Nr 6 / Juli_August 2016
notabene Zeitschrift für die Mitarbeitenden der Zürcher Landeskirche
Unterwegs für die Menschenrechte /
Hinschauen hilft Seite 6
Seite 8
Pfarrerinnen in Ägypten
Lebensgefährliche Statistik
Ein Lehrstück im interkulturellen Dialog, der bei der Kleiderwahl beginnt
Die Geschichte eines Pfarrers, der zu gut mit Zahlen umgehen konnte 1
Editorial / Inhaltsverzeichnis
Aktuell
Nachrichten
Liebe Leserin, lieber Leser In diesem «notabene» blicken wir weit über den üblichen Tellerrand hinaus: Sie finden auf den folgenden Seiten Geschichten, die in Nordirak, in Oberägypten oder im Hinterland Kolumbiens spielen. Zürich tritt für einmal etwas in den Hintergrund. Das hat nichts mit der anbrechenden Feriensaison zu tun. Die genannten Orte sind leider Gottes keine Destinationen, zu denen es einen auf der Suche nach zwei Wochen Sorglosigkeit hinziehen könnte. Die Region um Mosul und die Niniveh-Ebene sind Gebiete im Norden des Iraks, die von den Terrormilizen des IS überrannt wurden. Flucht war für viele Menschen die einzige Option. Dies galt besonders für die in dieser Region einst ansässigen Christen, die – wie auch andere Minderheiten – gezielt verfolgt
3–5 schen Kirche. Kaum zur Kenntnis nimmt man, dass es am Nil auch eine Presbyterianische, also eine reformierte Kirche gibt. Wie es sich als Mitglied einer kleinen Minderheit in der Minderheit anfühlt, und was es auslöst, wenn dort die Frauen die Zulassung zum Pfarramt fordern, darüber lesen Sie in diesem Heft ab Seite 6. Eine dritte Auslandgeschichte führt Sie in kleine Bauerndörfer in Kolumbien, weit ab vom Blickfeld des öffentlichen, geschweige denn des internationalen Interesses (Seite 10). Eben dies, dass sich niemand für sie und noch weniger für ihre Rechte interessiert, ist das Problem der dort seit Generationen heimischen Bauernfamilien, wenn skrupellose Plantagenbesitzer ihnen das Land streitig machen. Menschenrechtsbeobachter, die im Auftrag von Peace Watch Switzerland Präsenz markieren, können Wunder wirken. Alle diese Geschichten sind weit weg von Zürich. Und gehen uns gleichwohl etwas an. Sie helfen überdies, die Dimensionen zu wahren, wenn wir uns wieder den Projekten und Problemen widmen, die sich hier vor Ort und im Alltagsstress manchmal fürchterlich hoch zu türmen scheinen. Davon wieder mehr im nächsten «notabene» – nach der Sommerpause, Anfang September. Bis dahin – gute Lektüre und erholsame Ferien!
«Diese Geschichten sind weit weg von Zürich. Und gehen uns doch etwas an.» werden. Ihnen gilt die Solidarität der Zürcher Landeskirche. Wir berichten davon ab Seite 11. In Ägypten ist die Lage der Christen weit weniger bedrohlich. Der Staat gewährt Religionsfreiheit – und im Normalfall gelingt das Miteinander von Muslimen und Christen, namentlich der Mitglieder der dort heimischen kopti2
Christian Schenk Redaktor «notabene»
Kolumne «Liebe Reformierte»
Aussenblick von Martin Heller 5 Schwerpunkte
Pfarrerin in Ägypten – geht das? 6–7
Kopf und Kragen für die Statistik – ein Ausflug ins 18. Jahrhundert 8–9
Stillstandsprotokolle: Eintauchen in den Alltag von anno dazumal 9
Hinsehen: Beobachter für Menschenrechte in Kolumbien 10 – 11
Helfen im Nahen Osten 11
Rubriken
Themen und Termine 12 – 14
Porträt: Sigrist und Schachstratege 15
Impressum / Bischof zeichnet 16 notabene
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Kirchensynode / Masterpläne,
finanzielle Stresstests und «scheindemokratische» Wahlen
sch. Ohne Gegenantrag nahm das Kirchenparlament am 14. Juni zustimmend Kenntnis von den neu formulierten Legislaturzielen des Kirchenrates für die kommenden vier Jahre bis 2020. Unter dem Leitmotiv «Kirche der Zukunft – nahe, vielfältig und profiliert» nennt der Kirchenrat vier Bereiche, denen sein Hauptaugenmerk gelten soll: Reformationsjubiläum, das Projekt «KirchGemeindePlus», die Anpassung von Leitungs- und Führungsaufgaben in den Kirchen sowie Strategieentwicklungen im Bereich Finanzen und Immobilien. Die Beschränkung auf vier klar definierte Bereiche kam beim Kirchenparlament gut an. Frühere Legislaturen wiesen jeweils eine Vielzahl von Zielen auf, deren Erfüllung nicht immer leicht zu
messen und zu überprüfen war. Zum Schwerpunkt Reformationsjubiläum weist der Kirchenrat auf das «Potenzial der Erneuerung» hin, das seit jeher die reformierte Tradition prägt und zum Jubiläum sichtbar gemacht werden soll. Die historischen Grundlagen der Reformation, ihre Wirkung auf Politik, Wirtschaft und Kultur sowie Werte und Wesen der Kirche sollen der Öffentlichkeit vermittelt werden. Auch das zweite Legislaturziel, «KirchGemeindePlus», richtet der Kirchenrat auf ein Grossprojekt aus, bei dem entscheidende Weichenstellungen anstehen. Bereits an der nächsten Sitzung der Kirchensynode, am 5. Juli (nach Redaktionsschluss), nimmt das Kirchenparlament erneut Stellung zur
Die Richtung stimmt: Die Kirchensynode begrüsst die Legislaturziele des Kirchenrates.
geplanten Strukturreform. Das dritte und vierte Legislaturziel folgen aus den Veränderungen, die der Prozess «KirchGemeindePlus» auslösen wird.
Finanzielle Stresstests Die Kirchensynode genehmigte nahezu diskussionslos die Jahresrechnung 2015 der Zentralkasse. Diese schloss mit einem Ertragsüberschuss von 1,3 Millionen Franken, der dem Eigenkapital gutgeschrieben wird. Margrit Hugentobler, Präsidentin der Finanzkommission, und die für das Finanzressort zuständige Kirchenrätin, Katharina Kull-Benz, wiesen darauf hin, dass die Stärkung des Eigenkapitals weiterhin nötig sei, um für finanzpolitische «Stresssituationen» gerüstet zu sein. Als Gewitter am Finanzhimmel nannte Margrit Hugentobler die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform, den Mitgliederschwund und rückläufige Staatsbeiträge.
Foto:sch
Pfarrwahl an der Urne?
Kirchensynode / Wie
«reformiert» müssen Mitarbeitende der Kirche sein?
sch. Müssen Mitarbeitende der Landeskirche auch zwingend Mitglieder sein? Diese Frage warf der Synodale Peter Fischer, Dietlikon, an der Kirchensynode vom 14. Juni auf und plädierte mit einer Motion für ein Ja. Er forderte vom Kirchenrat eine entsprechende Änderung der Personalverordnung. Diese hält heute fest, dass Mitarbeitende «in der Regel» einer Kirche des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes angehören. Der Motionär forderte eine eindeutigere und zwingendere Formulierung. Aus seiner Sicht drücke eine Nichtmitgliedschaft einen Vorbehalt gegenüber der Auftraggeberin Kirche aus und notabene
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deute auf mangelnde Identifikation. Kirchenrat Andrea Marco Bianca wollte dies so nicht gelten lassen. Klar sei Identifikation mit dem Auftrag des Arbeitgebers wichtig. Er erwarte von den Mitarbeitenden auch einen gewissen Stolz, reformiert zu sein. Wichtigste Voraussetzung blieben allerdings fachliche und persönliche Fähigkeiten von Angestellten. Ausserdem könne die Verbundenheit mit der Kirche auch wachsen. Der Zwang zur Mitgliedschaft könne nicht das Ziel einer offenen und liberalen Kirche sein. Mehr als zwei Drittel der Kirchensynode sahen das ähnlich und wiesen das Begehren deutlich ab.
Thomas Illi und Mitunterzeichnende verlangten mittels einer Motion, das Urnenobligatorium für die Bestätigungswahlen der Pfarrerinnen und Pfarrer aufzuheben. Diese Regelung ist seit 2010 in Kraft. Der Motionär begründete seinen Vorstoss damit, dass es «zu Zufallsentscheidungen» kommen könne. Es dürfe nicht sein, dass verdiente Pfarrpersonen öffentlich mit solchen Resultaten blossgestellt würden. Der Modus sei ein Ausdruck von «Scheindemokratie», er stosse bei den Stimmberechtigten auf Unverständnis, weil nur die von der Kirchenpflege vorgeschlagenen Kandidaten gewählt werden könnten. Die Motion fand die Unterstützung sowohl der Kirchensynode wie auch des Kirchenrates. Ihre Zustimmung gab die Kirchensynode zu einem Bericht des Kirchenrates zur Entwicklung einer zentralen Mitgliederdatenbank. Das Projekt will die Zürcher Kirche nicht im Alleingang angehen, sondern in Zusammenarbeit mit anderen Landeskirchen. 3
Kirchenrat / Lehren
aus dem «Fall» Kilchberg sch. Der für das Ressort Diakonie zuständige Kirchenrat Bernhard Egg informierte die Kirchensynode am 14. Juni über die Rolle der Kirche im Fall der Flüchtlingsfamilie, die im Pfarrhaus von Kilchberg beherbergt und am 9. Juni nach langen Verhandlungen nach Tschetschenien ausgeschafft wurde. Die Kirchgemeinde hat der Familie mehrere Wochen Unterkunft gewährt und sich zusammen mit weiteren Personen für ein Bleiberecht eingesetzt. Dies sei «als Dienst an den Nächsten» geschehen und ganz im Sinn der Aktion «Fluchtpunkt», die das Engagement der Landeskirche für Flüchtlinge angesichts der Flüchtlingskrise verstärken will. Den Bemühungen in Kilchberg sei ein rechtskräftiges Verfahren gegenübergestanden, das die Wegweisung der Familie zur Folge hatte. Dies müsse man zur Kenntnis nehmen. «Von Akzeptanz möchte ich nicht sprechen», sagte Bernhard Egg und plädierte für ein Asylrecht, das mehr Ermessensspielraum zulässt und Härtefälle wie diesen als solche taxiert. «Das würde auch den Behörden helfen, die im Asylwesen keine leichte Aufgabe zu bewältigen haben.» Die Kirche habe im Fall Kilchberg viel getan und deeskalierend gewirkt. Dafür dankte der Kirchenrat den involvierten Personen und machte Mut, sich auch weiterhin für die Menschen einzusetzen: «Das ist Aufgabe und Herausforderung der Kirche.»
Konflager / Ins
Lager mit dem Cevi
kom. Mit dem «KonfProject» unterstützt der Cevi-Regionalverband ZürichSchaffhausen-Glarus die Kirchgemeinden in ihrer Arbeit mit Konfirmanden: In Partnerschaft mit mehreren Kirchgemeinden organisiert der Jugendverband ein Konflager. Die Teilnehmenden aus den Konfklassen sollen in einer Lagerwoche Gemeinschaft erleben, Vielfalt spüren und das Evangelium in einer verständlichen Sprache und Form erfahren. Mit langjähriger Erfahrung in der Lagerarbeit und mit motivierten Ehrenamtlichen kann der Cevi-Regionalverband die Konfirmationszeit noch unvergesslicher machen. Dabei wird sämtliche Lageradministration von der Geschäftsstelle des Regionalverbands erledigt.
Fraktion mit neuem Präsidenten
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bericht als Inspirationsquelle kom. Der Jahresbericht 2015 der Landeskirche, der der Kirchensynode am 5. Juli vorgelegt wurde, blickt wie üblich auf das vergangene Jahr zurück – aber nicht nur. Mit dem einleitenden Globalbericht eröffnet er zugleich einen Blick voraus auf die in den nächsten Jahren anstehenden Aktivitäten und Feierlichkeiten zum 500-Jahr-Jubiläum der Reformation. In diesem Zusammenhang erinnert der Bericht des Kirchenrates einmal mehr an das reformierte Selbstverständnis und den Auftrag der Kirche, die sich auf das Wirken von Zwingli und seinen Nachfolgern beruft: «Als Körperschaft des öffentlichen Rechts haben die Landeskirchen und ihre Kirchgemeinden den Auftrag, allen Menschen in Offenheit mit Wort und Tat nahe zu sein.» Wie dieser Auftrag 2015 von den Kirchgemeinden und den Diensten der Landeskirche umgesetzt wurde, zeigt der Jahresbericht für jedes der vier Handlungsfelder. Die reiche Sammlung an Aktivitäten und Projekten aus allen Zürcher Kirchgemeinden ist nicht nur eine Leistungsschau, sondern auch Inspirationsquelle für alle, die in der Zürcher Landeskirche mitarbeiten. www.zh.ref.ch/a-z/jahresbericht
Lager-Termine: 16. bis 22. Oktober 2016; 16. bis 22. April 2017; 15. bis 21. Oktober 2017; 22. bis 28. April 2018 Kontakt: Samuel Lauterburg, konfproject@cevi.ch, Tel. 044 213 20 50. www.konfproject.ch
Kirchensynode / Liberale
sch. Die Liberale Fraktion der Kirchensynode hat einen neuen Präsidenten: Urs-Christoph Dieterle löst Pfarrer Thomas Maurer ab. Dieterle ist Jurist, Präsident der Bezirkskirchenpflege Uster und seit 2015 Mitglied der Kirchensynode. Die Liberale Fraktion ist die älteste Frak-
Kirchensynode / Jahres-
tion. Sie wurzelt theologisch im Liberalismus und beschreibt sich als Fraktion, die «dem Denken innerhalb des Glaubens einen wichtigen Platz einräumt». Kontakte und Profile aller vier Fraktionen auf: www.zh.ref.ch/kirchensynode
Ökumene / Treffen
mit
Katholiken sch. Zum vierten Mal treffen sich die Synodalen der römisch-katholischen und der evangelisch-reformierten Kirchensynoden zum gemeinsamen Gespräch. Am Begegnungstag am 20. September im Kongresshaus in Winterthur setzen sich die Mitglieder der beiden Zürcher Kirchenparlamente unter anderen mit den Themen Reformationsjubiläum, Auftritt der Kirchen in der Öffentlichkeit und Umnutzung von Kirchengebäuden auseinander. notabene
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und
nationale Kampagne «quer denken – frei handeln – neu glauben»: Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) hat für 2017, dem Jahr des 500-jährigen Jubiläums der Reformation, einen Slogan entworfen. Dank der vielfältigen Möglichkeiten, die Worte neu zusammenzusetzen, wirkt er spielerisch und regt an: zum Denken, zum Handeln und zum Glauben. Er ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der Kommunikationsbeauftragten der Mitgliedkirchen des Kirchenbundes. Der Slogan fungiert – wie das bereits seit längerem etablierte Logo (mit dem Buchstaben R) – für sämtliche Kommunikationsmassnahmen wie eine inhaltliche Klammer und dient bei den verschiedenen Anlässen als Leitfaden. Den theologischen Hintergrund beschreibt der SEK wie folgt: «Die bedingungslose Liebe Gottes befreit uns von unseren Zwängen. So können wir quer denken, frei handeln und neu glauben. Dieser Slogan drückt die Gewissheit
aus: Nicht unser eigenes Tun, sondern die Gnade Gottes (die sola gratia der Reformatoren) rechtfertigt uns.»
Kampagne im Herbst 2017 Der nationale und zürcherische Startschuss zu den Jubiläumsfeierlichkeiten findet am 6. und 7. Januar 2017 im Hauptbahnhof von Zürich statt. Bereits ab dem 3. November 2016 ist der Reformations-Truck auf dem europäischen Stationenweg unterwegs in der Schweiz. Er macht als erstes Halt in Genf und besucht danach insgesamt zehn Schweizer Städte. Von Mitte Oktober bis 12. November 2017 ist eine schweizweite Öffentlichkeitskampagne zum Reformationsjubiläum mit verschiedenen Sujets zu den Slogans geplant. Ähnlich wie bei der Diakoniekampagne werden die Kirchgemeinden Basispakete zur Kampagne mit Plakaten, Tischsets, Servietten, Postkarten und speziellen Werbemitteln erhalten. Zusätzlich können sie Banner und Fahnen für ihre Kirchtürme und Häuser bestellen. Die Verantwortlichen der Kirchgemeinden werden gebeten, die Zeitspanne jetzt schon zu reservieren und Aktionen und Veranstaltungen in dieser Zeit einzuplanen. www.ref-500.ch www.zh.ref.ch/refjubilaeum
Ökumene / Ein
europäischer Kirchentag?
kom. Zusammenhalt, Frieden und Freiheit in Europa sind durch eine wachsende Anzahl von Konflikten in Gefahr: Das europäische Projekt steht zur Disposition. Wie stellen sich Christinnen und Christen aus verschiedenen Ländern und verschiedener Konfessionen dazu? Ein ökumenisches Netzwerk kirchlicher Organisationen sowie sozialer Bewegungen bietet für diese Diskusnotabene
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sion eine Plattform und verfolgt das Ziel, einen ersten Europäischen Kirchentag durchzuführen. Dazu wurde Anfang Juni im Kloster Kappel ein Verein gegründet. Mit von der Partie und Anlaufstelle ist von Seiten der Zürcher Landeskirche Jeannette Behringer. Kontakt: jeannette.behringer@zh.ref.ch Tel. 044 258 91 82
Foto: Markus Bertschi
500 Jahre Reformation / Jubiläumsslogan
Liebe Reformierte Fast täglich haben Barbara Weber und ich mit dem Reformationsjubiläum zu tun. Zwingli ist mit uns. Beim Überlegen und Rechnen und Planen. Und beim Versuch, attraktive Formate zu finden für das, woran erinnert und was gefeiert wird.
«Zwingli ist mit uns. Beim Überlegen, Rechnen und Planen.» Dabei ist es nicht so, dass sich ein Programm halbwegs logisch und linear entwickeln liesse. Im Gegenteil: Alles hat ständig mit allem zu tun. Sinn und Bedeutung, Formen und Inhalte, Lust und Last, Neugier und Verantwortung. Ein seltsames Gefühl der Unsicherheit allerdings begleitet unsere Arbeit: Was genau will die Kirche mit ihrem Jubiläum? Die Zivilgesellschaft macht es uns einfacher. So vieles, was die Reformation in Bewegung setzte und worüber sich das Nachdenken lohnt! Veränderungen, deren Radikalität in der Schweiz von heute nachklingt – Energien, die im Zeichen des neuen Glaubens für mehr Gerechtigkeit, Selbstverantwortung und Wohlstand sorgten. Natürlich ist die reformierte Kirche ebenfalls ein Produkt dieser Geschichte. Aber sie kann damit wenig anfangen. Manchmal scheint sie uns wie gefangen in ihrer Gegenwart. Der Mitgliederrückgang setzt ihr zu. Angst ist spürbar, aber niemand spricht davon. Das Schönste am Jubiläumsprojekt ist deshalb seine Dringlichkeit. Vor allem auch nach innen. Denn allzu oft erweist sich die nüchterne Unaufgeregtheit der Reformierten als blosse Selbstzufriedenheit. Die ein Gegengift braucht – das derzeit wirksamste ist 500 Jahre alt. Martin Heller ist Ausstellungsmacher und Kulturunternehmer. Er arbeitet zusammen mit Bettina Weber im Auftrag des Vereins «500 Jahre Zürcher Reformation» an der Planung und Gestaltung des Reformationsjubiläums.
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Aus dem Abc der
Reformation K wie Kritik
Matthias Krieg, Stabsstelle Theologie, klärt wichtige, vergessene oder selten gehörte Begriffe der Reformation. Von A wie Alltag über B wie Bekenntnis bis zu Z wie Zbredig ga.
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Pfarrerin in Ägypten – geht das?
Ökumene /
Foto: zVg
Die Reformierten haben die Kirche vom Kopf auf die Füsse gestellt. Was vorher einer ganz oben entschieden hat, regeln jetzt viele ganz unten. Reformierte funktionieren bottomup. Die Gemeinde ist ihr erster «lieu d’église». Beteiligung ist gefragt. Kirche ist ein gemeinsames Projekt. Das hat positive Folgen: Reformierte sind herrschaftskritisch, denn Allmacht hat nur Gott. Beansprucht also jemand politisch, ökonomisch, kulturell, aber natürlich auch kirchlich Macht, die schon nur ein bisschen nach Allmacht riecht, so werden sie kritisch. Sie sind mündig und lassen sich nicht bevormunden. Das ist gut so! Kritik heisst aber nicht Nörgelei oder Neidkultur. Wer kritisiert, gibt zuerst eine Würdigung und zeigt dann Lücken auf. So hat reformierte Kritikbereitschaft, die abwehrt, was von oben oder aussen kommt, auch negative Folgen: Die Gemeinde ist Kirche, Kirche aber ist mehr als die Summe ihrer Gemeinden. Sie braucht viele «lieux d’église», wenn sie ihren Auftrag erfüllen will. Wie es Nichtchristen in der Gemeinde gibt, gibt es auch Christen in der Nichtgemeinde. Auch ist die Gemeinde nicht das Projekt der Pfarrerin oder des Präsidenten. Was daraus folgt? Kritik ist gut, muss aber auch Selbstkritik sein und darf niemals unsolidarisch sein. Wer mündig ist, kann antworten und übernimmt Verantwortung. Vor der Gemeinde, der Kirche, Gott. Reformierte Kirche ist Kirche Jesu Christi. Er allein ist ihr Haupt.
Wagt die Presbyterianische Kirche in Ägypten den Schritt zur Frauenordination? Schweizer Pfarrerinnen besuchten reformierte Gemeinden am Nil. Ein Lehrstück im interkulturellen Dialog, der bei der Kleiderwahl beginnt. Von Sabine Scheuter
Welche Kleider trägt man an einer Konferenz christlicher Frauen in Kairo? Beim Kofferpacken vor vier Monaten stand ich ratlos vor meinem Kleiderschrank und gleichzeitig vor einigen zentralen Fragen des interkulturellen Dialogs. Wie lang müssen die Ärmel sein, sind nackte Füsse erlaubt? Muss ich für alle Fälle ein Kopftuch einpacken, oder geht damit die Anpassung an die Landessitten zu weit? Gibt es überhaupt verbindliche Regeln, und gelten die auch für die Christinnen im Lande? Seit 2014 besteht eine Partnerschaft zwischen den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn und der Presbyterianischen Kirche in Ägypten. Dabei geht es um den Austausch über die Rolle der Frauen in den Kirchen, insbesondere um Leitungsämter und das Pfarramt für Frauen. In der Presbyterianischen Kirche von Ägypten gibt es – wie übrigens in vielen reformierten Kirchen weltweit – noch keine Frauenordination. Das Thema wird aber seit Jahren intensiv diskutiert. Nachdem bereits zwei Mal eine Delega-
tion von Frauen aus der ägyptischen Partnerkirche die Schweiz besucht hatte, diente unsere Reise dazu, in verschiedenen Kirchgemeinden und an einer Konferenz in Kairo von unseren Erfahrungen mit der Frauenordination zu berichten und über die Rolle der Frauen in den Kirchen zu diskutieren. Es war unser Wunsch gewesen, nicht nur nach Kairo zu reisen, sondern auch in den Süden. Während viele Mitglieder der reformierten Gemeinden in Kairo der Mittel- und Oberschicht angehören, gibt es im Nildelta und im Süden von Ägypten auch viele ärmere Gemeinden. In einer solchen wurden wir aufs Herzlichste empfangen. Im Sonntagsgottesdienst in Luxor hielt unsere Delegationsleiterin die Predigt – als erste Frau in dieser Kirche.
Wie finde ich einen Ehemann? Zum Austauschtreffen am folgenden Tag waren die Frauen teilweise viele Stunden aus abgelegenen Gemeinden angereist. Es waren keine «Führungsnotabene
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Für einmal im Zentrum: Frauen der Presbyterianischen Kirche sind noch nicht zu Leitungsämtern und zum Pfarramt zugelassen. Im Bereich Diakonie und Bildung tragen sie bereits die Hauptverantwortung.
frauen» im engeren Sinne, denn in den meisten Gemeinden gehören noch keine Frauen zur Gemeindeleitung. Dennoch sind es Frauen mit hoher Verantwortung: Sie organisieren die Spitalbesuche, leisten wirtschaftliche Unterstützung durch Mikrokredite, betreuen Behinderte: Wie auch in der Schweiz liegt der grösste Teil der diakonischen Arbeit in der Hand der Frauen. Auch in der Bildungsarbeit für Frauen wird viel getan. Und auch wenn uns das Tagungsthema «Wie finde ich einen passenden Ehemann?» für Mädchen erst befremdet hatte, waren wir beeindruckt davon, dass die Kirche Orte schafft, wo Mädchen nach ihrer Meinung gefragt werden und sich mit Gleichaltrigen austauschen können. Was die Veranstalterinnen alles unternehmen, um die Fahrkosten aufzutreiben und um die Sicherheit der Mädchen zu garantieren, damit die Eltern sie gehen lassen, ist ebenso beeindruckend. Neben der Suche nach dem passenden Ehemann oder wohl eher dem Vermeiden des unpassenden werden den Mädchen auch Alternativen zur allzu frühen Verheiratung vermittelt. Unserer Frage, ob auch sexuelle Aufklärung ein Thema sei, stiess allerdings auf Unverständnis.
erlaubt. Aus diesem Grund setzt sich die Presbyterianische Kirche auch dafür ein, dass in den Gesetzesreformen die Eheschliessung weiterhin den religiösen Instanzen vorbehalten bleibt. Sie befürchten, der Staat wäre offener, sowohl was die Scheidung als auch was die Möglichkeit für Mischehen betrifft. Auch in Kairo machten wir die Erfahrung, dass den westlichen «Errungenschaften» mit Skepsis begegnet wurde. Die Frauenordination wird zwar von vielen Frauen gewünscht, doch gilt dies keinesfalls für den Einbezug von homosexuellen Menschen in die kirchlichen Dienste. Weitere Argumente gegen das Pfarramt für Frauen sind biblisch begründet. Hier wird eifrig das Schweigegebot aus 1. Kor 14,34 zitiert. Oder man argumentiert wirtschaftlich: Wenn doch die Gemeinden kaum den Unterhalt ihres Pfarrers aufbringen können, und wenn
«Frauenordination ja – aber kein Einbezug von Homosexuellen.» schon genug ordinierte Pfarrer vorhanden sind, wie sollte es da noch für die Frauen reichen? Oft ist es auch die Angst, sich als kleine Minderheit noch mehr zu exponieren gegenüber den grossen Mehrheiten der Muslime, aber auch der Orthodoxen, welche die Mitwirkung der Frauen in den religiösen Institutionen noch viel stärker einschränken. Eine Angst, die den Christinnen und Christen noch in den Knochen steckt, insbesondere aus der Zeit unter dem Regiment der Muslimbruderschaft, als christliche Läden und Kirchen zerstört und Menschen angegriffen wurden, und öffentlich mit der Vernichtung der Christen gedroht wurde.
Scheidung und andere Tabus Wie damals bei Rosa Gutknecht Auf Tabuthemen trafen wir immer wieder, manchmal bereits in der Vorstellungsrunde. Wenn nach dem Ehemann gefragt wurde und in der Antwort das Wort «geschieden» fiel, herrschte betretenes Schweigen. Scheidung ist in den christlichen Kirchen in Ägypten nicht notabene
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Trotzdem werden sich viele Frauen weiterhin für die Frauenordination einsetzen. Einige von ihnen haben in der Schweiz erlebt, wie Frauen Gottesdienste geleitet, gepredigt und getauft haben. Die Berichte über den steinigen
Weg, der auch in der Schweiz erst nach Jahrzehnten des Ringens zur Frauenordination geführt hat, hat Mut gemacht. Unvergesslich die Reaktion, als ich ihnen das Zeugnis von einem Gottesdienstbesucher von Rosa Gutknecht vorlas, die 1942 Pfarrhelferin am Grossmünster war und für einen Kollegen einspringen musste. «Als Rosa Gutknecht ankündigte, sie vertrete Professor Farner, der plötzlich erkrankt sei, standen eine ganze Anzahl Leute auf – mehrheitlich Frauen – und verliessen die Kirche.» – «Genau wie bei uns», strahlten die Ägypterinnen, «und auch bei uns werden früher oder später Frauen in Amt und Würden den Gottesdienst leiten». Mein Kopftuch blieb übrigens unbenutzt im Koffer. Lange Ärmel trug ich bei jedem Besuch an offiziellen Stellen, unter anderem bei der Ministerin für Immigration, die als Frau und Christin gleich zwei Minderheiten repräsentiert. Im Nachhinein erfuhr ich, dass sie selber bei ihrer Vereidigung ein kurzärmeliges Kleid trug und in den Medien heftig gerügt wurde deswegen. Die Gegenstimmen liessen allerdings auch nicht auf sich warten. Viele Frauen sahen in diesem selbstbewussten Auftreten der jungen Ministerin ein Zeichen dafür, dass sich auch für die Frauen etwas geändert hatte und weiter ändern wird.
Schweizerische Frauensynode 2016: Frauen aus Kirche, Politik und Gesellschaft treffen sich in diesem Jahr zur 6. Frauensynode in Aarau. Die Synode steht unter dem Motto «Energie – bewegen, bestärken, bewirken». Die Frauensynoden haben zum Ziel, kirchliche und nichtkirchliche Frauen miteinander zu vernetzen, sie in ihrem Engagement zu ermutigen sowie einen Beitrag aus Frauensicht zu einem gesellschaftlich aktuellen Thema zu leisten. «Wir verfügen über viel Frauenpower. Wir fragen, wo wir diese Kraft für die Zukunft unseres Landes einsetzen wollen.» 28. August, Aarau www.frauensynode.ch
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Bild: Von J. R. Holzhalb nach Brunschweiler/commons.wikimedia.org
Kopf und Kragen für die Statistik
Geschichte /
Johann Heinrich Waser war Pfarrer und Statistiker. Letzteres war dem Zürcher Rat Ende des 18. Jahrhunderts ein Dorn im Auge. So sehr, dass er Wasers Kopf forderte. Von Christian Schenk
21 zu 18. Das Urteil des Zürcher Rats war knapp ausgefallen. Dann aber stand fest: Pfarrer Johann Heinrich Waser würde dem Scharfrichter anbefohlen werden, «welcher ihm die Hände vorwärts binden, ihn hinaus auf die gewöhnliche Wahlstadt führen, und ihm daselbst mit einem Schwert das Haupt von dem Körper wegschlagen solle, also dass ein Wagenrad zwischen beiden durchgehen möge». Am 27. Mai 1780 tut der Scharfrichter wie geheissen. Und obwohl der Rat Stillschweigen darüber verordnet, gibt die Hinrichtung des 38-Jährigen weit über Zürich und die Schweiz hinaus zu reden. Dass der ordinierte Pfarrer und renommierte Naturwissenschaftler Staatsgeheimnisse verraten haben soll, wie die Anklage lautete, nahm man der Herrschaft schon damals nicht ab. Und wer die Aktenberge, die sich im Fall Waser hoch türmen, später mit wissenschaftlichem Blick durchforstet, wie dies der Historiker Rolf Graber 1980 und andere vor ihm taten, kommt zum eindeutigen Schluss: Justizmord. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wäre 1770 – zehn Jahre vor dem fatalen Urteil – die Ernte in weiten Tei8
len der Schweiz und Europas nicht derart katastrophal ausgefallen und hätte der junge Pfarrer, der just in diesem Jahr seine Pfarrstelle in den Gemeinden Hottingen, Hirslanden und Riesbach angetreten hatte, nicht solch eine Begabung und so viel Eifer im Umgang mit Zahlen mitgebracht. Der talentierte Bäckerssohn hatte nach dem Theologiestudium schon fünf Jahre aktive Mitgliedschaft in der Physikalischen Gesellschaft hinter sich und dort Studien in Mathematik, Astronomie und der damals aufkommenden Erhebung und Auswertung von statistischem Datenmaterial betrieben. Diese Fertigkeiten brachte Waser ins Spiel, als es darum ging, die in den Hungerjahren dramatisch wachsende Zahl
Der Pfarrer kämpfte um seine Existenz. an Bedürftigen zu versorgen. Die dafür nötigen Mittel flossen damals in einem komplizierten Geflecht zwischen politischer und kirchlicher Gemeinde und der Stadtzürcher Obrigkeit. Der wort- und zahlengewandte Pfarrer war Mitglied in den Gremien des Armenwesens und
setzte sich hartnäckig dafür ein, dass die Gelder am richtigen Ort ankamen und nicht irgendwo versickerten. Eben dies taten sie. Waser rechnete nach, deckte Lücken und Lecke auf, klagte an, bekam Recht – aber schaffte sich gleichzeitig erste Feinde bei der damaligen Dorfaristokratie im Seefeld. Die Konflikte zogen sich hin, Waser liess nicht ab, suchte nach weiteren Quellen für das dahinschmelzende Armengut, trieb alte Restanzen ein und drohte gar, die Verantwortung für das Armenwesen künftig zu verweigern, wenn die städtische Obrigkeit nicht nach seinen Vorstellungen durchgreifen wollte. Das wiederum wertete der Zürcher Rat als Affront. Er enthob ihn in einem undurchsichtigen Verfahren seiner Pfarrstelle und auferlegte ihm vier Jahre Berufsverbot. Der Historiker Rolf Graber, der den Fall 1980 gründlich untersucht hat, weist nach, wie happig solch ein Verdienstausfall wirkte und wie oft und erfolglos der Gemassregelte beim Rat um Milderung bat. Der Pfarrer kämpfte um seine Existenz und trieb seine statistischen Studien unterdessen weiter. In Fachkreisen wurden sie hoch geachtet. Auch die Zürcher Zensurbehörden hielten ein Auge darauf. Bevölkerungszahlen, Daten über wirtschaftliche Erzeugnisse, Wohnhäuser oder militärische Schlagkraft galten in jener Zeit als politisch brisant – konnten sie doch auch allfällige Versäumnisse und Mängel der herrschenden Regierungen aufdecken. Entsprechend aggressiv reagierten jeweils die durch die Faktenlage in Schieflage geraten gnädigen Herren. Nicht nur jene in Zürich. notabene
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Stillstandsprotokolle online /
Alltagssorgen anno dazumal
Auch in Bern ächzte es kurz vor dem Fall Waser im Herrschaftsgebälk, wie der Historiker Hans Ulrich Jost in seiner jüngst erschienenen «Geschichte der schweizerischen Statistik» nachweist. Auch dort brachte in den 1760er Jahren ein Pfarrer die Berner Staatsverwaltung in Erklärungsnot, als er nachwies, dass die sinkenden Bevölkerungszahlen in Teilen ihres Herrschaftsgebietes auf staatliche Misswirtschaft hindeuteten. Der Berner Obrigkeit misslang es allerdings, besagte Studie unter Verschluss zu halten.
Waser musste zum Schweigen gebracht werden. In Zürich kämpfte das Ancien Régime derweil mit härteren Bandagen gegen den Pfarrer, der seine nüchtern begründeten Verbesserungsideen für Staat und Volkswirtschaft, seine Kritik am Solddienst und der Auswanderung unverhohlen veröffentlichte. Für die Zürcher Obrigkeit glich das einer Majestätsbeleidigung. Historiker wie Graber oder Jost weisen nach, dass die vielbeachteten Abhandlungen dem Pfarrer deshalb zum Verhängnis wurden, weil sie das herrschende Staatswesen nicht im besten Lichte erscheinen liessen, und die gnädigen Herren deshalb um ihre Positionen fürchten mussten. Waser musste zum Schweigen gebracht werden. Die Gelegenheit bot sich Anfang des Jahres 1780: In einer im Ausland publizierten Schrift von Waser fand die Zennotabene
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surbehörde Datenmaterial, das sie als «Verrat von Staatsgeheimnissen» wertete. Die Obrigkeit liess den Autor festnehmen und machte ihm den Prozess. Um die anvisierte Höchststrafe vor der Bevölkerung rechtfertigen zu können, stand plötzlich auch der Vorwurf der Giftmischerei in der Anklageschrift. Eine Verleumdungstaktik, die an das Vorgehen bei Judenpogromen im Mittelalter erinnert, wie Rolf Graber schreibt, und die in jener Zeit nicht undurchschaut bleibt, wie der knapp gefällte Urteilsentscheid zeigt. Dass Johann Heinrich Waser auch Fürsprecher hatte, die sein Umgang mit Zahlen und sein Bemühen um Optimierung von Staat und Wirtschaft für ein besseres Leben der Menschen ein- und wertzuschätzen wissen, rettet ihn nicht. Ihm fehlten zwei Stimmen. Rolf Graber: Der Waser-Handel. Analyse eines soziopolitischen Konflikts in der Alten Eidgenossenschaft. In: Schw. Zeitschrift für Geschichte, 1980. Hans Ulrich Jost: Von Zahlen, Politik und Macht. Geschichte der schweizerischen Statistik. Chronos-Verlag 2016.
sch. Wie spielte das ganz gewöhnliche Leben vor 300 Jahren in Zollikon, Greifensee, Gossau oder Brütten? Die Geschichtsschreibung lässt solche Fragen gewöhnlich unbeantwortet. Wer hätte damals schon Notiz nehmen wollen von den Freuden und Sorgen der Männer und Frauen in den Dörfern? Die Quellenlage im Kanton Zürich ist da eine Ausnahme. Die kleinen Episoden des Dorfalltags wurden seit Beginn des 17. Jahrhunderts vielerorts in den sogenannten Stillstandsprotokollen notiert. Das Staatsarchiv hat diese Handschriften transkribieren lassen und macht sie jetzt als Online-Publikation zugänglich. Damit öffnet sie in über 30 Gemeinden ein faszinierendes Fenster in die Vergangenheit. Dass auch Laien leicht eintauchen können in die Alltagsgeschichten jener Zeit, dafür zeichnete der Historiker Beat Frei verantwortlich. Er entzifferte die insgesamt 3357 Protokollseiten und stellte an der Kappeler Kirchentagung Anfang dieses Jahres bereits einige Trouvaillen daraus vor. Die Protokolle der Kirchenpflege und Ortsbehörden jener Zeit (Stillstand genannt, weil dieses Gremium jeweils nach dem Gottesdienst wortwörtlich «stillstand») liefern dabei mehr als Anekdoten zu sittlichen Vergehen, die man bisher gerne daraus zitiert hat. Sie bieten in ihrer Detailtreue Informationen zur Wirtschafts-, Sozial- und Alltagsgeschichte. Und sie halten Anschauungsmaterial zur Kirchengeschichte bereit: etwa, wenn es darum ging, wie man mit Täufern verfuhr, wie säumige Kirchgänger bestraft wurden oder wie man sich um Flüchtlinge kümmerte, die einem zugewiesen wurden. Auch ergreifende Seelsorgegespräche sind dokumentiert, zum Beispiel in Brütten, wo 1632 eine Hebamme dem Pfarrer ihr Herz ausschüttet und verzweifelt feststellt, es würden so viele Kinder bei der Geburt sterben. www.staatsarchiv.zh.ch www.archives-quickaccess.ch/search/4
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Foto: zVg
sch. Kolumbien kommt nicht zur Ruhe. Seit Jahrzehnten schwelen im südamerikanischen Land Konflikte zwischen Guerillagruppen, paramilitärischen Einheiten, der Armee und der Polizei. Der Staat ist zu schwach und auch nicht überall willens, die Bevölkerung zu schützen. Vor allem auf dem Land leidet die Zivilbevölkerung unter der Bedrohung von bewaffneten Gruppen, oder Menschen in Bauerndörfern ohne starke Lobby geraten unter Druck von Grossgrundbesitzern. Sind aber Beobachterinnen und Beobachter von Menschenrechtsorganisationen vor Ort, nimmt die Bedrohung augenblicklich ab. Peace Watch Switzerland, eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Zürich und seit Jahren mitgetragen von kirchlichen Kreisen und Hilfswerken, sorgt mit der Entsendung von Freiwilligen in die Region des tropischen Tieflandes von Kolumbien für Stabilität und Sicherheit für die Menschen vor Ort. Jacques Dal Molin, reformierter Pfarrer, übernahm diesen Dienst im letzten Jahr während eines Studienurlaubs für drei Monate. Seinen Einsatz und seine Erfahrungen beschreibt der 64-Jährige so:
«Was die Mächtigen gar nicht lieben, ist Publizität.» «Meine Aufgabe bestand darin, regelmässig fünf Bauerngemeinschaften zu besuchen. Sie leben im Magdalena medio, einer Region mitten in Kolumbien am Rio 10
Menschenrechte /
Hinsehen!
Pure Präsenz hilft: Auf diesem Prinzip basieren die Menschenrechtsbeobachter-Einsätze von Peace Watch Switzerland in Kolumbien und anderen Ländern. Die Organisation, die von Kirchen mitgetragen wird, sucht Menschen, die hingehen und hinsehen.
Magdalena. Diese Bauerngemeinschaften befinden sich in ständigem Konflikt mit Grossgrundbesitzern und einer Palmölfirma. Diese macht den Bauern ihr Land streitig. Sie will sie von ihren Parzellen vertreiben und ihre Monokultur ausweiten. Die Früchte der Bäume versprechen schnelles Geld. Weltweit steigt der Bedarf an Palmöl. Eine ungute Entwicklung: Denn die Monokulturen laugen den Boden aus, entziehen ihm stets dieselben Nährstoffe. Nach 30 Jahren sind die Böden ruiniert, und es braucht Jahrzehnte, bis sie sich wieder erholt haben. In Las Pavas, einer Streusiedlung, kämpfen die Bauern gegen eine solche Palmölfirma. Deren Arbeiter schikanieren die Bauern auf Geheiss. Sie erschweren ihnen den Zugang zu ihren Feldern, vernichten ihre Aussaat, vergiften Pflanzen und Tiere. Die Bauern wollen sich nicht vertreiben lassen und leisten gewaltlos Widerstand. Dabei werden sie von PAS (Pensamiento y acción social), der kolumbianischen Partnerorganisation von Peace Watch Switzerland, unterstützt. PAS stellt Rechtsanwälte zur Verfügung, um An-
sprüche der Bauern geltend zu machen. Kolumbianische Gerichte stützen den Rechtsanspruch der Bauern auf ihr Land. Aber es braucht Behörden, die dies durchsetzen. Das ist in Kolumbien schwierig. Der Staat ist schwach. In El Guayabo, einem kleinen Dorf direkt am Fluss gelegen, ist der Konflikt anderer Natur. Die Problematik dieselbe. Auch hier sollen die Bauern vertrieben werden. Vor gut zehn Jahren tauchte ein Grossgrundbesitzer auf und machte wohl gefälschte Rechtstitel geltend. Er behauptete, das ganze Land gehöre ihm. Die Bauern, deren Väter und Grossväter dieses Land bereits bewirtschafteten, sollten verschwinden. Ende Oktober fanden in Kolumbien Regionalwahlen statt. In der grossen Gemeinde, zu der El Guayabo gehört, wurde der grossgrundbesitzerfreundliche Gemeindepräsident abgewählt und durch einen bauernfreundlichen ersetzt. Wenn das kein Grund zum Feiern war! In El Guayabo ging an jenem Sonntagabend sogar das Bier aus… Menschenrechtsbeobachter geben den Bauern und ihren Familien Sicherheit. Sie notabene
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Für Peace Watch Switzerland in Kolumbien im Einsatz: Pfarrer Jacques Dal Molin.
Flüchtlingshilfe /
Helfen in Nahost
Der Kirchenrat unterstützt notleidende Menschen in den Krisengebieten im Nahen Osten erneut mit 400 000 Franken. Im Fokus sind besonders Christen und Jesiden.
können erzählen, was sie beschäftigt, was sie erleben und auch wieder ruhig schlafen. Was die Mächtigen gar nicht lieben, ist Publizität. Deshalb hatte mein Einsatz auch eine mässigende Wirkung. Er war für die Bauern viel wichtiger, als ich dies direkt wahrnehmen konnte. Dies versicherten sie mir immer wieder.»
Beobachterin, Beobachter werden Sind Sie an einem Einsatz als Menschenrechtsbeobachter interessiert? Möchten Sie wissen, wie ein solcher Einsatz konkret aussieht? Am Infonachmittag von Peace Watch Switzerland (PWS) und Peace Brigades International (PBI) erhalten Sie Antworten. Die beiden Organisationen entsenden Menschenrechtsbeobachtende nach Guatemala, Südmexiko, Honduras, Kolumbien, Kenia und Palästina/ Israel. Am Infonachmittag stellen sie ihre Arbeit in den Projektländern vor, zeigen die Möglichkeiten und Grenzen von internationaler Menschenrechtsbeobachtung auf und erläutern, wie Freiwillige sich in den Trainings auf einen Einsatz vorbereiten. Ehemalige Einsatzleistende berichten von ihren Erfahrungen. Bern: 17. September, Bollwerk 35, 13.30 bis 16.30 Uhr Zürich: 1. Oktober, AKI, Hirschengraben 86, 13.30 bis 16.30 Uhr Kontakt: Peace Watch Switzerland, Quellenstrasse 25, 8005 Zürich Tel. 044 272 27 88 www.peacewatch.ch
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sch. Der Betrag aus dem Sammelkonto für «Bedrängte Christen» kommt 18 verschiedenen Hilfsprojekten hauptsächlich im Irak, in Syrien und der Südtürkei zugute. Die Summe von 400 000 Franken ist dank vieler Kollekten und Spenden aus Kirchgemeinden und von Einzelpersonen innert kurzer Zeit und seit der letzten Vergabung im März 2015 zusammengekommen. Darin enthalten sind auch die 100 000 Franken aus dem Lotteriefonds, die der Zürcher Regierungsrat der Landeskirche im letzten Jahr treuhänderisch für Nothilfeprojekte für die Syrienflüchtlinge zukommen liess. Neben der Hilfe für die orientalischen Christen vor Ort und auf der Flucht werden auch andere ethnische und religiöse Minderheiten unterstützt. Religiöse Minderheiten sind in den Krisengebieten besonders unterdrückt und verfolgt. Das trifft neben den Christen vor allem auch auf die Jesiden zu. Eines der Nothilfeprojekte kommt deshalb gezielt den Menschen dieser Religionsgruppe in Nordirak zugute. Mit 40 000 Franken wird das in der Region Sinjar gelegene Sinoni-Hospital unterstützt.
Arabisch und Aramäisch lernen Für die aus Mosul und aus der NinivehEbene vertriebenen christlichen und jesidischen Flüchtlinge ist auch die Schulsituation in Irakisch-Kurdistan prekär. Es fehlt an allem. Weil die Kinder nicht kurdisch sprechen, müssen spezielle Schulen in arabischer Sprache eingerichtet werden. So kann der Ausbildungslevel einigermassen gehalten und die Zulassung an höhere Schulen ermöglicht werden. Das lokale Hilfswerk CAPNI, mit dem die Zürcher Landeskirche seit mehreren Jahren zusammenarbeitet, organisiert und finanziert solche Schulen, die meistens in Kirchen oder kirchlichen Einrichtungen untergebracht sind. Das Hilfswerk unterstützt
ebenfalls Förderprogramme für die aramäische Sprache, die wichtiger Bestandteil der assyrischen Identität und des kirchlichen Lebens ist. Weitere Beiträge fliessen in die Region Turabdin in der Südtürkei und das dortige Kloster Mor Gabriel und in Projekte für Flüchtlingshilfe in Istanbul, Aleppo und Amman. Mit all diesen Massnahmen versucht der Kirchenrat, die Not im Nahen Osten zu lindern. Kirchenrat Bernhard Egg, zuständig für das Ressort Diakonie und Soziales, wies an der Kirchensynodesitzung in diesem Frühling darauf hin, wie wichtig die Unterstützung einerseits für die Flüchtlinge in der Schweiz und gleichzeitig das Engagement der Kirchen für die Menschen im Nahen Osten ist. Mit Blick auf die dramatische Vertreibung der Christen im Orient sagte Egg: «Die orientalischen Christen fühlen sich vom Westen im Stich gelassen. Das darf nicht sein.» Man wolle Not lindern und alles daran setzen, dass Mesopotamien, die Wiege des Christentums, nicht «christenfrei» werde.
Bedrängte Christen Seit 2009 pflegt die Landeskirche Kontakte zu den Kirchen und Hilfswerken in Nordirak und der Südtürkei und hilft mit Spendengeldern. In einem Bericht hat der Kirchenrat dazu programmatisch festgehalten: Die Kirche muss grundsätzlich für alle da sein, die sich in Not befinden; unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit. Zugleich hat die Kirche eine besondere Verantwortung für Christen, die wegen ihres Glaubens in Bedrängnis sind oder verfolgt werden. www.zh.ref.ch/hilfe Spenden: PC 80-2020-8. Ev.-ref. Landeskirche des Kantons Zürich, 8001 Zürich. Konto 200 510 / Bedrängte Christen Auch HEKS leistet Hilfe. Ende Juni überwies das Hilfswerk 450 000 Franken für syrische Flüchtlinge in der Türkei. Konto: 80-1115-1 Vermerk «Flüchtlinge weltweit»
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Themen und Termine Verkündigung & Gottesdienst Miteinander-Tag Menschen mit und ohne Behinderung feiern gemeinsam: «Wir geben unserem Glauben Ausdruck, dass jeder Mensch vor Gott einmalig ist. Wir setzen ein Zeichen, dass wir miteinander Kirche gestalten und leben.» Organisiert wird der Anlass durch den Bereich Pfarrämter mit speziellem Auftrag der Abteilung Spezialseelsorge der Zürcher Landeskirche. Dieser Bereich ist aus den schon lange bestehenden Pfarrämtern «Heilpädagogisches Pfarramt, Epilepsie-Stiftung und Gehörlosengemeinde» neu gebildet worden. Ziel ist es, gemeinsame Aktivitäten zu entwickeln und auf die Anliegen von behinderten Menschen in der Kirche und der Gesellschaft aufmerksam zu machen. 25. September, 10.30 bis 14.30 Uhr, Offene Kirche St. Jakob, Zürich
Gipel(i)treffen Jugendarbeitende erhalten Impulse, tauschen sich aus und vernetzen sich. Das Treffen eignet sich einerseits als Plattform für den Fachaustausch, andererseits fürs Networking. Informationen aus der Fachstelle Jugend und Konfirmationsarbeit werden kommuniziert, Weiterbildungsangebote beworben. Leitung: Christian Randegger 4. Oktober, 8.30 bis 12 Uhr Hirschengraben 50, Zürich Anmeldung: dorathea.morf@zh. ref.ch, Tel. 044 258 92 66
Bildung & Spiritualität «Ich und du und so weiter…» Sozial- und gruppenpsychologische Grundkenntnisse: Gruppen leiten und begleiten, Umgang mit Störungen und Konflikten, verbale und nonverbale Kommunikation. Leitung: Sabine Stückelberger, Markus Zimmermann, Irene Orda
Partizipation im Alltag der Jugendarbeit Wie können Projekte partizipativ gestaltet und auf ihre Wirkung überprüft werden? Leitung: Martin Biebricher, Ivica Petrušić, Lucia Kuhn
Pädagogik / Didaktik Guter Unterricht – was ist das? Lerntheorien und -psychologie, kompetenzorientiertes Lehren und Lernen, Planungsinstrumente, Unterrichtsevaluation. Leitung: Katharina Sigel, Dorothea Meyer
6. September, 9 bis 17 Uhr Hirschengraben 50, Zürich Anmeldung: info@okaj.ch Tel. 044 366 50 10
ab 30. August Hirschengraben 50, Zürich Anmeldung: katechetik@zh.ref.ch Tel. 044 258 92 93
5. / 19. / 26. September, 19 bis 21.30 Uhr, Hirschengraben 50, Zürich. Anmeldung: dorathea. morf@zh.ref.ch, Tel. 044 258 92 66
Familienprojekte im rpg Brainstorming und Motivation für die kirchliche Familienarbeit: Vorstellen und Durchspielen von Praxismodellen, Erfahrungsaustausch, Reflexion und Entwicklung eigener Projekte, Fachimpulse. Leitung: Jessica Stürmer 6. September, 9.30 bis 11.30 Uhr Hirschengraben 50, Zürich Anmeldung: katja.martin@ zh.ref.ch, Tel. 044 258 92 93
Emil Brunner – ein missverstandener Pionier Tagung zu seinem 50. Todestag. Emil Brunner war einer der grossen Theologen des 20. Jahrhunderts, der weit über den Schweizerischen Protestantismus hinaus bekannt und geschätzt war. Sein Plädoyer für eine missionarische Kirche war schon zu seinen Lebzeiten provokativ. Die Tagung gibt Gelegenheit, die Impuse Brunners aufzunehmen und missions- und gemeindetheologische Themen zu diskutieren. Leitung: Zentrum für Kirchenentwicklung Theologische Fakultät, Zürich. 12. September, 9 bis 16.30 Uhr Kirchgemeindehaus Neumünster Zürich. Anmeldung: www.glaubeundgesellschaft.ch/ emilbrunner
Gemeindeaufbau & Leitung In 7 Stunden zur eigenen Kirchgemeinde-Website Sie lernen, wie Sie eine eigene Website mit ZMS für Ihre Kirchgemeinde erstellen und danach selbstständig pflegen. Am Ende des Kurses können Sie einen Prototyp Ihrer KirchgemeindeWebsite präsentieren. Leitung: Barbara Roth 10. September, 9 bis 16 Uhr Technopark, Zürich. Anmeldung: annemarie.huber@zh.ref.ch Tel. 044 258 92 76
Social Media für Einsteigende Sie lernen, wie in Ihrer Kirchgemeinde Social Media (Facebook & Co.) sinnvoll eingesetzt wird, was zu beachten ist und wo die Gefahren und Chancen liegen. Leitung: Barbara Roth 15. September, 18 bis 21 Uhr Hirschengraben 50, Zürich Anmeldung: Tel. 044 258 92 76 annemarie.huber@zh.ref.ch
Meine Meinung auf den Punkt gebracht Journalistische Textwerkstatt. Wie schreibe ich einen Kommentar, eine Kolumne, einen Blog oder ein Editorial? Was mache ich zum Thema und was lieber nicht? Wie bringe ich meine Meinung stilistisch und formal auf den Punkt? Leitung: Christian Schenk 16. September, 9 bis 13 Uhr Hirschengraben 7, Zürich Anmeldung: Tel. 044 258 92 76 annemarie.huber@zh.ref.ch
Gestalten mit guten Bildern Grafische Grundlagen der Gestaltung praktisch an Vorla-
Foto: flickr.com/zhrefch
Diakonie & Seelsorge
ab 26. August (Kursbeginn) Kloster Kappel und Hirschengraben 50, Zürich Anmeldung: katechetik@zh.ref.ch, Tel. 044 258 92 93
Rollenbezogenes Erzählen Theoretischen Grundlagen in Anlehnung an die bibliologische Grundhaltung und das bibliologische Textverständnis. Leitung: Evelyn Goetschel
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gen am PC (mit Word) umsetzen und üben. Bilder ausdrucksstark und sinnvoll bearbeiten und einsetzen. Leitung: Daniel Kolb
Renno (Gitarre) und Elisabeth Berner (Orgel).
24. September, 9 bis 13 Uhr Technopark Zürich Anmeldung: annemarie.huber@zh.ref.ch Tel. 044 258 91 40
Musik und Wort in der Klosterkirche Improvisationen über die Schöpfungsgeschichte: Elisabeth Berner (Orgel) und John Voirol (Saxophon) musizieren spontan und interagierend aus der eigenen Imagination heraus. Bilder und Worte werden zu Musik für Neugierige, die bereit sind, das Unerwartete zu hören. Lesungen: Pfr. Markus Sahli
Freiwillige: Chance für unsere Kirche Tagung des LandeskirchenForums. Mit Freiwilligen wird die Gemeinde farbiger und lebendiger. Damit dies geschieht, sind «Haltungen» einzuüben und zu kultivieren. Wir reden auch über Spannungsfelder. Eine Tagung für interessierte Gemeindeglieder, Sozialdiakoninnen, Pfarrer, Behördenmitglieder, Katechetinnen und Synodale. 3. September, 9 bis 16 Uhr Evangelische Kirchgemeinde Wil Toggenburgstr. 50, 9500 Wil www.lkf.ch/events
26. / 27. August 20 bis 6.30 Uhr
28. August, 17.15 Uhr
Kantatengottesdienst zu Psalm 121 «Ich schau nach jenen Bergen fern» von Peter Roth. Mit dem Singkreis Bäretswil-Bauma, Solisten und einem Orchester ad hoc unter der Leitung von Markus Stucki. Liturgie und Texte: Pfrn. Yvonne Schönholzer und Pfr. Markus Sahli
Symposium und Netzwerktreffen SOS-Kinderbetreuung Eltern mit einer psychischen Erkrankung und ihre Kinder haben besondere Herausforderungen zu bewältigen. Wenn der erkrankte Elternteil durch seine eigenen Probleme beansprucht ist, stellt die Verantwortung für ein Kind hohe Anforderungen an ihn dar. Dadurch kann das Kind schwierigen Belastungen ausgesetzt sein. Was können Fachleute und Freiwillige leisten für Kinder psychisch belasteter Eltern und wie kann eine Zusammenarbeit aussehen? Visionen für die Zukunft.
4. September, 9.30 Uhr
Kloster Kappel Auskunft / Anmeldung: Tel. 044 764 88 30 www.klosterkappel.ch
Campus Kappel Theologiewoche für Jugendliche 18. bis 22. Juli
Rose Ausländer – Wortvertraut Eine spirituelle Lektüre Leitung: Peter Wild 26. bis 28. August
KlosterNacht – Liturgische Nacht Die Klosterkirche im Kerzenlicht – Singen – Feiern – Hören – Gehen durch die Nacht – Stille – Dem Tag entgegengehen – Morgenlob: das ist die Kappeler KlosterNacht. Dazu gehören zwei Konzerte mit Mariam
Heilend berühren Die Kraft unserer Hände Leitung: Roswita und Ernst Timm
1. September, 17 bis 20 Uhr Alte Kaserne Winterthur, Technikumstrasse 8, Winterthur Anmeldung bis 8. Juli 2016: info@sos-kinderbetreuung.ch www.sos-kinderbetreuung.ch
10. bis 11. September
Kontakt: Christa Egger, Koordinatorin SOS-Kinderbetreuung, Tel. 052 222 08 10
Feldenkrais – Bewusstheit durch Bewegung Erspüren – Freiraum schaffen – Integrieren – Ausrichten Leitung: Marianne Lacina
Stille, phantasievoller Instrumentalmusik bis zu kraftvollem, vielstimmigem Gesang reicht. Es braucht nur die eigene Stimme und die Vorfreude auf das Erlebnis, gemeinsam mit vielen anderen Menschen die Kirche in einen grossen Klangraum zu verwandeln.
16. bis 18. September
Hagios – Gesungenes Gebet Seminar mit Gesang und Kontemplation Leitung: Helge Burggrabe 16. bis 18. September
Hagios-Liedernacht Kappeler Liedernacht zum Lauschen, Innehalten und Mitsingen mit Helge Burggrabe und Christof Fankhauser. Ein neuartiges Mitsing-Konzertprojekt, das von kontemplativer
17. September 20 Uhr
Musik und Wort Aemtler Jodlerfründe, Markus Sahli, Alphorn und Andrea Kobi, Orgel: «Mit Dym Säge wämmer gah...». Lesungen: Pfr. Markus Sahli
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Foto: flickr.com/zhrefch
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Eintritt frei / Kollekte 18. September, 17.15 Uhr
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Jedes Wort wirkt Mit bewusster Sprache den Beziehungsalltag gestalten Leitung: Eva Woodtli 30. September bis 2. Oktober
Von & für Gemeinden KinderKulturWoche in Küsnacht Nach einem Jahr Pause bietet die Kirchgemeinde Küsnacht in der letzten Sommerferienwoche erneut eine KinderKulturWoche für Kinder zwischen 7 und 15 Jahren aus der Umgebung an. Diesmal geht es um Resonanzen, um Rhythmik, Kraft und Bewegung. Die international tätige Konzertgeigerin und Musikpädagogin Bettina Boller hat für Kinder geeignete Gedichte geschrieben und vertont zu Themen, die uns heute beschäftigen: Völkerwanderung, Armut, Gerechtigkeit, aber auch Lebenslust, Liebe und Staunen. Gemeinsam mit 13
dem Perkussionisten Simon Berz, der Filmerin und Animationskünstlerin Michèle Ettlin, sowie der Regisseurin Renate Muggli wird sie mit den Kindern und Jugendlichen diese Lieder umsetzen, bebildern und choreografieren. Die Abschlussproduktion kommt zweimal vor Publikum: am 20. August, 19 Uhr und (in Auszügen) am 21. August, 10 Uhr Reformierten Kirche Küsnacht
Jazzkirche blue church Noch ist der Jazzgottesdienst eine willkommene Ausnahme. Wird er immer wieder neu erfunden? Wann gibt es wieder einen? Wo? «blue church» wird das Netzwerk sein, das international jazzaffine Kirchenleute und kirchenaffine Jazzleute versammelt. Auftakt ist der Spätsommerabend am 28. August in der Kirche Neumünster im Zürcher Seefeld. Es laden ein: Johannes Landgren, Organist und Hochschullehrer; Uwe Steinmetz, Saxophonist und Komponist; Daniel Eschmann, Pfarrer und Saxophonist; Martin Scheidegger, Pfarrer und Saxophonist; Matthias Krieg, Theologischer Sekretär. 28. August, 17 bis 19 Uhr: Jazzgottesdienst mit Jam Session 19 bis 20 Uhr: Apero. 20 bis 21 Uhr: Gründung von blue church Neumünsterstrasse 10, Zürich
Brücke nach Honduras Das Honduras Forum Schweiz lädt Pfr. Rigoberto Ulloa vom 9. bis 26. September in die Schweiz ein. Ziel ist es, den Theologen und Arzt mit OemeStellen, BFA, Kirchgemeinden bekannt zu machen. Rigoberto Ulloa ist eine wichtig Stimme zum Thema Kirche und Menschenrechte. Seine Gemeinde in Tegucigalpa ist eine der wenigen evangelischen Kirchen, welche sich stark sozial, politisch und in Zusammenarbeit mit HEKS in Sachen Menschenrechte engagiert. Pfr. Rigoberto Ulloa ist bereit, Vorträge und Predigten zu halten. Das Honduras Forum ist um Übersetzungen bemüht und trägt die Kosten. Kontakt: Pfr. Bernhard Erni Brauereiweg 4, 8640 Rapperswil http://honduras-forum.ch
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Buchtipp: Mission in Partnerschaft sch. Die Stimmung gegenüber den Kirchen sei hierzulande schwierig; positiv von ihnen und ihrer Arbeit zu reden, brauche Mut. Und: «Was für die Kirchen gilt, gilt noch viel mehr für das Reden über Mission», schreibt Claudia Bandixen, Direktorin von Mission 21. Das traditionsreiche evangelische Missionswerk, das aus der Basler Mission hervorgegangen ist, stellt sich dieser Diskussion in der täglichen Arbeit immer wieder. Sie tut es vielstimmig auch im vorliegenden Buch. Zu Wort kommen ehemalige Leitungspersonen und Persönlichkeiten aus Übersee, die je auf ihre Weise auf das Wirken der Mission zurück- und vorausblicken. Auch kritische Voten von aussen, wie zum Beispiel vom Theaterautor Gerhard Meister, finden Platz in dieser Textsammlung: Ist Mission nicht das, was ein Hausierer vorhat, wenn er einen ungebeten von einer neuen – und einzig richtigen – Art Streichhölzer überzeugen will, wo man doch seit Generationen mit den eigenen jedes Feuer entfachen konnte? Das Buch gibt darauf auf indirekte Weise ganz unterschiedliche Antworten. Gerade die aussereuropäischen Stimmen lassen erahnen, dass der Vergleich mit dem Hausierer hinkt und dass Mission – zumindest eine partnerschaftlich definierte – keine Einbahnstrasse ist. In einem Missionswerk von solch langer Tradition weiss man: Wenn Missionare versuchen,
die Welt zu ändern – kommen sie selbst als Veränderte zurück. Claudia Bandixen, Evelyne Zinsstag (Hg.): Mission in Partnerschaft. Gegenwart und Zukunft der Missionsarbeit aus Basler Tradition. TVZ, 2016. 176 Seiten, Fr. 29.80
Buchtipp: SchädelSchau sch. In den reformierten Stammlanden findet man kaum noch Beinhäuser: jene kleinen Kapellen, in denen Schädel und Knochen aus umgegrabenen und neu genutzten Friedhöfen oft stapelweise gelagert und zu früheren Zeiten noch ganz unverschämt den Lebenden vorgeführt wurden. Die Reformatoren hielten es für unnötig oder schädlich, den Menschen ihre Vergänglichkeit so drastisch vor Augen zu führen. Oder sie wehrten sich dagegen, dass Gebeine wie Bilder, Reliquien oder Kruzifixe zu Kultobjekten avancierten. So wurden Beinhäuser dann zu Abstellräumen umfunktioniert, oder noch unsensibler – wie im Bernischen Utzenstorf – zur öffentlichen Toilette umgebaut. Im Tessin, im Bündnerland, in der Zentralschweiz und im Wallis sind hingegen noch zahlreiche Beinhäuser – auch Ossarien genannt – intakt und zugänglich geblieben. Die Autoren des vorliegenden Buches haben sie aufgesucht, ihre einstige und heutige Nutzung recherchiert und mit starken
Fotografien dokumentiert. Entstanden ist ein schaurig schöner Bildband, kompetent und verständlich kommentiert Anna-Katharina Höpflinger, Yves Müller: Ossarium. Beinhäuser der Schweiz. Pano-Verlag Zürich, 2016. 255 Seiten, Fr. 48.–
Beauftragungen Beauftragungsfeier der Katechetinnen, Kirchenmusikerinnen und -musiker und Sozialdiakoninnen und -diakone für den kirchlichen Dienst: 9. September, 18 Uhr Grossmünster Zürich Katechetinnen
Christina Ballmer Beatrice Barnikol-Roos Monika Défayes Sonja Kilchmann Denise Kunz-Steingruber Maike Maurer-Mildner Sabrina Reichlin Isabella Schmidt Mirjam Spillmann Simone Steiner Waltisberg Zorica Welti Sozialdiakone und Sozialdiakonninen
Yasmine Altmann Peter Baldini Kathrin Bechtiger-Kürsteiner Béatrice Binder-Wüstiner Peter Bonomo Delona Brack Monica Ferrari-Zanetti Tanja Gabathuler Florian Glaser Monika Hänggi Hofer Simon Hauser Martina Hofer Laura John Olivier Kägi Gabi Mähliss Salome Schenk Musiker und Musikerinnen
Zrinka Durut Panduric Monika Henking Alexander Koschel Georgij Modestov Tina Pellegrini
Stellen im Web Offene Pfarrstellen, Stellen in den Gesamtkirchlichen Diensten und den Kirchgemeinden finden Sie auf: www.zh.ref.ch/stelle
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Es war ein trauriger Anlass, der Christian Torgler zum Schachspiel brachte: Als die Mutter des damals 14-jährigen Winterthurers erkrankte, lebte er eine Zeitlang bei seinem Onkel, der ein leidenschaftlicher Schachspieler war. Jeden Abend wurde gespielt. Christian Torgler, mittlerweile 57-jährig, erinnert sich: «In den ersten Wochen gab es keinerlei Gewinnchancen für mich. Das stachelte meinen Ehrgeiz an.» Umso grösser war die Freude, als er den Onkel erstmals in Bedrängnis brachte. Doch noch immer wusste sich dieser mit einer passenden Schachlösung zu befreien. Mit der Zeit wuchsen Können und Selbstbewusstsein des Jugendlichen. Und bald stellten sich erste Siege ein. Seit mehr als 40 Jahren ist das Schachspiel nun fester Bestandteil im Leben des gelernten Forstwarts und heutigen Richterswiler Hauswarts. Natürlich: Tagsüber hat Christian Torgler keine Zeit für sein Hobby: Als Hauswart ist er verantwortlich für alle Arbeiten in und um das Kirchgemeindehaus, für Raumpflege, Haustechnik, Reparaturen und Unterhaltsarbeiten. Zudem ist er Ansprechperson für all die Gäste und Nutzer der kirchlichen Gebäude. Etwa die Hälfte der Berufsstunden leistet Christian Torgler im parkähnlichen Garten rund um das Richterswiler Kirchgemeindehaus. Hier packt er an, freut sich an seinem «grünen Daumen» und an den wunderbaren alten Bäumen: dem Ginkgo aus China, der Blutbuche, dem Mammut- und dem Tulpenbaum, der ihm besonders ans Herz gewachsen ist. Er sei ein Bodenständiger, sagt Christian Torgler. Auch im Gottesdienst schätze er in Predigten «anschauliche Lebensgeschichten» viel mehr als «Paragraphen aus der Bibel».
Strategisch denken Gibt es Verbindungen zwischen dem Schachspiel und der Berufsarbeit? Strategisch voraus denken müsse man in beiden Bereichen. Das Fällen von Bäumen beispielsweise sei eine ganze Wissenschaft, meint er. Es gelte zu überlegen und erst dann loszulegen. Wichtig sei, ruhig zu bleiben – im Beruf und beim Schachspiel. Christian Torgler spielt selten gegen einen physisch anwesenden notabene
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Porträt /
Zug um Zug Christian Torgler denkt gern einige Züge voraus: am Schachbrett und bei der Arbeit als Hauswart der Kirchgemeinde Richterswil. Text und Foto: Viviane Schwizer
Partner, sondern fast ausschliesslich gegen hochkarätige Gegner, die er auf verschiedenen Plattformen im Internet findet. Für ein Spiel loggt er sich unter einem Pseudonym ein und tritt dann vor
«Bei einem Formtief verordne ich mir eine Spielpause.» allem gegen Gegner aus Japan, Russland, Australien und England an. Ein Spiel dauert jeweils zirka eine Stunde. Aber dabei bleibt es selten. Mit Revanchen sind schnell einmal ein paar Stunden an einem Abend durchgespielt. In einer fehlerfreien Gewinnphase blühe er richtig auf, sagt Torgler. Dann aber fühle er sich niedergeschlagen, besonders bei unnötigen, selbst verschuldeten Misser-
folgen. Die ärgern ihn gewaltig, gibt er unumwunden zu. Eine zielgerichtete Strategie verfolgt Christian Torgler bei negativen «Formschwankungen» oder andauernden Niederlagen. In solchen Situationen verordne er sich eine Spielpause von einem Monat, erzählt er. So könne er regenerieren. An den schachfreien Abenden bleibe er aber spielerisch nicht untätig: Er versuche, in dieser Zeitspanne jedes Sudoku zu lösen, das ihm in die Finger komme, erzählt er. Auch viel Geselliges finde in diesen Schachpausen statt. Doch irgendwann kommt wieder Zeit für das altehrwürdige und immer wieder neu faszinierende Brettspiel. Christian Torgler sagt es so: «Am Schach schätze ich die grosse Abwechslung, die Spannung, die Kopfarbeit und dass eine Partie nie wie eine andere ist.»
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AZB CH-8001 Zürich P. P. / Journal Post CH AG
Impressum «notabene» ist die Zeitschrift aller, die beruflich, ehrenamtlich oder regelmässig freiwillig als Mitglieder in der Zürcher Landeskirche mitarbeiten. Herausgeberin Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich. Abteilung Kommunikation (kom), Hirschengraben 7, 8001 Zürich Redaktion und Gestaltung Christian Schenk (sch), Tel. 044 258 92 97, notabene@zh.ref.ch Redaktionssekretariat franziska.schellenberg@zh.ref.ch Tel. 044 258 92 13
Autorinnen und Autoren Sabine Scheuter, Jacques Dal Molin Druck Robert Hürlimann AG, Zürich Auflage 7000 Exemplare. Erscheint monatlich mit Doppelnummern im Juli und Dezember . Nächste Ausgaben Nr. 7/2016 (September, Woche 37) Nr. 8/2016 (Oktober, Woche 41) Redaktionsschluss: am 15. des Vormonats «notabene» im Web www.zh.ref.ch / notabene
Titelbild Kleinbauernfamilie in Las Pavas, Kolumbien. Dass ihre Rechte gewahrt bleiben, dafür sorgen Menschenrechtsbeobachter. Foto: Jacques Dal Molin
Absender: notabene Evang.-ref. Landeskirche des Kantons Zürich Blaufahnenstrasse 10, 8001 Zürich
Adressberichtigung melden an: Evang.-ref. Landeskirche, Kommunikation Blaufahnenstrasse 10, 8001 Zürich
Ab in die Ferien! Vielleicht auf Kulturreisen? Die haben es manchmal in sich, z. B. am Kandariya-Mahadeva-Tempel in Nordwestindien.