bodensee innovations cluster digitaler wandel
DIGI TA L E T R A NSF ORM AT ION IN DER BODENSEEREGION – ERHEBUNG 2 0 2 0
September 2020
bodensee innovations cluster digitaler wandel
„Innovatives Wissen und Vernetzung in der Region, das sind wesentliche Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation.“ Prof Dr Josef Wieland Vizepräsident Forschung | Direktor Leadership Excellence Institute Zeppelin | LE IZ
Executive Summary Einordnung und Bedeutung
Die Studie belegt dabei erneut, dass die hochgradig komplexen Herausforderungen, die mit dem digitalen Strukturwandel
Ziel der vorliegenden Erhebung ist die Schaffung einer wissen-
einhergehen, vorrangig über die Nutzung von Informationssy-
schaftlich fundierten Wissensgrundlage über den Status quo
nergien gelöst werden können. Erfolgen sollte dies über den
der digitalen Transformation innerhalb ( der Unternehmen ) der
Wissensaustausch, die Vernetzung und Kooperationen aller
Bodenseeregion. Die Studie bündelt zu diesem Zweck bereits
relevanter Stakeholder – mit dem Ziel, nachhaltige Wettbe-
bestehendes Wissen und zeichnet auf Basis der Analyse und
werbsvorteile für die Unternehmen der Bodenseeregion zu
Auswertung von Experteninterviews sowie Daten einer On-
schaffen sowie die Region als Ganze nachhaltig zu stärken.
line-Befragung ein länder- und branchenübergreifendes Ab-
Hinsichtlich dieser Erkenntnisse wird das BIC auch in Zukunft
bild der Chancen, Herausforderungen und Trends, die für die
daran arbeiten, die relevanten Entwicklungen und Trends
Unternehmen der Bodenseeregion mit dem digitalen Struk-
in der Bodenseeregion zu erheben und zu kontextualisieren.
turwandel einhergehen. Die Erhebung dient der Erweiterung
Dies dient dem übergeordneten Ziel, durch Zusammenarbeit
und Evaluierung einer ersten Studie zum Fortschritt digitaler
in Wissensnetzwerken an der Sicherung einer ökonomisch,
Transformation in der Bodenseeregion aus dem Jahr 2018. Sie
ökologisch und gesellschaftlich nachhaltigen Entwicklung der
erweitert das bestehende Wissen um branchenspezifische
Bodenseeregion zu arbeiten. Dazu wird das BIC die identifizier-
Betrachtungen und Analysen aus der Banken-, Logistik-, Me-
ten Trends in der Arbeit in Innovationskreisen operationalisie-
dizintechnik- und Pharma- sowie Verpackungsbranche, die
ren: Das BIC bietet damit eine Plattform für die Vernetzung der
für den wirtschaftlichen Erfolg und gesellschaftlichen Zusam-
Unternehmen, die Identifikation themenspezifischer Expertise
menhalt in der Bodenseeregion von zentraler Relevanz sind.
sowie den gegenseitigen Wissensaustausch zwischen Akteu-
Darüber hinaus legt die Studie einen thematischen Fokus auf
ren aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft.
Fragen rund um das Thema Innovationsmanagement in Unternehmen wie auch auf Erfolgsfaktoren von Mitarbeiter- und Un-
Aufsetzung der Studie
ternehmensführung in Zeiten zunehmender Komplexität und Schnelllebigkeit.
Das Forschungsdesign der Studie kombiniert qualitative und quantitative Erhebungs- und Forschungsmethoden. Die Ana-
Anknüpfend an die Ergebnisse der Studie von 2018 aktuali-
lyse und Auswertung basiert dabei auf der Erhebung von
siert die vorliegende Erhebung die Wissensgrundlage zur
Daten aus Experteninterviews sowie einer Online-Befragung.
thematischen Schwerpunktsetzung des Bodensee Innovati-
Die Kombination beider Erhebungsmethoden ermöglicht es,
onsclusters | BIC .
die Stärken der beiden Forschungslogiken zu verknüpfen. Die Datenbasis bietet damit ein breites, branchenübergreifendes
2
Abbild der Unternehmen der Bodenseeregion. Dies ermöglicht
Damit gehen jedoch zentrale Herausforderungen im Bereich
es, die Entwicklung der Digitalisierung in den Unternehmen
Cybersecurity und in der Implementierung einer digital-affinen
nachzuvollziehen, Erfolgsfaktoren der ( digitalen ) Führung zu
Unternehmenskultur einher. Deren Bewältigung kann nach
identifizieren sowie Herausforderungen im Rahmen des Inno-
Aussagen der Experten durch Technologieoffenheit, Lernbe
vationsmanagements darzulegen. Zugleich kann auf Basis der
reitschaft und grundlegende informationstechnologische Kom-
( virtuell ) durchgeführten Interviews mit 39 Unternehmen der
petenzen seitens der Unternehmensführung und des Personals
vier Fokusbranchen – Banken-, Logistik-, Medizintechnik- und
erfolgen. Daraus ergibt sich eine dringende Notwendigkeit des
Pharma- sowie Verpackungsbranche – ein detailliertes Abbild
Ausbaus von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in der
zentraler Fragen im Kontext der digitalen Transformation si-
Bodenseeregion sowie des generationen- und bereichsüber-
chergestellt werden.
greifenden Wissenstransfers in den Unternehmen.
Chancen, Herausforderungen und Trends der digitalen Transformation
Bodenseeregion, in Deutschland, Österreich und der Schweiz,
Die Erkenntnisse der Studie deuten – neben interessanten Ent-
sifizieren und daraus resultierend ein enormes Potential für zu-
wicklungen innerhalb der einzelnen Branchen – insbesondere
künftige Effizienzsteigerungen innerhalb der Wertschöpfungs-
auf einige industrieübergreifende Chancen, Herausforderun-
kette sehen.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Unternehmen der die digitale Transformation als hochrelevante Entwicklung klas-
gen und Trends der digitalen Transformation für die Unternehmen der Bodenseeregion hin. Länderübergreifend ( Deutschland, Österreich, Schweiz ) sehen die befragten Experten die größten Chancen für Unternehmen in der Realisierung von kundenzentrierten Geschäftsmodell-, Prozess- und Produktinnovationen. Diese gelten als Treiber für die zukünftige Konkurrenzfähigkeit in einem dynamischen, globalen Wettbewerb. Die durch die digitale Transformation möglich werdende Vernetzung von Maschinen, Produkten und Services sowie die umfangreiche Auswertung unternehmensinterner Daten bieten darüber hinaus die Grundlage für die Integration neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz und Big-Data-Anwendungen.
3
INH A LT
6 Grusswort 10 Einleitung zur Studie 12 Vorgehensweise und Methodik der Evaluierungsstudie 15 Die Bodenseeregion – Ein Wirtschaftsraum, verschiedene Innovationsmechanismen 21 Die Erkenntnisse 2020 im Vergleich zu 2018 27 Die industrießbergreifenden Erkenntnisse 37 Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Bankenbranche 39 Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Logistikbranche 41 Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Medizintechnik- und Pharmabranche 43 Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Verpackungsbranche 47 Kontextualisierung der Erkenntnisse 53 Special Issue 2020 – Leading Digital Transformation 59 Relevanz und Arbeitsweise des Bodensee Innovationsclusters | BIC 63 Ausblick 67 Team
GRUSSWORT
Seit der Entstehung der Menschheit werden Gesellschaften
So stehen Unternehmen beispielweise durch die Sammlung
vor die Herausforderung gestellt, Wissen zu generieren, zu
und Auswertung immenser Datenmengen bisher ungeahnte
schützen, effizient zu nutzen und erfolgreich an andere und
Möglichkeiten der Steuerung ihrer Unternehmen zu Verfügung.
über Generationen hinweg weiterzugeben. War es vor eini-
Mehr noch : Gesamte Wertschöpfungsketten lassen sich nicht
gen Jahrhunderten für Individuen noch möglich, sich einen
nur digital nachverfolgen, sondern auch digital simulieren, wo-
bedeutsamen Anteil des damals bestehenden Wissens anzu-
durch die Unternehmen gezielt verschiedene Szenarien vorbe-
eignen, so führte die Weiterentwicklung der Gesellschaft seit
reiten und erarbeiten können.
Beginn des Industriezeitalters zu einem derart rasanten Anstieg der Wissensmenge, dass dies nicht mehr möglich ist : Diese akzelerierende Komplexität führ-
Das rasante Wachstum der digitalen Transformation
te dazu, dass Arbeitsabläufe ge-
Jedoch gehen diese Vorteile auch mit Herausforderungen einher : Das rasante Wachstum der digitalen Transformation und die un gekannte Komplexität unserer Gegenwart führen unter anderem zu einer enormen
teilt wurden und ein Individuum nicht mehr alle Arbeitsschritte
Nachfrage nach speziellen informationstechnologischen Kom-
und Abläufe gleichermaßen beherrschen konnte beziehungs-
petenzen, um mit Hilfe digitaler Technologien neue Wissens-
weise musste. Die Individuen spezialisierten sich also und wur-
ressourcen innerhalb von Unternehmen und für die Gesell-
den zu Experten mit immensen Wissensressourcen in ihrem
schaft zu heben. Dabei gilt es allerdings auch, das erarbeitete
Fachgebiet. Eine weitere Neuerung erfolgte durch den digital
Wissen und Informationen zu schützen und unerlaubte Zugrif-
getriebenen Strukturwandel, der nun dazu führte, dass dieses
fe zu verhindern. Auch wenn die Angreifer in unserem Zeitalter
Expertenwissen zwar weiterhin benötigt wird, aber insbeson-
keine hölzernen Pferde mehr verwenden, um Tore zu öffnen,
dere die Vernetzung von Wissen – egal ob auf interpersonaler
ist der Begriff „Trojaner“ doch ein äußerst passender Begriff in
Ebene oder zwischen Mensch und Maschine – in Zukunft ein
Zeiten exponentiell zunehmender digitaler Datenspeicherung.
entscheidender Faktor für ökonomischen wie gesellschaftli-
Digitale Technologien öffnen Tür und Tor – aber darf der Eintre-
chen Erfolg sein wird.
tende ( sei es eine Person oder ein System ) die dahinterliegenden Informationen nutzen beziehungsweise besitzen ?
6
Ein weiterer interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang wird seit einigen Jahren mit dem Begriff der „Schwarmintelligenz“ gefasst : Sie beschreibt die Tatsache, dass kom-
Über die Vernetzung von Wissensressourcen die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu verstehen und zu bearbeiten
plexe Probleme meist nur über die Vernetzung vormals fragmentierter Wissensbausteine zu lösen sind. Organisationen jeglicher Art bieten diese neuen Strategien daher die Chance, über die Vernetzung von Wissensressourcen die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu verstehen und zu bearbeiten, um bestehende Probleme zu lösen. Die erfolgreiche Umsetzung digitaler Transformation sollte dabei immer auch das Wissen unternehmensexterner Akteure heranziehen, denn gerade in einer Epoche großer Unsicherheit ist die Nutzung von Synergien zentral für die erfolgreiche Bewältigung neuer und immer komplexerer Fragestellungen. Zu genau diesem Zweck möchten wir alle relevanten Akteure der Bodenseeregion aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft dazu einladen, die sich bietenden Chancen der digitalen Transformation zu ergreifen, sodass die Vierländerregion auch in Zukunft ein Ort ökonomischer Prosperität und gesellschaftlichen Zusammenhalts über Ländergrenzen hinweg bleibt.
Prof Dr Josef Wieland | LEIZ
Dr Lennart Brand | LEIZ
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Einleitung zur Studie Die vorliegende zweite Erhebung des Bodensee Innovations-
Trias technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Innovation
clusters | BIC setzt die 2018 erstmalig durchgeführte Betrachtung fort. Sie verfolgt das übergeordnete Ziel, den Fortschritt der digitalen Transformation in der Bodenseeregion greif- und beobachtbar zu machen sowie die wichtigsten mit dem digitalen Strukturwandel einhergehenden Chancen, Herausforderungen und Trends aufzuzeigen. Dabei versteht das BIC die da-
Technologische Innovationen
Gesellschaftliche Innovationen
mit verbundenen Transformationsprozesse als einen Dreiklang von technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderung, der allein es ermöglicht, das Phänomen des digitalen Strukturwandels in seiner Gesamtheit zu begreifen und wertschöpfend für Wirtschaft und Gesellschaft zu nutzen. Diese Trias der Untersuchung von technologischer Innovation, Geschäftsmodellinnovation und gesellschaftlicher Innovation erlaubt es, den technologischen Fortschritt wie auch die Im-
GeschäftsmodellInnovationen
plikationen für Unternehmen und Gesellschaft zu erfassen und positiv zu gestalten. Dieser eben genannte Dreiklang stellt weiterhin die Arbeitsgrundlage des BIC dar, die es erlaubt, das Phänomen digitaler Transformation ganzheitlich zu betrachten ( Abbildung 1). Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie hat erneut deutlich wer-
der gesellschaftlichen Implikationen untersucht. Dabei zeigen
den lassen, dass Unternehmen in kontinuierlicher interdepen-
insbesondere Trends, wie der vorherrschende Fachkräfteman-
denter Beziehung zu ihrem gesellschaftlichen Kontext und des-
gel, beispielhaft die Verbindung der Unternehmen mit ihrem
sen relevanten Akteuren stehen. Erst innerhalb der genannten
Umfeld : Treten Unternehmen als Treiber des digitalen Wandels
Trias und ihrer Interdependenzen entsteht die Wertschöpfung
auf, müssen sie zugleich auch in die Region, in der sie verortet
der Unternehmen – und es ist eben dieses Zusammenspiel,
sind, investieren. Nur dadurch können sie sicherstellen, dass
das neben Rechten auch Pflichten für die Unternehmen be-
sie in ihrem Umfeld die nötigen Ressourcen für den eigenen
dingt. Diese werden in der vorliegenden Erhebung im Zuge
Unternehmenserfolg vorfinden.
10
ERHEBUNG 2020
Dass die Unternehmen – vor allem an einem so hochindustri-
der digitalen Transformation in der Bodenseeregion ab. Dar-
alisierten und innovationsstarken Standort wie der Bodensee-
über hinaus beinhaltet die Erhebung sowohl branchenüber-
region – in die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien
greifende sowie branchenspezifische Erkenntnisse aus der
investieren, um sowohl auf dem Heimatmarkt als auch im glo-
Banken-, Logistik-, Medizintechnik- und Pharma- sowie Verpa-
balen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, versteht sich
ckungsbranche mit Blick auf diverse Themenfelder der digita-
eigentlich von selbst. Allerdings verdeutlichen die in der vorlie-
len Transformation. So wurden auch in diesem Jahr Branchen
genden Erhebung identifizierten Trends, dass auch die gesell-
für die Erhebung ausgewählt, die zentral für die wirtschaftliche
schaftliche Komponente wirtschaftlichen Erfolgs zunehmend
Prosperität der Bodenseeregion sind. Schließlich legt die Stu-
vom digitalen Transformationsprozess beeinflusst wird. Bei-
die einen thematischen Schwerpunkt auf Fragen rund um das
spielsweise stellt die zunehmende Besorgnis der Öffentlichkeit
Thema Innovationsmanagement in Unternehmen sowie auf
bezüglich der Sicherheit privater Daten, fehlendes Vertrauen in
Erfolgsfaktoren von Mitarbeiter- und Unternehmensführung in
digitale Technologien oder eine generelle Angst vor dem „Un-
Zeiten des digitalen Strukturwandels.
bekannten“ Herausforderungen für Unternehmen innerhalb des digital getriebenen Strukturwandels dar. Es ist für Unter-
Die besten Voraussetzungen dafür hat in Zeiten der Verände-
nehmen der Bodenseeregion daher unabdingbar, sich in die-
rung seit jeher derjenige, der es zum einen schafft, erfolgsrele-
sem Spannungsfeld zu positionieren, um in diesen Zeiten des
vantes Wissen zu identifizieren, und zum anderen Wege findet,
Umbruchs positive gesamtgesellschaftliche Impulse setzen zu
dieses Wissen möglichst synergetisch in seinem Umfeld oder
können.
der eigenen Organisation zu implementieren. Da die aktuelle Entwicklung einen bisher beispiellosen Grad an Komplexität
Das BIC möchte in diesem Zusammenhang durch die Identifi-
mit sich bringt, kann das notwendige Wissen für unternehme-
kation und Bearbeitung relevanter Themenfelder gemeinsam
rische Entscheidungsfindung nicht mehr nur einem Akteur al-
mit den Unternehmen und über Kooperationen mit weiteren
lein obliegen. Vielmehr gilt es, Wissen über das Management
Stakeholdern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilge-
sowohl unternehmensinterner als auch -externer Netzwerke
sellschaft dazu beitragen, dass die Wissens- und Wirtschafts-
zusammenzuschließen, um dadurch die eingesetzten Ressour-
region Bodensee auch in Zukunft ein wichtiger Standort für
cen mit maximaler Effizienz nutzen zu können. Der Austausch
ökonomische und gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung
dieses spezifischen Wissens zwischen untereinander vernetz-
bleibt. Die Studie bündelt zu diesem Zweck bereits bestehen-
ten Akteuren wird damit sicherlich ein entscheidender Faktor
des Wissen und bildet zudem auf Basis der Analyse von Ex-
für die erfolgreiche Gestaltung des digitalen Strukturwandels
perteninterviews und Daten einer Online-Befragung innerhalb
in der Bodenseeregion sein, was auch die im Folgenden prä-
ausgewählter Unternehmen einen Ausschnitt des Status quo
sentierten Erkenntnisse belegen. 11
Die Vorgehensweise und Methodik der Evaluierungsstudie Das Forschungsdesign der Studie basiert auf einem klassischen
Die Experteninterviews
Mixed-Method-Ansatz . Das bedeutet für die vorliegende Erhe1
bung, dass die Daten sowohl durch persönlich geführte Exper-
Wie schon in der Erhebung von 2018 wurden auch bei der vor-
teninterviews als auch über einen quantitativen Online-Fragebo-
liegenden Studie vier Fokusbranchen betrachtet, die zentral für
gen erhoben wurden. So wurden qualitative mit quantitativen
den wirtschaftlichen Erfolg der Bodenseeregion sind – gemäß
Erhebungs- und Forschungsmethoden kombiniert, um die Stär-
dem Standard der Internationalen Bodensee Konferenz 2. Aus-
ken beider Forschungslogiken optimal für den Erkenntnisge-
gewählt wurden in diesem Jahr die Banken-, Logistik-, Medizin-
winn nutzen zu können. Die jeweilige Größe des Datensatzes
technik- und Pharma- sowie die Verpackungsbranche. Dadurch
kann folgender Abbildung entnommen werden.
komplementiert die aktuelle Studie die frühere Erhebung von
Kombination quantitativer und qualitativer Erhebungsund Forschungsmethoden
2018, in der die Branchen Maschinenbau, Automotive und IT betrachtet wurden.
n=47 n=39
Pro Industrie wurden durchschnittlich zehn Experteninterviews geführt, um ein möglichst detailliertes Bild bezüglich der zentralen Fragen im Bereich der digitalen Transformation zu erhalten. Insgesamt umfasst der qualitative Datensatz 39 Unternehmen der Bodenseeregion. Dabei wurden 24 Experten aus Deutschland, drei aus Österreich und zwölf aus der Schweiz befragt.
Qualitative Befragung Experteninterviews
Quantitative Befragung Fragenbogen
Die Interviewpartner waren ausschließlich in Führungspositionen : 20 gehörten zur Zeit der Befragung dem Vorstand be-
Wie angesprochen, bedeutet dies, dass die vorliegende Analy-
ziehungsweise der Geschäftsführung an ; die 19 weiteren Ex-
se auf zwei unterschiedlichen, länderübergreifenden ( D -A-CH )
perten waren Bereichs-, Abteilungs- oder Gruppenleiter. Alle
Datensätzen basiert. Erhoben wurden zum einen Daten aus
befragten Experten wurden zudem gebeten, sich an der On-
persönlich geführten Experteninterviews, die aufgrund der Co-
line-Befragung zu beteiligen.
vid-19-Pandemie in diesem Jahr virtuell stattfanden, und zum anderen ein quantitativer Datensatz, der über eine Online-Befragung in Form eines Fragebogens ermittelt wurde. Gemein ist diesen Datengrundlagen jedoch, dass sie beide im Zeitraum zwischen dem 13. April 2020 und 1. Juli 2020 erhoben wurden. 12
ERHEBUNG 2020
Die quantitative Online-Befragung
25 Teilnehmer der Online-Befragung sind im Vorstand beziehungsweise der Geschäftsführung tätig. Weitere 18 sind Be-
Der Personenkreis, der mit dem Fragebogen angesprochen
reichs-, Abteilungs- oder Gruppenleiter. Lediglich drei Personen
wurde, ergab sich aus bestehenden Kontakten des BIC : Zum
bekleiden in ihren Unternehmen keine hochrangige Führungs-
einen wurde der Fragebogen an Personen versandt, deren Un-
funktion, waren aber dennoch entscheidungsbefugt in ihrem
ternehmen bereits Teil der Erhebung von 2018 war und die dort
Arbeitsbereich. Damit bietet das Sample eine sehr valide Daten-
eine Führungsfunktion innehaben ; zum anderen wurden unter
grundlage zu Fragen der strategischen Ausrichtung des jewei-
den eigenen Kontakten weitere relevante Unternehmen der
ligen Unternehmens im Kontext der digitalen Transformation.
Bodenseeregion identifiziert. Insgesamt konnte dadurch ein quantitativer Datensatz von 47 Unternehmen erhoben werden.
Verwendung der Datensätze innerhalb der Studie
Innerhalb des quantitativen Datensatzes stammen 33 Unter-
Für die weitere Analyse und Auswertung der Erhebung wur-
nehmen aus Deutschland, fünf aus Österreich und neun aus
de folgende Verwendung der Daten festgelegt : Während sich
der Schweiz. Länderübergreifend sind 17 Unternehmen dem
der eingangs vorgestellte Vergleich der Jahre 2018 und 2020,
produzierenden Gewerbe und 30 dem Dienstleistungssektor
die branchenübergreifenden Erkenntnisse sowie der diesjähri-
zuzuordnen. Im Mittel bestehen die Unternehmen seit 72 Jah-
ge Themenschwerpunkt „Digital Leadership“ sowohl auf den
ren: Das älteste Unternehmen wurde im Jahr 1823 gegründet,
qualitativen als auch auf den quantitativen Datensatz stützen,
das jüngste erst 2019.
beruhen die industrieübergreifenden und industriespezifischen Erkenntnisse ausschließlich auf den persönlich geführten Ex-
24 Unternehmen sind KMU ( kleine und mittlere Unternehmen,
perteninterviews. Für die Analyse und Gewinnung der wei-
Umsatz pro Geschäftsjahr kleiner als 50 Millionen Euro und
terführenden Erkenntnisse – zum Beispiel erster erkennbarer
weniger als 250 Beschäftigte ) ; 23 Unternehmen gehören dem
Muster und Gruppierungen ( siehe auch Kapitel „Die Boden-
Mittelstand an beziehungsweise der Kategorie der Großkon-
seeregion – Ein Wirtschaftsraum, verschiedene Innovations-
zerne ( für die Grundlage der exakten Zuordnung der Unterneh-
mechanismen“ ) – wurde ausschließlich der quantitative Da-
men nach Umsatz und Mitarbeiterzahl 3 ).
tensatz verwendet.
13
ERHEBUNG 2020
Die Bodenseeregion – Ein Wirtschaftsraum, verschiedene Innovationsmechanismen Die Bodenseeregion gilt als eine der innovationsstärksten Re-
Die Gründe für die Innovationsentwicklung in Unternehmen
gionen Europas . Diesen Status verdankt die Region vor allem
sind dabei vielfältig : Innovationen können einerseits ein essen-
ihren Unternehmen und deren traditionell sehr vorausschau-
tieller Bestandteil des Geschäftsmodells sein und damit dauer-
4
ender Geschäftspolitik. Zusätzlich ist in den vergangenen Jah-
haft und stetig gefördert werden. Andererseits werden Inno-
ren aber deutlich geworden, dass die teils disruptiven Prozesse
vationen häufig erst dann verstärkt vorangetrieben, wenn für
der digitalen Transformation einen immensen Einfluss auf die
die Unternehmen erkennbar ist, dass die bisherigen Geschäfts-
Formen und Mechanismen der Generierung von Innovationen
modelle und Produkte beziehungsweise Dienstleistungen
nehmen.
nicht mehr den gewünschten Erfolg erbringen. Zudem können Innovationen auch zufällig entstehen, ohne dass das eigene
Unabhängig von der Art der Innovation ( zum Beispiel Produkt-
Geschäftsmodell grundlegend auf stetige Weiterentwicklung
oder Serviceinnovation ) und ihrem Grad ( radikal / disruptiv vs.
ausgerichtet ist. Mit Blick auf die Innovationsfähigkeit eines
inkrementell / optimierend ) spielen besonders der Ort der Inno-
Unternehmens stellt sich allerdings die Frage, ob und inwie-
vationsentwicklung und die Relevanz der Innovation bezüglich
fern im Bereich der digitalen Transformation bestimmte Inno-
des Geschäftsmodells eines Unternehmens eine zentrale Rolle.
vationstypen oder Innovationsklassen mit einer erhöhten Innovationsfähigkeit von Unternehmen einhergehen.
So kann die Entstehung von Innovationen auf sehr unterschiedliche Art stattfinden : Sie kann unter anderem zentral ( inner-
Über bestimmte statistische Berechnungsverfahren lassen sich
halb einer Abteilung beziehungsweise unter Verantwortung
solche strukturellen Unterschiede beziehungsweise Gemein-
einer Person ), dezentral ( in verschiedenen Abteilungen be-
samkeiten herausfiltern 5. Zu diesem Zweck wurden die Exper-
ziehungsweise durch diverse Personen ) oder auch innerhalb
ten im Rahmen der Online-Befragung gebeten, Zustimmungs-
einer eigens dafür eingerichteten, hybriden Einheit des Unter-
werte auf einer Skala von 1 ( stimme überhaupt nicht zu ) und 7
nehmens entstehen ( zum Beispiel internes Vorschlagswesen,
( stimme voll und ganz zu ) bezüglich der Verortung der Innovati-
Think Tank, Innovation Hub, Inkubator ).
onsentwicklung im eigenen Unternehmen sowie ihre Relevanz für das Geschäftsmodell abzugeben. Diese Verortung kann
Darüber hinaus stellt sich für die Generierung von Innovatio-
dabei beispielsweise eine gesonderte Abteilung wie auch eine
nen stets die Frage, ob und inwiefern das Geschäftsmodell ei-
speziell für diese Aufgabe abgestellte Person darstellen.
nes Unternehmens von der Generierung neuer Innovationen abhängt beziehungsweise ob Innovationen ein relevantes Ele-
Die befragten Experten evaluierten über diese Zustimmungs-
ment des eigenen Geschäftsmodells darstellen.
werte den Innovationslokus ( zentral, dezentral, hybrid ) und
15
die Innovationsrelevanz sowie die im Unternehmen vorherr-
wenn sich abzeichnet, dass bisherige Produkte, Dienstleis-
schenden Innovationsmechanismen ( dauerhaft notwendig und
tungen oder Geschäftsmodelle nicht mehr den gewünschten
stetig gefördert, da zentral für Geschäftsmodell ; Innovationen
Erfolg liefern. Im Vergleich mit den anderen beiden Innovati-
als Krisenprävention beziehungsweise Neuentwicklung des
onsgruppen lässt sich dies deutlich durch die geringste Zu-
Geschäftsmodells ; Innovationen entstehen eher spontan und
schreibung der Bedeutung von Innovationen innerhalb des
damit zufällig ). Anhand ihrer Antwortmuster lassen sich die
eigenen Geschäftsmodells feststellen. Darüber hinaus liegt die
einzelnen Unternehmen in bestimmte Gruppen mit ähnlichem
selbst eingeschätzte Innovationsfähigkeit im Kontext der digi-
Innovationsverhalten einteilen. Diese Gruppeneinteilung gibt
talen Transformation bei diesen Unternehmen bei einem Wert
einen Einblick im Umgang mit Innovationen in der Bodensee-
von 3,8, das heißt einen gesamten Punkt unter dem Mittelwert
region. Zusätzlich wurden die Antworten in der folgenden Ana-
aller 47 Unternehmen.
lyse mit der Selbsteinschätzung der Innovationsfähigkeit der Unternehmen bezüglich der digitalen Transformation ( 1=sehr niedrig ; 7=sehr hoch ) gekoppelt.
In der zweiten Innovationsgruppe ( Innovationsgeneralisten ), der insgesamt zehn Unternehmen angehören, lässt sich hinsichtlich der Innovationsentwicklung, im Sinne der Innovati-
Auswertung und Gruppierung der Erkenntnisse
onsfähigkeit im Kontext digitaler Transformation ein ähnlicher Wert feststellen. Charakteristisch für diese Gruppe ist es, dass
Die folgende Abbildung der eben beschriebenen Auswertung
Innovationen dezentral entwickelt und damit von unterschied-
zeigt, dass sich die 47 in dieser Analyse betrachteten Boden-
lichen Personen und Abteilungen erarbeitet werden. Jedoch
seeunternehmen in drei Innovationsgruppen einteilen lassen.
stellen Innovationen in dieser Gruppe – im Unterschied zur vor-
Diese Einteilung stellt zugleich die optimale statistische Berech-
herigen Gruppierung – ein zentrales Element des Geschäfts-
nungsform dar : Die Einteilung in die drei Gruppen des Innova-
modells dar. In dieser Unternehmensgruppe der Innovations-
tionsverhaltens beruht auf einer maximalen Homogenität der
generalisten werden Innovationen sowohl dauerhaft als auch
Unternehmen innerhalb einer Gruppe und einer minimalen Ho-
präventiv zur Vorbeugung von Krisen gefördert und als Option
mogenität der Unternehmen zwischen den jeweiligen Gruppen.
für eine stetige Erneuerung des Geschäftsmodells anerkannt.
Die Balken geben dabei jeweils den Mittelwert der getätigten
Diese Anerkennung scheint sich allerdings bisher noch nicht
Angaben aller Unternehmen innerhalb einer Gruppierung an.
auf die Innovationsfähigkeit im Zuge der digitalen Transformation niedergeschlagen zu haben : Der Mittelwert dafür liegt
Der ersten Innovationsklasse ( Spontaninnovatoren ) lassen sich
innerhalb dieser Gruppe von Unternehmen lediglich bei 3,7
insgesamt neun der 47 Unternehmen zuteilen. Die Unterneh-
Skalenpunkten und ist damit der niedrigste über alle drei Inno-
men innerhalb dieser Gruppierung zeichnen sich vor allem
vationsklassen hinweg.
durch eine zentrale, durch Spontanität geprägte Innovationskultur aus. Diese zentral organisierten Spontaninnovatoren
In der dritten Unternehmensklasse ( Innovationsenthusiasten ),
treiben Innovationen im Besonderen dann verstärkt voran,
die knapp 60 Prozent ( 28 von 47 ) aller befragten Unternehmen
16
ERHEBUNG 2020
beinhaltet, entstehen Innovationen an verschiedenen Orten in
dieser Gruppe als zentraler Faktor für den Unternehmenserfolg
den Unternehmen : Der Aussagen der Interviewpartner nach
bewertet und daher in jeder unternehmerischen Phase geför-
sind in diesen Unternehmen diverse Personen und Abteilun-
dert. Zudem entstehen Innovationen in diesen Unternehmen
gen an analogen wie auch digitalen Innovationsprozessen be-
eher selten spontan, sondern unterliegen einem personen-
teiligt. Diese Aussage wird gestützt durch die – im Vergleich zu
und abteilungsübergreifenden Innovationsplan. Daher lassen
den Gruppierungen 1 und 2 – relativ hohe Selbsteinschätzung
sich die Unternehmen innerhalb dieser Gruppierung treffend
der Innovationsfähigkeit des eigenen Unternehmens im Zuge
als strukturiert-organisierte digitale Innovationsenthusiasten
der digitalen Transformation. Innovationen werden innerhalb
bezeichnen.
Klassifikation der befragten Unternehmen nach Innovationsklassen
1 Spontaninnovatoren ( n =9 )
2 Innovationsgeneralisten ( n =10 )
7
7
6
6
5
5
4
4
3
3
2
2
1
1
3 Innovationsenthusiasten ( n =28 )
Zentral
7
Dezentral
6
Hybrid
5
Innovationen spontan/zufällig
4 Innovationen zentral für GM 3 2 1
Innovationen als Krisenprävention/Neuentwicklung Innovationsfähigkeit Digitale Transformation
17
Einordnung der Ergebnisse
zutreiben, zeigt sich auch in der diesjährigen Erhebung : Insbesondere Unternehmen, die eine hohe Innovationsfähigkeit mit
Generell bestätigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie,
Blick auf die digitale Transformation besitzen, verstehen Inno-
dass die befragten Unternehmen auch weiterhin maßgeblich
vationen als Ergebnis verschiedener im Netzwerk agierender
dazu beitragen, dass die Innovationsstärke der Bodenseere-
Akteure ( zum Beispiel Personen, Unternehmensbereiche, Ab-
gion über die Landesgrenzen hinaus ausstrahlt. Unterschiede
teilungen ) 6. Der daraus resultierende Mehrwert für das Unter-
bestehen jedoch in der Art und Weise, unternehmensinterne
nehmen basiert auf Austauschprozessen in und zwischen In-
Innovationen zu generieren. Wenngleich hier keine Standard-
novationsnetzwerken – unternehmensintern wie auch -extern.
lösung existiert, scheinen hinsichtlich der Innovationsfähigkeit im Bereich der digitalen Transformation vor allem diejenigen
Die Gruppe der digitalen Innovationsenthusiasten weist so
Unternehmen einen Vorsprung zu genießen, die einerseits
auch im vorliegenden Datensatz die höchste Anzahl zusätzli-
Innovationen in Kooperationen mit weiteren Akteuren – unter
cher Kooperationsakteure auf und konnte bereits die größten
Nutzung von Synergien – entwickeln und andererseits Innova-
Fortschritte im Kontext der digitalen Transformation erzielen.
tionen als zentrale Komponente ihres Unternehmenserfolges
Diese Unternehmen kooperieren durchschnittlich mit fünf bis
ansehen. Sofern Innovationen also in Zusammenarbeit mit
neun unternehmensexternen Akteuren, um gemeinsam Pro-
unternehmensinternen und -externen Akteuren entstehen und
jekte im Bereich der digitalen Transformation voranzutreiben.
damit gezielt in die Innovationsfähigkeit des eigenen Unter-
Damit weist diese Innovationsklasse die höchsten Werte der
nehmens investiert wird, beeinflusst dies auch die Innovations-
Innovationsfähigkeit innerhalb der gesamten Gruppe der be-
fähigkeit des Unternehmens mit Blick auf die eigene digitale
fragten Unternehmen auf.
Transformation. Zusammenfassend zeigt die vorliegende Datenerhebung und Es sollte dennoch Ziel aller Unternehmen sein, trotz eines un-
-analyse, dass einerseits Innovationen und Innovationsfähig-
sicheren Entscheidungsumfeldes die eigene Innovationskraft
keit sowohl analoger als auch digitaler Natur einer zielgerich-
und Adaptionsfähigkeit zu fördern. Das Risiko und die dabei
teten Planung und proaktiven Umsetzung in Unternehmen be-
entstehenden Investitionskosten lassen sich auf vielfältige
dürfen. Andererseits belegen die Daten die theoretische These,
Weise reduzieren. Ein Beispiel dafür sind die oben genannten
dass die gemeinsame Innovationsentwicklung in einem Netz-
Innovationsnetzwerke, innerhalb derer Unternehmen gemein-
werk besonders erfolgversprechend ist. Dies schließt laut The-
sam mit anderen Akteuren an Lösungen für interne Fragestel-
orie und Aussagen der Unternehmen explizit auch Unterneh-
lungen oder an Produkten arbeiten.
menskooperationen mit ein, die als äußerst synergiestiftend gelten und damit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil
Die Tendenz, die digitale Transformation durch Maßnahmen,
für den Unternehmenserfolg in Zeiten der digitalen Transfor-
wie die Arbeit in Netzwerken und durch Kooperationen, voran-
mation darstellen können.
18
ERHEBUNG 2020
Die Erkenntnisse 2020 im Vergleich zu 2018 Die folgenden Erkenntnisse beruhen auf einer Analyse der Da-
vor allem durch veränderte Kundenanforderungen und einen
ten aus der Erhebung von 2018 zum digitalen Wandel in der
steigenden Wettbewerbsdruck in vielen Branchen. Daher gilt
Bodenseeregion sowie der vorliegenden Folgestudie aus dem
es, Geschäftsmodelle regelmäßig zu überprüfen und kritisch
Jahr 2020. Es wird dabei vor allem auf die Fragestellung ein-
zu hinterfragen. Zudem wurde ein Trend, der bereits in der Er-
gegangen, welche Veränderungen sich in den vergangenen
hebung von 2018 deutlich wurde, erneut identifiziert : Bereits
beiden Jahren ergeben haben und welche Faktoren eine be-
damals zeichnete sich in der Maschinenbaubranche ab, dass
sondere Rolle bei der erfolgreichen Bewältigung des digital ge-
zum einen in Partnerschaften hinsichtlich der Innovation von
triebenen Strukturwandels spielen.
Produkten
investiert
wurde und sich zum Die geführten Interviews verdeutlichen, dass der Einfluss der digitalen Transformation auf die Strategie vieler Unternehmen der Bodenseeregion stark zugenommen hat. Es stellt sich dabei heraus, dass eine klare Vision mit festgelegten Zielen genauso wichtig ist wie die Bereitschaft, disruptive Innovationen konsequent um-
Der Einfluss der digitalen Transformation auf die Strategie vieler Unternehmen der Bodenseeregion hat stark zugenommen.
anderen
Maschinen-
bauunternehmen
zu-
sehends zu IT-Dienstleistern entwickelten. Eben
dieser
Trend,
demzufolge die Wertschöpfung des Unter nehmens mittlerweile
zusetzen. Während der Einfluss auf die Ge-
verstärkt durch digita-
schäftsmodelle ebenfalls stetig zunimmt,
le Angebote stattfin-
ist bei deren Adaption und Erweiterung bisher nur ein mäßiger
det, wurde in der Erhebung von 2020 überdeutlich bestätigt.
Fortschritt erkennbar. Dies scheint sich durch die Wahrneh-
Auch in den diesjährig befragten Industrien stieg die Nach-
mung vieler der befragten Unternehmen zu begründen, die
frage an informationstechnologischem Fachwissen, was ein
ihre aktuellen Geschäftsmodelle noch nicht als grundlegend
Anzeichen dafür ist, dass der Fokus der Wertschöpfung in
bedroht ansehen. Sehr wohl sind sich die befragten Unter-
Zukunft stärker auf Informationstechnologie und den daraus
nehmen aber der beträchtlichen Chancen bewusst, die mit
herrührenden Produkten und Dienstleistungen beruhen dürfte
der digitalen Transformation einhergehen. Diese könnten es
als auf der physischen Produktion von Gütern. So kann ange-
ihnen ermöglichen, ihre Dienstleistungen und Angebote oder
nommen werden, dass die unternehmerische Wertschöpfung
auch ihr gesamtes bestehendes Geschäftsmodell zu erwei-
der Bodenseeregion zukünftig generell stärker durch digitale
tern. Getrieben werden diese Geschäftsmodellanpassungen
Technologien und Dienstleistungen geprägt sein wird.
21
Neben dem großen Potential dieser Entwicklung entstehen
positive Erfahrungen damit gemacht, bestehende Mitarbeiter
aber auch Herausforderungen unter anderem in den Berei-
in digitalen Bereichen weiterzubilden und so deren Potenti-
chen schulische, akademische und betriebliche Bildung so-
al – jahrelange Berufserfahrung in Kombination mit digitalem Know-how – voll auszuschöpfen. Als
wie Forschung : Der vorherrschende Fachkräftemangel war bereits im Jahr 2018 ein ausschlaggebendes Thema, ein Trend, der auch im Jahr 2020 weiterhin eine der größten Herausforderungen für die Bodenseeregion darstellt. Die Hälfte der befragten Unternehmen bezeichnete die Lösung dieser The-
Darüber hinaus lässt sich die Tendenz erkennen, dass die Weiterbildung des bestehenden Personals an Bedeutung gewonnen hat
Erfolgsfaktor für die Weiterbildung des Personals wird dabei stets die Vorbildfunktion der Führungskräfte genannt : Wird die digitale Transformation in der oberen Führungsebene „gelebt“, hat dies einen positiven Einfluss auf die Motivation und die Bereitschaft der Mitarbeiter, diese mitzugestalten und
matik als äußerst relevant für den
eigene Ideen einzubringen. Stößt man
weiteren Unternehmenserfolg. Das
bei den digitalen Kompetenzen der
liegt unter anderem daran, dass für viele Aufgaben IT-Spezi-
Mitarbeiter an Grenzen, bieten sich laut den befragten Unter-
alisten benötigt werden, die der Markt aktuell nicht oder nur
nehmen mitunter auch pragmatische Lösungen an : Beispiels-
zu sehr hohen Preisen anbietet. Zusätzlich spielt dabei auch
weise berichten Unternehmen von der gezielten Kombinati-
die ländliche Prägung der Bodenseeregion eine zunehmende
on von Personen mit diversen Kompetenzen innerhalb eines
Rolle. Gerade junge und gut ausgebildete IT-Fachkräfte be-
Teams, sodass ein Lern- und Schulungseffekt bereits durch
vorzugen oft urbane Umgebungen. Laut der Aussagen einiger
die unterschiedlichen Perspektiven bei der Zusammenarbeit
Unternehmen verlagern daher diejenigen, die es sich leisten
möglich ist. Diese Form der Zusammenarbeit bietet für beide
können, zentrale IT-Einrichtungen und -Dienstleistungen in
Seiten die Chance, von den Fähigkeiten des anderen zu profi-
größere Städte beziehungsweise ins Ausland oder kaufen die-
tieren. Maßnahmen wie diese eignen sich somit dazu, die Res-
se Dienste vermehrt extern ein. Als weiterer Lösungsweg hat
source Wissen in der Bodenseeregion weiter zu stärken.
sich aber auch die Aus- und Weiterbildung von eigenen Fachkräften und deren langfristige Bindung an das Unternehmen
Neben dem Personalmanagement der Unternehmen stellt die
gezeigt. Zur Gewinnung von neuen Mitarbeitern integrieren
Datensicherheit weiterhin eine zentrale Herausforderung im
die befragten Unternehmen zunehmend Social-Media-Kanäle
Kontext der digitalen Transformation dar. Nach Aussagen der
wie Instagram oder Facebook in das Personalmanagement.
Interviewpartner war Cybersecurity in den vergangenen Jahren bereits ein essenzieller Bestandteil der Unternehmensstra-
Darüber hinaus lässt sich die Tendenz erkennen, dass die Wei-
tegie. Dieser Trend hat sich im Laufe der Zeit sogar verstärkt,
terbildung des bestehenden Personals an Bedeutung gewon-
da viele der befragten Unternehmen bereits direkte Erfahrun-
nen hat. Jeder dritte der Gesprächspartner hat inzwischen sehr
gen mit Cyberattacken oder ähnlichen sicherheitsrelevanten
22
ERHEBUNG 2020
Vorkommnissen gemacht haben. Dies verdeutlicht die Relevanz
politische Entscheidungen, wie beispielsweise die Einführung
der Thematik in den Unternehmen und ließ deren Stellenwert
der Datenschutz-Grundverordnung ( D SGVO ) , oder teils vor-
stetig steigen. Waren diese Themen zunächst rein operativer
handene Rechtsunsicherheit zu erheblichen Effizienzverlusten
Natur, sind sie mittlerweile auf strategischer Ebene nicht mehr
in den Unternehmen bei. Als weitere Herausforderung für die
wegzudenken. Nennenswert ist an dieser Stelle, dass die digi-
Region wurde zudem auf deutscher Seite des Öfteren die teils
tale Transformation sowie der damit verbundene Wandel oft-
mangelhafte digitale Infrastruktur mit Blick auf schnelle und
mals in Konflikt mit den strengen, aber dennoch notwendigen
stabile Internetverbindungen angesprochen.
Sicherheitsvorschriften steht. Als eine der bedeutendsten Chancen sahen die Experten soDiese Interdependenz zeigte sich vor allem in der aktuellen
wohl im Jahr 2018 als auch im Jahr 2020 Effizienzsteigerun-
Covid-19-Situation, aufgrund derer die Sicherheitsvorschriften
gen in sämtlichen Bereichen der Wertschöpfungskette. Dies
teilweise gelockert wurden, um die Arbeitsfähigkeit der jewei-
beginnt bei Bürotätigkeiten, die gänzlich ohne Papier auskom-
ligen Betriebe zu gewährleisten. Dies führte laut einigen Ex-
men und in denen Warenwirtschaft, Personalprozesse, Finanz-
perten zu einem starken Transformationsschub, und die Unter-
buchhaltung und viele weitere Unternehmensbereiche nun
nehmen zeigen sich begeistert von den großen Fortschritten,
durch digitale Prozesse unterstützt werden können. Die Ein-
welche sie in den letzten Monaten umsetzen konnten. Mit Blick
führung moderner ERP -Systeme ( Enterprise-Resource-Plan-
auf die oftmals provisorischen Übergangslösungen sollten
ning-Systeme ) helfen ebenfalls dabei, die gesamten Abläufe im
aber insbesondere die damit einhergehenden Sicherheitsrisi-
Unternehmen effizienter zu gestalten. In der Produktion kann
ken nicht außer Acht gelassen werden.
durch den Einsatz von Predictive
Dabei gilt es, die digitalen Impulse der
Maintenance 7 oder Machine Lear-
aktuellen Situation zu nutzen, aber im Nachgang eine gesunde Balance zwischen Sicherheit und digitalem Voranschreiten zu finden. Während Politik und Verwaltung 2018
So werden Daten im Jahr 2020 nun verstärkt im Kontext der unternehmenseigenen Wertschöpfung gesehen
ning 8 die Fehlerquote beträchtlich reduziert und die Effizienz zusätzlich gesteigert werden. Vermehrt rücken auch Digital Supply Networks, in denen Bestellungen automatisch ausgelöst werden und
noch nicht zu den Herausforderungen
Lagerstände in Echtzeit einsehbar
der digitalen Transformation in der Bo-
sind und die Möglichkeiten zur di-
denseeregion zählten, wird dieses Themengebiet in der ak-
gitalen Vernetzung mit Kunden und Lieferanten bieten, in den
tuellen Studie von mehr als 50 Prozent der befragten Unter-
Fokus der Unternehmen. Diese Effizienzsteigerungen fallen für
nehmen deutlich angesprochen. Dabei werden bürokratische
etwa drei Viertel aller befragten Unternehmen besonders stark
Vorgänge genannt, die nicht oder nur unzureichend digital ab-
ins Gewicht, da die Bodenseeregion als Hochlohnregion gilt,
gewickelt werden können. Auch in anderen Bereichen tragen
in der Produktionskosten grundsätzlich vergleichsweise sehr 23
hoch angesiedelt sind. Während im Jahr 2018 mögliche Technologien zur Datenauswertung noch stark im Fokus standen, so werden Daten im Jahr 2020 nun verstärkt im Kontext der unternehmenseigenen Wertschöpfung gesehen : Die Interviewpartner im Jahr 2018 beschäftigten sich noch stark mit der Frage, wie Daten ausgewertet werden und auf welche Daten das Unternehmen Zugriff hat. Diese Sichtweise veränderte sich im Laufe der vergangenen Jahre deutlich und die Frage lautet nun vielmehr, welchen Nutzen die Daten den Unternehmen bringen. Im Jahr 2020 werden Daten daher auch bereits als „das Gold der Zukunft“ oder als „Unternehmensschatz“ bezeichnet und verstärkt in Verbindung mit neuartigen Produkten und Geschäftsmodellen gebracht. Die befragten Unternehmen analysieren dabei nun verstärkt Möglichkeiten, mehr und qualitativ hochwertigere Daten zu erfassen, um diese sowohl zum Kunden- als auch zum Unternehmensnutzen einzusetzen. Darüber hinaus wird Vertrauen in der Studie von 2020 des Öfteren als relevant eingestuft, während der Faktor im Jahr 2018 noch von eher geringer Bedeutung war. Die Nennung von Vertrauen im Kontext der digitalen Transformation zielt dabei vor allem auf den hohen Stellenwert von Datenschutz und sicherer Datenspeicherung. Mehrere der befragten Unternehmen sehen in ihrem Standort sowie in der Speicherung und Auswertung von Daten auf europäischen beziehungsweise deutschen Servern ein Alleinstellungsmerkmal, hauptsächlich gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz. Während rechtliche Rahmenbedingungen sonst eher als Hemmnis der digitalen Transformation gesehen werden, ergeben sich in diesem Kontext nun auch Chancen, die eben jenen Rahmenbedingungen zu verdanken sind. An dieser Stelle ist die Komplexität des Themas erkennbar und unterstreicht die Notwendigkeit tiefgreifenderer Analysen zukünftiger Forschung. 24
ERHEBUNG 2020
Die industrieübergreifenden Erkenntnisse der Studie Im Rahmen der Studie finden sich industrieübergreifend Einsichten hinsichtlich der Chancen, Herausforderungen und Trends, die für alle befragten Unternehmen branchenübergreifend ( Experteninterviews und / oder Online-Befragung ) von Relevanz waren. Die Darlegung der Erkenntnisse wird den branchenspezifischen Erkenntnissen vorangestellt. Begonnen wird dabei mit der Auswertung der Trends im quantitativen Datensatz, bevor eine vergleichende Analyse der Inhalte aus den Experteninterviews vorgestellt wird.
Industrieübergreifende Trends im quantitativen Datensatz
Stellenwert der digitalen Transformation innerhalb der Branche / des Unternehmens und Einfluss auf das Geschäftsmodell
Innerhalb des quantitativen Datensatzes lassen sich einige
6,2
grundlegende branchenübergreifende Erkenntnisse hinsicht-
6,0
lich des Stellenwertes der digitalen Transformation auf den
5,8
Ebenen der Branche, des einzelnen Unternehmens sowie des
5,6
jeweiligen Geschäftsmodells aufzeigen. So schätzen die Unternehmen branchenübergreifend den Stellenwert der digitalen Transformation in ihrer jeweiligen Indus-
5,0
den Einfluss auf das unternehmensspezifische Geschäftsmo-
4,6
dell. Wie in der folgenden Abbildung erkennbar, liegen die
4,4
Werte für alle drei betrachteten Kennzahlen weit über dem
4,2
gering bis 7=Stellenwert beziehungsweise Einfluss ist sehr hoch ).
5,6
5,2
4,8
reicht von 1=Stellenwert beziehungsweise Einfluss ist sehr
5,8
5,4
trie sowie in ihren Unternehmen als hoch ein. Gleiches gilt für
Mittelwert der Skala, der bei Skalenpunkt 4 liegt ( die Skala
6,1
4,0
4,0 Mittelwert der Skala
Stellenwert innerhalb der Branche
Stellenwert innerhalb des Unternehmens
Einfluss der digitalen Transformation auf das Geschäftsmodell
Dies verdeutlicht den hohen Stellenwert, den die befragten
Darüber hinaus verdeutlicht die folgende Abbildung den Ein-
Unternehmen der Bodenseeregion sowohl der digitalen Trans-
fluss der digitalen Transformation auf einzelne Unternehmens-
formation ihrer Branche als auch ihres Unternehmens bei-
bereiche ( Mittelwerte über alle befragten Unternehmen hin-
messen.
weg ). Diese Darstellung ist insofern relevant, als sie einen 27
Einfluss der digitalen Transformation auf einzelne Unternehmensbereiche
7 6
6,1
5,8
6
5,1
5
4,5
4
5,5
4,7
4,4
3,8
3 2 1 0 Unternehmensinfrastruktur
Personalwirtschaft
Technologieentwicklung
Beschaffung
Eingangslogistik
Einblick in die unternehmensinterne Bewertung der Relevanz der digitalen Transformation gibt und dabei den Einfluss auf
Operationen
Marketing & Vertrieb
Ausgangslogistik
Kundendienst
Industrieübergreifende Trends im qualitativen Datensatz
die einzelnen Bereiche der Wertschöpfungskette der Unternehmen dezidiert demonstriert.
Blickt man nun auf die Auswertung der Experteninterviews
Demnach sehen die Unternehmen den stärksten Einfluss der
übergreifende Erkenntnisse extrahieren. Diese Auswertung
innerhalb der vier spezifischen Branchen, lassen sich weitere digitalen Transformation in den Bereichen Technologieentwick-
wird nachfolgend, in vier Bereiche unterteilt, vorgestellt :
lung, Marketing und Vertrieb, Unternehmensinfrastruktur so-
1. Veränderung des Wettbewerbs
wie Kundendienst ( Skala von 1 bis 7 ; 1=Einfluss sehr gering ;
2. Entwicklung einer digitalen Unternehmenskultur
7=Einfluss sehr stark ). Lediglich innerhalb der Eingangslogistik
3. Chancen und Herausforderungen
bewerten die befragten Unternehmen den Einfluss der digita-
der digitalen Transformation
len Transformation als eher gering. Diese Auswertung zeigt,
4. Einsatz neuer Technologien
dass die befragten Unternehmen der Bodenseeregion die digi-
Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte dabei anhand einer
tale Transformation in nahezu allen Bereichen der Wertschöp-
qualitativen Inhaltsanalyse der Experteninterviews. Im Zuge
fungskette als starken Einflussfaktor wahrnehmen.
dieser Analyse wurden die Häufigkeiten der Aussagen der Experten gewertet, um folgende Themenfelder branchenübergreifender Relevanz zu identifizieren.
28
ERHEBUNG 2020
Veränderung des Wettbewerbs
sondere mit Blick auf den Erfahrungs- und Wissensaustausch, Effizienzsteigerungen und die Generierung von Innovationen
Übergreifender zentraler Treiber der Veränderungen von Ge-
immer stärker mit anderweitigen regionalen, nationalen und
schäftsmodellen, Produkten und Prozessabläufen sind verän-
internationalen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik
derte Kundenanforderungen, die nur mittels digital getriebener
und Zivilgesellschaft. Verstärktem Konkurrenzdruck innerhalb
Lösungsansätze bedient werden können. Diese Entwicklung
des Marktes begegnen die Unternehmen „vernetzt“, wodurch
bedingt in sämtlichen der betrachteten Industriecluster das
sie unter anderem in der Lage sind, einen hohen Spezialisie-
Potential der zunehmenden Rivalität innerhalb der eigenen
rungsgrad sowie die Qualitätsführerschaft innerhalb ihres je-
Branche. Die potentielle Substitution eigener Lösungen, Pro-
weiligen Industrieclusters aufrechtzuerhalten.
dukte oder Dienstleistungen durch andere Marktteilnehmer wird durch die allgemeinen Charakteristika der digitalen Wirt-
Entwicklung einer digitalen Unternehmenskultur
schaft – Schnelllebigkeit und dynamische Entwicklungen des Wettbewerbes – zusätzlich verstärkt. Produktlebens- sowie
Essenzielle Voraussetzung der Nutzung des digitalen Struktur-
Forschungs- und Entwicklungszyklen verkürzen sich zuneh-
wandels als Wettbewerbsvorteil ist die Etablierung einer digi-
mend. Die darüber hinaus hohe Innovationsstärke potentieller
tal-affinen Unternehmenskultur, die sich durch Technologieof-
Wettbewerber wird vor allem durch niedrige Markteintrittsbar-
fenheit, Lernbereitschaft und grundlegendes technologisches
rieren, geringe ökonomische Kosten sowie eine hohe Markt-
Interesse seitens der Unternehmensführung und der Mitarbei-
transparenz digitaler Produkte determiniert. Die Integration
ter kennzeichnet.
digitaler Lösungen in das Produktportfolio und in Prozessabläufe wird damit langfristig zur Bedingung, um auch zukünftig
Die Offenheit und der Einsatz neuer Technologien in den Un-
in einem solch vernetzen und dynamischen Marktumfeld er-
ternehmen erweisen sich unter anderem aufgrund der bislang
folgreich bestehen zu können. Ziel ist es, durch die Integrati-
fehlenden Erprobung eben dieser Technologien sowie eines
on digitaler Lösungen Geschäftsmodelle, Prozessabläufe und
Überangebotes an digitalen Lösungen häufig als schwierig.
Produkte kundenzentrierter zu gestalten und die Potentiale der
Oftmals fehlen im Hinblick auf digitale Lösungen Referenzwer-
digitalen Transformation in der eigenen Organisation als Wett-
te im eigenen Unternehmen, weswegen Entscheidungen unter
bewerbsvorteil zu nutzen.
großer Unsicherheit getroffen werden müssen. Dadurch wie-
Ein wachsender Teil der befragten Unternehmen setzt zur Ge-
Aus diesem Grund nehmen sich viele Unternehmen mehr Zeit,
derum besteht ein erhöhtes Risiko, Fehlinvestitionen zu tätigen. nerierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile dabei bereits auf
um Investitionsentscheidungen zu überdenken – oder ver-
die Stärke von Netzwerken. So wird die Vernetzung interner
zögern diese, um von entstehenden Erfahrungswerten am
Systeme und Datenströme vorangetrieben, um Prozesse zu op-
Markt zu profitieren. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich nach-
timieren und die Transparenz innerhalb der Wertschöpfungs-
vollziehbar, gerade wenn das Unternehmen mit der Nutzung
kette zu erhöhen. Zudem kooperieren die Unternehmen insbe-
dieser Technologien Neuland betritt. Leider stellt dies jedoch 29
bei Themengebieten im Zusammenhang mit dem digitalen
gerichtete Ansprache und zeitnahe Anpassung bestehender
Strukturwandel eher die Regel als eine Ausnahme dar. Umso
Services an veränderte Anforderungen von Kunden, Liefe-
entscheidender ist es, eine digital-affine Unternehmenskultur
ranten und anderen relevanten Anspruchsgruppen. Dabei
zu entwickeln, die Fehler zulässt und alle im Unternehmen ver-
stehen vor allem die Chancen bezüglich digitaler Vertriebs-
tretenen Generationen in den Lernprozess einbindet. Zentral
strategien mit Blick auf den Absatz der Produkte beim Kun-
für das Gelingen dieses Prozesses ist ein bewusster Lern-
den im Vordergrund.
prozess, um Expertisen innerhalb dieser neuen, digitalen Unternehmenskultur identifizieren zu können und im inter-
Darüber hinaus werden in allen betrachteten Branchen – be-
organisationalen Austausch für das Unternehmen nutzbar
reits oder zukünftig geplant – Produkte um zusätzliche, digita-
zu machen. Nur so können bereichsübergreifend Synergie-
le Services ergänzt und als komplementäre Nutzungsgüter ver-
effekte genutzt werden und eine bestmögliche Integration
trieben. Dadurch können neuartige Ertragsmodelle entwickelt,
digitaler Lösungen erfolgen.
bestehende Produkte weiter ausdifferenziert und kundenspezifische Anforderungen angepasst werden. Servicedienstleis-
Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation
tungen, die häufig in den Produktvertrieb integriert sind, gewinnen dadurch zunehmend an Relevanz für die bestehenden Geschäftsmodelle der befragten Unternehmen. Dadurch erge-
Über alle Branchen hinweg haben die befragten Unternehmen
ben sich enorme Chancen mit Blick auf die Entwicklung digi-
immer wieder die mit der digitalen Transformation möglich
taler, kundenzentrierter Geschäftsmodelle.
werdenden Effizienzsteigerungen als große Chance des digitalen Strukturwandels genannt. Insbesondere diverse Prozes-
Damit verbunden ist auch die Aufsetzung und Integration
soptimierungen über alle Aktivitäten der Wertschöpfungs-
gänzlich neuer Vertriebskanäle – ermöglicht durch die Nut-
kette hinweg sind nach den Experten ein Treiber für zeit- und
zung digitaler Lösungsansätze und Schnittstellen. Es kann
ressourcenschonendes Wirtschaften in der Zukunft. Zugleich
auf bisher zwischengelagerte Intermediäre ( zum Beispiel
bietet eine umfangreiche Vernetzung der Wertschöpfungs-
Großhandel, Vertriebsagenten ) verzichtet werden und so die
prozesse das Potential, Prozessabläufe und Produkte varian-
Effizienz der Kostenstruktur und Prozesse eines Unterneh-
tenreicher und kundenindividueller zu gestalten.
mens deutlich gesteigert werden. Diese Desintegration der bisher zwischengeschalteten Intermediäre ermöglicht also
Die befragten Unternehmen sehen dabei große Chancen in
den kostengünstigeren Vertrieb und den Aufbau einer direk-
der Adaption der Produktionsprozesse, in der Entwicklung
ten Beziehung zum Kunden.
sowie im Kundenservice und Vertrieb. Neue digital getriebene Nutzungskonzepte, Services und Vertriebskanäle erwei-
Neben diesen beschriebenen Chancen stellt die digitale Trans-
tern und vertiefen die bestehenden Produktqualitäten. Die
formation die Unternehmen aber auch vor diverse Herausfor-
gezielte Auswertung erhobener Daten ermöglicht die ziel-
derungen.
30
ERHEBUNG 2020
Mit weitem Abstand am häufigstem genannt von Experten
digitalen Transformation dar. In Verbindung mit Big Data ent-
wurden Herausforderungen mit Blick auf das Themengebiet
steht die Gelegenheit, das bisherige Produkt- und Servicean-
Cybersecurity. Egal ob Fragen bezüglich Daten- und Know-
gebot deutlich variantenreicher und kundenindividueller zu
how-Schutz oder im Kontext der Gestaltung einer sicheren
gestalten. Im Zusammenhang mit bereits verfügbaren hohen
IT-Infrastruktur – Cybersecurity war, ist und bleibt relevant
Rechenkapazitäten können die erhobenen Daten durch den
für die Unternehmen der Bodenseeregion.
Einsatz Künstlicher Intelligenz umfangreicher genutzt werden, um – wie oben dargelegt – stärker auf Kundenbedürfnisse
Zudem besteht bezüglich der Umsetzung der digitalen Trans-
einzugehen und Produkterweiterungen anzubieten. Während
formation ein enormer Personalbedarf, der aktuell durch den
mehrere Unternehmen, vorwiegend in der Bankenbranche,
Arbeitsmarkt nicht gedeckt werden kann. Der daraus resul-
schon kleinere KI -Technologien zum Beispiel in Form von
tierende Fachkräftemangel hinsichtlich der Mitarbeiter mit
Chatbots einsetzen, geben beispielsweise die befragten Un-
dringend benötigten digitalen Kompetenzen, ist daher nach
ternehmen der Verpackungsindustrie noch keinen Bezug zu
Aussage der Experten auch in den Unternehmen der Boden-
Künstlicher Intelligenz oder Big Data an. Die internationale
seeregion real.
Konkurrenz nutzt diese Chancen bereits deutlich umfangreicher zur Produkt- und Prozessoptimierung. Über alle Bran-
Diese Lücke versuchen einige Unternehmen durch eigene
chen hinweg waren sich die Führungskräfte der Unternehmen
Aus-, Weiter- und Fortbildungen bezüglich benötigter digitaler
allerdings einig, dass Anwendungen im Bereich beziehungs-
Kompetenzen zu schließen. Grundlegend dafür ist nach Aus-
weise mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz eine treibende
sage der befragten Unternehmen allerdings ein von Offenheit,
Kraft innerhalb der digitalen Transformation sein werden oder
Adaptionsfähigkeit und Anpassungswille geprägtes Mindset
dies bereits sind. Darüber hinaus geben die Experten unisono
und die Fähigkeit und Bereitschaft, diese neuen digitalen Ar-
an, dass sich die Relevanz der Künstlichen Intelligenz in den
beitsweisen und Technologien zu akzeptieren. Diese Akzep-
nächsten Jahren verstärken und dass diese Geschäftsprozes-
tanz meist neuer komplexer Technologien ist für die Experten
se grundlegend verändern wird.
nicht nur ein Schlüssel für eine positive Unternehmenskultur, sondern auch die Basis für den zukünftigen Unternehmenser-
Einhergehend mit der vermehrten Erhebung und Nutzung von
folg in einer immer komplexer werdenden Welt.
Daten versuchen die Unternehmen zunehmend, eine kohä-
Einsatz neuer Technologien
Systeme aufzubauen ( Internet of Things ). Diese soll es ermög-
rente Vernetzungsstruktur der eigenen IT und angegliederter lichen, physische und virtuelle Produkte zu vernetzen, um Erst die Integration digitaler Technologien ermöglicht es, die-
dadurch die Gesamtheit der eigenen Produkte und Services
se neuen Möglichkeiten vollkommen auszuschöpfen. Künst-
zu optimieren. Ergänzend dazu geben die Experten an, dass
liche Intelligenz stellt dabei laut Einschätzung der befragten
die Vernetzung der einzelnen Abläufe des gesamten Produkt-
Unternehmen und Experten die relevanteste Technologie der
lebenszyklus enorme Potentiale mit Blick auf eine zusätzliche 31
Effizienzsteigerung bietet. Allerdings ist eine umfassende In-
Die Studie verdeutlicht zudem, dass die hochgradig komple-
tegration von IoT-Technologien auch mit hohen Kosten für die
xen Herausforderungen im Zuge der digitalen Transformation
Unternehmen verbunden. Kosten und Nutzen müssen an die-
nur durch die Nutzung von Informationssynergien handhabbar
ser Stelle nach Aussage der Führungskräfte abgewogen wer-
zu sein scheinen. Diese Synergien ergeben sich grundlegend
den. Ein wichtiger Aspekt in der Abwägung ist dabei der Grad
aus einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mit anderen
der Integration solcher Technologien mit Blick auf vorgelager-
relevanten Akteuren innerhalb und außerhalb der eigenen Un-
te Lieferanten und nachgelagerte Vertriebsprozesse.
ternehmensgrenzen sowie durch die aktive Einbindung von Experten. Die digitale Transformation ist demzufolge als gesamt-
Im Zuge der steigenden Relevanz der Vernetzung und der
gesellschaftliche Aufgabe im besten Sinne zu begreifen, deren
sicheren Übermittlung von Transaktionen wird auch Block-
Erfolg maßgeblich von der Bereitschaft der beteiligten Akteure
chain – die Möglichkeit, jegliche Art von Eigentumsrechten
abhängt, Wissen zu teilen und Kooperationen einzugehen.
digital abzubilden und zu organisieren – industrieübergreifend als relevante Technologie benannt. Der Einsatz dieser Technologie beschränkt sich gegenwärtig weitestgehend auf
Digitale Transformation in der Bodenseeregion – Chancen, Herausforderungen und Technologien
die Finanzindustrie und wird von den befragten Unternehmen bislang nur in Pilotprojekten eingesetzt. Dennoch zeich-
Jeder Strukturwandel geht mit Chancen und Herausforderun-
nen sich in allen Industrien die massiven mit dieser Techno-
gen einher. Der digitale Strukturwandel ist außerdem begrün-
logie verbundenen Potentiale in der Prozessoptimierung und
det und getrieben von neuartigen, bis dato ungeahnten digita-
Verwaltung eines externen Unternehmensnetzwerkes ab.
len technologischen Möglichkeiten. Die folgende Abbildung
Entscheidende Herausforderungen sind dabei unter anderem
stellt auf Basis der dargestellten Analysen und Ausführungen
sowohl das bislang fehlende unternehmensinterne technologi-
die drei meistgenannten Chancen, Herausforderungen und
sche Know-how als auch die Frage der zielführenden Integrati-
technologischen Ansatzpunkte dar, die nach Aussage der Ex-
on innerhalb bestehender Prozesse.
perten aus Unternehmen der Bodenseeregion zukünftig von hoher Relevanz sein werden.
Resümee der industrieübergreifenden Erkenntnisse Insgesamt zeigt die Erhebung industrieübergreifend, dass der digital getriebene Strukturwandel und technologische Innovationen von höchster Relevanz und Aktualität für die befragten Unternehmen sind. Neben zahlreichen Potentialen, unter anderem in der Geschäftsmodell- und Produktinnovation, stellt der digitale Wandel die Unternehmen jedoch vor vielfältige Herausforderungen. 32
ERHEBUNG 2020
Chancen Herausforderungen Technologien
Relevanz
Wesentliche Chancen, Herausforderungen und Technologien der digitalen Transformation in der Bodenseeregion
Effizienzsteigerung Fachkräftemangel Cybersecurity Digitale kundenzentrierte Geschäftsmodelle Künstliche Intelligenz Akzeptanz komplexer Technologien Digitale Vertriebsstrategie Big Data Internet of Things
2018
Ein deutlicher Anstieg der Relevanz zeigt sich dabei hinsichtlich
2020
2022
teristisch für die digitale Wirtschaft geworden sind. Nachfol-
der Themen Effizienzsteigerung, Künstliche Intelligenz, Internet
gend sind diejenigen Aspekte der digitalen Transformation
of Things sowie Cybersecurity. An dieser Stelle gilt es anzumer-
aufgeführt, die über Branchen hinweg am häufigsten von den
ken, dass Effizienzsteigerung dabei häufig unter Anwendung
befragten Unternehmen als Chancen, Herausforderungen und
digitaler Technologien gedacht ist – insbesondere Künstlicher
relevante technologische Entwicklungen herausgestellt wur-
Intelligenz –, weswegen sich Überschneidungen zwischen die-
den. Aufgrund der häufigen Nennung ist es naheliegend, diese
sen beiden Themen andeuten. Außerdem zeigt sich die gleich-
Themen als gegenwärtige und zukünftige Trends des digital
bleibend hohe Relevanz der Behebung des Fachkräftemangels
getriebenen Strukturwandels zu identifizieren. Daher werden
in der Bodenseeregion sowie der Entwicklung und Optimie-
die folgenden Themen die Arbeitsgrundlage des BIC für die
rung digitaler, kundenzentrierter Geschäftsmodelle, die charak-
kommenden beiden Jahre darstellen. 33
THEMENÜBERSICHT DER BIC-ERHEBUNG 2020
Cybersecurity
Implikationen künstlicher Intelligenz für Geschäftsmodelle und Gesellschaft
Branchenübergreifend stellt das Thema Cybersecurity und
Künstliche Intelligenz charakterisiert industrieübergreifend
die damit einhergehende Datensicherheit eine zentrale He-
die relevanteste Technologie der digitalen Transformation für
rausforderung im Kontext des digital getriebenen Struk-
die Geschäftsmodell- und Produktinnovation. In Verbindung
turwandels dar. Angesichts der fortschreitenden digitalen
mit Big Data entstehen dabei vollkommen neue Möglichkei-
Vernetzung von Produkten, Maschinen und Services müs-
ten der Datenanalyse und -auswertung, die es Unternehmen
sen sich Unternehmen zusehends mit Sicherheitsfragen
ermöglichen, das bestehende Produkt- und Serviceange-
befassen, um Kunden und ihre Organisation wirksam vor
bot variantenreicher und kundenindividueller zu gestalten
Datenmissbrauch schützen zu können. Die Sicherheitsge-
sowie Prozessabläufe zu optimieren. Während einige Un-
währleistung bei der Speicherung von Daten in der Cloud
ternehmen der Bodenseeregion bereits kleinere KI -Tech-
sowie die Einhaltung der Datenschutzregularien gegen-
nologien unternehmensintern und -extern einsetzen, findet
über Lieferanten, Kunden, Partnern und Mitarbeitern sind
diese Technologie bei der Mehrheit der Unternehmen noch
dabei entscheidende Herausforderungen für die Unterneh-
keine Anwendung. Industrie- und länderübergreifend sind
men der Bodenseeregion, um die Potentiale der digitalen
sich Führungskräfte dennoch einig, dass Anwendungen im
Transformation als Wettbewerbsvorteil nutzen zu können.
Bereich – beziehungsweise mit Unterstützung – Künstliche Intelligenz eine treibende Kraft innerhalb der digitalen Transformation sein werden oder dies bereits sind.
34
Kundenzentrierte Geschäftsmodelle
Digitale Führung und Wissensmanagement
Die digitale Wirtschaft ist im Allgemeinen durch Schnellle-
Die hochgradig komplexen Herausforderungen im Zuge der di-
bigkeit und dynamische Entwicklungen des Wettbewerbs
gitalen Transformation scheinen nur durch die systematische
gekennzeichnet. Ziel ist es, durch die Integration digitaler
Identifikation von Expertise und die Nutzung von Informations-
Lösungen Geschäftsmodelle, Prozessabläufe und Produkte
synergien handhabbar. Bereichsübergreifender Erfahrungs-
kundenindividueller zu gestalten und die Potentiale der digita-
und Wissensaustausch innerhalb der Organisation sowie die
len Transformation in der eigenen Organisation als Wettbe-
aktive Einbindung von Experten ermöglichen es die digitale
werbsvorteil zu nutzen. Industrie- und länderübergreifend
Transformation als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Unterneh-
bietet die digitale Vernetzung der Wertschöpfungskette
mensinterne Aus-, Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen zur
sowie von Produkten und Maschinen eine große Chance
Entwicklung digitaler Kompetenzen und der generationen-
zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile : Neben
und bereichsübergreifende Informationsaustausch werden zu
diversen Prozessoptimierungen können Prozessabläufe und
zentralen Kernbestandteilen des unternehmensinternen Per-
Produkte so variantenreicher und kundenindividueller ge-
sonalmanagements. Essenzielle Voraussetzung dafür ist die
staltet werden.
Etablierung einer digital-affinen Unternehmenskultur, die sich durch Technologieoffenheit, Lernbereitschaft, Interdisziplinarität und grundlegendes technologisches Interesse seitens der Unternehmensführung und der Mitarbeiter auszeichnet. 35
ERHEBUNG 2020
Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Bankenbranche Die Ergebnisse der qualitativen Analyse innerhalb der Banken-
Unternehmen häufig bereits antizipiert und vorbereitet. 70
branche verdeutlichen, dass tiefgreifende Veränderungen des
Prozent der befragten Unternehmen sehen hier einen star-
bestehenden Geschäftsmodells zwar bislang ausblieben, aber
ken Einfluss der digitalen Transformation auf ihr bestehen-
derzeit digital getriebene Ergänzungen und Adaptionen be-
des Geschäftsmodell.
stehender Geschäftsmodelle vorbereitet werden. Diese Bedeutung der digitalen Transformation für die Bankenbranche zeigt
Vorteilhaft ist für diese Unternehmen bezüglich der Siche-
sich auch in der mehrheitlichen Entwicklung und Integration
rung ihres Geschäftsmodells die meist kontinuierliche und
von Digitalstrategien. Vier von zehn der befragten Unternehmen
enge Zusammenarbeit im Unternehmensverbund. Diese bie-
besitzen bereits eine dezidierte Digitalstrategie, bei weiteren
tet die Möglichkeit, die Kosten für eine digitale Infrastruktur
vier Unternehmen ist eine solche Strategie aktuell in Planung.
und die Entwicklung digital getriebener Serviceangebote zu reduzieren, Synergieeffekte zu nutzen und untereinander Er-
Als Treiber der Veränderungen wird von allen befragten Unter-
fahrungen auszutauschen. Zugleich verlangsamt die Zentrali-
nehmen der Bankenbranche auf die Rivalität mit Wettbewer-
sierungstendenz in den klassischen, gewachsenen Bankin-
bern im Markt und die zunehmende Konkurrenz durch techno-
stituten diese Entwicklung innerhalb der Bankenbranche, da
logiegetriebene Finanzdienstleister – Fintechs – hingewiesen.
häufig fehlende Agilität und Autonomie die Folge sind. Lang-
Sowohl bestehende Unternehmen als auch neue Marktteil-
wierige Abstimmungsverfahren, verbindliche Anforderungen
nehmer werden als Konkurrenz angesehen, gegenüber der es
und fehlende regionale Spezifizität sind hier nur einige von
sich abzugrenzen und zu behaupten gilt. Diese gegenwärtige
den Experten genannte Beispiele, die aktuell der Entwicklung
Entwicklung kann als Implikation der digitalen Transformation
einer branchenweiten Innovationskultur entgegenstehen.
der Bankenbranche gewertet werden und resultiert aus jüngsten regulatorischen Veränderungen innerhalb der Industrie,
Dennoch beschreiben sieben von zehn Unternehmen die
wie die Anerkennung von Fintechs als zulässige Finanzdienst-
enorme Relevanz langfristiger Kooperationen mit Unterneh-
leister durch die BaFin. In einzelnen Segmenten des Sektors
men innerhalb und außerhalb der eigenen Branche sowie
hat der verstärkte Wettbewerb durch digital getriebene Pro-
Hochschulen und Forschungseinrichtungen für den Erfolg
dukte und Geschäftsmodelle bereits zu einem Umdenken und
ihres Unternehmens. Vier dieser Unternehmen sind zudem
zu Neuerungen in den Unternehmen geführt. Erkennbare An-
der Auffassung, dass in Zukunft externe Unternehmensnetz-
sätze, beispielsweise zur Sicherung der vorherrschenden
werke mittels des Open-Banking-Ansatzes den Erfolg der
Marktposition, variieren vom Erwerb kompetenzstarker Part-
Einzelunternehmen enorm beeinflussen werden. Die Ermög-
ner bis hin zu Ausgründungen. Potentiell daraus resultierende
lichung der Öffnung und damit der Verwendung einzelner,
Veränderungen auf Geschäftsmodellebene werden in den
zuvor voneinander unabhängiger Systeme verschiedener 37
Unternehmen könnte dabei durch eine Verknüpfung über
zu nutzen, um stärker auf Kundenbedürfnisse einzugehen und
Schnittstellen ( A PI ) geschehen. Dieser Schritt würde es den
Produkterweiterungen anzubieten. Gegenwärtig bleiben diese
beteiligten Unternehmen ermöglichen, eigene Entwicklungen
Ressourcen und der damit assoziierte Wettbewerbsvorteil im
voranzutreiben – unabhängig von zentralen Kernbankensys-
Alltag jedoch noch weitgehend ungenutzt.
temen oder der Notwendigkeit, Ansätze neuer innovativer Marktteilnehmer in eigene Prozesse zu integrieren.
Das Potential der Datenanalyse und -auswertung ist allerdings stets auch mit Bezug auf den Datenschutz sensibler Kunden-
Unsicherheit besteht bislang in der Einschätzung der mittel-
daten zu sehen. Das Vertrauen der Kunden in europäische
und langfristigen Veränderung der Kundenanforderungen und
Datenschutzverordnungen sowie die langjährige Beziehung
-nachfragen. Derzeit sind vor allem Erweiterungen und Ergän-
zwischen Konsumenten und Banken sind dabei ein entschei-
zungen der bestehenden Produktpalette und des traditionellen
dender Wettbewerbsfaktor der Bankenbranche. Dieses Ver-
Geschäftsmodells festzustellen, die zumeist stark kundenbe-
trauen gilt es auch in Zukunft durch Transparenz und eine ge-
zogen sind. Die Mehrheit der Interviewpartner benennt in die-
eignete umfassende Cybersicherheitsarchitektur zu erhalten.
sem Zusammenhang große Potentiale in der Optimierung be-
Cybersecurity ist somit die am häufigsten genannte Herausfor-
stehender Prozesse, vor allem hinsichtlich des Zeitaufwandes
derung. Neben dem Umgang mit Kundendaten und der Kom-
sowie des Ressourceneinsatzes. Darüber hinaus benannten
plexität einer umfangreichen Sicherheitsarchitektur erweist
die Experten die Relevanz kosteneffizienter, automatisierter,
sich die Förderung einer agilen und innovativen Unterneh-
aber dennoch kundenindividueller Gestaltung von Finanzpro-
menskultur als weitere Herausforderung für die Bankenbran-
dukten, eines vorrausschauenden Kundenservices – ermög-
che, da weitestgehend tradierte Unternehmenskulturen und
licht durch Big Data – und einer agilen Unternehmenskultur.
-strukturen vorherrschen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für
Insgesamt acht von zehn Unternehmen nennen den Kunden-
die gelingende digitale Transformation der Unternehmen stellt
service als Unternehmensbereich mit enormem Optimierungs-
hierbei die Sensibilisierung von Führungskräften und Mitarbei-
potential im Zuge der digitalen Transformation.
tern dar. Digitales Change-Management und Soft Skills, wie Adaptionsfähigkeit, Lernbereitschaft und Offenheit für Verän-
Dem Einsatz neuer Technologien – wie Big Data, Cloud Com-
derungen, sind laut den befragten Unternehmen mit Bezug
puting, Künstliche Intelligenz und Kollaborative Technologie,
zum digitalen Strukturwandel relevante Kernkompetenzen für
um nur einige von den Experten genannten Technologien zu
das Personal. Es sind eben diese Merkmale, welche die Ba-
nennen – wird eine enorme Tragweite beigemessen. Haupt-
sis für die Erweiterung der bestehenden Fähigkeiten und Di-
sächlich Big Data ermöglicht es Banken, die bereits verfüg-
gitalkompetenzen zur Umsetzung einer erfolgreichen digitalen
baren umfangreichen Kundendaten und Rechenkapazitäten
Transformation bilden.
38
ERHEBUNG 2020
Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Logistikbranche Die Prozessabläufe und Geschäftsmodelle der in der Studie ver-
essentiell für den Unternehmenserfolg ist. Darüber hinaus ge-
tretenen Unternehmen der Logistikbranche sind längst maß-
hen fünf der neun befragten Unternehmen davon aus, dass
geblich durch digitale Lösungen determiniert. Die Logistikbran-
der Kern des Geschäftsmodells der Logistikbranche auch mit
che als Intermediär zwischen zahlreichen Industriekonzernen
der fortschreitenden digitalen Transformation im Kern erhal-
unterliegt einem stetigen Wandel, der unter anderem durch
ten bleiben wird. Dabei zeigt sich, dass die Unternehmen zwar
die vielfältigen Anforderungen dieser Anspruchsgruppen ge-
von Ergänzungen und Veränderungen des Geschäftsmodells
trieben wird. Dies zeigt sich auch darin, dass bereits sechs der
durch die digitale Transformation ausgehen, diese jedoch nicht
neun befragten Unternehmen eine Digitalstrategie verbindlich
zwingend disruptiver Natur sein müssen, sondern vielmehr das
in die allgemeine Unternehmensstrategie integriert haben.
bestehende Geschäftsmodell erweitern. Nichtsdestotrotz ver-
Der Veränderungsprozess der digitalen Transformation wird –
zum Teil plattformbasierten Lösungen den Wettbewerb inner-
neben der Entwicklung neuer Technologien, wie Geo-Tracking,
halb der Logistikbranche.
stärken neue und potentielle Konkurrenten mit digitalen und
Datenmanagement-Tools, Machine Learning und Internet of Things – durch das Aufkommen vielfältiger Konkurrenz inner-
Als zentralen Treiber der digitalen Transformation für die Lo-
halb und außerhalb der Logistikbranche getrieben. Hinzu ge-
gistikbranche sehen die Unternehmen die Prozessoptimierung
sellt sich der Druck, Kunden individuelle Lösungen anzubieten
und Effizienzsteigerung über die Digitalisierung und digitale
und Produkte mittels innovativer, meist digitaler Lösungen
Analyse logistischer Abläufe an. Acht der neun befragten Un-
modular konfigurierbar zur Verfügung zu stellen. Zahlreiche
ternehmen nennen dieses Potential explizit im Rahmen der In-
Führungskräfte dieses Industrieclusters berichten von diesen
terviews.
veränderten Anforderungen und einer zunehmenden Nachfrage nach diesen Produkten und Lösungsansätzen seitens
Durch Big Data, vorwiegend in Verbindung mit Technologien
ihrer Kunden. Dazu zählt die Erweiterung kundenorientierter
wie Machine Learning und Künstliche Intelligenz, entsteht die
Dienstleistungen, die bestehende externe Kommunikations-
Möglichkeit, logistische Prozesse noch variantenreicher und
möglichkeiten ergänzen und vereinfachen kann. Hinzu kom-
kundenindividueller zu gestalten. Dadurch können die Unter-
men plattformbasierte Geschäftsmodellinnovationen und die
nehmen noch stärker auf Kundenbedürfnisse eingehen und
Ergänzung des bestehenden Produktportfolios durch digital
Produkterweiterungen anbieten.
getriebene Lösungen. Die befragten Unternehmen betonen in diesem Zusammenhang allerdings häufig, dass die Einfüh-
Die Entwicklung solcher Innovationen muss dabei langfristig
rung digitaler Technologien nicht dazu führen darf, dass der
verstärkt in Zusammenarbeit mit Kunden und anderen Stake-
persönliche Kundenkontakt verlorengeht, da dieser weiterhin
holdern stattfinden. Sieben der neun befragten Unternehmen 39
berichten bereits über bestehende oder zukünftig geplante
nicht schon bereits besteht, erkennen diverse Interviewpart-
Partnerschaften, Kollaborationen und Kooperationen mit rele-
ner eine Einführung als zeitnah notwendigen Schritt an.
vanten Anspruchsgruppen wie Kunden, Zulieferern, Universitäten und innovativen Start-ups, um gezielt eine gemeinsame
Daraus resultiert, dass sich die Unternehmen einerseits ver-
digitale Ausrichtung und Problemlösungskompetenz voran-
stärkt darum bemühen müssen, neues Fachwissen in ihre Or-
zutreiben. Die kontinuierliche und enge Zusammenarbeit in
ganisationen zu integrieren und andererseits die Förderung
einem unternehmensexternen Netzwerk bietet dabei die Mög-
der Neugier und Lernbereitschaft des bestehenden Personals
lichkeit, Expertise zu digitalen Technologien zu identifizieren,
nicht zu vernachlässigen. Dabei kann durch interne oder ex-
Synergieeffekte zu nutzen und Erfahrungen auszutauschen.
terne Aus-, Fort- und Weiterbildungsformate für bestehendes
Diese Form der Kooperation bot bereits einigen Unternehmen
Personal die Anzahl digitaler Spezialisten in den Unternehmen
die Gelegenheit, ihr bestehendes Geschäftsmodell ressource-
deutlich gesteigert werden. Die Experten geben in diesem Zu-
neffizient durch digitale Lösungen zu ergänzen.
sammenhang weiterhin an, dass vor allem die Förderung und Befähigung des bestehenden Personals mit hohen finanziellen
Zukünftig können sich viele der befragten Unternehmen vor-
Investitionen verbunden ist. Diese Investitionen sind allerdings
stellen, eine solche Form der Vernetzung mit relevanten Sta-
unabdingbar, um mit der internationalen Konkurrenz Schritt
keholdern auszubauen, um sich durch maßgeschneiderte
halten zu können.
Lösungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber bestehender und potentieller Konkurrenz zu verschaffen. Als notwendige
Zentraler Handlungsbedarf besteht zudem in der bereits be-
Bedingung für die erfolgreiche Integration solcher Initiativen
schriebenen kontinuierlichen Vernetzung der Einzelprozesse.
identifizieren zahlreiche der befragten Unternehmen eine digi-
Die gesteigerte Agilität und Produktivität durch datengetriebe-
tal-affine Unternehmenskultur, die sich durch Offenheit, Lern
ne Prozessabläufe bietet zahlreiche Potentiale der Kostensen-
bereitschaft und ein bereichsübergreifendes Technologiever-
kung, geringerer Informationsasymmetrien in den Unterneh-
ständnis auszeichnet. Sieben der neun befragten Unternehmen
men sowie der Erschließung neuer Geschäftsfelder. Bislang
sehen dabei die Notwendigkeit, über gezielte Neuanstellungen
bleibt die Nutzung dieser zentralen Ressource im internatio-
zunehmend fachliches Know-how in die Organisation zu inte-
nalen Wettbewerb unter den befragten Unternehmen jedoch
grieren. Zudem geben die Experten aber auch an, dass es von
weitestgehend ungenutzt, obwohl alle Interviewpartner die
großer Relevanz ist, ein erweitertes, auf digitale Kompetenzen
Relevanz, Aktualität und die Potentiale der digitalen Transfor-
ausgerichtetes Schulungs- und Weiterbildungsangebot für die
mation für die Logistikbranche erkannt haben.
bestehenden Mitarbeiter zu schaffen. Insofern dieses Angebot
40
ERHEBUNG 2020
Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Medizintechnik- und Pharmabranche Die Medizin- und Pharmaindustrie stellt einen ertragreichen
ten – als hochrelevant angesehen. Dies gilt besonders inner-
Sektor in der Bodenseeregion dar. Die qualitative Auswer-
halb des Vertriebs sowie bei Daten, die bei der Nutzung der
tung der Aussagen führender Unternehmen sowohl aus dem
Produkte entstehen, deren Auswertung für die Generierung
B2B - als auch aus dem B2C -Geschäft innerhalb dieses Indus-
eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils im globalen Wettbe-
trieclusters zeigt, dass tiefgreifende digitale Veränderungen
werb unabdinglich ist. Die verstärkte Vernetzung existierender
des Geschäftsmodells in den befragten Unternehmen bislang
Daten ermöglicht es den Unternehmen dabei, interne Abläufe
ausblieben. Zugleich belegt die Auswertung aber die zukünftig
zu analysieren, zu optimieren und langfristig neue Lösungen
hohe Relevanz der digitalen Transformation, insbesondere in
zu entwickeln. Ferner ermöglichen vernetzte Daten die Nach-
Bezug auf Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung in den
verfolgung, die Analyse sowie die kosteneffiziente Gestaltung
Unternehmen ( sieben von elf befragten Unternehmen nennen
einzelner Prozessabläufe. Langfristig kann so zum Beispiel die
dies explizit ). Eine Mehrheit der Unternehmen stuft die Rele-
Produktentwicklung anhand kundenspezifischer Daten opti-
vanz der Thematik insgesamt als hoch ein, vor allem für den
miert werden.
Ausbau der Wettbewerbsposition sowie im Kontext der Effizienzsteigerung interner Prozesse. Diese Einordnung spiegelt
Weiterhin erhoffen sich die Experten, unter Hinzunahme di-
sich auch in der Existenz einer unternehmensinternen Digital-
gitaler Lösungen neue Kundensegmente zu erschließen und
strategie bei sieben von elf der befragten Unternehmen wider.
eine erhöhte Transparenz innerhalb der Supply Chain sowie hinsichtlich der Erfüllung von Produktstandards herzustellen.
Eine Mehrzahl der Interviewpartner gibt an, dass mit zunehmender digitaler Transformation nicht mehr nur das Produkt
So geben vier Unternehmen an, dass digitale Lösungen die
im Zentrum der Betrachtung steht, sondern vielmehr neue
Transparenz innerhalb der Branche deutlich erhöhen. Diese
Kundenservices und Möglichkeiten des Vertriebs und Mar-
erhöhte Transparenz kann für einige Unternehmen dann, bei-
ketings beleuchtet werden. Dabei zielen die Prozessoptimie-
spielweise über die Informationsweitergabe an den Kunden,
rungen dieser Bereiche im Zuge der digitalen Transformation
einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen.
hauptsächlich auf den Einsatz vielfältiger neuer Technologien ab – wie Künstliche Intelligenz, Internet of Things und Big-Da-
In diesem Zusammenhang sind mehr als die Hälfte der Exper-
ta-Anwendungen.
ten davon überzeugt, dass es einer gewissen Offenheit gegenüber diesen Entwicklungen sowie einer Lernbereitschaft und
Die anvisierte Verwendung dieser Technologien wird von den
eines grundlegenden technologischen Interesses seitens der
Experten – vorwiegend für die Vernetzung und erweiterte
Führungskräfte und Mitarbeiter in der Medizintechnik- und
Auswertung betrieblicher Kunden- und Nutzerverhaltensda-
Pharmabranche bedarf, um zukünftig erfolgreich zu sein. 41
Diese Soft Skills sind aus Sicht der befragten Unternehmen
Insgesamt sind sich die Führungskräfte innerhalb der Medi-
entscheidend für ein erfolgreiches digitales Change-Manage-
zintechnik- und Pharmabranche darin einig, dass die Integra-
ment in den Unternehmen.
tion neuer digitaler Technologien in bestehende Geschäfts-
Jedoch bildet die datenbasierte Weiterentwicklung und Ad-
Verbesserung der bestehenden Marktposition. Dabei gilt es,
modelle unabdingbar ist für die langfristige Sicherung und aption bestehender Geschäftsmodelle nicht nur ein großes
Prozesse kosteneffizienter zu gestalten sowie nachhaltige
Potential, sondern auch eine der zentralen Herausforderungen,
Produktinnovation voranzutreiben. Bislang blieb die digitale
da die Unternehmen auch in einer digitalen Geschäftswelt
Disruption innerhalb dieses Industrieclusters aufgrund tradier-
hohe Datensicherheitsstandards gewährleisten müssen. So
ter Branchen- und Unternehmensstrukturen zwar scheinbar
stellen innerhalb dieser Branche sieben von elf befragten Un-
noch aus, allerdings bedeutet dies nicht, dass unternehmen-
ternehmen vor allem die Relevanz von Cybersecurity in den
sinterne Prozesse vom digitalen Strukturwandel unberührt
Vordergrund. Dies betrifft beispielsweise personenbezogene
bleiben. Die digitale Transformation innerhalb dieser Branche
Patientendaten, die ein äußerst sensibles und zu schützendes
ist also eher graduell fortschreitend als disruptiv. Dies hängt
Informationsgut darstellen, oder auch innerhalb der Produkti-
sicherlich auch mit langen Produktlebens-, Forschungs- und
on entstehende Produkt- und Prozessdaten. Der Einsatz neuer
Entwicklungszyklen sowie umfangreichen juristischen und
Technologien zur Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung
regulatorischen Vorgaben zusammen, die – im Vergleich zu
wird damit zur Abwägungsfrage zwischen Investitionsaufwand
anderen Branchen – weniger Raum für disruptive Elemente
in Datensicherheit und messbarem Wettbewerbsvorteil.
lassen.
42
ERHEBUNG 2020
Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Verpackungsbranche In der Bodenseeregion sind viele Unternehmen in der Verpa-
von EDI -Anbindungen ( Elektronischer Datenaustausch ) heraus.
ckungsbranche tätig. Analog zur Logistikbranche sind die
Damit verfolgen sie unter anderem Ziele im Bereich der Pro-
Entwicklungen innerhalb dieses Industrieclusters bereits maß-
zessoptimierung und der verstärkten Entwicklung kundenspe-
geblich durch die Implikationen der digitalen Transformation
zifischer Lösungen. Die gezielte Auswertung und Vernetzung
bestimmt. Die Disruption des grundlegenden Geschäftsmo-
sämtlicher innerhalb der Wertschöpfungskette generierter Da-
dells beziehungsweise der Produkte ist dabei allerdings bisher
tensätze ermöglicht an dieser Stelle zahlreiche Verbesserun-
eher zweitrangig. Vielmehr bietet der Einsatz neuer digitaler
gen : Sie erlaubt durch den Einsatz neuer Technologien eine
Technologien Möglichkeiten, Prozesse zu optimieren und vor-
verbesserte Vorhersage der Absatzzahlen, eine Verkürzung der
gelagerte sowie nachgelagerte Abläufe zu erweitern und zu
Produktionszeiten und eine Individualisierung von Kundenlö-
vertiefen. Diese Tendenz spiegelt sich auch mit Blick auf die
sungen.
unternehmensspezifischen Zielsetzungen bezüglich der digitalen Transformation wider, die vordergründig auf Investitio-
Jedoch nennen die Experten – neben den Potentialen einer kos-
nen in technologische Entwicklungen innerhalb des Projekt-
tengünstigeren automatisierten Produktion sowie der Erweite-
managements und in Datenerfassungssysteme abzielen.
rung des Vertriebs durch digitale Kanäle und der Entwicklung kundenspezifischer Produkte – auch einige Herausforderungen.
Die anvisierte ausgeprägte Datennutzung in Verbindung mit
Mehr als die Hälfte der Interviewpartner in der Verpackungs-
neuen Technologien – wie Künstliche Intelligenz, Cloud Com-
branche sieht sowohl Themen im Bereich Cybersecurity als
puting und Machine Learning – wird dabei zum zentralen Fak-
auch neue Anforderungen an das Personal als zentrale Heraus-
tor der digitalen Transformation in der Verpackungsbranche.
forderungen im Hinblick auf die digitale Transformation.
Die gezielte Analyse und Auswertung von Kunden- und Produktionsdaten ermöglicht es den Unternehmen, durch die Op-
Die Integration neuer Technologien zur umfangreichen Vernet-
timierung interner Prozesse Kosteneinsparungen zu realisieren
zung der Prozessabläufe, Produkte und Maschinen erfordert
und so die eigene Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu steigern.
die Erhebung zahlreicher Daten sowie die Implementierung
Alle befragten Unternehmen führten an, dass die digitale Trans-
währleistung der verschlüsselten Speicherung von Kunden-
einer umfangreichen IT-Infrastruktur. Datensicherheit, die Geformation ein enormes Potential im Bereich der Effizienzsteige-
daten sowie die Einhaltung der Datenschutzregularien gegen-
rung für ihr Unternehmen besitzt.
über allen relevanten Stakeholdern werden von den befragten Unternehmen als die zentrale Aufgabe und Herausforderung
Zum optimalen Datenaustausch stellen mehrere Experten der
für die Unternehmen innerhalb dieser Branche angesehen.
Verpackungsbranche die Relevanz der verstärkten Nutzung
Generell steigt in der Verpackungsbranche zunehmend das 43
Bewusstsein für Fragen der Cybersecurity, um sowohl Kunden
mit Blick auf digitale Transformationsprozesse zu fördern und
als auch die eigene Organisation wirksam vor Datenmissbrauch
Vertrauen in die neuen Maßnahmen zu generieren.
schützen zu können. Abschließend kann festgehalten werden, dass die WettbewerbEine weitere zentrale Herausforderung besteht darin, die Mit-
sentwicklungen und Produktinnovationen in der Verpackungs-
arbeiter bei der Implementierung neuer Technologien „mitzu-
branche gegenwärtig bereits maßgeblich von der Integration
nehmen“ und weiterzubilden. Insbesondere in dieser Branche
digitaler Lösungen getrieben sind. Einige der befragten Unter-
stellt das bestehende Personal laut Aussagen der Experten
nehmen konnten diese Entwicklungen bislang jedoch eher
die tragende Säule des Geschäftsmodells dar. Aufgrund der
nachrangig priorisieren, da sie durch ihre hohe Spezifizität und
tiefgreifenden Veränderungen im Zuge der digitalen Transfor-
Qualitätsführerschaft eine stabile Marktposition innehaben.
mation besteht jedoch die Notwendigkeit intensiver Überzeu-
Um diese Position nicht zu gefährden, fand bisher eine eher
gungsarbeit und Aufklärung auf allen Ebenen des Unterneh-
zurückhaltende, schrittweise digitale Transformation statt. Es
mens. Auch wenn digitale Lösungen viele Arbeitsprozesse
scheint fraglich, ob dies in Zukunft ausreichend für einen lang-
erleichtern, sind sie auch mit einem erhöhten Bedarf an digi-
fristigen Unternehmenserfolg sein kann. Allerdings scheint das
tal geschultem Fachpersonal verbunden. Deshalb ist es auch
Bewusstsein für die Relevanz und Aktualität der genannten The-
in dieser Branche von besonderer Relevanz, Mitarbeiter aus-,
menbereiche der digitalen Transformation vorhanden zu sein.
fort- und weiterzubilden und neues Fachpersonal einzustellen.
Dies zeigt sich auch an der Tatsache, dass die Mehrheit der be-
Zudem gilt es, durch ein angepasstes, weniger hierarchisches
fragten Unternehmen entweder bereits eine Digitalstrategie für
Führungsmanagement die Sensibilisierung und Partizipation
das Unternehmen besitzt oder diese gerade in Planung ist.
44
ERHEBUNG 2020
Die Kontextualisierung der Erkenntnisse Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die vorliegenden
Gesellschaft
Erkenntnisse, beruhend auf der Auswertung der Interviews mit Führungskräften verschiedener Industriecluster, den fort-
Die Bedeutsamkeit des digitalen Wandels für die Gesellschaft
schreitenden digitalen Strukturwandel in der Bodenseeregion
ist – unter allen Interviewpartnern – unbestritten. Die befragten
bestätigen. Diese Transformation führt einerseits zu graduel-
Experten identifizieren dabei drei zentrale Implikationen der di-
len Veränderungen und Weiterentwicklungen der bestehen-
gitalen Transformation als relevant für die Gesellschaft : Erstens
den Geschäftsmodelle, andererseits sind auch weitreichende
die Erweiterung bestehender Kommunikationsmöglichkeiten,
Disruptionen bestehender Geschäftsmodelle in den kommen-
zweitens die Verstärkung soziostruktureller Ungleichheiten und
den Jahren zu erwarten. Die Mehrheit der Experten bewertet
drittens die steigende Sensibilisierung der Bevölkerung hin-
die Relevanz der digitalen Transformation dabei als eine „riesi-
sichtlich der Sicherheit und dem Schutz von Daten.
ge“ „positive“ gesamtgesellschaftliche Umwälzung. Seit vielen Jahren hat der digitale Transformationsprozess einen Dabei sind diese Veränderungstendenzen – neben der Entwick-
radikalen Einfluss auf die Art und Weise der zwischenmensch-
lung und dem Einsatz neuer Technologien – von einem wach-
lichen Kommunikation : Ein großer Anteil des Informationsaus-
senden Bewusstsein für die Bedeutsamkeit dieses Wandels
tausches findet inzwischen in der virtuellen Welt statt und
innerhalb der Gesellschaft getrieben. Anzumerken ist an dieser
private sowie berufliche Kommunikation in Form von Texten,
Stelle, dass die Covid-19-Pandemie diese Entwicklung nach
Bildern oder Videos kann in Echtzeit global erfolgen. Die Kom-
ersten Erkenntnissen zusätzlich forciert hat. Der Erhebungs-
munikation mit Geschäftspartnern, Freunden und Bekannten
zeitpunkt der Studie verlief parallel zu den ersten Monaten der
oder der eigenen Familie vollzieht sich dabei über diverse Ka-
Ausbreitung der Pandemie. Daher müssen die Erkenntnisse der
näle ortsunabhängig und ohne zeitlichen Versatz.
Erhebung in den Kontext der allgemeinen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Entwicklungen des Erhebungs-
Mit der Möglichkeit der grenzüberschreitenden globalen Kom-
zeitraums gesetzt werden. Nachfolgend werden deshalb aus-
munikation wird die Relevanz von Standorten und Distanzen
gewählte Aspekte, die für die Interpretation der Daten von Re-
für die zwischenmenschliche Interaktion stetig geringer. Zu-
levanz sind, vorgestellt. Der digitale Strukturwandel wird daher
gleich erhöht sich laut Aussagen der Interviewpartner das
hinblickend auf die Gesellschaft und den Einfluss politischer
gesellschaftliche Risiko sozialer Entfremdung, weswegen es
und regulatorischer Rahmenbedingungen diskutiert. Abschlie-
neuer Mechanismen zur Entwicklung sozialer Kompetenzen,
ßend folgt eine gesonderte Einschätzung der Entwicklungen
wie Empathie und Vertrauen, bedarf.
vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie.
47
Zudem stellt das stetig steigende Maß digitaler Kommunikati-
Daten jedweder Art stets die strenge Einhaltung der Daten-
on auch enorme Risiken für die Generierung von Wissen und
schutzregularien gegenüber allen relevanten Interessensgrup-
Informationen dar. Neue Formen der ungefilterten Informa-
pen zu gewährleisten. Dies ist vor allem für Unternehmen von
tionsbeschaffung sind – neben einer großen Chance für Mei-
hoher Bedeutung, um die eigene Reputation innerhalb der Ge-
nungsbildung und Partizipation – Nährboden für politischen
sellschaft zu sichern. Außerdem stellen diese Sicherheitsan-
Populismus und Falschmeldungen. Die Experten sehen in die-
forderungen eine Grundvoraussetzung für ein hohes Maß an
ser Entwicklung eine potentielle Gefahr für die auf Fakten be-
Technologie-Akzeptanz in der Gesellschaft dar.
ruhende Meinungsbildung und Partizipation der Gesellschaft.
Politik und Verwaltung Die zentrale Rolle technologischer Innovationen in der Gesellschaft oder gar der Technologisierung der Lebenswelten
Die Erkenntnisse der fortschreitenden digitalen Transformation
erfordert daher adäquate Kompetenzen, die nur durch eine
sowie die verstärkte Sensibilisierung für Chancen und Heraus-
Neugestaltung und Weiterentwicklung bestehender Bildungs-
forderungen für die Gesellschaft und Wirtschaft haben auch
standards und mit Hilfe von Formaten lebenslangen Lernens
die politischen Akteure erkannt.
realisiert werden können. Die Interviewpartner identifizieren an dieser Stelle zwei zentrale soziale Ungleichheiten, einer-
Beispielhaft kann an dieser Stelle die Einführung der DSGVO im
seits zwischen den Generationen – Stichwort „Digital Natives“
Jahr 2018 genannt werden, die das grundlegende Verständnis
– und andererseits zwischen verschiedenen sozialen Milieus –
des Datenschutzes als Kernbestandteil digitaler Wertschöpfung
wie Stadt und Land. Es sollte dementsprechend Aufgabe von
verstärkt hat. Diese Wahrnehmung teilen auch die befragten
Politik und Wirtschaft sein, den entstehenden Ungleichheiten
Experten, was eine der zentralen Erkenntnisse der Erhebung
durch Weiterbildungsmaßnahmen, die Neugestaltung des Bil-
darstellt. Die Notwendigkeit der Umsetzung der DSGVO -Stan-
dungssystems sowie den Ausbau einer digitalen Infrastruktur
dards bedingt – neben der dadurch notwendig gewordenen
– vorwiegend im ländlichen Raum – entgegenzuwirken.
Auseinandersetzung mit Themen des Datenschutzes – in vielen Unternehmen eine Verbesserung des Datenmanagements.
Mit der zunehmenden Sensibilisierung der Gesellschaft für die
Dies wiederum bildet die Grundlage für die Implementierung
Bedeutsamkeit der Sicherheit und des Schutzes von Daten-
beziehungsweise den weiteren Ausbau digitaler Geschäftsmo-
strömen entwickelt sich auch eine gesteigerte Skepsis gegen-
delle, die sich nach Aussage der Experten in den kommenden
über der Erhebung von personenbezogenen Daten durch Un-
Jahren intensivieren werden.
ternehmen und staatliche Organisationen. Nach Aussage der Interviewpartner werden Datensicherheit und Datenschutz
Die daraus resultierenden dynamischen Entwicklungen des
angesichts dieser Entwicklung innerhalb der Gesellschaft zu
Wettbewerbes und die Integration neuer Technologien, wie
einer zentralen Aufgabe. Demnach ist es laut den befragten
Künstliche Intelligenz, Internet of Things und Blockchain, set-
Experten von höchster Bedeutung, bei der Speicherung von
zen eine flächendeckende 5G-Infrastruktur voraus. Diese bil-
48
ERHEBUNG 2020
det die Grundlage für echtzeitkritische Anwendungen. Eine
Bodenseeregion hat ergeben, dass eine Unterstützung bei
angemessene digitale Infrastruktur sollte daher als grundle-
der Herstellung von Netzwerken und Kooperationen für die
gende private wie ökonomische Form der Daseinsvorsorge
Mehrheit der befragten Experten von besonderer Bedeutung
betrachtet und mit Hochdruck vorangetrieben werden. Die
ist 10. Dies zeigt, dass Wissensnetzwerke diverser Akteure als
politischen Akteure in der Bodenseeregion und dabei vor al-
Key-Enabler für die digitale Transformation der Unternehmen
lem in Deutschland sollten daher stringent an den Plänen für
angesehen werden und politische Akteure bei der Konstituie-
den 5G-Netzausbau festhalten, damit insbesondere auch den
rung dieser Netzwerke und Kooperationen eine entscheidende
Unternehmen diese, in der heutigen Zeit unabdingbare Res-
Rolle spielen sollten.
source für den Unternehmenserfolg schnellstmöglich zur Verfügung steht. Aufgrund des intensiven globalen Wettbewer-
Covid-19-Pandemie
bes stellt der 5G-Netzausbau die Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften im 21. Jahrhundert dar.
Die Covid-19-Pandemie wurde zum maßgeblichen Verstärker
Aufbauend auf der Schaffung dieser grundlegenden digitalen
schen Entwicklungen der digitalen Transformation. Die durch
Infrastruktur gewinnt der Einsatz neuer Technologien ebenfalls
die Pandemie erforderlichen Kontaktbeschränkungen sowie
an Relevanz und Aktualität. Diese Erkenntnis wurde durch die
die daraus resultierende Notwendigkeit, Lösungen der Zusam-
der bisherigen politischen, gesellschaftlichen und ökonomi-
Experten wiederholt in den Fokus gerückt. Zur Schaffung ei-
menarbeit abseits von Präsenz in Büro und Produktionsstätten
nes gemeinsamen verantwortungsbewussten nationalen und
zu finden, beschleunigten den digitalen Strukturwandel zusätz-
langfristig europäischen Rahmens für die Integration dieser
lich. Diesbezüglich können aus den Antworten der Experten
Technologien entwickelte die deutsche Bundesregierung im
drei übergreifende Implikationen herausgefiltert werden, die
Dialog mit diversen Unternehmen eine Blockchain-Strategie ,
für die Unternehmen von besonderer Relevanz sind : erstens
um diese Potentiale zu nutzen und Risiken zu reduzieren. Es
ein verändertes Konsumverhalten, zweitens die Notwendig-
9
ist zu vermuten, dass diese bundesweite Ausrichtung eine zu-
keit digitaler Lösungen für den zukünftigen Unternehmenser-
nehmende Sensibilisierung der Unternehmen für die Möglich-
folg und drittens die Neuordnung beziehungsweise Dezentrali-
keiten dieser Technologien schafft und zugleich den notwendi-
sierung des bestehenden Unternehmensnetzwerkes.
gen Rahmen zu deren sicherer Nutzung bietet. Die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen als Reaktion Neben den genannten Beispielen zur Salienz politischen Han-
auf die Pandemie bedingte unter anderem eine signifikante
delns im Bereich der digitalen Transformation können poli-
Veränderung des Konsumverhaltens. Es zeichnete sich eine
tische Akteure Unternehmen durch finanzielle Mittel unter-
klare Präferenz für die Nutzung von E-Commerce-Optionen
schiedlicher Art, günstige ( rechtliche ) Rahmenbedingungen
zum Nachteil des stationären Handels ab. Die Reputation ei-
und die Unterstützung bei der Herstellung von Netzwerken
nes Unternehmens und das damit verbundene Vertrauen der
und Kooperationen fördern. Eine Untersuchung zu KMU in der
Konsumenten in die Produkte sowie deren Regionalität haben 49
dabei zunehmend an Relevanz gewonnen. Zugleich förderte
führten diese Veränderungen kurzfristig über Nacht zu Produk-
die Notwendigkeit der digitalen Zusammenarbeit den Einsatz
tivitätssteigerungen, Kosteneinsparungen, einer effizienteren
neuer Technologien. Derlei war bisher oftmals im Sinne einer
Ressourcenallokation sowie zu geringeren Fehlzeiten. Covid-19
langfristigen strategischen Maßnahme in Betracht gezogen
ermöglichte damit sowohl den initialen Einsatz als auch die
worden, jedoch häufig noch nicht vollständig in die Abläufe
mittelfristige Bewährung der Integration neuer Technologien
integriert worden. Die befragten Experten nennen in Bezug zu
in zuvor undenkbarem Ausmaß. Viele dieser neuen Entwick-
den Veränderungen durch Covid-19 unter anderem die initia-
lungen sollen nach Aussage der Experten auch in Zukunft bei-
le beziehungsweise zunehmende Integration digitaler Tools
behalten und sogar vertieft werden.
in die interne und externe Kommunikation, in das Kundenmanagement ( C RM ) sowie in das Prozess- und Projektmanage-
Eine ähnliche Entwicklung ist innerhalb des Prozess- und Pro-
ment als greifbare Veränderungen.
jektmanagements zu beobachten. Die Digitalisierung und die digital getriebene Automatisierung initiierten eine Transforma-
Die wohl sichtbarste Veränderung mit Blick auf Covid-19 ist al-
tion hin zu agilen und datengesteuerten Abläufen, die es er-
lerdings sicherlich im Bereich des Personalmanagements zu
möglichen, zukünftig schneller auf neue Herausforderungen
beobachten. Resultierend aus Maßnahmen der Pandemiebe-
reagieren zu können und die Widerstandsfähigkeit und Geschäftskontinuität des Unterneh
kämpfung musste die Arbeit in Präsenz in vielen Unternehmen
mens sicherzustellen. Solche Au-
eingestellt und auf digitale Tools
tomatisierungsprozesse von Rou-
der Zusammenarbeit zurückgegriffen werden. Dieser Prozess wurde seitens der Experten zunächst als große Herausforderung erlebt. Die Interviewpartner – vorwiegend in der Bankenbranche – geben zudem an, dass diese Veränderung aus ihrer Sicht ohne die Covid-19-Pandemie
Covid-19 ermöglichte den initialen Einsatz als auch die mittelfristige Bewährung der Integration neuer Technologie in zuvor un denkbarem Ausmaß.
noch sehr lange nicht erfolgt oder gar unmöglich gewesen wäre. Die Weiterführung des Betriebes unter Verwendung
tineaufgaben, die vermehrte Auswertung erhobener Daten und de- ren Vernetzung versetzt Unternehmen in die Lage, schneller auf Krisen zu reagieren und Prozesse entsprechend aktueller Entwicklungen anzupassen. Die zunehmende Digitalisierung bestehender Prozessabläufe zeichnet sich vor allem in der Logistik- und in der Verpackungsbranche als be-
sonders relevant ab und soll laut den befragten Experten die-
digitaler Tools im Homeoffice verdeutlicht unverhofft die be-
ser Industriecluster zukünftig weiter vorangetrieben werden.
trächtlichen Potentiale digitaler Technologien in Bezug auf die
Big Data könnte es den Unternehmen weiterhin ermöglichen,
zwischenmenschliche Zusammenarbeit. In manchen Bereichen
bereits verfügbare umfangreiche Daten und Rechenkapazitä-
50
ERHEBUNG 2020
ten zu nutzen, um agiler entscheiden zu können, Prozesse zu optimieren und die eigene Effizienz weiter zu steigern. Bisher bleiben diese Ressourcen und der damit assoziierte Wettbewerbsvorteil allerdings weitestgehend ungenutzt. Das durch Covid-19 ausgelöste Bewusstsein über diese Ressourcen könnte allerdings die Identifikation und Vernetzung der Prozesse und Produkte als eines der zentralen Handlungsfelder der beiden Industriecluster implizieren. Neben diesen bestätigten Potentialen der digital getriebenen Transformation verdeutlichte die Covid-19-Pandemie auch die Herausforderungen, die insbesondere mit Datensicherheit und Cybersecurity einhergehen. Besonders für Unternehmen, in denen die Pandemie die Integration digitaler Lösungen initiierte, stellte der Umgang mit Datensicherheitsrisiken und Cybersecurity eine zentrale Herausforderung dar. Darüber hinaus verdeutlichte der Einsatz neuer Technologien die maßgebliche Notwendigkeit der Integration dieser Neuerungen in die bestehende Unternehmenskultur und -struktur. Auf welche Art und Weise sich die Krise weiterhin in der nächsten Zeit auf die Weltwirtschaft und damit auch die Bodenseeregion auswirken wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: Diese rangieren von Reaktionen einzelner Unternehmensführungen bis hin zu der Anpassungsfähigkeit ganzer Branchen und einzelner Akteure. Auch aus diesem Grund ist eine turnusmäßige Erhebung zum Stand des digitalen Wandels – wie die vorliegende – von großer Bedeutung, da sie zeitliche Veränderungen aufzeigen und dadurch messbar machen kann. Zudem können anhaltende Herausforderungen und Chancen des digitalen Strukturwandels identifiziert und kontinuierlich durch die operative Arbeit des BIC angegangen werden.
51
ERHEBUNG 2020
Special Issue 2020 – Leading Digital Transformation Das Phänomen der digitalen Transformation ist vor allem durch
1. Digital Strategy : Klare Zielsetzung und Strategie
vier Aspekte gekennzeichnet : Sie gilt als unausweichlich, un-
2. Digital Culture : Veränderung der Unternehmenskultur
umkehrbar, schnell voranschreitend und als Auslöser großer
3. Digital Skills : Digitale Kompetenzen entwickeln
Unsicherheit . In diesem Kontext zeigt sich weiterhin der star11
und fördern
ke Einfluss der digitalen Transformation auf Unternehmen und
4. Digital Stakeholder-Management : Führung und
damit auf Prozesse, mit Hilfe derer in den Unternehmen Wert-
( Selbst- )Organisation von Netzwerkakteuren
schöpfung betrieben wird. In einer volatilen, unsicheren und von Wandel geprägten Welt ist es für Unternehmen wichtig,
Wenngleich innerhalb des Konzeptes digitaler Führung der
sich mit den Veränderungen der Arbeitswelt auseinanderzu-
Schwerpunkt auf der Führung von Mitarbeitern und der Orga-
setzen. Grundlegend ist dabei die Frage, wie der Wandel in den
nisation als solcher im Kontext digitaler Transformation liegt,
Unternehmen gestaltet werden sollte, um diesen disruptiven
bedeutet dies nicht, dass klassische Elemente und Manage-
Prozess mit Erfolg zu bewältigen.
mentprinzipien der Unternehmensführung redundant werden 13. Vielmehr sollten die klassischen Elemente der Führung von
Aufgrund der Implikationen, die sich aus dieser Disruption er-
Mitarbeitern durch digitale Führungselemente ergänzt und
geben, werden insbesondere verantwortliche Führungskräfte
gegebenenfalls neue Prioritäten in der Unternehmensführung
in den Unternehmen vor neue erweiterte Herausforderungen
gesetzt werden. Eine erfolgversprechende digitale Führung
gestellt: Sie finden sich in einem von zusätzlicher Unsicherheit
entsteht damit in ständiger Wechselwirkung mit Strategie,
und Komplexität geprägten Entscheidungsumfeld wieder, das
Struktur, Kultur, Prozessen und Netzwerken innerhalb und au-
unter anderem stetiger Anpassung an neue Gegebenheiten
ßerhalb einer Organisation.
und der Partizipation der Mitarbeiter bedarf. Von dieser Entwicklung getrieben, hat – basierend auf gängigen Führungs-
Auf Basis dieser modellhaften Grundlagen digitaler Führung
konzepten – in den vergangenen Jahren der Begriff des Digital
wurden die Experten im Zuge der Studie daher persönlich zu
Leadership stetig an Bedeutung gewonnen.
der Art und Weise sowie den Elementen der ( digitalen ) Führung in ihren Unternehmen befragt. Die folgende Abbildung
Im Kontext dieses Ansatzes werden folgende vier Elemente häu-
der Ergebnisse gibt auf Basis der Daten der quantitativen On-
fig genannt, die im Rahmen des Digital-Leadership-Konzeptes
line-Befragung einen Einblick in den aktuellen Status quo des
( im Folgenden auch digitale Führung genannt ) 12 als zentrale
( digitalen ) Führungsverhaltens innerhalb der vier untersuchten
Erfolgsfaktoren anzusehen sind :
Branchen der Bodenseeregion :
53
Erfolgsfaktoren Digital Leadership
| Strategische Zielsetzung | Definierte Aktions- und Zeitpläne | Investitionsbereitschaft
| Etablierung und Akzeptanz einer allgemeinen Fehlerund Lernkultur | Generationenübergreifende Einbeziehung aller Mitarbeitenden | Technologieakzeptanz
Digital Strategy
Digital Skills
| Entwicklung ( Aus-, Fort-, Weiterbildung ) digitaler, informationstechnologischer Kompetenzen | Partizipative Führungsstile | Abteilungen als Kompetenz netzwerke
Digital Stakeholdermanagement
| Führung unternehmensinterner und -externer Netzwerke von Stakeholdern | Wissen als entscheidende Ressource für Stakeholder und Netzwerke | Kooperationen und Partnerschaften als möglicher, entscheidender Wettbewerbsvorteil
Digital Leadership
Digital Culture
Mit Bezug auf die Entwicklung einer digitalen Führungsstra-
auf die digitale Transformation noch keine unternehmenswei-
tegie zeigt sich im Kontext der digitalen Transformation, dass
te strategische Zielsetzung entwickelt haben. So heißt es : „Es
nur selten klare strategische Zielsetzungen und damit verbun-
ist nicht so, dass es den digitalen Masterplan gibt, sondern es
dene Aktions- und Zeitpläne für die gesamte Organisation
ist eher so, dass wir uns Schritt für Schritt weiterentwickeln.“
vorhanden sind. Sehr wohl gibt es solche Zielsetzungen aber
Dies zeigt, dass die Zielerreichung in einzelnen Unternehmens-
dezentral, also in bestimmten Themenfeldern und Abteilungen.
und Themenbereichen vorwiegend nach dem Leitsatz Lear-
Ein branchenübergreifend häufig genanntes Themenfeld ist
ning by doing und anhand des Trial-and-Error-Prinzips erfolgt.
beispielweise die unternehmensinterne Prozessoptimierung. Was die Abteilungen betrifft, so gibt es unter anderem in der
Diese Erkenntnis sollte allerdings keineswegs zu dem Rück-
Finanzabteilung ( Digitalisierung der Rechnungsstellung ) und
schluss führen, dass die Unternehmen Investitionen in Projekte
dem Vertrieb ( digitale Kommunikation mit dem Kunden ) zu-
der digitalen Transformation zurückhalten. In der quantitativen
meist klare Zielvorgaben und Umsetzungspläne in Bezug auf
Online-Befragung geben 45 von 47 Unternehmen an, in Pro-
die digitale Transformation.
jekte zur Förderung der unternehmensinternen digitalen Transformation zu investieren. Lediglich ein Unternehmen plante
Dennoch kann das folgende Zitat eines mittelständischen Un-
die dafür getätigten Investitionen zu kürzen ; insgesamt planen
ternehmens aus der Pharmabranche als exemplarisch für die
knapp zwei Drittel der Unternehmen, die Investitionen in Pro-
Tatsache aufgeführt werden, dass viele Unternehmen mit Blick
jekte der digitalen Transformation sogar noch zu erhöhen.
54
ERHEBUNG 2020
Diese Investitionen – so notwendig sie sind – bringen aller-
Digital Skills ermöglichen dem Personal das Verständnis und
dings diverse Veränderungen in den Unternehmen mit sich.
die problemangepasste Nutzung digitaler Technologien und
Daher ist es notwendig, dass unternehmensintern ein sorg-
Arbeitsweisen. Die Entwicklung solcher digitalen Kompeten-
sam geführter Wandel der Unternehmenskultur hin zu einer
zen sollte daher ein zentraler Baustein passgenauer digitaler
Digital Culture stattfindet. Auch in den Ergebnissen der Be-
Führung sein – und wurde in den Experteninterviews ebenfalls
fragung wird deutlich, dass den Unternehmen der befragten
als äußerst relevant eingestuft. Allerdings wurde auch deutlich,
Branchen bewusst ist, dass ein solcher Kulturwandel intern
dass der Status quo im Bereich der Führung von Mitarbeitern
begleitet werden muss. Jedoch geben nur wenige Unterneh-
aktuell noch häufig an einen eher „klassischen“ Führungsstil
men an, diesen Wandel tatsächlich bereits aktiv zu gestalten.
erinnert, der stärker von Kontrolle und der klaren Delegation
Industrieübergreifend werden dabei wiederkehrend zwei The-
von Aufgaben und weniger von der Befähigung der Mitarbeiter
menschwerpunkte genannt, die aus Sicht der Experten zentra-
hin zur Selbstorganisation geprägt ist.
le Erfolgsfaktoren mit Blick auf die Entwicklung einer digitalen Unternehmenskultur sind : Zum einen ist es notwendig, eine
Innerhalb der quantitativen Online-Befragung wurden die Un-
offene und anerkannte Fehler- und Lernkultur zu etablieren ;
ternehmensvertreter daher gefragt, wie intensiv die Mitarbei-
zum anderen wird es als entscheidend angesehen, dass alle
ter ihrer Ansicht nach mit Blick auf die fortschreitende digita-
Generationen innerhalb des Unternehmens in diesen digitalen
le Transformation in die strategische Entscheidungsfindung
Struktur- und Kulturwandel miteinbezogen werden.
ihres Kompetenzbereiches eingebunden werden sollten. Die Befragten konnten ihre Antwort dabei zwischen „Gar nicht –
Gerade in diesem von Wandel geprägten Feld müssen Fehler
strategische Entscheidungen sollte ausschließlich der jeweils
in der digitalen Welt in gleichem Maße erlaubt sein wie in der
Vorgesetzte treffen“ bis „Sehr intensiv – Strategische Entschei-
analogen. Dies ist ebenso wichtig wie das Lernen aus Fehlern
dungen sollten grundsätzlich partizipativ innerhalb der Grup-
und die Fähigkeit, daraus bessere Lösungen zu entwickeln.
pe/Abteilung getroffen werden“ verorten. Die Experten hatten
Diesen Aussagen stimmten die Unternehmen branchenüber-
so die Wahl, zwischen einem autoritären und einem demokra-
greifend zu. Die Experten geben dabei an, dass sowohl Füh-
tischen Führungsstil zu entscheiden. Die Auswertung der Er-
rungskräfte als auch Mitarbeiter lernen müssen, Fehlschläge
gebnisse zeigt, dass lediglich 8,5 Prozent der Interviewpartner
als integralen Bestandteil des Kulturwandels zu akzeptieren,
für einen eher autoritären Führungsstil stimmen. 42,5 Prozent
mit Misserfolgen umzugehen und diese in konstruktiver Art
der Befragten sprechen sich wiederum für eine intensivere be-
und Weise zu nutzen. Die Expertise, die Mitarbeiter brauchen,
ziehungsweise sehr intensive Einbindung der Mitarbeiter in die
um Fehler von vornherein zu vermeiden, sind über Schulungen
Entscheidungsprozesse aus. Diese Ergebnisse werden in der
und Weiterbildungen für alle Generationen bereitzustellen. So
folgenden Abbildung zusammenfassend dargestellt. Dabei zeigt
wird auch die Mitnahme aller Mitarbeiter im Prozess der digita-
sich, dass der Trend des Führungsverhaltens innerhalb der be-
len Transformation gewährleistet.
fragten Unternehmen sich hin zu moderneren und partizipativeren Führungsstilen entwickelt. 55
Klassifikation des Führungsverhaltens der befragten Unternehmen
Kontrolle
Mitbestimmung
Partizipation
7 6 5 4 3
5,2
5,3
Anleiten
Lenken
5,6
5,7
5,8
5,9
Kollaborieren
Delegieren
Koordinieren
Partizipieren
6,3
4,1 3,4
2 1 0 Kontrollieren
Dirigieren
Diese neueren Führungsstile können der erfolgreichen Bewäl-
Motivieren
noch immer auf der klassischen Vertrags- und Abhängigkeits-
tigung der digitalen Transformation zugutekommen, da sie es
beziehung zwischen der Führungskraft und dem ihr unterstell-
erlauben, die Ressource Mensch als Ganzes zu begreifen und
ten Personal ( Prinzipal vs. Agent ) geprägt sein wird oder ob
den Mitarbeitern den Raum geben, unabhängig von ihrer Po-
Führung in Zukunft als inklusives Element von Netzwerkakteu-
sition im Unternehmen an den Innovationsprozessen beteiligt
ren betrachtet wird, in dem alle Akteure ein gemeinsames Ziel
zu sein und ihr Wissen gewinnstiftend in die Organisation ein-
verfolgen und hierarchische Kontrollmechanismen eine eher
zubringen. Weiterhin ermöglichen diese Führungsstile es den
nachgelagerte Rolle spielen werden 15.
Mitarbeitern, über die eigenen abgegrenzten Aufgaben hinauszudenken und sich im Austausch mit anderen Mitarbeitern zu
Dies würde dazu beitragen, dass die gemeinsame „Arbeit“ an
dynamischen Netzwerken innerhalb der Organisation zusam-
der Ressource Wissen auch außerhalb der Unternehmensgren
menzuschließen 14. Eben diese Freiräume gelten als Grundlage
zen zu einem wichtigen Erfolgsfaktor unternehmerischer Wert
des Intrapreneurship, der unternehmensinternen Innovations-
schöpfung werden kann. Die Daten geben einen ersten Hin-
entwicklung, und stellen damit eine der notwendigsten Unter-
weis darauf, dass zukünftig dem Stakeholder-Management als
nehmensqualitäten im Zuge der digitalen Transformation dar.
Führung von Netzwerkakteuren eine immer wichtigere Rolle
Eine entscheidende Frage innerhalb dieses Themenkomple-
zukommt. Unternehmensintern bedeutet dies für Führungs-
xes wird in Zukunft also sein, ob die Führung von Mitarbeitern
kräfte die Entwicklung hin zu einer verstärkten Kollaboration
56
ERHEBUNG 2020
von gleichberechtigten Netzwerkpartnern sowie der damit
Demnach können die folgenden Elemente als Voraussetzun-
einhergehenden Befähigung von Führungskräften und Mitar-
gen für gelingende digitale Führung angesehen werden :
beitern, eine relevante Wissensressource in diesem Kontext zu sein. Unternehmensextern beschreibt es die Führung von – und
1. In allen von digitalen Veränderungsprozessen betroffenen
Vernetzung mit – weiteren für den Unternehmenserfolg rele-
Unternehmensbereichen und Themenfeldern sollten klare
vanten Akteuren ( zum Beispiel Wissenschaft, Zivilgesellschaft ).
Ziele gesetzt werden, sodass eine gemeinsame, unterneh-
Formen unternehmensexterner Netzwerke können dabei mit
mensweit anerkannte Zukunftsvision entstehen kann.
Bezug zur Wertschöpfungskette zunächst etwa Zulieferer und Kunden sein. Jedoch zeigt sich in der Befragung auch, dass die
2. Führungskräfte und Mitarbeiter sollten eine gemeinsame
Unternehmen der Bodenseeregion bereits weitere Netzwerke
Lern- und Fehlerkultur etablieren. Dadurch soll zum einen
pflegen: Jeweils zwei Drittel aller Unternehmen bestätigten, im
der Lerneffekt durch Fehler maximiert und zum anderen
Kontext der digitalen Transformation im intensiven Austausch
die Zahl zukünftiger Fehler minimiert werden, wodurch sich
mit anderen Unternehmen innerhalb und außerhalb der eige-
eine erfolgreiche Lernkultur auszeichnet.
nen Branche zu stehen. Weitere 50 Prozent der Unternehmen berichteten von bestehenden Kooperationen mit Forschungs-
3. Die Ausstattung der Mitarbeitenden mit Kompetenzen im
einrichtungen und Hochschulen. In diesem Zusammenhang
Umgang mit digitalen Technologien, Tools und Arbeits-
wurden die Befragten auch gebeten, die Gründe für diese Ko-
weisen ist zentral für einen erfolgreichen digitalen Trans-
operationen mit unternehmensexternen Akteuren im Bereich
formationsprozess. Führungskräfte sind in diesem Zusam-
der digitalen Transformation anzugeben. An erster Stelle mit
menhang unterstützende Netzwerkakteure : Das Ziel guter
mehr als 50 Prozent aller Nennungen steht für die Experten der
Führung besteht darin, Mitarbeitende dazu zu befähigen,
Erfahrungs- und Wissensaustausch. An zweiter Stelle steht
als eigenständiger Akteur Wissensressourcen zu generie-
die mögliche Steigerung der ( Kosten- )Effizienz und an dritter
ren, welche zum Prozess der digitalen Transformation des
Stelle nennen die Befragten mögliche Produktverbesserungen
Unternehmens förderlich beitragen.
beziehungsweise -ergänzungen, die vor allem auch mit unternehmensexternen Akteuren realisierbar sind.
4. Die digitale Transformation wird in Form von Netzwerken verbreitet und gestaltet. Führungskräfte sollten sich dem-
Diese Aussagen zeigen, dass die Mehrzahl der Unternehmen
nach als „Knotenpunkte“ begreifen, die unternehmensin-
der Bodenseeregion bereits einen wichtigen Schritt unternom-
tern und -extern Kooperationen mit Akteuren schließen
men hat, Führung in einem größeren Kontext zu sehen. Damit
beziehungsweise ermöglichen, um digitale Transformations-
deckt sich das Verhalten der Unternehmen der Bodenseeregi-
prozesse voranzutreiben.
on an dieser Stelle bereits mit den Vorschlägen aus der Theorie 2,4,5, welche die Relevanz solcher Netzwerke für den Unternehmenserfolg betont. 57
ERHEBUNG 2020
Die Relevanz und Arbeitsweise des Bodensee Innovationsclusters | BIC Das Bodensee Innovationscluster | BIC bietet eine Plattform für
allem im Kontext der digitalen Transformation und dem damit
die Vernetzung der Unternehmen der Bodenseeregion sowie
verbundenen digitalen Wandel zu unterstützen.
den gegenseitigen Austausch von Know-how aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Außerdem
Das BIC agiert seit seiner Gründung im Jahr 2018 basierend
bringt das BIC eigene Expertise zu relevanten Themengebieten
auf der grundlegenden Überzeugung, dass die Bodenseere-
der digitalen Transformation als Partner und Netzwerkakteur
gion als eine der innovationsstärksten Technologieregionen
mit ein : So besitzt das BIC insbesondere Expertise im Bereich
Europas über umfangreiches explizites wie implizites Wis-
der Innovation von digitalen Geschäftsmodellen sowie im
sen zu den Rahmenbedingungen, Konsequenzen und vor al-
Bereich des Aufbaus geeigneter Governance- und Führungs-
lem Chancen der digitalen Transformation in Wirtschaft und
strukturen mit Blick auf die Veränderungen durch den digitalen
Gesellschaft verfügt. Das Innovationscluster fördert vor die-
Wandel.
sem Hintergrund die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen, technologie-affinen Unternehmen und anderen
Der entscheidende Faktor für die Identifikation themenspezi-
relevanten Stakeholdern der Bodenseeregion, um deren the-
fischer Expertise liegt jedoch in der Zusammenführung wirt-
menspezifische Expertise kontinuierlich zu identifizieren, zu fo-
schaftlicher, wissenschaftlicher, politischer und anderer rele-
kussieren und zum wirtschaftlichen wie gesamtgesellschaft-
vanter Akteure. Durch sie gelingt es auch, Wissensressourcen
lichen Nutzen regional wie überregional nutzbar zu machen.
zum wirtschaftlichen sowie gesamtgesellschaftlichen Nutzen
Geleitet wird das BIC dabei von dem grundlegenden Interesse
zu erschließen, um die Unternehmen der Bodenseeregion vor
an globalen Herausforderungen der fortschreitenden digitalen Transformation und der Überzeugung, dass die Bewältigung dieser Herausforderungen und die Sicherung einer ökologisch
Vernetzung von Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik
wie ökonomisch nachhaltigen Entwicklung in der Bodenseeregion nur durch Bündelung bestehender Wissensressourcen und Schaffung neuer Kooperationen multipler Akteure möglich sein wird.
Wirtschaft Wissenschaft Gesellschaft Politik
+
Externe Experten ( überregional )
Um seine Formate stets bedarfsorientiert gestalten und auf die für die Unternehmen aktuell relevanten Themenfelder eingehen zu können, führt das BIC in zweijährigem Turnus eine Evaluierungsstudie zum Stand der digitalen Transformation in der Bodenseeregion durch. Diese regelmäßige qualitative 59
und quantitative Analyse des gegenwärtigen Grades des Fort-
die Validierung der Ergebnisse der ersten Erhebung sowie die
schritts digitaler Transformation in der Bodenseeregion zeigt
Analyse aktueller Entwicklungen und Trends zwecks Anpas-
sowohl branchenspezifische als auch branchenübergreifende
sung und Erweiterung der inhaltlichen Schwerpunktsetzung
Chancen und Herausforderungen auf und bildet damit die wis-
des BIC .
senschaftliche Grundlage für die Arbeit des BIC . Zugleich sichert die kontinuierliche Evaluierung der inhaltlichen Schwer-
Das zentrale operative Format des Innovationsclusters sind
punkte die Aktualität und Relevanz der operativen Arbeit des
die Innovationskreise, in denen die themenspezifische Ope-
Innovationsclusters.
rationalisierung seiner Inhalte erfolgt. Geleitet von Experten
Im Zuge der ersten Erhebung im Jahr 2018 wurden vier zent-
ratoriums –, initiiert das BIC die themenspezifischen Innovati-
rale Trends von branchenübergreifender Relevanz identifiziert,
onskreise jeweils durch eine Impulsveranstaltung an der Zep-
welche die Arbeit des BIC während der vergangenen zwei
pelin Universität.
der Universität – in Abstimmung mit den Mitgliedern des Ku-
Jahre bestimmten. Die Studie konnte zudem aufzeigen, dass die hochgradig komplexen Herausforderungen der digitalen
Die Impulsveranstaltung findet in Form einer ganztägigen in-
Transformation und des damit verbundenen Strukturwandels
teraktiven Konferenz jeweils im März und September eines
ausschließlich über Informationssynergien, Wissensaustausch,
jeden Jahres statt. Im Anschluss beginnt die gemeinsame Ar-
Vernetzungen und Kooperationen der relevanten Akteure be-
beit der Unternehmensvertreter in den Innovationskreisen, die
arbeitbar und schließlich lösbar sind. Zu diesem Zweck wur-
thematisch auf den Vorträgen der Konferenz aufbauen. Jeder
den in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam mit den Ku-
Innovationskreis wird über die Mindestdauer von einem Jahr
ratoren des BIC die Innovationskreise Cybersecurity, Digitales
abgehalten und in Kooperation mit einem der Kuratoriumsmit-
Nachhaltigkeitsmanagement und Lebenslanges Lernen / Tech-
glieder des BIC durchgeführt. Die einzelnen Treffen sind wiede-
nologie-Akzeptanz erfolgreich initiiert und überregional rele-
rum mit einer Taktung von etwa acht Wochen angesetzt. Da-
vante Experten zu den jeweiligen Themen mit Unternehmen
durch ergibt sich pro Innovationskreis eine Anzahl von sechs
der Bodenseeregion zusammengeführt. Die Arbeit am vierten
Einzeltreffen. Angesichts dieser Dauer der Innovationskreise
Schwerpunkt der Erhebung 2018 – Implikationen Künstlicher
können innerhalb eines Zyklus jeweils sechs Teilbereiche des
Intelligenz für Geschäftsmodelle und Gesellschaft – wird im
Innovationskreisthemas behandelt werden. Jeder Teilbereich
September 2020 beginnen.
wird von einem internen oder externen Fachexperten betreut. Die Auswahl der Experten wird in Hinblick auf die Bedarfe der
Anknüpfend an die Ergebnisse der ersten Erhebung von 2018
Teilnehmenden des Innovationskreises und die gemeinsam ge-
aktualisiert die Studie von 2020 die Wissensgrundlage zur the-
wählten strategischen Themen getroffen. Durch die wechsel-
matischen Ausrichtung des BIC und ermöglicht dadurch wei-
seitige Komplementarität der Teilbereiche wird im Laufe eines
tere Entwicklungen des digital getriebenen Strukturwandels
Jahres ein ganzheitliches Verständnis des Innovationskreisthe-
in der Bodenseeregion nachzuvollziehen. Weiterhin erlaubt sie
mas erarbeitet. Dieses Gesamtverständnis kann so von den
60
ERHEBUNG 2020
Teilnehmern Stück für Stück in ihren Unternehmen implemen-
onsplattformen im Nachgang an die Teilnehmer verteilt. Dar-
tiert werden.
über hinaus wird nach Abschluss des Innovationskreises eine Broschüre erstellt, welche die erarbeiteten Ergebnisse für die
Ziel eines jeden Treffens ist die Anwendung der Expertise des
Öffentlichkeit und teilnehmenden Unternehmen schriftlich zu-
jeweiligen Redners und der Gastgeber auf die konkreten He-
gänglich macht.
rausforderungen der Teilnehmer. Idealerweise schließen sich dabei diejenigen Teilnehmer, die sich mit ähnlichen oder glei-
Die Unternehmen profitieren von der Teilnahme an den Innova-
chen Herausforderungen konfrontiert sehen, in den interakti-
tionskreisen, indem das gemeinsam erarbeitete Wissen durch
ven Breakout-Sessions zu Gruppen zusammen, um gemein-
die Mitarbeiter in das Unternehmen getragen wird. Das BIC
sam an Lösungsansätzen für ihre Unternehmen zu arbeiten.
selbst profitiert, indem Denkanstöße aus der Praxis Einzug in
Sollte ein Teilnehmer die unabhängige Bearbeitung der Frage-
die Arbeit zukünftiger Innovationskreise sowie in Studien, in
stellung ohne Anschluss an eine Gruppe wünschen, so ist dies
Konferenzen und in die Forschung halten.
auch möglich. Jedoch entspricht die Arbeit in Kleingruppen in besonderem Maße dem wesentlichen Ziel des BIC , Koopera-
Das BIC ist also eine Wissensplattform im vollumfänglichen
tionen und Netzwerkbildungen in der Bodenseeregion zu för-
Sinne : Auf der einen Seite stellt es eigene Expertise sowohl
dern und wird deshalb stark befürwortet. Der Experte, der das
innerhalb der wissenschaftlichen Sphäre als auch in der Praxis
jeweilige Treffen mitbetreut, kann entweder aus den Reihen
zur Verfügung ; auf der anderen Seite agiert das BIC als ver-
der teilnehmenden Unternehmen gewählt werden oder aus
mittelnder Akteur zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik
dem Netzwerk des BIC stammen. Möglich ist zudem auch eine
und Zivilgesellschaft. Dadurch ermöglicht das BIC es Innova-
Mischform der beiden Varianten, bei der ein externer Experte
toren und Treibern des digitalen Wandels in der Bodenseeregi-
und ein Experte aus den Reihen der teilnehmenden Unterneh-
on, sich mit Fragen innerhalb der identifizierten Themenfelder
men gemeinsam den Workshop bestreiten. Zur Strukturierung
nachhaltig zu beschäftigen. Zum einen haben die Teilnehmer
des zeitlichen Ablaufes und der schrittweisen Erarbeitung der
die Möglichkeit, Herausforderungen in Kooperationen mitein-
Ergebnisse wird ein eigens dafür entwickeltes Workshopde-
ander und mit hochrangigen Experten zu lösen ; zum anderen
sign eingesetzt. Die Dauer der Innovationskreise beträgt inklu-
erschließen sie sich ein persönliches Netzwerk, bestehend aus
sive gemeinsamer Mahlzeiten und eines geselligen Ausklan-
Unternehmensvertretern und Experten der Bodenseeregion.
ges etwa einen halben Arbeitstag. Alle Informationen innerhalb eines Innovationskreises werden vertraulich behandelt. Die Anfertigung von Fotos, Tonmitschnitten und digitalen Mitschriften durch die Teilnehmer ist untersagt. Ein offizielles Fotoprotokoll der Arbeitsergebnisse wird durch das BIC erstellt und über sichere Kommunikati61
ERHEBUNG 2020
Ausblick Auf Basis der Erkenntnisse der Studie lässt sich grundlegend
können. Diese Effizienz wiederum wird von Nöten sein, da
festhalten, dass die Unternehmen der Bodenseeregion der di-
durch die Vernetzung von Maschinen und Produkten über das
gitalen Transformation sowohl innerhalb ihres Unternehmens
Internet of Things enorme Datenmengen generiert werden,
als auch innerhalb ihrer Branche einen hohen Stellenwert bei-
die ohne die Möglichkeiten von KI - oder Big-Data-Anwendun-
messen. So bieten die mit der digitalen Transformation ver-
gen nicht mehr zu bewältigen sind. Damit ist in diesem Fall die
bundenen technologischen Möglichkeiten ein enormes Po-
direkte Nutzung digitaler Technologien Voraussetzung für die
tential bezüglich der Effizienzsteigerung über alle Bereiche der
Effizienzsteigerung der eigenen Prozesse. Die massenhafte
Wertschöpfungskette hinweg. Dabei stellen kundenzentrierte
Generierung und Speicherung von Daten führten jedoch zu-
digitale Geschäftsmodelle eine entscheidende Chance für die
gleich auch zu der Notwendigkeit, diese Daten vor Missbrauch
Entwicklung eines Wettbewerbsvorteils dar. Zudem führt der –
zu schützen. Die Nutzung von Cybersecurity-Frameworks,
durch digitale Technologien möglich gewordene – direkte Kon-
-Anwendungen und -Tools bildet deswegen die zentrale Her-
takt zum Kunden zu weiteren Chancen für die Unternehmen:
ausforderung für die Unternehmen. Gelingt dies nicht, sind
Über digitale Vertriebsstrategien können einerseits Transakti-
Vertrauensverluste aller mit dem Unternehmen in Verbindung
onskosten und damit Ressourcen eingespart, andererseits die
stehenden Akteure ( zum Beispiel Partner, Lieferanten, Kun-
Kundenbindung erhöht werden. Dieser Ansatz wird von den
den ) vorprogrammiert. In diesem Kontext ist vor allem die stra-
Unternehmen auch bereits im Recruiting angewandt : Auch in
tegische Verortung der Cybersecurity innerhalb des Unterneh-
diesem Bereich integrieren sie zunehmend den Einsatz sozialer
mens von großer Wichtigkeit. Während dieses Themenfeld in
Medien und stärken dadurch den Kontakt und die Bindung zur
der Vergangenheit klar der IT-Abteilung zugeordnet wurde, so
gewünschten Zielgruppe, vorwiegend junge Absolventen.
ergibt sich nun die Notwendigkeit, das Thema im Zuge des Ri-
Zur Realisierung dieser Chancen sehen die Experten insbeson-
ten und auf Top-Managementebene zu diskutieren. Dabei soll-
sikomanagements eines Unternehmens strategisch zu verordere Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz als
ten insbesondere Haftungsfragen frühzeitig geklärt und das
relevant an. Die Möglichkeit, mit Hilfe digitaler Systeme aus
Fortlaufen des Kerngeschäftes im Falle eines Cyberangriffs
Daten Muster ableiten und anhand dieser lernen zu können,
sichergestellt werden.
stellt für die Unternehmen einen enormen Zugewinn dar. Der größte Vorteil besteht laut den Experten darin, dass die Sys-
Bei der Umsetzung dieser komplexen Technologien, ebenso
teme auf dieser Basis selbstständig Empfehlungen abgeben
wie bei der informierten Nutzung von Cybersecurity-Anwen-
oder zukünftig auch Entscheidungen treffen können. Die um-
dungen braucht es allerdings zum einen gut ausgebildete
fangreiche Analyse von Daten soll weiterhin über zusätzliche
Fachkräfte und zum anderen eine in den Unternehmen vor-
Big-Data-Anwendungen deutlich effizienter gestaltet werden
handene Technologie-Akzeptanz für diese komplexen Techno63
logien. Die Akzeptanz digitaler Technologien kann einerseits
Diese anhand des Fachkräftemangels beschriebene Entwick-
über unternehmensinterne Aus-, Fort- und Weiterbildungen
lung manifestiert sich als grundsätzliches Phänomen in der Bo-
und andererseits durch die Rekrutierung von Personal mit ei-
denseeregion : Denn hier kommt es zu einer stetig fortschrei-
nem digital-affinen Mindset und den notwendigen digitalen
tenden Verlagerung von Wertschöpfungsketten weg von
Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt sichergestellt werden.
einer analogen hin zu einer verstärkt virtuell stattfindenden
Insbesondere dieser „war for digital talents“ stellt die Boden-
Wertschöpfung. Die Bodenseeregion als Ganze unterliegt also
seeregion jedoch vor das Problem, dass die regionalen Ausbil-
einem Wandel, im Zuge dessen das Kerngeschäft der Unter-
dungs- und Wissenschaftsinstitutionen die einschlägigen Re-
nehmen in Zukunft verstärkt auf der Wissensressource basie-
krutierungs- und Kompetenzbedarfe der Unternehmen nicht
ren wird und immer weniger auf der Verrichtung analoger Ar-
hinreichend bedienen.
beitsleistung. Um die Wertschöpfungs- und Innovationskraft
Schematische Darstellung der Erkenntnisse zu den erfolgskritischen Faktoren der digitalen Transformation im Wissens- und Wirtschaftsraum Bodensee
Netzwerke
| Cybersecurity | Akzeptanz komplexer Technologien | Fachkräftemangel
| Big Data | Künstliche Intelligenz | Internet of Things
Herausforderungen
Wissensund Wirtschaftsraum Bodensee
| Effizienzsteigerung | Digitale Vertriebsstrategie | Digitale kundenzentrierte Geschäftsmodelle Chancen
Kooperationen & Partnerschaften
64
Technologien
ERHEBUNG 2020
der Bodenseeregion als Wissens- und Wirtschaftsraum auch
mit anderen Akteuren um und schafft dergestalt sowohl in-
zukünftig sicherzustellen, müssen alle handelnden Stakehol-
nerhalb als auch außerhalb der Unternehmensgrenzen neue
der aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft
Wissensnetzwerke. Die umfangreichen Erkenntnissen der vor-
darauf hinarbeiten, digitale Wertschöpfungsketten zu fördern.
liegenden Studie zu den Chancen, Herausforderungen und
Gelingt dies nicht, so läuft die Bodenseeregion Gefahr, ihre ak-
Trends der digitalen Transformation verdeutlichen, dass clus-
tuell noch starke wirtschaftliche und sozioökonomische Basis
terübergreifend Führungskräfte der Unternehmen der Boden-
zu verlieren. Dies könnte dadurch ausgelöst werden, dass rele-
seeregion ein Bewusstsein für die Relevanz und Aktualität des
vante Unternehmensteile oder sogar ganze Unternehmen aus
digitalen Strukturwandels für Wettbewerb, Geschäftsmodelle
der Bodenseeregion abwandern, da sie an anderer Stelle die
und Produktinnovationen entwickelt haben und sich der Trend
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für digitale Ge-
hin zu einem Wissens- und Wirtschaftsraum in Zukunft fort-
schäftsmodelle vorfinden.
setzen wird.
Abschließend kann festgehalten werden, dass die befragten Unternehmen grundsätzlich erkannt haben, dass ihr zukünftiger Erfolg nur mit Hilfe von digitalen Transformationsprozessen gelingen kann. Die einschlägige Generierung neuen Wissens und die einschlägige Erschließung neuer Wissensquellen dagegen werden von den Unternehmen bereits gelebt : Ein beachtlicher Teil der Unternehmen setzt die Co-Kreation neuen Wissens bereits in Form von Kooperationen
Abschließend kann festgehalten werden, dass die befragten Unternehmen grundsätzlich erkannt haben, dass ihr zukünftiger Erfolg nur mit Hilfe von digitalen Transformationsprozessen gelingen kann.
65
TEAM
Autoren
Beitragende
Sabine Wiesmüller
Cindy Klotzsche Bodensee Innovationscluster | BIC
Leiterin des Bodensee Innovationsclusters | BIC
Julia Schmidt Bodensee Innovationscluster | BIC Florian Straatmann Bodensee Innovationscluster | BIC
Christopher Köhler
Anna Eisinger Abschlussarbeit
Stellvertretender Leiter des Bodensee Innovationsclusters | BIC
Michelle Gann Abschlussarbeit
Editoren
Tobias Romey Abschlussarbeit
Michaela Hartmann Abschlussarbeit Tom Schliemann Abschlussarbeit Prof Dr Josef Wieland Vizepräsident Forschung der Zeppelin Universität, Direktor des Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ sowie Inhaber des Lehrstuhls für Institutional
WEITERE UNTERSTÜT ZUNG IN DER ERSTELLUNG DER STUDIE
Economics Philip Schneider Bodensee Innovationscluster | BIC Dr Lennart Brand Managing Director des Leadership Excel-
Alexander Shevelov Bodensee Innovationscluster | BIC
lence Instituts Zeppelin | LEIZ sowie des Bodensee Innovations-
Lukas Törner Bodensee Innovationscluster | BIC
clusters | BIC
Ann-Christin Vorbeck Bodensee Innovationscluster | BIC
67
Endnoten 1
Creswell & Clark ( 2020 )
2
Der Bodenseeregion gehören entsprechend des Statutes der In-
5
von Daten erkennen. Für die hiesigen Analysen wurde auf die Methode der Analyse latenter Klassen ( Latent-Class Analysis, LCA )
ternationalen Bodensee Konferenz folgende Länder an : Deutsch-
zurückgegriffen. Für weitere Informationen dazu siehe unter ande-
land ( Baden-Württemberg und Bayern ), Österreich ( Vorarlberg ),
rem Hagenaars und McCutcheon ( 2009 ).
Schweiz ( S chaffhausen, Zürich, Thurgau, St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden ), Fürstentum Liechtenstein ( Internationale Bodensee Konferenz, 2010 ). 3
6
Wieland ( 2020 )
7
Prädiktive Instandhaltung, aus dem Englischen „Predictive Main-
Anzahl der Unternehmen, die nicht zur Kategorie der KMU zählen,
tenance“, meint die vorausschauende oder zustandsorientierte In-
im Rahmen der Befragung in Abhängigkeit von Umsatz und Mit-
standhaltung aufgrund von Erfahrungswerten. Siehe dazu unter
arbeiterzahl :
anderem Biedermann ( 2018 ).
| Umsatz ≥ 10 Mio. Euro aber < 50 Mio. Euro, Mitarbeiterzahl 250 – 499: 2 Unternehmen
8
schinen zur Verbesserung Ihrer Arbeitsweise nutzen. Siehe dazu
Mitarbeiterzahl 250 – 499: 2 Unternehmen
unter anderem Alpaydin, E. ( 2020 ).
| Umsatz ≥ 100 Mio. Euro aber < 600 Mio. Euro, Mitarbeiterzahl 500 – 2.999: 8 Unternehmen | Umsatz ≥ 600 Mio. Euro aber < 1 Mrd. Euro, Mitarbeiterzahl 500 – 2.999: 1 Unternehmen | Umsatz ≥ 600 Mio. Euro aber < 1 Mrd. Euro, Mitarbeiterzahl > 3.000: 1 Unternehmen | Umsatz ≥ 1 Mrd. Euro aber < 10 Mrd. Euro,
9
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ( 2019 )
10
Köhler et al. ( 2018 )
11
Botzkowski ( 2018 )
12
Siehe dazu unter anderem Kollmann ( 2020 ), Petry ( 2020 ) und Reinhardt ( 2020 ).
Mitarbeiterzahl 500 – 2.999: 2 Unternehmen | Umsatz ≥ 1 Mrd. Euro aber < 10 Mrd. Euro, Mitarbeiterzahl > 3.000: 4 Unternehmen | Umsatz ≥ 10 Mrd. Euro, Mitarbeiterzahl 500 – 2.999: 1 Unternehmen
68
Scherer et. al ( 2016 )
Maschinelles Lernen, aus dem Englischen „Machine Learning“, beschreibt die Generierung von Wissen aus Erfahrung, das Ma-
| Umsatz ≥ 100 Mio. Euro aber < 600 Mio. Euro,
4
Über Clusteranalysen lassen sich Muster und Strukturen innerhalb
13
Burns ( 1978 )
14
Wieland ( 2020 )
15
Wieland ( 2018 )
Referenzen ALPAYDIN, E. ( 2 020 )
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