Medium f체r Zwischenfragen der Zeppelin Universit채t
kt wiirrk nscha w isseensch Wiss ie W Wie W
Unsere Sensor i k-Produkte sind gekennzeichnet durch eine hohe Innovat ionskraf t und eine einzigar t ige Fer t igungst iefe. Unsere Stärke sind unsere gut 500 Mitarbeiter innen und Mitarbeiter, von denen uns 94% als Arbeitgeber weiterempfehlen würden (Studie „Great Place to Work ® 2012“). Unser Credo. Neben dem w ir tschaf tlichen Er folg fühlen w ir uns sehr der Region und der Umwelt verpflichtet . Das bedeutet für uns, dass w ir ausschließlich in Deutschland produzieren – und das klimaneutral: www.elobau.com
GmbH & Co. KG Zeppelinstr. 4 4 88299 Leu tkirch
– Ein Par tner der Zeppelin Universität und Förderer eines Studienplatzes
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Was tun? Was tun! 04-08 Noch die sicherste Bank ist ein unsicheres Geschäft Dirk Baecker über die Ursachen der Finanzkrise
10-13 Vier Hochzeiten und drei Todesfälle
Stephan A. Jansen zu Fusionen und Übernahmen und ihre Folgen
14-16 Warum die Stasi die Wirtschaft bis heute schwächt
Interview mit Marcel Tyrell über zerstörtes Vertrauenskapital und dessen Langzeitschäden
18-19 Bundesbürger wissen nur wenig über Wirtschaft Peter Kenning, Inga Wobker & Mirja Hubert über minimales Wirtschaftswissen und die Konsequenzen für Verbraucher
20-27 Kerzen, Konsum und Kapitalismus
Nico Stehr & Marian Adolf über die Moralisierung der Märkte und deren Auswirkung für Wirtschaft und Gesellschaft
29-32 Weshalb Zeitungen zuverlässig überraschen müssen Interview mit Klaus Schönbach über die Zeitungskrise und Erfolgsfaktoren für Redaktionen und Verlage
34-37 Konzert und Oper brauchen eine Verjüngungskur
Martin Tröndle & Markus Rhomberg zur Krise im Kulturbetrieb und deren Verdrängung
38-39 Der Hang zum Überhang
Joachim Behnke über die Notwendigkeit eines neuen Wahlrechts
42-45 Die vielen Schlaglöcher der Verkehrspolitik
Interview mit Alexander Eisenkopf über Versäumnisse der Vergangenheit und Aufgaben für die Zukunft
46-47 Warum der Weg zum Ziel mit Steinen gepflastert ist Anja Achtziger über gute Vorsätze – warum sie oft scheitern, wie sie gelingen
48-49 zuzehn
das zehnjährige bestehen der zeppelin universität
50-53 Was zu tun war und was zu tun bleibt Höhepunkte des Frühjahrssemesters
54-55 auf und ZU
Das „medium für Zwischenfragen“ und seine Themen
56 Impressum
macher und ansprechpartner
Zur künstlerischen Intervention von Patricia Reed
Wie wirkt Wissenschaft? fragt das aktuelle auf-Magazin. Ein Kompendium aus den zehn einflussreichsten Forschungsbeiträgen von ZU-ProfessorInnen. Die in Berlin lebende Künstlerin Patricia Reed (*1977, Ottawa) hat sich aus ihrer Perspektive mit den Bedingungen und Folgen befasst und ihre Beobachtungen in grafische und visuelle Formen übersetzt. Quellen. Zu jedem Artikel suchte sie den ursprünglichen Erscheinungsort auf und unterlegte das frühere Layout als farbige Grafik dem aktuellen Magazinbeitrag. Mit dieser Reminiszenz führt Reed in die Artikel ein. Jeder Beitrag schwebt so rekontextualisiert über seinem eigenen Schatten und reflektiert die Wichtigkeit des Zitiert- und Publiziertwerdens für den Einfluss von wissenschaftlichem Material. Diagramme. Den Beiträgen ordnet Patrica Reed korrespondierende Diagramme zu und greift damit eine Darstellungsform auf, wissenschaftliche Aktivitäten einem nichtfachkundigen Publikum leicht verständlich zu machen. Ihre Zeichnungen sind Vermittlungen der Inhalte und zugleich höchst subjektive Interpretationen. Interferenzen. Auf der Titelseite sowie zwei Doppelseiten spielt Patricia Reed mit Interferenzmustern. Hier wird die Überlagerung von Wellenlinien zum Bild dafür, wie sich Bezugssysteme, mit denen wir die Welt reflektieren und unsere Umgebung verarbeiten, durch die Wirksamkeit von neuem wissenschaftlichem Wissen verändern. Bisherige Wahrnehmungsmuster werden zerstört, und es entsteht eine neue „Linse“ zur Beobachtung von Natur oder Gesellschaft. Farbwellen. Auch mit dem kontinuierlichen Farbverlauf, der sich als Hintergrund durch alle Seiten zieht, kommt die Kategorie Zeit ins Spiel. Zeit ist hier in eine Farbskala übersetzt, welche auf das Zeitspektrum der ZU und ihrer Forschung anspielt. Der Zeitraum erscheint als farbige Welle, welche in ihrer Bewegung zwischen den Farbpolen dem Magazin eine Richtung verleiht.
Ulrike Shepherd Kuratorin am artsprogram der Zeppelin Universität
„Die Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie aufhört.“ Justus von Liebig, „Chemische Briefe“, 1858
Editorial
„Die Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie anfängt zu wirken.“ Zeppelin Universität, Strategie, 2013
Liebe Leserinnen und Leser, Justus von Liebig hatte natürlich recht. Wir auch! Und von Heimwerkermärkten wissen wir: Es gibt immer was zu tun! In dieser 5. Jubiläumsausgabe von auf zum 10. Geburtstag der Zeppelin Universität und im Sinne der aktuellen Mittelfrist-Strategie der ZU als zivilgesellschaftlicher Akteur für soziale Innovationen geht alles ums Tun, um die wissenschaftliche Wirksamkeit für Gesellschaft. Zehn wirkungsmächtige, erfolgreiche, also folgenreiche Beiträge aus zehn Jahren Forschung. Wir fragen nochmals nach: Was war nach der Forschung anders? Welche Diskurse in der Wissenschaft und welche Reaktionen in der Praxis wurden provoziert, also hervorgerufen? „Was tun?“ fragte sich auch schon vor genau 150 Jahren der russische Schriftsteller Nikolai Gawrilowitsch Tschernyschewski in seinem gleichnamigen Roman. Darin geht er der Frage nach, wie idealistische Menschen die Welt im Kleinen verändern können. Die darin entwickelten Gedanken bewegten einen anderen Russen so sehr, dass er zu Ehren Tschernyschewskis sein Hauptwerk ebenso „Was tun?“ nannte: Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin. Was ist zu tun angesichts einer Finanz- und Wirtschaftskrise und der einhergehenden auch politischen Krise? Was ist zu tun, wenn sich Märkte moralisieren? Was ist zu tun, wenn Tageszeitungen ihre Form suchen? Und was ist zu tun, damit Wahlen auch wieder den tatsächlichen Wählerwillen spiegeln? Wohl so einiges, aber lesen Sie selbst! Wie immer ist die ZU und auf bei diesem Tun auf die Künste angewiesen: Die Berliner Künstlerin Patricia Reed zeigt ihre künstlerischen Interventionen und Interferenzen zu diesen Forschungstaten. Und wer wissen will, was sich an der ZU getan hat: Einen kurzen Überblick über die Highlights der Universitätsentwicklung finden Sie natürlich auch. Wir wünschen auch Ihnen viel zu tun und natürlich viel Vergnügen bei der Lektüre. Tatkräftige und wirkungsvolle Grüße vom Bodensee
Ihr Stephan A. Jansen Präsident der Zeppelin Universität
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Noch die sicherste Bank ist ein unsicheres 1 Geschäft Professor Dr. Dirk Baecker, Lehrstuhl für Kulturtheorie und -analyse
Am 15. September 2008 ging in den USA mit Lehman Brothers eine der größten Investmentbanken der Welt in die Pleite und löste die größte globale Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit aus. Grund waren gigantische Fehlspekulationen auf dem Immobilienmarkt und windige Finanzprodukte. Die Pleite erschütterte auch das Vertrauen in eine gesamte Industrie – die Geldinstitute. Grund genug zu der Frage, die Dirk Baecker nur drei Monate später in der Neuauflage seines gleichnamigen Buch stellte: „Womit handeln Banken?“. Und er kommt zu dem Schluss: „Noch die sicherste Bank ist ein unsicheres Geschäft.“
Die Theorie, mit der dieses Buch arbeitet, fand damals und findet seither weder in der ökonomischen Theorie noch in der Praxis der Banker Resonanz. Die Annahme einer Autopoiesis der Wirtschaft, zu der die Autopoiesis der Organisation von Banken quer steht, widerspricht Kongruenzerwartungen, die davon ausgehen, dass Banken wie auch andere Unternehmen letztlich nichts anderes tun, als entweder nach allen Regeln der Verantwortung die Vernunft der Wirtschaft nur zu exekutieren, das ist die optimistische Variante, oder nach allen Regeln des Gewinnstrebens die Möglichkeiten der Wirtschaft nur auszubeuten, das ist die pessimistische Variante.
2008
5 _1 Aus dem Vorwort zur Neuauflage von: Baecker, Dirk (2008): Womit handeln Banken? Eine Studie zur Risikoverarbeitung in der Wirtschaft, mit einem Vorwort von Niklas Luhmann, Berlin: Suhrkamp.
Welche Bedeutung hat die doppelte Selbstreferenz? Die Annahme der Autopoiesis, die ursprünglich von Humberto R. Ma turana und Francisco J. Varela für die Erklärung des Lebens entwickelt worden war und von Niklas Luhmann in die Soziologie importiert worden ist, läuft darauf hinaus, Systeme als ebenso blind wie raffiniert beschreiben zu können. Autopoiesis heißt, dass diese Systeme die Elemente, aus denen sie bestehen, im Netzwerk der Elemente, aus denen sie bestehen, aus den Elementen herstellen, aus denen sie bestehen. Man beachte die doppelte und dennoch durch das Netzwerk gebrochene Selbstreferenz. Diese gebrochene Selbstreferenz zwingt die Systeme, nach Irritationen zu suchen – Hunger im Fall des Lebens, Zahlungsunfähigkeit im Fall der Wirtschaft, Illiquiditä- Gibt es eine wechselseitige Logik von Zahlungs- und ten im Fall der Banken – die es erlauben, sich auch Entscheidungsdynamiken? dann zu reproduzieren, wenn man nur die Informationen hat, die man selber produziert. Einen Input an Jeder Realismus unter den Beobachtern der Wirtschaft Informationen gibt es in dieser Theorie nicht. Das kann sich zwar viel darauf einbilden, den eingangs macht sie so realistisch. Niemand kann aus seiner genannten Optimismus und Pessimismus für zwei Haut heraus, so wenig man mit seinem Bewusstsein Varianten Desselben zu halten, aber damit wird die die Außenwelt erreichen kann. Man kann nur über eigentliche Pointe verschenkt, die darin besteht, zwisie nachdenken und benötigt dazu eigene Gedanken. So reagiert auch die Wirtschaft auSie stellen fest, dass Ihre Studie keine Resonanz in ökonomitopoietisch, sich selber hervorscher Theorie und bei Bankern gefunden hat. Welche Erklärung bringend, nur auf Zahlungen haben Sie dafür? „Die Banker dürfen nicht zugeben, dass sie die im Netzwerk von Zahlungen, immer wieder neu stimuliert Risiken aktiv produzieren, die sie dann zu beherrschen versuchen. durch die mitlaufende BeobUnd die ökonomische Theorie verfügt, trotz Arrow, über kein Konachtung der Möglichkeit von zept selbstreferentiell riskanter Entscheidungen.“ dirk baecker Zahlungsunfähigkeit. Und so reagieren auch Banken nur auf Zahlungsversprechen, eigene und fremde, im Netzwerk von Zahlungsversprechen, schen den Zahlungsdynamiken der Wirtschaft auf immer wieder neu stimuliert durch die mitlaufende der einen Seite und der Entscheidungsdynamik in Beobachtung des Risikos, dass die Zahlungsverspre- Banken und Unternehmen auf der anderen Seite eine chen, die eigenen und die fremden (Passiva und Ak- im besten Sinne wechselseitig parasitäre Logik zu unterstellen, die eine messerscharf kluge Ausbeutung tiva), nicht gehalten werden können. von Nischenoptionen mit Blindheit für alles Andere und alles Weitere kombiniert. Die von Banken angebotenen Kredithebel werden von Unternehmen und Anlegern auf eine Art und Weise mit Investitionsbereitschaft und Liquiditätsofferten beantwortet, die 2008
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sich für die Banken in die Beobachtung eines Marktes übersetzt, von dem man nicht mehr in Rechnung stellt, dass man ihn selbst geschaffen hat. Die Herausforderung für die Theorie der Wirtschaft besteht angesichts dieser nur noch ökologischen, das heißt nischennachbarschaftlichen Dynamik, der keine übergeordnete Vernunft zu Hilfe eilt, darin, nicht einfach auf die Annahme einer Abkopplung der „Symbolökonomie“ von der „Realökonomie“ umzustellen. Man kennt nicht zuletzt aus der jüngst so beliebt gewordenen Hirnforschung genug Beispiele, in denen die Fluktuationen, die Turbulenzen und die Volatilität eines Systems nicht etwa für die Verselbständigung bloß imaginärer Operationen sprechen, sondern für die Probleme der Bearbeitung eines höchst realen Strukturübergangs. Verwirrung und Blasen positiver Rückkopplung sind Formen, in denen komplexe Systeme ihre Reproduktion strukturieren, wenn diese auf lineare Weise nicht mehr möglich ist. In dieser Situation hilft es deswegen nicht weiter, sich auf den angeblich so gesunden Menschenverstand zu verlassen und das System durch Maßnahmen welcher Art auch immer wieder in die Linearität zurück zu zwingen. Was heißt eigentlich Wirtschaften? Der Ausgangspunkt der Theorie der Wirtschaft, mit der das Buch arbeitet, ist die Annahme, dass die Wirtschaft sich in der Gesellschaft nicht darin erschöpft, mit dem Problem der Knappheit der Ressourcen angesichts der unendlichen Bedürfnisse der Menschen einigermaßen effizient umzugehen und durch Gewinnsignale dafür zu sorgen, dass unsere Arbeit dort investiert wird, wo am ehesten Kundenwünsche zu befriedigen sind. Vielmehr wird die eigentliche Leistung (und Blindheit) der Wirtschaft erst dann deutlich, wenn man zusätzlich den Zeitfaktor berücksichtigt und in Rechnung stellt, dass Wirtschaften darin besteht, für zukünftige Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung jetzt schon Vorsorge zu treffen, und dies paradoxerweise dadurch, dass man jetzt auf die Befriedigung von Bedürfnissen verzichtet. Wirtschaften heißt, Bedürfnisaufschub in Vermögensaufbau umzusetzen, entweder indem man spart oder indem man arbeitet. Nur wenn man diesen Zeitfaktor berücksichtigt, wofür von Xenophon bis Carl Menger, John Maynard Keynes und G.L.S. Shackle immer wieder kluge Ökonomen geworben haben, versteht man die dem Wirtschaften zwangsläufig inhärente Ungewissheit. Und nur wenn man diese Ungewissheit versteht, versteht man, was es heißt, wenn im Buch im Anschluss an Maurice Allais davon gesprochen wird, dass Banken mit Versprechen, genauer: mit Zahlungsversprechen, handeln. Noch die sicherste Bank ist ein unsicheres Geschäft. 2008
Welche Konsequenzen hat der Zeitfaktor? Die Konsequenz dieser expliziten Berücksichtigung des Zeitfaktors ist ebenso schlicht wie weitreichend. Ebenso wie jeder Konsument, jeder Arbeiter und jedes Unternehmen bekommt auch die Bank eine aktive Rolle in der Produktion ihrer Vermögensrisiken zugeschrieben. Risiken, das war der Vorschlag von Niklas Luhmann, den ich in dieser Studie aufgreife, sind keine unangenehmen Begleitumstände der unsicheren Welt, wie sie ist, sondern das Ergebnis der Entscheidung von wirtschaftenden Akteuren. Wenn eine Bank keine Einlagen annehmen würde, stünde sie nicht vor dem Risiko eines Runs auf die Bank, falls sich herumspricht, dass sie nicht mehr zahlungsfähig ist. Noch William Bagehot konnte sich nicht genug darüber wundern, dass immer wieder Leute bereit sind, ihr Geld auf eine Bank zu tragen. Und wenn eine Bank keine Kredite vergeben würde, stünde sie nicht vor dem Risiko, dass der Kreditnehmer das Geld verschleudert oder es ihm gelingt, sich abzusetzen. Das passiert im Übrigen auch im Normalgeschäft oft genug und wurde früher durch hinreichend satte Margen, als diese angesichts mangelnder Alternativen auf dem Kapitalmarkt noch durchgesetzt werden konnten, und wird heute durch rechtzeitige Verbriefung und Weiterverkauf des zweifelhaften Kredits aufgefangen. Nur wenn man sich diese Produktion von Risiken durch das ganz alltägliche Bankgeschäft vor Augen hält, wird auch deutlich, wie attraktiv es für eine Bank sein muss, sich statt eigener Risiken auf die Produktion von Risiken für Kunden zu kaprizieren und diesen gegen ergebnisunabhängige Kommissionen Vermögensanlagechancen zu verkaufen. Allerdings geht auch das nicht risikolos, weil man sich jetzt darauf konzentrieren muss, Kunden dafür zu finden, dass man die angeblich besseren Vermögensanlagechancen zu bieten hat als die Konkurrenz. Unter Umständen setzt man dann Versprechungen in die Welt, die man nicht rechtzeitig und unauffällig genug korrigieren kann, falls sich andere als die erwarteten Entwicklungen einstellen. Unterliegt man bei Banken einer Selbsttäuschung? Das Buch wirbt dafür, die Beobachtung, strategische Reflexion und Überwachung der Geschäftspolitik einer Bank von der Unterscheidung zwischen Risiko und Sicherheit auf die Unterscheidung zwischen Risiko und Gefahr umzustellen. Solange man in Bankgeschäften unterstellt, man könne sich auf einer sicheren Seite bewegen, unterliegt man einer Selbst- und/oder Fremdtäuschung, die ironischerweise auch dann noch vorliegt, wenn man suggeriert, man könne sich mit Sicherheit für eine bestimmte Risikopräferenz entscheiden, um etwa hohe Risiken für hohe Gewinnaus-
7 _Mehr vom Autor unter zu.de/baecker
sichten und niedrige Risiken für geringe Gewinnaussichten einzugehen. Sobald man auf die Unterscheidung zwischen Risiko und Gefahr umstellt, macht man sich und anderen deutlich, dass es Sicherheit zum einen nicht gibt und man zum anderen die Risiken selbst produziert, auf die man sich einlässt, und dass es genau deswegen darauf ankommt, sie zu strukturieren und zu überwachen. In der Praxis des Bankgeschäfts ist dies selbstverständlich, in der strategischen Reflexion, in Verkaufsgesprächen mit den Kunden, im Design der Instrumente des Risikomanagements und in der Diskussion mit Aufsichtsorganen jedoch nicht. Es fehlt der Rückbezug des Risikos auf die eigene Entscheidung. Läge dieser Rückbezug vor, könnte man die Strukturierung des Risikos durch die Auswahl geeigneter Geschäftspartner, durch die Absicherung in Haftungsfragen und Vermögenswerten, durch die Garantie von Korrekturen und Rückzugsmöglichkeiten sowie durch die gleichzeitige Einnahme von Gegenpositio-
nen (Hedging) als das beschreiben, was sie tatsächlich ist: eine Form des Umgangs mit den Gefahren wirtschaftlichen Handelns, die daraus entstehen, dass niemand weiß, was gespielt wird, und man daher laufend mit unliebsamen Überraschungen rechnen muss, die sowohl auf gesellschaftliche als auch auf natürliche Umstände und nicht zuletzt auf deren Kombination zurückgerechnet werden können. Welche Sicherheit gibt es überhaupt? Die einzige Sicherheit, die in dieser Situation zu gewinnen ist, besteht darin, dass man sich bewusst auf Risikostrukturen einlässt, die aus der Vernetzung hinreichend vieler Akteure bestehen, die in der Lage sind, die Teilrisiken, die sie eingehen, sowohl offen zu legen als auch zu verstehen und aus eigenen Mitteln zu beherrschen. Das ist das Gegenteil dessen, was der gegenwärtigen Finanzkrise, dem Anlass der Neuauflage des Buches, zugrunde liegt. Denn die gegenwärtige Malaise ist daraus entstanden, dass man im großen Stil sowohl Kreditnehmer im Hypothekengeschäft als auch 2008
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Geldanleger im Interbankengeschäft gewonnen hat, die ihre Risiken weder verstanden haben noch aus eigenen Mitteln beherrschen können. Für die Gefahren kann letztlich nur der Staat, das heißt der politisch kalkulierte Rückgriff auf die Zwangszahlungen der Steuerpflichtigen, geradestehen. Auch das ist eine Lehre aus der gegenwärtigen Finanzkrise, die nur wiederholt, was man außerhalb der Wirtschaftswissenschaften immer schon wusste. Die Wirtschaftswissenschaften, die sich hier als in ihrer Autonomiebehauptung der Wirtschaft (Gleichgewichtstheorie!) ideologisch befangene Beobachter erweisen, unterschätzen systematisch das Ausmaß, in dem die Risikokalküle der Wirtschaft auf flankierende Maßnahmen der Politik angewiesen sind. Nicht nur wird die Geldmengenpolitik der Notenbanken zu einer bloß
Welche neue Rolle kommt dem Staat zu? Und in der Tat, solange man davon ausgeht, dass der Zweck der Wirtschaft die Versorgung mit knappen Gütern ist, kann man die Rolle des Staates marginalisieren, weil er dann nur ein Akteur unter anderen ist. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass die Funktion der Wirtschaft darin besteht, Vorsorge für die Zukunft zu treffen, stellt sich sofort die Frage, welche Zukunft in welcher Fristigkeitsstruktur in Rechnung gestellt werden kann. In dieser Situation ist der Staat kein Akteur unter anderen, sondern ein seinerseits höchst riskanter, weil Verlässlichkeit signalisierender, im Zugriff auf die Zwangszahlungen der Steuerpflichtigen abgesicherter Garant bestimmter Zukünfte, an denen sich alle anderen Wirtschaftsakteure orientieren. Darauf kann man nicht verzichten, das kann man jedoch auch nicht wirklich kalkulieren.
Wo lassen Sie Ihr Geld? „Ich geb’s aus, das erscheint mir am sichersten. Und meine Familie hilft mir dabei.“ dirk baecker
In der Wirtschaft schließen wir Wetten auf andere ab, deren Erfolge nur in Grenzen von uns selbst abzusichern sind. In der Wirtschaft gibt es den anderen als anderen; sie ist ein verteiltes System, in dem sich Fehleinschätzungen über kurz oder lang selber korrigieren. In der Politik schließen wir Wetten auf uns selber ab, ohne zu wissen, worin unsere Erfolgsaussichten bestehen. In der Politik gibt es den anderen nur als den anderen Staat; sie ist ein asymmetrisches System, in dem sich der politische Wille zu Aggregationseffekten aufschaukeln kann, die nur langfristig, wenn überhaupt, wieder aus der Welt zu schaffen sind. Welche Theorie der Wirtschaft brauchen wir zukünftig?
technisch begründeten Randbedingung der Wirtschaft marginalisiert, sondern man übersieht auch die aktive wirtschaftliche Rolle des Staates in der Kreditaufnahme und Geldanlage, in der Arbeitsplatzsicherung (zur Not durch eigene Beschäftigungsangebote), im eigenen Konsum und in der eigenen Produktion von Gütern und Dienstleistungen.
2008
Wir brauchen daher eine Theorie der Wirtschaft, die nicht so tut, als könne sich die Wirtschaft von der Politik und dem Rest der Gesellschaft abnabeln, sondern die auch und gerade die Rationalität der Wirtschaft, ihre kleinen, scharfen Kalküle, zurückbezieht auf die gesellschaftlichen Voraussetzungen, in die sie eingebettet ist. Die Anomalien ansonsten effizienter Märkte entstehen daraus, dass man die Gesellschaft insgesamt in Rechnung stellen muss, wenn es darum geht, für eine ungewisse Zukunft dennoch gegenwärtig Vorsorge zu treffen. Banken haben es, weil sie mit Zahlungsversprechen handeln, mit einem potenzierten Zeitfaktor zu tun. Davon, dass damit ein eigener Produzent von Risiken und Gefahren auftritt, handelt das Buch. Darin, dass zusätzliche Berechnungen eine zusätzliche Unberechenbarkeit schaffen, liegt die Pointe des Buches. Denn wer rechnet, wird in der Gesellschaft auch berechnet. Und es kann dauern, bis die Akteure aus den Kulissen treten, die auf die neuen Rechnungen ihre eigenen Wetten abgeschlossen haben.
Jubiläumsjahr 2013: 10 Jahre Zeppelin Uni, 175. Geburtstag von Graf Zeppelin – was verbindet die Luftschifffahrt und Tognum? a) Schöne Aussichten
b) Himmlische Nähe
c) Sichere Motoren
d) Heiße Luft
Wir gratulieren „ZU“ zehn Jahren! Neues schaffen. Weiter denken. Vorwärtskommen. Die Zeppelin Universität feiert ihr zehnjähriges Bestehen und wir gratulieren natürlich von ganzem Herzen. Was uns bislang und auch künftig verbindet, ist nicht nur der Namensgeber der Universität und unsere regionale Verankerung in Friedrichshafen, sondern auch die Förderung von Innovation und jungen Talenten. Im Jahr 1908 empfahlen Wilhelm und Karl Maybach dem Grafen Ferdinand von Zeppelin eine neue Motorkonstruktion, um die Luftschifffahrt sicherer zu machen und legten so den Grundstein für die Luftfahrzeug-Motorenbau GmbH und damit für die heutige Tognum AG. Mit den Marken MTU, MTU Onsite Energy und L’Orange sind wir heute einer der weltweit führenden Anbieter von hochinnovativen Motoren, Einspritzsystemen, Antriebslösungen und dezentralen Energieanlagen. Bewegen wir gemeinsam von Friedrichshafen aus die Welt! Willkommen bei der Tognum AG in Friedrichshafen. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören. Tognum AG • Personalmarketing • Regine Siemann • Maybachplatz 1 • 88045 Friedrichshafen regine.siemann@tognum.com • Tel. 07541/90-7888
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Vier Hochzeiten und drei Todesfälle Professor Dr. Stephan A. Jansen, Lehrstuhl für Strategische Organisation und Finanzierung | SOFI und Leiter des „Civil Society Center | CiSoC“
Unternehmenskäufe und Fusionen: Kaum ein Phänomen hat die weltweite Unternehmenslandschaft im ausklingenden 20. Jahrhundert so stark geprägt wie dieses. Stephan A. Jansen hat deren Erfolgsfaktoren und Kardinalfehler eingehend untersucht und 2004 daraus folgend sein Buch „Management von Unternehmenszusammenschlüssen – Theorien, Thesen, Tests und Tools“ bei Klett-Cotta veröffentlicht. Und er kommt zu dem Schluss: Unternehmensübernahmen verursachen oftmals Schluckbeschwerden.
Seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts ist das Phänomen der Unternehmensübernahmen beobachtbar. Und zwar in Wellen. Die Forschung dazu brandete hingegen erst in den 1990er Jahren so richtig auf – mit Verzug dann auch in Deutschland. Eine erste differenzierte Analyse zum Management von Unternehmensübernahmen insbesondere mit dem Fokus auf die sogenannte Post-Merger-Phase für den deutschen Markt wurde im Jahr 2000 vorgelegt und 2004 umfangreich veröffentlicht. In dieser Analyse wurden insgesamt 103 Unternehmenszusammenschlüsse anhand eines ausführlichen Fragebogens untersucht, die in der bislang transaktionsstärksten Welle zwischen 1994 und 1998 vereinbart wurden. Ein eigenes Sample wurde mit den kleinen und mittleren Unternehmen vorgenommen.
Vor allem folgende Fragen standen im Vordergrund: Was sind die Erfolgsfaktoren, was sind die Kardinalfehler beim Management von Fusionen? Sind rein nationale Fusionen erfolgreicher als internationale? Ist es besser, mit einem gleichstarken Partner zu fusionieren oder ein kleineres Unternehmen zu übernehmen? Und: Gibt es Unterschiede im Ergebnis zwischen Dienstleistern und der klassischen Industrie? Welche Rolle spielt der Kunde bei Fusionen? Beginnen wir mit der ernüchternden Bilanz vorab: Nur in 44 Prozent der Fälle gelang den untersuchten Unternehmen eine relative Umsatzsteigerung im Vergleich zur Branche, lediglich 24 Prozent der börsennotierten Studienteilnehmer konnte eine relative Steigerung ihres Börsenwertes im Nachgang der Fusion erreichen (sogenannte „Outperformance“). Damit scheiterten drei von vier Hochzeiten an der Börse, was möglicherweise auch den dann wieder abnehmenden Trend zu solchen Zusammenschlüssen erklären könnte. Die Ergebnisse im Schnell-Überblick: 2004
11 _Mehr vom Autor unter zu.de/jansen
Was sind die Ziele von Fusionen? Kostensynergien hatten bei den Noch als Student 1997 gründeten Sie das deutschlandweit erste Zielstellungen von Fusionen „Institute for Mergers & Acquisitions | IMA“. Was hat Sie an dem deutlichen Vorrang vor gemeinThema so fasziniert? „Es war damals ein besonderes Gesellsamem Wachstum und Innovationen. Zu den drei entscheischaftsspiel über Geld, Macht und Liebe – und die Forschung dazu denden strategischen Zielen etwas zu betriebswirtschaftlich verengt.“ stephan a. jansen der Unternehmenszusammenschlüsse zählten bei 70 Prozent der Befragten die Erhöhung der (globalen) Marktpräsenz, Kostensynergien im Bereich der Leistungserstellung (39 Prozent) und im Bereich der Vermarktung (31 Prozent). Wachstumssynergien waren nur für 16 Prozent der analysierten Unternehmen das Hauptmotiv, der Erwerb von Know-how nur für 7 Prozent und die Erhöhung der Innovationskraft gar nur für 4 Prozent. Welche sind die Erfolgsfaktoren? Ein erfolgreiches Post Merger Management zeichnet sich durch schnelle Entscheidungen zur zukünftigen Führungsstruktur aus. Überraschend dabei: Unternehmenskulturelle Aspekte haben einen eher unbedeutenden Einfluss auf den Erfolg. Unternehmen, die bereits mehrere Akquisitionen in der gleichen Größenordnung durchgeführt haben und damit über entsprechende Fusionserfahrung verfügen, messen dem Thema Kultur sogar eine signifikant geringere Bedeutung bei. Für 57 Prozent aller Befragten zählte nach eigener Einschätzung die schnelle Entscheidung über die künftige Führungsstruktur zu den wichtigsten Aufgaben, bei 47 Prozent die Erarbeitung einer externen und internen Kommunikationsstrategie und bei 27 Prozent der Einsatz von Integrationsteams. Im Hinblick auf die erfolgreichen Zusammenschlüsse lassen sich folgende Faktoren ableiten, die einen signifikant positiven Einfluss auf den Fusionserfolg haben: Faktoren mit signifikant positivem Einfluss auf den Fusionserfolg (vgl. Jansen 2004, S. 206). Aufgaben mit signifikant positivem Einfluss auf die relative Umsatzsteigerung (Branchen-Outperformance)
Korrelation (Pearson) Signifikanz
Aufgaben mit signifikant positivem Einfluss auf die relative Börsenwertsteigerung (Branchen-Outperformance)
Korrelation (Pearson) Signifikanz
Harmonisierung der Gehalts- und Incentivestrukturen
0,404 0,000**
Konsolidierung des betrieblichen Berichtwesens
0,572 0,001**
Konsolidierung des betrieblichen Berichtwesens
0,325 0,002**
Einsatz von Integrations- und Projektteams
0,457 0,013*
Ableitung einer Integrationsplanung im Vorfeld
0,273 0,010*
Aufsetzung neuer Strategien der Kundenzusammenarbeit
0,398 0,033*
Proaktives Fluktuationsmanagement
0,271 0,011*
Wissenschaftliche Dokumentation des Post Merger Managements
0,382 0,041*
Entwicklung von Instrumenten zum Wissenstransfer
0,223 0,037
* Korrelation auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant ** Korrelation auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant
2004
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Welche Fehler werden begangen?
of Equals“ eine deutliche höhere Bedeutung beigemessen – vor allem der Integrationsplanung, dem Einsatz von Integrationsteams, der Entwicklung von Instrumenten zum Wissenstransfer und dem Aufbau zusätzlicher F&E. Die Integrationstiefe gleichwertiger Partner ist dabei deutlich höher im Sinne einer nur geringen Integration gewesen und die Integrationsgeschwindigkeit dafür signifikant langsamer.
Bisherige Erklärungsansätze für die unverändert hohe Misserfolgsquote waren eher aus Einzelerfahrungen abgeleitet, so dass aufgrund mangelnder Forschung auf diesem wichtigen Bereich stereotype Erklärungsmuster entstanden sind – wie beispielsweise „Kulturdifferenzen“, „schwache zentrale Managementführung“ oder „fehlende Prozessgeschwindigkeit“. All diese Erklärungsansätze bestätigen Es wird nun weniger geheiratet. Gibt es neue Beziehungssich interessanterweise in der formen? „Ja, in Deutschland wird weniger auf Augendurchgeführten Studie nicht: höhe geheiratet, aber es sind mit Hedge Fonds, Private Für 31 Prozent der Befragten Equity und Staatsfonds neue Lebensabschnittsgefährzählen die unzureichende Einbindung der Mitarbeiter, für 27 ten in diesen Heiratsmarkt gekommen, und die BRICProzent eine unzureichende Staaten flirten heftig.“ stephan a. jansen Kommunikation und für jeweils 19 Prozent eine schlechte Planung des Integrationsprozesses sowie eine zu star- Zusammenschlüsse mit einem internationalen Partner ke Zentralisierung der Entscheidungsprozesse zu den weisen eine signifikant höhere Börsenwertsteigerung drei gravierendsten Fehlern von Unternehmen im gegenüber nationalen Zusammenschlüssen auf: WähRahmen des Integrationsmanagements. rend keine der internationalen Fusionen eine negative Börsenwertentwicklung verzeichnen musste, haben 43 Prozent der rein nationalen ZusamFaktoren mit signifikant negativen Einfluss auf den Fusionserfolg menschlüsse entsprechende Kurs(vgl. Jansen 2004, S. 212). rückgänge erlitten. Der Umsatz entFehler mit signifikant negativem Einfluss Korrelation Aufgaben mit signifikant positivem Einfluss Korrelation wickelte sich jedoch tendenziell leicht auf die relative Umsatzsteigerung (Pearson) auf die relative Börsenwertsteigerung (Pearson) schlechter im Vergleich zu den rein (Branchen-Outperformance) Signifikanz (Branchen-Outperformance) Signifikanz nationalen Fusionen.
Schlechte Planung des Integrationsprozesses
-0,428 0,000**
Keine neuen Konzepte der Kundenkooperation
-0,445 0,020*
Unzureichende Kommunikationsstrategie
-0,247 0,021*
Unzureichende Kommunikationsstrategie
-0,407 0,032*
Welchen Einfluss hat die Branche?
Bei 51,9 Prozent der Zusammenschlüsse von Dienstleistern und Handel stieNur Top-down-Kommunikation -0,219 gen die Umsätze relativ zur Branche, 0,044* gegenüber nur 40,7 Prozent im Industrie- und Konsumgütersektor. Grund: * Korrelation auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant ** Korrelation auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant Bei ihnen stehen „Wachstumssynergien“ und die „Nutzung neuer Absatz-/ Vertriebswege“ deutlich vor den „Kostensynergien“. Dies Was sind die Instrumente? zeigt sich auch bei der deutlich geringeren Tendenz zur Vor allem richtige Kommunikationskonzepte, aber Personalreduktion nach der Fusion. Sie wählten zudem auch Stärken-Schwächen-Analysen sowie die Check- wesentlich häufiger den Zusammenschluss mit einem listen und Pflichtenhefte wurden von den Studien- gleichwertigen Partner. teilnehmern als zentrale Instrumente für ein erfolgreiches Fusionsmanagement eingestuft. Weiterhin Welche Bedeutung hat die Größe der Käufer? standen Potentialeinschätzungsverfahren für die Mitarbeiter und darauf abgestimmte Trainingssys- Beim Vergleich der Größe des Käuferunternehmens teme hoch im Kurs. Auch hier: Die derzeit verstärkt zeigen sich für diejenigen unter 1 Mrd. DM Umsatz diskutierte kulturelle Due Diligence wurde lediglich (hier als kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von 2 Prozent als ein wichtiges Instrument eingestuft. definiert) folgende Auffälligkeiten:
Zu starke Zentralisierung der Koordination (Überlastung der Entscheidermannschaft)
-0,246 0,022*
Fehlende Absprache der Vertriebsaktivitäten (kein Abgleich von Kundenstämmen)
Welche Ergebnisse zeigt die vergleichende Analyse? Fusionen unter gleichstarken Partnern sind tendenziell erfolgreicher an der Börse und beim Umsatz. Der mögliche Grund: Nahezu allen Aufgaben im Post Merger Management wird bei den sogenannten „Mergers 2004
-0,384 0,048*
(a) Bindungsrichtung: KMU akquirierten häufiger vertikal bzw. konglomeral als börsennotierte Konzerne (19,4 Prozent im Vergleich zu 6,9 Prozent). (b) Erfolgsmaße: Beim Umsatz realisierten KMU-Käufer eine deutlich bessere Umsatzentwicklung (immerhin 54,5 Prozent im Vergleich zu gerade einmal 38,9 Prozent
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bei börsennotierten Großunternehmen). (c) Ziele: Der Einfluss der Marketing- und Vertriebsziele auf die Entscheidung für einen Zusammenschluss war bei den KMU-Käufern signifikant höher ausgeprägt (85,7 Prozent im Gegensatz zu 56,7 Prozent). Bei der strategischen Ausrichtung der mittelständischen Zusammenschlüsse stand entgegen der Logik der Groß-Fusionen die Realisierung von Kostensynergien weit hinter der Realisierung von Wachstumssynergien. (d) Aufgabenfokus: KMU wiesen einen starken Kunden- und Lieferantenfokus in der Integration auf, nahmen aber kaum Beratung in Anspruch. (e) Instrumente: KMU setzen weniger Post Merger-Instrumente ein. (f) Integrationstiefe und -geschwindigkeit: KMU-Käufer hatten eine signifikant niedrigere Integrationstiefe (38,2 Prozent nur mit Teilintegration mit lediglich 15 Prozent bei börsennotierten Großtransaktionen), sind dabei aber nicht schneller.
_Jansen, Stephan A. (2009): Akquisitionen und Fusionen von und durch Familienunternehmen – Ausgewählte Theorien, Thesen und Test, in: Kirchdörfer, Rainer / Lorz, Rainer / Wiedemann, Andreas / Kögel, Rainer (Hrsg.): Familienunternehmen in Recht, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – Festschrift für Brun-Hagen Hennerkes, München: Beck, S. 389 – 416. _Jansen, Stephan A. (2008): Mergers & Acquisitions: Unternehmensakquisition und -kooperation – Eine strategische, organisatorische und kapitalmarkttheoretische Einführung, Wiesbaden: Gabler, 5. überarbeitete und ergänzte Auflage. _Jansen, Stephan A. (2004): Management von Unternehmenszusammenschlüssen – Theorien, Thesen, Tests und Tools, Stuttgart: Klett-Cotta.
Schützt Erfahrung vor Misserfolgen? Nun könnte man vermuten, dass sich bei den vielen Misserfolgen zumindest bei Akquisitionserfahrenen eine Lernkurve einstellen müsste. Aber: Vorherige Akquisitionserfahrung hatte bei den analysierten Unternehmen keinen Einfluss auf den Erfolg nachfolgender Zusammenschlüsse. Dies könnte auch an der fehlenden Reflexion zum Beispiel im Sinne des Post-Merger-Audits liegen. Schluckbeschwerden lassen sich vermutlich nur vor- und nachsorgend (Due Diligence und Post Merger Audit) sowie mitfühlend (Prozessmanagement) einigermaßen in den Griff bekommen – und vielleicht hilft dabei sogar die Forschung.
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Warum die Stasi die Wirtschaft bis heute schwächt Interview mit Professor Dr. Marcel Tyrell, Lehrstuhl für Unternehmer- und Finanzwissenschaften
Auch mehr als 20 Jahre nach Vollendung der deutschen Einheit und trotz milliardenschwerer Aufbauprogramme hinkt die Wirtschaft in den neuen Bundesländern dem Westen gegenüber immer noch hinterher. Ein Grund dafür könnte in einem von Marcel Tyrell und Marcus Jacob 2010 erforschten Phänomen liegen: in den Nachwirkungen des Stasi-Spitzelsystems. Es hat offenbar Folgen bis heute, indem es eine der wichtigsten Voraussetzungen für gedeihlichen Handel und wirtschaftliches Wachstum nachhaltig zerstörte: gegenseitiges Vertrauen und damit sogenanntes Sozialkapital.
Herr Tyrell, Sie haben gemein- ist es auch Vertrauenskapital: Es bezeichnet das Aussam mit Marcus Jacob eine Stu- maß des Vertrauens, das Menschen in andere Mendie veröffentlicht, in der Sie schen setzen. das Sozialkapital in den neuen Bundesländern untersucht ha- Und was war der genaue Forschungsansatz? ben. Was versteht man eigent- Wir haben untersucht, ob die fortdauernde ökonomische Disparität zwischen Ost- und Westdeutschland lich unter Sozialkapital? Sozialkapital ist ein Begriff, der auch etwas damit zu tun hat, dass diese Form des insbesondere durch die Soziolo- Vertrauenskapitals durch die SED-Diktatur systemagen Pierre Bourdieu und Robert tisch unterminiert wurde. Vorbild für unsere UnterPutnam in den wissenschaftli- suchungen waren dabei ökonomische Studien, die, chen Diskurs eingeführt wurde. angeregt durch Putnam, das bereits seit JahrhunderWährend Bourdieu als Sozialka- ten bestehende wirtschaftliche Gefälle zwischen pital die Ressourcen bezeichnet, Nord- und Süditalien auch dadurch erklären, dass die eingesetzt werden, um in einem institutionellen historisch gewachsen sehr unterschiedliche Niveaus Zusammenhang die gegenseitige Akzeptanz und An- an Sozialkapital zwischen diesen Regionen herrschen. erkennung zu fördern, versteht Putnam darunter je- Ob ein ähnlicher Erklärungszusammenhang auch für doch vor allem die Facetten des gesellschaftlichen Deutschland konstatiert werden kann, stand im MitZusammenlebens wie Netzwerke, Normen oder auch telpunkt unserer Arbeit. Vertrauen, die dazu führen, dass Individuen kooperativ agieren, um gemeinsame Interessen zu verfolgen. In Welcher Faktoren haben Sie sich dabei bedient – und den Wirtschaftswissenschaften wird Sozialkapital was sagen diese aus? eher analog zu Putnam als ein Faktor gesehen, der die Die Schwierigkeit besteht darin, dass Sozialkapital ein gemeinsamen Wertvorstellungen und Erwartungen Konstrukt ist, welches kaum beobachtet, geschweige beinhaltet, die es einer Gruppe ermöglichen, Gesamt- denn direkt gemessen werden kann. Wir haben Fakwohlfahrt erhöhende Aktivitäten zu initiieren, ohne toren zur Messung herangezogen, wie sie üblicherdass es zu Trittbrettfahrerverhalten kommt. Insofern weise in der Forschung verwendet werden, also die
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15 _Mehr vom Autor unter zu.de/tyrell
Wahlbeteiligung, die Bereitschaft, Organe zu spenden, oder sich in Organisationen zu engagieren. Dies sind natürlich unvollkommene Indikatoren, um Gemeinsinn zu messen, aber trotz allem die besten, die uns insbesondere geographisch feingegliedert auf Kreisebene zur Verfügung standen.
auch noch 20 Jahre später. Es gab zwar geringfügige Unterschiede, je nachdem welchen Indikator (Wahlbeteiligung, Organspenden oder Mitgliedschaft in Vereinen) wir in die empirische Untersuchung einbezogen, aber das veränderte nichts an der Hauptaussage.
Welche Rolle spielte die frühere Staatssicherheit in der Forschungsarbeit? Wichtig ist herauszuarbeiten, welche Faktoren Sozialkapital grundsätzlich beeinflussen können. Es gibt die Was schlussfolgern Sie daraus? Faktoren, die aus der Literatur bekannt sind, nämlich Die Überwachung und Bespitzelung durch die Stasi der Grad der Urbanisierung, die Zuwanderung in eine hat nachhaltig Sozialkapital zerstört und dies insbeRegion und die konfessionelle Bindung der Bewohner in einer Region, Haben Sie spezielle regionale Unterschiede in den neuen welche wir in unserer Studie berücksichtigt haben. Dann stellte sich uns Bundesländern beim Sozialkapital ausgemacht? „Das Sozidie Frage, ob auch die Staatssicheralkapital scheint in den weiter südlich liegenden neuen heit etwas mit dem mal mehr und Bundesländern wie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürinmal minder ausgeprägten Sozialkagen stärker ausgeprägt zu sein. Dies sind auch die vergleichspital zu tun haben könnte. Wir erhoben auf Basis einer Studie der Birthweise wirtschaftlich erfolgreichen Länder.“ Marcel Tyrell ler-Behörde die Zahl der Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit auf Kreis-Ebene und stellten fest, dass die in den letz- sondere dadurch, dass sie vielfach im Verborgenen ten Jahren der DDR regional sehr unterschiedlich ver- agiert hat. Das hat Misstrauen in die Gesellschaft gesät teilt waren. Die Dichte der IM schwankte zwischen 2 und damit Vertrauen zerstört. Und da dies in den Köpund 16 pro 1000 Einwohner. Folgt daraus, dass sich aus fen der Menschen tief verankert ist und teilweise auch dem unterschiedlichen Wirken der Staatssicherheit generationenübergreifend weitergegeben wird, sind damals – für welche die IM-Dichte ein wichtiger Indi- die Auswirkungen ebenso nachhaltig. kator ist – heute noch Auswirkungen auf das SozialWas bedeutet dies für die weitere wirtschaftliche kapital messen lassen? Entwicklung in den neuen Bundesländern? Dies haben wir in einem nächsten Schritt untersucht. Und wie war das Ergebnis? Wir konnten feststellen, dass im Durchschnitt, aber Die Intensität der Überwachung hat laut unserer Stunur im Durchschnitt, gilt: Je höher die IM-Dichte in die einen starken Negativeffekt – über den Umweg des einer Region war, desto geringer ist das Sozialkapital Sozialkapitals – auf die Wirtschaftsentwicklung und -leistung. Der Grund ist klar: Ausgeprägtes Sozialkapital bildet auch die Grundlage erfolgreichen wirtschaftlichen Handelns. Misstrauen erschwert hingegen effiziente Kooperation, und dies macht bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten, die mit komparativen Kosten- und Produktionsvorteilen verbunden sind, ineffizient. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung leidet dauerhaft. 2010
16 _Mehr zur Studie unter zu.de/sozialkapital
Lässt sich ein Verlust von Sozialkapital heilen? Wirtschaft funktioniert nur mit den Menschen und den unmittelbaren und mittelbaren Erfahrungen, die sie machen. Deshalb geht es im Kern darum, gezielt den Aufbau und die Stärkung von Gemeinsinn zu fördern. So lässt sich ein solcher Verlust auch nur langfristig heilen, aber es kann gelingen.
das Misstrauen, welches uns entgegenschlug. Uns wurden oft finstere Absichten mit der Studie unterstellt, und dies zeigte mir letztlich, wie relevant und aktuell unsere Forschung ist. Das Misstrauen war gewaltig, obwohl die Studie in keinerlei Weise gegen die weit überwiegende Mehrheit der Bürger gerichtet war, die nicht mit der Stasi zusammengearbeitet haben. Wie waren eigentlich die Resonanzen aus Wissenschaftskreisen? Hier waren die Reaktionen positiv aber auch insistierend. Der Diskurs drehte sich in der Hauptsache darum, ob wir mittels unserer empirischen Spezifikation der Analyse einen Kausalzusammenhang oder eine Korrelation nachgewiesen haben. Dies ist eine der Hauptfragen. Die „story-line“ wurde jedoch kaum bestritten.
Welche Konsequenzen sollte die Politik aus der Studie ziehen? „Man sollte sich auch seitens der Politik ernsthaft die Frage stellen, ob mit aller Macht eine vollständige wirtschaftliche Konvergenz zwischen Ost- und Westdeutschland angestrebt werden sollte. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten könnten unangemessen hoch sein.“ Marcel Tyrell Könnte staatliches Handeln helfen? Der Staat kann helfen, den Gemeinschaftssinn durch die Schöpfung von Gemeinschaftsgütern zu stärken, damit Vertrauen entstehen kann. Es reicht deshalb nicht, Autobahnen zu bauen, ein Gewerbegebiet anzulegen oder Geldtransfers zu leisten. Das ist oft nur Symbolpolitik und verändert nichts in den Köpfen vieler Menschen. Sie erfuhren damals im Zuge der Veröffentlichungen teils heftige Angriffe aus den neuen Ländern. Welcher Art waren die und wie haben Sie sie erlebt? Ich war verblüfft über die Schärfe der Reaktionen und 2010
Hat die Studie in irgendeiner Form einen Fortgang gefunden? Sowohl die Entstehung als auch die Zerstörung von Sozialkapital wird nicht nur in Deutschland, sondern auch international immer intensiver untersucht, und dies ist eine originär interdisziplinäre Fragestellung. Gerade aktuell beschäftigen wir uns genauer mit der Fragestellung, wie Sozialkapital und Familienunternehmertum zusammenhängen, denn unseres Erachtens gibt es auch hier einen noch unerforschten Zusammenhang.
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Bundesbürger wissen nur wenig über Wirtschaft Professor Dr. Peter Kenning, Dr. (des.) Inga Wobker, Lehrstuhl für Marketing, und Diplom-Kauffrau Mirja Hubert, Forschungszentrum Verbraucher, Markt und Politik | CCMP Wie bezeichnet man das Wirtschaftssystem der Bundes republik Deutschland? Was Stellen wir uns einmal versteht man unter Subven tionen? Wie heißt eigentlich der vor: Sie haben 3000 Euro Schulden gemacht. Dafür aktuelle Bundeswirtschafts zahlen Sie einen Sollzins minister? Und wie hoch ist derzeit in etwa die Arbeitslosen von 12 Prozent pro Jahr. Jeden Monat tragen Sie quote? Fragen, von denen man meinen müsste, sie könnte wohl 30 Euro ab. Wann werden Sie die Schulden getilgt jeder beantworten. Dem ist haben? Das Ergebnis ist jedoch überhaupt nicht so. Ein Forscherteam um Peter Kenning, – um es gleich vorweg zu nehmen – ebenso ernüchMirja Hubert und Inga Wobker ternd wie das, was Peter hat das sogenannte „Minimale Kenning, Mirja Hubert ökonomische Wissen“ der und Inga Wobker im RahDeutschen über mehrere Jahre hin untersucht – mit verblüffen men ihrer neuerlichen Studie 2013 über das miniden und sich 2013 noch dazu male ökonomische Wisverschlechternden Ergebnissen. sen (Minimal Economic Knowlegde) erlebten, die in Kooperation vom Forschungszentrum Verbraucher, Markt und Politik an der ZU, dem Lehrstuhl für Marketing, der TU Dresden und dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin durchgeführt wurde. Wie steht es um die Grundkenntnisse in Ökonomie? Mit 24 Fragen wollten die Forscher herausfinden, wie es um die grundlegenden Kenntnisse in Sachen Ökonomie bei den Bundesbürgern steht. Das Ergebnis: erschreckend schlecht. Erstmals wurden dabei Vergleichswerte einer Erhebung von vor zwei Jahren herangezogen wie auch geschlechterspezifische Unterschiede und ein Vergleich zwischen dem bundesdeutschen Durchschnitt und dem des Landes BadenWürttemberg angestellt. Die Ergebnisse fassen die 2013
Forscher so zusammen: „Das minimale Wirtschaftswissen ist in Deutschland immer noch sehr lückenhaft. Man sollte dringend nach Wegen suchen, die Menschen stärker für das Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge zu motivieren und sie so zu befähigen, Fehlentscheidungen zu vermeiden.“ Wie steht es ums Konsumentenwissen? Es beginnt schon damit, dass etwas über 30 Prozent der Bundesbürger nicht wissen, wer der aktuelle Bundeswirtschaftsminister ist. Oder fast ein Viertel noch nie davon gehört hat, in einer sozialen Marktwirtschaft zu leben. Oder fast die Hälfte nicht einmal in etwa angeben konnte, wie hoch die Arbeitslosenquote derzeit ist. Bei den Fragen ging es aber nicht nur um aktuelles wirtschaftliches Wissen, sondern auch um schlichtes, handfestes Konsumentenwissen wie bei der Frage: Wenn Sie als Verbraucher in einem Laden ein Produkt gekauft haben und es Ihnen nicht mehr gefällt, wie lange haben Sie dann normalerweise ein Rückgaberecht? Nicht einmal ein Drittel wusste die richtige Antwort: Es gibt gar keinen Anspruch auf Rückgabe. Der Rest schwankte mit Angaben zwischen einer und drei Wochen angeblichen Rückgaberechts. Wie schnitten die Befragten ab? Insgesamt wurden 1014 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet befragt. Erhoben wurden dabei zudem Daten zu Alter, Geschlecht, Haushaltsnettoeinkom-
19 _Mehr vom Autor unter zu.de/kenning
men und Bildungsabschluss. Jedem Teilnehmer wurden jeweils 24 Fragen zu den Themen Finanzen, Arbeitsmarkt, Konsum und Staat gestellt. Dabei war ein maximaler Wert des minimalen ökonomischen Wissens von 100 zu erreichen. Der Durchschnitt der Befragten kam am Ende auf einen Wert von 57,4 – gerade etwas mehr als die Hälfte dessen an Wirtschaftskenntnissen, die jeder Bürger im täglichen Leben eigentlich braucht. Im Vergleich zur früheren Erhebung von vor zwei Jahren bedeutete dieser Wert sogar noch eine Verschlechterung: Damals kam der Durchschnitt auf 59,4 Punkte. Mögliche Gründe für diese leicht negative Entwicklung sieht das Forscherteam in einer oftmals „mangelhaften Berücksichtigung ökonomischer Themen in den Schulen sowie einem bisweilen problematischen Medienkonsum“. Was schlussfolgert daraus? „Nicht nur in der Verbraucherbildung wird auf die Bedeutung des Verständnisses grundlegender wirtschaftlicher/ökonomischer Prozesse für die Qualität von Konsumentscheidungen hingewiesen: Konsumenten sollten sich nicht nur in Themenbereichen auskennen, die für sie unmittelbar relevant sind, sondern auch über minimale notwendige Kenntnisse in Bezug auf ökonomische Prozesse im Allgemeinen verfügen“, erläutern Hubert, Wobker und Kenning den Hintergrund der Studie. „Eine solche hinreichende ökonomische Bildung erhöht die Teilhabe und Konsumkompetenz und stärkt damit nicht nur das Individuum, sondern ebenso Gesellschaft und Politik.“ Gibt es Unterschiede bei den Geschlechtern?
Was zeigt der Vergleich für Baden-Württemberg? Erstmals erhoben wurden zudem Vergleichswerte zwischen der Bundesrepublik gesamt und dem Land Baden-Württemberg. Dabei zeigte sich, dass die Menschen im Land der Häuslebauer und Tüftler signifikant besser abschnitten als der Bundesdurchschnitt. Kam dieser am Ende auf einen Wert von 57,38, so erreichten die Baden-Württemberger einen Wert von 60,95. Warum ist das so? „Die Gründe dafür sind noch nicht abschließend erforscht. Unsere Daten zeigen aber, dass Unterschiede in den beruflichen Werdegängen, also Studium/Ausbildung und im Beruf ursächlich dafür sein könnten“, vermutet das Forscherteam. Und im Land der Häuslebauer dürfte denn auch die Lösung der Eingangsfrage nach den Schulden und deren Rückzahlung weniger ein Problem gewesen sein. Die richtige Antwort, wann denn nun unter den genannten Bedingungen die Schulden getilgt seien, lautet natürlich: nie!
Wie sind Sie eigentlich auf dieses Forschungsthema gekom-
Verteilt ist das ökonomische Wissen – auch das men? „Auf einem Workshop der VW-Stiftung bei einem Vorergab die Studie – geschlechterspezifisch übritrag von Lutz Bachmann. Er hatte mit Gerd Gigerenzer für die gens eher ungleich. Frauen schnitten deutlich medizinische Forschung analog einen Minimal Medical schlechter ab als Männer. Sie schätzten überdies selbst ihr Wissen in Sachen Wirtschaft als weKnowledge-Indikator entwickelt und getestet. Gigerenzer und sentlich schlechter ein und erzielten zudem eiich haben dann entschieden, dieses Forschungsprojekt auf nen im Durchschnitt um sieben Punkte schlechden ökonomischen Bereich zu übertragen.“ peter kenning teren Wert. Den Grund dafür sehen die Wissenschaftler vornehmlich darin, dass sich Frauen beim Thema Geld häufig noch weniger in der Verantwortung sähen als Männer und dem Thema Ökonomie auch weniger Interesse entgegenbrächten. Weitere Ergebnisse der Studie: Mit Alter und Einkommen nimmt das minimale ökonomische Wissen ebenso zu wie mit dem Bildungsabschluss.
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Kerzen, Konsum und Kapitalismus Professor Nico Stehr PhD, Karl-Mannheim-Lehrstuhl für Kulturwissenschaften, und Junior-Professor Dr. Marian Adolf, Lehrstuhl für Medienkultur
In den entwickelten Gesellschaften haben sich die Realeinkommen in den vergangenen 50 Jahren vervier- bis verfünffacht. Waren und Dienstleistungen gleichen heute kaum mehr denen, die vor 50 Jahren existierten. Nicht nur der Umfang, sondern auch das „Wo und Wie“ des Konsumierens und Produzierens haben sich radikal verändert. Dennoch stammen viele wichtige Vorstellungen von den Eigenschaften des Marktes und angeblich typischem Marktverhalten aus einer Welt, die kaum Wohlstand und kein allgemeines Bildungswesen, sondern vor allem Armut, Machtlosigkeit, Hunger und Analphabetismus kannte. Diesen Widerspruch versuchte Nico Stehr 2007 in seinem Buch „Die Moralisierung der Märkte“ aufzulösen.
Das, was wir als eine „Moralisierung der Märkte“ beschreiben, tritt deutlicher hervor, wenn man sich die zentralen, jahrzehntelang gültigen Annahmen des Marktes in Soziologie und Ökonomie vergegenwärtigt. Folgt man etwa der Beschreibung von Märkten in der Tradition der klassischen deutschen Soziologie, erscheinen diese als nackte, menschenleere Räume. So unterstreicht Georg Simmel ([1901] 1989: 290-291) in seiner monumentalen „Philosophie des Geldes“, dass „der indizierte Partner für das Geldgeschäft – in dem man mit Recht sagt, die Gemütlichkeit aufhört – die uns innerlich völlig indifferente, weder für noch gegen uns engagierte Persönlichkeit [ist].“ Der Markt hat sich durch das Medium Geld von menschlichen Attributen fast völlig emanzipiert, denn es stellt „das Moment der Objektivität der Tauschhandlungen gleichsam in reiner Abgelöstheit und selbständiger Verkörperung dar“ (Simmel, [1901] 1989: 601). In einem vergleichbaren Ansatz charakterisiert Max Weber ([1922] 1972: 382-383) in dem unvollendeten Kapitel „Die Marktgesellschaftung“ in „Wirtschaft und Gesellschaft“ die „Marktgemeinschaft als solche [… als] die unpersönlichste praktische Lebensbeziehung, in welche Menschen miteinander treten können […]. Wo der Markt seiner Eigengesetzlichkeit überlassen ist, kennt er nur Ansehen der Sache, kein Ansehen der Person, keine Brüderlichkeits- und Pietätspflichten, keine der urwüchsigen, von den persönlichen Gemeinschaften getragenen menschlichen Beziehungen.“
2007
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Wie ist die Sicht der klassischen Ökonomie? In der klassischen Ökonomie trifft man auf Märkten zwar lebendige Menschen, aber die Machtverteilung unter den Marktteilnehmern ist eindeutig und unverrückbar: In einer Antwort auf vier kritische Besprechungen seiner die Makroökonomie wie auch die Wirtschaftspolitik nachhaltig beeinflussenden „The General Theory of Employment, Interest and Money“ (1936) macht John Maynard Keynes (1937) darauf aufmerksam, dass es unter den zeitgenössischen Ökonomen zwar kaum noch bekennende Anhänger des Say’schen Gesetzes gibt (welches besagt, dass das Angebot seine eigene Nachfrage generiert). Allerdings fügt Keynes hinzu, dass die Ökonomen seiner Generation dieses Theorem dennoch stillschweigend weiter akzeptieren. An diesem Sachverhalt hat sich in den darauf folgenden Jahrzehnten kaum etwas verändert. Auch heute noch beobachten wir eine systematische Überschätzung der Macht des Angebots sowie der Macht jener Maßnahmen, die dazu dienen sollen, dem Say’schen Gesetz Nachdruck zu verleihen. Dazu gehören beispielsweise Marketing und Werbung, aber auch die These von der essentiellen Hilf- und Ahnungslosigkeit der Konsumenten sowie ihrer Ausbeutung und Entfremdung durch die Macht des Konsumerismus. Wie kommt die Moral ins Spiel? Was uns zum Begriff der Moral bringt, über deren genauen Sinn sich keine schnelle Übereinkunft
erzielen lässt. Sich moralisch zu verhalten heißt, sich in einer bestimmten auf Werte bezogenen Weise zu entscheiden. Zu den besonders relevanten Elementen solcher Entscheidungen gehört mit Sicherheit der Verweis oder Bezug auf andere Akteure. Zwar ist es schwierig, dem Begriff der Moral auf abstrakte Weise näherzukommen; dies kann nur fallweise geschehen. Objektiv gesehen gibt es in modernen Gesellschaften eine Vielfalt von im Entscheidungsverhalten nicht aufeinander reduzierbare Werte. Diese sind noch dazu unter spezifischen Bedingungen oder in bestimmten Situationen unvereinbar, was, ganz elementar gedacht, zum Beispiel für die Werte Freiheit und Gleichheit zutrifft. Diese Unbestimmtheit hat zur Folge, dass es in modernen Gesellschaften eine Pluralität von Märkten gibt, auf denen der Trend zur Moralisierung in unterschiedlicher Weise und mit verschiedenen Werten von Konsumenten und Produzenten praktiziert wird. Gleichzeitig gilt, obwohl bestimmte, handlungsbestimmende moralische Imperative wie beispielsweise Nachhaltigkeit nicht vollumfänglich durchgesetzt werden, dass diese Werte den Markt und das gesellschaftliche Leben sehr wohl verändern. Werte wie Gerechtigkeit, Loyalität, Freiheit oder Solidarität sind nicht schon deshalb Wahnvorstellungen oder Scheinwerte, weil sie kaum jemals vollständig durchgesetzt werden. Der These der Moralisierung der Märkte geht es auch nicht darum zu argumentieren, warum die beobachteten Einstellungen und Handlungsweisen der Marktakteure moralisch sind. 2007
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Hier geht es alleine darum, dass die Handelnden bestimmte, an den Märkten wirksame Präferenzen als moralische, und somit nicht als rein ökonomische, Präferenzen verstehen. Was heißt Moralisierung der Märkte? Moralisierung der Märkte heißt beispielsweise, dass ein Immobilieneigentümer sein Haus nicht an den höchsten Bieter, sondern an einen Interessenten verkauft, dessen Nutzungskonzept ihm zusagt. Moralisierung der Märkte bedeutet, dass der Produzent von Schokoriegeln den Produktionsprozess radikal ändert, weil sich die Konsumenten über die bisherige Produktion heftig beschwert haben. Eine Moralisierung der
zwischen 30 und 40 Prozent. Es gibt kaum etwas, das die moderne Ökonomie und Gesellschaft signifikanter beeinflusst als die Entscheidungen der Konsumenten am Markt. Obwohl es nicht überrascht, dass hierdurch Art und Umfang der Produktion mitbestimmt werden, ist der Konsument lange Zeit nicht nur von professionellen Ökonomen als isoliertes, uninformiertes, vor allem aber rein rational handelndes Einzelwesen verstanden worden, dessen Kaufentscheidung – oder auch Kaufenthaltung – Ergebnis eng umschriebener finanzieller Überlegungen sei. Saubillig sollte es sein!
Waren es bis vor wenigen Jahren noch Dritte-WeltLäden, kleine Verkaufsstände und winzige Bioläden, in denen fair gehandelter Kaffee, Bioschokolade oder unbehandelte Baumwollprodukte ein Nischendasein fristeten, so Nach „Heuschrecken“ und „Raubtierkapitalismus“ nun haben ökologische und fair gehandelte die „Moralisierung der Märkte“: Handelt es sich vielleicht Produkte heute eine Millionenklientel um eine Art Pendelbewegung? „Nein. Während es über und weisen dreistellige Wachstumsraten viele Jahrzehnte zu den Tugenden des Marktes im Kapitaauf. Inzwischen führen die großen Einzelhandelsketten in vielen europäischen lismus gehörte, dass er die Leidenschaften der Menschen Ländern Hunderte von fair gehandelten ausgrenzte, ist die Zukunft des Kapitalismus an eine PräProdukten in ihrem Sortiment. Neben Lesenz der Moral an den Märkten gekoppelt.“ nico stehr bensmittel haben auch andere Waren sowohl in der Zusammensetzung der RohMärkte entdeckt man auch bei Familien, die es vor- stoffe als auch in den Produktionsabläufen zunehziehen, bei Kerzenlicht und nicht bei elektrischem mend moralische Qualitäten. Das Marktvolumen Licht zu essen, oder in Restaurants, in denen die Ker- dieser Produkte und Dienstleistungen steigt nachzen anscheinend nie ausgehen. Die für die Kerzenin- haltig und rapide. dustrie erfreulichen Wachstumsraten lassen sich kaum als Ergebnis rein rationalen Kaufverhaltens Gibt es eine neue Nachhaltigkeit sozialer Normen? erklären. In der Vergangenheit war Weihnachten der wichtigste Absatzmarkt der Kerzenproduzenten, heu- Sofern man von einer Moralisierung der Märkte in te ist der Kerzenverkauf saisonunabhängig und somit modernen Gesellschaften sprechen kann, und nicht, ein erfolgreiches Ganz-Jahres-Produkt. Moralisierung wie manche befürchten, von einer Verdrängung der Märkte bedeutet aber auch, dass junge, gut aus- ethischer Maxime durch den Markt, rücken heute gebildete Menschen ihre Kreativität und ihren Leis- soziale Normen in den Vordergrund, die ein vom tungswillen in den Dienst gemeinwohlfördernder egoistischen Maximiergehabe oder GeltungskonProjekte stellen und sich damit immer öfter gegen sum abweichendes Verhalten vorschreiben. Zu diereputations- und einkommensträchtige Karriere- sen wirksamer werdenden Normen des Marktes chancen in großen kommerziellen Unternehmen gehören Fairness, Gesundheit, good will, Ängste und entscheiden – wie zuletzt unter dem Stichwort „Ge- Nachhaltigkeit ebenso wie Ausgleich, Loyalität, Rache, Exklusivität, Originalität, Solidarität, Alter und neration Y“ diskutiert. Mitgefühl. Welche moralische Basis haben Märkte? Und doch stammen die bis heute maßgeblichen Ideen Vor einem Jahrhundert gab der typische Haushalt in von den Eigenschaften des Marktes und dem angebeinem OECD-Land etwa 80 Prozent seines Einkom- lich typischen Marktverhalten aus einer Zeit, in der mens für Ernährung, Kleidung und Unterkunft aus. weder Wohlstand noch Bildung verbreitet waren, Heute beträgt dieser Anteil an den Konsumausgaben sondern ausgesprochene Armut, umfassende Macht2007
25 _Mehr von den Autoren unter zu.de/stehr zu.de/adolf
losigkeit, Hunger und Analphabetismus vorherrschten. Zugleich ist seit dem 18. Jahrhundert die Behauptung, Wohlstand demoralisiere, zu einem Gemeinplatz geworden – genau wie der verwandte, heute oft nur noch unterschwellig präsente Befund, dass der Kapitalismus eine prinzipiell unmoralische Veranstaltung sei. Eine Versöhnung von Kapitalismus und Moral kann es deshalb, so diese Fundamentalkritik, genau so wenig geben wie etwa eine Konvergenz von ökonomischen und ökologischen Zielen. Welches Bild bietet der Verbraucher? Auch heute noch wird von den Verbrauchern ein trostloses Bild gezeichnet: Demnach leidet die Mehrheit der Menschen entweder unter materiellem Mangel oder, aus einer oft asketischen Sicht, an Übersättigung durch Konsumgüter. Konsumenten werden immer noch als hilflose, unmündige, unsichere, manipulierte und somit schlecht beratene Käufer dargestellt. Mit der Entdeckung des Teilzahlungssystems war demzufolge die Kritik verbunden, dass sich die Konsumenten überschulden werden, um somit nicht
nur ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zugunsten einer unmittelbaren Befriedigung von Bedürfnissen auf Spiel zu setzen. Das gesellschaftliche Substrat der Moral und die Schubkraft für eine Moralisierung der Märkte sind dagegen die veränderten Lebensumstände des Menschen. Diese These mag zwar strittig sein, unbestritten aber ist, dass sich der Lebensstandard der meisten Menschen Jahrhunderte lang nur unwesentlich verändert hat. Im Gegensatz dazu leben wir gegenwärtig nicht nur aus ökonomischer Sicht, sondern auch was den Bildungsstandard der Bevölkerung anbelangt, in einem historisch unverwechselbaren Zeitalter, jedenfalls in den so genannten entwickelten Gesellschaften. Obwohl Wohlstand und Bildung – insbesondere die wachsende Wissenheit (knowledgeability) der Menschen (siehe Stehr, 2013) – weder hier noch anderswo gleich verteilt sind, sind beide weiter verbreitet als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Und diese schlagen sich als veränderte Lebensumstände und Sozialstrukturen, Verhaltensweisen und Werte nieder. 2007
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liche Dinge sind Symbole einer sich abzeichnenden partiellen Überwindung von Entfremdung und Verdinglichung, wie besonders handwerklich hergestellte Gegenstände veranschaulichen.
Bekommen Waren eine Würde? Auch im Zeitalter der Moralisierung der Märkte sind Waren keine menschlichen Wesen. Da aber die Produktion und Konsumption von Gütern mit einer Vielzahl von menschlichen Werten in enger Verbindung steht, diese manchmal mit den ihnen innewohnenden Eigenschaften geradezu verschmelzen, sind Waren zunehmend hybride Gebilde. Mit anderen Worten: Heute sind es zunehmend die intrinsischen Eigenschaften von Waren, die nützlich sind. Dazu zählen beispielweise Waren wie biologisch kultivierte Lebensmittel und Rohstoffe, fair gehandelte Erzeugnisse oder Strom aus erneuerbaren Quellen, denen, wie dem Menschen, eine bestimmte Würde zugeschrieben werden. Sodann sind Waren in zunehmendem Maße nicht mehr nur tauschbare Gegenstände oder Mittel des menschlichen Handelns. Am Markt erhält2007
Allerdings verändert die Moralisierung der Märkte sich nur die Symbolik der Waren, sondern auch ihre Materialität. Fair gehandelter Kaffee repräsentiert auch in diesem Fall die veränderte Materialität der Ware Kaffee. Der Kaffee ist seinem Wert nach hinter dem Ölmarkt die zweitwichtigste legal gehandelte Ware der Welt. Das Kaffeetrinken ist Teil eines äußerst komplexen, globalen kulturellen, sozialen und ökonomischen Beziehungsgeflechts. Eine Moralisierung der Märkte heißt aber nicht, dass moralisch „höhere“, „zivilere“, „humanere“, „friedliche“ oder sogar „nachhaltige“ Normen plötzlich das ökonomische Geschehen insgesamt und auf allen Märkten dominieren. Es ist aber unumstritten, dass sich solche, von Vielen als moralisch überlegen eingeschätzte Verhaltensweisen von Konsumenten und Produzenten nicht nur in entwickelten Gesellschaften zunehmend beobachten lassen.
27 Bibliographie
Wo zeigt sich Kontinuität, wo Wandel?
_Keynes, J.M. ([1930] 1963): Essays in Persuasion. New York: W.W. Norton. _Simmel, Georg ([1901] 1989): Die Philosophie des Geldes. Gesammelte Schriften Band. Frankfurt am Main: Suhrkamp. _Stehr, Nico (2013): Die Freiheit ist eine Tochter des Wissens. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. _Weber, Max ([1922] 1976): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Fünfte revidierte Auflage. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
Man kann sicherlich nicht unterstellen, dass neue Konventionen und Orientierungsmuster von allen Akteuren prompt geteilt werden oder dass sich ein solcher Konsens gleichsam naturwüchsig herausbildet. Bestimmte Verhaltensnormen werden weiter die von Minoritäten sein, Gruppen jedoch, denen zusehends Meinungsführerschaft zukommt. Auch in Zukunft werden sich die Orientierungsmuster ökonomischen Handelns von nenten des Produktionsprozesses, wie das „natürliche Produzenten und Konsumenten unterscheiden. Nicht Kapital“, mit in die Produktionsgleichung aufgenomalle Märkte sind gleich, noch verändern sie sich alle men werden. So kann die These von der Moralisierung zur selben Zeit, im gleichen Tempo oder in allen Regi- der Märkte als eine Art Schaukelbewegung von Angeonen dieser Welt. Bei einigen Marktformen, wie zum bot und Nachfrage verstanden werden, als ein gemeinBeispiel beim Finanzmarkt, greifen Normen, Richtli- samer „Tanz“ von Produzenten und Konsumenten. Das nien, Regulierungs- und Lenkungsmaßnahmen, die Verständnis der symbolischen und organisatorischen auf eine Moralisierung des Marktverhaltens hinaus- Dynamik des Marktes in modernen Gesellschaften laufen, nur sehr zögerlich, vielleicht sogar nur unter setzt voraus, dass man die beobachteten Verhaltenssehr viel umfassenderen, globalen Anstrengungen. und Einstellungsveränderungen der Marktteilnehmer in eine Beziehung zum gesamtgesellschaftlichen WanAus der Sicht der Ökonomen ist die Moral einer Ge- del setzt. Auf jeden Fall ist ein absolut formulierter sellschaft Teil der institutionellen Infrastruktur die- Gegensatz oder Konflikt von Wohlstand und Moral, ser Gesellschaft – genau wie das Rechtssystem oder wie er immer noch in vielen Augen unumstößlich gilt, die scientific community. Unsere These besagt, dass angesichts der Dynamik gesellschaftlichen Wandels die strikte Einteilung in marktendogene und -exoge- nicht haltbar. ne Normen uns heute nicht mehr weiter hilft, weil sie seit jeher impliziert, dass die Wirksamkeit von speIhre These hatte eine starke öffentliche Resonanz. Was hat Sie im Zuge zifischen gesellschaftlichen Nordessen besonders zum Nachdenken gebracht? „Dass viele Beobachter men auf ein bestimmtes soziales weiter trotz gewaltiger gesamtgesellschaftlicher Veränderungen in Umfeld beschränkt sei. Märkte traden vergangenen Jahrzehnten von einer nahezu unveränderten Realigen beispielsweise zur Gestaltung der Kultur bei, wenn wir etwa an tät des Marktgeschehens überzeugt sind.“ nico stehr das vielfältige Sammeln verschiedenster Gegenstände durch Menschen denken, während kulturelle Prozesse wieder- Gibt es Risiken der Umkehr? um die Märkte beeinflussen. Kulturelle Normen und Prozesse werden in der Sprache der Ökonomie zu Sollte sich das Wirtschaftswachstum und die fast unTransaktionskosten, das heißt zu Kosten der Bezie- unterbrochene Verbesserung im Lebensstandard der hungen zwischen den Menschen, insofern sie das Bevölkerung aller in den vergangenen Jahrzehnten Marktverhalten der Akteure mitbestimmen. allerdings umkehren, so kommt es mit Gewissheit zu Gefühlen eines „irritierten Wohlstands“, der auch eine Was bedeutet dies für den Kapitalismus? Stagnation des Trends zur Moralisierung der Märkte bewirken kann. Eine Stagnation oder sogar massive Und doch signalisiert die Moralisierung der Märkte wirtschaftliche Rückschläge können dazu führen, dass keinesfalls einen Bruch mit dem Kapitalismus. Die eine wieder vorrangig materielle Präferenzen und Anreize kapitalistische Wirtschaftsordnung kennzeichnenden am Markt eine gewichtige Rolle spielen. Die Risiken Merkmale, wie die des Privateigentums an den Pro- einer Umkehr sind also nicht auszuschließen, und duktionsmitteln oder ein auf Gewinnerzielung ausge- doch sind wir vorsichtig optimistisch, dass der Trend richtetes Verhalten, werden allenfalls modifiziert, zu eine Moralisierung der Märkte nachhaltig ist, sofern vielleicht abgemildert, aber nicht aufgehoben. Der gilt: nur wenn Wohlstand und Bildung gesellschaftlich Kapitalismus wird zum Beispiel dadurch modifiziert, gerecht verteilt sind und auch in Zukunft immer breidass einst als selbstverständlich angesehene Kompo- tere Schichten der Bevölkerung erfassen. 2007
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Weshalb Zeitungen zuverlässig überraschen müssen Interview mit Professor Dr. Klaus Schönbach, Honorarprofessor für Medienwissenschaften und bis 2010 Inhaber des BBDO-Lehrstuhls für Medienwissenschaften
Auflagen und Werbeerlöse im Sinkflug, Schließungen von Redaktionen oder ganzen Blättern: In der Zeitungsbranche jagt seit Jahren eine Hiobsbotschaft die nächste. Haben Zeitungen überhaupt noch eine Zukunft? Durchaus, sagt Klaus Schönbach – wenn es ihnen gelingt, ihren Lesern „zuverlässige Überraschungen“ zu präsentieren, wie er 2005 erstmals publizierte.
Herr Schönbach, Sie haben für die gen genießen. Einer der Väter meines Faches, der BerMedien, insbesondere die Zeitung, liner Professor Emil Dovifat, hat diesen Begriff schon das Prinzip der „zuverlässigen Über- in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts raschung“ erforscht. Was verstehen geprägt. Aber zugleich legen wir Wert darauf, dass die Sie eigentlich darunter? Überraschung geordnet ist, kritisch beurteilt und geErfolgreiche Zeitungen bieten zu- wichtet wird durch Leute, die davon etwas verstehen, verlässige Überraschungen. Überra- die die überraschende Nachricht in einen Kontext schung kann Spaß machen, als Freu- einbetten, sachkundig erklären, be-greifbar und greifde an etwas Neuem, so nicht Erwar- bar machen. Erfolgreiche Zeitungen liefern uns also tetem. Diese Freude gehört zum typisch Spielerischen, durchaus überraschende Information. Sie kanalisiedas auch erwachsene Menschen auszeichnet im ren und strukturieren diese aber, verhindern, dass sie Unterschied zu erwachsenen Tieren. Deshalb suchen aus purem Zufall besteht. Und sie sorgen dafür, dass wir sogar nach Überraschung, bewahren uns eine das Überraschende nicht allzu unverträglich oder kindliche Freude an ihr. Der Hirnforscher Manfred verstörend ausfällt. Und erst dann können wir uns Spitzer geht sogar so weit zu behaupten, dass alle über diese Überraschungen ja auch freuen. menschlichen Glücksgefühle letzten Endes nichts Anderes seien als die Freude über neue oder zumin- Betrifft die Sehnsucht nach „zuverlässigen Überradest nicht alltägliche Erfahrungen. schungen“ nur Zeitungen oder findet sie sich auch in anderen Lebensbereichen? Überraschungen bergen aber auch ein Problem: Der französische Wissenschaftler Abraham Moles nicht alle sind freudig, viele sogar böse … machte uns schon 1958 klar, dass jede ästhetische ErDeshalb verlangen wir zwar nach Überraschungen, fahrung neue und unerwartete Elemente braucht – aber auch nach deren Zähmung. Sie soll nicht nur un- aber Vorsicht: nicht zu viele! Mit anderen Worten: Wir liebsame Überraschungen herausfiltern, sondern finden Gemälde, Gedichte und Musik schön, wenn sie auch verhindern, dass wir durch zuviel Überraschung nicht zu vertraut sind, sondern uns auch mit Neuem überwältigt werden, durch das total Unglaubwürdi- überraschen. Sobald jedoch die Überraschung zu weit ge, durch Anarchie und absolutes Chaos. geht, wenden wir uns ab – mit Unverständnis oder sogar Verärgerung. Ein ganz alltägliches Beispiel für Was heißt das für unsere aktuellen Informationen unsere Freude an zuverlässigen Überraschungen: Die über öffentliche Angelegenheiten? Meisten kaufen ihre Lebensmittel immer noch im Schön wäre es, wenn sie möglichst oft neu, manch- Laden ein, obwohl man sich doch schon seit geraumer mal vielleicht sogar unerhört wären. Daraus entsteht Zeit die Einkaufsliste nach Hause liefern lassen kann nämlich die „Nachrichtenfreude“, mit der wir Zeitun- – und manchmal sogar ohne Mehrkosten. Es fehlt, 2005
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denke ich, der Überraschungseffekt beispielsweise des Supermarktes. Er überrascht mit neuen Produkten oder solchen, die einem zuhause nicht eingefallen waren, und kann damit Einkaufende von ihren Plänen abbringen – eine oft durchaus angenehm überraschende Erfahrung. Denn zugleich ist das Überraschungspotential des Supermarktes geordnet und damit eingedämmt genug, dass es uns nicht mit Chaos überfällt. Oder Zoos statt Safaris mit gefährlichen wilden Tieren, die Buchhandlung statt Amazon ...
Experten erklärt, vor allem aber: verifiziert. Sind es nur Gerüchte, oder wirklich Fakten?
Mit der Einführung der „Leser-Reporter“ kam eine weitere Debatte auf: die um die Professionalität und die Entprofessionalisierung des Journalismus’… Zeitungen müssen auf Professionalität bestehen und damit den Unterschied zu Weblogs betonen und gerade nicht verschwimmen lassen. Professionalität heißt: Journalisten erst mal gut ausbilden und dann auch sorgfältig und gewissenhaft arbeiten lasWie erleben Sie im Medienkonsum selbst die „zuverlässige Überraschung“? sen. Eben nicht denken, dass Zeitungsleser vor „Für mich ist die Zuverlässigkeit überraschender Neuigkeiten über das aktuelle allem unterhalten werGeschehen so wichtig, dass ich ausschließlich hocheffiziente Quellen nutze: den wollen – das wol,heute‘ oder ,heute-journal‘, FAZ, Volkskrant, FAZ und Bild online. Zweck: so viel len sie nicht, jedenfalls Zeitersparnis wie möglich. Ich surfe nie nach Nachrichten.“ Klaus Schönbach kaum von der Zeitung: Wo Information draufsteht, sollte InformatiIn jüngster Zeit ist viel vom Untergang der Zeitungs- on auch drin sein. Sicher vertraut das Publikum dabei branche die Rede. Hätten Zeitungen wieder mehr weniger dem einzelnen Journalisten als seiner QuaZukunft, wenn sie in „zuverlässige Überraschungen“ litätskontrolle durch die Redaktion der „Tagesschau“, investierten? Und was würde dies konkret bedeuten? des „Spiegel“ oder der „Waiblinger Kreiszeitung“. Denn In zuverlässige Überraschungen investieren heißt, traditionelle Medien sind einfach wichtige Marken, die Vielfalt der Informationsquellen sichern und da- die vertrauenswürdige und gleichbleibende Qualität mit die Chance der Redaktion, Überraschungen über- versprechen und dieses Versprechen natürlich auch haupt zu erfahren. Dazu können übrigens auch die halten müssen. berüchtigten „Leserreporter“ beitragen, aber nur, wenn die überraschenden Augenzeugenberichte, Bil- Was bedeutet das für die Zukunft der Zeitung? der und Meinungen der Bürger von Profis verantwor- Das Vertrauen der Leser in die Zuverlässigkeit der tungsvoll ausgewählt, bearbeitet und eingebettet Marke stärken – also keine Vermischung von Werwerden. Deshalb wäre für Zeitungen kontraproduk- bung und redaktionellem Inhalt, auf Unabhängigkeit tiv ein sogenannter interaktiver, dialogischer, sogar bestehen gegenüber Politik, Verbänden, Firmen und „kollaborativer“ Journalismus, der das Publikum un- Vereinen. Nicht den einzelnen Journalisten zur eierbedingt zum Mitmachen bei der Produktion der Zei- legenden Wollmilchsau machen wollen, jemand, der tung animieren will. Wir hören ja immer wieder für alle Kommunikationskanäle tolle Beiträge liefern gutgemeinte Vorschläge, die schwindende Leser- können muss. Schreiben ist halt doch etwas anderes schaft lasse sich halten oder sogar zurückgewinnen, als sprechen oder filmen. Und eigentlich immer Elie wenn die Empfänger diese Inhalte nur stärker mit- Wiesels Fragen stellen: Biete ich Informationen an, gestalten dürften. Ich bezweifle aber, dass es beson- die zu Informiertheit führen? Und ist das dann eine ders attraktiv ist, statt der Profis einfach andere Bür- Informiertheit, die zu Wissen führt? Und führt dieses ger zu hören. Sicher hat das manchmal einen hohen Wissen zu Weisheit? Natürlich kann diese professioUnterhaltungswert nach dem Motto: Was manche nelle Leistung einer Tageszeitung auch online angeLeute für einen Quatsch daherschreiben ... Aber boten werden. Denn die „Lizenz“ der Tageszeitung, „news as conversation“, also Nachrichten über die das, wofür wir sie bezahlen, besteht ja im Grunde Welt erst aus einer vielstimmigen Diskussion entste- nicht in einem bestimmten Übertragungskanal, deshen lassen, zu der ich zum Überfluss auch noch selbst sen sie sich bedienen muss – als auf Papier gedruckbeitragen soll – das ist für die Meisten einfach zu te Information etwa. Die Aufgabe einer Zeitung ist riskant, aber auch zu viel der Mühe. Sie wollen „ge- nicht eine bestimmte Form, sondern die Universalizielt faul“ sein dürfen, wollen vorsortierte Informa- tät ihrer Themen und professioneller Journalismus, tionen geboten bekommen, gut aufgemacht und von der diese Themen bearbeitet – wo auch immer. 2005
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Welche Konsequenz hat die „zuverlässige Überraschung“ in der Konkurrenz von Tageszeitung und Internet? Zeitungen, die zuverlässige Überraschungen anbieten wollen, sollten das Internet gerade nicht imitieren, also nicht in zwei Fehler verfallen – zum Einen die Überraschung vermindern, indem sie die Zeitung
warum nur die Alternative „Abonnement für alle Tage“ oder eben gar keins? Meine niederländischen Kollegen haben herausgefunden, dass Abos nur für Samstag oder für Freitag und Samstag oder für Samstag und Montag sich auszahlen und offenbar Leser davon abhalten, ihrer Zeitung gänzlich den Rücken zu kehren. Dazu gehört auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass Artikel nicht von der Schlagzeile herunter gelesen werden, kontinuierDie Zeitungsbranche redet sich seit Jahren selbst ins Grab. Halich bis zu einem bestimmten Punkt, wo der Artikel dann verlassen wird. ben Sie eine Erklärung dafür? „Die Renditen sinken in den Sondern Leser springen stattdessen hin letzten Jahren durchaus, und gedruckte Zeitungen haben ja und her, auch zwischen Artikeln, lesen tatsächlich Probleme. Nur: Jammern hilft nicht. Ich vermisse etwas aus der Mitte eines Beitrags oder zündende Ideen, wie guter Journalismus auch ungedruckt von ganz unten. Gute Zeitungen sollten diese „Unsitte“ den Lesern sogar eran die Frau und den Mann zu bringen ist.“ Klaus Schönbach leichtern, durch benachbarte Beiträge zu ähnlichen Themen und einer gut zur täglichen Zeitschrift machen: montags mit ei- erkennbaren Untergliederung längerer Artikel. Und nem Schwerpunkt im Sport, mittwochs in Autos und schließlich sollte man nicht glauben, dass Beiträge, Technik, freitags in neuen Büchern und CDs und die wirklich nicht gelesen wurden, unwichtig sind. samstags in Reisen und Immobilien. Viel zu vorher- Die Zeitung wird ja als universales Informationsansehbar. In 15 Jahren unserer eigenen, internationalen gebot geschätzt. Das kann man unmöglich jeden Tag Forschung zu den Erfolgsfaktoren von Tageszeitun- von vorne bis hinten nutzen – aber es muss da sein, gen kommt immer wieder als Rezept zum Vorschein: denn man weiß ja nie: Plötzlich möchte man etwas Zeitungen müssen in ihren Themen so vielfältig wie über das Schicksal Venezuelas nach Chavez wissen, möglich sein, am besten täglich und eben nicht an oder das Kreuzworträtsel wird an einem verregneten bestimmte Wochentage gebunden. Kompaktforma- Sonntagnachmittag dringend gebraucht. te finde ich dafür übrigens oft zu klein – sie bieten zu wenig Überraschung auf einen Blick, dafür zuviel Und wie ist Ihr Ausblick? Zuverlässigkeit. Genauso falsch machen es allerdings Ich bin ganz optimistisch: So lange wir soziale Wesen Online-Zeitungen, die mit der Überraschung über- sind, vielleicht sogar Bürger, muss man sich keine grotreiben, weil sie wie „newssites“ ein Sammelplatz ßen Sorgen um Zeitungen machen – jedenfalls als unverbundener Nachrichten sind, aus denen wir Anbieter einer immer wieder auf den neuesten Stand bitte selbst etwas machen sollen. Gerade, dass die gebrachten zuverlässigen Überraschung. Ihre VerTageszeitung ein Angebot liefert, das sich uns als triebsform wird sich sicher ändern: Sie erscheinen Ganzes aufdrängt, ist das Wunderbare; dass die Zei- früher oder später auf E-Papier. Aber so lange uns Neutung so genutzt werden will, wie sie ist – mit dem gier auf die Welt um uns herum antreibt, gepaart mit Bequemlichkeit und dem Wunsch, vertrauen zu dürfrechen Anspruch des „take it or leave it“. fen, gehen Zeitungen nicht unter, jedenfalls solche mit Die Zeitungslandschaft ist zweifellos im Umbruch. guten Journalistinnen und Journalisten nicht. Diese Wozu würden Sie aus Sicht der Wissenschaft raten? Zeitungen bleiben die verlässlichen Gefährten, die Zeitungen sollten Leser abholen, wo immer es geht. mich mit Neuigkeiten überraschen, aber auch helfen, Arroganz hilft nicht mehr, wie zum Beispiel die Auf- mich in einer komplizierten Welt zurechtzufinden. Um fassung, Gratiszeitungen seien grundsätzlich von ein solches Medium muss uns nicht bange sein. Übel. Die Forschung aus den Niederlanden und Schweden zeigt: Diese Zeitungen sind erstens gar nicht schlecht, man kann zweitens wirklich Geld mit ihnen verdienen, vor allem aber, drittens: Jugendliche und Menschen aus unteren Bildungsschichten lesen wegen dieser Gratiszeitungen überhaupt wieder Zeitung. Deshalb auch Lesern mehr Flexibilität erlauben: 2005
„Nur was zu Ende gedacht ist, bringt auch ein Ergebnis.“ Napoleon I. Bonaparte
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Konzert und Oper brauchen eine Verjüngungskur Junior-Professor Dr. Martin Tröndle, Lehrstuhl für Kulturbetriebslehre und Kunstforschung, und Junior-Professor Dr. Markus Rhomberg, Lehrstuhl für Politische Kommunikation
Deutschlands Konzert- und Opernhäusern droht ein dramatischer Niedergang. Zu diesem Schluss kommt Martin Tröndle. Nach einer dreijährigen Forschungsarbeit in Kooperation mit Experten aus Publikumsforschung und Musikbetrieb forderte er 2009 angesichts einer massiven Überalterung des Publikums: „Wir müssen das Konzert verändern, wenn wir es „Silbersee ist mittlererhalten wollen.“ Und gemeinsam mit weile die gängige MeMarkus Rhomberg erforschte er die tapher für das ergraute Reaktionen des Kulturbetriebs darauf. Publikum klassischer Konzerte – Veranstaltungen, die aufgrund ihrer geringen sozialen Attraktivität Jüngere kaum anziehen können“, stellt Tröndle in seiner Studie fest. Er beruft sich auf eine Reihe von Untersuchungen, dass das Durchschnittsalter des Konzert-Publikums zwischen 55 und 60 Jahren liegt. Dabei ist das Durchschnittsalter des Klassik-Publikums in den vergangenen 20 Jahren dreimal so schnell angestiegen (um rund 11 Jahre) wie das Durchschnittsalter der Bevölkerung (rund 3,4 Jahre). Martin Tröndle: „Prognosen für die Zukunft verheißen nichts Gutes: Demnach wird das Klassik-Publikum in den nächsten 30 Jahren um mehr als ein Drittel zurückgehen – es stirbt schlichtweg aus.“ Das eigentliche Problem der Konzert- und Opernhäuser sei deshalb der mangelnde Nachwuchs in jüngeren Altersgruppen; solchen vor allem, die eine völlig andere musikalische Sozialisation erlebt haben, „in der Popund Rockmusik die Hauptrolle spielt und der Bezug zu klassischer Musik tendenziell immer geringer wird“. 2009
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Gibt es ein „Alters-Gen“ für Klassik? Der Kunstmusikbetrieb profitiert derzeit noch von der Umkehrung der Alterspyramide. Das wird sich aber dramatisch ändern, wenn die nach 1960 Geborenen vermehrt zum Zielpublikum werden. „Denn die Präferenz für Klassik geht in diesen Altersgruppen – je jünger sie werden – kontinuierlich zurück“, sagt Tröndle. Dies jedoch sei kein Alters-, sondern ein Kohorteneffekt. Für Tröndle gibt es kein „Klassik-Gen“, durch das man im Alter von allein auf den Geschmack für klassische Musik käme. In der öffentlichen Kulturförderung macht die Förderung der Musik den größten Teil aus. So gaben Bund, Länder und Gemeinden zuletzt mehr als zwei Milliarden Euro für die Musikförderung aus – das sind rund 30 Prozent der Gesamtausgaben für Kultur. Nur circa ein Prozent dieser Summe aber, kritisiert Tröndle, werden in der Musikförderung für Innovationen ausgegeben, also dafür neue Angebotsformen zu entwickeln. Was ist der Hintergrund der drohenden Krise? Tröndle schreibt in seinem Buch „Das Konzert“ (transcript Verlag): „Obwohl sich die Rahmenbedingungen des Konzerts etwa durch die technische Reproduzierbarkeit von Musik, den Siegeszug des Visuellen und des Virtuellen, ein verändertes Arbeits- und Freizeitverhalten, die Ausdifferenzierung und Pluralisierung der Lebensstile oder die Ökonomisierung nahezu aller Lebensbereiche maßgeblich gewandelt haben, dominiert das standardisierte bürgerliche Konzertwesen, dessen Höhepunkt zwischen 1870 und 1910 lag, bis in die Gegenwart den Musikbetrieb.“ Form und Ablauf des Konzerts, bis dahin immer wieder variiert, seien im Konzertritual bis heute nahezu unverändert erhalten geblieben. 2009
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Wie erneuern sich andere Kunstsparten? Dass sich der klassische Konzertbetrieb in den vergangenen hundert Jahren kaum den veränderten Rezeptionsbedingungen angepasst hat, könnte für Tröndle der Hauptgrund für dessen Krise sein. Tröndle: „Und das hieße auch, dass die Krise der klassischen Musik weniger eine der Musik selbst ist, als vor allem eine ihrer Darbietungsformen.“
der Beruf des Kurators entstanden, der sich auf Ausstellungskontexte und Vermittlungsfragen spezialisierte. Beide, so Tröndle, „haben dazu angestoßen, das Selbstverständnis dieser Kunstsparten, sowohl die Art des Zeigens und Präsentierens als auch das Inszenieren und Interpretieren, neu zu denken und konstant weiter zu entwickeln.“ Wie bekommt das Konzert Zukunft? Derlei Transformation und das Erproben von Methoden der Aktualisierung, um neue Präsentationsformen, also neue Aufführungsformate zu entwickeln, sind im klassischen Musikbetrieb kaum vorhanden, beklagt Tröndle. Dabei gehe es nicht um eine „Eventisierung“ des Konzerts, sondern darum, „die Kunstform Konzert als ästhetisch-soziale Präsentationsform zeitgemäß weiter zu entwickeln, um der Musealisierung des Konzerts und der steten Veralterung des Publikums entgegenzuwirken“. Tröndle: „Man muss das Konzert verändern, um es zu erhalten.“
Wegen Ihrer Studie wurden Sie heftig angegriffen – wie geht ein Wissenschaftler eigentlich mit solchen Anwürfen um? „Zunächst etwas irritiert, dann habe ich das innerlich schmunzelnd zur Kenntnis genommen. Denn auch als Wissenschaftler freut es, wenn die Forschung einen ‚impact‘ zeigt. Wer schreibt schon gerne für die Schublade.“ Martin tröndle Bekräftigt sieht der Kulturwissenschaftler seine These beim Blick auf andere Kunstsparten: Das Theater beispielsweise habe als eine künstlerische Methode zur Transformation des historischen Materials das Regietheater entwickelt. Im Bereich der Bildenden Kunst sei 2009
37 _Mehr von den Autoren unter zu.de/troendle zu.de/rhomberg
Welches Echo hatte die Studie?
Die Studie wurde im Gefolge lebhaft bis heftig diskutiert von den Medien wie auch vom Kulturbetrieb selbst – und hatte 2011 eine weitere Studie zur Folge. Martin Tröndle und Markus Rhomberg untersuchten gemeinsam in einer Inhaltsanalyse die Berichterstattung von überregionalen und regionalen Zeitungen sowie Radiobeiträgen über Tröndles Thesen. „Zukunftssorgen macht man sich anscheinend im Klassikbetrieb nicht“, stellten Tröndle und Rhomberg danach fest. Sie entdeckten drei Verhaltenskategorien, wie der Klassikbetrieb auf die demografischen Entwicklungen reagiert: Viele versuchen diese Entwicklungen zu verdrängen, zu verdecken und zu verschweigen. Andere reagieren darauf, indem sie mehr Ressourcen fordern, um ihr Überleben zu sichern. Und nur ganz wenige beschäftigen sich Finden Sie vier Jahre nach Ihrer Studie Veränderungen im mit Innovationen und Reformen, um eine nachhaltige EntKulturbetrieb und, wenn ja, wo und welche? „Das neue Verwicklung des Konzertbetriebs ständnis hat dazu geführt, dass heute anders darüber nachzu fördern.
gedacht wird, wie man klassische und neue Musik aufführt. Mittlerweile ist ,Das Konzert‘, wie mir eine Kollegin sagte, zur ,Bibel‘ der Veranstalter avanciert.“ Martin tröndle
Die nach wie vor weit verbreitete Zuversicht wird von den Klassikverantwortlichen jedoch nicht belegt, sie stützt sich vielmehr allein auf persönliche Erfahrungen oder ältere Erhebungen, haben die beiden Autoren der Studie festgestellt. Die Klassikverantwortlichen zweifeln den prognostischen Wert demografischer Daten an, vergleichen diesen unter anderem mit der Aussagekraft von „Wetterberichten“. „Es zeigen sich zwei Realitäten: Jene vieler Intendanten, die eine Krise verdrängen – und jene der Wissenschaft“, schlussfolgern die Studienautoren. Welches Bild ergibt sich daraus über den Kulturbetrieb? Dieser offensichtliche Kontrast der wissenschaftlichen Studien und den Selbstaussagen vieler Intendanten eröffnen zwei mögliche Interpretation, berichten Tröndle und Rhomberg: „Die erste geht von der Prämisse aus, dass die in den Medien gefundenen Aussagen tatsächlich die Meinung der Akteure abbildet. Das bedeutete, man will den gesellschaftlichen Wandel und das damit einhergehende Krisenszenario für die Klassik nicht sehen.“ Es ergibt sich das Bild eines relativ geschlossenen Betriebs, geprägt durch ein elitäres
Kulturverständnis, das sich an einer glanzvollen historischen Vergangenheit orientiert. Verstärkt könnte diese Haltung gegebenenfalls auch dadurch werden, dass ein Großteil der Intendanten selbst das Rentenalter erreicht haben wird, noch bevor der Publikumsschwund voll durchschlägt. „Diese Haltung könnte man als ‚Verdrängungsstrategie‘ beschreiben“, erklären Tröndle und Rhomberg. Eine zweite Interpretation geht davon aus, dass den Intendanten das Problem durchaus bewusst ist, sie die Problematik aber nicht öffentlich diskutieren wollen, sie also verdecken. „Denn zum einen könnte solch eine Diskussion die Spargelüste mancher Kämmerer und Finanzminister wecken, zum anderen sinkt die Attraktivität eines Hauses, wenn potentielle Geldgeber wissen, dass dessen Publikum in den kommenden Jahren stark dezimiert wird“, erklären die Studienautoren. Wie könnten Lösungsansätze aussehen? In der Debatte in den Medien wird aber auch mit möglichen Lösungsansätzen argumentiert: „Dabei finden sich sowohl Elemente, die sich mit der ‚popkulturellen Sozialisation‘ der Jugendlichen beschäftigen, als auch Elemente, die sich mit heutigen Erscheinungen wie der Medialisierung gesamter Lebensbereiche befassen“, schildern die Wissenschaftler. Viele Jüngere erlebten eine völlig andere musikalische Sozialisation. Es sei eben nicht die klassische Musik als solche, die die Jugend abschrecke, sondern das Ritual des Konzerts selbst. 2009
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Der Hang zum Überhang Professor Dr. Joachim Behnke, Lehrstuhl für Politikwissenschaft Erst auf Druck des Bundesverfassungsgerichts reformierte eine große Mehrheit im Bundestag am 21. Februar 2013 das umstrittene Wahlrecht, das erst im Dezember 2011 verabschiedet und mit dem Urteil vom Juli 2012 für verfassungswidrig erklärt worden war. Das Phänomen des sogenannten negativen Stimmgewichts und der Überhangmandate hatten zum Vorwurf geführt, beides verfälsche den Wählerwillen. Zu den Kritikern des Wahlrechts von 2011 gehörte Joachim Behnke: „Dies ist das Wahlsystem meines Missvergnügens“, sagte er. Aber auch nach der Reform der Reform steht es seiner Ansicht nach mit dem Wahlrecht nicht zum Besten.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. Juli 2012 war deutlich: Das Wahlrecht verstoße „gegen die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien“. Grund seien die Effekte des negativen Stimmgewichts. Der Politik gab das Gericht den Auftrag: „Der Gesetzgeber ist daher gehalten, Vorkehrungen zu treffen, die ein Überhandnehmen ausgleichsloser Überhangmandate unterbinden.“
Negatives Stimmgewicht, Überhangmandate, – diese Begriffe kannte vor der Debatte um das Wahlrecht fast nur Insider. Joachim Behnke befasst sich seit Jahren in der Forschung mit ihnen – und vor allem ihren Folgen.
hangmandate die Partei in Baden-Württemberg keinen Sitz weniger erhält, bekommt sie insgesamt sogar einen Sitz mehr, obwohl sie insgesamt weniger Stimmen erhalten hat.“ Der Effekt des negativen Stimmgewichts trat im alten Wahlgesetz also als Folge des Umstands auf, dass Überhangmandate nicht durch entsprechende Zweitstimmenkontingente abgedeckt waren. Was ist das Problem bei Überhangmandaten? Der Begriff der Überhangmandate ist zunehmend ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, seitdem sich im Bundestag wie in den Landtagen immer stärker FünfParteien-Parlamente etabliert haben. Denn Überhangmandate sind zu einem Problem geworden. Überhangmandate nämlich können immer öfter darüber entscheiden, welche Bündnisse in den Parlamenten die Mehrheit stellen – unabhängig vom eigentlichen Wählerwillen und Wahlausgang. Behnke: „Dank Überhangmandaten können Minderheiten zur Mehrheit werden und Mehrheiten in die Minderheit geraten“.
Was bewirkt das negative Stimmgewicht? Überhangmandate entstehen insbesondere dann, Beim negativen Stimmgewicht handelt es sich um „wenn eine Partei mit weniger als 50 Prozent der Zweitden Effekt, dass eine Partei mehr Sitze erhalten kann, stimmen in einem Bundesland annähernd alle Direktwenn sie weniger Stimmen erhält und umgekehrt. mandate in diesem Bundesland gewinnen kann“, erBeim alten Wahlgesetz, das vor 2001 galt, war die we- klärt Behnke. Das bedeutet: Sie erhält durch die gewonsentliche Ursache für den Effekt das Auftreten der nenen Direktmandate mehr Sitze im Parlament, als sogenannten Überhangmandate. Denn der Effekt des ihnen laut Zweitstimmenergebnis eigentlich zustünnegativen Stimmgewichts fand im alten Wahlgesetz den. Bei der bisher letzten Bundestagswahl im Septemauf der Ebene der so genannten Unterverteilung statt, ber 2009 hätte dies beinahe zu einem grotesken Ergebwenn die Mandate, die einer Partei bundesweit ins- nis geführt: CDU/CSU und FDP hätten aufgrund der gesamt zustanden, auf die einzelnen Landeslisten Überhangmandate ein Ergebnis von gerade einmal 45 verteilt wurden. „Wenn nun eine Partei in einem Bun- Prozent der Stimmen zum Wahlsieg gereicht. Aber desland, in dem sie Überhangmandate erhält, etwas auch so führte das Wahlergebnis zu einer nie dageweweniger Stimmen gehabt hätte, dann hätte dies zur senen Flut von Überhangmandaten: Es gab den RekordFolge, dass in der internen Verteilung ein Sitz zum wert von 24 Überhangmandaten, 21 davon für die CDU Beispiel von Baden-Württemberg nach Niedersachsen und drei für die CSU. Behnke: „Überhangmandate sind wandert“, erläutert Behnke, „da aber wegen der Über- also mehr denn je präsent als Begleitphänomen von 2012
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Bundestagswahlen – mit folgenschweren Konsequenzen.“ Denn: Viele sehen darin die Gefahr der Verfälschung des eigentlichen Wählerwillens. Um dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Juli 2012 Genüge zu tun, verabschiedete der Bundestag im Februar 2013 ein neues Wahlrecht mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, die Linkspartei stimmte dagegen. Die Reform konzentrierte sich vor allem auf einen Punkt: die Überhangmandate. Sie werden nach dem neuen Wahlrecht fortan vollständig ausgeglichen. Welche Folgen hat das neue Wahlrecht? Ob dies den Wählerwillen künftig besser widerspiegeln wird, bleibt offen. Fest steht jedoch, dass der nächste Bundestag deutlich größer werden könnte. Behnke hat nachgerechnet: Die normale Größe des Bundestags beträgt 598 Sitze; wegen der Überhangmandate nach der vergangenen Wahl liegt sie aktuell bei 622 Sitzen. Im nächsten Bundestag könnte es 642 werden – oder sogar noch deutlich mehr. Laut Behnke gibt es einen Hebeleffekt bei den Überhangund Ausgleichsmandaten insbesondere im Hinblick auf das Abschneiden der CSU. Behnke geht davon aus, dass jedes Überhangmandat, das zwischen Main und
Isar von den Christsozialen errungen wird, mit bis zu 20 Mandaten bundesweit ausgeglichen werden muss. Allein bei sechs bis sieben dieser Überhangmandate müsse man in einem künftigen Bundestag mit bis zu 750 Sitzen rechnen – fast 130 mehr als bisher. Das Ausmaß des Zuwachses wird erst durch einen Vergleich wirklich deutlich: Es entspräche der Anzahl der Mandate, die derzeit das bevölkerungsreichste Bundesland, Nordrhein-Westfalen, insgesamt innehat.
Warum tun sich die Parteien mit einer Änderung des Wahlrechts so schwer? „Weil die Materie so komplex und unsexy ist, dass man als Politiker keinen Anreiz hat, sich darin zu vertiefen. Wahlrechtsfragen sind aber auch Machtfragen, und es gibt daher immer Interessen, die bei gewissen Änderungen etwas zu verlieren haben.“ joachim behnke Wie könnte eine nachhaltige Lösung aussehen? Behnke hielte ein Parlament in dieser Größenordnung für maßlos aufgebläht: „Dann leidet die Effektivität, die ja auch wichtig ist für ein Parlament – so viele Abgeordnete brauchen wir nicht.“ Behnke blickt im Vergleich besonders in Richtung USA: Dort sitzen im Repräsentantenhaus 435 Mitglieder bei 311 Millionen Einwohnern. „Das jetzige Modell sollte nur eine Übergangslösung für die kommende Wahl sein“, meint Behnke deshalb und hält einen neuen Anlauf in der nächsten Legislaturperiode für nötig. Für ihn wäre es „die eleganteste Lösung, dass Überhangmandate erst gar nicht entstehen“ – etwa, indem die Wahlkreise vergrößert würden. Genügen würden seiner Ansicht nach statt bisher 299 künftig 220 bis 240 Wahlkreise. Behnke: „Der Anteil der Direktmandate an allen Mandaten im Parlament sollte sich bei 40 Prozent einpendeln. Dann entstehen keine Probleme mit Überhangmandaten.“ Ebenfalls wäre es möglich, aus den Einerwahlkreisen Zweipersonenwahlkreise zu machen, indem man zwei Wahlkreise zu einem zusammenlegt, in dem dann zwei Kandidaten direkt gewählt würden. Auch diese Lösung führte dazu, dass Überhangmandate aller Voraussicht nach erst gar nicht mehr entstehen würden. Dafür jedoch müssten die Wahlkreise von der Politik neu zugeschnitten werden – und das kann dauern und ist für gewöhnlich mit reichlich Parteigezerre verbunden; wie auch schon vorher die Reform des Wahlrechts.
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Die vielen Schlaglöcher der Verkehrspolitik Interview 1 mit Professor Dr. Alexander Eisenkopf, Phoenix-Lehrstuhl für Allgemeine BWL & Mobility Management
Ein zweistelliger Milliardenbetrag fließt jährlich in Deutschland in Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur von Straße und Schiene – und doch offenbaren sich allerorten Mängel. Seit mehr als einem Dutzend Jahren forscht Alexander Eisenkopf zu diesem Phänomen, seit 2006 gehört er dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesverkehrsminister an. Im Interview spricht er über Mängel in der Verkehrsinfrastruktur, Nutzerfinanzierung und die Schwierigkeiten, Bürgern den Nutzen von Bauprojekten zu vermitteln. Herr Eisenkopf, wenn in der EU von Verkehrsinfrastrukturproblemen die Rede ist, dann gilt Deutsch- bahnbrücken. Bei allen Verkehrsträgern ist über die land meist als Land, in dem es besser aussieht als Jahre keine entsprechende Infrastrukturpolitik betrieben worden, die zum einen die Substanzerhaltung anderswo. Ist dieser Eindruck korrekt? Man könnte sagen, wenn der Blinde sich mit dem gewährleistet und auf der anderen Seite auch den Einäugigen vergleicht, sieht der Einäugige immer bes- notwendigen Ausbau garantiert. Zur Erinnerung: Die ser aus. Die Verkehrsinfrastruktur hat unsere Wett- sogenannte Pällmann-Kommission hat schon im Jahr bewerbsposition in den letzten Jahrzehnten maßgeb- 2000 festgestellt, wir brauchen pro Jahr mindestens lich positiv beeinflusst. Jetzt müssen wir uns leider vier Milliarden Euro für die Verkehrswege des Bundes. an die Brust schlagen und feststellen, dass es nicht Passiert ist kaum etwas. mehr so gut läuft. Sind deutsche Verkehrsminister ihrem Job nicht geWie steht es denn um Deutschlands Straßen, Schie- wachsen? Ich könnte dran erinnern, dass der Posten des Vernen- und Wasserwege? Mein Eindruck ist, dass wir seit geraumer Zeit auf kehrsministers erfahrungsgemäß als letzter im KaPump leben. Bei der Infrastruktur zeigen sich die binett besetzt wird. Und zwar vor allem nach ParteiSchwächen, besonders beim Erhalt, erst mit Verzöge- en-, landsmannschaftlichen und sonstigen Proporzrung. Man kann die Ausgaben also über einen länge- überlegungen. Wir hatten Legislaturperioden, in ren Zeitraum schleifen lassen, und das System funk- denen die Verkehrsminister so schnell wechselten, tioniert dennoch einigermaßen. Aber irgendwann dass man sich deren Namen gar nicht merken konnte. haben wir die ersten größeren Schäden. Also nicht Ich glaube aber andererseits, dass jeder Verkehrsminur Schlaglöcher auf den Straßen, sondern auch Pro- nister im Grunde seines Herzens weiß, dass die Infrableme mit Schleusen oder mit Eisenbahn- und Auto- struktur wichtig ist und dass man dort investieren 2006
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muss. Er kann sich aber am Kabinettstisch nicht durchsetzen. Im politischen Geschäft ist die Infrastrukturproblematik daher nach hinten gerutscht. Woran liegt das? Betrachten wir es mal grundsätzlich: Bei den Ausgaben des Staates stehen die konsumtiven Verwendungen mittlerweile im Vordergrund. Das Geld fließt vor allem in Dinge, die Bürger direkt wahrnehmen. Also in Transferleistungen, in die soziale Sicherung. Die Investitionen stagnieren dagegen auf niedrigem Niveau. Hinzu kommt das Problem der Euro-Rettung. Die Politik ist auf Wähler angewiesen und verfolgt deshalb eine Strategie der Wählerstimmen-Maximierung. Das heißt, ein Politiker wird das Programm
Tut die Politik da zu wenig? Die Politik hat sich bei der Einführung der Lkw-Maut unglaubwürdig gemacht. Die Maut hat nicht dazu geführt, dass im gleichen Maße die Investitionsetats gestiegen sind, sondern die Straßengebühr hat Steuermittel substituiert. Meine These wäre, wenn man eine Pkw-Maut einführen würde, dann könnte das auf Akzeptanz stoßen bei Bevölkerung und Autofahrern, wenn sichergestellt wäre, dass die erhobenen Mittel auch tatsächlich in den Straßenbau wandern. Aber die Bürger können da eben nicht sicher sein. Deshalb ist die Akzeptanz der Pkw-Maut derzeit schwierig.
Nur deshalb? Haben wir nicht in Deutschland eine tiefe Abneigung gegen Nutzerfinanzierung? Ja, das stimmt. Aber heilige Kühe werden von Zeit zu Zeit auch mal geschlachtet. Ich glaube, dass die Pkw-Maut für Welche persönlichen Konsequenzen ziehen Sie die nächste Legislaturperiode ohnehin als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim gesetzt ist. Das wird eine neue BundesBundesverkehrsminister aus den Ergebnissen regierung als erstes großes Projekt in Ihrer Forschung? „Ich versuche Klartext mit dem Angriff nehmen. Die meisten Parteien können sich eine Pkw-Maut bereits vorMinister zu reden.“ alexander eisenkopf stellen, und auch in der CDU ist man radikale Kurswechsel mittlerweile geumsetzen, das ihm die meisten Wählerstimmen ga- wohnt. Und die Bürger sind – wie gesagt – bereit für rantiert. Und wenn in einer Gesellschaft mehr Trans- eine Maut oder Vignette, wenn sie wirkliche Verbesferempfänger als Steuerzahler leben, dann hat das serungen sehen durch das, was sie zahlen, und ihr Geld eine Politik zur Folge, bei der die Infrastruktur erst nicht irgendwo versickert. mal hintan steht. Hat die Politik überhaupt eine Alternative – vor dem Spielt der Verkehr in der öffentlichen Wahrnehmung Hintergrund von Haushaltszwängen und Schuldenbremse? eine zu defensive Rolle? Er muss sich jedenfalls immer exkulpieren. Er wird Es ist klar, dass wir mehr Nutzerfinanzierung brauprimär wahrgenommen als Verursacher externer, chen. Wir haben derzeit ja schon Elemente davon, denetwa die Umwelt belastender Effekte. Das gilt vor al- ken Sie an die Lkw-Maut. Wir müssen das ausdehnen. lem für den Güterverkehr. Der gedankliche Schluss, Heute haben wir noch ein sehr ertragreiches Aufkomdass die Ebay-Sendung oder das Buch von Amazon, men an Mineralöl- und Kfz-Steuer. Dabei ist die Minedas ich gerne und womöglich noch am gleichen Tag ralölsteuer keine konstante Größe. Die bestehenden hätte, Infrastruktur braucht, ist den Leuten nur schwer CO2-Emissionsziele bedeuten gegenüber den Flotten zu vermitteln. Und ob eine Schleuse am Nord-Ostsee- von heute eine deutliche Reduzierung von Emissionen. Kanal nicht funktioniert, das interessiert den Normal- Und wenn sich das perspektivisch durchsetzt im Fahrbürger nicht so richtig. Genauso wenig wie die Frage, zeugbestand, dann sinkt das Mineralölsteueraufkomob die Laster über die eine oder die andere Rhein- men. Folge ist, dass wir in Zukunft, wenn wir an den Steuersätzen nichts ändern, hier ein geringeres Mitbrücke fahren müssen. telaufkommen haben werden. Das heißt, wir brauchen in jedem Fall ein ergänzendes Finanzierungsinstrument, die Nutzerfinanzierung.
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Was heißt das für den Lkw-Verkehr? Wir haben schon die Diskussion über neue Mautsätze, und der Verkehrsminister ist bestrebt, noch vor Ende der Legislatur eine neue Mauthöhenverordnung zu verabschieden und damit einen Pflock einzurammen. Denn es ist erkennbar, dass eine andere Regierung mit einer möglicherweise anderen politischen Couleur darauf dringen würde, zu höheren Sätzen zu kommen oder das Thema „Externe Effekte“ noch mit einzubringen. Die wären wegen der EU-Vorgaben jetzt erstmalig zusätzlich berechenbar. Wie hoch ist der Investitionsbedarf im Schienennetz? Der Daehre-Kommission zufolge brauchen wir etwa zwei Milliarden Euro per annum an zusätzlichen Mitteln – das scheint mir auf Deutschland bezogen realistisch. Damit würde das Schienennetz deutlich leistungsfähiger. Die Frage ist eher: Wo soll das Geld investiert werden? In Projekten wie Stuttgart 21? Wir brauchen eigentlich einen Entlastungskorridor für die Rheinschiene, bei dem noch nicht einmal klar ist, wo er überhaupt laufen soll, wir brauchen im Süden einen Zulauf zu den Alpentunneln, wir brauchen Trassen für den Hafenhinterlandverkehr im Norden, kurz wir haben extrem viele Baustellen, wo das Geld benötigt wird. Und dann ist da noch die Frage: Wo soll es eigentlich herkommen?
nicht einmal einen Feldversuch mit dem Lang-Lkw. Das heißt, wir sind wirtschaftlich und finanziell in der Position, dass wir glauben, wir könnten uns leisten, bestimmte Dinge nicht zu tun. Und von daher würde ich sagen, dass wir auch gegenüber bestimmten Infrastrukturprojekten diese Verweigerung ausleben. Warum ist es so schwer, Teilen der Bevölkerung den Nutzen von Infrastruktur zu vermitteln? Der Nutzen von Infrastrukturprojekten ist diffus, der verteilt sich über viele. Den Schaden oder die Kosten, die tragen aber wenige. Hinzu kommt: Die fühlen sich nicht selten auch noch verschaukelt. Etwa wenn eine Phalanx von Befürwortern und Experten gewaltige Kostensteigerungen bis zum letzten Moment leugnet. Wie etwa bei Stuttgart 21. So etwas ist aber über das Bahnhofsprojekt hinaus üblich. Damit machen sich Planer und Befürworter unglaubwürdig. Deshalb glaube ich, dass der gesellschaftliche Grundkonsens aufgekündigt ist, dass wir bestimmte Dinge hinnehmen müssen, wenn wir eine prosperierende Volkswirtschaft wollen. Sind die üblichen Kostensteigerungen von der Planung bis zur Realisierung zwangsläufig? Das ist schwierig zu beantworten. Sie haben hier ein Geflecht von unterschiedlichsten Faktoren, das sich nicht sauber aufdröseln lässt. Wir sehen häufig die Selbstüberschätzung von Managern und auch Politikern, die glauben, im Budgetrahmen bleiben zu können. Manchmal werden Kosten auch eher zu vorsichtig, der Nutzen dagegen zu vollmundig beschrieben, um
Darf ich Ihnen die Frage zurückgeben? Die Politik spielt offenbar mit dem Gedanken, was in der Infrastruktur erwirtschaftet wird, dort auch wieder zu reinvestieren. Das wäre aber ein fundamentaler Paradigmenwechsel. Mussten Sie schon einmal Annahmen revidieren? Dass es der Politik gelingen wird, die „Annahmen sind dazu da, revidiert zu werden – auch Deutsche Bahn dazu zu zwingen, wird nicht funktionieren. Bleibt allenfalls wenn es schmerzhaft ist.“ alexander eisenkopf die Dividende der Bahn, die der Staat erhält, und sonst wird nichts anderes übrigbleiben, als öffentliche Mittel in die Hand zu ein Projekt überhaupt auf den Weg bringen zu können. Denken Sie an die Auftritte der DB-Manager während nehmen. der Schlichtung bei Stuttgart 21. Wie vehement sie bis Sind Infrastrukturprojekte in Deutschland noch zuletzt Mehrkosten bestritten haben. Aus heutiger Sicht muss man sagen: Entweder waren die Protagodurchsetzbar? Es geht uns offensichtlich immer noch zu gut. Wir nisten dumm oder sie haben gelogen. Planer und Maschalten unsere Atomkraftwerke ab, wir verzichten nager haben sich mit ihrem Verhalten selbst in die Ecke auf Fracking, was in den USA, in China und sogar in gestellt. Mit der Folge, dass in der öffentlichen Wahranderen EU-Staaten ein Thema ist, um die Energiever- nehmung niemandem und nichts mehr geglaubt wird. sorgung auf ein anderes Bein zu stellen. Wir wollen Selbst wenn eine Kalkulation richtig ist.
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Warum der Weg zum Ziel mit Steinen gepflastert ist Professorin Dr. Anja Achtziger, Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftspsychologie
Jahreswechsel, Geburtstage, einschneidende Ereignisse: Sie alle dienen gern dazu, gute Vorsätze für die künftige Lebensgestaltung zu fassen. Doch warum gehen diese so oft schief? Anja Achtziger hat dies untersucht und ihre Befunde unter anderem in dem 2011 erschienenen Aufsatz „Motivation und Volition“ zusammengefasst. Und sie fand heraus, mit welchen einfachen Mitteln gute Vorsätze dennoch gelingen können.
Gelingen oder scheitern Vorsätze öfter? Das Problem, das die meisten von uns mit ihren Zielen haben, ist es, dass wir es meistens nicht schaffen, diese auch wirklich in die Tat umsetzen. Das gilt natürlich besonders für eher unangenehme Ziele (zum Beispiel nach einer Operation wieder Sport zu treiben, abzunehmen, mit dem Rauchen und/oder Trinken aufzuhören etc). Die Alltagserfahrung, dass viele Ziele nicht realisiert werden, wurde auch von der motivationspsychologischen Forschung bestätigt. Man schätzt über viele Situationen hinweg, dass rund nur 30 Prozent aller Ziele auch wirklich erreicht werden.
Das Setzen von Zielen ist ein Thema, das den meisten von uns nicht völlig unbekannt ist. Wir setzen Ziele, mehr oder weniger bewusst und durchdacht, in ganz unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens. Man beabsichtigt, die Wäsche an einem bestimmten Tag Was sind die Gründe fürs Scheitern? zu waschen, die Kinder zur Schule zu bringen, im Sport ein bestimmtes Trainingsprogramm zu absol- Für dieses Nichterreichen von Zielen gibt es verschievieren etc. Am meisten sind uns Ziele im Berufsleben dene Gründe. Einer davon ist der, dass man sich im gegenwärtig. Hier tauchen selbst gesetzte Ziele auf Vorfeld zu wenig Gedanken darüber gemacht hat, ob (zum Beispiel ein bestimmtes Manuskript zu einem man das Ziel auch wirklich erreichen möchte. Das bestimmten Zeitpunkt fertiggestellt zu haben), aber heißt: Ist das Ziel überhaupt wichtig und relevant? Ist auch Ziele, die von außen gesetzt werden (zum Bei- es attraktiv, das Ziel zu erreichen? Ist das Ziel die ganspiel Zielvereinbarungen mit dem jeweiligen Arbeit- zen Mühen, den ganzen Einsatz, die ganze Zeit, die geber etc). In der Wissenschaft wird unter Zielen ein man investiert, wert? Was habe ich davon, wenn ich erwünschter Endzustand oder Standard verstanden, es tatsächlich erreichen würde? Bin ich dann stolz auf der erreicht werden soll unabhängig davon, ob es sich mich? Finden meine Freunde, Familie, Arbeitskolleum einen selbst gesetzten oder einen von außen kom- gen, das heißt Leute, die mir wichtig sind, es gut, dass menden Standard handelt. Hierbei werden allgemein ich es tatsächlich schaffe, mehr Sport zu treiben? Besformulierte Ziele (zum Beispiel „Ich will das Examen sert sich meine Gesundheit dann wirklich? möglichst gut bestehen!“) und hoch spezifische Ziele („Ich will eine bestimmte Stückzahl an Produkten Ein weiterer Grund, warum man Ziele häufig nicht innerhalb von einer Stunde/einem Tag anfertigen!“; erreicht, ist, dass man sich zu wenig Gedanken ge„Ich will in der Mathematikprüfung die Note Sehr gut macht hat, wie und wann man die Erreichung des Ziels überhaupt angehen will. Sprich: Man macht sich erreichen!“) unterschieden.
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bildet, die versuchen, günstige Situationen für das Streben in Richtung Ziel und konkretes Verhalten, das uns näher an das Ziel bringt, zu fassen, kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. Mit anderen Worten, das konkrete Durchplanen wann, wo und auf welche Art und Weise man ein Ziel verfolgen will, erhöht deutlich die Wahrscheinlichkeit, das Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Gibt es eine Art Anleitung? zu wenig die Situationen bewusst, in denen man ziel- Um das hier noch etwas klarer darzustellen, kann relevantes Verhalten zeigen könnte, und macht sich man folgender Anleitung zum Fassen von Vorsätzen nicht völlig klar, welches konkrete Verhalten in die- folgen (nachdem man sich über das zu erreichende sen Situationen uns überhaupt dem Ziel näher brin- Ziel klar wurde in puncto Wichtigkeit, Machtbarkeit gen könnte. Wenn jemand beispielsweise mehr Sport und Attraktivität). treiben möchte, sollte er sich erst einmal genau klarmachen, zu welchen Tagen Welche guten Vorsätze haben Sie selber schon gebrochen und Uhrzeiten für ihn das und welche auch erreicht? „Unser Streben nach Zielen ist überhaupt am günstigsten meist durch eine gewisse Flexibilität gekennzeichnet. Das ist (zum Beispiel Freitagsheißt, wir erkennen sehr wohl, wenn ein anderes, gerade abend 19 Uhr). Danach sollte man sich klar vor Augen wichtigeres Ziel auftaucht. Dann wechselt man vernünftiführen, wie man beispielsgerweise auf das aktuell als dringlicher, wichtiger eingeweise um diese Uhrzeit an schätzte Ziel und erledigt das. Solche Phänomene mögen diesem Tag die Joggingnach außen hin manchmal nach gebrochenen Vorsätzen schuhe und -Kleidung aus dem Schrank holt, sie anaussehen, sind es aber bei genauerer Betrachtung eigentzieht und losläuft. lich nicht.“ anja achtziger Welchen Aufschluss gibt die Forschung? Die Forschung hat gezeigt, dass Personen, die sich Fragen zur Attraktivität und Wichtigkeit von Zielen stellen, bevor sie überhaupt mit der Planung des Strebens nach Zielen beginnen, ihre Ziele häufiger erreichen als andere. Das heißt – in die Beantwortung solcher Fragen Zeit und Energie zu investieren, ist schon mal der halbe Weg zum Ziel. Sich mit den Fragen zur Wichtigkeit und Attraktivität von Zielen auseinanderzusetzen, erhöht das sogenannte „Commitment“ (die Selbstverpflichtung) auf das jeweilige Ziel. Das ist der erste wichtige Schritt in Richtung Zielerreichung, denn diese Erhöhung der Selbstverpflichtung führt dazu, dass das Ziel einem wieder schneller ins Gedächtnis kommt und generell nicht so schnell vergessen wird wie ein Ziel, das weniger attraktiv und wichtig ist oder das generell auf diese Weise nicht durchdacht wurde. Schon alleine dadurch erhöht sich ihre Umsetzungswahrscheinlichkeit. Wenn man dann noch Handlungspläne bezeihungsweise Vorsätze
1. Verknüpfen Sie eine für Sie günstige Situation der Zielerreichung mit dem konkreten zielrelevanten Verhalten anhand eines Wenn-Dann-Satzes. Beispielsweise „Wenn es Freitagsabends 19 Uhr ist, dann ziehe ich sofort die Joggingausrüstung an und laufe los!“. Ein solches Vorgehen hat sich in der Selbstkontrollforschung am besten bewährt, um Menschen in der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen. Die Formulierung von Vorsätzen in Form von Wenn-Dann-Sätzen hilft dabei, zielrelevante Situationen zu erkennen, die für die Umsetzung des Ziels sehr gut geeignet sind. 2. Formulieren Sie ihre Vorsätze möglichst einfach und genau. Möglichst kurze und klare Aussagen sind hier am besten. 3. Schreiben Sie jeden Wenn-Dann-Vorsatz dreimal auf, um ihn im Gedächtnis zu verankern. Und stellen Sie sich die relevante Situation intensiv vor. Versuchen Sie sich auch vorzustellen, wie Sie das im DannTeil des Vorsatzes beschriebene Verhalten ausführen. 2011
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Eine Auswahl der wichtigsten Meilensteine 2003 bis 2013
Mai 2006 Eröffnung des 3. Departments „Public Management & Governance“
Juni 2003 Gründung der Zeppelin Universität, Finanzierungsabsicherung durch die Zeppelin GmbH, Berufung von Prof. Dr. Stephan A. Jansen als Gründungspräsident
Juni 2006 Erste Auszeichnung von dreien als innovativer Ort im „Land der Ideen“ von Bundespräsident Dr. Horst Köhler
September 2003 Start zweier Bachelor-Studiengänge in Wirtschaftswissenschaften und Kommunikations- und Kulturwissenschaften
Dezember 2007 ZU wird Stiftungsuniversität Verabschiedung der Zukunftsstrategie „zuzwölf“
September 2007 Eröffnung des Dr. Manfred Bischoff Institutes für Innovationsmanagement der EADS Januar 2008 Einweihung des Neubaus auf dem Campus Seemooser Horn
Mai 2008 Erstmals vertreten im CHE-Hochschulranking und in allen drei Departments im Spitzenfeld gelistet
Dezember 2006 Gründungsversammlung der Zeppelin UniversitätsGesellschaft ZU|G
September 2003 19 Studierende 15 Mitarbeiter 1 Partneruniversität
Oktober 2005 151 Studierende 36 Mitarbeiter 16 Partneruniversitäten
Januar 2007 347 Studierende 53 Mitarbeiter 30 Partneruniversitäten
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2007
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2005
2004
2003
November 2004 Start der Reihe BürgerUniversität mit Gästen von Thomas Gottschalk bis Dr. Norbert Lammert
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August 2010 Eröffnung ZU Professional School, Start des berufsbegleitenden Master für Family Entrepreneurship
Februar 2011 Wettbewerbsgewinn „Deutschlands engagierteste Hochschule“ mit 200.000 € Preisgeld
Oktober 2008 Eröffnung des Deutsche Telekom Institute for Connected Cities
Oktober 2009 Eröffnung der Räumlichkeiten im Fallenbrunen 18 als Übergangslösung
2012
September 2011 Verleihung von Promotions- und Habilitationsrecht sowie Start der vier vierjährigen Bachelor
2011
2010
2009
September 2009 620 Studierende 135 Mitarbeiter 58 Partneruniversitäten
Mai 2011 Alle Studiengänge im CHE-Ranking unter den besten 6; Wissenschaftsrat empfiehlt eigenständiges Promotionsrecht für die ZU
Februar 2010 Mehr als 100 Gründungen von ZUStudierenden
Februar 2009 Erste institutionelle Akkreditierung einer süddeutschen Privathochschule durch den Wissenschaftsrat
Juni 2012 20-Millionen-Spende der ZF Friedrichshafen AG für den neuen HauptCampus sowie 10,5-Millionen-Spende von der Karl Schlecht Stiftung
Mai 2011 773 Studierende 157 Mitarbeiter 65 Partneruniversitäten
Juli 2012 Übergabe des Vorstandsvorsitzes der ZU-Stiftung von Ernst Susanek an Thomas Sattelberger
Oktober 2012 Eröffnung der ContainerUni im Fallenbrunnen
2013
Januar 2011 ZU hat 65 Partnerunis weltweit. Neu dabei: Sciences Po in Paris
Juni 2013 Spatenstich für den neuen ZU HauptCampus
Januar 2012 Gründung der ZU Graduate School und Start des Promotionsprogramms
September 2012 1008 Studierende 201 Mitarbeiter 70 Partneruniversitäten
August 2013 1152 Studierende 225 Mitarbeiter 73 Partneruniversitäten
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Was zu tun war und was zu tun bleibt Höhepunkte des Frühjahrsemesters
Schwierigkeiten mit der Negation, eine Archäologie der Medien und das Ganze der Gesellschaft.
len Fragestellungen des öffentlichen Managements.
Als Mitherausgeber veröffentlichten MarMit der Entscheidungs- und Spielthe- tin Tröndle und Karen van den Berg das orie (UTB, Stuttgart) befasst sich Jo- Jahrbuch Kulturmanagement 2012 zum achim Behnke in seinem Buch glei- Schwerpunkt Zukunft Publikum (transcript chen Titels. Im Fokus stehen strate- Verlag, Bielefeld) und beleuchteten darin gische Entscheidungen rationaler die Rolle des Publikums zwischen „großem Akteure. Der Band führt in die grund- Unbekannten“ und „passivem Störfaktor“. Welche neuen Bücher von ZU-Wissenschaft- legenden Konzepte ein und zeigt die Bandbreite möglicher Anwendungen in den So- Welche neuen Forschungseinrichtungen lern sind erschienen? zialwissenschaften auf, zum Beispiel Wir- gab es? Fragile Stabilität. Stabile Fragilität hieß das ken von Wahlsystemen, sicherheitspolitiForschungs-Jahresthema 2012 der ZU, die sche Arrangements und Durchführung Im Beisein von Ministerialdirektor Wolfgang Reimer vom Ministerium für Ländwichtigsten Arbeiten dazu sind in Buch- von Verhandlungen. lichen Raum und Verbraucherschutz des form im Springer VS Verlag, Heidelberg, erschienen. Herausgegeben von Stephan Wissensarbeit und Arbeitswissen – Zur Eth- Landes Baden-Württemberg wurde das A. Jansen, Eckhard Schröter und Nico Stehr, nografie des kognitiven Kapitalismus (Cam- neue Forschungszentrum Verbraucher, befasst sich der Band mit der Fragilität der pus Verlag, Frankfurt a. M./New York) Markt und Politik | CCMP an der ZU eröffmodernen Gesellschaft, also die wachsen- lautet der Titel des Buches von Gertraud net. Es will künftig die Verbraucherforde Unfähigkeit staatlicher sowie anderer Koch, das sie als Mitherausgeberin veröf- schung in Baden-Württemberg stärken großer gesellschaftlicher Institutionen, fentlicht hat. Ausgehend von der Erkennt- und Beiträge für die strategische und evigegenwärtig – und voraussichtlich auch nis, dass Wissen prozessual und kon- denzbasierte Ausrichtung der Verbrauin Zukunft – ihren Willen durchzusetzen. textabhängig ist, werden in diesem Band cherpolitik leisten. Geleitet wird das CCMP Dabei kommt es, je nach Standort in der dessen Erzeugung und Nutzung mit eth- von Lucia Reisch, Gastprofessorin für Konsumverhalten und Verbraucherpolitik an Gesellschaft, zu einer stabilen Fragilität nografischen Methoden untersucht. der ZU und international anerkannte Veroder der fragilen Stabilität der sozialen, politischen, kulturellen und ökonomi- In überarbeiteter und ergänzter Form er- braucherforschungs-Expertin. schien Klaus Schönbachs Persuasive Komschen Verhältnisse. munikation (Springer VS, Heidelberg).Er Ebenfalls feierlich eröffnet wurde das neue Hat das Theater eine gesellschaftliche geht darin der Frage nach, wie und warum Leadership Excellence Institute Zeppelin Funktion? Dirk Baecker bejaht diese Frage es gelingt, Menschen dazu zu bewegen, LEIZ an der ZU. Das von der Karl Schlecht in seinem Buch Wozu Theater? (Verlag The- etwas für uns zu tun – ein Produkt zu kau- Stiftung mit einer Großspende geförderte Institut wird Plattform für interdisziplinäater der Zeit, Berlin). Er sieht diese Funktion fen, zu helfen, sich (ver)führen zu lassen. re, interkulturelle und intersektorale Forin der Reflexion auf Verhältnisse der Beobachtung zweiter Ordnung, der Beobach- Eckhard Schröter wiederum legte als Mit- schung, Lehre und Weiterbildung zu den tung von Beobachtern, die das Theater auf herausgeber das Buch Zur Organisation Herausforderungen der Führung. Das LEIZ ganz einmalige Weise leistet. Ebenfalls öffentlicher Aufgaben – Effizienz, Effektivität wird geleitet von Josef Wieland, der zuvon Dirk Baecker erschienen: Beobachter und Legitimität (Verlag Barbara Budrich, gleich Inhaber des Stiftungslehrstuhls für unter sich. Eine Kulturtheorie (Suhrkamp Leverkusen-Opladen/Toronto) vor. In hand- Institutional Economics – Organisational Verlag, Berlin). Er beschreibt darin unter buchartiger Form liefert der Band präg- Governance, Integrity Management & anderem das Wissen der Beobachter, die nante und kompetente Beiträge zu zentra- Transcultural Leadership ist. 2013
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_02 _01 Ministerialdirektor Wolfgang Reimer (l.) im Gespräch mit der Institutsleiterin des CCMP, Lucia Reisch, und Stephan A. Jansen (r.), Präsident der ZU _02 Großförderer Karl Schlecht (l.) und der wissenschaftliche Insititutsleiter des LEIZ, Josef Wieland (r.)
Mit welchen Themen befassten sich wissenschaftliche Kongresse? Ob über künstliche Intelligenz, soziale Herkunftsabhängigkeiten oder europäischen Fußball: Um diese und andere spannende, studentische Forschungsthemen ging es im Februar bei der ersten Forschungskonferenz von Studierenden für und mit Studierenden. Thema dieser Forschungskonferenz für interdisziplinäre Fragen (ZUfo) mit Teilnehmern aus ganz Europa: Pfadabhängigkeiten.
und Wirtschaft verschwimmen. Aber wie sieht die Rolle im Vergleich und in Kooperation mit der internationalen Entwicklungshilfe insbesondere mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer aus? Darum ging es bei einer von Lisa Hanley PhD und Professor Dr. Stephan A. Jansen des „Civil Society Center | CiSoC“ in Zusammenarbeit mit der Siemens Stiftung am Wilson Center in Washington D. C. ebenfalls im März ausgerichteten internationalen Konferenz. Repräsentanten aus der Praxis wie Weltbank, Inter-American Development Bank und der UN debattierten mit Vertretern der Universitäten Cornell, Harvard, Oxford, Stanford sowie den ZU-Partneruniversitäten aus Kolumbien, Südafrika und Mexico.
15 Jahre Klimapolitik unter den Vorzeichen des Kyoto-Protokolls – und doch kein Rückgang der Treibhausgase erkennbar: Wo sind die neuen, zukunftsfähigen Wege in der Klimapolitik? Damit beschäftigte sich das Symposium 2013 des Euro- Der Stadt-Friedrichshafen-Lehrstuhl für päischen Zentrums für Nachhaltigkeits- Verwaltungswissenschaft und Verwalforschung | ECS im März. Zu den namhaf- tungsmodernisierung von Professor Dr. ten Referenten zählten Professor Dr. Steve Eckhard Schröter richtete im April eine Rayner (Oxford University), Professor Dr. zweitägige Konferenz zu den sozialen FolKlaus Hasselmann (ehemaliger Direktor gen der politischen Umwälzungen in der des Max-Planck-Instituts für Meteorolo- arabischen Welt aus. Die Tagung war Teil gie in Hamburg) und Professor Dr. Dick des dreijährigen Projektes Brücke zur araPels (Soziologe, Publizist und Direktor der bischen Welt, das die ZU gemeinsam mit Wissenschaftsstiftung der niederländi- der American University Beirut durchführt im Rahmen des „Baden-Württemschen Grünen). berg-Stipendiums für Studierende – BWS Sozialunternehmertum lässt längst die plus“, einem Programm der Baden-WürtGrenzen zwischen Zivilgesellschaft, Staat temberg Stiftung.
Ebenfalls im April veranstaltete das Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen (FIF) zum nunmehr fünften Male seinen Friedrichshafener FamilienFrühling. Der Unternehmerkongress für die ganze Familie stand unter dem Thema Das Geschäftsmodell Familienunternehmen: Auslauf- oder Zukunftsmodell? Zu den Vortragenden und Diskutanten gehörten Professor Dr. Berthold Leibinger, Gesellschafter der Trumpf GmbH & Co. KG in Ditzingen, Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, Professor Dipl.-Ing. Karl Schlecht, Gründer und ehemaliger Inhaber der Putzmeister Holding GmbH in Aichtal, und Hans Wall, Gründer und ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender des Außenwerbungsunternehmens Wall AG in Berlin. Influencing EU Politics: Mobilization and Representation of European Civil Society war schließlich das Thema einer zwei tägigen Konferenz im Mai, ausgerichtet vom Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Politikfeld- und Verwaltungsforschung von Professor Dr. Patrick Bernhagen in Kooperation mit der Universität Göteborg. Es diskutierten internationale, namhafte Referenten unter anderem von den Universitäten Amsterdam, Antwerpen, Aarhus, Dublin, Stockholm, Ljubljana und Newcastle. 2013
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„Das etwas andere Stipendium der Zeppelin Universität bürstet gegen den Strich. Ein Signal der Einsicht und ein Zeichen des Nachdenkens. Im Zeitalter der Hochstapelei (Sloterdijk), der Antragsexzellenz, der Verselbständigung von Zertifizierungen aller Art und der Verkennzahlung aller Lebensbereiche ist es überfällig, wieder genauer hinzusehen: Weniger wiegen und mehr Mut zum Wägen, das ist die Botschaft aus Friedrichshafen.“ Forschung & Lehre, 07/13
Welche prominenten Gäste sprachen zu welchen Themen?
Anja Achtziger, Peer Ederer, Christian Opitz und Marcel Tyrell auseinander.
Mehrere tausend Besucher aus der Region folgen regelmäßig den mehr als ein Dutzend verschiedenen Formaten der ZU – Veranstaltungen mit zumeist prominenten Referenten. In der Bürger-Universität berichtete der Direktor des Victoria and Albert Museums in London, Martin Roth, über die gesellschaftliche Aufgabe von Museen; David Pountney, der Intendant der Bregenzer Festspiele, und der Kunstwissenschaftler Jan Assmann diskutierten „Die Zauberflöte: Machwerk, Märchenoper, Mysterienspiel.“ Und in einer musikalischen Bürger-Uni wagte das Ensemble Unidas „Renaissance und Gegenwart: eine musikalische Gegenüberstellung“.
Was gab es an Auszeichnungen?
Im Diskursformat „RedeGegenRede“ auf dem Berliner ZU-HauptstadtCampus stritten Alfred Kieser und Bruno S. Frey mit dem CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele über Sinn und Unsinn von Rankings. Und zum vieldiskutierten Thema „Managergehälter“ setzte sich Daimler-Arbeitsdirektor Wilfried Porth mit den ZU-Professoren 2013
Die ZU ist im Juni mit dem Zertifikat „audit familiengerechte hochschule“ der beruf undfamilie gGmbH ausgezeichnet worden. Mit dem Zertifikat erhielt die ZU die Bestätigung, dass sie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie auch für die Studierenden ein Umfeld bietet, in dem sich Beruf, Studium und Familie sehr gut vereinbaren lassen. Die offizielle Verleihung der Urkunde erfolgte in Berlin. Mit Google bekam die ZU einen weiteren namhaften Partner im Bereich der „Digital Education Trend Group“. Hier geht es der Universität um die Erforschung und Bereitstellung digitaler Bildungsangebote jenseits der Informationslogistik. Die ZU war eine von fünf Hochschulen in ganz Europa, die mit dem „Google Coursebuilder Award“ ausgezeichnet wurden und gefördert werden. Das neue Stipendienprogramm der Diversitätsstipendien der ZU erhielt vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
die „Hochschulperle des Monats“ (vgl. Zitat aus Forschung & Lehre). Und ein ZU-Team, bestehend aus den Studierenden Tim Bibow, Niklas Boukal, Charlotte Cassel, Fabian Frauenderka, Michael Ganslmeier und Jelena Hok, gewann den Publikumspreis beim „GWA Junior Agency Award“, Deutschlands anspruchsvollstem Nachwuchswettbewerb der Kommunikationsbranche. Wie geht die Campus-Entwicklung weiter? Mit Beginn des Frühjahrssemesters wurde die neue ContainerUni mit Ansprachen, Musik, Ausstellungen und Performances feierlich eröffnet. Vier Container-Gebäude und ein Hangar aus Fertigbauteilen mit elf Seminarräumen, rund 60 Büros für Wissenschaftler und Verwaltung, fünf Projekt- und Besprechungsräume, Arbeitsund Aufenthaltsflächen mit „Mundvoll“Café und ein Open-Test-Haus mit studentischen Arbeitsräumen auf einer Fläche von rund 2500 Quadratmetern entstanden und bilden die ContainerUni der ZU. Für gut zwei Jahre ist sie das provisorische Zuhause der ZU im Fallenbrunnen. Denn
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„Für ZF ist die Förderung der Universität an unserem Stammsitz gelebtes Corporate Citizenship. Für die Sicherung der Standortattraktivität, die regionale Infrastruktur und die Innovationskultur sind die ZU und der neue HauptCampus ein entscheidender Beitrag.“ Dr. Stefan Sommer, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG _05
so lange wird es dauern, bis der zukünftige HauptCampus der ZU, ebenfalls im Friedrichshafener Ortsteil Fallenbrunnen, fertiggestellt sein wird. Dafür fiel im Mai der Startschuss mit der Baugenehmigung durch die Stadt Friedrichshafen, und im Juni erfolgte der erste Spatenstich. Damit haben die Um- und Ausbauarbeiten des ehemaligen Kasernengebäudes begonnen für 17 Seminarräume, eine große Bibliothek, Mensa und Büros für mehr als 120 Mitarbeiter. Ermöglicht wird das Projekt durch die Zusage einer Großförderung in zweistelliger Millionenhöhe durch die ZF Friedrichshafen AG. Während der gesamten Bauzeit informiert die ZU im Internet auf einem eigens eingerichteten Bau-Blog unter der Adresse hauptcampus.de: Dort kann man beispielsweise den Baufortschritt per Livebild und Checkliste verfolgen, aber auch regelmäßig spannende Hintergrundinformationen zum neuen HauptCampus und seiner Entstehungsgeschichte erfahren.
Veranstaltungsvorschau Herbst 2013 17.09.2013 | 18.00 – 20.00 Uhr BürgerUniversität Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung SeeCampus, Friedrichshafen 10.10.2013 | 19.30 – 21.30 Uhr BürgerUniversität Kathrin Menges, Mitglied des Vorstands, Henkel SeeCampus, Friedrichshafen
_03 BürgerUni mit Martin Roth, Direktor des Victoria & Albert Museums in London _04 Wilfried Porth, Daimler-Arbeitsdirektor, zum Thema „Managergehälter“ _05 Spatenstich für den neuen HauptCampus mit Oberbürgermeister Andreas Brand, ZF-Vorstandsvorsitzender Stefan Sommer, ZU-Geschäftführung Stephan A. Jansen und Katja Völcker (v. l. n. r.)
17.10.2013 | Beginn: 18.30 Uhr ZU|G Fundraising Dinner René Obermann, CEO der Deutschen Telekom SeeCampus, Friedrichshafen 30.10.2013 | 19.15 – 21.00 Uhr Friedrichshafener Bildungsgespräche Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts ContainerUni, Friedrichshafen 14.11.2013 | 12.00 – 14.00 Uhr BürgerUniversität Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur, DIE ZEIT SeeCampus, Friedrichshafen
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und Womit befasst sich das „Medium für Zwischenfragen“?
Was tun? Was tun! ist die nunmehr fünfte des Magazins ist es auch, eine künstleriAusgabe des Magazins auf. Das Magazin sche Mitwirkung als Forschungsbeitrag für Zwischenfragen, also über das noch Un- und Kommentierung der Themen zu intewissbare oder eben das nicht mehr Wiss- grieren. Die visuellen künstlerischen Elebare sowie das Fragwürdige, erscheint seit mente im Magazin haben als solche den Herbst 2011 zweimal im Jahr und gibt da- Auftrag, ein kritischer ästhetischer Beitrag bei Einblicke in die Geistesgegenwart der zu dieser zu sein – eben nicht einfach IllusArbeit der ZU. auf ist ein monothemati- trationen oder Ornamente. So werden den sches Wissensmagazin und beinhaltet wissenschaftlichen Forschungsbeiträgen eine Mischung aus intelligent trivialisier- die künstlerischen als Erkenntnisarbeit ten Originalbeiträgen von Wissenschaft- ebenbürtig gestellt.“ lern der ZU und ihres Netzwerkes sowie journalistisch übersetzte Beiträge und In- Das jeweils aktuelle Heft gibt es nicht nur terviews über deren Forschung. Besonders online und im ausgewählten Fachbuchhandaran ist auch, dass jedes Heft mit Inter- del, sondern auch in mehr als 200 Bahnhofsbuchhandlungen der Republik. Und ventionen von Künstlern begleitet wird. alle Hefte zum (Nach-)Bestellen unter: Begonnen hatte es mit der Ausgabe „Macht zu.de/auf und Mitsprache“ vor zwei Jahren. Das Heft – wie alle weiteren folgenden – hatte zum Ziel, Debatten im wahrsten Sinne der Wortes „auf-zu-machen“, neue Perspektiven auf _Mehrwertige mediale Angebote der ZU alte Themen zu eröffnen und zum Nachdenken und Vormachen anzuregen. Die Die Zeppelin Universität versteht sich als Universität in der Gesellschaft, die als Präsenzuniversität auch für zweite Ausgabe im Januar 2012 widmete diejenigen erreichbar sein möchte, die sich gerade sich dem Thema „Positive Distanz“ – es nicht auf dem Bodensee-Campus aufhalten können. ging um den Mythos der Nähe und mögliche Distanzgewinne sowie um Grenzen der Folgende mediale Angebote stehen Ihnen kostenfrei Grenzüberschreitung. Die dritte Ausgabe rund um die Uhr zur Verfügung: im September 2012 rückte „Bürger. Macht. _ Staat.“ in den Blickpunkt. Sie befasste sich Digitale Forschungsdelikatessen online, informativ und mit Protest, Partizipation, Organisation leicht verdaulich unter zu-daily.de und Kommunikation sozialer Innovationen zwischen Bürgern und Staat. Und um _ZU on iTUnes U Auf www.zuonitunesu.de sind Audio- und Videopod„Stabile Fragilität. Fragile Stabilität“ ging es casts unserer wichtigsten Aktivitäten zum Download im vierten Heft im Januar 2013. Denn, so erhältlich. Schauen und hören Sie einmal herein! machten es die Wissenschaftler aus: Das Fragile ist die neue Stabilität – und Fragili- _ZU App Laden Sie sich die App der ZU im Appstore herunter. Die täten erfordern die nächsten Agilitäten. Begleitet wurden die Hefte 1 bis 3 vom österreichischen Künstler Ruediger John und die Hefte 4 und 5 von der kanadischen Künstlerin Patricia Reed. Von Beginn an waren deren Arbeiten fester Bestandteil des Heft-Konzeptes, das von Ruediger John mitentwickelt worden war: „Konzeption
App umfasst den Veranstaltungskalender der Universität, die neuesten Podcasts sowie alle News aus der ZU.
_auf – das digitale Archiv Unter zu.de/auf können Sie auf alle bisherigen Ausgaben der auf zugreifen. _welle20.de Hier können Sie das studentische Radio der ZU rund um die Uhr erreichen. Hören Sie hinein!
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auf #01 – MediuM für Zwischenfragen der Zeppelin universität
04-07 W enn die Mehrheit zur Minderheit wird Welche Konsequenzen hat das negative Stimmgewicht für die Politik? 08-09 Der Untergang im „Silbersee“ Warum geht dem Kunstmusikbetrieb der Nachwuchs aus?
Medium für Zwischenfragen der Zeppelin Universität
10-11 V erdrängen, Verdecken und Verschweigen Wie geht die Klassik mit demPublikumsschwund um? 12-15 Der lange Schatten der Stasi Weshalb ist Vertrauenskapital für die Wirtschaft so wichtig? 16-19 W ie wenig wir über Wirtschaft wissen Welche Folgen hat dies für den Konsumenten? 20-23 Öffnet die Daten-Bestände! Wie können mehr amtliche Informationen den Bürgern helfen? 24-27 Wie Deutschlands nächste
Unternehmergeneration denkt
Was halten Firmennachfolger von Werten, Bildung, Karriere und gesellschaftlichem Engagement? 28-29 Was Experten wirklich wissen Warum sind Fachleute mehr denn je gefragt? 30-33 D ie Vermessung von Sozialunternehmen
in Deutschland
Weshalb boomen Geschäftsmodelle ohne Gewinnabsicht?
34-37 Von Marken und Managern,
Gott und Gemeinderäten
Worüber forschen Studierende?
38-41 E in Magazin als künstlerisches Experiment Warum und in welcher Form konzipierte Ruediger John diese Publikation?
Macht und Mitsprache
42-85 Was weiter wichtig war Die ZU 2009-2011
01
9 772192 797006
AusgAbe #01 ISSN 2192-7979 DeutSchlaND 6 euR SchweIz 8 chF euRopa 8 euR
auf #01 Macht und Mitsprache September 2011 ISSN 2192-7979
auf #02 – MediuM für Zwischenfragen der Zeppelin universität
Medium für Zwischenfragen der Zeppelin Universität
Ansteckende Soziophysik Negative Aposiopese Grenzwertiges Management
positive distanZ
Positive Distanz
02 02 9 772192 797006 DeutSchlaND 6 euR
9 SchweIz 7721928 chF 797006 euRopa 8 euR
AusgAbe #02 ISSN 2192-7979
auf #02 Positive Distanz Januar 2012 ISSN 2192-7979
auf #03 Bürger.Macht.Staat? September 2012 ISSN 2192-7979
auf #04 Stabile Fragilität. Fragile Stabilität. Januar 2013 ISSN 2192-7979
auf #05 Was tun? Was tun! September 2013 ISSN 2192-7979
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Impressum Herausgeber
Professor Dr. Stephan A. Jansen, Präsident ZU Tim Göbel, Vizepräsident ZU
Chefredaktion
ainer Böhme R
Anschrift der Redaktion
Zeppelin Universität Universitätskommunikation Am Seemooser Horn 20 D-88045 Friedrichhafen
Künstlerische Intervention Patricia Reed
Projektleitung & Art Direction Philipp N. Hertel
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Peter Aulmann | peter.aulmann@zu.de
Abonnements
Marilena Davis | marilena.davis@zu.de
Fotos
Rainer Böhme, Florian Gehm, Bertram Rusch
Auflage
ca. 5.000 Exemplare
Nächste Ausgabe
Januar 2014
Druck
odensee Medienzentrum GmbH & Co. KG B Lindauer Straße 11 D-88069 Tettnang
Gedruckt auf Munken Polar 120 g/m 2 Gebunden durch halbmatt gestrichenes Drive Silk 350 g/m 2 mit partieller Relieflackierung
Fonts
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Ausgabe #05 ISSN 2192-7979