bodensee innovations cluster digitaler wandel
DIGI TA L E T R A NS F OR M AT ION IN DE R BODE NS E E R E GION – E R HE BUNG 2 0 18
E XECUTIVE SUMMARY
Einordnung und Bedeutung
Trends der digitalen Transformation
Ziel dieser Studie ist die Schaffung einer wissenschaftlich
Die Ergebnisse der Studie deuten – neben interessanten
fundierten Wissensgrundlage über den digitalen Wandel in
Entwicklungen innerhalb der Branchen – insbesondere
Unternehmen in der Bodenseeregion. Das Bodensee-Inno-
auf einige industrieübergreifende Trends hinsichtlich
vationscluster „Digitaler Wandel“ wird auf dieser Grund-
den mit der digitalen Transformation einhergehenden
lage seine Arbeit aufnehmen. Im Hinblick auf den durch
Herausforderungen hin. So ergeben die Interviews, dass
die digitale Transformation eingeleiteten Strukturwandel
die Mehrheit der Unternehmen mit Herausforderungen
wird das Cluster die Herausforderungen der fortschreiten-
im Bereich Human Resources konfrontiert sind, zum Bei-
den Digitalisierung und die Sicherung einer ökonomisch
spiel im Hinblick auf die Akzeptanz des Einsatzes neuer
wie ökologisch nachhaltigen Entwicklung in der Region
Technologien innerhalb des Unternehmens. Weiterhin
thematisieren. Die Zeppelin Universität (ZU) als eine global
werden Prozessfragen in den Bereichen Change-Mana
ausgerichtete und am Bodensee verankerte Privatuniver-
gement und digitales Nachhaltigkeitsmanagement sowie
sität wird dabei als Ort der Zusammenkunft dienen.
das Feld der Cybersecurity als relevant identifiziert.
Aufsetzung der Studie
Gemeinsame Entwicklung der Bodenseeregion
Für die Studie wurden 31 Unternehmen aus der Boden-
Die Inhalte der Studie werden am 21. September 2018 auf
seeregion zu ihrem Verständnis von digitaler Transfor-
einer Konferenz an der ZU vorgestellt. Basierend auf dem
mation sowie deren Auswirkungen auf ihr Unternehmen
durch die Studie gewonnenen Überblick zum Stand der
befragt. Dabei wurde ein Schwerpunkt auf die Automo-
digitalen Transformation in der Bodenseeregion sowie
bil-, die Maschinenbau- und die IT-Branche gelegt. Dass
den Fragestellungen der befragten Unternehmen nimmt
digitale Transformation zu einem Kernthema für Unter-
das Bodensee-Innovationscluster „Digitaler Wandel“ sei-
nehmen geworden ist, spiegelt sich auch in dieser Studie
ne Arbeit auf. Ziel des Clusters ist vor allem die Erfassung,
wider. 84 Prozent der Befragten, die von den Unterneh-
Analyse und Verfügbarmachung industrieübergreifender
men als Ansprechpartner zu diesem Thema ausgewie-
Trends durch die Unternehmen in der Region.
sen wurden, sind Geschäftsführer oder in der oberen Leitungsebene der Unternehmen angesiedelt und bestätigen den bereichsübergreifenden Einfluss der Thematik.
bodensee innovations cluster digitaler wandel
„Kooperation und Vernetzung werden zu Kernkompetenzen in Zeiten digitaler Transformation.“ Prof Dr Josef Wieland, Direktor LEIZ
September 2018
I N H A LT
4
GruĂ&#x;wort
6
Einleitung zur Studie und zum Innovationscluster
Studie: Digitaler Wandel in der Bodenseeregion 8
Eine Bestandsaufnahme
9
Die Vorgehensweise und Methodik der Evaluierungsstudie
10
Die industrieĂźbergreifenden Erkenntnisse der Evaluierungsstudie Die Erkenntnisse aus der Evaluierungsstudie
14
Automobilindustrie
16
Maschinenbauindustrie
18
IT-Branche
20
Seitenblicke
22
Team
24
Ausblick
GRUSSWORT
Strukturwandel ist immer eine ambivalente Angelegenheit.
Deshalb sprechen wir schon längst nicht mehr von Digitali-
Ohne ihn wohnten wir noch heute in ungeheizten Behausun-
sierung, also von dem schlichten Ersetzen analoger Elemente
gen, äßen rohes Fleisch und dürften uns auf eine Lebenserwar-
durch digitale; eigentlich auch nicht mehr von digitaler Trans-
tung von bestenfalls 30 Jahren freuen. Jedoch wurde beileibe
formation, also der funktionalen Optimierung von Prozessen,
nicht jeder Strukturwandel freudig begrüßt – ganz im Gegenteil.
die es schon vorher gab. Wovon wir sprechen, das ist digitale
Und tatsächlich sind die großen Symbole des Strukturwandels
Re-Invention: die Schaffung des intrinsisch noch nicht Dage-
meistenteils wenig ergötzlich – seien es die melancholischen
wesenen – dessen, was ohne Digitaltechnologie weder um-
Überbleibsel einer stolzen Industriekultur im Ruhrgebiet oder
setzbar noch vorstellbar wäre. Das gilt natürlich zunächst für
die morbiden Ruinen von Detroit. Selbst unsere Dichterfürsten
die Technologien selbst, es gilt aber auch für Geschäftsmodel-
haben mit dem Strukturwandel wenig anfangen können – man
le und im weiteren Sinne für eine Region wie den Bodensee
denke etwa an Gerhart Hauptmanns „Weber“. Vielleicht ist
oder die westliche Gesellschaft überhaupt.
diese kritische Sicht der Dinge nur menschlich: Wo sich etwas wandelt, entsteht Neues erst mit Verzögerung; aber die Zerstörung des liebgewonnenen Alten, die erfolgt sogleich.
I Digitalisierung II digitale Transformation III digitale Re-Invention
Und jetzt also der digitale Quantensprung. Dabei geht es nicht mehr nur darum, den handbetriebenen Webstuhl durch einen maschinell betriebenen zu ersetzen oder überteuerte einheimische Braunkohle durch billigere Importe. Es geht überhaupt nicht mehr nur um billiger, besser und schneller – die Versprechen der früheren industriellen Revolutionen. Es geht um etwas grundlegend anderes. Aber worum es geht, das erahnen wir nicht einmal, und hier liegt der Unterschied zu jenen großen Umwälzungen der Vergangenheit.
4
Diese Herausforderung stellt sich vor allem den hochindustrialisierten und hochinnovativen Regionen Deutschlands
Nicht die Technologie soll den Menschen antreiben, sondern der Mensch die Technologie.
und der Welt – wie eben der Bodenseeregion. Hier entstehen die Ideen, Geschäftsmodelle und Produkte, die dem Erfolg einer Volkswirtschaft zugrunde liegen, und hier wird sich entscheiden, ob der anstehende Wandel als Chance genutzt werden kann – oder eben nicht. Es geht für diese Regionen darum, Treiber der Entwicklung zu bleiben, anstatt sich von der Entwicklung treiben zu lassen. Das können sie aber nur, indem sie die Entwicklungen erkennen, bevor sie eintreten, und ihnen proaktiv Rechnung tragen. Dafür müssen sie mit technologischen Innovationen, Geschäftsmodellinnovationen und gesellschaftlichen Innovationen auf Fragen des digitalen Wandels antworten, ehe diese in aller Deutlichkeit gestellt werden. So – und vermutlich nur so – kann ein Strukturwandel zur Erfolgsgeschichte werden. Wir möchten die Unternehmen in der Region dazu einladen, gemeinsam mit uns die digitale Zukunft der Bodenseeregion zu gestalten!
DR LENN A RT BR A ND | LEIZ
C A RLO BE VOLI | SA P SE
5
Einleitung zur Studie und zum Innovationscluster Die Idee zur Gründung des Bodensee-Innovationsclusters liegt
Das von der Universität gemeinsam mit SAP SE (Standort
in der grundlegenden Überzeugung, dass die Bodenseeregi-
Markdorf) initiierte Bodensee-Innovationscluster zur Gestal-
on – als eine der innovativsten Technologieregionen Europas
tung des digitalen Wandels ist als Plattform für Wirtschaft und
– über umfangreiches explizites wie implizites Wissen zu den
Gesellschaft zum Thema Digitalisierung angedacht, die eine
Rahmenbedingungen, Konsequenzen und vor allem Chancen
stärkere Zusammenarbeit zwischen den Stakeholdern in der
im Kontext der digitalen Transformation in Wirtschaft und Ge-
Bodenseeregion – Unternehmen, Verbände und weitere Ak-
sellschaft verfügt. Vor diesem Hintergrund verfolgt das Lead-
teure – im Hinblick auf die oben genannten Ziele ermöglichen
ership Excellence Institute Zeppelin | LEIZ der ZU mit dem
soll. Den Kern des Innovationsclusters bildet ein an der ZU an-
Aufbau des Innovationsclusters das Ziel, die Zukunftsfähigkeit
gesiedeltes Innovationslabor, das eine koordinierende Funktion
hochindustrialisierter und hochinnovativer Standorte wie der
ausübt und von einem Expertenteam der Universität geleitet
Bodenseeregion zu fördern. Geleitet wird sie dabei von einem
wird. Dadurch entsteht ein neues Format des Transfers und
Interesse an den globalen Herausforderungen der fortschrei-
des Austauschs, das Wissen zugleich erzeugt und verbreitet.
tenden Digitalisierung und an der Sicherung einer ökologisch wie ökonomisch nachhaltigen Entwicklung in der Region.
Darüber hinaus soll das Cluster dem direkten Dialog zwischen den partizipierenden Akteuren und der Schaffung eines ge-
Das Innovationscluster führt Forschungseinrichtungen, Tech-
meinsamen Verständnisses von Wissenschaft, Wirtschaft
nologieunternehmen und andere relevante Stakeholder in der
und Gesellschaft zu digitaler Transformation dienen. Dieses
Region solchermaßen zusammen, dass themenspezifische Ex-
gemeinsame Verständnis soll als geteilte Vision für die Boden-
pertise systematisch und kontinuierlich identifiziert, fokussiert
seeregion von allen Akteuren verfolgt werden und somit maß-
und zum wirtschaftlichen sowie gesamtgesellschaftlichen Nut-
geblich zum erfolgreichen Strukturwandel beitragen. SAP SE
zen regional wie überregional nutzbar gemacht wird. Die ZU
(Standort Markdorf) unterstützte dieses Vorhaben von Beginn
ist eine global ausgerichtete und am Bodensee verankerte Pri-
an als Gründungsmitglied.
vatuniversität, deren besondere Stärke in der Zusammenführung höchst unterschiedlicher Wissensfelder, wie Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft, liegt. Als solche ist sie prädestiniert, als Ort der Zusammenkunft zu dienen.
6
Das thematische Grundgerüst des Innovationsclusters für die
Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser vorbereitenden Pha-
Untersuchung digitaler Transformationsprozesse besteht aus
se beginnt mit der Vorstellung der Inhalte der Studie auf einer
der Triade technologische Innovationen, Geschäftsmodellin-
am 21. September 2018 an der ZU stattfindenden Konferenz
novationen und gesellschaftliche Innovationen Auf technologi-
der zweite Schritt des Projekts: der Aufbau eines netzwerko-
scher Ebene ist für die Zukunft hochindustrialisierter und hoch-
rientierten Clusters regionaler Unternehmen und Institutionen.
innovativer Regionen wie der Bodenseeregion entscheidend,
Einhergehend mit der offiziellen Gründung des Innovations-
dass die Aufgabenfelder der Akteure im wirtschaftlichen Um-
clusters und des Innovationslabors – als dessen operativen
feld neu gedacht und weiterentwickelt werden, um der nächs-
Kern – werden Innovationskreise ins Leben gerufen, welche
ten Stufe des digitalen Wandels gerecht zu werden.
die Arbeit des Clusters themenspezifisch operationalisieren. Dadurch entsteht eine Plattform, auf der sich die Innovatoren
Im Hinblick auf die zuvor skizzierte Zielsetzung des Innovati-
und Treiber des digitalen Wandels in der Bodenseeregion mit
onsclusters wurde im Rahmen einer großangelegten Evaluie-
Fragen innerhalb der identifizierten Themenfelder beschäftigen.
rungsstudie zunächst die gegenwärtige Situation in der Bodenseeregion konkret erfasst. Dafür sind die Auswirkungen des
Die Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Gesellschaft
digitalen Wandels auf die Gesellschaft und Industrie(n) in der
und Industrie(n) sowie die darin liegenden Chancen werden
Bodenseeregion, die Herausforderungen dieser Entwicklung
im Zentrum der Arbeit stehen. Aus dieser Perspektive sollen
für teilhabende Akteure sowie die Potenziale innovativer Ansät-
sowohl die digitale Transformation als auch die resultierenden
ze im Umgang mit dem digitalen Wandel untersucht worden.
Geschäftsmodelle und gesellschaftlichen Veränderungen reflektiert und Möglichkeiten zur Mitgestaltung dieses Wandels
Zunächst wurden die relevanten Akteure der Bodenseeregion
diskutiert werden.
im Rahmen einer strukturierten Recherche identifiziert und kontaktiert. Die Auswahl der Unternehmen und Institutionen für die Evaluierungsstudie zu den bestehenden beziehungsweise prospektiven Dynamiken des digitalen Wandels in der Bodenseeregion entspricht dabei dem Leitbild des Innovationsclusters. Zentral für die anschließend geführten Experteninterviews war die Frage, welches Verständnis von digitaler Transformation für den jeweiligen Unternehmensvertreter von Bedeutung ist und welche Implikationen dieses Verständnis aus seiner Sicht für ihn, aber auch für sein Unternehmen und sein Umfeld nach sich zieht. 7
E I N E B E S TA N D S A U F N A H M E
26 der 31 Unternehmen haben ihren Sitz in den Landkreisen Bodenseekreis und Ravensburg, weitere untersuchte Regionen waren Lindau, Konstanz, St. Gallen und das Oberallgäu.
Konstanz
Bodenseekreis Ravensburg
Lindau
Oberallgäu
St. Gallen
Der Evaluierungsstudie liegen 31 einstündige Interviews mit
es, einen möglichen Wandel in Unternehmensstrategien und
Managern von Unternehmen in der deutschen und Schweizer
Geschäftsmodellen sowie aktuelle Herausforderungen zu er-
Bodenseeregion zugrunde. Die zentralen Fragestellungen der
fassen. Im Rahmen der Studie wurden Schwerpunkte heraus-
Studie umfassen das Verständnis von digitaler Transformati-
gestellt, welche die digitale Transformation in Zusammenhang
on, deren unternehmensinterne Umsetzung sowie ihre Aus-
mit unternehmensinternen Fragestellungen, der Förderung von
wirkungen über die Unternehmensgrenzen hinaus. Ziel war
Nachhaltigkeit sowie mit Technologieakzeptanz thematisieren.
8
STUDIE
Die Vorgehensweise und Methodik der Evaluierungsstudie Die Interviewpartner geben zu 87 Prozent an, mitverantwortlich für die Umsetzung der digitalen Transformation im Unternehmen zu sein. Sie sind tätig als:
Branchen
29%
29%
26% 16%
| 15 von 31: Geschäftsleitung | 11 von 31: Obere Leitungsebene | 5 von 31: Projektverantwortliche Für die Auswertung und Analyse der Daten wurden die Interviews zunächst transkribiert, um eine Vergleich-
Maschinenbau
IT
Automobil
Sonstige
barkeit der Daten sicherzustellen. Anschließend wurden die Interviews mittels des Programms MA XQDA einer inhaltlichen Analyse unterzogen. Dabei wurden die Antworten – auf die zuvor definierten Fragestellun-
Trends und Erkenntnisse, die für alle Interviews zutrafen und
gen – der Häufigkeit ihrer Nennung nach gerankt und
somit Aussagen über die gesamte Bodenseeregion enthielten,
geclustert, aber auch auf Verbindungen zwischen be-
wurden in dem Kapitel „Übergreifende Erkenntnisse“ gesam-
stimmten Aussagen und Korrelationen hin untersucht.
melt. Wenn ein Trend oder eine Aussage wiederum spezifisch für ein Cluster war, so wurde sie in dem jeweiligen Kapitel zu diesem Cluster beschrieben. In dem Kapitel „Seitenblicke“ kommen einzelne Unternehmen und Institutionen anderer Industrien zu Wort, die
Unternehmensgröße
45%
gewählt wurden, um die Aussagekraft der Studie zu 29%
26%
testen. Zudem wurden in diesem Kapitel spezifische Themen im Bereich des digitalen Nachhaltigkeitsmanagements abgefragt, um dessen Relevanz für die Region zu prüfen.
>5000 Mitarbeiter
5000 – 500 Mitarbeiter
<500 Mitarbeiter
9
Wird Ihnen die digitale Transformation eher Vorteile oder eher Nachteile bringen?
80%
Vorteile
20%
Nachteile
Die digitale Transformation hat für unsere Branche eine hohe Bedeutung.
100%
0%
stimmen zu
stimmen nicht zu
Die industrieübergreifenden Erkenntnisse der Evaluierungsstudie Im Rahmen der Studie finden sich clusterübergreifende Einsich-
Die Analyse zeigt ebenso, dass die Verantwortungsbereiche
ten, die der industriespezifischen Analyse vorangestellt wer-
der Interviewpartner innerhalb des Unternehmens stark vari-
den. Der Tätigkeitsschwerpunkt der befragten Experten ist oft
ieren. Sie umfassen dabei sowohl Strategie- und Technologie-
auf die Gestaltung der digitalen Transformation innerhalb des
entwicklung als auch Produktmanagement und Vertrieb. Die
Unternehmens ausgerichtet. So sieht ein Großteil der Befrag-
Mehrheit der Befragten begrüßt die Informationstechnologie
ten den Schwerpunkt der digitalen Transformation sowie der
als unterstützendes Instrument, um den digitalen Wandel im
daraus entstehenden Chancen und Risiken auch vorrangig im direkten Wirkungskreis der Unternehmen. Meist liegen die Prozesse und Steuerungsfragen der internen digitalen Agenda in der Verantwortung von Mitarbeitern, die aufgrund einer längeren Unternehmenszugehörigkeit um die Struktur und Kultur des Unternehmens wissen. Nur selten werden zweckgerichtet externe Ressourcen eingekauft, um die digitale Transformation unternehmensintern umzusetzen. 10
In 10 Prozent der befragten Unternehmen steuert der Chief Digital Officer die digitale Transformation.
STUDIE
Rahmen ihrer Unternehmensfunktion effizient zu gestalten.
In Bezug auf gesellschaftliche Implikationen wird die Rolle des
Ungeachtet der Tatsache, dass die unternehmensinterne Tätig-
öffentlichen Sektors für eine gelungene digitale Transformation
keit der befragten Experten einen starken Bezug zur Informati-
wie folgt beschrieben:
onstechnologie hat, weisen nur wenige Experten einen IT- spezifischen beruflichen oder akademischen Werdegang auf.
| stringente Regularien | Unterstützung und Aufklärung hinsichtlich
Befragt auf mögliche Unterschiede zwischen dem Verständnis
neuer Datenschutzregelungen
des Unternehmens und ihrem individuellen Verständnis von
| bundesweit und ebenenübergreifend
digitaler Transformation, berichten die Befragten, dass diese
abgestimmte Digitalisierungspolitik
Verständnisse übereinstimmen. Insgesamt ist bemerkenswert, dass die Haltung der befragten Unternehmensvertreter gegen-
Weiterhin thematisiert die überwiegende Anzahl der befragten
über der digitalen Transformation auf Managementebene über-
Unternehmensvertreter Aspekte agiler Unternehmensstruktu-
wiegend positiv ausfällt.
ren sowie einer dynamischen Unternehmenskultur im Zusammenhang mit dem Gestaltungspotenzial des digitalen Wandels. Agilität wird von vielen Unternehmen als wichtiges Ziel benannt, auch wenn sich die darunter gefassten Prozesse unterscheiden. Die Unternehmen des produzierenden Gewerbes streben diesen Ent-
Die Produkte des Unternehmens, mit denen nachhaltige Entwicklung gefördert wird, sind durch die digitale Transformation positiv beeinflusst.
wicklungsprozess mehrheitlich an und haben erste Erfahrungen damit gesammelt. IT- Unternehmen wiederum beschreiben neue Herausforderungen für ihre
44%
etablierte agile Arbeitsweise durch sich verändernde Geschäftsmodelle. Nachfolgend sind Aspekte digitaler Transformation
24% 16%
aufgeführt, die über Branchen hinweg von den befragten Unternehmen als Herausforderungen dargestellt
12% 4%
wurden. Aufgrund der häufigen Nennung wurden diese Themen als relevante Trends identifiziert. In den Innovationskreisen können daher lokale Lösungen dis-
stimmen zu
stimmen eher zu
stimmen teilweise zu
stimmen eher nicht zu
stimmen nicht zu
kutiert werden – basierend auf den Erfahrungen der Unternehmen in der Region, siehe nachfolgend. 11
Implikationen künstlicher Intelligenz für Geschäftsmodell und Gesellschaft
Lebenslanges Lernen und TechnologieAkzeptanz im Unternehmen
Künstliche Intelligenz stellt clusterübergreifend eine The-
Bei der Implementierung neuer Technologien stellt es für
matik dar, die bei den Unternehmen der Region sehr gro-
die Unternehmen eine Herausforderung dar, die Mitar-
ßes Interesse geweckt hat und als die wohl relevantes-
beiter „mitzunehmen“ und weiterzubilden. Zwar sind Er-
te Technologie des digitalen Wandels verstanden wird.
leichterungen der Arbeitsprozesse spürbar, andererseits
Nichtsdestotrotz wird sie von noch fast keinem Unter-
ist jedoch ein vermehrter Bedarf an technologienahen
nehmen der Bodenseeregion umgesetzt und betriebsin-
Fachkräften festzustellen. Aufgrund der tiefgreifenden
tern genutzt. Die Folgen einer Integration von künstlicher
Entwicklungen sehen die Interviewpartner eine Notwen-
Intelligenz für Wirtschaft und Gesellschaft in der Region
digkeit intensiver Überzeugungsarbeit und Aufklärung
sind bisher noch unklar. Daher gilt es, dieses Thema ge-
auf allen Ebenen des Unternehmens. Deshalb ist es von
zielt zu bespielen und mit den Unternehmen die Implika-
besonderer Relevanz, Mitarbeiter fortzubilden, neue Mit-
tionen der Nutzung zu diskutieren und Szenarien erfolg-
arbeiter aufzubauen und durch angepasstes, weniger
reicher Umsetzung zu erarbeiten.
hierarchisches Führungsmanagement Sensibilisierung und Partizipation zu unterstützen, um Vertrauen in diese Neuerungen zu schaffen.
12
STUDIE
Cybersecurity
Digitales Nachhaltigkeitsmanagement
Clusterübergreifend wächst in den Unternehmen am
Mehrere Unternehmen unterstützen ihr CSR- und Umwelt
Bodensee das Bewusstsein für Cybersecurity. Die Un-
management zunehmend digital. Dabei nutzen sie Lösun-
ternehmen befassen sich mit Sicherheitsfragen, um den
gen, die zum Beispiel Compliance mit Umweltregularien
Kunden und ihre Organisation wirksam vor Datenmiss-
sichern, die Bewertung der sozialen Leistungen von Lie-
brauch schützen zu können. Datensicherheit ist eine zen-
feranten verwalten oder nicht-finanzielle Informationen
trale Aufgabe angesichts der zunehmenden Vernetzung
für das eigene Reporting sammeln. Die Unternehmen
von Produkten und Maschinen. Auch die Sicherheitsge-
nennen weitere Beispiele: von der CO2-neutralen Mobi-
währleistung bei der Speicherung von Kundendaten in
lität der Mitarbeiter über die konzernweite virtuelle Ab-
der Cloud sowie die Einhaltung der Datenschutzregula-
stimmung zu sozialem Engagement bis hin zur digitalen
rien gegenüber Kunden und Mitarbeitern stellt eine He-
Bewertung von Produktdesign am Lebenszykluskonzept.
rausforderung dar. Gleichzeitig untersuchen viele Unternehmen derzeit die Chancen der Datenauswertung und -nutzung, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
13
Die Erkenntnisse aus der Evaluierungsstudie Automobilindustrie Ein wichtiger Sektor für die Bodenseeregion ist die Automo-
nicht unternehmensübergreifend ausgerichtet. Vielmehr sind
bilindustrie, die in dieser Studie durch acht Zuliefererunterneh-
derzeit Erweiterungen und Ergänzungen von Produkten fest-
men vertreten ist. Die Analyse zeigt auf, dass tiefgreifende
zustellen, die zumeist stark kundenbezogen sind.
Veränderungen in den Unternehmen dieses Industrieclusters zwar bisher ausblieben, aber derzeit vorbereitet werden. Ent-
Die Produktpalette soll vervollständigt und vertieft werden,
wicklungen über die Produktebene hinaus bedeuten große
wobei sich manche Unternehmen zum Systemanbieter, ande-
Investitionsrisiken und deuten Veränderungen des Geschäfts-
re zum Spezialisten für bestimmte Komponenten entwickeln
modells an.
wollen. Dadurch wird diesem Industriecluster auf der einen Seite wachsende Marktmacht gegenüber Abnehmern wie Au-
In den Interviews zeigt sich deutlich, dass die meisten Un-
tomobilherstellern zugeschrieben. Auf der anderen Seite wird
ternehmen unsicher sind, wie sich Kundenanforderungen
mehr Vorfinanzierung von Forschung und Entwicklung erwar-
und -nachfrage mittel- und langfristig verändern werden. Da-
tet. Damit keine verstärkte Abhängigkeit von eigenen Zuliefe-
her sind stattfindende Veränderungen im Zuge der digitalen
rern entsteht, sind hohe Investitionen in Eigenentwicklungen
Transformation bisher meist auf Projektebene verhaftet und
notwendig. Diese sind schwer aus eigenen Mitteln zu tragen, da die Erfolgsaussichten sehr unsicher sind und eine Rendite oft stark verzögert eintritt. Allerdings bemängeln einige Interviewpartner sogar auf Produktebene, dass materielle Ressourcen und Aufmerksamkeit
Die digitale Transformation wird das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens sehr stark beeinflussen.
hart erkämpft werden müssten, um Entwicklungen voranzutreiben.
37,5%
37,5%
Als Treiber der Veränderungen wird eindeutig auf die Rivalität mit Wettbewerbern im Markt hingewiesen. Sowohl seit Langem bestehende Unternehmen als
25%
auch neue Markteinsteiger werden als gefährliche Konkurrenz angesehen, gegenüber der es sich abzu0%
0%
grenzen und zu behaupten gilt. Gleichermaßen sind wenige starke Innovatoren in diesem Sektor zu ver-
stimmen zu
14
stimmen eher zu
stimmen teilweise zu
stimmen eher nicht zu
stimmen nicht zu
orten, da die Unternehmen eine abwartende Position einnehmen, um unnötige Risiken zu vermeiden, und
STUDIE
somit vermehrt als „fast follower“ auftreten. Die
Die digitale Transformation hat eine sehr hohe Bedeutung für Ihre Branche.
erkennbaren Ansätze – um die Marktstellung zu sichern – variieren vom Erwerb kompetenzstarker Partner bis hin zu Ausgründungen, um agilere Strukturen
37,5%
37,5%
sowie eine verstärkte Individualisierung und Erweiterung von Produkten zu ermöglichen. Dahingehend
25%
werden auch tiefgreifende Veränderungen auf Geschäftsmodellebene erwartet und vorbereitet. Als Chance der digitalen Transformation sehen die
0%
0%
stimmen eher nicht zu
stimmen nicht zu
Unternehmen zumeist exaktere Steuerungsmöglichkeiten durch vorausschauende Wartung, die kosteneffiziente, automatisierte Kontrolle in der Produkti-
stimmen zu
stimmen eher zu
stimmen teilweise zu
on aber auch am Produkt beim Kunden ermöglicht. In Verbindung mit Big Data entsteht die Möglichkeit, Serienfertigung noch variantenreicher und kundenindividueller
für das aktuell erfolgreiche Tagesgeschäft gebunden sind. Die
zu gestalten. Überhaupt wird Big Data sehr häufig genannt und
Förderung von Agilität und Flexibilität für Innovationen erweist
in Zusammenhang mit bereits verfügbaren hohen Rechenka-
sich gleichzeitig als eine der Hauptherausforderungen für die
pazitäten umfangreich genutzt, um stärker auf Kundenbedürf-
Unternehmen des Sektors, da starke intergenerationelle Un-
nisse einzugehen und Produkterweiterungen anzubieten.
terschiede im Umgang mit digitaler Transformation sowie tradierte Unternehmenskulturen und -strukturen vorherrschen,
Insgesamt sind sich die Automobilisten der digitalen Trans-
die von längeren Entwicklungszyklen geprägt sind. Hier zeigt
formation und deren Umfang sehr wohl bewusst, obwohl die
sich wiederum, dass die Unternehmen durch die Unsicherhei-
meisten Unternehmen noch keinen Einfluss auf die gesamte
ten im Hinblick auf Potenziale, zukünftige Kundenwünsche,
Unternehmensstrategie bestätigen. Dieses zum Teil vorsich-
Technologien und Erfolgschancen sowie die weiterhin geringe
tige Vorgehen ist auch auf die Risiken hinsichtlich zukünftiger
Sensibilisierung von Führungskräften und Mitarbeitern tief-
Entwicklungen zurückzuführen, die bei den meisten Unter-
greifende Veränderungen erwarten können.
nehmen der Branche eine „Trial-and-Error“-Strategie nötig machen, die jedoch Ressourcen beansprucht, die wiederum
15
Die Erkenntnisse aus der Evaluierungsstudie Maschinenbauindustrie Etwa ein Drittel der in der Studie Befragten ist dem Maschinen-
Gleichzeitig schätzen viele Gesprächspartner eine existenzielle
bausektor zugehörig und weist sowohl Vertreter aus dem B2B -
Konkurrenz durch disruptive Start-ups als wahrscheinlich ein.
als auch dem B2C- Geschäft auf. Als eines der zentralen Ergeb-
Einige wenige begründen übereinstimmend, dass diejenigen
nisse kann genannt werden, dass sich die Maschinenbauer der
Unternehmen einen weltweiten Wettbewerbsvorteil haben
Bodenseeregion mehr und mehr zu Softwareanbietern entwi-
werden, die einzigartige Software zu ihren Produkten liefern.
ckeln, was damit einhergeht, dass versierte Metallverarbeitung
Dabei zielen die anvisierten Geschäftsmodelle mehrfach auf
alleine ein schwindender Wettbewerbsvorteil ist.
Kundendaten ab, die bei der Verwendung der Maschinen entstehen und Informationen bereithalten, die für die weitere Zu-
Eine Mehrzahl der Interviewpartner gibt an, dass es in Zeiten
sammenarbeit von Relevanz sind.
der digitalen Transformation nicht mehr nur um das Produkt „Maschine“ geht, sondern vielmehr darum, neue Nutzungs-
Eine die IT- Branche ebenfalls betreffende und angesprochene
konzepte und Services verstärkt in den Vordergrund zu stellen.
Dynamik ist, dass firmeneigene IT- Experten immer stärker zu-
Gleichzeitig versuchen sie jedoch, ihr bestehendes Geschäft
gunsten der eigenen Produktentwicklung eingesetzt werden,
fortzuführen, weshalb sie davon ausgehen, dass ihre Struktu-
anstatt sich mit der Wartung der eigenen IT- Infrastruktur auf-
ren wachsen werden, anstatt sich lediglich zu verändern.
zuhalten. Für einige Unternehmen zeichnet sich infolgedessen
In den Interviews verdeutlicht sich, dass das Management die Unternehmensstrategie dahin lenkt, neue Produktinnovationen zu verfolgen. Ähnlich wie im Automobilsektor wer- den Ergänzungen des bestehenden
Dafür blühen Partnerschaften in Sachen Produktinnovation neu auf – und es wird investiert.
Geschäftsmodells angestrebt. Dafür blühen Partnerschaften in Sachen Produktinnovation neu auf – und es wird investiert. Mehrfach
ab, dass vermehrt die jetzigen IT- Dienstleistungen als Services
wird betont, dass das etablierte Geschäft vom Wandel profitie-
aus der IT- Branche hinzugekauft werden. Dabei berichten meh-
ren muss, damit die Technologie akzeptiert und genutzt wird.
rere Unternehmen, dass es eines Kulturwandels bedarf, um
Es zeigt sich, dass viele der Entwicklungen nicht als bahnbre-
das Geschäftsmodell stärker auf Software auszurichten. Doch
chende Neuheiten, sondern als notwendiger nächster Schritt
nur wenige geben das radikal veränderte Ziel aus, „weg von der
angesehen werden.
perfekt verarbeiteten Maschine hin zu einer am Markt gefragten
16
STUDIE
Geht mit der digitalen Transformation auch ein Wandel des Geschäftsmodells einher, und wenn ja, in welcher Form?
100%
40%
30%
50%
Kein Kommentar
Nennung
Bisheriges Geschäftsmodell bleibt bestehen
Zusätzliches Geschäft durch Verwendung von Kundendaten
Agilität wird wichtiger
Eigene IT-Experten arbeiten vermehrt in der Produktentwicklung
Softwaredienstleistung“ zu gelangen. In diesem Zuge betonen fast alle Unternehmen, dass Agilität für sie immer wichtiger wird. Mehrfach wird von den Maschinenbauern beschrieben, dass die Kunden bei der Bedienung der Maschine stärker unterstützt werden können und dass dies zur Optimierung des Gesamtprozesses beim Kunden beiträgt. Zusammengefasst entwickeln sich Maschinenbauer zu Softwareanbietern, die auf Basis von Daten, die durch ihre Maschine generiert werden, zusätzliche Kompetenzen und neue Geschäftsmodelle aufbauen. Viele Befragte geben an, dass
Dabei berichten mehrere Unternehmen, dass es eines Kulturwandels bedarf, um das Geschäftsmodell stärker auf Software auszurichten.
die Neugestaltung von Produkten und Prozessen parallel zum bisherigen Tagesgeschäft stattfindet. Zum jetzigen Zeitpunkt nehmen Maschinenbauer verstärkt Investitionen im Bereich Softwareentwicklung vor, denn sie sehen hier die Chance, ihre Geschäftsmodelle neu anzupassen. 17
Die Erkenntnisse aus der Evaluierungsstudie IT-Branche Auch die in der Studie durch neun Unternehmen vertretene
in Zukunft ihre Leistungen vermehrt auf Abruf erfolgen und
IT- Branche ist genauso von der digitalen Transformation be-
dementsprechend auch neuartige Zahlungsweisen, wie kon-
troffen. Schon lange befinden sich digitalaffine Unternehmen
sumbasierte Modelle („pay per use“), zunehmen werden.
im stetigen Wandel.
Lizenzmodelle und SaaS-Produkte („Software as a Service“) schließen sich diesem Trend an. Für die Erweiterung oder Er-
Der Veränderungsprozess wird beschleunigt durch die Ent-
gänzung des Geschäftsmodells sind neuartige Technologien
wicklung innovativer Technologien, das Aufkommen vielfälti-
ausschlaggebend. IT- Systeme und -Prozesse müssen heute
ger Konkurrenz und den Druck, den Kunden individuelle Lösun-
individuell konfigurierbar und flexibel sein, um den gestiegenen
gen anzubieten und Produkte mittels neuer Geschäftsabläufe
Anforderungen der Kunden gerecht zu werden.
konfigurierbar zur Verfügung zu stellen. Diese Entwicklungen verursachen nicht nur die Disruption anderer Sektoren, son-
Gleichzeitig findet die Entwicklung von Innovationen verstärkt
dern wirken sich auch auf die internen Unternehmensstruktu-
in Zusammenarbeit mit den Kunden statt. Die digitale Trans-
ren in der IT- Branche aus. Viele der Interviewpartner betonen, dass das Erfolgsrezept eine langfristig aufgestellte Unternehmensstrategie mit klarer Vision bleibt, wobei die Bereitschaft zu radikaler Veränderung von Produk-
formation wird als Chance für
Viele der Interviewpartner betonen, dass das Erfolgsrezept eine langfristig aufgestellte Unternehmensstrategie mit klarer Vision bleibt.
neue Produkte und Prozesse erkannt. Die Unternehmen geben an, dass dies zu einer Steigerung der Produktivität und zu einer Entlastung der eigenen Arbeitnehmer führt und langfristigen Erfolg garantiert.
ten und Prozessen be-
Einige der Befragten beschreiben,
steht. In den Interviews
dass ihre Investitionen in interne
beschreiben die neun befragten IT- Unternehmen, nicht an dis-
digitale Werkzeuge nicht nur die erforderliche innovative Un-
ruptiven sondern vielmehr an ergänzenden und erweiternden
ternehmenskultur stärken, sondern auch die Agilität des Unter-
Veränderungen zu arbeiten.
nehmens steigern. Dafür muss die Vision des Unternehmens von der Geschäftsführung klar kommuniziert werden, da in
Neue Geschäftsmodelle ergeben sich für die Unternehmen
der Regel alle Abteilungen vom digitalen Wandel gleichzeitig
meist aus der Entstehung neuer Märkte und den Wünschen
betroffen sind. Die Experten der IT- Branche warnen vor der
der Kunden. Fast alle Interviewpartner sind sich sicher, dass
Gefahr digitaler Schattenorganisationen in Unternehmen, in
18
STUDIE
denen Mitarbeiter unter dem Radar der Führungsebene agieren. Agilität im Unternehmen funktioniert
Erfolgsrezept von digitalen Vorreitern: Was sind für Sie die Erfolgsfaktoren in der digitalen Transformation?
nur mit klaren Regeln und festen Strukturen. Daher betrachten die Unternehmen die digitale Transformation holistisch und leiten sie in ihren Mutterkonzern ein, anstatt sie auszulagern. Einige IT- Unternehmen fordern von ihren Kunden mehr Risikobereitschaft, auch wenn deren Mitarbei-
Innovative Unternehmenskultur Holistische Betrachtung Neue Geschäftsmodelle Moderne Technologien
tern noch digitales Fachwissen fehlt und daher Unsicherheiten seitens der Arbeitnehmer besteht. Die befragten IT- Unternehmen geben an, diese Heraus-
Agilität mit klaren Regeln Schulungen der Mitarbeiter
forderungen frühzeitig erkannt zu haben und bieten sowohl ihren eigenen Mitarbeitern als auch ihren Kunden Schulungen an.
Disruptive Unternehmensstrategie Fachkräfte mit IT-Erfahrung
Die Interviewpartner bemühen sich, neues Fachwissen in ihre Organisationen zu tragen, die Neugier und Lernbereitschaft der Mitarbeiter zu fördern, ihre IT- Fachkräfte selbst auszubilden und neue Spezi-
alisten einzustellen. Besonders die Förderung der Motivation der eigenen Fachkräfte, die mit hohen finanziellen Investitionen verbunden ist, wird zur Schlüsselherausforderung für die IT- Branche am Bodensee, um mit der internationalen Konkurrenz Schritt halten zu können.
19
Die Erkenntnisse aus der Evaluierungsstudie Seitenblicke Die folgenden Erkenntnisse beruhen auf den Interviews
und gefördert und eine Verhaltensethik bezüglich der Ano-
mit Akteuren des Bildungssektors sowie Fragen zum Nach-
nymität und Debattenkultur in virtuellen Räumen instituiert
haltigkeitsmanagement, die insbesondere Vorreitern des
werden, um Phänomene wie Mobbing und Populismus zu ver-
produzierenden Gewerbes gestellt wurden. Zuerst werden
meiden. Jedoch bedarf es im Bildungssektor einer finanziellen
Bildungsaspekte thematisiert, sodann unternehmerische
sowie konzeptionellen Unterstützung seitens des Staates, um
Nachhaltigkeitsverständnisse aufgezeigt. Das Kapitel endet
eine der digitalen Transformation entsprechende Infrastruktur
mit der Darstellung digital getriebener Nachhaltigkeitsinnova-
aufzubauen, mehr Personal mit adäquaten Kompetenzen zu
tionen am Bodensee.
beschaffen und eine Neugestaltung der Bildungsstandards zu realisieren. Zudem limitiert der statische Verwaltungsapparat
Generell sehen die Experten Bildung als einen der ausschlag-
den Entfaltungsraum für Innovation und Agilität sowie eine ef-
gebenden Faktoren für das Gelingen der digitalen Transfor-
fiziente Gestaltung der digitalen Transformation.
mation innerhalb der Wirtschaft und des öffentlichen Sektors. Demgemäß sollte – aus Sicht der Interviewpartner – die allge-
Im Rahmen der Interviews im produzierenden Gewerbe wur-
meine (Aus-)Bildung im Bereich der Digitalisierung gefordert
den zusätzlich Fragen zum Nachhaltigkeitsansatz gestellt, da dies als ein paralleler Megatrend wahrgenommen wird und diese Sektoren besonders beeinflusst. Dabei ist festzustellen, dass die meisten Unterneh-
Mit den digitalen Produkten, die wir entwickeln, unterstützen wir spezifische Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.
men kein erweitertes Verständnis von Nachhaltigkeit haben, das über Effizienzsteigerungen und Sicherung von Arbeitsplätzen hinausgeht. Neben dieser
35%
wirtschaftlichen Nachhaltigkeit werden nur selten 26%
ökologische und soziale Aspekte in Betracht gezogen
22%
oder in Verbindung miteinander gebracht. Die Unter-
13%
nehmen, die diese Aspekte mit in ihre Tätigkeiten 4%
einbeziehen, scheinen kleiner sowie agiler zu sein und dies als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Die meis ten Befragten geben an, dass externer Druck digitale
stimmen zu
20
stimmen eher zu
stimmen teilweise zu
stimmen eher nicht zu
stimmen nicht zu
Transformation und Nachhaltigkeit zu einer Notwen digkeit macht. Wenngleich die umfangreiche Erfüllung
STUDIE
Digital getriebene Nachhaltigkeitsinnovationen
4
3
Bodensee Erwartungen
2
10 J
10 J
technologischer Auslöser
6J
10 J
übersteigerte Erwartungen
9
4J
2J
7
5
1
8
6
2J
3J Tal der Enttäuschungen
2J
Plateau der Produktivität
Aufstieg zur Erleuchtung
Jahre bis zur Marktreife der Digital getriebenen Nachhaltigkeitsinnovation
1
2
3
4
5
6
7
8
9
vollständig recyclebare Produkte
automatisierte Produktentwicklung
Effizienz durch KI
autonomes Fahren
starke IT-Sicherheit
E-Motor
lebenslanges Lernen
digitales CSR-Reporting
virtuelle Arbeitskultur
von Nachhaltigkeitsrichtlinien und Entwicklungszielen (bei-
innnovationen zu neun Trends zusammengefasst: vollständig
spielsweise die sogenannten „Sustainable Development
recyclebare Produkte, automatisierte Produktentwicklung,
Goals (SDG)“ der Vereinten Nationen) schwer umzusetzen
Effizienz durch künstliche Intelligenz, autonomes Fahren,
bleibt. Dennoch wird nur selten eine positive Korrelation an-
starke IT- Sicherheit, E-Motor, lebenslanges Lernen, digitales
statt paralleler Entwicklungen der beiden Trends angegeben.
CSR- Reporting und virtuelle Arbeitskultur. Die Erwartungen
So bleiben Synergien für wirtschaftliche, ökologische und so-
an diese Themen hinsichtlich zukünftiger Veränderungen im
ziale Nachhaltigkeit hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Geschäftsmodell wird abgeschätzt, und auf Basis der Interviews wird eine Prognose der Jahre bis zur Marktreife in der
Um diesen Zusammenhang von digitaler Transformation und
Grafik abgebildet:
Nachhaltigkeit genauer zu betrachten, wurden anhand der Interviews Erwartungen an die Entwicklung von Nachhaltigkeits-
Mehr Informationen zu den Trends finden Sie unter zu.de/bic
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Dr Lennart Brand ist Managing Director des LEIZ. Nach Studienabschlüssen in Wien und Edinburgh arbeitete er in der Luftfahrtindustrie, bevor er in Oxford promovierte. Er ist seit 2012 an der ZU tätig und übernahm seine jetzige Position im Jahr 2015.
Isabel Jandeisek ist akademische Mitarbeiterin am LEIZ. Als Research Scholar forscht und lehrt sie zu Corporate Responsibility und den SDG s, zu denen sie auch bereits in New York arbeitete. Darüber hinaus ist sie im Bereich Forschungstransfer an der ZU tätig.
Sabine Wiesmüller studierte International Business unter anderem in Deutschland, Spanien und Mexiko. In ihrer Promotion befasst sie sich mit den Auswirkungen neuer Technologien auf Unternehmensverantwortung und gesellschaftliche Prozesse.
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TEAM
Gloria Kraus studierte Soziologie, Politik und Wirtschaft an der ZU und Sustainability Science in Maastricht – mit diversen Forschungsaufenthalten unter anderem in Spanien und Belgien. Ihr Interesse gilt insbesondere der nachhaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Europas.
Lukas Törner studierte General Management an der ZU. Der gebürtige Bremer hatte zuvor ein Studium in Umweltwissenschaften in Lüneburg und Wien abgeschlossen. Er lebte längere Zeit in Indien und Costa Rica und interessiert sich für Trends im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement und seine Schnittstelle zu Accounting und Innovation.
Alexander Shevelov studiert Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Supply-Chain-Management (SCM) und Mobility Innovations sowie Digitalization an der ZU. Bereits vor dem Masterstudium befasste er sich in seiner beruflichen wie akademischen Laufbahn mit Digitalisierung und Innovation im Bereich SCM und Logistics
Maximilian Heisterkamp studierte Wirtschaftswissenschaften an der ZU. Nach einem Auslandsaufenthalt in Shanghai arbeitete er zuletzt für eine Digitalberatung in der Schweiz. In seiner Abschlussarbeit forschte er zur zukünftigen Bedeutung der Unternehmensführung in Zeiten des digitalen Wandels.
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Ausblick Basierend auf den umfangreichen Erkenntnissen der Studie zu
Durch die Re-Integration dieses Wissens in die Unternehmen
Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformati-
soll nicht nur ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert, sondern
on wird im Anschluss an die gemeinsam von ZU und SAP SE
auch ihre Innovationskraft gestärkt werden. Die Teilnahme
(Standort Markdorf) ausgerichtete Konferenz am 21. Septem-
am Innovationscluster wird dadurch zum Wettbewerbsvorteil
ber 2018 die Gründung des Bodensee-Innovationsclusters er-
– nicht nur in der Bodenseeregion, sondern auch global. Zum
folgen. Die inhaltliche Aufstellung des Innovationslabors, der
einen konstituiert das Cluster ein erweitertes Netzwerk vor
Plattform und der angeschlossenen Innovationskreise wird
Ort, das neben gemeinsamer Erarbeitung von Wissen auch
sich dabei direkt an den im vorliegenden Bericht dargestell-
Synergieeffekte und „Best Practice“-Betrachtungen zulässt,
ten Trends und somit eng an dem erkannten Bedarf der re-
zum anderen steht es für die gemeinsame Weiterentwicklung
gionalen Unternehmen orientieren. Übergreifend wurden die
der Bodenseeregion. Die Erkenntnisse, die in den Innovati-
Geschäftsprozessentwicklung, das digitale Nachhaltigkeits-
onskreisen erarbeitet werden, werden schließlich auf der je-
management, das lebenslange Lernen, die
weiligen Jahreskonferenz und
Technologie-Akzeptanz im Unternehmen, die
durch weitere Kanäle der Öf-
Cybersecurity und die künstliche Intelligenz als besonders relevante Trends identifiziert. Als Startpunkt einer Veranstaltungsreihe wird bereits im Januar 2019 eine erste Innovationskonferenz zum Thema „Cybersecuri-
Die Teilnahme am Innovationscluster wird zum Wettbewerbsvorteil
ty“ stattfinden. Ziel der damit initiierten Reihe ist die Erarbeitung eines Themas durch die Unternehmen selbst – mit Unterstützung externer Experten, um aus der ganzheitlichen Erfassung des Feldes umfassende Handlungsempfehlungen herzuleiten. Zudem sollen Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation in den jeweiligen Bereichen erkannt und gemeinsame Strategien zur effizienten Umsetzung der Thematik in den Unternehmen erarbeitet werden. Auch dafür werden den Beteiligten externe Experten zur Seite gestellt.
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fentlichkeitsarbeit den Mitgliedern des Bodensee-Innovationsclusters vorgestellt und im Nachgang wissenschaftlich aufbereitet.
Ansprechpartnerin Sabine Wiesm체ller sabine.wiesmueller@zu.de +49 151 2126 4329 zu.de/bic
Impressum Zeppelin Universit채t gemeinn체tzige GmbH Am Seemooser Horn 20 88045 Friedrichshafen
Chefredaktion: Dr Lennart Brand Redaktion: Sabine Wiesm체ller, Sebastian Paul Art Direction: Philipp N. Hertel Infografik: Simon Merz Reinzeichnung: Petra Mohr
zu.de/bic
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