Zeppelin Universität | Bodensee Innovationscluster Digitaler Wandel | Erhebung 2020

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bodensee innovations cluster digitaler wandel

DIGI TA L E T R A NSF ORM AT ION IN DER BODENSEEREGION – ERHEBUNG 2 0 2 0


September 2020


bodensee innovations cluster digitaler wandel

„Innovatives Wissen und Vernetzung in der Region, das sind wesentliche Erfolgsfaktoren der digitalen Transformation.“ Prof Dr Josef Wieland Vizepräsident Forschung | Direktor Leadership Excellence Institute Zeppelin | LE IZ


Executive Summary Einordnung und Bedeutung

Die Studie belegt dabei erneut, dass die hochgradig komplexen Herausforderungen, die mit dem digitalen Strukturwandel

Ziel der vorliegenden Erhebung ist die Schaffung einer wissen-

einhergehen, vorrangig über die Nutzung von Informationssy-

schaftlich fundierten Wissensgrundlage über den Status quo

nergien gelöst werden können. Erfolgen sollte dies über den

der digitalen Transformation innerhalb ( der Unternehmen ) der

Wissensaustausch, die Vernetzung und Kooperationen aller

Bodenseeregion. Die Studie bündelt zu diesem Zweck bereits

relevanter Stakeholder – mit dem Ziel, nachhaltige Wettbe-

bestehendes Wissen und zeichnet auf Basis der Analyse und

werbsvorteile für die Unternehmen der Bodenseeregion zu

Auswertung von Experteninterviews sowie Daten einer On-

schaffen sowie die Region als Ganze nachhaltig zu stärken.

line-Befragung ein länder- und branchenübergreifendes Ab-

Hinsichtlich dieser Erkenntnisse wird das BIC auch in Zukunft

bild der Chancen, Herausforderungen und Trends, die für die

daran arbeiten, die relevanten Entwicklungen und Trends

Unternehmen der Bodenseeregion mit dem digitalen Struk-

in der Bodenseeregion zu erheben und zu kontextualisieren.

turwandel einhergehen. Die Erhebung dient der Erweiterung

Dies dient dem übergeordneten Ziel, durch Zusammenarbeit

und Evaluierung einer ersten Studie zum Fortschritt digitaler

in Wissensnetzwerken an der Sicherung einer ökonomisch,

Transformation in der Bodenseeregion aus dem Jahr 2018. Sie

ökologisch und gesellschaftlich nachhaltigen Entwicklung der

erweitert das bestehende Wissen um branchenspezifische

Bodenseeregion zu arbeiten. Dazu wird das BIC die identifizier-

Betrachtungen und Analysen aus der Banken-, Logistik-, Me-

ten Trends in der Arbeit in Innovationskreisen operationalisie-

dizintechnik- und Pharma- sowie Verpackungsbranche, die

ren: Das BIC bietet damit eine Plattform für die Vernetzung der

für den wirtschaftlichen Erfolg und gesellschaftlichen Zusam-

Unternehmen, die Identifikation themenspezifischer Expertise

menhalt in der Bodenseeregion von zentraler Relevanz sind.

sowie den gegenseitigen Wissensaustausch zwischen Akteu-

Darüber hinaus legt die Studie einen thematischen Fokus auf

ren aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft.

Fragen rund um das Thema Innovationsmanagement in Unternehmen wie auch auf Erfolgsfaktoren von Mitarbeiter- und Un-

Aufsetzung der Studie

ternehmensführung in Zeiten zunehmender Komplexität und Schnelllebigkeit.

Das Forschungsdesign der Studie kombiniert qualitative und quantitative Erhebungs- und Forschungsmethoden. Die Ana-

Anknüpfend an die Ergebnisse der Studie von 2018 aktuali-

lyse und Auswertung basiert dabei auf der Erhebung von

siert die vorliegende Erhebung die Wissensgrundlage zur

Daten aus Experteninterviews sowie einer Online-Befragung.

thematischen Schwerpunktsetzung des Bodensee Innovati-

Die Kombination beider Erhebungsmethoden ermöglicht es,

onsclusters | BIC .

die Stärken der beiden Forschungslogiken zu verknüpfen. Die Datenbasis bietet damit ein breites, branchenübergreifendes

2


Abbild der Unternehmen der Bodenseeregion. Dies ermöglicht

Damit gehen jedoch zentrale Herausforderungen im Bereich

es, die Entwicklung der Digitalisierung in den Unternehmen

Cybersecurity und in der Implementierung einer digital-affinen

nachzuvollziehen, Erfolgsfaktoren der ( digitalen ) Führung zu

Unternehmenskultur einher. Deren Bewältigung kann nach

identifizieren sowie Herausforderungen im Rahmen des Inno-

Aussagen der Experten durch Technologieoffenheit, Lernbe­

vationsmanagements darzulegen. Zugleich kann auf Basis der

reitschaft und grundlegende informationstechnologische Kom-

( virtuell ) durchgeführten Interviews mit 39 Unternehmen der

petenzen seitens der Unternehmensführung und des Personals

vier Fokusbranchen – Banken-, Logistik-, Medizintechnik- und

erfolgen. Daraus ergibt sich eine dringende Notwendigkeit des

Pharma- sowie Verpackungsbranche – ein detailliertes Abbild

Ausbaus von Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in der

zentraler Fragen im Kontext der digitalen Transformation si-

Bodenseeregion sowie des generationen- und bereichsüber-

chergestellt werden.

greifenden Wissenstransfers in den Unternehmen.

Chancen, Herausforderungen und Trends der digitalen Transformation

Bodenseeregion, in Deutschland, Österreich und der Schweiz,

Die Erkenntnisse der Studie deuten – neben interessanten Ent-

sifizieren und daraus resultierend ein enormes Potential für zu-

wicklungen innerhalb der einzelnen Branchen – insbesondere

künftige Effizienzsteigerungen innerhalb der Wertschöpfungs-

auf einige industrieübergreifende Chancen, Herausforderun-

kette sehen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Unternehmen der die digitale Transformation als hochrelevante Entwicklung klas-

gen und Trends der digitalen Transformation für die Unternehmen der Bodenseeregion hin. Länderübergreifend ( Deutschland, Österreich, Schweiz ) sehen die befragten Experten die größten Chancen für Unternehmen in der Realisierung von kundenzentrierten Geschäftsmodell-, Prozess- und Produktinnovationen. Diese gelten als Treiber für die zukünftige Konkurrenzfähigkeit in einem dynamischen, globalen Wettbewerb. Die durch die digitale Transformation möglich werdende Vernetzung von Maschinen, Produkten und Services sowie die umfangreiche Auswertung unternehmensinterner Daten bieten darüber hinaus die Grundlage für die Integration neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz und Big-Data-Anwendungen.

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INH A LT

6 Grusswort 10 Einleitung zur Studie 12 Vorgehensweise und Methodik der Evaluierungsstudie 15 Die Bodenseeregion – Ein Wirtschaftsraum, verschiedene Innovationsmechanismen 21 Die Erkenntnisse 2020 im Vergleich zu 2018 27 Die industrießbergreifenden Erkenntnisse 37 Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Bankenbranche 39 Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Logistikbranche 41 Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Medizintechnik- und Pharmabranche 43 Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Verpackungsbranche 47 Kontextualisierung der Erkenntnisse 53 Special Issue 2020 – Leading Digital Transformation 59 Relevanz und Arbeitsweise des Bodensee Innovationsclusters | BIC 63 Ausblick 67 Team


GRUSSWORT

Seit der Entstehung der Menschheit werden Gesellschaften

So stehen Unternehmen beispielweise durch die Sammlung

vor die Herausforderung gestellt, Wissen zu generieren, zu

und Auswertung immenser Datenmengen bisher ungeahnte

schützen, effizient zu nutzen und erfolgreich an andere und

Möglichkeiten der Steuerung ihrer Unternehmen zu Verfügung.

über Generationen hinweg weiterzugeben. War es vor eini-

Mehr noch : Gesamte Wertschöpfungsketten lassen sich nicht

gen Jahrhunderten für Individuen noch möglich, sich einen

nur digital nachverfolgen, sondern auch digital simulieren, wo-

bedeutsamen Anteil des damals bestehenden Wissens anzu-

durch die Unternehmen gezielt verschiedene Szenarien vorbe-

eignen, so führte die Weiterentwicklung der Gesellschaft seit

reiten und erarbeiten können.

Beginn des Industriezeitalters zu einem derart rasanten Anstieg der Wissensmenge, dass dies nicht mehr möglich ist : Diese akzelerierende Komplexität führ-

Das rasante Wachstum der digitalen Transformation

te dazu, dass Arbeitsabläufe ge-

Jedoch gehen diese Vorteile auch mit Herausforderungen einher : Das rasante Wachstum der digitalen Transformation und die un­ gekannte Komplexität unserer Gegenwart füh­ren unter anderem zu einer enormen

teilt wurden und ein Individuum nicht mehr alle Arbeitsschritte

Nachfrage nach speziellen informationstechnologischen Kom-

und Abläufe gleichermaßen beherrschen konnte beziehungs-

petenzen, um mit Hilfe digitaler Technologien neue Wissens-

weise musste. Die Individuen spezialisierten sich also und wur-

ressourcen innerhalb von Unternehmen und für die Gesell-

den zu Experten mit immensen Wissensressourcen in ihrem

schaft zu heben. Dabei gilt es allerdings auch, das erarbeitete

Fachgebiet. Eine weitere Neuerung erfolgte durch den digital

Wissen und Informationen zu schützen und unerlaubte Zugrif-

getriebenen Strukturwandel, der nun dazu führte, dass dieses

fe zu verhindern. Auch wenn die Angreifer in unserem Zeitalter

Expertenwissen zwar weiterhin benötigt wird, aber insbeson-

keine hölzernen Pferde mehr verwenden, um Tore zu öffnen,

dere die Vernetzung von Wissen – egal ob auf interpersonaler

ist der Begriff „Trojaner“ doch ein äußerst passender Begriff in

Ebene oder zwischen Mensch und Maschine – in Zukunft ein

Zeiten exponentiell zunehmender digitaler Datenspeicherung.

entscheidender Faktor für ökonomischen wie gesellschaftli-

Digitale Technologien öffnen Tür und Tor – aber darf der Eintre-

chen Erfolg sein wird.

tende (  sei es eine Person oder ein System ) die dahinterliegenden Informationen nutzen beziehungsweise besitzen ?

6


Ein weiterer interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang wird seit einigen Jahren mit dem Begriff der „Schwarmintelligenz“ gefasst : Sie beschreibt die Tatsache, dass kom-

Über die Vernetzung von Wissensressourcen die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu verstehen und zu bearbeiten

plexe Probleme meist nur über die Vernetzung vormals fragmentierter Wissensbausteine zu lösen sind. Organisationen jeglicher Art bieten diese neuen Strategien daher die Chance, über die Vernetzung von Wissensressourcen die komplexen Herausforderungen unserer Zeit zu verstehen und zu bearbeiten, um bestehende Probleme zu lösen. Die erfolgreiche Umsetzung digitaler Transformation sollte dabei immer auch das Wissen unternehmensexterner Akteure heranziehen, denn gerade in einer Epoche großer Unsicherheit ist die Nutzung von Synergien zentral für die erfolgreiche Bewältigung neuer und immer komplexerer Fragestellungen. Zu genau diesem Zweck möchten wir alle relevanten Akteure der Bodenseeregion aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft dazu einladen, die sich bietenden Chancen der digitalen Transformation zu ergreifen, sodass die Vierländerregion auch in Zukunft ein Ort ökonomischer Prosperität und gesellschaftlichen Zusammenhalts über Ländergrenzen hinweg bleibt.

Prof Dr Josef Wieland | LEIZ

Dr Lennart Brand | LEIZ

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Einleitung zur Studie Die vorliegende zweite Erhebung des Bodensee Innovations-

Trias technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Innovation

clusters | BIC setzt die 2018 erstmalig durchgeführte Betrachtung fort. Sie verfolgt das übergeordnete Ziel, den Fortschritt der digitalen Transformation in der Bodenseeregion greif- und beobachtbar zu machen sowie die wichtigsten mit dem digitalen Strukturwandel einhergehenden Chancen, Herausforderungen und Trends aufzuzeigen. Dabei versteht das BIC die da-

Technologische Innovationen

Gesellschaftliche Innovationen

mit verbundenen Transformationsprozesse als einen Dreiklang von technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderung, der allein es ermöglicht, das Phänomen des digitalen Strukturwandels in seiner Gesamtheit zu begreifen und wertschöpfend für Wirtschaft und Gesellschaft zu nutzen. Diese Trias der Untersuchung von technologischer Innovation, Geschäftsmodellinnovation und gesellschaftlicher Innovation erlaubt es, den technologischen Fortschritt wie auch die Im-

GeschäftsmodellInnovationen

plikationen für Unternehmen und Gesellschaft zu erfassen und positiv zu gestalten. Dieser eben genannte Dreiklang stellt weiterhin die Arbeitsgrundlage des BIC dar, die es erlaubt, das Phänomen digitaler Transformation ganzheitlich zu betrachten ( Abbildung 1). Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie hat erneut deutlich wer-

der gesellschaftlichen Implikationen untersucht. Dabei zeigen

den lassen, dass Unternehmen in kontinuierlicher interdepen-

insbesondere Trends, wie der vorherrschende Fachkräfteman-

denter Beziehung zu ihrem gesellschaftlichen Kontext und des-

gel, beispielhaft die Verbindung der Unternehmen mit ihrem

sen relevanten Akteuren stehen. Erst innerhalb der genannten

Umfeld : Treten Unternehmen als Treiber des digitalen Wandels

Trias und ihrer Interdependenzen entsteht die Wertschöpfung

auf, müssen sie zugleich auch in die Region, in der sie verortet

der Unternehmen – und es ist eben dieses Zusammenspiel,

sind, investieren. Nur dadurch können sie sicherstellen, dass

das neben Rechten auch Pflichten für die Unternehmen be-

sie in ihrem Umfeld die nötigen Ressourcen für den eigenen

dingt. Diese werden in der vorliegenden Erhebung im Zuge

Unternehmenserfolg vorfinden.

10


ERHEBUNG 2020

Dass die Unternehmen – vor allem an einem so hochindustri-

der digitalen Transformation in der Bodenseeregion ab. Dar-

alisierten und innovationsstarken Standort wie der Bodensee-

über hinaus beinhaltet die Erhebung sowohl branchenüber-

region – in die Entwicklung und Nutzung neuer Technologien

greifende sowie branchenspezifische Erkenntnisse aus der

investieren, um sowohl auf dem Heimatmarkt als auch im glo-

Banken-, Logistik-, Medizintechnik- und Pharma- sowie Verpa-

balen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, versteht sich

ckungsbranche mit Blick auf diverse Themenfelder der digita-

eigentlich von selbst. Allerdings verdeutlichen die in der vorlie-

len Transformation. So wurden auch in diesem Jahr Branchen

genden Erhebung identifizierten Trends, dass auch die gesell-

für die Erhebung ausgewählt, die zentral für die wirtschaftliche

schaftliche Komponente wirtschaftlichen Erfolgs zunehmend

Prosperität der Bodenseeregion sind. Schließlich legt die Stu-

vom digitalen Transformationsprozess beeinflusst wird. Bei-

die einen thematischen Schwerpunkt auf Fragen rund um das

spielsweise stellt die zunehmende Besorgnis der Öffentlichkeit

Thema Innovationsmanagement in Unternehmen sowie auf

bezüglich der Sicherheit privater Daten, fehlendes Vertrauen in

Erfolgsfaktoren von Mitarbeiter- und Unternehmensführung in

digitale Technologien oder eine generelle Angst vor dem „Un-

Zeiten des digitalen Strukturwandels.

bekannten“ Herausforderungen für Unternehmen innerhalb des digital getriebenen Strukturwandels dar. Es ist für Unter-

Die besten Voraussetzungen dafür hat in Zeiten der Verände-

nehmen der Bodenseeregion daher unabdingbar, sich in die-

rung seit jeher derjenige, der es zum einen schafft, erfolgsrele-

sem Spannungsfeld zu positionieren, um in diesen Zeiten des

vantes Wissen zu identifizieren, und zum anderen Wege findet,

Umbruchs positive gesamtgesellschaftliche Impulse setzen zu

dieses Wissen möglichst synergetisch in seinem Umfeld oder

können.

der eigenen Organisation zu implementieren. Da die aktuelle Entwicklung einen bisher beispiellosen Grad an Komplexität

Das BIC möchte in diesem Zusammenhang durch die Identifi-

mit sich bringt, kann das notwendige Wissen für unternehme-

kation und Bearbeitung relevanter Themenfelder gemeinsam

rische Entscheidungsfindung nicht mehr nur einem Akteur al-

mit den Unternehmen und über Kooperationen mit weiteren

lein obliegen. Vielmehr gilt es, Wissen über das Management

Stakeholdern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilge-

sowohl unternehmensinterner als auch -externer Netzwerke

sellschaft dazu beitragen, dass die Wissens- und Wirtschafts-

zusammenzuschließen, um dadurch die eingesetzten Ressour-

region Bodensee auch in Zukunft ein wichtiger Standort für

cen mit maximaler Effizienz nutzen zu können. Der Austausch

ökonomische und gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung

dieses spezifischen Wissens zwischen untereinander vernetz-

bleibt. Die Studie bündelt zu diesem Zweck bereits bestehen-

ten Akteuren wird damit sicherlich ein entscheidender Faktor

des Wissen und bildet zudem auf Basis der Analyse von Ex-

für die erfolgreiche Gestaltung des digitalen Strukturwandels

perteninterviews und Daten einer Online-Befragung innerhalb

in der Bodenseeregion sein, was auch die im Folgenden prä-

ausgewählter Unternehmen einen Ausschnitt des Status quo

sentierten Erkenntnisse belegen. 11


Die Vorgehensweise und Methodik der Evaluierungsstudie Das Forschungsdesign der Studie basiert auf einem klassischen

Die Experteninterviews

Mixed-Method-Ansatz  . Das bedeutet für die vorliegende Erhe1

bung, dass die Daten sowohl durch persönlich geführte Exper-

Wie schon in der Erhebung von 2018 wurden auch bei der vor-

teninterviews als auch über einen quantitativen Online-Fragebo-

liegenden Studie vier Fokusbranchen betrachtet, die zentral für

gen erhoben wurden. So wurden qualitative mit quantitativen

den wirtschaftlichen Erfolg der Bodenseeregion sind – gemäß

Erhebungs- und Forschungsmethoden kombiniert, um die Stär-

dem Standard der Internationalen Bodensee Konferenz 2. Aus-

ken beider Forschungslogiken optimal für den Erkenntnisge-

gewählt wurden in diesem Jahr die Banken-, Logistik-, Medizin-

winn nutzen zu können. Die jeweilige Größe des Datensatzes

technik- und Pharma- sowie die Verpackungsbranche. Dadurch

kann folgender Abbildung entnommen werden.

komplementiert die aktuelle Studie die frühere Erhebung von

Kombination quantitativer und qualitativer Erhebungsund Forschungsmethoden

2018, in der die Branchen Maschinenbau, Automotive und IT betrachtet wurden.

n=47 n=39

Pro Industrie wurden durchschnittlich zehn Experteninterviews geführt, um ein möglichst detailliertes Bild bezüglich der zentralen Fragen im Bereich der digitalen Transformation zu erhalten. Insgesamt umfasst der qualitative Datensatz 39 Unternehmen der Bodenseeregion. Dabei wurden 24 Experten aus Deutschland, drei aus Österreich und zwölf aus der Schweiz befragt.

Qualitative Befragung Experteninterviews

Quantitative Befragung Fragenbogen

Die Interviewpartner waren ausschließlich in Führungspositionen : 20 gehörten zur Zeit der Befragung dem Vorstand be-

Wie angesprochen, bedeutet dies, dass die vorliegende Analy-

ziehungsweise der Geschäftsführung an ; die 19 weiteren Ex-

se auf zwei unterschiedlichen, länderübergreifenden ( D -A-CH )

perten waren Bereichs-, Abteilungs- oder Gruppenleiter. Alle

Datensätzen basiert. Erhoben wurden zum einen Daten aus

befragten Experten wurden zudem gebeten, sich an der On-

persönlich geführten Experteninterviews, die aufgrund der Co-

line-Befragung zu beteiligen.

vid-19-Pandemie in diesem Jahr virtuell stattfanden, und zum anderen ein quantitativer Datensatz, der über eine Online-Befragung in Form eines Fragebogens ermittelt wurde. Gemein ist diesen Datengrundlagen jedoch, dass sie beide im Zeitraum zwischen dem 13. April 2020 und 1. Juli 2020 erhoben wurden. 12


ERHEBUNG 2020

Die quantitative Online-Befragung

25 Teilnehmer der Online-Befragung sind im Vorstand beziehungsweise der Geschäftsführung tätig. Weitere 18 sind Be-

Der Personenkreis, der mit dem Fragebogen angesprochen

reichs-, Abteilungs- oder Gruppenleiter. Lediglich drei Perso­nen

wurde, ergab sich aus bestehenden Kontakten des BIC : Zum

bekleiden in ihren Unternehmen keine hochrangige Führungs-

einen wurde der Fragebogen an Personen versandt, deren Un-

funktion, waren aber dennoch entscheidungsbefugt in ihrem

ternehmen bereits Teil der Erhebung von 2018 war und die dort

Arbeitsbereich. Damit bietet das Sample eine sehr valide Daten-

eine Führungsfunktion innehaben  ; zum anderen wurden unter

grundlage zu Fragen der strategischen Ausrichtung des jewei-

den eigenen Kontakten weitere relevante Unternehmen der

ligen Unternehmens im Kontext der digitalen Transformation.

Bodenseeregion identifiziert. Insgesamt konnte dadurch ein quantitativer Datensatz von 47 Unternehmen erhoben werden.

Verwendung der Datensätze innerhalb der Studie

Innerhalb des quantitativen Datensatzes stammen 33 Unter-

Für die weitere Analyse und Auswertung der Erhebung wur-

nehmen aus Deutschland, fünf aus Österreich und neun aus

de folgende Verwendung der Daten festgelegt : Während sich

der Schweiz. Länderübergreifend sind 17 Unternehmen dem

der eingangs vorgestellte Vergleich der Jahre 2018 und 2020,

produzierenden Gewerbe und 30 dem Dienstleistungssektor

die branchenübergreifenden Erkenntnisse sowie der diesjähri-

zuzuordnen. Im Mittel bestehen die Unternehmen seit 72 Jah-

ge Themenschwerpunkt „Digital Leadership“ sowohl auf den

ren: Das älteste Unternehmen wurde im Jahr 1823 gegründet,

qualitativen als auch auf den quantitativen Datensatz stützen,

das jüngste erst 2019.

beruhen die industrieübergreifenden und industriespezifischen Erkenntnisse ausschließlich auf den persönlich geführten Ex-

24 Unternehmen sind KMU ( kleine und mittlere Unternehmen,

perteninterviews. Für die Analyse und Gewinnung der wei-

Umsatz pro Geschäftsjahr kleiner als 50 Millionen Euro und

terführenden Erkenntnisse – zum Beispiel erster erkennbarer

weniger als 250 Beschäftigte )  ; 23 Unternehmen gehören dem

Muster und Gruppierungen ( siehe auch Kapitel „Die Boden-

Mittelstand an beziehungsweise der Kategorie der Großkon-

seeregion – Ein Wirtschaftsraum, verschiedene Innovations-

zerne ( für die Grundlage der exakten Zuordnung der Unterneh-

mechanismen“ ) – wurde ausschließlich der quantitative Da-

men nach Umsatz und Mitarbeiterzahl 3 ).

tensatz verwendet.

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ERHEBUNG 2020

Die Bodenseeregion – Ein Wirtschaftsraum, verschiedene Innovationsmechanismen Die Bodenseeregion gilt als eine der innovationsstärksten Re-

Die Gründe für die Innovationsentwicklung in Unternehmen

gionen Europas  . Diesen Status verdankt die Region vor allem

sind dabei vielfältig : Innovationen können einerseits ein essen-

ihren Unternehmen und deren traditionell sehr vorausschau-

tieller Bestandteil des Geschäftsmodells sein und damit dauer-

4

ender Geschäftspolitik. Zusätzlich ist in den vergangenen Jah-

haft und stetig gefördert werden. Andererseits werden Inno-

ren aber deutlich geworden, dass die teils disruptiven Prozesse

vationen häufig erst dann verstärkt vorangetrieben, wenn für

der digitalen Transformation einen immensen Einfluss auf die

die Unternehmen erkennbar ist, dass die bisherigen Geschäfts-

Formen und Mechanismen der Generierung von Innovationen

modelle und Produkte beziehungsweise Dienstleistungen

nehmen.

nicht mehr den gewünschten Erfolg erbringen. Zudem können Innovationen auch zufällig entstehen, ohne dass das eigene

Unabhängig von der Art der Innovation ( zum Beispiel Produkt-

Geschäftsmodell grundlegend auf stetige Weiterentwicklung

oder Serviceinnovation ) und ihrem Grad ( radikal / disruptiv vs.

ausgerichtet ist. Mit Blick auf die Innovationsfähigkeit eines

inkrementell / optimierend ) spielen besonders der Ort der Inno-

Unternehmens stellt sich allerdings die Frage, ob und inwie-

vationsentwicklung und die Relevanz der Innovation bezüglich

fern im Bereich der digitalen Transformation bestimmte Inno-

des Geschäftsmodells eines Unternehmens eine zentrale Rolle.

vationstypen oder Innovationsklassen mit einer erhöhten Innovationsfähigkeit von Unternehmen einhergehen.

So kann die Entstehung von Innovationen auf sehr unterschiedliche Art stattfinden : Sie kann unter anderem zentral ( inner-

Über bestimmte statistische Berechnungsverfahren lassen sich

halb einer Abteilung beziehungsweise unter Verantwortung

solche strukturellen Unterschiede beziehungsweise Gemein-

einer Person ), dezentral ( in verschiedenen Abteilungen be-

samkeiten herausfiltern 5. Zu diesem Zweck wurden die Exper-

ziehungsweise durch diverse Personen ) oder auch innerhalb

ten im Rahmen der Online-Befragung gebeten, Zustimmungs-

einer eigens dafür eingerichteten, hybriden Einheit des Unter-

werte auf einer Skala von 1 (  stimme überhaupt nicht zu ) und 7

nehmens entstehen ( zum Beispiel internes Vorschlagswesen,

(  stimme voll und ganz zu ) bezüglich der Verortung der Innovati-

Think Tank, Innovation Hub, Inkubator ).

onsentwicklung im eigenen Unternehmen sowie ihre Relevanz für das Geschäftsmodell abzugeben. Diese Verortung kann

Darüber hinaus stellt sich für die Generierung von Innovatio-

dabei beispielsweise eine gesonderte Abteilung wie auch eine

nen stets die Frage, ob und inwiefern das Geschäftsmodell ei-

speziell für diese Aufgabe abgestellte Person darstellen.

nes Unternehmens von der Generierung neuer Innovationen abhängt beziehungsweise ob Innovationen ein relevantes Ele-

Die befragten Experten evaluierten über diese Zustimmungs-

ment des eigenen Geschäftsmodells darstellen.

werte den Innovationslokus (  zentral, dezentral, hybrid ) und

15


die Innovationsrelevanz sowie die im Unternehmen vorherr-

wenn sich abzeichnet, dass bisherige Produkte, Dienstleis-

schenden Innovationsmechanismen (  dauerhaft notwendig und

tungen oder Geschäftsmodelle nicht mehr den gewünschten

stetig gefördert, da zentral für Geschäftsmodell ; Innovationen

Erfolg liefern. Im Vergleich mit den anderen beiden Innovati-

als Krisenprävention beziehungsweise Neuentwicklung des

onsgruppen lässt sich dies deutlich durch die geringste Zu-

Geschäftsmodells ; Innovationen entstehen eher spontan und

schreibung der Bedeutung von Innovationen innerhalb des

damit zufällig ). Anhand ihrer Antwortmuster lassen sich die

eigenen Geschäftsmodells feststellen. Darüber hinaus liegt die

einzelnen Unternehmen in bestimmte Gruppen mit ähnlichem

selbst eingeschätzte Innovationsfähigkeit im Kontext der digi-

Innovationsverhalten einteilen. Diese Gruppeneinteilung gibt

talen Transformation bei diesen Unternehmen bei einem Wert

einen Einblick im Umgang mit Innovationen in der Bodensee-

von 3,8, das heißt einen gesamten Punkt unter dem Mittelwert

region. Zusätzlich wurden die Antworten in der folgenden Ana-

aller 47 Unternehmen.

lyse mit der Selbsteinschätzung der Innovationsfähigkeit der Unternehmen bezüglich der digitalen Transformation (  1=sehr niedrig ; 7=sehr hoch ) gekoppelt.

In der zweiten Innovationsgruppe ( Innovationsgeneralisten ), der insgesamt zehn Unternehmen angehören, lässt sich hinsichtlich der Innovationsentwicklung, im Sinne der Innovati-

Auswertung und Gruppierung der Erkenntnisse

onsfähigkeit im Kontext digitaler Transformation ein ähnlicher Wert feststellen. Charakteristisch für diese Gruppe ist es, dass

Die folgende Abbildung der eben beschriebenen Auswertung

Innovationen dezentral entwickelt und damit von unterschied-

zeigt, dass sich die 47 in dieser Analyse betrachteten Boden-

lichen Personen und Abteilungen erarbeitet werden. Jedoch

seeunternehmen in drei Innovationsgruppen einteilen lassen.

stellen Innovationen in dieser Gruppe – im Unterschied zur vor-

Diese Einteilung stellt zugleich die optimale statistische Berech-

herigen Gruppierung – ein zentrales Element des Geschäfts-

nungsform dar : Die Einteilung in die drei Gruppen des Innova-

modells dar. In dieser Unternehmensgruppe der Innovations-

tionsverhaltens beruht auf einer maximalen Homogenität der

generalisten werden Innovationen sowohl dauerhaft als auch

Unternehmen innerhalb einer Gruppe und einer minimalen Ho-

präventiv zur Vorbeugung von Krisen gefördert und als Option

mogenität der Unternehmen zwischen den jeweiligen Gruppen.

für eine stetige Erneuerung des Geschäftsmodells anerkannt.

Die Balken geben dabei jeweils den Mittelwert der getätigten

Diese Anerkennung scheint sich allerdings bisher noch nicht

Angaben aller Unternehmen innerhalb einer Gruppierung an.

auf die Innovationsfähigkeit im Zuge der digitalen Transformation niedergeschlagen zu haben : Der Mittelwert dafür liegt

Der ersten Innovationsklasse (  Spontaninnovatoren ) lassen sich

innerhalb dieser Gruppe von Unternehmen lediglich bei 3,7

insgesamt neun der 47 Unternehmen zuteilen. Die Unterneh-

Skalenpunkten und ist damit der niedrigste über alle drei Inno-

men innerhalb dieser Gruppierung zeichnen sich vor allem

vationsklassen hinweg.

durch eine zentrale, durch Spontanität geprägte Innovationskultur aus. Diese zentral organisierten Spontaninnovatoren

In der dritten Unternehmensklasse (  Innovationsenthusiasten ),

treiben Innovationen im Besonderen dann verstärkt voran,

die knapp 60 Prozent (  28 von 47 ) aller befragten Unternehmen

16


ERHEBUNG 2020

beinhaltet, entstehen Innovationen an verschiedenen Orten in

dieser Gruppe als zentraler Faktor für den Unternehmenserfolg

den Unternehmen : Der Aussagen der Interviewpartner nach

bewertet und daher in jeder unternehmerischen Phase geför-

sind in diesen Unternehmen diverse Personen und Abteilun-

dert. Zudem entstehen Innovationen in diesen Unternehmen

gen an analogen wie auch digitalen Innovationsprozessen be-

eher selten spontan, sondern unterliegen einem personen-

teiligt. Diese Aussage wird gestützt durch die – im Vergleich zu

und abteilungsübergreifenden Innovationsplan. Daher lassen

den Gruppierungen 1 und 2 – relativ hohe Selbsteinschätzung

sich die Unternehmen innerhalb dieser Gruppierung treffend

der Innovationsfähigkeit des eigenen Unternehmens im Zuge

als strukturiert-organisierte digitale Innovationsenthusiasten

der digitalen Transformation. Innovationen werden innerhalb

bezeichnen.

Klassifikation der befragten Unternehmen nach Innovationsklassen

1 Spontaninnovatoren (  n =9  )

2 Innovationsgeneralisten ( n =10 )

7

7

6

6

5

5

4

4

3

3

2

2

1

1

3 Innovationsenthusiasten ( n =28 )

Zentral

7

Dezentral

6

Hybrid

5

Innovationen spontan/zufällig

4 Innovationen zentral für GM 3 2 1

Innovationen als Krisenprävention/Neuentwicklung Innovationsfähigkeit Digitale Transformation

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Einordnung der Ergebnisse

zutreiben, zeigt sich auch in der diesjährigen Erhebung : Insbesondere Unternehmen, die eine hohe Innovationsfähigkeit mit

Generell bestätigen die Ergebnisse der vorliegenden Studie,

Blick auf die digitale Transformation besitzen, verstehen Inno-

dass die befragten Unternehmen auch weiterhin maßgeblich

vationen als Ergebnis verschiedener im Netzwerk agierender

dazu beitragen, dass die Innovationsstärke der Bodenseere-

Akteure ( zum Beispiel Personen, Unternehmensbereiche, Ab-

gion über die Landesgrenzen hinaus ausstrahlt. Unterschiede

teilungen ) 6. Der daraus resultierende Mehrwert für das Unter-

bestehen jedoch in der Art und Weise, unternehmensinterne

nehmen basiert auf Austauschprozessen in und zwischen In-

Innovationen zu generieren. Wenngleich hier keine Standard-

novationsnetzwerken – unternehmensintern wie auch -extern.

lösung existiert, scheinen hinsichtlich der Innovationsfähigkeit im Bereich der digitalen Transformation vor allem diejenigen

Die Gruppe der digitalen Innovationsenthusiasten weist so

Unternehmen einen Vorsprung zu genießen, die einerseits

auch im vorliegenden Datensatz die höchste Anzahl zusätzli-

Innovationen in Kooperationen mit weiteren Akteuren – unter

cher Kooperationsakteure auf und konnte bereits die größten

Nutzung von Synergien – entwickeln und andererseits Innova-

Fortschritte im Kontext der digitalen Transformation erzielen.

tionen als zentrale Komponente ihres Unternehmenserfolges

Diese Unternehmen kooperieren durchschnittlich mit fünf bis

ansehen. Sofern Innovationen also in Zusammenarbeit mit

neun unternehmensexternen Akteuren, um gemeinsam Pro-

unternehmensinternen und -externen Akteuren entstehen und

jekte im Bereich der digitalen Transformation voranzutreiben.

damit gezielt in die Innovationsfähigkeit des eigenen Unter-

Damit weist diese Innovationsklasse die höchsten Werte der

nehmens investiert wird, beeinflusst dies auch die Innovations-

Innovationsfähigkeit innerhalb der gesamten Gruppe der be-

fähigkeit des Unternehmens mit Blick auf die eigene digitale

fragten Unternehmen auf.

Transformation. Zusammenfassend zeigt die vorliegende Datenerhebung und Es sollte dennoch Ziel aller Unternehmen sein, trotz eines un-

-analyse, dass einerseits Innovationen und Innovationsfähig-

sicheren Entscheidungsumfeldes die eigene Innovationskraft

keit sowohl analoger als auch digitaler Natur einer zielgerich-

und Adaptionsfähigkeit zu fördern. Das Risiko und die dabei

teten Planung und proaktiven Umsetzung in Unternehmen be-

entstehenden Investitionskosten lassen sich auf vielfältige

dürfen. Andererseits belegen die Daten die theoretische These,

Weise reduzieren. Ein Beispiel dafür sind die oben genannten

dass die gemeinsame Innovationsentwicklung in einem Netz-

Innovationsnetzwerke, innerhalb derer Unternehmen gemein-

werk besonders erfolgversprechend ist. Dies schließt laut The-

sam mit anderen Akteuren an Lösungen für interne Fragestel-

orie und Aussagen der Unternehmen explizit auch Unterneh-

lungen oder an Produkten arbeiten.

menskooperationen mit ein, die als äußerst synergiestiftend gelten und damit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil

Die Tendenz, die digitale Transformation durch Maßnahmen,

für den Unternehmenserfolg in Zeiten der digitalen Transfor-

wie die Arbeit in Netzwerken und durch Kooperationen, voran-

mation darstellen können.

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ERHEBUNG 2020

Die Erkenntnisse 2020 im Vergleich zu 2018 Die folgenden Erkenntnisse beruhen auf einer Analyse der Da-

vor allem durch veränderte Kundenanforderungen und einen

ten aus der Erhebung von 2018 zum digitalen Wandel in der

steigenden Wettbewerbsdruck in vielen Branchen. Daher gilt

Bodenseeregion sowie der vorliegenden Folgestudie aus dem

es, Geschäftsmodelle regelmäßig zu überprüfen und kritisch

Jahr 2020. Es wird dabei vor allem auf die Fragestellung ein-

zu hinterfragen. Zudem wurde ein Trend, der bereits in der Er-

gegangen, welche Veränderungen sich in den vergangenen

hebung von 2018 deutlich wurde, erneut identifiziert : Bereits

beiden Jahren ergeben haben und welche Faktoren eine be-

damals zeichnete sich in der Maschinenbaubranche ab, dass

sondere Rolle bei der erfolgreichen Bewältigung des digital ge-

zum einen in Partnerschaften hinsichtlich der Innovation von

triebenen Strukturwandels spielen.

Produkten

investiert

wurde und sich zum Die geführten Interviews verdeutlichen, dass der Einfluss der digitalen Transformation auf die Strategie vieler Unternehmen der Bodenseeregion stark zugenommen hat. Es stellt sich dabei heraus, dass eine klare Vision mit festgelegten Zielen genauso wichtig ist wie die Bereitschaft, disruptive Innovationen konsequent um-

Der Einfluss der digitalen Transformation auf die Strategie vieler Unternehmen der Bodenseeregion hat stark zugenommen.

anderen

Maschinen-

bauunternehmen

zu-

sehends zu IT-Dienstleistern entwickelten. Eben

dieser

Trend,

dem­zufolge die Wertschöpfung des Unter­ nehmens mittlerweile

zusetzen. Während der Einfluss auf die Ge-

verstärkt durch digita-

schäftsmodelle ebenfalls stetig zunimmt,

le Angebote stattfin-

ist bei deren Adaption und Erweiterung bisher nur ein mäßiger

det, wurde in der Erhebung von 2020 überdeutlich bestätigt.

Fortschritt erkennbar. Dies scheint sich durch die Wahrneh-

Auch in den diesjährig befragten Industrien stieg die Nach-

mung vieler der befragten Unternehmen zu begründen, die

frage an informationstechnologischem Fachwissen, was ein

ihre aktuellen Geschäftsmodelle noch nicht als grundlegend

Anzeichen dafür ist, dass der Fokus der Wertschöpfung in

bedroht ansehen. Sehr wohl sind sich die befragten Unter-

Zukunft stärker auf Informationstechnologie und den daraus

nehmen aber der beträchtlichen Chancen bewusst, die mit

herrührenden Produkten und Dienstleistungen beruhen dürfte

der digitalen Transformation einhergehen. Diese könnten es

als auf der physischen Produktion von Gütern. So kann ange-

ihnen ermöglichen, ihre Dienstleistungen und Angebote oder

nommen werden, dass die unternehmerische Wertschöpfung

auch ihr gesamtes bestehendes Geschäftsmodell zu erwei-

der Bodenseeregion zukünftig generell stärker durch digitale

tern. Getrieben werden diese Geschäftsmodellanpassungen

Technologien und Dienstleistungen geprägt sein wird.

21


Neben dem großen Potential dieser Entwicklung entstehen

positive Erfahrungen damit gemacht, bestehende Mitarbeiter

aber auch Herausforderungen unter anderem in den Berei-

in digitalen Bereichen weiterzubilden und so deren Potenti-

chen schulische, akademische und betriebliche Bildung so-

al – jahrelange Berufserfahrung in Kombination mit digitalem Know-how – voll auszuschöpfen. Als

wie Forschung : Der vorherrschende Fachkräftemangel war bereits im Jahr 2018 ein ausschlaggebendes Thema, ein Trend, der auch im Jahr 2020 weiterhin eine der größten Herausforderungen für die Bodenseeregion darstellt. Die Hälfte der befragten Unternehmen bezeichnete die Lösung dieser The-

Darüber hinaus lässt sich die Tendenz erkennen, dass die Weiterbildung des bestehenden Personals an Bedeutung gewonnen hat

Erfolgsfaktor für die Weiterbildung des Personals wird dabei stets die Vorbildfunktion der Führungskräfte genannt : Wird die digitale Transformation in der oberen Führungsebene „gelebt“, hat dies einen positiven Einfluss auf die Motivation und die Bereitschaft der Mitarbeiter, diese mitzugestalten und

matik als äußerst relevant für den

eigene Ideen einzubringen. Stößt man

weiteren Unternehmenserfolg. Das

bei den digitalen Kompetenzen der

liegt unter anderem daran, dass für viele Aufgaben IT-Spezi-

Mitarbeiter an Grenzen, bieten sich laut den befragten Unter-

alisten benötigt werden, die der Markt aktuell nicht oder nur

nehmen mitunter auch pragmatische Lösungen an : Beispiels-

zu sehr hohen Preisen anbietet. Zusätzlich spielt dabei auch

weise berichten Unternehmen von der gezielten Kombinati-

die ländliche Prägung der Bodenseeregion eine zunehmende

on von Personen mit diversen Kompetenzen innerhalb eines

Rolle. Gerade junge und gut ausgebildete IT-Fachkräfte be-

Teams, sodass ein Lern- und Schulungseffekt bereits durch

vorzugen oft urbane Umgebungen. Laut der Aussagen einiger

die unterschiedlichen Perspektiven bei der Zusammenarbeit

Unternehmen verlagern daher diejenigen, die es sich leisten

möglich ist. Diese Form der Zusammenarbeit bietet für beide

können, zentrale IT-Einrichtungen und -Dienstleistungen in

Seiten die Chance, von den Fähigkeiten des anderen zu profi-

größere Städte beziehungsweise ins Ausland oder kaufen die-

tieren. Maßnahmen wie diese eignen sich somit dazu, die Res-

se Dienste vermehrt extern ein. Als weiterer Lösungsweg hat

source Wissen in der Bodenseeregion weiter zu stärken.

sich aber auch die Aus- und Weiterbildung von eigenen Fachkräften und deren langfristige Bindung an das Unternehmen

Neben dem Personalmanagement der Unternehmen stellt die

gezeigt. Zur Gewinnung von neuen Mitarbeitern integrieren

Datensicherheit weiterhin eine zentrale Herausforderung im

die befragten Unternehmen zunehmend Social-Media-Kanäle

Kontext der digitalen Transformation dar. Nach Aussagen der

wie Instagram oder Facebook in das Personalmanagement.

Interviewpartner war Cybersecurity in den vergangenen Jahren bereits ein essenzieller Bestandteil der Unternehmensstra-

Darüber hinaus lässt sich die Tendenz erkennen, dass die Wei-

tegie. Dieser Trend hat sich im Laufe der Zeit sogar verstärkt,

terbildung des bestehenden Personals an Bedeutung gewon-

da viele der befragten Unternehmen bereits direkte Erfahrun-

nen hat. Jeder dritte der Gesprächspartner hat inzwischen sehr

gen mit Cyberattacken oder ähnlichen sicherheitsrelevanten

22


ERHEBUNG 2020

Vorkommnissen gemacht haben. Dies verdeutlicht die Relevanz

politische Entscheidungen, wie beispielsweise die Einführung

der Thematik in den Unternehmen und ließ deren Stellenwert

der Datenschutz-Grundverordnung (  D SGVO ) , oder teils vor-

stetig steigen. Waren diese Themen zunächst rein operativer

handene Rechtsunsicherheit zu erheblichen Effizienzverlusten

Natur, sind sie mittlerweile auf strategischer Ebene nicht mehr

in den Unternehmen bei. Als weitere Herausforderung für die

wegzudenken. Nennenswert ist an dieser Stelle, dass die digi-

Region wurde zudem auf deutscher Seite des Öfteren die teils

tale Transformation sowie der damit verbundene Wandel oft-

mangelhafte digitale Infrastruktur mit Blick auf schnelle und

mals in Konflikt mit den strengen, aber dennoch notwendigen

stabile Internetverbindungen angesprochen.

Sicherheitsvorschriften steht. Als eine der bedeutendsten Chancen sahen die Experten soDiese Interdependenz zeigte sich vor allem in der aktuellen

wohl im Jahr 2018 als auch im Jahr 2020 Effizienzsteigerun-

Covid-19-Situation, aufgrund derer die Sicherheitsvorschriften

gen in sämtlichen Bereichen der Wertschöpfungskette. Dies

teilweise gelockert wurden, um die Arbeitsfähigkeit der jewei-

beginnt bei Bürotätigkeiten, die gänzlich ohne Papier auskom-

ligen Betriebe zu gewährleisten. Dies führte laut einigen Ex-

men und in denen Warenwirtschaft, Personalprozesse, Finanz-

perten zu einem starken Transformationsschub, und die Unter-

buchhaltung und viele weitere Unternehmensbereiche nun

nehmen zeigen sich begeistert von den großen Fortschritten,

durch digitale Prozesse unterstützt werden können. Die Ein-

welche sie in den letzten Monaten umsetzen konnten. Mit Blick

führung moderner ERP -Systeme ( Enterprise-Resource-Plan-

auf die oftmals provisorischen Übergangslösungen sollten

ning-Systeme ) helfen ebenfalls dabei, die gesamten Abläufe im

aber insbesondere die damit einhergehenden Sicherheitsrisi-

Unternehmen effizienter zu gestalten. In der Produktion kann

ken nicht außer Acht gelassen werden.

durch den Einsatz von Predictive

Dabei gilt es, die digitalen Impulse der

Maintenance 7 oder Machine Lear-

aktuellen Situation zu nutzen, aber im Nachgang eine gesunde Balance zwischen Sicherheit und digitalem Voranschreiten zu finden. Während Politik und Verwaltung 2018

So werden Daten im Jahr 2020 nun verstärkt im Kontext der unternehmenseigenen Wertschöpfung gesehen

ning 8 die Fehlerquote beträchtlich reduziert und die Effizienz zusätzlich gesteigert werden. Vermehrt rücken auch Digital Supply Networks, in denen Bestellungen automatisch ausgelöst werden und

noch nicht zu den Herausforderungen

Lagerstände in Echtzeit einsehbar

der digitalen Transformation in der Bo-

sind und die Möglichkeiten zur di-

denseeregion zählten, wird dieses Themengebiet in der ak-

gitalen Vernetzung mit Kunden und Lieferanten bieten, in den

tuellen Studie von mehr als 50 Prozent der befragten Unter-

Fokus der Unternehmen. Diese Effizienzsteigerungen fallen für

nehmen deutlich angesprochen. Dabei werden bürokratische

etwa drei Viertel aller befragten Unternehmen besonders stark

Vorgänge genannt, die nicht oder nur unzureichend digital ab-

ins Gewicht, da die Bodenseeregion als Hochlohnregion gilt,

gewickelt werden können. Auch in anderen Bereichen tragen

in der Produktionskosten grundsätzlich vergleichsweise sehr 23


hoch angesiedelt sind. Während im Jahr 2018 mögliche Technologien zur Datenauswertung noch stark im Fokus standen, so werden Daten im Jahr 2020 nun verstärkt im Kontext der unternehmenseigenen Wertschöpfung gesehen : Die Interviewpartner im Jahr 2018 beschäftigten sich noch stark mit der Frage, wie Daten ausgewertet werden und auf welche Daten das Unternehmen Zugriff hat. Diese Sichtweise veränderte sich im Laufe der vergangenen Jahre deutlich und die Frage lautet nun vielmehr, welchen Nutzen die Daten den Unternehmen bringen. Im Jahr 2020 werden Daten daher auch bereits als „das Gold der Zukunft“ oder als „Unternehmensschatz“ bezeichnet und verstärkt in Verbindung mit neuartigen Produkten und Geschäftsmodellen gebracht. Die befragten Unternehmen analysieren dabei nun verstärkt Möglichkeiten, mehr und qualitativ hochwertigere Daten zu erfassen, um diese sowohl zum Kunden- als auch zum Unternehmensnutzen einzusetzen. Darüber hinaus wird Vertrauen in der Studie von 2020 des Öfteren als relevant eingestuft, während der Faktor im Jahr 2018 noch von eher geringer Bedeutung war. Die Nennung von Vertrauen im Kontext der digitalen Transformation zielt dabei vor allem auf den hohen Stellenwert von Datenschutz und sicherer Datenspeicherung. Mehrere der befragten Unternehmen sehen in ihrem Standort sowie in der Speicherung und Auswertung von Daten auf europäischen beziehungsweise deutschen Servern ein Alleinstellungsmerkmal, hauptsächlich gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz. Während rechtliche Rahmenbedingungen sonst eher als Hemmnis der digitalen Transformation gesehen werden, ergeben sich in diesem Kontext nun auch Chancen, die eben jenen Rahmenbedingungen zu verdanken sind. An dieser Stelle ist die Komplexität des Themas erkennbar und unterstreicht die Notwendigkeit tiefgreifenderer Analysen zukünftiger Forschung. 24




ERHEBUNG 2020

Die industrieübergreifenden Erkenntnisse der Studie Im Rahmen der Studie finden sich industrieübergreifend Einsichten hinsichtlich der Chancen, Herausforderungen und Trends, die für alle befragten Unternehmen branchenübergreifend ( Experteninterviews und / oder Online-Befragung ) von Relevanz waren. Die Darlegung der Erkenntnisse wird den branchenspezifischen Erkenntnissen vorangestellt. Begonnen wird dabei mit der Auswertung der Trends im quantitativen Datensatz, bevor eine vergleichende Analyse der Inhalte aus den Experteninterviews vorgestellt wird.

Industrieübergreifende Trends im quantitativen Datensatz

Stellenwert der digitalen Transformation innerhalb der Branche / des Unternehmens und Einfluss auf das Geschäftsmodell

Innerhalb des quantitativen Datensatzes lassen sich einige

6,2

grundlegende branchenübergreifende Erkenntnisse hinsicht-

6,0

lich des Stellenwertes der digitalen Transformation auf den

5,8

Ebenen der Branche, des einzelnen Unternehmens sowie des

5,6

jeweiligen Geschäftsmodells aufzeigen. So schätzen die Unternehmen branchenübergreifend den Stellenwert der digitalen Transformation in ihrer jeweiligen Indus-

5,0

den Einfluss auf das unternehmensspezifische Geschäftsmo-

4,6

dell. Wie in der folgenden Abbildung erkennbar, liegen die

4,4

Werte für alle drei betrachteten Kennzahlen weit über dem

4,2

gering bis 7=Stellenwert beziehungsweise Einfluss ist sehr hoch ).

5,6

5,2

4,8

reicht von 1=Stellenwert beziehungsweise Einfluss ist sehr

5,8

5,4

trie sowie in ihren Unternehmen als hoch ein. Gleiches gilt für

Mittelwert der Skala, der bei Skalenpunkt 4 liegt ( die Skala

6,1

4,0

4,0 Mittelwert der Skala

Stellenwert innerhalb der Branche

Stellenwert innerhalb des Unternehmens

Einfluss der digi­­talen Trans­formation auf das Geschäftsmodell

Dies verdeutlicht den hohen Stellenwert, den die befragten

Darüber hinaus verdeutlicht die folgende Abbildung den Ein-

Unternehmen der Bodenseeregion sowohl der digitalen Trans-

fluss der digitalen Transformation auf einzelne Unternehmens-

formation ihrer Branche als auch ihres Unternehmens bei-

bereiche ( Mittelwerte über alle befragten Unternehmen hin-

messen.

weg ). Diese Darstellung ist insofern relevant, als sie einen 27


Einfluss der digitalen Transformation auf einzelne Unternehmensbereiche

7 6

6,1

5,8

6

5,1

5

4,5

4

5,5

4,7

4,4

3,8

3 2 1 0 Unternehmensinfrastruktur

Personalwirtschaft

Technologieentwicklung

Beschaffung

Eingangslogistik

Einblick in die unternehmensinterne Bewertung der Relevanz der digitalen Transformation gibt und dabei den Einfluss auf

Operationen

Marketing & Vertrieb

Ausgangslogistik

Kundendienst

Industrieübergreifende Trends im qualitativen Datensatz

die einzelnen Bereiche der Wertschöpfungskette der Unternehmen dezidiert demonstriert.

Blickt man nun auf die Auswertung der Experteninterviews

Demnach sehen die Unternehmen den stärksten Einfluss der

übergreifende Erkenntnisse extrahieren. Diese Auswertung

innerhalb der vier spezifischen Branchen, lassen sich weitere digitalen Transformation in den Bereichen Technologieentwick-

wird nachfolgend, in vier Bereiche unterteilt, vorgestellt :

lung, Marketing und Vertrieb, Unternehmensinfrastruktur so-

1. Veränderung des Wettbewerbs

wie Kundendienst ( Skala von 1 bis 7 ; 1=Einfluss sehr gering ;

2. Entwicklung einer digitalen Unternehmenskultur

7=Einfluss sehr stark ). Lediglich innerhalb der Eingangslogistik

3. Chancen und Herausforderungen

bewerten die befragten Unternehmen den Einfluss der digita-

der digitalen Transformation

len Transformation als eher gering. Diese Auswertung zeigt,

4. Einsatz neuer Technologien

dass die befragten Unternehmen der Bodenseeregion die digi-

Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte dabei anhand einer

tale Transformation in nahezu allen Bereichen der Wertschöp-

qualitativen Inhaltsanalyse der Experteninterviews. Im Zuge

fungskette als starken Einflussfaktor wahrnehmen.

dieser Analyse wurden die Häufigkeiten der Aussagen der Experten gewertet, um folgende Themenfelder branchenübergreifender Relevanz zu identifizieren.

28


ERHEBUNG 2020

Veränderung des Wettbewerbs

sondere mit Blick auf den Erfahrungs- und Wissensaustausch, Effizienzsteigerungen und die Generierung von Innovationen

Übergreifender zentraler Treiber der Veränderungen von Ge-

immer stärker mit anderweitigen regionalen, nationalen und

schäftsmodellen, Produkten und Prozessabläufen sind verän-

internationalen Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik

derte Kundenanforderungen, die nur mittels digital getriebener

und Zivilgesellschaft. Verstärktem Konkurrenzdruck innerhalb

Lösungsansätze bedient werden können. Diese Entwicklung

des Marktes begegnen die Unternehmen „vernetzt“, wodurch

bedingt in sämtlichen der betrachteten Industriecluster das

sie unter anderem in der Lage sind, einen hohen Spezialisie-

Potential der zunehmenden Rivalität innerhalb der eigenen

rungsgrad sowie die Qualitätsführerschaft innerhalb ihres je-

Branche. Die potentielle Substitution eigener Lösungen, Pro-

weiligen Industrieclusters aufrechtzuerhalten.

dukte oder Dienstleistungen durch andere Marktteilnehmer wird durch die allgemeinen Charakteristika der digitalen Wirt-

Entwicklung einer digitalen Unternehmenskultur

schaft – Schnelllebigkeit und dynamische Entwicklungen des Wettbewerbes – zusätzlich verstärkt. Produktlebens- sowie

Essenzielle Voraussetzung der Nutzung des digitalen Struktur-

Forschungs- und Entwicklungszyklen verkürzen sich zuneh-

wandels als Wettbewerbsvorteil ist die Etablierung einer digi-

mend. Die darüber hinaus hohe Innovationsstärke potentieller

tal-affinen Unternehmenskultur, die sich durch Technologieof-

Wettbewerber wird vor allem durch niedrige Markteintrittsbar-

fenheit, Lernbereitschaft und grundlegendes technologisches

rieren, geringe ökonomische Kosten sowie eine hohe Markt-

Interesse seitens der Unternehmensführung und der Mitarbei-

transparenz digitaler Produkte determiniert. Die Integration

ter kennzeichnet.

digitaler Lösungen in das Produktportfolio und in Prozessabläufe wird damit langfristig zur Bedingung, um auch zukünftig

Die Offenheit und der Einsatz neuer Technologien in den Un-

in einem solch vernetzen und dynamischen Marktumfeld er-

ternehmen erweisen sich unter anderem aufgrund der bislang

folgreich bestehen zu können. Ziel ist es, durch die Integrati-

fehlenden Erprobung eben dieser Technologien sowie eines

on digitaler Lösungen Geschäftsmodelle, Prozessabläufe und

Überangebotes an digitalen Lösungen häufig als schwierig.

Produkte kundenzentrierter zu gestalten und die Potentiale der

Oftmals fehlen im Hinblick auf digitale Lösungen Referenzwer-

digitalen Transformation in der eigenen Organisation als Wett-

te im eigenen Unternehmen, weswegen Entscheidungen unter

bewerbsvorteil zu nutzen.

großer Unsicherheit getroffen werden müssen. Dadurch wie-

Ein wachsender Teil der befragten Unternehmen setzt zur Ge-

Aus diesem Grund nehmen sich viele Unternehmen mehr Zeit,

derum besteht ein erhöhtes Risiko, Fehlinvestitionen zu tätigen. nerierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile dabei bereits auf

um Investitionsentscheidungen zu überdenken – oder ver-

die Stärke von Netzwerken. So wird die Vernetzung interner

zögern diese, um von entstehenden Erfahrungswerten am

Systeme und Datenströme vorangetrieben, um Prozesse zu op-

Markt zu profitieren. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich nach-

timieren und die Transparenz innerhalb der Wertschöpfungs-

vollziehbar, gerade wenn das Unternehmen mit der Nutzung

kette zu erhöhen. Zudem kooperieren die Unternehmen insbe-

dieser Technologien Neuland betritt. Leider stellt dies jedoch 29


bei Themengebieten im Zusammenhang mit dem digitalen

gerichtete Ansprache und zeitnahe Anpassung bestehender

Strukturwandel eher die Regel als eine Ausnahme dar. Umso

Services an veränderte Anforderungen von Kunden, Liefe-

entscheidender ist es, eine digital-affine Unternehmenskultur

ranten und anderen relevanten Anspruchsgruppen. Dabei

zu entwickeln, die Fehler zulässt und alle im Unternehmen ver-

stehen vor allem die Chancen bezüglich digitaler Vertriebs-

tretenen Generationen in den Lernprozess einbindet. Zentral

strategien mit Blick auf den Absatz der Produkte beim Kun-

für das Gelingen dieses Prozesses ist ein bewusster Lern-

den im Vordergrund.

prozess, um Expertisen innerhalb dieser neuen, digitalen Unternehmenskultur identifizieren zu können und im inter-

Darüber hinaus werden in allen betrachteten Branchen – be-

organisationalen Austausch für das Unternehmen nutzbar

reits oder zukünftig geplant – Produkte um zusätzliche, digita-

zu machen. Nur so können bereichsübergreifend Synergie-

le Services ergänzt und als komplementäre Nutzungsgüter ver-

effekte genutzt werden und eine bestmögliche Integration

trieben. Dadurch können neuartige Ertragsmodelle entwickelt,

digitaler Lösungen erfolgen.

bestehende Produkte weiter ausdifferenziert und kundenspezifische Anforderungen angepasst werden. Servicedienstleis-

Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation

tungen, die häufig in den Produktvertrieb integriert sind, gewinnen dadurch zunehmend an Relevanz für die bestehenden Geschäftsmodelle der befragten Unternehmen. Dadurch erge-

Über alle Branchen hinweg haben die befragten Unternehmen

ben sich enorme Chancen mit Blick auf die Entwicklung digi-

immer wieder die mit der digitalen Transformation möglich

taler, kundenzentrierter Geschäftsmodelle.

werdenden Effizienzsteigerungen als große Chance des digitalen Strukturwandels genannt. Insbesondere diverse Prozes-

Damit verbunden ist auch die Aufsetzung und Integration

soptimierungen über alle Aktivitäten der Wertschöpfungs-

gänzlich neuer Vertriebskanäle – ermöglicht durch die Nut-

kette hinweg sind nach den Experten ein Treiber für zeit- und

zung digitaler Lösungsansätze und Schnittstellen. Es kann

ressourcenschonendes Wirtschaften in der Zukunft. Zugleich

auf bisher zwischengelagerte Intermediäre ( zum Beispiel

bietet eine umfangreiche Vernetzung der Wertschöpfungs-

Großhandel, Vertriebsagenten ) verzichtet werden und so die

prozesse das Potential, Prozessabläufe und Produkte varian-

Effizienz der Kostenstruktur und Prozesse eines Unterneh-

tenreicher und kundenindividueller zu gestalten.

mens deutlich gesteigert werden. Diese Desintegration der bisher zwischengeschalteten Intermediäre ermöglicht also

Die befragten Unternehmen sehen dabei große Chancen in

den kostengünstigeren Vertrieb und den Aufbau einer direk-

der Adaption der Produktionsprozesse, in der Entwicklung

ten Beziehung zum Kunden.

sowie im Kundenservice und Vertrieb. Neue digital getriebene Nutzungskonzepte, Services und Vertriebskanäle erwei-

Neben diesen beschriebenen Chancen stellt die digitale Trans-

tern und vertiefen die bestehenden Produktqualitäten. Die

formation die Unternehmen aber auch vor diverse Herausfor-

gezielte Auswertung erhobener Daten ermöglicht die ziel-

derungen.

30


ERHEBUNG 2020

Mit weitem Abstand am häufigstem genannt von Experten

digitalen Transformation dar. In Verbindung mit Big Data ent-

wurden Herausforderungen mit Blick auf das Themengebiet

steht die Gelegenheit, das bisherige Produkt- und Servicean-

Cybersecurity. Egal ob Fragen bezüglich Daten- und Know-

gebot deutlich variantenreicher und kundenindividueller zu

how-Schutz oder im Kontext der Gestaltung einer sicheren

gestalten. Im Zusammenhang mit bereits verfügbaren hohen

IT-Infrastruktur – Cybersecurity war, ist und bleibt relevant

Rechenkapazitäten können die erhobenen Daten durch den

für die Unternehmen der Bodenseeregion.

Einsatz Künstlicher Intelligenz umfangreicher genutzt werden, um – wie oben dargelegt – stärker auf Kundenbedürfnisse

Zudem besteht bezüglich der Umsetzung der digitalen Trans-

einzugehen und Produkterweiterungen anzubieten. Während

formation ein enormer Personalbedarf, der aktuell durch den

mehrere Unternehmen, vorwiegend in der Bankenbranche,

Arbeitsmarkt nicht gedeckt werden kann. Der daraus resul-

schon kleinere KI -Technologien zum Beispiel in Form von

tierende Fachkräftemangel hinsichtlich der Mitarbeiter mit

Chatbots einsetzen, geben beispielsweise die befragten Un-

dringend benötigten digitalen Kompetenzen, ist daher nach

ternehmen der Verpackungsindustrie noch keinen Bezug zu

Aussage der Experten auch in den Unternehmen der Boden-

Künstlicher Intelligenz oder Big Data an. Die internationale

seeregion real.

Konkurrenz nutzt diese Chancen bereits deutlich umfangreicher zur Produkt- und Prozessoptimierung. Über alle Bran-

Diese Lücke versuchen einige Unternehmen durch eigene

chen hinweg waren sich die Führungskräfte der Unternehmen

Aus-, Weiter- und Fortbildungen bezüglich benötigter digitaler

allerdings einig, dass Anwendungen im Bereich beziehungs-

Kompetenzen zu schließen. Grundlegend dafür ist nach Aus-

weise mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz eine treibende

sage der befragten Unternehmen allerdings ein von Offenheit,

Kraft innerhalb der digitalen Transformation sein werden oder

Adaptionsfähigkeit und Anpassungswille geprägtes Mindset

dies bereits sind. Darüber hinaus geben die Experten unisono

und die Fähigkeit und Bereitschaft, diese neuen digitalen Ar-

an, dass sich die Relevanz der Künstlichen Intelligenz in den

beitsweisen und Technologien zu akzeptieren. Diese Akzep-

nächsten Jahren verstärken und dass diese Geschäftsprozes-

tanz meist neuer komplexer Technologien ist für die Experten

se grundlegend verändern wird.

nicht nur ein Schlüssel für eine positive Unternehmenskultur, sondern auch die Basis für den zukünftigen Unternehmenser-

Einhergehend mit der vermehrten Erhebung und Nutzung von

folg in einer immer komplexer werdenden Welt.

Daten versuchen die Unternehmen zunehmend, eine kohä-

Einsatz neuer Technologien

Systeme aufzubauen ( Internet of Things ). Diese soll es ermög-

rente Vernetzungsstruktur der eigenen IT und angegliederter lichen, physische und virtuelle Produkte zu vernetzen, um Erst die Integration digitaler Technologien ermöglicht es, die-

dadurch die Gesamtheit der eigenen Produkte und Services

se neuen Möglichkeiten vollkommen auszuschöpfen. Künst-

zu optimieren. Ergänzend dazu geben die Experten an, dass

liche Intelligenz stellt dabei laut Einschätzung der befragten

die Vernetzung der einzelnen Abläufe des gesamten Produkt-

Unternehmen und Experten die relevanteste Technologie der

lebenszyklus enorme Potentiale mit Blick auf eine zusätzliche 31


Effizienzsteigerung bietet. Allerdings ist eine umfassende In-

Die Studie verdeutlicht zudem, dass die hochgradig komple-

tegration von IoT-Technologien auch mit hohen Kosten für die

xen Herausforderungen im Zuge der digitalen Transformation

Unternehmen verbunden. Kosten und Nutzen müssen an die-

nur durch die Nutzung von Informationssynergien handhabbar

ser Stelle nach Aussage der Führungskräfte abgewogen wer-

zu sein scheinen. Diese Synergien ergeben sich grundlegend

den. Ein wichtiger Aspekt in der Abwägung ist dabei der Grad

aus einem Erfahrungs- und Wissensaustausch mit anderen

der Integration solcher Technologien mit Blick auf vorgelager-

relevanten Akteuren innerhalb und außerhalb der eigenen Un-

te Lieferanten und nachgelagerte Vertriebsprozesse.

ternehmensgrenzen sowie durch die aktive Einbindung von Experten. Die digitale Transformation ist demzufolge als gesamt-

Im Zuge der steigenden Relevanz der Vernetzung und der

gesellschaftliche Aufgabe im besten Sinne zu begreifen, deren

sicheren Übermittlung von Transaktionen wird auch Block-

Erfolg maßgeblich von der Bereitschaft der beteiligten Akteure

chain – die Möglichkeit, jegliche Art von Eigentumsrechten

abhängt, Wissen zu teilen und Kooperationen einzugehen.

digital abzubilden und zu organisieren – industrieübergreifend als relevante Technologie benannt. Der Einsatz dieser Technologie beschränkt sich gegenwärtig weitestgehend auf

Digitale Transformation in der Bodenseeregion – Chancen, Herausforderungen und Technologien

die Finanzindustrie und wird von den befragten Unternehmen bislang nur in Pilotprojekten eingesetzt. Dennoch zeich-

Jeder Strukturwandel geht mit Chancen und Herausforderun-

nen sich in allen Industrien die massiven mit dieser Techno-

gen einher. Der digitale Strukturwandel ist außerdem begrün-

logie verbundenen Potentiale in der Prozessoptimierung und

det und getrieben von neuartigen, bis dato ungeahnten digita-

Verwaltung eines externen Unternehmensnetzwerkes ab.

len technologischen Möglichkeiten. Die folgende Abbildung

Entscheidende Herausforderungen sind dabei unter anderem

stellt auf Basis der dargestellten Analysen und Ausführungen

sowohl das bislang fehlende unternehmensinterne technologi-

die drei meistgenannten Chancen, Herausforderungen und

sche Know-how als auch die Frage der zielführenden Integrati-

technologischen Ansatzpunkte dar, die nach Aussage der Ex-

on innerhalb bestehender Prozesse.

perten aus Unternehmen der Bodenseeregion zukünftig von hoher Relevanz sein werden.

Resümee der industrieübergreifenden Erkenntnisse Insgesamt zeigt die Erhebung industrieübergreifend, dass der digital getriebene Strukturwandel und technologische Innovationen von höchster Relevanz und Aktualität für die befragten Unternehmen sind. Neben zahlreichen Potentialen, unter anderem in der Geschäftsmodell- und Produktinnovation, stellt der digitale Wandel die Unternehmen jedoch vor vielfältige Herausforderungen. 32


ERHEBUNG 2020

Chancen Herausforderungen Technologien

Relevanz

Wesentliche Chancen, Herausforderungen und Technologien der digitalen Transformation in der Bodenseeregion

Effizienzsteigerung Fachkräftemangel Cybersecurity Digitale kundenzentrierte Geschäftsmodelle Künstliche Intelligenz Akzeptanz komplexer Technologien Digitale Vertriebsstrategie Big Data Internet of Things

2018

Ein deutlicher Anstieg der Relevanz zeigt sich dabei hinsichtlich

2020

2022

teristisch für die digitale Wirtschaft geworden sind. Nachfol-

der Themen Effizienzsteigerung, Künstliche Intelligenz, Internet

gend sind diejenigen Aspekte der digitalen Transformation

of Things sowie Cybersecurity. An dieser Stelle gilt es anzumer-

aufgeführt, die über Branchen hinweg am häufigsten von den

ken, dass Effizienzsteigerung dabei häufig unter Anwendung

befragten Unternehmen als Chancen, Herausforderungen und

digitaler Technologien gedacht ist – insbesondere Künstlicher

relevante technologische Entwicklungen herausgestellt wur-

Intelligenz –, weswegen sich Überschneidungen zwischen die-

den. Aufgrund der häufigen Nennung ist es naheliegend, diese

sen beiden Themen andeuten. Außerdem zeigt sich die gleich-

Themen als gegenwärtige und zukünftige Trends des digital

bleibend hohe Relevanz der Behebung des Fachkräftemangels

getriebenen Strukturwandels zu identifizieren. Daher werden

in der Bodenseeregion sowie der Entwicklung und Optimie-

die folgenden Themen die Arbeitsgrundlage des BIC für die

rung digitaler, kundenzentrierter Geschäftsmodelle, die charak-

kommenden beiden Jahre darstellen. 33


THEMENÜBERSICHT DER BIC-ERHEBUNG 2020

Cybersecurity

Implikationen künstlicher Intelligenz für Geschäftsmodelle und Gesellschaft

Branchenübergreifend stellt das Thema Cybersecurity und

Künstliche Intelligenz charakterisiert industrieübergreifend

die damit einhergehende Datensicherheit eine zentrale He-

die relevanteste Technologie der digitalen Transformation für

rausforderung im Kontext des digital getriebenen Struk-

die Geschäftsmodell- und Produktinnovation. In Verbindung

turwandels dar. Angesichts der fortschreitenden digitalen

mit Big Data entstehen dabei vollkommen neue Möglichkei-

Vernetzung von Produkten, Maschinen und Services müs-

ten der Datenanalyse und -auswertung, die es Unternehmen

sen sich Unternehmen zusehends mit Sicherheitsfragen

ermöglichen, das bestehende Produkt- und Serviceange-

befassen, um Kunden und ihre Organisation wirksam vor

bot variantenreicher und kundenindividueller zu gestalten

Datenmissbrauch schützen zu können. Die Sicherheitsge-

sowie Prozessabläufe zu optimieren. Während einige Un-

währleistung bei der Speicherung von Daten in der Cloud

ternehmen der Bodenseeregion bereits kleinere KI -Tech-

sowie die Einhaltung der Datenschutzregularien gegen-

nologien unternehmensintern und -extern einsetzen, findet

über Lieferanten, Kunden, Partnern und Mitarbeitern sind

diese Technologie bei der Mehrheit der Unternehmen noch

dabei entscheidende Herausforderungen für die Unterneh-

keine Anwendung. Industrie- und länderübergreifend sind

men der Bodenseeregion, um die Potentiale der digitalen

sich Führungskräfte dennoch einig, dass Anwendungen im

Transformation als Wettbewerbsvorteil nutzen zu können.

Bereich – beziehungsweise mit Unterstützung – Künstliche Intelligenz eine treibende Kraft innerhalb der digitalen Transformation sein werden oder dies bereits sind.

34


Kundenzentrierte Geschäftsmodelle

Digitale Führung und Wissensmanagement

Die digitale Wirtschaft ist im Allgemeinen durch Schnellle-

Die hochgradig komplexen Herausforderungen im Zuge der di-

bigkeit und dynamische Entwicklungen des Wettbewerbs

gitalen Transformation scheinen nur durch die systematische

gekennzeichnet. Ziel ist es, durch die Integration digitaler

Identifikation von Expertise und die Nutzung von Informations-

Lösungen Geschäftsmodelle, Prozessabläufe und Produkte

synergien handhabbar. Bereichsübergreifender Erfahrungs-

kundenindividueller zu gestalten und die Potentiale der digita-

und Wissensaustausch innerhalb der Organisation sowie die

len Transformation in der eigenen Organisation als Wettbe-

aktive Einbindung von Experten ermöglichen es die digitale

werbsvorteil zu nutzen. Industrie- und länderübergreifend

Transformation als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Unterneh-

bietet die digitale Vernetzung der Wertschöpfungskette

mensinterne Aus-, Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen zur

sowie von Produkten und Maschinen eine große Chance

Entwicklung digitaler Kompetenzen und der generationen-

zur Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile : Neben

und bereichsübergreifende Informationsaustausch werden zu

diversen Prozessoptimierungen können Prozessabläufe und

zentralen Kernbestandteilen des unternehmensinternen Per-

Produkte so variantenreicher und kundenindividueller ge-

sonalmanagements. Essenzielle Voraussetzung dafür ist die

staltet werden.

Etablierung einer digital-affinen Unternehmenskultur, die sich durch Technologieoffenheit, Lernbereitschaft, Interdisziplinarität und grundlegendes technologisches Interesse seitens der Unternehmensführung und der Mitarbeiter auszeichnet. 35



ERHEBUNG 2020

Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Bankenbranche Die Ergebnisse der qualitativen Analyse innerhalb der Banken-

Unternehmen häufig bereits antizipiert und vorbereitet. 70

branche verdeutlichen, dass tiefgreifende Veränderungen des

Prozent der befragten Unternehmen sehen hier einen star-

bestehenden Geschäftsmodells zwar bislang ausblieben, aber

ken Einfluss der digitalen Transformation auf ihr bestehen-

derzeit digital getriebene Ergänzungen und Adaptionen be-

des Geschäftsmodell.

stehender Geschäftsmodelle vorbereitet werden. Diese Bedeutung der digitalen Transformation für die Bankenbranche zeigt

Vorteilhaft ist für diese Unternehmen bezüglich der Siche-

sich auch in der mehrheitlichen Entwicklung und Integration

rung ihres Geschäftsmodells die meist kontinuierliche und

von Digitalstrategien. Vier von zehn der befragten Unternehmen

enge Zusammenarbeit im Unternehmensverbund. Diese bie-

besitzen bereits eine dezidierte Digitalstrategie, bei weiteren

tet die Möglichkeit, die Kosten für eine digitale Infrastruktur

vier Unternehmen ist eine solche Strategie aktuell in Planung.

und die Entwicklung digital getriebener Serviceangebote zu reduzieren, Synergieeffekte zu nutzen und untereinander Er-

Als Treiber der Veränderungen wird von allen befragten Unter-

fahrungen auszutauschen. Zugleich verlangsamt die Zentrali-

nehmen der Bankenbranche auf die Rivalität mit Wettbewer-

sierungstendenz in den klassischen, gewachsenen Bankin-

bern im Markt und die zunehmende Konkurrenz durch techno-

stituten diese Entwicklung innerhalb der Bankenbranche, da

logiegetriebene Finanzdienstleister – Fintechs – hingewiesen.

häufig fehlende Agilität und Autonomie die Folge sind. Lang-

Sowohl bestehende Unternehmen als auch neue Marktteil-

wierige Abstimmungsverfahren, verbindliche Anforderungen

nehmer werden als Konkurrenz angesehen, gegenüber der es

und fehlende regionale Spezifizität sind hier nur einige von

sich abzugrenzen und zu behaupten gilt. Diese gegenwärtige

den Experten genannte Beispiele, die aktuell der Entwicklung

Entwicklung kann als Implikation der digitalen Transformation

einer branchenweiten Innovationskultur entgegenstehen.

der Bankenbranche gewertet werden und resultiert aus jüngsten regulatorischen Veränderungen innerhalb der Industrie,

Dennoch beschreiben sieben von zehn Unternehmen die

wie die Anerkennung von Fintechs als zulässige Finanzdienst-

enorme Relevanz langfristiger Kooperationen mit Unterneh-

leister durch die BaFin. In einzelnen Segmenten des Sektors

men innerhalb und außerhalb der eigenen Branche sowie

hat der verstärkte Wettbewerb durch digital getriebene Pro-

Hochschulen und Forschungseinrichtungen für den Erfolg

dukte und Geschäftsmodelle bereits zu einem Umdenken und

ihres Unternehmens. Vier dieser Unternehmen sind zudem

zu Neuerungen in den Unternehmen geführt. Erkennbare An-

der Auffassung, dass in Zukunft externe Unternehmensnetz-

sätze, beispielsweise zur Sicherung der vorherrschenden

werke mittels des Open-Banking-Ansatzes den Erfolg der

Marktposition, variieren vom Erwerb kompetenzstarker Part-

Einzelunternehmen enorm beeinflussen werden. Die Ermög-

ner bis hin zu Ausgründungen. Potentiell daraus resultierende

lichung der Öffnung und damit der Verwendung einzelner,

Veränderungen auf Geschäftsmodellebene werden in den

zuvor voneinander unabhängiger Systeme verschiedener 37


Unternehmen könnte dabei durch eine Verknüpfung über

zu nutzen, um stärker auf Kundenbedürfnisse einzugehen und

Schnittstellen (  A PI  ) geschehen. Dieser Schritt würde es den

Produkterweiterungen anzubieten. Gegenwärtig bleiben diese

beteiligten Unternehmen ermöglichen, eigene Entwicklungen

Ressourcen und der damit assoziierte Wettbewerbsvorteil im

voranzutreiben – unabhängig von zentralen Kernbankensys-

Alltag jedoch noch weitgehend ungenutzt.

temen oder der Notwendigkeit, Ansätze neuer innovativer Marktteilnehmer in eigene Prozesse zu integrieren.

Das Potential der Datenanalyse und -auswertung ist allerdings stets auch mit Bezug auf den Datenschutz sensibler Kunden-

Unsicherheit besteht bislang in der Einschätzung der mittel-

daten zu sehen. Das Vertrauen der Kunden in europäische

und langfristigen Veränderung der Kundenanforderungen und

Datenschutzverordnungen sowie die langjährige Beziehung

-nachfragen. Derzeit sind vor allem Erweiterungen und Ergän-

zwischen Konsumenten und Banken sind dabei ein entschei-

zungen der bestehenden Produktpalette und des traditionellen

dender Wettbewerbsfaktor der Bankenbranche. Dieses Ver-

Geschäftsmodells festzustellen, die zumeist stark kundenbe-

trauen gilt es auch in Zukunft durch Transparenz und eine ge-

zogen sind. Die Mehrheit der Interviewpartner benennt in die-

eignete umfassende Cybersicherheitsarchitektur zu erhalten.

sem Zusammenhang große Potentiale in der Optimierung be-

Cybersecurity ist somit die am häufigsten genannte Herausfor-

stehender Prozesse, vor allem hinsichtlich des Zeitaufwandes

derung. Neben dem Umgang mit Kundendaten und der Kom-

sowie des Ressourceneinsatzes. Darüber hinaus benannten

plexität einer umfangreichen Sicherheitsarchitektur erweist

die Experten die Relevanz kosteneffizienter, automatisierter,

sich die Förderung einer agilen und innovativen Unterneh-

aber dennoch kundenindividueller Gestaltung von Finanzpro-

menskultur als weitere Herausforderung für die Bankenbran-

dukten, eines vorrausschauenden Kundenservices – ermög-

che, da weitestgehend tradierte Unternehmenskulturen und

licht durch Big Data – und einer agilen Unternehmenskultur.

-strukturen vorherrschen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für

Insgesamt acht von zehn Unternehmen nennen den Kunden-

die gelingende digitale Transformation der Unternehmen stellt

service als Unternehmensbereich mit enormem Optimierungs-

hierbei die Sensibilisierung von Führungskräften und Mitarbei-

potential im Zuge der digitalen Transformation.

tern dar. Digitales Change-Management und Soft Skills, wie Adaptionsfähigkeit, Lernbereitschaft und Offenheit für Verän-

Dem Einsatz neuer Technologien – wie Big Data, Cloud Com-

derungen, sind laut den befragten Unternehmen mit Bezug

puting, Künstliche Intelligenz und Kollaborative Technologie,

zum digitalen Strukturwandel relevante Kernkompetenzen für

um nur einige von den Experten genannten Technologien zu

das Personal. Es sind eben diese Merkmale, welche die Ba-

nennen – wird eine enorme Tragweite beigemessen. Haupt-

sis für die Erweiterung der bestehenden Fähigkeiten und Di-

sächlich Big Data ermöglicht es Banken, die bereits verfüg-

gitalkompetenzen zur Umsetzung einer erfolgreichen digitalen

baren umfangreichen Kundendaten und Rechenkapazitäten

Transformation bilden.

38


ERHEBUNG 2020

Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Logistikbranche Die Prozessabläufe und Geschäftsmodelle der in der Studie ver-

essentiell für den Unternehmenserfolg ist. Darüber hinaus ge-

tretenen Unternehmen der Logistikbranche sind längst maß-

hen fünf der neun befragten Unternehmen davon aus, dass

geblich durch digitale Lösungen determiniert. Die Logistikbran-

der Kern des Geschäftsmodells der Logistikbranche auch mit

che als Intermediär zwischen zahlreichen Industriekonzernen

der fortschreitenden digitalen Transformation im Kern erhal-

unterliegt einem stetigen Wandel, der unter anderem durch

ten bleiben wird. Dabei zeigt sich, dass die Unternehmen zwar

die vielfältigen Anforderungen dieser Anspruchsgruppen ge-

von Ergänzungen und Veränderungen des Geschäftsmodells

trieben wird. Dies zeigt sich auch darin, dass bereits sechs der

durch die digitale Transformation ausgehen, diese jedoch nicht

neun befragten Unternehmen eine Digitalstrategie verbindlich

zwingend disruptiver Natur sein müssen, sondern vielmehr das

in die allgemeine Unternehmensstrategie integriert haben.

bestehende Geschäftsmodell erweitern. Nichtsdestotrotz ver-

Der Veränderungsprozess der digitalen Transformation wird –

zum Teil plattformbasierten Lösungen den Wettbewerb inner-

neben der Entwicklung neuer Technologien, wie Geo-Tracking,

halb der Logistikbranche.

stärken neue und potentielle Konkurrenten mit digitalen und

Datenmanagement-Tools, Machine Learning und Internet of Things – durch das Aufkommen vielfältiger Konkurrenz inner-

Als zentralen Treiber der digitalen Transformation für die Lo-

halb und außerhalb der Logistikbranche getrieben. Hinzu ge-

gistikbranche sehen die Unternehmen die Prozessoptimierung

sellt sich der Druck, Kunden individuelle Lösungen anzubieten

und Effizienzsteigerung über die Digitalisierung und digitale

und Produkte mittels innovativer, meist digitaler Lösungen

Analyse logistischer Abläufe an. Acht der neun befragten Un-

modular konfigurierbar zur Verfügung zu stellen. Zahlreiche

ternehmen nennen dieses Potential explizit im Rahmen der In-

Führungskräfte dieses Industrieclusters berichten von diesen

terviews.

veränderten Anforderungen und einer zunehmenden Nachfrage nach diesen Produkten und Lösungsansätzen seitens

Durch Big Data, vorwiegend in Verbindung mit Technologien

ihrer Kunden. Dazu zählt die Erweiterung kundenorientierter

wie Machine Learning und Künstliche Intelligenz, entsteht die

Dienstleistungen, die bestehende externe Kommunikations-

Möglichkeit, logistische Prozesse noch variantenreicher und

möglichkeiten ergänzen und vereinfachen kann. Hinzu kom-

kundenindividueller zu gestalten. Dadurch können die Unter-

men plattformbasierte Geschäftsmodellinnovationen und die

nehmen noch stärker auf Kundenbedürfnisse eingehen und

Ergänzung des bestehenden Produktportfolios durch digital

Produkterweiterungen anbieten.

getriebene Lösungen. Die befragten Unternehmen betonen in diesem Zusammenhang allerdings häufig, dass die Einfüh-

Die Entwicklung solcher Innovationen muss dabei langfristig

rung digitaler Technologien nicht dazu führen darf, dass der

verstärkt in Zusammenarbeit mit Kunden und anderen Stake-

persönliche Kundenkontakt verlorengeht, da dieser weiterhin

holdern stattfinden. Sieben der neun befragten Unternehmen 39


berichten bereits über bestehende oder zukünftig geplante

nicht schon bereits besteht, erkennen diverse Interviewpart-

Partnerschaften, Kollaborationen und Kooperationen mit rele-

ner eine Einführung als zeitnah notwendigen Schritt an.

vanten Anspruchsgruppen wie Kunden, Zulieferern, Universitäten und innovativen Start-ups, um gezielt eine gemeinsame

Daraus resultiert, dass sich die Unternehmen einerseits ver-

digitale Ausrichtung und Problemlösungskompetenz voran-

stärkt darum bemühen müssen, neues Fachwissen in ihre Or-

zutreiben. Die kontinuierliche und enge Zusammenarbeit in

ganisationen zu integrieren und andererseits die Förderung

einem unternehmensexternen Netzwerk bietet dabei die Mög-

der Neugier und Lernbereitschaft des bestehenden Personals

lichkeit, Expertise zu digitalen Technologien zu identifizieren,

nicht zu vernachlässigen. Dabei kann durch interne oder ex-

Synergieeffekte zu nutzen und Erfahrungen auszutauschen.

terne Aus-, Fort- und Weiterbildungsformate für bestehendes

Diese Form der Kooperation bot bereits einigen Unternehmen

Personal die Anzahl digitaler Spezialisten in den Unternehmen

die Gelegenheit, ihr bestehendes Geschäftsmodell ressource-

deutlich gesteigert werden. Die Experten geben in diesem Zu-

neffizient durch digitale Lösungen zu ergänzen.

sammenhang weiterhin an, dass vor allem die Förderung und Befähigung des bestehenden Personals mit hohen finanziellen

Zukünftig können sich viele der befragten Unternehmen vor-

Investitionen verbunden ist. Diese Investitionen sind allerdings

stellen, eine solche Form der Vernetzung mit relevanten Sta-

unabdingbar, um mit der internationalen Konkurrenz Schritt

keholdern auszubauen, um sich durch maßgeschneiderte

halten zu können.

Lösungen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber bestehender und potentieller Konkurrenz zu verschaffen. Als notwendige

Zentraler Handlungsbedarf besteht zudem in der bereits be-

Bedingung für die erfolgreiche Integration solcher Initiativen

schriebenen kontinuierlichen Vernetzung der Einzelprozesse.

identifizieren zahlreiche der befragten Unternehmen eine digi-

Die gesteigerte Agilität und Produktivität durch datengetriebe-

tal-affine Unternehmenskultur, die sich durch Offenheit, Lern­

ne Prozessabläufe bietet zahlreiche Potentiale der Kostensen-

bereitschaft und ein bereichsübergreifendes Technologiever-

kung, geringerer Informationsasymmetrien in den Unterneh-

ständnis auszeichnet. Sieben der neun befragten Unter­nehmen

men sowie der Erschließung neuer Geschäftsfelder. Bislang

sehen dabei die Notwendigkeit, über gezielte Neuanstellungen

bleibt die Nutzung dieser zentralen Ressource im internatio-

zunehmend fachliches Know-how in die Organisation zu inte-

nalen Wettbewerb unter den befragten Unternehmen jedoch

grieren. Zudem geben die Experten aber auch an, dass es von

weitestgehend ungenutzt, obwohl alle Interviewpartner die

großer Relevanz ist, ein erweitertes, auf digitale Kompetenzen

Relevanz, Aktualität und die Potentiale der digitalen Transfor-

ausgerichtetes Schulungs- und Weiterbildungsangebot für die

mation für die Logistikbranche erkannt haben.

bestehenden Mitarbeiter zu schaffen. Insofern dieses Angebot

40


ERHEBUNG 2020

Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Medizintechnik- und Pharmabranche Die Medizin- und Pharmaindustrie stellt einen ertragreichen

ten – als hochrelevant angesehen. Dies gilt besonders inner-

Sektor in der Bodenseeregion dar. Die qualitative Auswer-

halb des Vertriebs sowie bei Daten, die bei der Nutzung der

tung der Aussagen führender Unternehmen sowohl aus dem

Produkte entstehen, deren Auswertung für die Generierung

B2B - als auch aus dem B2C -Geschäft innerhalb dieses Indus-

eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils im globalen Wettbe-

trieclusters zeigt, dass tiefgreifende digitale Veränderungen

werb unabdinglich ist. Die verstärkte Vernetzung existierender

des Geschäftsmodells in den befragten Unternehmen bislang

Daten ermöglicht es den Unternehmen dabei, interne Abläufe

ausblieben. Zugleich belegt die Auswertung aber die zukünftig

zu analysieren, zu optimieren und langfristig neue Lösungen

hohe Relevanz der digitalen Transformation, insbesondere in

zu entwickeln. Ferner ermöglichen vernetzte Daten die Nach-

Bezug auf Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung in den

verfolgung, die Analyse sowie die kosteneffiziente Gestaltung

Unternehmen ( sieben von elf befragten Unternehmen nennen

einzelner Prozessabläufe. Langfristig kann so zum Beispiel die

dies explizit ). Eine Mehrheit der Unternehmen stuft die Rele-

Produktentwicklung anhand kundenspezifischer Daten opti-

vanz der Thematik insgesamt als hoch ein, vor allem für den

miert werden.

Ausbau der Wettbewerbsposition sowie im Kontext der Effizienzsteigerung interner Prozesse. Diese Einordnung spiegelt

Weiterhin erhoffen sich die Experten, unter Hinzunahme di-

sich auch in der Existenz einer unternehmensinternen Digital-

gitaler Lösungen neue Kundensegmente zu erschließen und

strategie bei sieben von elf der befragten Unternehmen wider.

eine erhöhte Transparenz innerhalb der Supply Chain sowie hinsichtlich der Erfüllung von Produktstandards herzustellen.

Eine Mehrzahl der Interviewpartner gibt an, dass mit zunehmender digitaler Transformation nicht mehr nur das Produkt

So geben vier Unternehmen an, dass digitale Lösungen die

im Zentrum der Betrachtung steht, sondern vielmehr neue

Transparenz innerhalb der Branche deutlich erhöhen. Diese

Kundenservices und Möglichkeiten des Vertriebs und Mar-

erhöhte Transparenz kann für einige Unternehmen dann, bei-

ketings beleuchtet werden. Dabei zielen die Prozessoptimie-

spielweise über die Informationsweitergabe an den Kunden,

rungen dieser Bereiche im Zuge der digitalen Transformation

einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen.

hauptsächlich auf den Einsatz vielfältiger neuer Technologien ab – wie Künstliche Intelligenz, Internet of Things und Big-Da-

In diesem Zusammenhang sind mehr als die Hälfte der Exper-

ta-Anwendungen.

ten davon überzeugt, dass es einer gewissen Offenheit gegenüber diesen Entwicklungen sowie einer Lernbereitschaft und

Die anvisierte Verwendung dieser Technologien wird von den

eines grundlegenden technologischen Interesses seitens der

Experten – vorwiegend für die Vernetzung und erweiterte

Führungskräfte und Mitarbeiter in der Medizintechnik- und

Auswertung betrieblicher Kunden- und Nutzerverhaltensda-

Pharmabranche bedarf, um zukünftig erfolgreich zu sein. 41


Diese Soft Skills sind aus Sicht der befragten Unternehmen

Insgesamt sind sich die Führungskräfte innerhalb der Medi-

entscheidend für ein erfolgreiches digitales Change-Manage-

zintechnik- und Pharmabranche darin einig, dass die Integra-

ment in den Unternehmen.

tion neuer digitaler Technologien in bestehende Geschäfts-

Jedoch bildet die datenbasierte Weiterentwicklung und Ad-

Verbesserung der bestehenden Marktposition. Dabei gilt es,

modelle unabdingbar ist für die langfristige Sicherung und aption bestehender Geschäftsmodelle nicht nur ein großes

Prozesse kosteneffizienter zu gestalten sowie nachhaltige

Potential, sondern auch eine der zentralen Herausforderungen,

Produktinnovation voranzutreiben. Bislang blieb die digitale

da die Unternehmen auch in einer digitalen Geschäftswelt

Disruption innerhalb dieses Industrieclusters aufgrund tradier-

hohe Datensicherheitsstandards gewährleisten müssen. So

ter Branchen- und Unternehmensstrukturen zwar scheinbar

stellen innerhalb dieser Branche sieben von elf befragten Un-

noch aus, allerdings bedeutet dies nicht, dass unternehmen-

ternehmen vor allem die Relevanz von Cybersecurity in den

sinterne Prozesse vom digitalen Strukturwandel unberührt

Vordergrund. Dies betrifft beispielsweise personenbezogene

bleiben. Die digitale Transformation innerhalb dieser Branche

Patientendaten, die ein äußerst sensibles und zu schützendes

ist also eher graduell fortschreitend als disruptiv. Dies hängt

Informationsgut darstellen, oder auch innerhalb der Produkti-

sicherlich auch mit langen Produktlebens-, Forschungs- und

on entstehende Produkt- und Prozessdaten. Der Einsatz neuer

Entwicklungszyklen sowie umfangreichen juristischen und

Technologien zur Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung

regulatorischen Vorgaben zusammen, die – im Vergleich zu

wird damit zur Abwägungsfrage zwischen Investitionsaufwand

anderen Branchen – weniger Raum für disruptive Elemente

in Datensicherheit und messbarem Wettbewerbsvorteil.

lassen.

42


ERHEBUNG 2020

Die industriespezifischen Erkenntnisse aus der Verpackungsbranche In der Bodenseeregion sind viele Unternehmen in der Verpa-

von EDI -Anbindungen ( Elektronischer Datenaustausch ) heraus.

ckungsbranche tätig. Analog zur Logistikbranche sind die

Damit verfolgen sie unter anderem Ziele im Bereich der Pro-

Entwicklungen innerhalb dieses Industrieclusters bereits maß-

zessoptimierung und der verstärkten Entwicklung kundenspe-

geblich durch die Implikationen der digitalen Transformation

zifischer Lösungen. Die gezielte Auswertung und Vernetzung

bestimmt. Die Disruption des grundlegenden Geschäftsmo-

sämtlicher innerhalb der Wertschöpfungskette generierter Da-

dells beziehungsweise der Produkte ist dabei allerdings bisher

tensätze ermöglicht an dieser Stelle zahlreiche Verbesserun-

eher zweitrangig. Vielmehr bietet der Einsatz neuer digitaler

gen : Sie erlaubt durch den Einsatz neuer Technologien eine

Technologien Möglichkeiten, Prozesse zu optimieren und vor-

verbesserte Vorhersage der Absatzzahlen, eine Verkürzung der

gelagerte sowie nachgelagerte Abläufe zu erweitern und zu

Produktionszeiten und eine Individualisierung von Kundenlö-

vertiefen. Diese Tendenz spiegelt sich auch mit Blick auf die

sungen.

unternehmensspezifischen Zielsetzungen bezüglich der digitalen Transformation wider, die vordergründig auf Investitio-

Jedoch nennen die Experten – neben den Potentialen einer kos-

nen in technologische Entwicklungen innerhalb des Projekt-

tengünstigeren automatisierten Produktion sowie der Erweite-

managements und in Datenerfassungssysteme abzielen.

rung des Vertriebs durch digitale Kanäle und der Entwicklung kundenspezifischer Produkte – auch einige Herausforderungen.

Die anvisierte ausgeprägte Datennutzung in Verbindung mit

Mehr als die Hälfte der Interviewpartner in der Verpackungs-

neuen Technologien – wie Künstliche Intelligenz, Cloud Com-

branche sieht sowohl Themen im Bereich Cybersecurity als

puting und Machine Learning – wird dabei zum zentralen Fak-

auch neue Anforderungen an das Personal als zentrale Heraus-

tor der digitalen Transformation in der Verpackungsbranche.

forderungen im Hinblick auf die digitale Transformation.

Die gezielte Analyse und Auswertung von Kunden- und Produktionsdaten ermöglicht es den Unternehmen, durch die Op-

Die Integration neuer Technologien zur umfangreichen Vernet-

timierung interner Prozesse Kosteneinsparungen zu realisieren

zung der Prozessabläufe, Produkte und Maschinen erfordert

und so die eigene Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu steigern.

die Erhebung zahlreicher Daten sowie die Implementierung

Alle befragten Unternehmen führten an, dass die digitale Trans-

währleistung der verschlüsselten Speicherung von Kunden-

einer umfangreichen IT-Infrastruktur. Datensicherheit, die Geformation ein enormes Potential im Bereich der Effizienzsteige-

daten sowie die Einhaltung der Datenschutzregularien gegen-

rung für ihr Unternehmen besitzt.

über allen relevanten Stakeholdern werden von den befragten Unternehmen als die zentrale Aufgabe und Herausforderung

Zum optimalen Datenaustausch stellen mehrere Experten der

für die Unternehmen innerhalb dieser Branche angesehen.

Verpackungsbranche die Relevanz der verstärkten Nutzung

Generell steigt in der Verpackungsbranche zunehmend das 43


Bewusstsein für Fragen der Cybersecurity, um sowohl Kunden

mit Blick auf digitale Transformationsprozesse zu fördern und

als auch die eigene Organisation wirksam vor Datenmissbrauch

Vertrauen in die neuen Maßnahmen zu generieren.

schützen zu können. Abschließend kann festgehalten werden, dass die WettbewerbEine weitere zentrale Herausforderung besteht darin, die Mit-

sentwicklungen und Produktinnovationen in der Verpackungs-

arbeiter bei der Implementierung neuer Technologien „mitzu-

branche gegenwärtig bereits maßgeblich von der Integration

nehmen“ und weiterzubilden. Insbesondere in dieser Branche

digitaler Lösungen getrieben sind. Einige der befragten Unter-

stellt das bestehende Personal laut Aussagen der Experten

nehmen konnten diese Entwicklungen bislang jedoch eher

die tragende Säule des Geschäftsmodells dar. Aufgrund der

nachrangig priorisieren, da sie durch ihre hohe Spezifizität und

tiefgreifenden Veränderungen im Zuge der digitalen Transfor-

Qualitätsführerschaft eine stabile Marktposition innehaben.

mation besteht jedoch die Notwendigkeit intensiver Überzeu-

Um diese Position nicht zu gefährden, fand bisher eine eher

gungsarbeit und Aufklärung auf allen Ebenen des Unterneh-

zurückhaltende, schrittweise digitale Transformation statt. Es

mens. Auch wenn digitale Lösungen viele Arbeitsprozesse

scheint fraglich, ob dies in Zukunft ausreichend für einen lang-

erleichtern, sind sie auch mit einem erhöhten Bedarf an digi-

fristigen Unternehmenserfolg sein kann. Allerdings scheint das

tal geschultem Fachpersonal verbunden. Deshalb ist es auch

Bewusstsein für die Relevanz und Aktualität der genannten The-

in dieser Branche von besonderer Relevanz, Mitarbeiter aus-,

menbereiche der digitalen Transformation vorhanden zu sein.

fort- und weiterzubilden und neues Fachpersonal einzustellen.

Dies zeigt sich auch an der Tatsache, dass die Mehrheit der be-

Zudem gilt es, durch ein angepasstes, weniger hierarchisches

fragten Unternehmen entweder bereits eine Digitalstrategie für

Führungsmanagement die Sensibilisierung und Partizipation

das Unternehmen besitzt oder diese gerade in Planung ist.

44




ERHEBUNG 2020

Die Kontextualisierung der Erkenntnisse Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die vorliegenden

Gesellschaft

Erkenntnisse, beruhend auf der Auswertung der Interviews mit Führungskräften verschiedener Industriecluster, den fort-

Die Bedeutsamkeit des digitalen Wandels für die Gesellschaft

schreitenden digitalen Strukturwandel in der Bodenseeregion

ist – unter allen Interviewpartnern – unbestritten. Die befragten

bestätigen. Diese Transformation führt einerseits zu graduel-

Experten identifizieren dabei drei zentrale Implikationen der di-

len Veränderungen und Weiterentwicklungen der bestehen-

gitalen Transformation als relevant für die Gesellschaft : Erstens

den Geschäftsmodelle, andererseits sind auch weitreichende

die Erweiterung bestehender Kommunikationsmöglichkeiten,

Disruptionen bestehender Geschäftsmodelle in den kommen-

zweitens die Verstärkung soziostruktureller Ungleichheiten und

den Jahren zu erwarten. Die Mehrheit der Experten bewertet

drittens die steigende Sensibilisierung der Bevölkerung hin-

die Relevanz der digitalen Transformation dabei als eine „riesi-

sichtlich der Sicherheit und dem Schutz von Daten.

ge“ „positive“ gesamtgesellschaftliche Umwälzung. Seit vielen Jahren hat der digitale Transformationsprozess einen Dabei sind diese Veränderungstendenzen – neben der Entwick-

radikalen Einfluss auf die Art und Weise der zwischenmensch-

lung und dem Einsatz neuer Technologien – von einem wach-

lichen Kommunikation : Ein großer Anteil des Informationsaus-

senden Bewusstsein für die Bedeutsamkeit dieses Wandels

tausches findet inzwischen in der virtuellen Welt statt und

innerhalb der Gesellschaft getrieben. Anzumerken ist an dieser

private sowie berufliche Kommunikation in Form von Texten,

Stelle, dass die Covid-19-Pandemie diese Entwicklung nach

Bildern oder Videos kann in Echtzeit global erfolgen. Die Kom-

ersten Erkenntnissen zusätzlich forciert hat. Der Erhebungs-

munikation mit Geschäftspartnern, Freunden und Bekannten

zeitpunkt der Studie verlief parallel zu den ersten Monaten der

oder der eigenen Familie vollzieht sich dabei über diverse Ka-

Ausbreitung der Pandemie. Daher müssen die Erkenntnisse der

näle ortsunabhängig und ohne zeitlichen Versatz.

Erhebung in den Kontext der allgemeinen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Entwicklungen des Erhebungs-

Mit der Möglichkeit der grenzüberschreitenden globalen Kom-

zeitraums gesetzt werden. Nachfolgend werden deshalb aus-

munikation wird die Relevanz von Standorten und Distanzen

gewählte Aspekte, die für die Interpretation der Daten von Re-

für die zwischenmenschliche Interaktion stetig geringer. Zu-

levanz sind, vorgestellt. Der digitale Strukturwandel wird daher

gleich erhöht sich laut Aussagen der Interviewpartner das

hinblickend auf die Gesellschaft und den Einfluss politischer

gesellschaftliche Risiko sozialer Entfremdung, weswegen es

und regulatorischer Rahmenbedingungen diskutiert. Abschlie-

neuer Mechanismen zur Entwicklung sozialer Kompetenzen,

ßend folgt eine gesonderte Einschätzung der Entwicklungen

wie Empathie und Vertrauen, bedarf.

vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie.

47


Zudem stellt das stetig steigende Maß digitaler Kommunikati-

Daten jedweder Art stets die strenge Einhaltung der Daten-

on auch enorme Risiken für die Generierung von Wissen und

schutzregularien gegenüber allen relevanten Interessensgrup-

Informationen dar. Neue Formen der ungefilterten Informa-

pen zu gewährleisten. Dies ist vor allem für Unternehmen von

tionsbeschaffung sind – neben einer großen Chance für Mei-

hoher Bedeutung, um die eigene Reputation innerhalb der Ge-

nungsbildung und Partizipation – Nährboden für politischen

sellschaft zu sichern. Außerdem stellen diese Sicherheitsan-

Populismus und Falschmeldungen. Die Experten sehen in die-

forderungen eine Grundvoraussetzung für ein hohes Maß an

ser Entwicklung eine potentielle Gefahr für die auf Fakten be-

Technologie-Akzeptanz in der Gesellschaft dar.

ruhende Meinungsbildung und Partizipation der Gesellschaft.

Politik und Verwaltung Die zentrale Rolle technologischer Innovationen in der Gesellschaft oder gar der Technologisierung der Lebenswelten

Die Erkenntnisse der fortschreitenden digitalen Transformation

erfordert daher adäquate Kompetenzen, die nur durch eine

sowie die verstärkte Sensibilisierung für Chancen und Heraus-

Neugestaltung und Weiterentwicklung bestehender Bildungs-

forderungen für die Gesellschaft und Wirtschaft haben auch

standards und mit Hilfe von Formaten lebenslangen Lernens

die politischen Akteure erkannt.

realisiert werden können. Die Interviewpartner identifizieren an dieser Stelle zwei zentrale soziale Ungleichheiten, einer-

Beispielhaft kann an dieser Stelle die Einführung der DSGVO im

seits zwischen den Generationen – Stichwort „Digital Natives“

Jahr 2018 genannt werden, die das grundlegende Verständnis

– und andererseits zwischen verschiedenen sozialen Milieus –

des Datenschutzes als Kernbestandteil digitaler Wertschöpfung

wie Stadt und Land. Es sollte dementsprechend Aufgabe von

verstärkt hat. Diese Wahrnehmung teilen auch die befragten

Politik und Wirtschaft sein, den entstehenden Ungleichheiten

Experten, was eine der zentralen Erkenntnisse der Erhebung

durch Weiterbildungsmaßnahmen, die Neugestaltung des Bil-

darstellt. Die Notwendigkeit der Umsetzung der DSGVO -Stan-

dungssystems sowie den Ausbau einer digitalen Infrastruktur

dards bedingt – neben der dadurch notwendig gewordenen

– vorwiegend im ländlichen Raum – entgegenzuwirken.

Auseinandersetzung mit Themen des Datenschutzes – in vielen Unternehmen eine Verbesserung des Datenmanagements.

Mit der zunehmenden Sensibilisierung der Gesellschaft für die

Dies wiederum bildet die Grundlage für die Implementierung

Bedeutsamkeit der Sicherheit und des Schutzes von Daten-

beziehungsweise den weiteren Ausbau digitaler Geschäftsmo-

strömen entwickelt sich auch eine gesteigerte Skepsis gegen-

delle, die sich nach Aussage der Experten in den kommenden

über der Erhebung von personenbezogenen Daten durch Un-

Jahren intensivieren werden.

ternehmen und staatliche Organisationen. Nach Aussage der Interviewpartner werden Datensicherheit und Datenschutz

Die daraus resultierenden dynamischen Entwicklungen des

angesichts dieser Entwicklung innerhalb der Gesellschaft zu

Wettbewerbes und die Integration neuer Technologien, wie

einer zentralen Aufgabe. Demnach ist es laut den befragten

Künstliche Intelligenz, Internet of Things und Blockchain, set-

Experten von höchster Bedeutung, bei der Speicherung von

zen eine flächendeckende 5G-Infrastruktur voraus. Diese bil-

48


ERHEBUNG 2020

det die Grundlage für echtzeitkritische Anwendungen. Eine

Bodenseeregion hat ergeben, dass eine Unterstützung bei

angemessene digitale Infrastruktur sollte daher als grundle-

der Herstellung von Netzwerken und Kooperationen für die

gende private wie ökonomische Form der Daseinsvorsorge

Mehrheit der befragten Experten von besonderer Bedeutung

betrachtet und mit Hochdruck vorangetrieben werden. Die

ist 10. Dies zeigt, dass Wissensnetzwerke diverser Akteure als

politischen Akteure in der Bodenseeregion und dabei vor al-

Key-Enabler für die digitale Transformation der Unternehmen

lem in Deutschland sollten daher stringent an den Plänen für

angesehen werden und politische Akteure bei der Konstituie-

den 5G-Netzausbau festhalten, damit insbesondere auch den

rung dieser Netzwerke und Kooperationen eine entscheidende

Unternehmen diese, in der heutigen Zeit unabdingbare Res-

Rolle spielen sollten.

source für den Unternehmenserfolg schnellstmöglich zur Verfügung steht. Aufgrund des intensiven globalen Wettbewer-

Covid-19-Pandemie

bes stellt der 5G-Netzausbau die Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften im 21. Jahrhundert dar.

Die Covid-19-Pandemie wurde zum maßgeblichen Verstärker

Aufbauend auf der Schaffung dieser grundlegenden digitalen

schen Entwicklungen der digitalen Transformation. Die durch

Infrastruktur gewinnt der Einsatz neuer Technologien ebenfalls

die Pandemie erforderlichen Kontaktbeschränkungen sowie

an Relevanz und Aktualität. Diese Erkenntnis wurde durch die

die daraus resultierende Notwendigkeit, Lösungen der Zusam-

der bisherigen politischen, gesellschaftlichen und ökonomi-

Experten wiederholt in den Fokus gerückt. Zur Schaffung ei-

menarbeit abseits von Präsenz in Büro und Produktionsstätten

nes gemeinsamen verantwortungsbewussten nationalen und

zu finden, beschleunigten den digitalen Strukturwandel zusätz-

langfristig europäischen Rahmens für die Integration dieser

lich. Diesbezüglich können aus den Antworten der Experten

Technologien entwickelte die deutsche Bundesregierung im

drei übergreifende Implikationen herausgefiltert werden, die

Dialog mit diversen Unternehmen eine Blockchain-Strategie  ,

für die Unternehmen von besonderer Relevanz sind : erstens

um diese Potentiale zu nutzen und Risiken zu reduzieren. Es

ein verändertes Konsumverhalten, zweitens die Notwendig-

9

ist zu vermuten, dass diese bundesweite Ausrichtung eine zu-

keit digitaler Lösungen für den zukünftigen Unternehmenser-

nehmende Sensibilisierung der Unternehmen für die Möglich-

folg und drittens die Neuordnung beziehungsweise Dezentrali-

keiten dieser Technologien schafft und zugleich den notwendi-

sierung des bestehenden Unternehmensnetzwerkes.

gen Rahmen zu deren sicherer Nutzung bietet. Die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen als Reaktion Neben den genannten Beispielen zur Salienz politischen Han-

auf die Pandemie bedingte unter anderem eine signifikante

delns im Bereich der digitalen Transformation können poli-

Veränderung des Konsumverhaltens. Es zeichnete sich eine

tische Akteure Unternehmen durch finanzielle Mittel unter-

klare Präferenz für die Nutzung von E-Commerce-Optionen

schiedlicher Art, günstige ( rechtliche ) Rahmenbedingungen

zum Nachteil des stationären Handels ab. Die Reputation ei-

und die Unterstützung bei der Herstellung von Netzwerken

nes Unternehmens und das damit verbundene Vertrauen der

und Kooperationen fördern. Eine Untersuchung zu KMU in der

Konsumenten in die Produkte sowie deren Regionalität haben 49


dabei zunehmend an Relevanz gewonnen. Zugleich förderte

führten diese Veränderungen kurzfristig über Nacht zu Produk-

die Notwendigkeit der digitalen Zusammenarbeit den Einsatz

tivitätssteigerungen, Kosteneinsparungen, einer effizienteren

neuer Technologien. Derlei war bisher oftmals im Sinne einer

Ressourcenallokation sowie zu geringeren Fehlzeiten. Covid-19

langfristigen strategischen Maßnahme in Betracht gezogen

ermöglichte damit sowohl den initialen Einsatz als auch die

worden, jedoch häufig noch nicht vollständig in die Abläufe

mittelfristige Bewährung der Integration neuer Technologien

integriert worden. Die befragten Experten nennen in Bezug zu

in zuvor undenkbarem Ausmaß. Viele dieser neuen Entwick-

den Veränderungen durch Covid-19 unter anderem die initia-

lungen sollen nach Aussage der Experten auch in Zukunft bei-

le beziehungsweise zunehmende Integration digitaler Tools

behalten und sogar vertieft werden.

in die interne und externe Kommunikation, in das Kundenmanagement (  C RM  ) sowie in das Prozess- und Projektmanage-

Eine ähnliche Entwicklung ist innerhalb des Prozess- und Pro-

ment als greifbare Veränderungen.

jektmanagements zu beobachten. Die Digitalisierung und die digital getriebene Automatisierung initiierten eine Transforma-

Die wohl sichtbarste Veränderung mit Blick auf Covid-19 ist al-

tion hin zu agilen und datengesteuerten Abläufen, die es er-

lerdings sicherlich im Bereich des Personalmanagements zu

möglichen, zukünftig schneller auf neue Herausforderungen

beobachten. Resultierend aus Maßnahmen der Pandemiebe-

reagieren zu können und die Widerstandsfähigkeit und Geschäftskontinuität des Unterneh­

kämpfung musste die Arbeit in Präsenz in vielen Unternehmen

mens sicherzustellen. Solche Au-­

eingestellt und auf digitale Tools

to­matisierungsprozesse von Rou-

der Zusammenarbeit zurückgegriffen werden. Dieser Prozess wurde seitens der Experten zunächst als große Herausforderung erlebt. Die Interviewpartner – vorwiegend in der Bankenbranche – geben zudem an, dass diese Veränderung aus ihrer Sicht ohne die Covid-19-Pandemie

Covid-19 ermöglichte den initialen Einsatz als auch die mittelfristige Bewährung der Integration neuer Technologie in zuvor un­ denkbarem Ausmaß.

noch sehr lange nicht erfolgt oder gar unmög­lich gewesen wäre. Die Weiterführung des Betriebes unter Verwendung

tineaufgaben, die vermehrte Auswertung erhobener Daten und de-­ ren Vernetzung versetzt Unternehmen in die Lage, schneller auf Krisen zu reagieren und Prozesse entsprechend aktueller Entwicklungen anzupassen. Die zunehmende Digitalisierung bestehender Prozessabläufe zeichnet sich vor allem in der Logistik- und in der Verpackungsbranche als be-

sonders relevant ab und soll laut den befragten Experten die-

digitaler Tools im Homeoffice verdeutlicht unverhofft die be-

ser Industriecluster zukünftig weiter vorangetrieben werden.

trächtlichen Potentiale digitaler Technologien in Bezug auf die

Big Data könnte es den Unternehmen weiterhin ermöglichen,

zwischenmenschliche Zusammenarbeit. In manchen Bereichen

bereits verfügbare umfangreiche Daten und Rechenkapazitä-

50


ERHEBUNG 2020

ten zu nutzen, um agiler entscheiden zu können, Prozesse zu optimieren und die eigene Effizienz weiter zu steigern. Bisher bleiben diese Ressourcen und der damit assoziierte Wettbewerbsvorteil allerdings weitestgehend ungenutzt. Das durch Covid-19 ausgelöste Bewusstsein über diese Ressourcen könnte allerdings die Identifikation und Vernetzung der Prozesse und Produkte als eines der zentralen Handlungsfelder der beiden Industriecluster implizieren. Neben diesen bestätigten Potentialen der digital getriebenen Transformation verdeutlichte die Covid-19-Pandemie auch die Herausforderungen, die insbesondere mit Datensicherheit und Cybersecurity einhergehen. Besonders für Unternehmen, in denen die Pandemie die Integration digitaler Lösungen initiierte, stellte der Umgang mit Datensicherheitsrisiken und Cybersecurity eine zentrale Herausforderung dar. Darüber hinaus verdeutlichte der Einsatz neuer Technologien die maßgebliche Notwendigkeit der Integration dieser Neuerungen in die bestehende Unternehmenskultur und -struktur. Auf welche Art und Weise sich die Krise weiterhin in der nächsten Zeit auf die Weltwirtschaft und damit auch die Bodenseeregion auswirken wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: Diese rangieren von Reaktionen einzelner Unternehmensführungen bis hin zu der Anpassungsfähigkeit ganzer Branchen und einzelner Akteure. Auch aus diesem Grund ist eine turnusmäßige Erhebung zum Stand des digitalen Wandels – wie die vorliegende – von großer Bedeutung, da sie zeitliche Veränderungen aufzeigen und dadurch messbar machen kann. Zudem können anhaltende Herausforderungen und Chancen des digitalen Strukturwandels identifiziert und kontinuierlich durch die operative Arbeit des BIC angegangen werden.

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ERHEBUNG 2020

Special Issue 2020 – Leading Digital Transformation Das Phänomen der digitalen Transformation ist vor allem durch

1. Digital Strategy : Klare Zielsetzung und Strategie

vier Aspekte gekennzeichnet : Sie gilt als unausweichlich, un-

2. Digital Culture : Veränderung der Unternehmenskultur

umkehrbar, schnell voranschreitend und als Auslöser großer

3. Digital Skills : Digitale Kompetenzen entwickeln

Unsicherheit  . In diesem Kontext zeigt sich weiterhin der star11

und fördern

ke Einfluss der digitalen Transformation auf Unternehmen und

4. Digital Stakeholder-Management : Führung und

damit auf Prozesse, mit Hilfe derer in den Unternehmen Wert-

( Selbst- )Organisation von Netzwerkakteuren

schöpfung betrieben wird. In einer volatilen, unsicheren und von Wandel geprägten Welt ist es für Unternehmen wichtig,

Wenngleich innerhalb des Konzeptes digitaler Führung der

sich mit den Veränderungen der Arbeitswelt auseinanderzu-

Schwerpunkt auf der Führung von Mitarbeitern und der Orga-

setzen. Grundlegend ist dabei die Frage, wie der Wandel in den

nisation als solcher im Kontext digitaler Transformation liegt,

Unternehmen gestaltet werden sollte, um diesen disruptiven

bedeutet dies nicht, dass klassische Elemente und Manage-

Prozess mit Erfolg zu bewältigen.

mentprinzipien der Unternehmensführung redundant werden 13. Vielmehr sollten die klassischen Elemente der Führung von

Aufgrund der Implikationen, die sich aus dieser Disruption er-

Mitarbeitern durch digitale Führungselemente ergänzt und

geben, werden insbesondere verantwortliche Führungskräfte

gegebenenfalls neue Prioritäten in der Unternehmensführung

in den Unternehmen vor neue erweiterte Herausforderungen

gesetzt werden. Eine erfolgversprechende digitale Führung

gestellt: Sie finden sich in einem von zusätzlicher Unsicherheit

entsteht damit in ständiger Wechselwirkung mit Strategie,

und Komplexität geprägten Entscheidungsumfeld wieder, das

Struktur, Kultur, Prozessen und Netzwerken innerhalb und au-

unter anderem stetiger Anpassung an neue Gegebenheiten

ßerhalb einer Organisation.

und der Partizipation der Mitarbeiter bedarf. Von dieser Entwicklung getrieben, hat – basierend auf gängigen Führungs-

Auf Basis dieser modellhaften Grundlagen digitaler Führung

konzepten – in den vergangenen Jahren der Begriff des Digital

wurden die Experten im Zuge der Studie daher persönlich zu

Leadership stetig an Bedeutung gewonnen.

der Art und Weise sowie den Elementen der ( digitalen ) Führung in ihren Unternehmen befragt. Die folgende Abbildung

Im Kontext dieses Ansatzes werden folgende vier Elemente häu-

der Ergebnisse gibt auf Basis der Daten der quantitativen On-

fig genannt, die im Rahmen des Digital-Leadership-Konzeptes

line-Befragung einen Einblick in den aktuellen Status quo des

( im Folgenden auch digitale Führung genannt ) 12 als zentrale

( digitalen ) Führungsverhaltens innerhalb der vier untersuchten

Erfolgsfaktoren anzusehen sind :

Branchen der Bodenseeregion :

53


Erfolgsfaktoren Digital Leadership

|  Strategische Zielsetzung |   Definierte Aktions- und Zeitpläne |   Investitionsbereitschaft

|   Etablierung und Akzeptanz einer allgemeinen Fehlerund Lernkultur |   Generationenübergreifende Einbeziehung aller Mitarbeitenden |   Technologieakzeptanz

Digital Strategy

Digital Skills

|  Entwicklung ( Aus-, Fort-, Weiterbildung ) digitaler, informationstechnologischer Kompetenzen |   Partizipative Führungsstile |   Abteilungen als Kompetenz netzwerke

Digital Stakeholdermanagement

|  Führung unternehmensinterner und -externer Netzwerke von Stakeholdern | Wissen als entscheidende Ressource für Stakeholder und Netzwerke | Kooperationen und Partnerschaften als möglicher, entscheidender Wettbewerbsvorteil

Digital Leadership

Digital Culture

Mit Bezug auf die Entwicklung einer digitalen Führungsstra-

auf die digitale Transformation noch keine unternehmenswei-

tegie zeigt sich im Kontext der digitalen Transformation, dass

te strategische Zielsetzung entwickelt haben. So heißt es : „Es

nur selten klare strategische Zielsetzungen und damit verbun-

ist nicht so, dass es den digitalen Masterplan gibt, sondern es

dene Aktions- und Zeitpläne für die gesamte Organisation

ist eher so, dass wir uns Schritt für Schritt weiterentwickeln.“

vorhanden sind. Sehr wohl gibt es solche Zielsetzungen aber

Dies zeigt, dass die Zielerreichung in einzelnen Unternehmens-

dezentral, also in bestimmten Themenfeldern und Abteilungen.

und Themenbereichen vorwiegend nach dem Leitsatz Lear-

Ein branchenübergreifend häufig genanntes Themenfeld ist

ning by doing und anhand des Trial-and-Error-Prinzips erfolgt.

beispielweise die unternehmensinterne Prozessoptimierung. Was die Abteilungen betrifft, so gibt es unter anderem in der

Diese Erkenntnis sollte allerdings keineswegs zu dem Rück-

Finanzabteilung ( Digitalisierung der Rechnungsstellung ) und

schluss führen, dass die Unternehmen Investitionen in Projekte

dem Vertrieb ( digitale Kommunikation mit dem Kunden ) zu-

der digitalen Transformation zurückhalten. In der quantitativen

meist klare Zielvorgaben und Umsetzungspläne in Bezug auf

Online-Befragung geben 45 von 47 Unternehmen an, in Pro-

die digitale Transformation.

jekte zur Förderung der unternehmensinternen digitalen Transformation zu investieren. Lediglich ein Unternehmen plante

Dennoch kann das folgende Zitat eines mittelständischen Un-

die dafür getätigten Investitionen zu kürzen ; insgesamt planen

ternehmens aus der Pharmabranche als exemplarisch für die

knapp zwei Drittel der Unternehmen, die Investitionen in Pro-

Tatsache aufgeführt werden, dass viele Unternehmen mit Blick

jekte der digitalen Transformation sogar noch zu erhöhen.

54


ERHEBUNG 2020

Diese Investitionen – so notwendig sie sind – bringen aller-

Digital Skills ermöglichen dem Personal das Verständnis und

dings diverse Veränderungen in den Unternehmen mit sich.

die problemangepasste Nutzung digitaler Technologien und

Daher ist es notwendig, dass unternehmensintern ein sorg-

Arbeitsweisen. Die Entwicklung solcher digitalen Kompeten-

sam geführter Wandel der Unternehmenskultur hin zu einer

zen sollte daher ein zentraler Baustein passgenauer digitaler

Digital Culture stattfindet. Auch in den Ergebnissen der Be-

Führung sein – und wurde in den Experteninterviews ebenfalls

fragung wird deutlich, dass den Unternehmen der befragten

als äußerst relevant eingestuft. Allerdings wurde auch deutlich,

Branchen bewusst ist, dass ein solcher Kulturwandel intern

dass der Status quo im Bereich der Führung von Mitarbeitern

begleitet werden muss. Jedoch geben nur wenige Unterneh-

aktuell noch häufig an einen eher „klassischen“ Führungsstil

men an, diesen Wandel tatsächlich bereits aktiv zu gestalten.

erinnert, der stärker von Kontrolle und der klaren Delegation

Industrieübergreifend werden dabei wiederkehrend zwei The-

von Aufgaben und weniger von der Befähigung der Mitarbeiter

menschwerpunkte genannt, die aus Sicht der Experten zentra-

hin zur Selbstorganisation geprägt ist.

le Erfolgsfaktoren mit Blick auf die Entwicklung einer digitalen Unternehmenskultur sind : Zum einen ist es notwendig, eine

Innerhalb der quantitativen Online-Befragung wurden die Un-

offene und anerkannte Fehler- und Lernkultur zu etablieren ;

ternehmensvertreter daher gefragt, wie intensiv die Mitarbei-

zum anderen wird es als entscheidend angesehen, dass alle

ter ihrer Ansicht nach mit Blick auf die fortschreitende digita-

Generationen innerhalb des Unternehmens in diesen digitalen

le Transformation in die strategische Entscheidungsfindung

Struktur- und Kulturwandel miteinbezogen werden.

ihres Kompetenzbereiches eingebunden werden sollten. Die Befragten konnten ihre Antwort dabei zwischen „Gar nicht –

Gerade in diesem von Wandel geprägten Feld müssen Fehler

strategische Entscheidungen sollte ausschließlich der jeweils

in der digitalen Welt in gleichem Maße erlaubt sein wie in der

Vorgesetzte treffen“ bis „Sehr intensiv – Strategische Entschei-

analogen. Dies ist ebenso wichtig wie das Lernen aus Fehlern

dungen sollten grundsätzlich partizipativ innerhalb der Grup-

und die Fähigkeit, daraus bessere Lösungen zu entwickeln.

pe/Abteilung getroffen werden“ verorten. Die Experten hatten

Diesen Aussagen stimmten die Unternehmen branchenüber-

so die Wahl, zwischen einem autoritären und einem demokra-

greifend zu. Die Experten geben dabei an, dass sowohl Füh-

tischen Führungsstil zu entscheiden. Die Auswertung der Er-

rungskräfte als auch Mitarbeiter lernen müssen, Fehlschläge

gebnisse zeigt, dass lediglich 8,5 Prozent der Interviewpartner

als integralen Bestandteil des Kulturwandels zu akzeptieren,

für einen eher autoritären Führungsstil stimmen. 42,5 Prozent

mit Misserfolgen umzugehen und diese in konstruktiver Art

der Befragten sprechen sich wiederum für eine intensivere be-

und Weise zu nutzen. Die Expertise, die Mitarbeiter brauchen,

ziehungsweise sehr intensive Einbindung der Mitarbeiter in die

um Fehler von vornherein zu vermeiden, sind über Schulungen

Entscheidungsprozesse aus. Diese Ergebnisse werden in der

und Weiterbildungen für alle Generationen bereitzustellen. So

folgenden Abbildung zusammenfassend dargestellt. Dabei zeigt

wird auch die Mitnahme aller Mitarbeiter im Prozess der digita-

sich, dass der Trend des Führungsverhaltens innerhalb der be-

len Transformation gewährleistet.

fragten Unternehmen sich hin zu moderneren und partizipativeren Führungsstilen entwickelt. 55


Klassifikation des Führungsverhaltens der befragten Unternehmen

Kontrolle

Mitbestimmung

Partizipation

7 6 5 4 3

5,2

5,3

Anleiten

Lenken

5,6

5,7

5,8

5,9

Kollaborieren

Delegieren

Koordinieren

Partizipieren

6,3

4,1 3,4

2 1 0 Kontrollieren

Dirigieren

Diese neueren Führungsstile können der erfolgreichen Bewäl-

Motivieren

noch immer auf der klassischen Vertrags- und Abhängigkeits-

tigung der digitalen Transformation zugutekommen, da sie es

beziehung zwischen der Führungskraft und dem ihr unterstell-

erlauben, die Ressource Mensch als Ganzes zu begreifen und

ten Personal ( Prinzipal vs. Agent ) geprägt sein wird oder ob

den Mitarbeitern den Raum geben, unabhängig von ihrer Po-

Führung in Zukunft als inklusives Element von Netzwerkakteu-

sition im Unternehmen an den Innovationsprozessen beteiligt

ren betrachtet wird, in dem alle Akteure ein gemeinsames Ziel

zu sein und ihr Wissen gewinnstiftend in die Organisation ein-

verfolgen und hierarchische Kontrollmechanismen eine eher

zubringen. Weiterhin ermöglichen diese Führungsstile es den

nachgelagerte Rolle spielen werden 15.

Mitarbeitern, über die eigenen abgegrenzten Aufgaben hinauszudenken und sich im Austausch mit anderen Mitarbeitern zu

Dies würde dazu beitragen, dass die gemeinsame „Arbeit“ an

dynamischen Netzwerken innerhalb der Organisation zusam-

der Ressource Wissen auch außerhalb der Unternehmensgren­

menzuschließen 14. Eben diese Freiräume gelten als Grundlage

zen zu einem wichtigen Erfolgsfaktor unternehmerischer Wert­

des Intrapreneurship, der unternehmensinternen Innovations-

schöpfung werden kann. Die Daten geben einen ersten Hin-

entwicklung, und stellen damit eine der notwendigsten Unter-

weis darauf, dass zukünftig dem Stakeholder-Management als

nehmensqualitäten im Zuge der digitalen Transformation dar.

Führung von Netzwerkakteuren eine immer wichtigere Rolle

Eine entscheidende Frage innerhalb dieses Themenkomple-

zukommt. Unternehmensintern bedeutet dies für Führungs-

xes wird in Zukunft also sein, ob die Führung von Mitarbeitern

kräfte die Entwicklung hin zu einer verstärkten Kollaboration

56


ERHEBUNG 2020

von gleichberechtigten Netzwerkpartnern sowie der damit

Demnach können die folgenden Elemente als Voraussetzun-

einhergehenden Befähigung von Führungskräften und Mitar-

gen für gelingende digitale Führung angesehen werden :

beitern, eine relevante Wissensressource in diesem Kontext zu sein. Unternehmensextern beschreibt es die Führung von – und

1. In allen von digitalen Veränderungsprozessen betroffenen

Vernetzung mit – weiteren für den Unternehmenserfolg rele-

Unternehmensbereichen und Themenfeldern sollten klare

vanten Akteuren ( zum Beispiel Wissenschaft, Zivilgesellschaft ).

Ziele gesetzt werden, sodass eine gemeinsame, unterneh-

Formen unternehmensexterner Netzwerke können dabei mit

mensweit anerkannte Zukunftsvision entstehen kann.

Bezug zur Wertschöpfungskette zunächst etwa Zulieferer und Kunden sein. Jedoch zeigt sich in der Befragung auch, dass die

2. Führungskräfte und Mitarbeiter sollten eine gemeinsame

Unternehmen der Bodenseeregion bereits weitere Netzwerke

Lern- und Fehlerkultur etablieren. Dadurch soll zum einen

pflegen: Jeweils zwei Drittel aller Unternehmen bestätigten, im

der Lerneffekt durch Fehler maximiert und zum anderen

Kontext der digitalen Transformation im intensiven Austausch

die Zahl zukünftiger Fehler minimiert werden, wodurch sich

mit anderen Unternehmen innerhalb und außerhalb der eige-

eine erfolgreiche Lernkultur auszeichnet.

nen Branche zu stehen. Weitere 50 Prozent der Unternehmen berichteten von bestehenden Kooperationen mit Forschungs-

3. Die Ausstattung der Mitarbeitenden mit Kompetenzen im

einrichtungen und Hochschulen. In diesem Zusammenhang

Umgang mit digitalen Technologien, Tools und Arbeits-

wurden die Befragten auch gebeten, die Gründe für diese Ko-

weisen ist zentral für einen erfolgreichen digitalen Trans-

operationen mit unternehmensexternen Akteuren im Bereich

formationsprozess. Führungskräfte sind in diesem Zusam-

der digitalen Transformation anzugeben. An erster Stelle mit

menhang unterstützende Netzwerkakteure : Das Ziel guter

mehr als 50 Prozent aller Nennungen steht für die Experten der

Führung besteht darin, Mitarbeitende dazu zu befähigen,

Erfahrungs- und Wissensaustausch. An zweiter Stelle steht

als eigenständiger Akteur Wissensressourcen zu generie-

die mögliche Steigerung der ( Kosten- )Effizienz und an dritter

ren, welche zum Prozess der digitalen Transformation des

Stelle nennen die Befragten mögliche Produktverbesserungen

Unternehmens förderlich beitragen.

beziehungsweise -ergänzungen, die vor allem auch mit unternehmensexternen Akteuren realisierbar sind.

4. Die digitale Transformation wird in Form von Netzwerken verbreitet und gestaltet. Führungskräfte sollten sich dem-

Diese Aussagen zeigen, dass die Mehrzahl der Unternehmen

nach als „Knotenpunkte“ begreifen, die unternehmensin-

der Bodenseeregion bereits einen wichtigen Schritt unternom-

tern und -extern Kooperationen mit Akteuren schließen

men hat, Führung in einem größeren Kontext zu sehen. Damit

beziehungsweise ermöglichen, um digitale Transformations-

deckt sich das Verhalten der Unternehmen der Bodenseeregi-

prozesse voranzutreiben.

on an dieser Stelle bereits mit den Vorschlägen aus der Theorie 2,4,5, welche die Relevanz solcher Netzwerke für den Unternehmenserfolg betont. 57



ERHEBUNG 2020

Die Relevanz und Arbeitsweise des Bodensee Innovationsclusters | BIC Das Bodensee Innovationscluster | BIC bietet eine Plattform für

allem im Kontext der digitalen Transformation und dem damit

die Vernetzung der Unternehmen der Bodenseeregion sowie

verbundenen digitalen Wandel zu unterstützen.

den gegenseitigen Austausch von Know-how aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Außerdem

Das BIC agiert seit seiner Gründung im Jahr 2018 basierend

bringt das BIC eigene Expertise zu relevanten Themengebieten

auf der grundlegenden Überzeugung, dass die Bodenseere-

der digitalen Transformation als Partner und Netzwerkakteur

gion als eine der innovationsstärksten Technologieregionen

mit ein : So besitzt das BIC insbesondere Expertise im Bereich

Europas über umfangreiches explizites wie implizites Wis-

der Innovation von digitalen Geschäftsmodellen sowie im

sen zu den Rahmenbedingungen, Konsequenzen und vor al-

Bereich des Aufbaus geeigneter Governance- und Führungs-

lem Chancen der digitalen Transformation in Wirtschaft und

strukturen mit Blick auf die Veränderungen durch den digitalen

Gesellschaft verfügt. Das Innovationscluster fördert vor die-

Wandel.

sem Hintergrund die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen, technologie-affinen Unternehmen und anderen

Der entscheidende Faktor für die Identifikation themenspezi-

relevanten Stakeholdern der Bodenseeregion, um deren the-

fischer Expertise liegt jedoch in der Zusammenführung wirt-

menspezifische Expertise kontinuierlich zu identifizieren, zu fo-

schaftlicher, wissenschaftlicher, politischer und anderer rele-

kussieren und zum wirtschaftlichen wie gesamtgesellschaft-

vanter Akteure. Durch sie gelingt es auch, Wissensressourcen

lichen Nutzen regional wie überregional nutzbar zu machen.

zum wirtschaftlichen sowie gesamtgesellschaftlichen Nutzen

Geleitet wird das BIC dabei von dem grundlegenden Interesse

zu erschließen, um die Unternehmen der Bodenseeregion vor

an globalen Herausforderungen der fortschreitenden digitalen Transformation und der Überzeugung, dass die Bewältigung dieser Herausforderungen und die Sicherung einer ökologisch

Vernetzung von Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik

wie ökonomisch nachhaltigen Entwicklung in der Bodenseeregion nur durch Bündelung bestehender Wissensressourcen und Schaffung neuer Kooperationen multipler Akteure möglich sein wird.

Wirtschaft Wissenschaft Gesellschaft Politik

+

Externe Experten ( überregional )

Um seine Formate stets bedarfsorientiert gestalten und auf die für die Unternehmen aktuell relevanten Themenfelder eingehen zu können, führt das BIC in zweijährigem Turnus eine Evaluierungsstudie zum Stand der digitalen Transformation in der Bodenseeregion durch. Diese regelmäßige qualitative 59


und quantitative Analyse des gegenwärtigen Grades des Fort-

die Validierung der Ergebnisse der ersten Erhebung sowie die

schritts digitaler Transformation in der Bodenseeregion zeigt

Analyse aktueller Entwicklungen und Trends zwecks Anpas-

sowohl branchenspezifische als auch branchenübergreifende

sung und Erweiterung der inhaltlichen Schwerpunktsetzung

Chancen und Herausforderungen auf und bildet damit die wis-

des BIC .

senschaftliche Grundlage für die Arbeit des BIC . Zugleich sichert die kontinuierliche Evaluierung der inhaltlichen Schwer-

Das zentrale operative Format des Innovationsclusters sind

punkte die Aktualität und Relevanz der operativen Arbeit des

die Innovationskreise, in denen die themenspezifische Ope-

Innovationsclusters.

rationalisierung seiner Inhalte erfolgt. Geleitet von Experten

Im Zuge der ersten Erhebung im Jahr 2018 wurden vier zent-

ratoriums –, initiiert das BIC die themenspezifischen Innovati-

rale Trends von branchenübergreifender Relevanz identifiziert,

onskreise jeweils durch eine Impulsveranstaltung an der Zep-

welche die Arbeit des BIC während der vergangenen zwei

pelin Universität.

der Universität – in Abstimmung mit den Mitgliedern des Ku-

Jahre bestimmten. Die Studie konnte zudem aufzeigen, dass die hochgradig komplexen Herausforderungen der digitalen

Die Impulsveranstaltung findet in Form einer ganztägigen in-

Transformation und des damit verbundenen Strukturwandels

teraktiven Konferenz jeweils im März und September eines

ausschließlich über Informationssynergien, Wissensaustausch,

jeden Jahres statt. Im Anschluss beginnt die gemeinsame Ar-

Vernetzungen und Kooperationen der relevanten Akteure be-

beit der Unternehmensvertreter in den Innovationskreisen, die

arbeitbar und schließlich lösbar sind. Zu diesem Zweck wur-

thematisch auf den Vorträgen der Konferenz aufbauen. Jeder

den in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam mit den Ku-

Innovationskreis wird über die Mindestdauer von einem Jahr

ratoren des BIC die Innovationskreise Cybersecurity, Digitales

abgehalten und in Kooperation mit einem der Kuratoriumsmit-

Nachhaltigkeitsmanagement und Lebenslanges Lernen / Tech-

glieder des BIC durchgeführt. Die einzelnen Treffen sind wiede-

nologie-Akzeptanz erfolgreich initiiert und überregional rele-

rum mit einer Taktung von etwa acht Wochen angesetzt. Da-

vante Experten zu den jeweiligen Themen mit Unternehmen

durch ergibt sich pro Innovationskreis eine Anzahl von sechs

der Bodenseeregion zusammengeführt. Die Arbeit am vierten

Einzeltreffen. Angesichts dieser Dauer der Innovationskreise

Schwerpunkt der Erhebung 2018 – Implikationen Künstlicher

können innerhalb eines Zyklus jeweils sechs Teilbereiche des

Intelligenz für Geschäftsmodelle und Gesellschaft – wird im

Innovationskreisthemas behandelt werden. Jeder Teilbereich

September 2020 beginnen.

wird von einem internen oder externen Fachexperten betreut. Die Auswahl der Experten wird in Hinblick auf die Bedarfe der

Anknüpfend an die Ergebnisse der ersten Erhebung von 2018

Teilnehmenden des Innovationskreises und die gemeinsam ge-

aktualisiert die Studie von 2020 die Wissensgrundlage zur the-

wählten strategischen Themen getroffen. Durch die wechsel-

matischen Ausrichtung des BIC und ermöglicht dadurch wei-

seitige Komplementarität der Teilbereiche wird im Laufe eines

tere Entwicklungen des digital getriebenen Strukturwandels

Jahres ein ganzheitliches Verständnis des Innovationskreisthe-

in der Bodenseeregion nachzuvollziehen. Weiterhin erlaubt sie

mas erarbeitet. Dieses Gesamtverständnis kann so von den

60


ERHEBUNG 2020

Teilnehmern Stück für Stück in ihren Unternehmen implemen-

onsplattformen im Nachgang an die Teilnehmer verteilt. Dar-

tiert werden.

über hinaus wird nach Abschluss des Innovationskreises eine Broschüre erstellt, welche die erarbeiteten Ergebnisse für die

Ziel eines jeden Treffens ist die Anwendung der Expertise des

Öffentlichkeit und teilnehmenden Unternehmen schriftlich zu-

jeweiligen Redners und der Gastgeber auf die konkreten He-

gänglich macht.

rausforderungen der Teilnehmer. Idealerweise schließen sich dabei diejenigen Teilnehmer, die sich mit ähnlichen oder glei-

Die Unternehmen profitieren von der Teilnahme an den Innova-

chen Herausforderungen konfrontiert sehen, in den interakti-

tionskreisen, indem das gemeinsam erarbeitete Wissen durch

ven Breakout-Sessions zu Gruppen zusammen, um gemein-

die Mitarbeiter in das Unternehmen getragen wird. Das BIC

sam an Lösungsansätzen für ihre Unternehmen zu arbeiten.

selbst profitiert, indem Denkanstöße aus der Praxis Einzug in

Sollte ein Teilnehmer die unabhängige Bearbeitung der Frage-

die Arbeit zukünftiger Innovationskreise sowie in Studien, in

stellung ohne Anschluss an eine Gruppe wünschen, so ist dies

Konferenzen und in die Forschung halten.

auch möglich. Jedoch entspricht die Arbeit in Kleingruppen in besonderem Maße dem wesentlichen Ziel des BIC , Koopera-

Das BIC ist also eine Wissensplattform im vollumfänglichen

tionen und Netzwerkbildungen in der Bodenseeregion zu för-

Sinne : Auf der einen Seite stellt es eigene Expertise sowohl

dern und wird deshalb stark befürwortet. Der Experte, der das

innerhalb der wissenschaftlichen Sphäre als auch in der Praxis

jeweilige Treffen mitbetreut, kann entweder aus den Reihen

zur Verfügung ; auf der anderen Seite agiert das BIC als ver-

der teilnehmenden Unternehmen gewählt werden oder aus

mittelnder Akteur zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik

dem Netzwerk des BIC stammen. Möglich ist zudem auch eine

und Zivilgesellschaft. Dadurch ermöglicht das BIC es Innova-

Mischform der beiden Varianten, bei der ein externer Experte

toren und Treibern des digitalen Wandels in der Bodenseeregi-

und ein Experte aus den Reihen der teilnehmenden Unterneh-

on, sich mit Fragen innerhalb der identifizierten Themenfelder

men gemeinsam den Workshop bestreiten. Zur Strukturierung

nachhaltig zu beschäftigen. Zum einen haben die Teilnehmer

des zeitlichen Ablaufes und der schrittweisen Erarbeitung der

die Möglichkeit, Herausforderungen in Kooperationen mitein-

Ergebnisse wird ein eigens dafür entwickeltes Workshopde-

ander und mit hochrangigen Experten zu lösen ; zum anderen

sign eingesetzt. Die Dauer der Innovationskreise beträgt inklu-

erschließen sie sich ein persönliches Netzwerk, bestehend aus

sive gemeinsamer Mahlzeiten und eines geselligen Ausklan-

Unternehmensvertretern und Experten der Bodenseeregion.

ges etwa einen halben Arbeitstag. Alle Informationen innerhalb eines Innovationskreises werden vertraulich behandelt. Die Anfertigung von Fotos, Tonmitschnitten und digitalen Mitschriften durch die Teilnehmer ist untersagt. Ein offizielles Fotoprotokoll der Arbeitsergebnisse wird durch das BIC erstellt und über sichere Kommunikati61



ERHEBUNG 2020

Ausblick Auf Basis der Erkenntnisse der Studie lässt sich grundlegend

können. Diese Effizienz wiederum wird von Nöten sein, da

festhalten, dass die Unternehmen der Bodenseeregion der di-

durch die Vernetzung von Maschinen und Produkten über das

gitalen Transformation sowohl innerhalb ihres Unternehmens

Internet of Things enorme Datenmengen generiert werden,

als auch innerhalb ihrer Branche einen hohen Stellenwert bei-

die ohne die Möglichkeiten von KI - oder Big-Data-Anwendun-

messen. So bieten die mit der digitalen Transformation ver-

gen nicht mehr zu bewältigen sind. Damit ist in diesem Fall die

bundenen technologischen Möglichkeiten ein enormes Po-

direkte Nutzung digitaler Technologien Voraussetzung für die

tential bezüglich der Effizienzsteigerung über alle Bereiche der

Effizienzsteigerung der eigenen Prozesse. Die massenhafte

Wertschöpfungskette hinweg. Dabei stellen kundenzentrierte

Generierung und Speicherung von Daten führten jedoch zu-

digitale Geschäftsmodelle eine entscheidende Chance für die

gleich auch zu der Notwendigkeit, diese Daten vor Missbrauch

Entwicklung eines Wettbewerbsvorteils dar. Zudem führt der –

zu schützen. Die Nutzung von Cybersecurity-Frameworks,

durch digitale Technologien möglich gewordene – direkte Kon-

-Anwendungen und -Tools bildet deswegen die zentrale Her-

takt zum Kunden zu weiteren Chancen für die Unternehmen:

ausforderung für die Unternehmen. Gelingt dies nicht, sind

Über digitale Vertriebsstrategien können einerseits Transakti-

Vertrauensverluste aller mit dem Unternehmen in Verbindung

onskosten und damit Ressourcen eingespart, andererseits die

stehenden Akteure ( zum Beispiel Partner, Lieferanten, Kun-

Kundenbindung erhöht werden. Dieser Ansatz wird von den

den ) vorprogrammiert. In diesem Kontext ist vor allem die stra-

Unternehmen auch bereits im Recruiting angewandt : Auch in

tegische Verortung der Cybersecurity innerhalb des Unterneh-

diesem Bereich integrieren sie zunehmend den Einsatz sozialer

mens von großer Wichtigkeit. Während dieses Themenfeld in

Medien und stärken dadurch den Kontakt und die Bindung zur

der Vergangenheit klar der IT-Abteilung zugeordnet wurde, so

gewünschten Zielgruppe, vorwiegend junge Absolventen.

ergibt sich nun die Notwendigkeit, das Thema im Zuge des Ri-

Zur Realisierung dieser Chancen sehen die Experten insbeson-

ten und auf Top-Managementebene zu diskutieren. Dabei soll-

sikomanagements eines Unternehmens strategisch zu verordere Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz als

ten insbesondere Haftungsfragen frühzeitig geklärt und das

relevant an. Die Möglichkeit, mit Hilfe digitaler Systeme aus

Fortlaufen des Kerngeschäftes im Falle eines Cyberangriffs

Daten Muster ableiten und anhand dieser lernen zu können,

sichergestellt werden.

stellt für die Unternehmen einen enormen Zugewinn dar. Der größte Vorteil besteht laut den Experten darin, dass die Sys-

Bei der Umsetzung dieser komplexen Technologien, ebenso

teme auf dieser Basis selbstständig Empfehlungen abgeben

wie bei der informierten Nutzung von Cybersecurity-Anwen-

oder zukünftig auch Entscheidungen treffen können. Die um-

dungen braucht es allerdings zum einen gut ausgebildete

fangreiche Analyse von Daten soll weiterhin über zusätzliche

Fachkräfte und zum anderen eine in den Unternehmen vor-

Big-Data-Anwendungen deutlich effizienter gestaltet werden

handene Technologie-Akzeptanz für diese komplexen Techno63


logien. Die Akzeptanz digitaler Technologien kann einerseits

Diese anhand des Fachkräftemangels beschriebene Entwick-

über unternehmensinterne Aus-, Fort- und Weiterbildungen

lung manifestiert sich als grundsätzliches Phänomen in der Bo-

und andererseits durch die Rekrutierung von Personal mit ei-

denseeregion : Denn hier kommt es zu einer stetig fortschrei-

nem digital-affinen Mindset und den notwendigen digitalen

tenden Verlagerung von Wertschöpfungsketten weg von

Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt sichergestellt werden.

einer analogen hin zu einer verstärkt virtuell stattfindenden

Insbesondere dieser „war for digital talents“ stellt die Boden-

Wertschöpfung. Die Bodenseeregion als Ganze unterliegt also

seeregion jedoch vor das Problem, dass die regionalen Ausbil-

einem Wandel, im Zuge dessen das Kerngeschäft der Unter-

dungs- und Wissenschaftsinstitutionen die einschlägigen Re-

nehmen in Zukunft verstärkt auf der Wissensressource basie-

krutierungs- und Kompetenzbedarfe der Unternehmen nicht

ren wird und immer weniger auf der Verrichtung analoger Ar-

hinreichend bedienen.

beitsleistung. Um die Wertschöpfungs- und Innovationskraft

Schematische Darstellung der Erkenntnisse zu den erfolgskritischen Faktoren der digitalen Transformation im Wissens- und Wirtschaftsraum Bodensee

Netzwerke

|  Cybersecurity | Akzeptanz komplexer Technologien | Fachkräftemangel

|  Big Data | Künstliche Intelligenz | Internet of Things

Herausforderungen

Wissensund Wirtschaftsraum Bodensee

|  Effizienzsteigerung | Digitale Vertriebsstrategie | Digitale kundenzentrierte Geschäftsmodelle Chancen

Kooperationen & Partnerschaften

64

Technologien


ERHEBUNG 2020

der Bodenseeregion als Wissens- und Wirtschaftsraum auch

mit anderen Akteuren um und schafft dergestalt sowohl in-

zukünftig sicherzustellen, müssen alle handelnden Stakehol-

nerhalb als auch außerhalb der Unternehmensgrenzen neue

der aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft

Wissensnetzwerke. Die umfangreichen Erkenntnissen der vor-

darauf hinarbeiten, digitale Wertschöpfungsketten zu fördern.

liegenden Studie zu den Chancen, Herausforderungen und

Gelingt dies nicht, so läuft die Bodenseeregion Gefahr, ihre ak-

Trends der digitalen Transformation verdeutlichen, dass clus-

tuell noch starke wirtschaftliche und sozioökonomische Basis

terübergreifend Führungskräfte der Unternehmen der Boden-

zu verlieren. Dies könnte dadurch ausgelöst werden, dass rele-

seeregion ein Bewusstsein für die Relevanz und Aktualität des

vante Unternehmensteile oder sogar ganze Unternehmen aus

digitalen Strukturwandels für Wettbewerb, Geschäftsmodelle

der Bodenseeregion abwandern, da sie an anderer Stelle die

und Produktinnovationen entwickelt haben und sich der Trend

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für digitale Ge-

hin zu einem Wissens- und Wirtschaftsraum in Zukunft fort-

schäftsmodelle vorfinden.

setzen wird.

Abschließend kann festgehalten werden, dass die befragten Unternehmen grundsätzlich erkannt haben, dass ihr zukünftiger Erfolg nur mit Hilfe von digitalen Transformationsprozessen gelingen kann. Die einschlägige Generierung neuen Wissens und die einschlägige Erschließung neuer Wissensquellen dagegen werden von den Unternehmen bereits gelebt : Ein beachtlicher Teil der Unternehmen setzt die Co-Kreation neuen Wissens bereits in Form von Kooperationen

Abschließend kann festgehalten werden, dass die befragten Unternehmen grundsätzlich erkannt haben, dass ihr zukünftiger Erfolg nur mit Hilfe von digitalen Transformationsprozessen gelingen kann.

65



TEAM

Autoren

Beitragende

Sabine Wiesmüller

Cindy Klotzsche Bodensee Innovationscluster | BIC

Leiterin des Bodensee Innovationsclusters | BIC

Julia Schmidt Bodensee Innovationscluster | BIC Florian Straatmann Bodensee Innovationscluster | BIC

Christopher Köhler

Anna Eisinger Abschlussarbeit

Stellvertretender Leiter des Bodensee Innovationsclusters | BIC

Michelle Gann Abschlussarbeit

Editoren

Tobias Romey Abschlussarbeit

Michaela Hartmann Abschlussarbeit Tom Schliemann Abschlussarbeit Prof Dr Josef Wieland Vizepräsident Forschung der Zeppelin Universität, Direktor des Leadership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ sowie Inhaber des Lehrstuhls für Institutional

WEITERE UNTERSTÜT ZUNG IN DER ERSTELLUNG DER STUDIE

Economics Philip Schneider Bodensee Innovationscluster | BIC Dr Lennart Brand Managing Director des Leadership Excel-

Alexander Shevelov Bodensee Innovationscluster | BIC

lence Instituts Zeppelin | LEIZ sowie des Bodensee Innovations-

Lukas Törner Bodensee Innovationscluster | BIC

clusters | BIC

Ann-Christin Vorbeck Bodensee Innovationscluster | BIC

67


Endnoten 1

Creswell & Clark ( 2020 )

2

Der Bodenseeregion gehören entsprechend des Statutes der In-

5

von Daten erkennen. Für die hiesigen Analysen wurde auf die Methode der Analyse latenter Klassen ( Latent-Class Analysis, LCA )

ternationalen Bodensee Konferenz folgende Länder an : Deutsch-

zurückgegriffen. Für weitere Informationen dazu siehe unter ande-

land ( Baden-Württemberg und Bayern ), Österreich ( Vorarlberg ),

rem Hagenaars und McCutcheon ( 2009 ).

Schweiz ( S chaffhausen, Zürich, Thurgau, St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden ), Fürstentum Liechtenstein ( Internationale Bodensee Konferenz, 2010 ). 3

6

Wieland ( 2020 )

7

Prädiktive Instandhaltung, aus dem Englischen „Predictive Main-

Anzahl der Unternehmen, die nicht zur Kategorie der KMU zählen,

tenance“, meint die vorausschauende oder zustandsorientierte In-

im Rahmen der Befragung in Abhängigkeit von Umsatz und Mit-

standhaltung aufgrund von Erfahrungswerten. Siehe dazu unter

arbeiterzahl :

anderem Biedermann ( 2018 ).

| Umsatz ≥ 10 Mio. Euro aber < 50 Mio. Euro, Mitarbeiterzahl 250 – 499: 2 Unternehmen

8

schinen zur Verbesserung Ihrer Arbeitsweise nutzen. Siehe dazu

Mitarbeiterzahl 250 – 499: 2 Unternehmen

unter anderem Alpaydin, E. ( 2020 ).

| Umsatz ≥ 100 Mio. Euro aber < 600 Mio. Euro, Mitarbeiterzahl 500 – 2.999: 8 Unternehmen | Umsatz ≥ 600 Mio. Euro aber < 1 Mrd. Euro, Mitarbeiterzahl 500 – 2.999: 1 Unternehmen | Umsatz ≥ 600 Mio. Euro aber < 1 Mrd. Euro, Mitarbeiterzahl > 3.000: 1 Unternehmen | Umsatz ≥ 1 Mrd. Euro aber < 10 Mrd. Euro,

9

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ( 2019 )

10

Köhler et al. ( 2018 )

11

Botzkowski ( 2018 )

12

Siehe dazu unter anderem Kollmann ( 2020 ), Petry ( 2020 ) und Reinhardt ( 2020 ).

Mitarbeiterzahl 500 – 2.999: 2 Unternehmen | Umsatz ≥ 1 Mrd. Euro aber < 10 Mrd. Euro, Mitarbeiterzahl > 3.000: 4 Unternehmen | Umsatz ≥ 10 Mrd. Euro, Mitarbeiterzahl 500 – 2.999: 1 Unternehmen

68

Scherer et. al ( 2016 )

Maschinelles Lernen, aus dem Englischen „Machine Learning“, beschreibt die Generierung von Wissen aus Erfahrung, das Ma-

| Umsatz ≥ 100 Mio. Euro aber < 600 Mio. Euro,

4

Über Clusteranalysen lassen sich Muster und Strukturen innerhalb

13

Burns ( 1978 )

14

Wieland ( 2020 )

15

Wieland ( 2018 )


Referenzen ALPAYDIN, E. ( 2 020 )

KÖHLER, C., PERROT-MINOT, C., & RUSER, A. ( H RSG. ) . ( 2 018 )

Introduction to Machine Learning. 4. Auflage. The MIT Press.

Grünbuch 2018 – Digitale Agenda Bodensee: Eine Bestandsaufnah-

BIEDERMANN, H. ( 2 018 )

Predictive Maintenance: Möglichkeiten und Grenzen. in Biedermann, H. ( Hrsg. ), Predictive Maintenance: Realität und Vision. TÜV-Verlag. BOTZKOWSKI, T. ( 2 018 )

Digitale Transformation von Geschäftsmodellen im Mittelstand. Springer. BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAF T UND ENERGIE ( 2 019 )

Blockchain-Strategie der Bundesregierung. Wir stellen die Weichen für die Token-Ökonomie. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/ Digitale-Welt/blockchain-strategie.pdf ?__blob=publicationFile&v=22 BURNS, JAMES M. ( 1978 )

Leadership. Harper & Row. CRESWELL, J. & CL ARK, V. ( 2 020 )

Designing and Conducting Mixed Methods Research. 3. Auflage. SAGE. DENKRAUMBODENSEE. ( 2 020 )

Die Wissensregion Bodensee. Ein Positionspapier. http://www.kmudigital.eu/de/service-kompetenz/publikationen/dokumente/paper/ 381-die-wissensregion-bodensee-ein-positionspapier/file HAGENA ARS, J. A. & MCCUTCHEON, A. L. ( H RSG. ) . ( 2 009 )

Applied Latent Class Analysis. Cambridge University Press. INTERNATIONALE BODENSEE KONFERENZ. ( 2 010 )

Statut der Internationalen Bodensee Konferenz. https://www.bodenseekonferenz.org/bausteine.net/f/9847/IBK-Statut_Stand1.1.2010.pdf ?fd=2

me zum Potential der Digitalisierung innerhalb KMU in der Bodenseeregion. IBH-Lab KMUdigital. https://www.bodenseehochschule.org/ wp-content/uploads/2018/10/IBH_KMUdigital_Gruenbuch_Web.pdf KOLLMANN, T. ( 2 020 )

Digital Leadership – Grundlagen der Unternehmensführung in der Digitalen Wirtschaft. Springer. MITCHELL, T. M. ( 2 006 )

The discipline of machine learning. Carnegie Mellon University, School of Computer Science, Machine Learning Department. PETRY, T. ( 2 020 )

Digital Leadership – Erfolgreiches Führen in Zeiten der Digital Economy. 2. Auflage. Springer. REINHARDT, K. (  2 020  )

Digitale Transformation der Organisation – Grundlagen, Praktiken und Praxisbeispiele der digitalen Unternehmensentwicklung. Springer. SCHERER, R., DÖRRE, L., DROEGE, P., EDERER, P., RHOMBERG, C., WÖHLER, T. & ZWICKER-SCHWARM. ( 2 016 )

Bodensee 2030: Ein Blick in die Zukunft der Region. St. Gallen: IMPHSG. https://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/39675 WIEL AND, J. ( 2 018 )

Relational Economics. Ökonomische Theorie der Governance wirtschaftlicher Transaktionen. Metropolis Verlag. WIEL AND, J. ( 2 020 )

Relational Economics – A Political Economy. Springer.

69


KON TA K T

Sabine WiesmĂźller Leiterin des Bodensee Innovationsclusters | BIC sabine.wiesmueller@zu.de +49 7541 6009 2267

Christopher KĂśhler Stellvertretender Leiter des Bodensee Innovationsclusters | BIC christopher.koehler@zu.de +49 7541 6009 1337

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