleicht das Fazit ziehen, das es lohnt, sich um Balance zwischen den Extremen zu bemühen. Wobei es sich – über die Lebensspanne betrachtet – als naturgegeben zu erweisen scheint, dass diese Balance am Anfang und am Ende unseres Lebens besonders schwer zu erreichen ist: am Anfang wegen möglicher Extreme der fragilen Phasen und gegen Ende aufgrund der Extreme der Stabilität.

1969 Paul Bach-y-Rita sensory substitution

Neuroplasticity




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Die „Concordisierung“ der Rechtsordnung Professor Dr. Dirk Heckmann, Zentrum für Recht, Sicherheit und Vertrauen in elektronischen Prozessen am Deutsche Telekom Institute for Connected Cities

Das Internet scheint keine Grenzen zu kennen – weder beim Wachstum noch beim Persönlichkeitsschutz oder beim Datenschutz. Und das Internet verändert die Gesellschaft. Ob und inwieweit dies aber zu ihrem Wohl geschieht, sollte sie selbst entscheiden.

Überschallgeschwindigkeit: Wer diesen Begriff googelt, erhält seit dem 14.10.2012 zumeist Nachrichten zum Sprung des österreichischen Extremsportlers Felix Baumgartner aus der Stratosphäre. Erstmals überschritt ein Mensch damit eine Geschwindigkeitsmarke, die zuvor Maschinen vorbehalten war. Gemeint ist die Concorde, die Königin der Lüfte. Sie steht oder – besser gesagt – stand als Wahrzeichen für die rasante Technologieentwicklung zum Ende des letzten Jahrhunderts. Bei einer Maximalgeschwindigkeit von über 2.400 km/h (Mach 2,23) reduzierte dieses Verkehrsflugzeug die Flugzeit von Paris oder London nach New York auf 3 bis 3,5 Stunden. Damit verbunden war ein Flugzeugboom, der die Flugzeugindustrie in den 90er Jahren hoffen ließ. Dem Aufstieg folgte der Absturz einer Concorde am 26.7.2000 kurz nach dem Start bei Paris. 113 Todesopfer waren stille Zeugen einer „Schubumkehr der technischen Entwicklung“, die ich „Concordisierung“ nennen möchte. Im Gegensatz zu früheren Flugzeugabstürzen erschöpfte sich das „Nachspiel“ nicht in tech-

1865 International Telegraph Union

nischen Prüfberichten und (Medien-)Spekulationen zur Unfallursache. Vielmehr wurde die Concorde als solche sofort in Frage gestellt. Der „Spiegel“ titelte in seiner Ausgabe 31/2000: „Die Grenzen der Luftfahrt: Wie schnell ist zu schnell? Wie groß ist zu groß? Wie viel ist zu viel?“ Inwieweit kann und will sich die Gesellschaft ein Wachstum ohne Grenzen leisten? Citius, fortius, altius? Die Concorde hob ein letztes Mal am 26.11.2003 ab und landete im Museum. Kennt das Internet keine Grenzen? Zwölf Jahre später – der vermeintliche ConcordeNachfolger, der unbemannte „X-51A Waverider“, stürzte nur 31 Sekunden nach seinem Start in den Pazifik – entbrennt eine neue Diskussion um ein Wachstum ohne Grenzen. Im Visier: das Internet. Connected Life – die total vernetzte Zukunft. Die Zahlen sprechen für sich. Innerhalb von 15 Jahren stieg die Zahl der Internetnutzer von knapp 40 Millionen auf rund zwei Milliarden weltweit. Aus dem Web 1.0 der Homepages und Webshops wurde das Web 2.0 der Social Communities mit ihrem user generated content. Wir sind

communications Governance International Morse code


Damaskus, 2011

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bereits auf dem Weg zum Web 3.0, dem Semantic Web, der Anonymität, durch den viele Täter schlicht unerCollaborative Open Government und dem Internet kannt bleiben. Möglicherweise wandelt sich aber der Dinge. Inhalte werden kaum mehr auf lokalen auch der Begriff der persönlichen Ehre. Anzeichen Rechnern, sondern in der „Cloud“ gespeichert und hierfür zeigen die sogenannten Hass-Tweets über den abgerufen. Alles verknüpft sich mit jedem. 2012 er- Kurznachrichtendienst Twitter, die gleichermaßen scheint das Internet so wichtig wie Essen, Trinken Konjunktur haben (sogenannte Shitstorms). Man mag und Bewegung. 77 Prozent der Deutschen würden für meinen, dass viele Absender solcher beleidigender ein Jahr eher auf Alkohol, gar 89 Prozent auf Fast Food Tweets (wie seinerzeit gegen den ehemaligen Bunverzichten als auf das Internet. In Südkorea würden despräsidenten Wulff oder Ex-Minister zu Guttensich 41 Prozent für ein Jahr Internetnutzung ein Zöli- berg) von einer Legitimität ihres Tuns ausgehen: Ich bat auferlegen, wie die Boston Consulting Group in twittere so, weil ich es kann. Oder weil es der Angeeiner Studie ermittelt hat. Das Internet scheint keine sprochene verdient habe. Ist Strafrecht insoweit wirGrenzen zu kennen, ungeachtet der täglichen Kon- kungslos? Auf dem absteigenden Ast, um nicht zu flikte, die sich aus der Digitalisierung und zunehmen- sagen: vor dem Absturz? den Datenverknüpfung, aus der Anonymität und der Gier nach ständig neuen Anwendungen ergeben. Wie Was bedeutet Datenschutz in Zeiten von Smart Life? soll das Recht mit diesem Steilflug zwischen Wertschöpfung und Entwertung umgehen? Dies soll an „Kein anderes Produkt hat die Menschheit so schnell so radikal verändert wie das Smartphone. Es macht zwei Beispielen erläutert werden: frei, aber auch abhängig“. So leitete Thomas Tuma im Wie steht es um den Persönlichkeitsschutz in Zeiten „Spiegel“ 27/2012 seine Zwischenbilanz zum fünften Geburtstag einer Weltrevolution ein: „iPhone, also bin von Cybermobbing? ich“. Die Entwicklung ist so faszinierend wie dramaEhrverletzungen im Internet nehmen zu. Jeder drit- tisch. Wir tappen in die „Plug and Play“-Falle. Damit te Jugendliche wurde bereits Opfer des sogenannten ist der Umstand gemeint, dass die Nutzung informaCybermobbings, sei es dass jemand direkt online tionstechnischer Systeme auf eine Weise erfolgt, die bedroht oder beleidigt wurde oder üble Gerüchte im die Datenherrschaft der Betroffenen zugunsten von Internet verbreitet werden. Zuweilen werden auch Nützlichkeitserwägungen absorbiert. Das wiederum Benutzerkonten in sozialen Netzwerken in fremden ist Folge einer Verkettung mehrerer Faktoren: Namen errichtet, um diffamierende Inhalte einzustellen. Die perfiWarum ist bei eigentlich klaren Rechtslagen deren Durchdeste Form des Cybersetzung so schwierig? „Man könnte sagen: Wo kein Angeklagmobbings, das Portal ter, da kein Richter. Zur Durchsetzung braucht man mindestens isharegossip, verfolgte den Zweck, Beleidigunden Klarnamen und die Adresse, was bei anonymer Internetgen und Verleumdungen nutzung fehlt.“ Dirk Heckmann systematisch an deutschen Schulen zu ermöglichen. Es ist nach langjährig gescheiterten Bemühungen der Sicherheitsbehörden inzwischen vom Netz genommen. Die Rechtslage ist in all diesen Fällen eigentlich klar. Solche Aktionen erfüllen regelmäßig den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) und anderer Delikte. Obwohl formal strafbar, werden diese Straftaten de facto kaum verfolgt, wird kaum ein Täter zur Verantwortung gezogen. Dies liegt sicher auch am „Deckmantel“


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| Die Entwicklung leistungsstarker und bezahlbarer (auch mobiler) Endgeräte – insbesondere Smartphones, Laptops und Tablet-Computer – macht diese zum Alltagsgegenstand, vergleichbar mit Fernsehern oder Haushaltsgeräten, auf die kaum jemand verzichten will und verzichten muss (Faktor Verbreitung). | In Verbindung mit alltagstauglichen Applikationen (Software, „Apps“) führt dies zu einer „Consumerization of IT“, also der zunehmenden ITNutzung des Verbrauchers (privat und/oder am Arbeitsplatz). Hierzu trägt besonders die Digitalisierung des Alltags bei, wonach fast jeder Alltagsvorgang (Einkaufen, Kochen, Heizen, Gesundheitsvorsorge, Reiseplanung, Parkplatzsuche etc.) durch entsprechende Softwareprogramme als Internet- oder lokale Anwendungen unterstützt und ganz oder teilweise ersetzt werden kann: Smart Life im Sinne von Online Shopping, Smart Metering, E-Health, Smart Traffic etc. Dies kann in verschiedener Hinsicht sehr nützlich sein (Faktor Nutzen). | Die Nutzungsdichte erhöht sich durch Geschäftsmodelle der Hard- und Softwarehersteller, wonach die meisten Programme zu niedrigen Preisen, viele sogar kostenlos vertrieben werden (Faktor Preis). | Hinzu kommen die sehr einfache, geradezu spielerische Bedienbarkeit (Faktor Software-Ergonomie) | und die Attraktivität bestimmter Geräte und Anwendungen, wie etwa bei iPhone und iPad (Kultfaktor). No, I'm not dealing in metaphors. Nineteenth-century embroyologists and evolutionists were the first to try seriously to understand the development of one form from another as a natural process.

Zusammen genommen wird auf diese Weise leistungsstarke IT „unter das Volk“ gebracht und ihr nahezu permanenter und flächendeckender Einsatz gewährleistet: Die Menschen nutzen diese Technologien, weil sie nützlich, preiswert, attraktiv und besonders einfach (im Sinne von „Plug and Play“) gestaltet sind. Die Hersteller forcieren die Verbreitung durch ihre Geschäftsmodelle.

The gist of their definitions of development was this: differentiation emerging from generality. Only four words – but they describe development on every scale of time and size, whether animate or inanimate. /Jane Jacobs, The Nature of Economies

Dieses hier nur grob skizzierte Gesamtsystem setzt eine erhebliche, permanente und oft unmerkliche Erhebung, Verarbeitung und Übermittlung personenbezogener Daten voraus: Nur so können nämlich der günstige Preis („Daten als Währung“), der hohe Nutzen („Mehrwert durch Datenverknüpfung“) und damit die starke Verbreitung durch Netzwerkbildung („kritische Masse“) gewährleistet werden. Von einer „Plug and Play“-Falle lässt sich deshalb sprechen, weil diesem System ein hoher Verführungsgrad inne wohnt, der sich auf die Einwilligungsfähigkeit zur Datenverarbeitung auswirkt. Die Datenverknüp-

fung ist – zum Teil technisch, zum Teil auch durch das Geschäftsmodell bedingt – unmerklich, eine kritische Distanz der Nutzer hierzu weder erwünscht noch praktisch umsetzbar. Die Rechtslage ist eigentlich klar. Die permanente, vielfach unmerkliche und nachhaltige Datenverknüpfung verstößt gegen Datenschutzrecht. Sie wäre (etwa nach § 4 BDSG) nur gerechtfertigt, wenn und soweit der Betroffene in die Datenverarbeitung eingewilligt hat. Das aber scheitert schon daran, dass er Inhalt, Zweck und Reichweite der Datenverknüpfungen nicht versteht, aus Sicht vieler Anbieter auch nicht unbedingt verstehen soll und (aus Bequemlichkeit oder der starken Nutzenorientierung der verknüpften Applikationen) nicht verstehen will. Obwohl formal datenschutzwidrig, wird solches Gebaren de facto kaum unterbunden, weil daran nur derjenige ein Interesse hat, der das große Ganze, den Schutz der Privatheit und die Datenherrschaft an sich, im Blick hat. Möglicherweise wandelt sich aber auch der Begriff der Privatsphäre. Anzeichen hierfür zeigt der großzügige Umgang mit persönlichen Informationen auf Facebook. Man mag meinen, dass die Anbieter solcher datenfressenden Applikationen von einer Legitimität ihres Tuns ausgehen: Der Datenhunger wird gestillt, weil die Nutzer einfach nicht satt werden. Oder weil es technisch so einfach ist. Ist Datenschutzrecht insoweit wirkungslos? Auf dem absteigenden Ast, um nicht zu sagen: vor dem Absturz? Concordisierung des Rechts oder Concordisierung der Internetnutzung? Das Internet verändert die Kommunikation zwischen den Menschen. Die Kommunikation ist global, direkt, intensiver, schneller und, zumindest in der Wahrnehmung, rauer geworden. Damit ist sie anfälliger für Ehrverletzungen. Außerdem findet Kommunikation im Internet zunehmend durch automatisierte elektronische Prozesse statt. Personenbezogene Informationen werden für eine immer größere Zahl von Anwendungen benötigt; aus permanenten Datenverknüpfungen entstehen umfassende Persönlichkeitsprofile, die zwar auch für den Einzelnen nützlich sind oder zumindest so empfunden werden, die jedoch für ihn kaum mehr beherrschbar sind. Darunter leidet die informationelle Selbstbestimmung. Solche Risiken sind unterdessen mit konventionellen rechtlichen Mitteln nicht hinreichend zu steuern. Geund Verbote, Befehl und Zwang sowie gerichtlicher Rechtsschutz allein reichen nicht aus. Wollte der Gesetzgeber dieser Entwicklung wenigstens teilweise

1991 Tim Berners-Lee http://info.cern.ch/hypertext/WWW/TheProject.html World Wide Web


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entgegenwirken, müsste er die Internetkommunikation stärker regulieren (Vorratsdatenspeicherung, strikte Regelemtierung der Geschäftsmodelle von Internetdiensten). Dies dürfte derzeit aber kaum Akzeptanz bei den Betroffenen finden. Überdies bestehen auch verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Zwecktauglichkeit und Angemessenheit solcher gesetzlichen Restriktionen. Schließlich bedürfte es eines international abgestimmten Vorgehens, ist solche Internetkommunikation doch allein aufgrund der Rechner- und Serverstandorte nicht selten grenzüberschreitend. Bewirkt die rasante Entwicklung des Internet damit – zumindest in Teilbereichen – ein faktisches Außerkrafttreten geltenden (Straf-, Datenschutz- oder auch Urheber) Rechts? Oder kommt es, weil die Gesellschaft diese Entwicklung irgendwann nicht mehr hinnimmt, zu einer Schubkraftumkehr der IT-Entwicklung, der Abschaffung oder Einschränkung freier Internetkommunikation?

_Quellen und Vertiefungshinweise: _Dirk Heckmann, Persönlichkeitsschutz im Internet, NJW 2012, 2631-2635 _Dirk Heckmann, Smart Life – Smart Privacy Management, Kommunikation und Recht 2011, 1-7 _Dirk Heckmann, Shitstorms. Straftaten in 140 Zeichen, http://www.zu.de/deutsch/aktuelles_presse/Zurufe_NL/2012_05_21_ heckmann.php _Dirk Heckmann, Anonymität als Dilemma, DIVSI Magazin 2/2012, https://www.divsi. de/anonymitaet-als-dilemma _Thomas Tuma, iPhone, also bin ich, http:// www.spiegel.de/spiegel/print/d-86653834. html _Mehr vom Autor unter › Dirk Heckmann auf www.zu.de/mehr _Das TICC hat zum Ziel, den Forschungs- und Lehrbereich der angewandten Informatik und der Verwaltungsmodernisierung zu stärken. Unterstützt wird das TICC von der Deutschen Telekom AG. _Mehr zum TICC auf www.zu.de/mehr unter › TICC

port-au-prince, 2010

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Als im Netz bewanderter Wissenschaftler: Was tun Sie selbst, um sich gegen die Auswüchse zu schützen? „Mit offenen Augen ins Netz gehen, manche Nutzungsformen kritisch hinterfragen, sehr persönliche Daten nicht preisgeben.“ Dirk Heckmann Um dies zu verhindern, bietet es sich an, gemeinsam mit allen Akteuren der Internetkommunikation, also sowohl mit den Anbietern, als auch mit den Nutzern, Modelle des technischen Datenschutzes und einer gewissen Kompensation der unvermeidbaren Folgen für Opfer freier Internetnutzung zu entwickeln, vielleicht auch im Sinne einer Selbstregulierung. Parallel dazu bedarf es einer politisch hochrangig begleiteten Richtungsdebatte: In welchem Umfang soll die Freiheit der Internetnutzung durch Aspekte der Fairness, zum Beispiel dem Gebot der Rücksichtnahme oder der freiwilligen Selbstbeschränkung, begrenzt werden? In welchem Umfang soll die Nützlichkeit von Internetanwendungen durch Aspekte der Aufrechterhaltung von Datenherrschaft (Transparenz, Smart Privacy Management, etc.) begrenzt werden? Das Internet verändert die Gesellschaft. Ob und inwieweit dies zu ihrem Wohl geschieht, sollte sie selbst entscheiden. Der freie (und freiwillige) Fall des Felix Baumgartner endete glücklich. Er war wagemutig, aber kontrolliert.


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Ein Netz aus Individuen Junior-Professor Dr. Marian Adolf, Juniorprofessur für Medienkultur

Die Debatte um die neuen Medien oszilliert bis heute zwischen falschen Hoffnungen und übertriebenen Ängsten. Ein Blick in sozialund medientheoretische Grundlagen kann helfen, die schlimmsten Verirrungen der Debatte gerade zu rücken. So spektakulär die technisch-medialen Neuerungen der digitalen Medien auch sind: Die bedeutsamsten Veränderungen liegen in der Art und Weise, wie die Menschen diese einsetzen.

Dabei rückt erstmals in der Geschichte das Individuum ins Zentrum der gesellschaftlichen Kommunikation. Es scheint, als lebten wir in der Dauerkrise: Globalisierung, Umbau des Staates und seiner sozialen Sicherungssysteme, der Bildungspolitik und seit geraumer Zeit die internationale Wirtschafts-, Finanzund Staatsschuldenkrise. Fragilität allenthalben. Auch das Mediensystem befindet sich im Umbruch: Zeitungen verlieren Leser, alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, das Programmangebot der audiovisuellen Medien zersplittert in eine unüberschaubare Fülle, und so manch einer sieht in der Allgegenwart von Mobiltelefonen, Tablets und Laptops wieder einmal den Untergang des Abendlandes gekommen. Selten zuvor war die enge Verflechtung von Medienwandel und Gesellschaftswandel so deutlich zu beobachten wie heute. Dabei verdeckt die vielgehörte Krisen- und Umbruchsrhetorik oftmals langfristige und grundlegende gesellschaftliche Wandlungsprozesse. So wie Industrialisierung, Rationalisierung, Globalisierung und andere tiefgreifende, historische Transformationen die moderne Gesellschaft wesentlich mitgeprägt haben, so drückt sich

1938 Claude Shannon

im Begriff der Mediatisierung die wachsende Rolle der Medienkommunikation für die zeitgenössische Gesellschaft aus. Die „neuen Medien“ sind davon aber nur ein Teil und können nur im Kontext des Medienwandels als eines Wandels gesamtgesellschaftlicher Strukturen in den Blick genommen werden. Wächst die Wichtigkeit der Medien? Medientechnologien und die aus ihnen sich entwickelnden Medien spielten in der Entwicklung der modernen Gesellschaft von Beginn an eine zentrale Rolle: Nur durch die ihnen eigene Überwindung von Zeit und Raum, durch die nun mögliche immense Vergrößerung des Publikums und ihre im Vergleich zu anderen Modi der Kommunikation ungleich größere Kapazität konnten das immer schon fragile Konstrukt Gesellschaft überhaupt zusammenhalten. In der Medienkommunikation entsteht ein gemeinsamer Sinn- und Erlebnishorizont des heterogenen Sozialverbandes: Medien spiegeln und kreieren Gesellschaft im Modus der Kommunikation. Es ist offensichtlich, dass der Medienwandel daher Auswirkungen auf die gesellschaftliche Organisation und Kohärenz zeitigt, ein Umstand, der lange Zeit zu wenig Beachtung fand.

Boolean theory/electrical switches Information Theory


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Welchen Wert hat eigentlich in einer Medienwelt, in der alles kommuniziert wird, was kommuniziert werden kann, in Zukunft noch das Schweigen? „Natürlich wird auch in der Medienwelt der Zukunft noch geschwiegen werden, aber wohl bewusster als bislang: Die ,Werkseinstellung‘ einer umfassend mediatisierten Gesellschaft ist die Geschwätzigkeit (Hubert Knoblauch); aber noch stärker als dies bislang schon der Fall war, werden wir hinter dem Schweigen eine Botschaft vermuten: eine Intention, ein Geheimnis, einen Skandal.“ Marian Adolf

Die aktuelle Unübersichtlichkeit ist nicht zuletzt der Komplexität und Diversität der Lebensweisen in modernen Gesellschaften geschuldet. Zeitgenössische Sozialsysteme sind schlicht zu komplex, als dass es noch ein gesellschaftliches Zentrum gäbe, von dem aus man einen umfassenden Überblick hätte. Während manche soziale Bereiche von der Mediatisierung bereits umfassend erfasst sind, herrscht in anderen noch die Normalität des alten Regimes. Und während die einen ihren medialen Alltag noch zwischen Frühstückszeitung und Tagesschau absolvieren, sind andere längst always-on und leben eingebettet in die kommunikativen Bande von Facebook und anderen sogenannten Social Network Sites (SNS). Neben diesen SNS erlauben Twitter, 4chan, reddit, WhatsApp und andere Plattformen neue Informations- und Kommunikationsmuster, und zahllose Blogs dienen der Reflexion und Debatte aktueller sozialer Themen. Eine hybride Medienkultur entsteht, in der die Inhalte der traditionellen Medien via Links in die mass-self-communication (Manuel Castells) eingebaut werden. So entsteht ein umfassender, personalisierter Informations- und Kommunikationskreislauf, der Familie und Freunde, Bekannte und Unbekannte, Individuen und Organisationen lose koppelt. Nicht nur, dass die kommunikative Alltagswelt jüngerer Generationen radikal anders scheint, als die, die man selbst erlebt (hat): Die netizens – also die Bewohner des Lebensraumes Internet – machen sich heute auch außerhalb ihres angestammten virtuellen Raumes breit. Die Piratenpartei entert Landesparlamente, die Hackergruppe Anonymous liefert sich einen Cyber-Krieg mit Regierungen und Unternehmen, und blutarme WikiLeaks-Aktivisten verbreiten vertrauliche Informationen per Mausklick in alle Welt.

Sind die Medien in der Pubertät? Dieses neue Regime ist in der Tat fragil. Aufgrund von divergierenden Adoptions- und Nutzungsmustern der neuen Medien entstehen neue Gräben in der gesellschaftlichen Kommunikation. Manche Medienangebote verschwinden, bevor sie sich etablieren konnten. Politiker und Werbetreibende machen sich auf Twitter lächerlich, die traditionellen Erlösmodelle der publizistischen Medien funktionieren nicht mehr richtig, und die Diskussion um den Umgang mit geistigem Eigentum und gesellschaftlichem Wissen tobt allenthalben. Dabei braucht uns das alles nicht zu wundern: Aus der Mediengeschichte wissen wir, dass neue Medien nicht „fertig“ zur Welt kommen. Sie haben eine Kindheit und Adoleszenz, wie Menschen auch. Die Frühphasen sind meist von Versuch und Irrtum geprägt, denn auch Medien müssen – was etwa typische Präsentationsformen und Inhalte betrifft – erst „zu sich“ kommen. Dabei ist wichtig: Nicht die technologische Form allein bestimmt Gebrauch und Kapazität des Mediums. Erst in der organisatorischen, regulatorischen und praktischen Umsetzung erhalten Medien ihre typische Form.

1989 Manuel Castells space of flows networked economy


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The proof that the state is a creation of nature and prior to the individual is that the individual, when isolated, is not self-sufficing; and therefore he is like a part in relation to the whole. But he who is unable to live in society, or who has no need because he is sufficient for himself, must be either a beast or a god: he is no part of a state. /Aristotle, Politics, 1253a

Solche chaotischen Phasen des Experimentierens gehen, auch das wissen wir, mit polarisierten gesellschaftlichen Debatten einher: Medienumbrüche oszillieren in ihrer Beurteilung zwischen Medienutopien („Alles wird besser, und zwar von selbst!“) und dytopischen Szenarien des Unterganges („Tschüss, Abendland!“). Dazwischen entwickelt sich langsam und non-linear durch immer neue Applikationen das eigentliche Potenzial der neuen Technologien. Clay Shirky bezeichnet diese typische Unterdeterminiertheit der Medien als „sozialen Mehrwert“, von dem man noch nicht weiß, was man damit alles anstellen kann. Denn die meisten wahren Innovationen überfordern uns (Donald Schön), ist unser Alltagsverständnis der Welt doch geprägt von Routine (Alfred Schütz) und Imitation (Gabriel Tarde). Die aktuelle Fragilität ist also auch ein Überforderungsphänomen! Steckt eine Evolution hinter der Revolution?

Bagdad, 2006

A2

Im Gefolge der Medienentwicklung kommt es zu einer beschleunigten Evolution sozialer Beziehungen, die die zunächst reine Potenzialität der neuen technologischen Mittel langsam mit Leben füllen. Die hier vertretene These lautet, dass die neuen Medien- und allen voran die vieldiskutierten sozialen Netzwerke (Social Network Sites wie Facebook) beständig die Architektur sozialer Kommunikation umbauen. Dieser Umbau erfolgt graduell, ungleichmäßig und findet


43 _Mehr vom Autor unter › Marian Adolf auf www.zu.de/mehr _Mehr zum Thema im Audio-Podcast › Kommunikationswelt

an manchen gesellschaftlichen Orten schneller statt als an anderen. Vor allem aber setzen diese Veränderungen auf nicht-medialen und bisweilen langfristigen sozialen Wandlungsprozessen auf, ohne deren Mitwirkung die konkreten Veränderungen nicht zu verstehen wären. So werden die neuen Medien vor allem zur Aufrechterhaltung und Intensivierung bestehender Sozialkontakte verwendet. Das soziale Leben verlagert sich nicht einfach in neue Sphären, sondern benutzt die laufend entstehenden neuen Kommunikationsnetze zur Weiterentwicklung des Bestehenden. Dadurch vergrößert sich die Handlungsfähigkeit der Individuen und kleiner sozialer Gruppen relativ zum Gesamtgefüge der gesellschaftlichen Kommunikation. Nur in Wechselseitigkeit aller beteiligten Prozesse lässt sich die gegenwärtige Situation verstehen: Wissen, Motivation und andere kognitive wie soziale Ressourcen bilden die Grundlage der Nutzung und somit zugleich der Verwirklichung neuer sozialer Beziehungen. Anders gesagt: Nicht Facebook macht Revolution, sondern seine Nutzer, die es im Rahmen der technischen Möglichkeiten für diese verwenden – oder eben auch nicht.

Athen, 2012

A2

Wie verschiebt sich die Architektur der Kommunikation? Im Herzen der aktuellen Entwicklung liegt sodann eine Verschiebung der Architektur der gesellschaftlichen Kommunikation. Im Gefüge der neuen netzbasierten Medien rückt das Individuum ins Zentrum der kommunikativen Ströme. Zur gesteigerten Wahlmöglichkeit der Rezeption angesichts des explodierenden Angebots an Medienangeboten tritt die viel thematisierte Möglichkeit, selbst zum Akteur der öffentlichen Kommunikation zu werden. Schließlich bieten die Netzwerkmedien als dritten wesentlichen Aspekt neue Möglichkeiten der Verteilung von Information:

Jedes vernetzte Individuum ist ein Knoten im immer umfassenderen Netzwerk sozialer Kommunikation. Die von Manuel Castells umfassend elaborierte Metapher des Netzwerkes findet ihre Verkörperung in den immens erfolgreichen Social Network Sites wie etwa Facebook (das mittlerweile von über einer Milliarde Menschen weltweit genutzt wird!). Immer häufiger steht das Individuum – nicht mehr die Institution – im Zentrum der medialen Infrastruktur: Wir alle werden zum Bestandteil der kommunikativen Bahnen. Die Entdeckung der Wichtigkeit individueller Sozialkontakte, die schon in den 1950er Jahren der Kommunikationsforschung eine Zäsur zufügte (Katz und Lazarsfeld bezeichneten dies 1955 als „two-stepflow“ der Medienkommunikation), kehrt in neuem Gewand zurück. Der Unterschied besteht darin, dass die einst sozial und räumlich recht eng umschriebenen Sphäre der interpersonalen Kommunikation heute medial verstärkt, potenziell global und für alle zugänglich sind. Gibt es eine neue Zentralität des Einzelnen? Und so treffen sowohl die optimistische wie auch die pessimistische Beurteilung der neuen Medienkultur zu, denn Fragilität ist Chance und Bedrohung zugleich. Die neuen Medien bieten eine nie gekannte Vielfalt des Kommunizierens, Kooperierens und Lernens, und nie zuvor in der modernen Gesellschaft war es leichter, mit eigenen Anliegen an die Öffentlichkeit zu gelangen. Nur gilt dies für neue Ansätze in der Entwicklungshilfe genauso wie für WikiLeaks’ radikales Transparenzverständnis oder die obskuren Machwerke radikaler Islamhasser. Die Liste ließe sich auch mit weniger dramatischen Beispielen lange fortsetzen. Der Leitsatz unserer zeitgenössischen Medienkultur scheint zu lauten, dass alles, was kommuniziert werden kann, kommuniziert werden wird! Doch alle diese Ereignisse haben den gleichen Nenner: die neue Zentralität des Einzelnen im Rahmen einer weiterhin dichter werdenden kommunikativen Infrastruktur. Zum ersten Mal überhaupt steht das Individuum im Schaltplan der gesellschaftlichen Kommunikation dort, wo es die Moderne weltanschaulich immer schon verortet hatte: im Herzen seiner kommunikativen Welt.

1944 blindtextzeile Paul fuer Lazarsfeld particia et al. Multistep 1915 Alfred Wegener Flow Model continental drift

Social plate Influence tectonics


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Kann man eigentlich Nachfolger von Familienunternehmen ausbilden? Nein, aber ... ... wir können versuchen – trotz Universitäten – unternehmerische Charaktere hervorzubringen. Daher versteht sich die Zeppelin Universität als eine unternehmerische und unternehmensermöglichende Stiftungsuniversität zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik. Überdurchschnittlich viele Studierende gründen ihre eigenen Unternehmen – jeder fünfte denkt darüber nach. 2009 wurde das Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen | FIF gegründet. Jetzt im dritten Jahrgang: der berufsbegleitende Master-Studiengang nur für Familienunternehmen. Können Familienunternehmen neben den besten Produkten auch den besten Nachwuchs selbst produzieren? Wie geht nicht nur die Nachfolge des Unternehmens sondern auch des Vermögens? Hat eine rechtliche und emotionale Family Governance Auswirkungen auf den kaufmännischen Erfolg? Welche Besonderheiten der Finanzierung und Forschung bestehen in Familienunternehmen? Und welche gesellschaftlichen Verantwortungen übernehmen Familienunternehmen? Der Executive Master for Family Entrepreneurship | eMA FESH – für die nächste Generation der Familienunternehmen. 21 Monate. 20 Dozenten. 1 Projekt. 1 Sommerakademie – Indien, China oder Brasilien. 20 gleichgesinnte Familienunternehmer. Und 1 einmaliges Netzwerk. Jetzt bewerben für den nächsten Studienstart Oktober 2013. Mehr Informationen unter www.zu.de/emafesh oder ursula.koners@zu.de

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Regierungen müssen neue Medien verstehen lernen Interview mit Professor Dr. David L. Altheide, Arizona State University, im Herbst 2012 „Fullbright Senior Specialist“ im ZU-Forschungsverbund „Mediatisierte Moderne“

Das Mohammed-Schmähvideo mit seinen weitreichenden Folgen in der arabischen Welt ist ein Phänomen der mediatisierten Moderne. Ein Phänomen, das Fragen zur Rolle der Medien bei der Entstehung von Konflikten und ihrer Deutungsmacht über die Realität aufwirft. Denn: Medien vereinfachten die Realität so sehr, bis ein falsches Bild entstehe, meint der Soziologe.

Welche Rolle spielt die Berichterstattung über das nur sehr wenige Menschen Zugang zu diesen Medien. Mohammed-Schmähvideo angesichts der Aus- Die aktuelle Situation ist vergleichbar mit einem soschreitungen in der arabischen Welt? ziologischen Experiment: Ist es möglich, dass eine Vor allen Dingen sollten wir die Macht des Internets Person tausende von Personen und Diplomaten weltund konkreter die Rolle sozialer Netzwerke in unse- weit gegen sich aufbringen und sogar inoffizielle rem Leben anerkennen. Besonders interessant an der Morddrohungen von Regierungsrepräsentanten proaktuellen Situation ist für mich, dass eine einzelne vozieren kann? Person für die Entstehung dieses Videos verantwortlich ist. Vor einigen Jahren hätte die Stimme einer …und es war möglich. Person die Aufmerksamkeit seiner Freunde erregt, Das zeigt uns, wie mächtig die neuen Medien schon aber hier hat es ein Individuum paradoxerweise ge- sind. Das Problem liegt nun darin, dass weite Teil der schafft, Staatsoberhäupter zu beschäftigen und mas- Welt ihre Erwartungen, die diplomatischen Kanäle sive Ausschreitungen und Zerstörungen auszulösen. sowie die Reaktionsgeschwindigkeit und -art noch nicht daran angepasst haben. Doch das ist dringend Warum wird die Stimme eines Einzelnen so ernst notwendig, da mediale Phänomene wie das Mohamgenommen? med-Video zur Normalität gehören werden. In der internationalen Diplomatie ist die Realität der neuen Medien noch nicht angekommen. In der Ver- Wie sollten Regierungen konkret damit umgehen? gangenheit wurden Vorkommnisse dieser Art von Vor allen Dingen sollten die Staatsoberhäupter und Staatsoberhäuptern sanktioniert, weil die globale ihre Mitarbeiter eine Art Ausbildung zum Wesen der Kommunikation mehr oder weniger mit offiziellen neuen Medien und der durch sie hervorgebrachten Positionen übereinstimmte. Es hatten schlichtweg kommunikativen Umwelt durchlaufen. Außerdem

2006

Jack Dorsey just setting up my twttr (first tweet) Twitter


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When people choose To live by life’s will, Fate can do nothing but give in; The night discards its veil, All shackles are undone. Whoever never felt Life celebrating him Must vanish like the mist; Whoever never felt Sweeping through him The glow of life Succumbs to nothingness. / Abu al-Qasim al-Shabi, The Will of Life, early 1900's

ist es entscheidend, dass die Regierungen verdeutlichen, dass dies Ansichten einer einzelnen Person sind und diese nicht akzeptiert und unterstützt werden. Aber angesichts der existierenden Technologie und der Freiheit, die von den Vereinigten Staaten und großen Teilen der zivilisierten Welt hochgehalten wird, müssen wir diese Meinungsäußerung so hinnehmen. Präsident Obama sagte kürzlich in seiner Rede vor der UN-Vollversamm lung, dass er es uneingeschränkt akzeptiere, dass sich einzelne Personen im Netz über ihn lustig machen und ihn beschimpfen. Er finde das zwar nicht gut, aber so funktioniere eine freie Gesellschaft nun mal.

Zeigt aber das durch die Medien vermittelte Bild über die Ausschreitung in der arabischen Welt nicht auch, dass eine Distanzierung der Regierungen vom Video die Situation nicht entschärft? Der wichtigste Aspekt ist, dass die meisten Menschen in der muslimischen Welt die gewaltsamen Ausschreitungen nicht unterstützen. Religiöse Menschen allgemein, eine gewisse Grundbildung vorausgesetzt, unterstützen in aller Regel keine Gewalt. Es ist schlichtweg ein Fehler zu behaupten, dass die Ausschreitungen die Reaktion der arabischen Welt auf das Video ist. Typischerweise sind es bestimmte Gruppen in einem Land, in einem politischen System, die diese Situation zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.

Die Medien vermitteln uns also ein falsches Bild von der arabischen Welt? Das liegt in der Natur der Massenmedien. Sie brauchen spektakuläre Bilder, zeigen Gewalt und verwenden einfache Geschichten: Die muslimische Welt gegen die Vereinigten Staaten zum Beispiel. Es müsste viel mehr Mühe aufgebracht werden, um das Geschehen in einen Kontext einzuordnen. Es sollte berichtet werden, was andere Menschen, die nicht in das einfache Deutungsschema passen, zu sagen haben. Es sollten die vier oder fünf anderen Seiten einer Geschichte gezeigt werden, um die Komplexität zu verdeutlichen.

Wie erklären Sie sich, dass Journalisten nach Ihrer Einschätzung zunehmend „falsche Eindrücke vermitteln“, statt Klarheit zu schaffen und Bedeutung zu erklären? „Das Problem für viele Journalisten besteht darin, dass die Anforderungen ihrer Medienorganisation, der Zeitdruck aber auch ihre Ausbildung dazu führen, dass knappe, einfache und gefällige Beiträge produziert werden. Gerade Fernsehjournalisten sind dabei gehalten, solche Geschichten zu machen, für die attraktives Bildmaterial vorliegt.“ David L. Altheide

Aber damit würde die Massenmedien nicht mehr ihrer Systemlogik folgen: dem Präsentieren von einfachen Wahrheiten. Natürlich, das ist Teil der Medienlogik. Aber ich bin nicht sicher, ob die Regierungen wirklich die gegenwärtige Dynamik des Medienwandels erkannt haben, verstehen, wie die verschiedenen Medien funktionieren, welchen Einfluss sie haben und wie sie die Machtverhältnisse ändern. Medien bieten heutzutage auch für einzelne Personen eine Plattform, die es ermöglicht, die Interessen von sehr kleinen gesellschaftlichen Gruppen zu verfolgen. Darauf sollten wir vorbereitet sein, weil dieses Phänomen häufiger auftreten wird.

1996

Qatar Media Corporation Al Jazeera

multimedia news


47 _Mehr vom Autor unter › David L. Altheide auf www.zu.de/mehr

Damaskus, 2011

D1

Der deutsche Philosoph Peter Sloterdijk sagte, Terrorismus ist die Kunst, von sich reden zu machen. Was sagen Sie dazu? Das ist der entscheidende Punkt. Politiker spielen gern mit dem Diskurs über Angst und der Gefahr, die angeblich überall lauert. Sie benutzen dies für ihre Kann die mediale Berichterstattung einen Konflikt eigenen politischen Zwecke. Bestimmten Zuschauer- gar verschlimmern? gruppen wird es so sehr einfach gemacht, sich eine Sie kann einen Konflikt anheizen und StereotyMeinung über die andere Seite, zum Beispiel der mus- pen verstärken. Dann heißt es: Wir gegen die anlimischen Welt, zu bilden. Aber die Medien vermit- deren, anstatt die Diversität und Komplexität teln eben oftmals ein falsches Bild, sie thematisieren eines Konfliktes zu beleuchten. Aber der entscheidiesen Konflikt zwischen Ost und West und lassen dende Punkt bei der Berichterstattung über Ausihn real erscheinen. Und das dient natürlich be- schreitungen in der arabischen Welt, die die Bilder von brennenden Häusern hervorbringen, ist die stimmten politischen Interessen. Deutung dieser Bilder. Wie interpretieren wir sie, natürlich verurteilen wir die Vorgänge, aber was bedeuten sie konkret? Man kann es Rebellion, Aufstand oder schlicht strafbare Handlung nennen, und diese Bezeichnung spielt eine Rolle. Aber es macht einen Unterschied, ob man diese Vorgänge dann so darstellt, als wäre es die geschlossene Reaktion der muslimischen Welt. Deswegen ist Journalismus so wichtig und einer der wichtigsten Berufe überhaupt. Journalisten müssen Klarheit schaffen und die Bedeutung erklären, auch wenn das mehr Zeit in Anspruch nimmt und Menschen langweilt. Sie müssen weiterhin Wege finden, die Komplexität solcher Ereignisse und Komplexität an sich zu beschreiben. Wenn sie es nicht tun, nehmen die Menschen falsche Eindrücke mit.

Who are they and who are we? They are the princes and the Sultans They are the ones with wealth and power And we are the impoverished and deprived Use your mind, guess… Guess who is governing whom? Who are they and who are we? We are the constructing, we are the workers We are Al-Sunna, We are Al-Fard We are the people both height and breadth From our health, the land raises And by our sweat, the meadows turn green / Ahmed Fouad Negm, Who are they and who are we?




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Mit „Vielfalt“ zum öffentlichen Dienst der Zukunft Professor Dr. Eckhard Schröter, Stadt-Friedrichshafen-Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft & Verwaltungsmodernisierung

Die demographischen und politischen Herausforderungen der Zukunft werden den öffentlichen Dienst zu einem tiefgreifenden personalpolitischen Wandel nötigen. Einen zentralen Platz wird dabei der Umgang mit ethnisch, soziokulturell und religiös bestimmter Vielfalt einnehmen. Und dies gilt nicht nur für die Praxis – sondern auch für die Forschung.

Der öffentliche Dienst erfüllt in modernen Gesellschaften vielfältige Funktionen: Wichtige soziale Dienstleist u ngen werden erbracht, die öffentliche Ordnung und Sicherheit soll aufrechterhalten werden und die Führungskräfte sind zudem wesentlich an langfristigen Planungs- und politischen Richtungsentscheidungen beteiligt. Zugleich ist der öffentliche Dienst von höchstem arbeitsmarktpolitischem Interesse und der Zugang zu diesem Arbeitsmarkt entscheidet über wichtige Fragen des sozialen Aufstiegs und gesellschaftlicher Teilhabe. Und schließlich erfüllt der öffentliche Dienst – auch in den modernen Marktgesellschaften – eine wichtige repräsentative Funktion für die Staatlichkeit: Die Beschäftigten werden als Repräsentanten des Gemeinwesens und seiner politischen Ordnung gesehen. Bei der Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst geht es damit nicht nur um Fragen der Aufgabenerfüllung, sondern auch um gesellschaftliche Machtverteilung und politische Legitimation. Brauchen wir eine repräsentative Bürokratie?

Damit stellt sich zunehmend die Frage, ob nicht auch und gerade öffentliche Behörden im Sinne eines „Modernen Staates“ zu ‚repräsentativen Institutionen‘ werden müssen, welche die gesellschaftliche Vielfalt in

den Reihen ihres Personals widerspiegeln. Auf diesem Wege könnte die Zusammensetzung des Verwaltungspersonals in soziodemographischer Hinsicht zum Spiegel der Gesellschaft werden – eine ‚repräsentative Bürokratie‘ also, die der Gesellschaft, der sie dient, dadurch besonders nahe ist, dass sie – zum Beispiel mit Blick auf Klassen-, Geschlechts-, Religions-, Sprach- oder Rassenzugehörigkeit – diese Vielfalt nicht nur abbildet (passive Repräsentation), sondern diese möglichen gesellschaftlichen Konfliktlinien auch artikuliert und sich durch die jeweiligen Vertreter unter den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes für die legitimen Interessen dieser vielfältigen Gruppen auch einsetzt (aktive Repräsentation). Spätestens mit diesem Gedankengang wird das Konzept der repräsentativen Bürokratie zu einem zentralen Reform- und Modernisierungsthema der Verwaltungswissenschaft und -politik. Doch wie verhält sich die Personalpolitik im öffentlichen Dienst zur zunehmend multikulturellen Gesellschaft? Welche ethnischen Minderheiten sind integriert und welche Bevölkerungsgruppen können sich nicht vertreten fühlen? Welche Auswirkungen haben solche möglichen Ungleichgewichte und Missverhältnisse auf die Aufgabenerfüllung und – in einer umfassenderen Perspektive – auf die Stabilität und Legitimität der politischen Ordnung in europäischen Gesellschaften? Diese Fragen entfalten ihre besondere Relevanz vor allem dann, wenn man sich den möglichen Kollisionskurs zweier Entwicklungen vor Augen hält.

1934 Ludwig von Bertalanffy ndividual growth model systems theory


51 _Mehr vom Autor unter › Eckhard Schröter auf www.zu.de/mehr

kulturell und religiös bestimmter Vielfalt einen zentralen Platz einnehmen. Dieser demographische Wandel, umfassend und tiefgreifend wie er sein wird, ist Auf der einen Seite sehen wir eine seit langem über- jedoch auch ein Einfallstor für naive, modisch-kurzlieferte und relative stabile Personalstruktur im öf- sichtige oder allzu durchschaubare instrumentelle fentlichen Dienst, die oft an die Staatsbürgerschaft Motive, wie sie in der aktuellen Debatte bereits aufgeknüpft ist und vor allem durch das Bildungssystem scheinen: Geht es um eine aufrichtige Wertschätzung vorgefiltert wurde. Folglich sehen wir bei der Fremd- von „Vielfalt“ und Teilhabe von Minderheiten in öfund der Selbstselektion für den öffentlichen Dienst in fentlicher Beschäftigung oder bleibt es bei einer „pasvielen europäischen Staaten eine Tendenz zu einer siven Öffnung“ zum Beispiel für Migranten, da anderelativ homogenen Zusammensetzung öffentlicher re Arbeitskräfte nicht mehr in bestimmter Zahl oder Beschäftigung. Auf der anderen Seite beobachten wir zu bestimmtem Preis verfügbar sind? tiefgreifende demographische und politische Veränderungen im Charakter europäischer Nationalstaaten: Welchen Mehrwert bietet ein „Plus der Vielfalt“? die stetige Zuwanderung und der wachsende Anteil von Migranten an der Bevölkerung, die vertiefte und Übersieht man beim „Diversity Management“ die Einerweiterte europäische Integration und nicht zuletzt sicht, dass die eigentliche Arbeit und Mühe für das Personalmanagement gerade erst dann beginnt, wenn unterWären Förderprogramme für mehr „Vielfalt“ sinnvoll – schiedliche Persound was wären die Alternativen? „Die wichtige Frage nalgruppen in einer ist: Welcher genaue Zweck soll gefördert werden? Wenn Organisation zusammengeführt werden es darum geht, den gleichen Zugang zum öffentlichen – damit also auch ein Amt zu fördern, dann steht die Durchlässigkeit des Bilbeachtlicher Aufdungssystems ganz vorne an.“ eckhard schröter wand verbunden ist? Und lässt man sich modisch von der die steigende Bedeutung von Identitätspolitik und Aussicht darauf blenden, dass „repräsentative Bürokrakollektiver Selbstbestimmung. Im Ergebnis zeigt sich tien“ ein Allheilmittel für verbesserte Bürgernähe, verdamit das Bild zunehmender Vielfalt in europäischen tiefte Integration, mehr Legitimation und erhöhte LeisGesellschaften – und dies vor dem Hintergrund wach- tungsqualität sein könnten? sender sozialer Spannungen. Nach allem, was wir wissen, hängt ein solcher MehrIn welcher Weise geht der öffentliche Dienst mit die- wehrt, dieses „Plus der Vielfalt“, sehr von den jeweiser neuen Vielfalt um? Es ist bereits abzusehen, dass ligen Aufgabentypen im öffentlichen Dienst ab und die angerissenen demographischen und politischen muss mit möglichen Risiken und Kosten abgewogen Herausforderungen den öffentlichen Dienst zu einem werden. Tatsächlich wissen wir darüber aber noch zu tiefgreifenden personalpolitischen Wandel nötigen wenig, so dass der bevorstehende Wandel auch die werden. Dabei wird der Umgang mit ethnisch, sozio- Konturen eines ganzen Forschungsprogramms umreißt – ein Forschungsprogramm, dass schon deshalb anzumahnen ist, da die Fragen nach „DiverThe racous, anarchic, noisy, sity“ und Vielfalt bei öffentlich Beschäftigten, variegated, tiger-striped, nach einem „repräsentativen“ öffentlichen Dienst, zebra-streaked, jumbled up, der gesellschaftliche Verhältnisse widerspiegelt, mixed-up multiple, zu den – zweifelsohne: stark umstrittenen – Kerncriss-crossed by myriad colors, fragen des Verwaltungswandels der kommenden and myriad shades, Jahrzehnte gehören wird. is possibility itself.

New Orleans, 2005

B1

Wie reagieren Verwaltungen auf die zunehmende Vielfalt?

/Michel Serres, Genesis


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Die Grobmotorik der öffentlichen Hand Interview mit Professor Dr. Rick Vogel und Doris Masal Mag. BSc, Lehrstuhl für Public Management & Public Policy Was haben die Elbphilharmonie, der Nürburgring und die Flughäfen in Berlin und Wien gemeinsam? Sie alle geben ein Stichwort für öffentliche Großprojekte, die – vorsichtig gesagt – etwas aus dem Ruder gelaufen sind. Explodierende Baukosten, ungewisse Eröffnungstermine und bevorstehende Pleiten machen Steuerzahler wütend und bringen Politiker in Erklärungsnöte. Es scheint, als sei die öffentliche Hand recht grobmotorisch, wenn es um das Management von Großprojekten geht.

In ganz Deutschland schüttelt man den Kopf über das Missmanagement um den Flughafen BerlinBrandenburg. Folgt man Ihnen, ist das Versagen aber geradezu exemplarisch. Man schaue nur auf das Beispiel Flughafen Wien: Die Fertigstellung des dritten Flughafenterminals mit dem Namen „Skylink“ verzögerte sich um mehr als vier Jahre, die Kosten überstiegen die veranschlagten Budgets um nicht weniger als 400 Millionen Euro. Damit nicht genug: Unmittelbar nach der Inbetriebnahme wurde klar, dass es Nachbesserungsarbeiten in Millionenhöhe geben muss. Mitarbeiter klagen über unzureichende Sicherheitsvorkehrungen, Passagiere bemängeln kilometerlange Fußwege („Skylink-Marathon“) und unüberwindbare Barrieren für Behinderte. All das erinnert frappierend an die Hiobsbotschaften, die regelmäßig vom neuen Flughafen Berlin-Brandenburg berichtet werden. Warum tut sich die öffentliche Hand bei derlei Großprojekten so schwer? Bevor die üblichen Ressentiments gegen Politik und Verwaltung bedient werden, muss nüchtern analy-

1882 Antoni Gaudí

siert werden, welches Muster sich hinter diesen und anderen Fällen verbirgt. Für den österreichischen Rechnungshof ist der Fall des Flughafens Wien klar: Im „Skylink“-Projekt gab es keine stabile Projektorganisation; infolgedessen schlugen erhebliche Projektrisiken durch. Auch in anderen öffentlichen Großprojekten ist das Projektmanagement dramatisch unterentwickelt. Warum ist das so? In Politik und Verwaltung treffen unterschiedliche Logiken aufeinander. Die politische Logik folgt vor allem kurzfristigen Wahlzyklen. Politiker sind an ihrer Wiederwahl interessiert und können mit der Vergesslichkeit des Wählers rechnen. Das macht es attraktiv, mit einem schillernden Großprojekt in der Öffentlichkeit zu glänzen, ohne langfriste Folgen zu bedenken. Allerdings haben Politiker auch weder die Qualifikation noch ist es ihre Aufgabe, Projektkosten und -risiken professionell zu kalkulieren. Sondern? Dafür ist die Verwaltung zuständig. Sie überdauert Regierungswechsel und folgt einer Professionskultur, die – mit allen Vor- und Nachteilen – immer noch stark vom Ethos des deutschen Berufsbeamtentums geprägt ist. Managementfähigkeiten halten nur langsam Einzug in die Aus- und Weiterbildungsprogramme des öffentlichen Dienstes. Dabei erfordern Großprojekte, die über administrative Routinen hinausgehen, genau das: ein hochprofessionelles Management.

Sagrada Família

unfinished building (scheduled 2026)


53 _Mehr vom Autor unter › Rick Vogel auf www.zu.de/mehr

Darüber aber verfügen wieWie könnten Verwaltungen bei von Ihnen geforderten Ausderum die privaten Unterund Weiterbildungsmaßnahmen auch von der Forschung nehmen, mit denen die öffentliche Verwaltung in profitieren? „Effektives Projektmanagement ist auch eine Großprojekten zusammenFrage guter Führung. Die Forschung kann aufzeigen, welche arbeitet. Warum klappt es Führungskompetenzen in Politik und Verwaltung fehlen. Auf trotzdem nicht? Es entsteht ein Kompetenzdieser Grundlage können moderne Aus- und Weiterbildungsgefälle, das Baukonzerne konzepte entwickelt werden.“ Rick Vogel & Doris Masal geschickt zu ihren Gunsten auszunutzen wissen. Die Outsourcing-Forschung hat gezeigt, dass der Auftraggeber erhebliche Qualifikationen behalten muss, wenn er den Auftragnehmer kompetent steuern und kontrollieren will. Das erfordert gut ausgebildetes Personal in angemessenem Umfang. Und daran mangelt es offenbar. Wie ließe sich dieser Umstand denn beheben? Die öffentliche Verwaltung investiert deutlich weniger in die Führungskräfteentwicklung als die Privatwirtschaft. Die angeführten Beispiele zeigen, dass das vorhandene Potential der Mitarbeiter besser genutzt werden muss, um für Großprojekte gerüstet zu sein. Das erfordert es, Projektmanagement systematisch in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Führungskräfte der öffentlichen Verwaltung zu integrieren. Gemessen an den Mehrkosten der jüngsten Planungs- und Managementfehler wäre das gut investiertes Geld.

...Kublai reflected on the invisible order that sustains cities, on the rules that decreed how they rise, take shape and prosper, adapting themselves to the seasons, and then how they sadden and fall in ruins. At times he thought he was on the verge of discovering a coherent, harmonious system underlying the infinite deformities and discords, but no model could stand up to the comparison with a game of chess.

Athen, 2012

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/Italo Calvino, Invisible Cities


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Denk-Anstöße zwischen Stabilität und Fragilität Höhepunkte des Herbstsemesters _02

Thema „Wertorientierung und Nachhaltigkeit als wichtige Faktoren für den langfrisUnter mehr als einem Dutzend Formate tigen Unternehmenserfolg“. Im Diskursforkönnen Besucher der ZU wählen – Veran- mat „RedeGegenRede“ auf dem Berliner staltungen mit zumeist prominenten Re- ZU-HauptstadtCampus stritt ZU-Präsident ferenten. So war der Vorsitzende der SPD- Stephan A. Jansen mit Steffen Seibert, SpreBundestagsfraktion und Partei-Vize Frank- cher der Bundesregierung, über „PolitikverWalter Steinmeier Gast beim Fördererdin- drossenheit oder Ritualverdrossenheit? ner der Zeppelin UniversitätsGesellschaft Wie kann Kommunikation zwischen Staat, und sprach zum Thema „Mut. Vernunft. Markt und Zivilgesellschaft gelingen?“. Verantwortung: Europa am Scheideweg“. Weitere Referenten waren unter anderen In der BürgerUniversität ging es um die der frühere Bahn-Chef und heutige AufZukunft des Euro mit dem ifo-Präsidenten sichtsratsvorsitzende der Dürr AG Heinz Hans-Werner Sinn, und Nestlé-Ehrenpräsi- Dürr und der Euro-Rebell der FDP-Bundesdent Helmut O. Maucher widmete sich dem tagsfraktion Frank Schäffler. Welche Debatten wurden an der ZU geführt?


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Wie geht die ZU mit dem Provisorium CU um? Seit Beginn des Herbstsemesters hat die ZU einen weiteren Standort: die ContainerUni (CU) auf 2500 Quadratmetern Fläche mit elf Seminarräumen, rund 60 Büros für Wissenschaftler und Mitarbeiter, einem „Open Test House“ für studentische Aktivitäten und einem Hangar mit Café. Auf zwei Jahre angelegt, ist die CU mit Adresse Fallenbrunnen 17/2 in Friedrichshafen jedoch mehr als ein Übergangsbauprojekt. Sie nutzt das Provisorium, um neuartige Räume zu entwickeln. Die Wünsche und Bedürfnisse der Studenten, Mitarbeiter und Dozenten flossen in die Gestaltung der CU ein. So wurden räumliche Experimente möglich, die in einem rigide geplanten Neubau nicht so leicht umzusetzen sind. Zusammen mit dem Architekturbüro quartier vier entwickelt, baute Zeppelin Rental eine spannende Landschaft aus Dachterrassen und Blickbeziehungen, die die städtebaulichen Möglichkeiten von Standardcontainern neu auslotet. „Nutze das Provisorium und sorge dafür, dass in vier Jahren alle diesem Zustand nachweinen“: Unter diesem Slogan begannen die beiden Hamburger Künstler Margit Czenki und Christoph Schäfer im Herbst 2011 für die CU eine

Wunschproduktion. In einem intensiven Austauschprozess zwischen Künstlern, Architekten, Mitarbeitern und Studierenden entstand so ein komplexes Gesamtwerk, das die Grenzen von universitärer Lehre, Kunst und Architektur herausfordert und verschiebt. Die CU will dabei eine Plattform des Austauschs sein und auch als zusätzlicher Ort für die Entwicklung gemeinsamer Formate mit anderen Akteuren der Stadt wirksam werden. Dies sogar mit einer eigenen Veranstaltungsreihe: In der neuen „ContainerUni Lecture Series“ wird dort exemplarisch die Funktion einer Universität in einer sich verändernden Industriestadt diskutiert werden. Denn obwohl die CU ein Provisorium ist, ist sie der erste vollständige eigene ZU-Campus im Fallenbrunnen, der neben dem studentischen Leben durch vielfältige Veranstaltungsformate auch eine öffentliche Anziehungswirkung entfalten soll. Dabei werden die spannenden Räume der CU mit Events, öffentlichen Vorträgen und Diskussionen bespielt und bereits im Fallenbrunnen etablierten, studentisch organisierten Festivals wie der „Langen Nacht der Musik“ und „Seekult“ eine zusätzliche Bühne bieten. Weitere Informationen zur Containeruni unter containeruni.de

_01 SPD-Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier zu Gast beim ZUG-Fördererdinner _02 Regierungssprecher Steffen Seibert zu Gast im Berliner HauptstadtCampus _Mehr Höhepunkte finden Sie unter auf www.zu.de/mehr › Wegmarken _„Stabile Fragilität. Fragile Stabilität.“ Das Jahresthema der ZU in Vorträgen beim Sommerfest › Sommerfest-Podcasts _Studierendenzahl überschreitet erstmals 1000er-Marke › 1000er-Marke _Erster Jahrgang des FamilienunternehmerMasters verabschiedet › eMA FESH-Graduierung _Niels Helle-Meyer zum Kanzler berufen › Kanzler _Neues Diskursformat „RedeGegenRede“ auf dem Berliner HauptstadtCampus › RedeGegenRede _Forschungsstelle „Innovationssysteme der Wohlfahrtsorganisationen“ gemeinsam mit der Caritas gestartet › Forschungsstelle _ „Demokratietour an Hochschulen“ anlässlich des 60-jährigen Landesjubiläums machte Station an der ZU › Demokratietour _Regionalkonferenz zur Beziehung von Universitäten und ihren Städten › Regionalkonferenz _Die BürgerUniversität geht auf Achse › Bürger-Uni auf Achse _ ZU wächst auf 35 Lehrstühle und Institute › Professoren


56 _Mehrwertige mediale Angebote der ZU Die Zeppelin Universität versteht sich als Universität in der Gesellschaft, die als Präsenzuniversität auch für diejenigen erreichbar sein möchte, die sich gerade nicht auf dem Bodensee-Campus aufhalten können. Folgende mediale Angebote stehen Ihnen kostenfrei rund um die Uhr zur Verfügung: _ZU on iTUnes U Auf www.zuonitunesu.de sind Audio- und Videopodcasts unserer wichtigsten Aktivitäten zum Download erhältlich. Schauen und hören Sie einmal herein! › ZU iTUnes U _ZU App Laden Sie sich die App der ZU im Appstore herunter. Die App umfasst den Veranstaltungskalender der Universität, die neuesten Podcasts sowie alle News aus der ZU. › ZU App _auf – das digitale Archiv Unter www.zu.de/auf können Sie auf alle bisherigen Ausgaben der auf zugreifen. › auf Archiv _welle20.de Hier können Sie das studentische Radio der ZU rund um die Uhr erreichen. Hören Sie hinein! › Welle20

„Hier werden Themen auch aus Perspektive von Gesellschaftsund Kulturwissenschaften beleuchtet, die oft wenig Beachtung finden.“ Ulrich Pontes, Wissenschaftsjournalist

Was bietet das neue ZU|Daily? Digitale Delikatessen aus erster Hand bietet das neue Online-Newsportal „ZU|Daily“ der ZU. Unter www.zu-daily.de werden intelligent trivialisierte Inhalte zu Forschung und forschungsbasierten Projekten ohne Zugangsbeschränkung tagesaktuell zur Verfügung gestellt. Als Hochschule zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik verpflichtet sich die ZU der multidisziplinären Zusammenarbeit und kooperiert mit universitären sowie außeruniversitären Institutionen. Und was ZUForscher dabei über die Gesellschaft herausfinden, soll dort auch wirken. Genauso sollen Fragen aus der Gesellschaft zu den Forschern kommen. ZU|Daily bietet für

beides eine Plattform. Für tagesaktuellen, frischen Inhalt sorgt ein Team von studentischen Redakteuren unter journalistischer Leitung. In den Formaten Text, Video, Audio und Fotografie werden Forschungsergebnisse vorgestellt, von ZU-Experten tagesaktuelle Geschehnisse kommentiert und Forschungszusammenhänge vertiefend erläutert. „Dabei bietet ZU|Daily sortierte Informationen mit Substanz – so wie eine gute Wochenzeitung jenseits der Hast der Nachrichtenportale. Mit einem Unterschied: ZU|Daily erscheint trotzdem jeden Tag neu“, sagt Tim Göbel, Vizepräsident und Verantwortlicher für Universitätskommunikation, strategische Projekte & Weiterbildung. ZU|Daily soll insbesondere auch außerhalb der Forschungswelt

eine breitere Leserschaft ansprechen, die an gesellschaftlichen Fragen interessiert ist. Der Zugang zu konkreten Studien ist dabei genauso gewollt wie der direkte Kontakt mit den Forschenden. Die Gestaltung der Beiträge soll beides leicht ermöglichen. Aber warum wird überhaupt eine Universität zum Mitspieler auf dem Medien-Markt? ZU-Präsident Professor Dr. Stephan A. Jansen beruft sich auf Niklas Luhmann und seine Aussage, alles über die Gesellschaft wüssten wir durch die Medien. Jansen sagt: „Und da muss man sich als Universität natürlich fragen, warum es die Medien sind, die das Wissen vermitteln und nicht die Wissenschaft selbst.“ Die Antwort darauf lautet ZU|Daily. Weitere Informationen unter zu-daily.de


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Veranstaltungsvorschau Frühjahr/Sommer 2013 24.01.2013 | 20.00 – 21.30 Uhr Bürger-Universität auf Achse Prof. Dr. Martin Roth Leiter des Victoria and Albert Museums in London Karl-Maybach Gymnasium, Friedrichshafen 25.01.2013 | 13.30 – 19.00 Uhr Vierter Research Day – hier wird die Forschung gefeiert. Inklusive Master-Infotag. ContainerUniversität, Friedrichshafen 01.02.2013 | 09.00 – 18.00 Uhr Uni live-Tag! - Die ZU von innen kennenlernen SeeCampus, Friedrichshafen 27.02.-28.02.2013

Welche neuen Bücher von ZU-Wissenschaftlern sind erschienen? Es geht um die Zukunft von Bürgerschaftlichkeit, die Herausforderung an Global Governance in Zeiten der Wirtschaftsund Finanzkrise oder Selbstmanagement für Kulturschaffende: ZU-Wissenschaftler haben im vergangenen Semester eine Reihe von Büchern vorgelegt. In „Kreativität und Improvisation“ (VS-Verlag) beschäftigt sich Udo Göttlich als Herausgeber mit der Frage, in welchen Theorietraditionen und Praxisfeldern die Phänomene Kreativität und Improvisation eine wichtige Rolle spielen. Hans Ulrich Gumbrecht experimentiert in „Nach 1945: Latenz als Ursprung der Gegenwart“ (Suhrkamp Verlag) mit einer Form der Darstellung, die persönliche Erinnerungen in Spannung zur Weltgeschichte setzt. Gertraud Koch wirft als Herausgeberin von „Wissensarbeit und Arbeitswissen. Zur Ethnografie des kognitiven Kapitalismus“ (Campus Verlag) einen Blick auf das Wissensregime. Thomas Pfister beleuchtet in „The Activation of Citizenship in Europe“ (Manchester University Press) die Auswirkungen der transnationalen konzeptionellen Debatte zu

den Elementen, Instrumenten und Zielen moderner Sozialpolitik auf gegenwärtige Formen von Bürgerschaft. Martin Tröndle versammelt in „Selbstmanagement im Musikbetrieb: Ein Handbuch für Kulturschaffende“ (transcript Verlag) das für Kulturschaffende notwendige Handlungswissen, um erfolgreich auf dem Musikmarkt agieren zu können. Nico Stehr untersucht gemeinsam mit Reiner Grundmann in „The Power of Scientific Knowledge: From Research to Public Policy“ (Cambridge University Press), wie politische Entscheidungen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammenhängen und welche Faktoren bestimmen, dass sie Eingang in die Politik finden. Rick Vogel untersuchte gemeinsam mit Rainer Koch die „Paradigmenkonkurrenz im Public Management“ (Springer Gabler Verlag). Und Helmut Willke argumentiert in „Political Governance of Capitalism: A Reassessment Beyond the Global Crisis“ (Edward Elgar Publishing Ltd), das er gemeinsam mit seinem Bruder Gerhard Willke verfasst hat, dass die global operierende Finanzindustrie ein Gegengewicht in ebenfalls globalem Rahmen benötigt, das auf klaren Regeln beruht.

zu|taten – Karriere- und Workshoptage SeeCampus, Friedrichshafen 13.03.2013 | 19.00 - 21.00 Uhr A Day with… Eva Illouz Professorin für Soziologie an der Hebrew University in Jerusalem SeeCampus, Friedrichshafen 18.04.2013 | 19.00 – 21.00 Uhr RedeGegenRede | Das Diskursformat mit Prof. Dr. Alfred Kieser (ZU), Prof. Dr. Bruno S. Frey (Universität Zürich) und Prof. Dr. Frank Ziegele (CHE-Ranking) Ringen ums Ranking: Vergleichbarkeit vs. „Leistungsmessung“ auf Kosten von Innovation und Mehrdimensionalität – oder: Wozu dienen Rankings im Wissenschaftsbetrieb? HauptstadtCampus, Berlin 24.04.2013 | 19.00 – 21.00 Uhr Friedrichshafener Bildungsgespräche Prof. Dr. Matthias Kleiner Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft SeeCampus, Friedrichshafen 14.09.2013 | 15.00 – 24.00 Uhr 10. Sommerfest der ZU SeeCampus, Friedrichshafen


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Token-System im auf-Magazin

Impressum

Bei allen Beiträgen in diesem Magazin finden Sie Verweise auf weitere ­Informationen zum jeweiligen Thema. Wir ­haben Inhalte, welche sich vor allem für eine digitale Darstellung eignen, eine Recherche zum Thema ermöglichen oder aus Gründen der Aktualität besser online abrufbar sind, für unsere Leserinnen und Leser auf der Portalwebsite zusammengestellt.

Herausgeber

Beispiel: › Nico Stehr Sie können ganz einfach auf die Mediendatenbank der Zeppelin Universität mittels der angegebenen Token, einer Art Suchbegriff, zugreifen. Mehr dazu unter www.zu.de/mehr Sämtliche Forschungsprojekte aller Wissenschaftler der Universität finden Sie unter: › Forschungsdatenbank

Professor Dr. Stephan A. Jansen, Präsident ZU Tim Göbel, Vizepräsident ZU

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Anschrift der Redaktion

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Bertram Rusch, Yvonne von Hunnius Thomas Köhler/ photothek.net (S.54) Bundesregierung/Jesco Denzel(S.54)

Auflage

4.000 Exemplare

Nächste Ausgabe September 2013

Druck

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Gedruckt auf Munken Polar 120 g/m 2 Gebunden durch partiell UV-lackiertes Drive Silk 300 g/m 2

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Ich bei ZF. Referentin und Tennis-Ass. Ich liebe Tennis. Denn hier kann ich mich auspowern und habe gleichzeitig ein mentales Training. Das bringt mich auch im Job weiter, denn hier ist immer Action angesagt. Präsentationen erstellen, Meetings vorbereiten, mit den internationalen Kollegen zusammenarbeiten und viel reisen – das macht mir einfach superviel Spaß. Mein Name ist Vera Schmitt und ich bin Referentin der Materialwirtschaft. Mehr über mich, meine Arbeit und was ZF neben der Internationalität noch zu bieten hat, gibt es unter www.ich-bei-zf.com.

Vera Schmitt

aft

Referentin Materialwirtsch ZF Friedrichshafen AG Schweinfurt

Mehr über mich und meine Arbeit bei ZF erfährst Du hier:

www.ich-bei-zf.com


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Ausgabe #04 ISSN 2192-7979


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