Innovation in Tirol (April 2016)

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DAS MAGAZIN ZU FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG AUSGABE 01/2016

IN DIE FLUCHT GESCHLAGEN Wie ein Tiroler T端ftler Wespen mit sanften Methoden den Kampf ansagt.

BEHANDELT

Wie in Innsbruck an besseren Schmerzmitteln geforscht wird.

BERECHNET

Welches Know-how sich Flugzeugentwickler aus Natters holen.

BESCHALLT

Warum Musik mitbestimmt, was und wie wir einkaufen.


Wir forschen... f端r Ihre Gesundheit. www.i-med.ac.at


EDITORIAL

Inhalt

Liebe Leserinnen, liebe Leser

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ntwicklungen – egal ob völlig Neues, oder die Verbesserung von Altbekanntem – finden sich in allen Bereichen unseres Lebens. Viele dieser Innovationen sind schleichend: Sie fließen in bereits existierende Produkte oder ihre Fertigungsprozesse ein. Sie machen Dienstleistungen effizienter und kundenfreundlicher. Den Endkonsumenten sind solche schrittweisen Optimierungen in vielen Fällen nicht einmal bewusst. Ähnlich verhält es sich mit denjenigen, denen wir Innovationen zu verdanken haben. An Hochschulen und in Labors forschen Wissenschaftler ebenso wie so mancher Tüftler in seiner Küche oder seinem Wohnzimmer. Und alle haben sich eines auf die Fahnen geschrieben: uns das Leben zu erleichtern oder es im Ernstfall sogar zu retten. Auch diese Ausgabe von „Innovation in Tirol“ hat es sich wieder zur Aufgabe gemacht, all jenen eine Bühne zu bieten, die normalerweise hinter verschlossenen Türen an den Entwicklungen arbeiten, die vielleicht bald ein fixer Bestandteil unseres Alltags sein werden oder es vielleicht – oft gänzlich unbemerkt – schon sind. Dazu präsentieren wir Ihnen auch dieses Mal wieder exemplarische Beispiele von Innovationen aus den verschiedensten Bereichen, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind „made in Tirol“.

MEDIZIN Herz und Niere

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Den Schlaf fest im Griff

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Hinter der Zelltür

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Nudelsuppe mit Würstl

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Der Schlüssel zur verbesserten Schmerztherapie

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Außerdem Neues in der Medizin

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TECHNIK Pflanzliche Rohstoffe unter der Lupe

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Bis ins kleinste Detail

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Die Vermessung des Wassers

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Wirksam ohne Gift

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Immer der Sonne nach

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Außerdem Neues in der Technik

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© SHUTTERSTOCK.COM (3)

Die Redaktion

WIRTSCHAFT & DIGITAL

Impressum Innovation in Tirol, Beilage in der „Tiroler Tageszeitung“ Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: TARGET GROUP Publishing GmbH Redaktion: Daniel Feichtner, Mag. Barbara Wohlsein, Mag. Klaus Erler, Max Schnabl, Eva-Maria Hotter, Eva Schwienbacher, BA, Rebecca Müller, Theresa Kirchmair, Julia Brandner Layout: Marco Lösch, BA, Doris Pfifferling, Kristina Fallenegger, Thomas Bucher Illustrationen: Monika Cichoń | Anzeigenverkauf: Wolfgang Mayr Anschrift für alle: Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck, T: 0512/58 60 20 E: office@target-group.at, www.target-group.at | Druck: Intergraphik GmbH, Innsbruck

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Ideen richtig verwerten

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Familiensache

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Digitale Farbpakete für virtuelles Geld

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Die Macht der Musik

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Eine Frage der Ethik

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Außerdem Neues in Wirtschaft & Digital

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PREISVERDÄCHTIG?


MEDIZIN

Herz und Niere Vergangenen Februar wurde an der Universitätsklinik Innsbruck erstmals eine Patientin mit dem MELAS-Syndrom einer kombinierten Transplantation unterzogen. Dabei erhielt sie ein neues Herz und eine neue Niere. Wie diese lebensrettenden Eingriffe vonstatten gingen, erklärt Innovation in Tirol. Von Daniel Feichtner

MELAS-Syndrom Die seltene genetische Multiorganerkrankung betraf den Stoffwechsel der Patientin. Weil das Syndrom bereits fortgeschritten war, fiel die Entscheidung für die bislang noch nie bei dem Syndrom durchgeführte Doppel-Transplantation. Da die Organe nach der Verpflanzung die DNS der Spender behalten, besteht keine Gefahr, dass sie erneut durch MELAS geschädigt werden.

POTENZIELLER SPENDER

wird gefunden. Eurotransplant informiert die Universitätsklinik und die Empfängerin.

Die Organe werden den toten Spendern von jeweils zwei Chirurgen entnommen.

+ ZEITGLEICH Die Empfängerin wird in Innsbruck für die Operation vorbereitet.

TRANSPORT

OPERATION

Die Spenderorgane werden je rund 150 km nach Innsbruck geflogen. Das Herz trifft nach 70 Minuten ein, wenig später die Niere. Die kritischen vier Stunden für den Transport eines Spenderherzes werden deutlich unterschritten.

2. OPERATION Als zweiten Schritt implantieren zwei Chirurgen und ihr Team in zwei Stunden die Niere. Dabei bleibt das ursprüngliche, geschädigte Organ im Körper. Das Spenderorgan wird in den Bereich des Beckens verpflanzt. Dort ist die neue Niere geschützt und kann über die Beckenarterie mit Blut versorgt werden. Der transplantierte Harnleiter wird direkt mit der Blase der Empfängerin verbunden.

GESCHICHTE

DER TRANSPLANTATIONEN AN DER UNIKLINIK INNSBRUCK 1975 österreichweit erste Nierentransplantation 4


MEDIZIN

1. OPERATION

ANZAHL DER TRANSPLANTATIONEN 2015 AN DER UNIKLINIK INNSBRUCK

142

76 21 LEBER

BAUCHSPEICHELDRÜSE

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HERZ

LUNGE

29 DÜNNDARM

{

NIERE

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Drei Chirurgen und ihr Team führen zuerst die vierstündige Herzimplantation durch. Über den Brustkorb entnehmen sie das geschädigte Organ, während eine Herz-Lungen-Maschine die Sauerstoffversorgung aufrechterhält. Das Spenderherz wird außerhalb des Körpers angepasst. Dann werden die großen Blutgefäße verbunden und der Herzschlag wird eingeleitet. Schlägt es eigenständig, übernimmt das Herz die Funktion, welche die Herz-Lungen-Maschine überbrückt hat, und der Brustkorb wird geschlossen.

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IMMUNSYSTEM IN SCHACH

Bereits während des Eingriffs beginnen zielgerichtete immunsuprimierende Maßnahmen. Diese unterdrücken Teile des Immunsystems, wodurch eine anfängliche Abstoßungsreaktion nahezu garantiert unterbunden wird.

LANGZEITMASSNAHMEN

Da die Transplantate großteils die DNS des Spenders behalten, muss die Empfängerin lebenslang immunsuprimierende Medikamente einnehmen. Vorsorgeuntersuchungen helfen, Abstoßungsreaktionen zu erkennen.

weltweit erste NierenBauchspeicheldrüsentransplantation

österreichweit erste Herztransplantation und weltweit erste kombinierte Leber-Nierentransplantation

1983

österreichweit erste Lungentransplantation

1979

1987

weltweit zweite Handtransplantation beidseitig, österreichweit erste Handtransplantation

2000

1981

1985

1989

2003

österreichweit erste Lebertransplantation

österreichweit erste Herz-Lungentransplantation

weltweit erste Multiviszeraltransplantation

weltweit erstmalige Transplantation zweier Unterarme


MEDIZIN

Den Schlaf fest im Griff Warum nicht die Gesundheit an dem Ort überwachen, an dem wir gut ein Drittel unseres Lebens verbringen? Cubile ist nicht nur das lateinische Wort für Bett, es ist auch der Name eines Geräts, das Vitalfaktoren wie Herz- und Atemfrequenz im Schlaf aufzeichnet und bequem auf das Smartphone überträgt. Von Julia Brandner

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A

b ins Bett mit dir!“, bekommen kranke Menschen oft zu hören. In der Tat steht der Gesundheitszustand eines Menschen oft in direkter Relation zu seiner Schlafqualität. Wer schlecht schläft, hat nicht selten mit innerer Unruhe und erhöhter Reizbarkeit zu kämpfen. Sogar Halluzinationen können die Folge sein. Chronischer Schlafentzug erhöht zudem das Risiko für Adipositas, Herzerkrankungen und Typ-2-Diabetes. Grund genug, den eigenen Schlafrhythmus genauer unter die Lupe zu nehmen. Johannes Hilbe und Karl Fritscher von der Privaten Gesund-

heitsuniversität UMIT in Hall haben hierfür zusammen das Sensor-System Cubile entwickelt, das momentan jedoch nur als Prototyp existiert. Derzeit sind die Bioinformatiker im Gespräch mit einem Investor, der ihnen dabei helfen soll, die Produktion zu finanzieren. Wie es funktioniert Cubile ist ein 50 x 10 Zentimeter großes Schaumstoffpad, das optisch an eine selbstaufblasende Isomatte erinnert. Die Verwendung ist denkbar einfach: Platziert unter der Matratze erkennt es die menschlichen Vitalfunktionen auto6


MEDIZIN

© CUBILE (4)

01 Eine App erlaubt es, zu sehen, wie lange man geschlafen und wie sich die Herzfrequenz während der Nacht entwickelt hat. 02 Kernstück von Cubile ist ein mit einem Luftdrucksensor versehenes Schaumstoffpad, über das die Vitalfunktionen wie Atem- und Herzfrequenz gemessen werden können.

demselben Prinzip. Die gewonnenen Informationen werden per WLAN auf eine Smartphone-App übertragen.

02

Johannes Hilbe

„Wenn ich um 6 Uhr wach werde, weil die Kirchturmglocken geläutet haben, sehe ich das auf der App.“

Johannes Hilbe hat vor drei Jahren begonnen, zusammen mit Karl Fritscher das Sensor-System Cubile zu entwickeln. Der gelernte Maschinenschlosser und Diplomkrankenpfleger hat medizinische Informatik studiert. Sein Doktorat in Pflegewissenschaften an der UMIT in Hall in Tirol schloss er im Jahr 2009 ab. Seine jahrelange Berufserfahrung brachte Johannes Hilbe sinnvoll bei der Erfindung von Cubile ein.

matisch, sobald man im Bett liegt. Das funktioniert mithilfe einer kleinen Öffnung, durch welche Luft in das Pad hinein- und wieder herausströmen kann. Wie viel Luft dabei hin- und herpendelt, ist abhängig von der Herzfrequenz. Mit jedem Herzschlag wird Blut in die Gefäße gepumpt, wodurch der Körper unmerklich in Erschütterung versetzt wird. Diese kleinen Bewegungen sind für uns selbst nicht spürbar, daher wurde ein spezielles Diagnoseverfahren namens Ballistokardiographie entwickelt, das ebendiese Erschütterungen erkennt und dadurch Rückschlüsse auf die Herztätigkeit ermöglicht. Cubile funktioniert nach 7

Störfaktoren erkennen Atem- und Herzfrequenz ändern sich je nach Schlafphase. Cubile kann dadurch feststellen, wann und wie schnell wir einschlafen, wie lange wir in der REM-Phase, auch als Traumphase bekannt, verweilen und wann wir uns im Tiefschlaf befinden. Zusätzlich ist das System mit diversen Sensoren ausgestattet, die Lautstärke, Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Lichtverhältnisse im Schlafzimmer messen. So kann die App, die mit dem Gerät gekoppelt ist, nicht nur Informationen über die Schlafqualität im Allgemeinen geben, sondern auch erkennen, wodurch die nächtliche Ruhe gestört wird. „Wenn ich um 6 Uhr wach werde, weil die Kirchturmglocken geläutet haben, sehe ich das auf der App“, erklärt Johannes Hilbe. Für viele Menschen ist Lärm aber nicht der häufigste Aufwachgrund: Licht beeinflusst die Ausschüttung von Melatonin, dem Hormon, das unseren Tag-Nacht-Rhythmus steuert, und somit ist es der stärkste Regler unserer biologischen Uhr. Erkennt die App also, dass eine plötzlich aufgetretene Lichtquelle den Schlafzyklus unterbricht, kann man darauf reagieren, indem man sich beispielsweise neue Jalousien besorgt. Training optimieren Sportlern kann Cubile zudem dabei helfen, ihren Trainingszustand zu überwachen, Übertraining zu erkennen und ihre Leistung durch bessere Regeneration zu optimieren. Menschen, die viel Sport betreiben, haben tendenziell einen niedrigeren Ruhepuls und eine andere Herzratenvariabilität als solche, die nicht trainieren. Schläft man über längere Zeit mit dem Schaumstoffpad unter der


MEDIZIN

← 03

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03 Man kann die App so programmieren, dass sie bei einer gewissen Herzfrequenz eine SMS an einen selbst gewählten Kontakt verschickt. 04 Wenn sich die Vitalfaktoren gefährlich verändern, alarmiert die App eine Vertrauensperson.

enten negativ beeinflusst. Mit Cubile könnte man jederzeit von außen feststellen, ob die Temperatur der Patienten erhöht ist oder nicht beziehungsweise ob ihre Schmerzmittel wirken, denn auch Schmerzempfinden und Herzraten korrelieren miteinander.

Matratze, kann man anhand dieses Faktors feststellen, ob sich der allgemeine Trainingszustand verbessert oder verschlechtert. Gesunder Nachwuchs Frischgebackene Eltern bekommen mit der eigens für Kinder entwickelten Version der App in Echtzeit verlässliche Informationen über die Atmung und den Herzschlag ihres Neugeborenen. Die App schlägt Alarm, wenn die Vitalparameter verdächtige Veränderungen aufweisen. Zum Beispiel geht bei erhöhter Körpertemperatur auch der Herzschlag nach oben. In diesem Fall bekommen die Eltern mittels der App die Empfehlung, die Temperatur ihres Kindes zu messen. Außerdem werden sie frühzeitig gewarnt, wenn das Kind zu flach atmet oder andere auffällige Veränderungen seiner Vitalfunktionen erkannt werden. Pfleger entlasten Johannes Hilbe war selbst lange als diplomierter Krankenpfleger tätig und kennt daher die Probleme, mit denen Pflegende tagtäglich zu kämpfen haben: „Wenn Menschen von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt werden, sind sie nicht mehr an die Monitore angeschlossen und man kann ihren Zustand schlechter überwachen.“ Auf der Normalstation sind Pfleger daher angewiesen, auch nachts Fieber zu messen und nachzufragen, ob die Medikamente wirken – was wiederum den Schlaf und damit den Erholungsprozess der Pati-

Internet of Things Immer mehr Geräte werden internetfähig und per Smartphone steuerbar. Beispielsweise kann man intelligente Lichtschalter mit Cubile koppeln und so programmieren, dass das Licht angeht, sobald man nachts aufsteht. Legt man sich dann wieder hin, wird es automatisch ausgeschaltet. Diese Funktion ist besonders praktisch, erklärt Johannes Hilbe: „Ältere, vor allem demente Menschen laufen oft Gefahr, nachts zu stürzen. Wer seine gebrechliche Großmutter zuhause pflegt, muss sich also in Zukunft weniger Sorgen machen, dass sie sich verletzt, wenn sie nachts das Bett verlässt.“ Überall anwendbar Nachdem das System prinzipiell in jeder Liege- oder Sitzfläche integriert werden kann, hat die verwendete Technologie darüber hinaus noch zahlreiche andere Anwendungsmöglichkeiten: So kann Cubile beispielsweise in Notfallambulanzen zur automatischen Messung von Herzund Atemfrequenz, in Wellnesshotels zur Evaluierung des Erholungswerts oder in Auto- oder Pilotensitzen zur Erfassung von Müdigkeit verwendet werden. Dank seines kleinen Formfaktors und der Möglichkeit, Cubile in drahtlose Netzwerke einzubinden, bietet die Entwicklung so bereits jetzt eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten, nicht nur im medizinischen, sondern auch im privaten Bereich. Aktuell sind mehrere Investoren und ein Liegenhersteller an der Technologie interessiert, der unter anderem Notfall-Ambulanzen, CTs und MRIs mit dem System ausstatten will. 8

Karl Fritscher schloss 2001 sein Medizinstudium an der Universität Wien ab. 2004 folgte ein Masterstudium in medizinischer Informatik auf der UMIT, bevor er 2006 auf derselben Fakultät seinen Doktortitel in biomedizinischer Informatik verliehen bekam. Mit der UMIT ist er noch heute durch seine Stelle als Assistenzprofessor eng verbunden. Seine Expertise trug maßgeblich zur Entwicklung von Cubile bei.


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Tiroler Health & Life Sciences Universität UMIT Forschung und Lehre auf höchstem Niveau

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ie Tiroler Landesuniversität UMIT in Hall in Tirol hat sich als akkreditierte Universität den innovativen und zukunftsorientierten Themen Mechatronik, Medizin- und Bioinformatik, Gesundheitswissenschaften, Psychologie, Physiotherapie, Pflegewissenschaft, Gerontologie und verwandten Fächern verschrieben. Die UMIT bietet in diesen Bereichen universitäre Forschung und Lehre auf höchstem Niveau. Im Bereich der Forschung kooperieren die Institute der UMIT mit Forschungseinrichtungen aus aller Welt. Die Studien an der UMIT werden mit den international anerkannten akademischen Titeln Bachelor, Master/Diplomingenieur und mit dem Doktorat abgeschlossen. Die Universität UMIT legt großen Wert auf eine intensive Ausbildung und auf engen persönlichen Kontakt mit den Studie-

renden und Lehrenden. Dementsprechend bietet die UMIT beste Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium mit individueller Betreuung. Kleine und überschaubare Studiengruppen stellen eine Lehre auf dem höchsten Niveau sicher. Trotz ihres relativ kurzen Bestehens verfügt die UMIT bereits heute über eine hervorragende Forschungskompetenz. Die Forschung an der UMIT wird in regelmäßigen Abständen durch unabhängige Expertengremien im Zuge von Evaluierungsmaßnahmen überprüft. Namhafte Persönlichkeiten aus den Bereichen Gesundheitswissenschaften, Mechatronik, biomedizinische Technik und Ernährungswissenschaften, Pflegewissenschaft, Gerontologie und Public Health betreiben auf der UMIT Forschung und Lehre auf höchstem Niveau. Pro Jahr resultieren aus den Forschungsprojekten zahlreiche Publi9

kationen. Die UMIT steht für internationale wissenschaftliche Kompetenz, die auch den Studierenden zu Gute kommt. Derzeit sind an der UMIT 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung, Lehre und Verwaltung tätig. Ca. 1.500 Studierende sind an der Universität inskribiert. Das Gesamtbudget der UMIT, die sich zu 90 Prozent im Eigentum des Landes Tirol und zu 10 Prozent im Eigentum der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck befindet, beträgt ca. 13 Millionen Euro.

Kontakt: UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Eduard-Wallnöfer-Zentrum 1, 6060 Hall in Tirol, Tel. +43(0)50/8648-3000, lehre@umit.at, www.umit.at


MEDIZIN

Hinter der Zelltür Wird „Epo“ zum Thema, geschieht dies häufig im Zusammenhang mit Doping im Sport. Sein negatives Image hat das Hormon aber nicht verdient, ist es doch für die Entstehung von Blutzellen im menschlichen Körper verantwortlich und ein vielfach eingesetztes Medikament gegen Blutarmut. Von Max Schnabl

D

er menschliche Körper befindet sich in einem permanenten Zustand der Erneuerung. Laufend werden durch Zellteilung neue Blut- und Gewebszellen nachgebildet, während andere absterben. Die Zahl der dazu notwendigen Zellverdoppelungen ist atemberaubend: Pro Sekunde werden zum Beispiel allein im Knochenmark rund zwei Millionen rote Blutkörperchen (Erythrozyten) produziert, die eine „Lebenszeit“ von ca. vier Monaten aufweisen. Ludger Hengst, Direktor des Biozentrums der Medizinischen Universität Innsbruck, beschäftigt sich seit Jahrzehnten intensiv damit, wie Zellproliferation, also sowohl das Wachstum als auch die Vermehrung von Körperzellen, gesteuert und den Erfordernissen angepasst wird.

sie unkontrolliert weiterlaufen, entstünde ein Übermaß an Narbengewebe. Hengst zieht einen Vergleich zwischen Zellproliferation und Ernährung: „Essen ist zweifellos lebensnotwendig. Und dennoch kann sowohl eine Mangel- als auch eine Überernährung zum Tod führen“, so der Biochemiker. Hyperproliferation, also die Überproduktion von Zellen, ist besonders gefährlich, wenn sie zur Tumorbildung beiträgt. Natürliches „Doping“ Wie die Koordinierung der Zellbildung erfolgt, wisse man in allen Details noch nicht, sagt Hengst – wohl aber, dass sie erst durch bestimmte Eiweiß-Hormone in Gang gesetzt wird. Dass das hauptsächlich in der Niere produzierte Hormon Epo (eigentlich Erythropoetin – griechisch für „rot machen“) für die Bildung roter Blutkörperchen im Knochenmark unerlässlich ist, wurde bereits Mitte des 20. Jahrhunderts herausgefunden. Bei Sauerstoffmangel läuft die Epo-Produktion an. Über die Blutbahn gelangt der Botenstoff zu bestimmten Stammzellen im Knochenmark, in denen er zunächst die Zellteilung und später die Spezialisierung in rote Blutkörperchen steuert. Je mehr rote Blutkörperchen vorhanden sind, desto mehr Sauerstoff kann durch das Gefäßsystem transportiert werden. „Beim Doping bewirkt das eine Steigerung der körperlichen Leistungs-

Die Dosis macht das Gift „Am meisten fasziniert mich am Prozess der Zellvermehrung, wie der Körper es schafft, genau das richtige Maß zu finden. Die Proliferation der jeweils benötigten Zellen muss perfekt koordiniert sein, um Schäden zu vermeiden. Sie muss exakt zum richtigen Zeitpunkt einsetzen und aufhören“, erläutert Hengst. Plakatives Beispiel ist die Wundheilung. Um Infektionen zu vermeiden und eine Wunde zu schließen, ist eine schnelle Zellproliferation notwendig, die aber ebenso rechtzeitig wieder stoppt. Würde

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MEDIZIN

fähigkeit, die allerdings aufgrund der Zähflüssigkeit des Bluts zum Gesundheitsrisiko wird, weshalb die Gabe von Epo im Profisport verboten ist“, weiß Hengst. Prominente Spitzensportler wie die Radprofis Lance Armstrong, Jan Ullrich und Bernhard Kohl brachte die unerlaubte Leistungssteigerung durch künstlich hergestelltes Epo ebenso in die Schlagzeilen wie Langläufer Johannes Dürr oder Triathletin Lisa Hütthaler. Nicht verboten ist es dagegen, die körpereigene Epo-Produktion durch bewusstes Absenken der Sauerstoffsättigung im Blut anzukurbeln – Ausdauersportler trainieren daher insbesondere in der Vorbereitung auf wichtige Wettkämpfe gerne in hohen Lagen mit „dünnerer Luft“. Unerwünschter Nebeneffekt Hengst forscht aktuell an Risiken von Epo in der medizinisch-therapeutischen Anwendung. Inwieweit neben den blutbildenden Stammzellen auch die Proliferation bereits vorhandener Krebszellen durch Epo angetrieben werden könnte, ist bisher noch nicht geklärt. Ein möglicher Zusammenhang zwischen Epo und Tumorausbreitung ist vor allem deshalb brisant, weil Epo auch Krebspatienten verabreicht wird: Neben mangelnder Epo-Produktion aufgrund von Nierenschäden sind Krebserkrankungen die Hauptindikation für die Gabe biotechnologisch erzeugten Erythropoetins. „Häufig werden Chemotherapien eingesetzt, um die sich teilenden bösartigen Tumorzellen abzutöten. Als Kollateralschaden können dann auch gesunde Zellen, deren Teilung von zentraler Bedeutung ist, getroffen werden“, erläutert Hengst. Eine der Nebenwirkungen der Chemotherapie ist die Reduktion roter Blutkörperchen. Mediziner spre-

Ludger Hengst steht seit 2005 als Universitätsprofessor dem Institut für Medizinische Biochemie an der Medizinischen Universität Innsbruck vor. Seit 2014 ist er zudem geschäftsführender Direktor des Biozentrums der Medizinischen Universität Innsbruck.

Kleines Glossar: Erythrozyten sind rote Blutkörperchen und für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich. Enzyme sind Proteine, die Produktionsvorgänge im Körper starten und beschleunigen, ohne sich dabei selbst zu verändern. Hormone sind Botenstoffe, die Informationen transportieren und biologische Prozesse in Gang bringen.

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chen dann von einer therapeutisch bedingten Anämie, also Blutarmut. Da vor allem die Nieren nicht in der Lage sind, die rasche Verringerung der Erythrozyten durch eine gesteigerte Produktion von Epo auszugleichen, müssen dem Patienten über intravenöse Infusionen Epo-Präparate zugeführt werden. „In erster Linie geht es dabei um die Verbesserung der Lebensqualität während der Chemotherapie“, erklärt Hengst. Dass das verabreichte Hormon auch jene bösartigen Krebszellen „füttern“ könnte, die mit der Chemotherapie vernichtet werden sollen, wurde in Europa erstmals 2007 öffentlich diskutiert. „Epocan“ als Risikoabschätzung Krebszellen können nur dann durch Epo zur Teilung angeregt werden, wenn sich an ihrer Oberfläche ein Rezeptor befindet, der durch dieses Hormon aktiviert wird – die Aktivierung muss aber nicht zwangsläufig zu einer Vermehrung der Tumorzellen führen. Der Rezeptor kann – bildlich gesprochen – als Schloss verstanden werden, das den Zugang zum Inneren einer Zelle versperrt. Das in der Blutbahn an der Zelle vorbeischwimmende Hormon Epo ist der einzige Schlüssel, der in dieses Schloss passt und die „Zelltüre“ öffnet. Im Rahmen des EU-Projekts „Epocan“ forschten Wissenschaftler von zehn Universitäten über Nutzen und mögliche Risiken der Epo-Therapie. Neben der Analyse umfangreicher klinischer Studien wurden spezielle Antikörper hergestellt, mit denen nun Epo-Rezeptoren auf Tumorzellen zweifelsfrei nachgewiesen werden können. „Es hat sich gezeigt, dass in der Vergangenheit mitunter unbrauchbare Antikörper für derartige Nachweisversuche ein-


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← Niere

Bildung von roten Blutkörperchen (Erythropoese) EPO

Rote Blutzellen (Erythrozyten)

Rotes Knochenmark

Stammzelle

← Ein Rezeptor („EpoR“) an der Oberfläche einer Stammzelle im Knochenmark bindet das in der Niere produzierte Hormon Epo. Beim Rezeptor bewirkt der Botenstoff Epo eine Verbindung zweier identischer Moleküle („Dimerisierung“), durch die das Eiweiß/Enzym „JAK2“ (Janus Kinase 2), das mit dem Epo-Rezeptor verbunden ist, aktiviert wird. Es folgt eine Kettenreaktion, an der knapp hundert Proteine beteiligt sind und an deren Ende neugebildete rote Blutkörperchen (Erythrozyten) stehen.

gesetzt wurden, die auf die falschen Eiweiße Revolutionäre Visionen reagierten“, umreißt Hengst eine wichtige BeNeue Antikörper zur näheren Bestimmung obachtung von Epocan. Das neue Testverfahvon Krebszellen sind also gefunden – eine ren zeigt, ob ein bestimmter Tumor überhaupt mögliche Risiko-Klassifi kation individueleinen Rezeptor für Epo besitzt – „eine Frage, ler Tumoren und damit verbundene Empdie bislang kontrovers diskutiert wurde“, so fehlungen zur therapeutischen Anwendung Hengst, der das Innsbrucker Forschungsteam von Epo in der Krebsmedizin könnten in den des internationalen Konsortiums leitete. Sind kommenden Jahren folgen. „Vielleicht wird Tumorzellen mit Epo-Rees in der Zukunft auch gezeptoren wie „EpoR“ oder lingen, effektiver in zellLudger Hengst „Ephrin B4“ ausgestattet, interne Teilungsprozesse bedeute das aber keineseinzugreifen“, wagt Hengst wegs, dass Epo-Gabe im einen Ausblick. „Wir wis„Vielleicht wird es in Zuge einer Chemotherapie sen bereits jetzt, dass begrundsätzlich gefährlich der Zukunft auch gelingen, stimmte Eiweiße wie Epo sei. Noch müsse geklärt effektiver in zellinterne eine Art Schalterfunktion werden, ob die Rezeptoren haben. Sie können ZellpTeilungsprozesse in Tumorzellen überhaupt roliferation sowohl anstoeine Zellteilung auslösen ßen und beschleunigen als einzugreifen.“ können, stellt Hengst klar. auch bremsen und in eine „Epo trägt außerdem unbeandere Richtung lenken. stritten zu einer Steigerung der Lebensqualität Wenn wir genauer verstehen, wie die Abfolgen anämischer Krebspatienten bei. Dennoch ist es der Eiweiß-Signale vor sich gehen, können wir wichtig, zu klären, ob bei bestimmten Tumorarmöglicherweise auch steuernd eingreifen, inten unerwünschte Effekte auftreten könnten. In dem wir bestimmte Eiweiße inaktivieren.“ Auf diesem Fall müssten alternative Therapien eindiese Art könnten etwa Tumorzellen an der gesetzt werden.“ Vermehrung gehindert werden.

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MEDIZIN

Nudelsuppe mit Würstl

Essbiografien sollen bei älteren Menschen, die in Seniorenheimen leben, die Lust am Essen erhalten und Mangelernährung vorbeugen.

© SHUTTERSTOCK.COM

Von Barbara Wohlsein

E

ssen ist weit mehr als nur Nah­ rungsaufnahme – wie wahr dieser Satz ist, zeigt ein Unterrichtspro­ jekt, das im vergangenen Winterse­ mester vom FH­Bachelor­Studiengang Diaetologie an der fhg – Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol GmbH (kurz fh gesundheit) durchgeführt wurde. „Die Grundidee war, das Unterrichtsfach ‚Angewandte Ernährungstherapie in der Geriatrie‘ mit praktischen Erfahrungen zu verknüpfen“, erklärt die Lehrbeauf­ tragte Seraphine Klotz. Nährstoffbe­ rechnungen und Gestaltung von Spei­ seplänen für ältere Menschen werden im Zuge des Studiums in der Theorie gelehrt und geübt, „mit den Herausfor­

derungen der Praxis kommen die Stu­ dierenden im EDV­Raum aber natürlich nicht in Kontakt“, so Klotz. Daher wurde ein bestehender Kon­ takt zum Seniorenzentrum Zams­ Schönwies genutzt, um mit einem Teil der Bewohnerinnen und Bewohner so­ genannte Essbiografien zu erarbeiten. Diese Biografien sollen dabei helfen, den Speiseplan an Kindheitserinnerungen und individuelle Vorlieben anzupassen. Durch positive Assoziationen kann so bei alten Menschen, die Probleme mit dem Essen haben, die Freude am Essen und der Genuss geweckt werden. Dies sind wichtige Voraussetzungen dafür, einer Mangelernährung vorzubeugen.

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MEDIZIN

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Seraphine Klotz, MHPE, absolvierte von 1989 bis 1991 die Ausbildung zur Dipl. Diätassistentin und ist seither als Diätologin tätig. Ab 2008 zuerst nebenberuflich und seit 2014 hauptberuflich Lehrende an der fh gesundheit Innsbruck im FH­Bachelor­Studiengang Diaetologie. Von 2009 bis 2011 Master­Lehrgang zur Pädagogik in Gesund­ heitsberufen an der fh gesundheit Innsbruck. Weiterhin freiberuflich in der Ernährungsberatung tätig.

01 Speisen aus der Kindheit können bis ins hohe Alter positive Gefühle auslösen.

Erinnerungen an früher Das Konzept der Essbiografie stammt von dem Schweizer Markus Bieder­ mann, der seine Erfahrungen als Heim­ koch und Gerontologe nutzte, um einen Fragebogen zu erstellen. Dieser Frage­ bogen hat den Zweck, Essrituale und Lieblingsspeisen aus der Kindheit und dem Erwachsenenalter aufzuzeichnen. Das tägliche Frühstück, das Mittages­ sen am Sonntag, spezielle Gerichte, die es nur an Feiertagen oder Geburtsta­ gen gab – alle diese Dinge können für die Speiseplanerstellung wichtig sein. Seraphine Klotz: „Wenn man weiß, wel­ che Rituale und Speisen in der Kindheit genossen wurden, kann man diese ver­ wenden, um bei dementen Menschen ein Gefühl von Sicherheit und Gebor­ genheit zu erzeugen.“ Diese Beobachtung machten auch die 15 Studierenden des FH­Bachelor­ Studiengangs Diaetologie, als sie das Seniorenzentrum Zams­Schönwies im November 2015 besuchten. Nach einer

kurzen Führung durch das Haus und die Heimküche konnten die Studierenden in Kleingruppen direkt mit ausgewählten Heimbewohnerinnen und Heimbewoh­ nern sprechen. In den Gesprächen wur­ den so viele Informationen wie möglich zum Thema Ess­Erinnerungen gesam­ melt. Je nach Demenzgrad und Gesprä­ chigkeit entstanden mehr oder weniger detaillierte Fragebögen – manche der Befragten konnten sich an konkrete Ge­ richte wie Erdäpfelriebler, Knödel oder das geliebte Honigbrot erinnern, ande­ re nur an das Gemeinschaftsgefühl am Familien­Esstisch. Oder daran, „dass es immer gut war, wenn meine Frau ge­ kocht hat“. Essen als Ritual Aus praktischen Gründen kann nicht jede aufgezeichnete Erinnerung in den Speiseplan eines Pflegeheims einflie­ ßen, die Köchinnen und Köche werden aber ermutigt, sich an häufig genannten Ritualen und Gerichten zu orientieren.

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So ist zum Beispiel die traditionelle Nu­ delsuppe mit Würstl ein Klassiker, der bei vielen Tirolerinnen und Tirolern mit Festtagen wie Weihnachten assoziiert wird. Ähnliches gilt für den Kuchen zum Geburtstag. Wenn das Kauen oder Schlucken für alte Menschen schwierig wird, kann das Heimpersonal gezielt an biografische Details anknüpfen, um für Wohlbefin­ den und schöne Erinnerungen zu sor­ gen, wie Seraphine Klotz erzählt: „Die diplomierte Diätköchin und Küchenlei­ terin des Seniorenzentrums, Christine Schranz, hat uns gezeigt, wie man zum Beispiel Hollersaft so eindicken kann, dass ihn auch Patientinnen und Pati­ enten mit Schluckstörungen genießen können.“ Um das theoretische Wissen best­ möglich mit den Praxiserfahrungen zu verbinden, konnten sich die Studieren­ den in Zams auch noch einmal direkt mit der Küchenleiterin austauschen. Im Vorfeld hatten die Studierenden


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fh gesundheit wir bilden die zukunft Die fh gesundheit bietet FH-BachelorStudiengänge für die gehobenen medizinisch-technischen Dienste und Hebammen sowie Weiterbildungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten für Angehörige der Gesundheitsberufe mit international anerkannten akademischen Abschlüssen.

© SHUTTERSTOCK.COM

Speise­pläne aus der Heimküche ana­ lysiert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Beim Besuch im Senioren­ zentrum gab die Diätköchin ihrerseits Feedback zu den Anmerkungen. Außer­ dem konnten die Studierenden gemein­ sam mit den Heimbewohnern zu Mittag essen und dabei sehen, wie groß die Portionen waren und wie viel von den Gerichten gegessen wurde.

PPFH-Bachelor-Studiengänge ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■

Alles hat Platz Ein wichtiger Aspekt in der Speiseplan­ erstellung für alte Menschen ist die Fest­ stellung, dass es keine klassische Unter­ scheidung zwischen „gesundem“ und „ungesundem“ Essen gibt. „Geschickt kombiniert hat jedes Gericht seine Be­ rechtigung“, so Seraphine Klotz, „das gehört zu unserem ‚Kerngeschäft‘ als DiätologInnen, dass wir Gerichte bei Be­ darf durch geschmacksfreie Nahrungs­ ergänzungsmittel aufwerten. Oder man kombiniert zu einem einfachen Gericht ein Apfelmus oder eine Suppe, um mehr Obst oder Gemüse in der Ernährung un­ terzubringen.“

Biomedizinische Analytik Diaetologie Ergotherapie Hebamme Logopädie Physiotherapie Radiologietechnologie

Studiena PPMaster-Lehrgänge ■ ■ ■ ■ ■ ■

ngebot 2

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Advanced Practice Midwifery Ergotherapie Osteopathie Radiological Technologies Suchtarbeit Suizidologie

PPAkademische Lehrgänge

Cancer Nurse Ergotherapie Hebamme Intensivpflege Kinder- und Jugendlichenpflege Psychiatrische Gesundheitsund Krankenpflege ■ Radiological Technologies ■ Suchtarbeit ■ Suizidologie ■ ■ ■ ■ ■ ■

Seraphine Klotz

„ Das Unterrichtsprojekt war ein schönes Beispiel dafür, wie man Wissenschaft mit Soft Skills verbinden kann.“ Essbiografien werden bereits in rund drei Viertel aller Tiroler Alten- und Pfle­ geheime angewendet, um Speisepläne besser auf die Bewohnerinnen und Be­ wohner abzustimmen. Für Seraphine Klotz hat der Besuch im Seniorenzent­ rum Zams-Schönwies die Sinnhaftigkeit dieser Methode bestätigt. „Unsere Stu­ dierenden haben viel Feingespür im Um­ gang mit den Heimbewohnern bewiesen. Das Unterrichtsprojekt war ein schönes Beispiel dafür, wie man Wissenschaft mit Soft Skills verbinden kann.“

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www.fhg-tirol.ac.at


MEDIZIN

Der Schlüssel zur verbesserten Schmerztherapie Opioide sind eine der wichtigsten Medikamentengruppen im Kampf gegen Schmerzen. Doch die bislang eingesetzten Pharmazeutika haben starke Nebenwirkungen. In Innsbruck wird daran gearbeitet, diese zu beseitigen. Von Daniel Feichtner

bruck. „Zugleich löst er vor allem, wenn er chronisch auftritt, selbst Krankheiten aus und verzögert die Genesung, indem er zur körperlichen und psychischen Belastung wird.“

Mariana Spetea hat Biochemie an der Universität Bukarest studiert und ihr Doktorat in Biologie mit einem Stipendiat der UNESCO und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften abgeschlossen. Sie ist seit mehr als zwei Jahrzehnten im Bereich der Opioidforschung tätig und ist heute die Leiterin der Opioid-Forschungsgruppe an der Universität Innsbruck.

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chmerzen und Therapieansätze, um sie zu bekämpfen, sind seit langem ein wichtiger Fokus in der Medizin. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich diese Anstrengungen zusätzlich verstärkt. „Schmerz ist nicht nur ein sehr behinderndes Symptom verschiedener Erkrankungen oder Verletzungen, sondern auch ein eigenständiger Krankheitszustand“, erklärt Mariana Spetea vom Institut für Pharmazie an der Universität Inns-

Altbewährt Rund 20 Prozent der Weltbevölkerung leiden aktuell an chronischen Schmerzen. Und die Tendenz ist steigend. Dazu tragen nicht zuletzt die immer höhere Lebenserwartung und die Zunahme degenerativer Erkrankungen bei. Gerade bei der Therapie chronischer Schmerzen werden zunehmend Opioide eingesetzt. „Speziell Morphin, das seit Jahrhunderten als starkes Schmerzmittel bekannt ist, stellt auch im 21. Jahrhundert gewissermaßen den Gold-Standard in der Schmerzbekämpfung dar“, meint Spetea. „Allerdings haben Opioide, wie andere Medikamente, auch Nebenwirkungen.“ Dazu zählen unter anderem Sedierung, Atemdepression, Verstopfung, Benommenheit und Toleranzentwicklung. Entschlüsselt Der Auslöser vieler dieser unerwünschten Nebenwirkungen ist mittlerweile bekannt. Opioide wirken auf der zellulären Ebene: Sie docken an die sogenannten Opioidrezeptoren an, die auf der äußeren Hülle – der Membran – von Zellen liegen. Dabei funktionieren die Moleküle des Schmerzmittels wie ein

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Schlüssel. Passt er in das „Schloss“ des Rezeptors, leitet dieser ein Signal in die Zelle weiter. „Bei Opioiden führt der aktivierte Rezeptor zur Kopplung an ein Protein (genannt G-Protein), was eine starke Analgesie, also schmerzstillende Wirkung zur Folge hat“, erklärt die Pharmakologin. „Zugleich wird aber oft Mariana Spetea

„Schmerz ist nicht nur ein sehr behinderndes Symptom verschiedener Erkrankungen oder Verletzungen, sondern auch ein eigenständiger Krankheitszustand.“ auch eine Interaktion mit dem Protein

β-Arrestin ausgelöst. Und dieses Protein

verursacht viele der Nebenwirkungen.“

Maßgeschneidert Wie sich mittlerweile gezeigt hat, bedingt eine Bindung eines Opioids an den Opioidrezeptor nicht unweigerlich eine Kopplung an β-Arrestin. „Es hat sich gezeigt, dass manche Moleküle zwar in den Rezeptor passen, aber die Interaktion


MEDIZIN

mit β-Arrestin deutlich weniger anregen als andere“, erklärt Spetea. Auf dieser Erkenntnis aufbauend hat sie sich in Zusammenarbeit mit mehreren anderen Forschungseinrichtungen in Europa und den USA daran gemacht, das Potenzial von strukturell veränderten Opioiden zu erforschen. Inzwischen wurde im Rahmen eines FWF-Projekts eine große Anzahl verschiedener Opioide synthetisiert. Und die Vielversprechendsten davon wurden bereits in präklinischen Studien erprobt. Gutes Fundament „So haben wir bereits nachweisen können, dass viele der neuen synthetischen Variationen deutlich weniger ausgeprägte Nebenwirkungen verursachen“, sagt Spetea. „Und zugleich stehen sie den natürlichen Varianten – wie Morphin – bezüglich der Analgesie um nichts nach.“ Außerdem hat sich in den Versuchen gezeigt, dass die in unserem Labor designten Substanzen möglicherweise ein weiteres Problem beseitigen. Bisher im Einsatz befindliche Opioide wie Morphin lösen eine „Internalisierung“ der Rezeptoren aus. Diese ziehen sich von der Oberfläche ins Zellinnere

zurück. Dadurch nimmt die Dichte der Andockstellen für Opioide ab, wodurch eine stetige Erhöhung der Dosis nötig wird, um dieselbe Wirkung zu erzeugen. Auch dieser Effekt scheint durch die neuen synthetischen Substanzen deutlich zurückgegangen zu sein. Dadurch

ler Aufwand notwendig ist.“ Dennoch sieht die Forscherin großes Potenzial in den neuen Opioiden – und arbeitet selbst schon an einem weiteren FWFProjekt. Darin befasst sie sich mit sogenannten peptidischen Opioiden. Solche schmerzstillenden Substanzen werden Mariana Spetea

„Speziell Morphin, das seit Jahrhunderten als starkes Schmerzmittel bekannt ist, stellt auch im 21. Jahrhundert gewissermaßen den Gold-Standard in der Schmerzbekämpfung dar.“ wären die neuen Opioide im klinischen Einsatz nicht nur effektiver, sondern auch sicherer. Langer Weg und neue Ansätze „Bis es so weit ist, wird es aber noch dauern“, weiß Spetea. „Wir haben bisher nur die Grundlagen erforscht. Ein marktreifes Medikament zu entwickeln, dauert mindestens noch einmal zehn Jahre, wobei ein großer finanziel-

im menschlichen Körper gebildet und sind hocheffektiv. Allerdings werden solche Opioidpeptide normalerweise innerhalb von wenigen Minuten abgebaut, wodurch sie sich bislang nicht als Medikamente eignen. Deswegen planen Spetea und ihr Team an der Universität Innsbruck, diese Peptide so zu verändern, dass sie deutlich länger aktiv bleiben und auch in Schmerzmedikamenten eingesetzt werden können.

Ein Molekül, zwei Reaktionen OPIOIDREZEPTOR

β-ARRESTIN

G-PROTEIN

Negative Wirkungen (Obstipation, Sucht, Atemdepression, Sedierung, Toleranz)

Positive Wirkungen (Analgesie)

01

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01 Dockt ein Opioid an den Rezeptor an, wird zum einen die Bildung von G-Protein ausgelöst und eine schmerzstillende Wirkung erzeugt. Zugleich entsteht aber β-Arrestin, das für viele Nebenwirkungen verantwortlich ist.


MEDIZIN

AUSSERDEM: NEUES IN DER

MEDIZIN

Millionen

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© CYPRUMED

SPRITZE

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as Tiroler Startup CYPRUMED erhielt eine Förderung in beachtlicher Höhe: eine Million Euro, finanziert durch die aws (Austria Wirtschaftsservice) und zwei privaten Investoren. Nicht einmal ein Jahr nach der Gründung hilft dieser Zuschuss dem Jungunternehmen dabei, eine Technologie zu entwickeln, die Injektionen durch Tabletten ersetzen soll.

Einer schönen Frau ist der Erfolg bei Männern garantiert? Falsch gedacht. Annahmen wie diese sind schon lange überholt – das bewiesen Marcel Zentner, Professor am Institut für Psychologie an der Uni Innsbruck, und Alice Eagly, Professorin für Psychologie an der Northwestern University (USA). Ihre Studie zeigt eindeutig: Präferenzen bei der Partnerwahl ändern sich mit zunehmender Gleichstellung von Mann und Frau. Bevorzugt werden immer stärker gebildete Frauen mit guten Gehaltsaussichten. Umgekehrt: Männer punkten mit gepflegtem Erscheinungsbild und Fähigkeiten im Haushalt.

ERFOLG

BEIM GESUNDHEITSWIRTSCHAFTSKONGRESS

EINZIGARTIG IN GANZ

EUROPA

Das österreichische Netzwerk der FH-Studiengänge für Gesundheitsmanagement hat heuer zum fünften Mal den Health Research Award im Rahmen des Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses vergeben. Dieses Jahr wurden zwei Studierende der fh gesundheit aufgrund ihrer hervorragenden Masterarbeiten ausgezeichnet: Simone Frischmann und Stefanie Fehrmann. Beide sind Absolventinnen des FH-Master-Studiengangs Qualitäts- und Prozessmanagement im Gesundheitswesen.

Ein gemeinsames Studium des MCI und der Universitäten Bologna, Oslo und Rotterdam wurde nach einer dreijährigen Pilotphase offiziell eröffnet: der Masterstudiengang „Health Economics & Management“. In Europa ist das EU-unterstützte Projekt das erste seiner Art. Es vereint vier europäische Spitzenhochschulen und ermöglicht es Studierenden, internationale Erfahrungen im Bereich Gesundheitswirtschaft zu sammeln. Den Abschluss des Studiums bildet ein sogenanntes Joint Degree, ein von allen vier Universitäten anerkanntes und unterzeichnetes Diplom.

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Ranked #1 in Austria Universum Survey 2015

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TECHNIK

Pflanzliche Rohstoffe unter der Lupe Am MCI untersuchen Forscher pflanzliche Rohstoffe auf ihr Potenzial für die Lebensmittelproduktion, denn sie wirken sich auf Produkteigenschaften wie Farbe oder Nährwert aus. Von Eva-Maria Hotter

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ewusste, gesunde Ernährung ist heutzutage für viele Konsumenten besonders wichtig. Dadurch hat sich auch die Lebensmittelnachfrage gewandelt, so setzt mancher beispielsweise vermehrt auf kohlenhydratarme Kost. Katrin Bach, Studiengangsleiterin für Lebensmitteltechnologie & Ernährung am Management Center Innsbruck, und ihr Forschungsteam analysieren und untersuchen pflanzliche Rohstoffe für künftige lebensmitteltechnologische Anwendungen. 2014 entstand in Kooperation mit der Tiroler Lebensmittelindustrie tirolweit das erste Projekt mit diesem Forschungsschwerpunkt. Dabei laufen für mehrere Firmen parallel Untersuchungen, unter anderem für das Tiroler Lebensmittelunternehmen Recheis Teigwaren GmbH. Keine Pflanzenorgane „Pflanzliche Rohstoffe sind ein sehr breiter Begriff. Grundsätzlich versteht man darunter Stoffe aus organischem Material. In diesem Fall sind jedoch nicht Blätter, Blüten oder Sprossen gemeint, sondern aus den Pflanzen gewonnene Komponenten“, erklärt Katrin Bach. So sind zum Beispiel Faserstoffe nicht nur sehr ballaststoffreich, sondern auch technologisch interessant, weil sie Wasser binden oder spezielle Farben erzeugen. Außerdem analysiert das Forschungsteam unter anderem Kohlenhydrate, Saatgut oder Proteine. Denn auch Eiweiße bieten Bach

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TECHNIK

Katrin Bach

„Jeder Rohstoff hat seinen eigenen ‚Fingerabdruck‘. Einfluss darauf hat auch der Ort, wo die Pflanze herkommt und kultiviert wurde. Das nutzt man aus, um positive Eigenschaften in Produkte zu bringen.“

zufolge viel Potenzial: „Wird ein Lebensmittelprodukt etwa mit Proteinen anstelle von Kohlenhydraten angereichert, wirkt sich das darauf aus, wie schnell es vom Körper aufgenommen wird.“

© DOMINIQUE HUTER (₃)

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0₁ Je nachdem welche pflanzlichen Rohstoffe verwendet werden, ändert sich das Farbverhalten in den Produkten. 02 Unter dem Abzug werden Produkte beispielsweise auf ihren Proteingehalt untersucht. 0₃ Sind die pflanzlichen Rohstoffe erst aus den Pflanzen gewonnen, werden sie in zerkleinerter Form für Experimente eigesetzt.

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Bestimmte Kennung „Jeder Rohstoff hat seinen eigenen ‚Fingerabdruck‘. Einfluss darauf hat auch der Ort, wo die Pflanze herkommt und kultiviert wurde. Das nutzt man aus, um positive Eigenschaften in Produkte zu bringen und sie dadurch zu modifizieren.“ Die verschiedenen pflanzlichen Materialien testet man im Vergleich und auch in Kombination miteinander. Dabei finden grundlegende physikalische Messungen statt, um das Potenzial auszutesten, beispielsweise um herauszufinden, wie viel Wasser eine Substanz bindet. Abhängig vom jeweiligen Projektpartner stehen bei den Untersuchungen unterschiedliche Eigenschaften im Fokus: „Bei der Firma Recheis spielte insbesondere die Farbe eine wichtige Rolle. Es war eine Herausforderung, diese ansprechend zu entwickeln, da pflanzliche Rohstoffe andere natürlich vorkommende Farbeffekte haben“, berichtet Bach. So wurden die Nudeln anfänglich zu dunkel, als dass sie sich verkaufen ließen, der Teig zu durchsichtig oder die Konsistenz zu brüchig. Schritt für Schritt Zu Projektbeginn fand ein umfassendes Screening von mehreren Dutzend Rohstoffen statt. „Im nächsten Schritt erfolgte mit den Projektpartnern eine engere Auswahl von 15 bis 20 Stoffen. Ein wichtiges Kriterium war dabei die regionale Verfügbarkeit“, erklärt Projekt- und Studiengangsleiterin Katrin Bach den Ablauf. 21

Katrin Bach ist studierte Diplom-Ingenieurin mit Fachrichtung Biotechnologie und hat 2007 am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Molekularbiologie mit dem Schwerpunkt Kulturpflanzenforschung promoviert. Vor sieben Jahren erfolgte die Berufung als Professorin und Studiengangsleiterin für Lebensmitteltechnologie & Ernährung am Management Center Innsbruck.

„Der Durchbruch für das Projekt war, als mit bestimmten Rezepturen die gewünschten Eigenschaften erzielt und gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen konkrete Komponenten ausgewählt wurden. Diese haben wir dann im Labormaßstab produziert“, resümiert Bach. Das zweijährige Projekt läuft noch bis November dieses Jahres. „Aktuell befinden wir uns in der Phase, in der die Ergebnisse aus dem Labor zur Anwendung gebracht werden und in der betrieblichen Produktion umgesetzt werden.“ Die Endkunden im Visier Generelles Ziel ist die Umsetzung in Lebensmittelprodukte für den Endkunden. „Ohne den beteiligten Firmen vorzugreifen, kann ich bereits sagen, dass wir hier mit vielversprechenden Prototypen arbeiten.“ Das Konsumentenverhalten ist immer ein wichtiger Diskussionspunkt, weil die Wahrnehmung über den Kauf entscheidet. Man versucht stets, die bestehende Kundennachfrage zu erfüllen. Um herauszufinden, was Konsumenten annehmen, sind Akzeptanzstudien ein wichtiges Werkzeug. Es geht darum, bestehende Produkte zu verbessern oder auch neue zu entwickeln. „Aus wissenschaftlicher Sicht sind viele Sachen möglich, letztendlich kommt es aber darauf an, was für die Industrie umsetzbar ist“, sagt Bach. Entscheidend seien aber vor


TECHNIK

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Verschiedene Schwerpunkte Im Bereich der Lebensmitteltechnologie gibt es drei große Schwerpunkte: das Wissen um die Rohstoffe, die Stoffwandlung und die Textur. Letztere beschreibt die wahrnehmbaren Struktureigenschaften, zum Beispiel die Festigkeit, die Zähigkeit oder das Mundgefühl. „Hier verfügen wir über eine spezielle Apparatur, mit der wir die Rohstoffe in den Lebensmitteln genau daraufhin unter­suchen.“ Manche Materialien, wie Faserstoffe, haben beispielsweise Einfluss darauf, dass Nudeln brüchig werden oder sich das Kochverhalten verändert. „Wir versuchen, dieses Verhalten zu erfassen und zu quantifizieren. Dadurch wird ein Pool an Rohstoffen geschaffen, der für verschiedenste Unternehmen und ihre Produkte interessant sein kann.“ Wertvoller Wissenspool Die Ergebnisse wirken sich auf die Produktentwicklung der teilnehmenden Unternehmen, aber auch insgesamt auf das Wissen über Rohstoffe und die experimentellen Daten aus. „Das ist wertvolles Know-how für Produktentwicklungen, Adaptierungen und Verbesserungen – etwa im Hinblick auf bestimmte Farben oder Farbstabilitäten.“ Auch gewisse Kochattribute, wie die Kochzeit, sind Ansprüche, die sich mit Rohstoffen beeinflussen lassen. Die diversen Produktherstellungen unterscheiden sich naturgemäß stark: So weicht beispielsweise die Käseer-

© DOMINIQUE HUTER

allem die Konsumentensicht und die Frage, wie viel Veränderung das neue im Vergleich zum bereits bekannten Produkt verträgt. Das Projekt umfasst auch die wissenschaftliche Begleitung, bei der das Forschungsteam die Unternehmen anleitet, Experimente zu systematisieren, um so ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. „Das ist ein stufenweiser Prozess, denn es dauert länger, ein neues Produkt zu entwickeln, als ein vorhandenes zu adaptieren.“

04 Mit einem sogenannten Rheometer messen Katrin Bach und ihr Forschungsteam das Fließverhalten bestimmter Rohstoffe.

Katrin Bach

„Primär geht es darum, den richtigen Rohstoff für die entsprechenden Herstellungsprozesse bzw. Produkte der je­weiligen Firma zu finden.“

zeugung von der Wurstproduktion ab. „Primär geht es darum, den richtigen Rohstoff für die entsprechenden Herstellungsprozesse bzw. Produkte der jeweiligen Firma zu finden.“ Dabei müsse auch auf regionale Besonderheiten eingegangenen werden. „Dabei gilt es zu beachten, dass zum Beispiel Käse zwar mehrheitlich auf dieselbe Weise hergestellt wird, es aber dennoch regionale produkt- und herstellerspezifische Unterschiede gibt, was natürlich berücksichtigt werden muss.“ 22

Potenzial für Tirol Durch das allgemeine Screening zu Projektbeginn wurden die Rohstoffe auf ihre breiten Eigenschaften untersucht. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienen als Basiswissen für zukünftige Projekte. „Das ist ein Know-how, das für unterschiedliche Interessenten aus verschiedenen Bereichen angewandt werden kann, da jeder getestete Rohstoff für jedes Produkt kombinierbar ist. „Das bietet auch großes Potenzial für hochwertige Nischenprodukte am Standort Tirol“, ist sich Bach sicher. Teilnehmende Firmen unterschiedlicher Branchen profitieren so von den Forschungsergebnissen. „Ich erhalte durchwegs positive Rückmeldungen auf diesen Wissensaustausch. Die Unternehmen sind sehr an dem Dialog mit der Wissenschaft interessiert. Aber natürlich braucht es einen Kooperationsvertrag, der den inhaltlichen und rechtlichen Rahmen klar festlegt“, zieht die Studiengangsleiterin Bilanz. Für die Zukunft sind bereits Folgeprojekte geplant – unter anderem im Rahmen grenzüberschreitender Kooperationen.



TECHNIK

Bis ins kleinste Detail Das Flugzeug gilt als sicherstes Transportmittel. Das liegt aber nicht nur an den Sicherheitsvorkehrungen, sondern auch an der Sorgfalt, mit der es geplant wird. An dieser Planung beteiligt ist ein kleiner Tiroler Betrieb. Von Theresa Kirchmair

I

n der Luftfahrt ist das technologische Know-how von Spezialisten aus aller Welt unverzichtbar. Einer von ihnen ist INTALES aus Natters, die es sich zum Ziel gemacht haben, große komplexe Strukturen zu berechnen. Die Kalkulation soll dabei durch Automatisierung so aufgebaut werden, dass die Durchführung möglichst wenig menschliche Arbeitskraft benötigt. Entstanden ist das Unternehmen 2004 als Spin-off der Universität Innsbruck und wurde beim Aufbau vom Gründungszentrum CAST unterstützt. Mittlerweile steht INTALES auf eigenen Beinen und finanziert sich selbst durch Aufträge. Die Summe aller Teile Das Unternehmen befasst sich mit Statik, genauer mit der Berechnung von komplexen Leichtbaustrukturen für die Luftfahrt. Um ein Bauteil zu entwickeln

Hermann-Josef Starmans hat sein Diplom in Luftfahrttechnik 1981 an der FH Aachen erworben. Er arbeitete bei MAN Technologie AG, unter anderem als Projektingenieur an der Serienproduktion von Viking-Triebwerken für das ARIANE4-Programm. Während des ARIANE5-Programms wurde er Leiter der Abteilung Launcher Tank, dann des Launcher SerienProgramms und 2004 Leiter der Programmabteilung Raumfahrt. Seit 2005 gehört er zum Management von INTALES.

und zu optimieren, muss es erst digital modelliert und dabei „ausgelegt“ werden. Hermann-Josef Starmans, zuständig für Projektmanagement und Marketing, erklärt anhand eines Beispiels: „Auslegen bedeutet zugleich, es im Verhältnis zu den anderen Bauelementen zu dimensi24

onieren. Bei einem Mountainbike hieße das zum Beispiel, dass nicht nur der Rahmen berücksichtigt wird, sondern auch die Bremsanlagen und Tretlager.“ Es zählt also die Summe aller Bauteile, wie sie sich aufeinander auswirken und unter verschiedenen Bedingungen verhalten. Gerade in der Luftfahrt ist es wichtig, die Konstruktion möglichst leicht und ressourcenschonend zu planen. Das reduziert einerseits den Materialaufwand und andererseits den Treibstoffverbrauch. Komplexe Modelle Die Software für die Berechnungen der sogenannten Finite-Element-Modelle (FE-Modelle) kommt vom jeweiligen Auftraggeber, zum Beispiel von Airbus. Um dieses Grundgerüst herum schreibt INTALES seine eigenen Programme, unter anderem die Toolbox ALETHIA, die Vor- und Nachbereitung von Berech-


TECHNIK

© INTALES (2)

01 Ein Bauteil wird zuerst als 3D-Modell erstellt. Dabei müssen auch die Dimensionen im Verhältnis zu den umliegenden Elementen stimmen. 02 Anhand des Computermodells wird dann die optimale Materialstärke im Hinblick auf Leichtigkeit und Stabilität berechnet.

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Hermann-Josef Starmans

nungen stark erleichtert. Die Computermodelle selbst haben den Vorteil, dass sich jede Auswirkung auf die einzelnen Bauteile darstellen lässt. Diese sind sehr komplex, im FE-Modell einer Flügelspitze etwa stecken über 700.000 einzelne Elemente. Jedes davon kann wiederum von Lastfällen betroffen sein, also Szenarien, in denen eine Belastung entsteht. Dazu zählen schwankende aerodynamische Lasten, wechselnde Temperaturen, Vogelschlag oder Hagel. Die Strukturanalyse ist dabei entweder linear – das belastete Bauteil kehrt also nach der Lasteinwirkung in seine ursprüngliche Form zurück. Oder es ist nichtlinear und es entsteht eine geringe, aber bleibende Verformung des Elements. Dadurch wird es dauerhaft anders strapaziert, was das Zusammenspiel aller Teile im FE-Modell beeinflusst. In dessen Berechnung fließen nicht nur alle möglichen Lastfälle ein, sondern auch die Eigenschaften der verwendeten Materialien. Für das genannte Modell der Flügelspitze benötigte der Rechner über drei Tage an reiner Rechenzeit. Bits und Bytes als Barriere Schlussendlich ist es die Rechenleistung der Computer, die die Grenze der

„Die Modelle sollen möglichst zügig durchgerechnet werden. Die vielen Elemente verlängern die Rechenzeiten jedoch, da wir das große Ganze im Auge behalten müssen.“ möglichen Komplexität vorgibt. Das gilt sowohl für Aufträge von Konzernen wie Airbus als auch für Forschungsprojekte in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck. Bei letzteren werden häufig die Großrechenanlagen der Universität genutzt. Denn, Starmans erklärt: „Die Modelle sollen möglichst zügig durchgerechnet werden. Die vielen Elemente verlängern die Rechenzeiten jedoch, da wir das große Ganze im Auge behalten müssen.“ In Rahmen von Forschungsprojekten mit der Universität wurden jedoch neue Methoden, Strategien und Softwaretools entwickelt. Diese helfen dabei, trotz steigender Komplexität der Berechnungen die Rechenzeit zu verkürzen. Maßgeblich daran beteiligt ist Professor Michael Oberguggenberger mit seinem Arbeitsbereich Technische Mathematik. 25

Vom Auftrag zum Bauteil Und natürlich zählen auch in der Privatwirtschaft namhafte Unternehmen zu den Auftraggebern von INTALES: „Für den Airbus 350 hat der Konzern große Zulieferer für Bauteile und Ingenieurdienstleistungen, zum Beispiel Spirit, Liebherr, Rolls Royce oder FACC aus Oberösterreich, gesucht. Letztere haben sich dann an uns gewandt“, erklärt Starmans. INTALES ist sehr wendig und kann sich gut in die vorgegebenen Strukturen einfügen. Es wird ständig an der Optimierung der Abläufe, der Verkürzung der Rechenzeit und am Softwareausbau gearbeitet. So konnte das Unternehmen auch schon für die europäische Weltraumbehörde ESA an der neuen Trägerrakete ARIANE 5 arbeiten. Wie bei jedem Projekt stand am Ende die Zertifizierung. Dieser Nachweis, dass die Bauteile endgültig den Anforderungen entsprechen und einsetzbar sind, ist unerlässlich. Und dabei bleibt es bis zum Schluss spannend: „Es kann passieren, dass ein Modell in unseren Berechnungen tadellos funktioniert, die Fertigungsingenieure dann aber vermelden, dass es sich so nicht bauen lässt.“ Denn selbst die intelligentesten Programme sind vor den Unterschieden zwischen Theorie und Praxis nicht gefeit.


TECHNIK

Die Vermessung des Wassers Die Innsbrucker Firma Airborne HydroMapping (AHM) hat eine neuartige Vermessungsmethode für Wasserflächen entwickelt, die eine weltweite Innovation darstellt. Von Klaus Erler

© EMANUEL KASER

01 Frank Steinbacher (knieend) und Prof. Markus Aufleger auf dem Gelände der Universität Innsbruck: Hier werden Gewässer in einer großen Halle maßstabgetreu nachgebildet und Datensätze analysiert.

01

D

ie Idee zu Airborne HydroMapping Laservermessung aus der Luft (AHM) wurde 2007 im Rahmen einer Die 2007 mehrheitlich zur Datenerhebung verDoktorarbeit geboren, an der Frank wendeten Messmethoden empfand Frank SteinSteinbacher am Arbeitsbereich Wasbacher als zu ungenau und im Ergebnis alles anserbau der Universität Innsbruck arbeitete. dere als befriedigend. Die Vermessung geschah Aufgabenstellung dieser Arbeit war es, Gewäshauptsächlich über das Abfahren und Durchser rechnerisch zu schreiten des jeweiligen modellieren und daGewässers mit Booten mit reale Seen und und Messlanzen: eine Die Ergebnisse waren Flüsse am Computer Methode, die teuer und vielversprechend, ein nachzubauen. Dabei zeitintensiv ist, will sollte virtuell überman gute Ergebnisse schnelles und detailgenaues prüft werden, wie erreichen. Auch das BeDatenerhebungssystem sich Gewässer unter fahren der Gewässer realen Bedingungen mit sonarausgestattefür Wasservermessung zum Beispiel in Extten Booten führt kaum ist entstanden. remsituationen wie zu einer besseren DaHochwasser verhaltenlage: Diese Methode ten würden. Da eine funktioniert nur bei tiederartige Modellerstellung am Computer ein fen Wasserflächen und ist daher zum Beispiel für hochkomplexer Vorgang ist, kann sie nur dann Uferbereiche ungeeignet. funktionieren, wenn das zugrundeliegende DaUm diese Problematik zu umgehen, entwitenmaterial in entsprechender Qualität vorhanckelte Steinbacher im Zuge seiner Doktorarbeit den ist. Dazu müssen die zu untersuchenden eine Lösung, die er „Flugzeugunterstützte LaserGewässer allerdings zuvor mit hoher Präzision Vermessung der Gewässer“ nannte. Im Lastenvermessen werden. heft des Systems stand, dass es eine hohe Daten-

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TECHNIK

struktur und Vegetation zu reduzieren oder den Geschiebetransport in Flüssen zu optimieren. Der Start in die Selbstständigkeit begann mit einer Beratung beim CAST, das das Potential dieser neuen Technik gleich erkannte und die weiteren Schritte beratend begleitete.

Frank Steinbacher studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität München und folgte für seine Promotion seinem Doktorvater Prof. Markus Aufleger 2007 nach Innsbruck. Seit 2005 leitet er im elterlichen Betrieb den Bereich Wasserbau, seit 2010 ist er Geschäftsführer der AHM GmbH. Neben den konstruktiven Aufgabenstellungen ermöglichte sich durch die neue Datengrundlage der AHM ein breites Entwicklungsfeld für die numerischen und visuellen Aufgabenstellungen von Geomassendaten, was zur Gründung der AHM Software GmbH in 2015 führte.

Neuartiges Messsystem Für die Realisierung dieser Idee konnte Steinbacher die Waldviertler Firma RIEGL Laser Measurement Systems gewinnen, die sich auf die Entwicklung und Fertigung hochpräziser Geräte für die Vermessungstechnik spezialisiert hat. Sie konnte das vorgeschlagene neuartige Konzept in ein einsatzbereites System verwandeln und dieses zur Serienreife bringen. Die 2010 in Innsbruck gegründete Firma Airborne HydroMapping (AHM) rund um Frank Steinbacher und seinen Doktorvater Professor Markus Aufleger schuf dafür auf dem Gelände der Universität Innsbruck die technischen Grundlagen. Gewässer wurden in einer großen Halle maßstabgetreu nachgebildet, damit die Datensätze, die sich aus der Laserabtastung ergaben, analysiert und in eine selbst entwickelte Verarbeitungssoftware gespeist werden konnten. Die Ergebnisse waren vielversprechend, ein schnelles und detailgenaues Datenerhebungssystem für Wasservermessung war entstanden. Noch im gleichen Jahr konnte – unterstützt von verschiedenen Fördereinrichtungen – ein eigenes Messflugzeug finanziert werden.

dichte liefern und für den Flachwasserbereich geeignet sein muss. Dafür ging Frank Steinbacher in die Luft: Das System basiert auf einem am Flugzeug angebrachten, speziell entwickelten grünen Laserscanner, der im Gegensatz zu herkömmlichen luftgestützten Laserscannern Wasser durchdringt und damit auch die Unterwassergeometrie der Flüsse, Bäche und Seen bis zu einer Eindringtiefe von mehreren Metern vermessen kann. Die resultierenden Messpunkte werden gefiltert, um unter anderem das Gewässerbett, die Vegetation und künstliche Strukturen zu klassifizieren. Aus diesen Daten lassen sich anschließend hochaufgelöste digitale Geländemodelle erstellen. Dabei werden Höhengenauigkeiten von etwa 5 bis 10 Zentimetern erreicht. Durch das mehrfache Befliegen einer Projektstrecke zu unterschiedlichen Zeitpunkten können beispielsweise Geschiebe-Umlagerungen durch Extremereignisse erkannt und quantifiziert werden. Diese so gewonnenen Daten lassen sich dann nutzen, um mögliche Hochwasser-Hotspots schon im Vorfeld zu entschärfen, Vertiefungen von Flüssen und die damit zusammenhängende Belastung für die Infra-

Großes internationales Interesse Mit Fortbestand der bis 2016 auf 18 Mitarbeiter angewachsenen Firma und dem Erfahrungsschatz der durch AHM bisher gewonnenen Messdaten konnte eine weltweite Vorreiterrolle in der Verarbeitung, Prozessierung und Visualisierung von Geomassendaten erreicht werden. Parallel konnte RIEGL die Fähigkeiten des Systems sogar noch weiter steigern: Geschwindigkeit, Datenqualität und Datendichte sind inzwischen weltweit konkurrenzlos. Benötigte man

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GESUNDHEIT TECHNIK

früher für die Vermessung eines 70 Kilometer langen Flussabschnitts mit großem Ressourceneinsatz rund sechs bis neun Monate, liefert Hydromapping nun wesentlich detailliertere Daten in nur einem Tag. Längst interessieren sich Regierungsabteilungen oder die für Gewässer unterhaltspflichtigen Energieversorger und internationale Kunden für das System. Sogar Delegationen aus Saudi-Arabien und Japan besuchten bereits die Tiroler Firma. In Dänemark wurde AHM beauftragt, küstennahe Meeresgebiete zu scannen, um die besten Kabeltrassen für Windräder herauszufinden. Für Norwegen wurden gerade Teile der Küste vermessen, um Schifffahrtskarten im Küstenbereich genauer zu machen. Mit der Neuvermessung des Bodensees wurde der derzeit wohl größte und detaillierteste topobathymetrische Geomassendatensatz der Welt geschaffen (www.tiefenschaerfe-bodensee.info). Im Februar 2016 konnte gemeinsam mit RIEGL, den größten Wasserkraftbetreibern Österreichs und Deutschlands und anderen wichtigen Partnern ein mit 1,4 Millionen Euro dotiertes Forschungsprojekt zum Thema „Alpine Gewässervermessung“ abgeschlossen werden. Weitere Aufträge wurden und werden in Deutschland, der Schweiz, Polen, Italien, Norwegen und Schweden abgewickelt.

Markus Aufleger ist seit 2007 als Universitätsprofessor und Leiter am Arbeitsbereich Wasserbau der Universität Innsbruck tätig. Seine Promotion und Habilitation legte er an der Technischen Universität München ab, wo er auch im Jahre 1991 als wissenschaftlicher Assistent seine berufliche Laufbahn begann. Zwischen 2000 und 2007 war Markus Aufleger Betriebsleiter der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Universität München in Obernach. Seine Forschungsgebiete sind Talsperrensicherheit, Flussbau, Wasserkraft und Wasserwirtschaft.

Mächtige Software Eine Folge der deutlich gesteigerten Messgenauigkeit ist allerdings, dass bei den Projekten mit gewaltigen Datenmengen umgegangen werden muss. Am freien Markt fand sich kein Software-Anbieter, der diese Datenflut verarbeiten konnte. Deshalb erarbeitete Airborne HydroMapping – aufbauend auf einem Open-Source-Datenbankformat der NASA, das entwickelt wurde, um Galaxien zu kartografieren – eine eigene Software. 2015 kam es zur Gründung der Tochterfirma AHM-Software rund um die Chefentwickler Werner Benger und Marcel Ritter. Zielsetzung ist es, Geomassendaten schnell zu verarbeiten und für den Endnutzer verständlich zu visualisieren. Inzwischen arbeiten Universitäten und Privatfirmen in Oslo, Kopenhagen, Zürich, München oder Wien mit der von AHM

entwickelten Software. Zudem wird sie in einem hoch dotierten, von der Bayrischen Forschungsstiftung initiierten und gemeinsam mit dem deutschen Fraunhofer Institut umgesetzten Projekt zur verbesserten Handhabung von Geomassendaten verwendet. Und bereits in naher Zukunft wird Airborne HydroMapping auch mithelfen, mit einem eigens entwickelten Viewer Geomassendaten in den gemeindeeigenen Geografischen Informationssytemen (GIS) darzustellen und damit die Informationsdichte aller kommunalen Liegenschaftsinformationen deutlich zu erhöhen. Weltweite Beachtung fand das AHM-System zuletzt, als es dafür eingesetzt wurde, die Forschungsergebnisse zu Einsteins Gravitationswellen zu visualisieren.

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Industrie

Großveran-

KMU / Freie Berufe

missmargo.at

staltungen

Tourismus

Der Versicherungspartner des Tiroler Tourismus und der Industrie. Steinmayr & Co Insurance Brokers GmbH • Meraner Straße 1 • 6020 Innsbruck • Austria T + 43 / (0)512 / 239280-0 • www.steinmayr.co


TECHNIK

C OV E R S T O RY

Wirksam ohne Gift Wespen erfolgreich abwehren, ohne sie zu gefährden – das hat sich Thomas Fleißner zum Ziel gesetzt. Dazu hat der Tiroler seine Küche zum Labor umfunktioniert und sich daran gemacht, den „Wespenfreund“ zu entwickeln. Von Eva Schwienbacher

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ommer 2015: An einem warmen Nachmittag sitzt Thomas Fleißner, Geschäftsführer der Firma Fleitec Software Entwicklung in Polling, mit seiner Frau und seinen drei Kindern im eigenen Garten, um gemeinsam Eis zu essen. Plötzlich tauchen ungebetene Gäste auf: Angelockt vom Speiseeis, schwirren zwei Wespen über den Tisch. Es dauert nicht lange, bis es den unerwünschten Besuchern gelingt, der Familie Fleißner den schönen Sommertag zu verderben: Innerhalb kurzer

Zeit werden alle fünf Familienmitglieder gestochen – und das, obwohl sie sich ruhig verhalten haben. „Man kann nicht von einer Attacke reden. Trotzdem war es für alle sehr unangenehm“, erzählt der Familienvater. Für den Unternehmer stand nach diesem Erlebnis fest: Er will sich von den schwarzgelben Tierchen den Spaß am Sommer nicht verderben lassen. Und so begann seine Suche nach wirksamen Mitteln gegen die Wespen. Dabei stand für ihn von Anfang an im Fokus, ein Produkt zu finden, das die läs30

tigen Besucher zwar vertreibt, sie aber nicht tötet. Denn Wespen sind nicht nur Plagegeister, sondern auch Nutztiere, die andere leidigen Insekten wie Fliegen und Mücken jagen, um damit ihre Nachkommen zu füttern. Erstaunt musste er feststellen, dass nur „Chemiekeulen“ im Handel erhältlich sind. Vernichtungsmittel kamen für den 38-Jährigen allerdings nicht infrage. Stattdessen konzentrierte er sein Interesse auf die relativ große Zahl bereits bekannter Hausmittel.


TECHNIK

01 Angelockt von Süßem und Salzigem kommen mit dem Frühling auch die ersten Wespen. 02 Fleißners „Wespenfreunde“ können an speziellen Ständern befestigt und am Esstisch platziert werden.

© SHUTTERSTOCK.COM, PRIVAT

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Thomas Fleißner

„Mein Ziel war es, alle Wirkstoffe der mir bekannten Hausmittel in einem Produkt zu vereinen.“

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Leidenschaftlicher Tüftler Auf dem Tisch verteilte Kupfermünzen, mit Nelken besteckte Zitronenhälften oder brennendes Kaffeepulver – das sind jene Anti-Wespen-Tipps, die Fleißner genauer unter die Lupe genommen hat. Bei seinen Versuchen kristallisierte sich ein klarer Favorit heraus: „Wir haben beobachtet, dass brennendes Kaffeepulver die Wespen am besten vertreibt“, erzählt Fleißner. Ganz zufrieden war er mit dieser Methode allerdings dennoch nicht: „Das Abbrennverhalten war nicht optimal. Außerdem sprangen die Behälter durch die Hitze. Nur das Chaos, das durch das Kaffeepulver entstand, das war perfekt.“ Diese Probleme stachelten ihn dazu an, eine bessere Lösung für das WespenProblem zu entwickeln. „Ich hatte immer schon ein Faible dafür, Produkte zu optimieren, Marktlücken zu entdecken und Neues zu erfinden“, erzählt Fleißner. In der Vergangenheit machte er bereits mit seiner Firma Fleitec in Polling mit einer neuen Online-Software für Kläranlagen

auf sich aufmerksam. Seine Idee, mit der er inzwischen österreichweit erfolgreich ist, wurde damals zur „Geschäftsidee 2010“ gekürt. Mit der Entwicklung eines biologischen Wespen-Mittels plant er jetzt, sechs Jahre später, den Markt zu erobern. Schritt für Schritt zum Wespenstick Zur Herstellung seines Produkts, das anwender- und tierfreundlich sein soll, verbrachte der Tüftler im vergangenen Winter viele Feierabende in der Küche. „Mein Ziel war es, alle Wirkstoffe der mir bekannten Hausmittel in einem Produkt zu vereinen“, erzählt Fleißner. In einem ersten Schritt machte er sich daran, eine geeignete Masse zu erzeugen, die formbar ist und die gewünschte Wirkung erzielt. Fleißner kombiniert dafür Kaffeepulver mit diversen Inhaltstoffen und vermengt das Gemisch in unterschiedlichen Verhältnissen. Dabei landeten Berge von Versuchsmaterial im Müll – bis er eines Tages die perfekte Rezeptur entdeckte. „Viele Stunden war die 31

Küche von mir besetzt“, erzählt er, „doch die Arbeit hat sich gelohnt.“ Was am Ende tatsächlich in der Mixtur steckt, möchte der Erfinder selbstverständlich nicht verraten. Fest steht, dass gemahlene Kaffeebohnen die Grundlage bilden – ob frisch oder als Kaffeesatz bleibt sein Geheimnis. In einem nächsten Schritt ging es darum, die Masse in eine Form zu bringen, die den Brennvorgang optimiert. Inspiriert von Räucherstäbchen und -pyramiden wurde auch dafür Verschiedenstes getestet. Zunächst weigerte sich das Wundermittel gegen Wespen, wunschgemäß zu brennen. Doch dann machte Fleißner eine Entdeckung: „Längliche, circa eineinhalb Zentimeter breite und fünf Millimeter dicke Formen mit Einkerbungen an den Seiten verfügen über ideale Brenneigenschaften“, erzählt der Erfinder begeistert. „Diese Sticks lassen sich gut anzünden und bilden einen leichten Rauch, der die Wespen schlussendlich vertreibt.“ Die Sticks brennen laut Hersteller zwischen 30 und 45 Minuten lang. Sie können auch aus-


TECHNIK

← 0₃ Kaffeekränzchen mit dem Wespenfreund: Über Crowdfunding soll die serienmäßige Produktion finanziert werden. 0₄ Die Sticks brennen von unten nach oben.

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gelöscht und wiederverwendet werden. Der Geruch erinnert an geröstete Kaffeebohnen. Von einer Innsbrucker Firma lässt der Pollinger mittlerweile auch eine Halterung aus Edelstahl herstellen. Ähnlich wie bei einem Kerzenständer sollen die Wespensticks daran befestigt werden. Vorerst gibt es nur einen Prototypen. Später sollen die Ständer in verschiedenen Designs erhältlich sein und sich auch nach Kundenwunsch gestalten lassen. Finanzierung über Crowdfunding Auch für die serienmäßige Produktion seiner Wespensticks hat Fleißner bereits Pläne. Diese soll mithilfe einer Maschine umgesetzt werden, die normalerweise zur Herstellung von Backwaren eingesetzt wird. Gespräche mit Firmen aus Norditalien, die über die nötigen Anlagen verfügen, laufen bereits. Laut ersten Testergebnissen könnten so maschinell rund 25.000 Wespensticks pro Tag fabriziert werden. Konkrete Vorstellungen gibt es auch schon über die Finanzierung der Geschäftsidee. Dabei setzt Fleißner auf die

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Thomas Fleißner aus Polling ist Geschäftsführer der Firma Fleitec Software Entwicklung. Nach Abschluss der Höheren Technischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt (HTL) in Innsbruck ging er unterschiedlichen Tätigkeiten nach. Seit 2005 ist er selbstständig. Seine OnlineSoftware „kaie“ für Kläranlagen wurde von der Tiroler Wirtschaftskammer, der Zukunftsstiftung Tirol und vom CAST zur „Geschäftsidee 2010“ gewählt.

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Unterstützung durch die Masse. „Über Crowdfunding möchte ich die Mittel für das Produkt sammeln. Die Geldgeber erhalten eine materielle Gegenleistung.“ In Finanzierungsfragen lässt sich Fleißner von der Abteilung Gründerservice der Wirtschaftskammer Tirol beratend unter die Arme greifen. Die Summe, die über die Schwarmfinanzierung zusammenkommen soll, beträgt 55.000 Euro. Eine entsprechende Seite ist bereits auf der CrowdfundingPlattform Kickstarter eingerichtet. Alle Interessierten haben so noch bis Mitte Mai die Chance, zu Geburtshelfern des neuen Produkts zu werden. Der Vertrieb 32

soll dann über Online-Shops sowie lokalen Baugärten realisiert werden. Fleißner ist zuversichtlich, dass das Produkt auf große Nachfrage stoßen wird: „Jeden Sommer taucht aufs Neue die Frage auf, ob die Wespen aggressiver sind als noch im Vorjahr. Fakt ist: Sie sind da und jeder wünscht sich ein Gegenmittel.“ Einen Namen für das Produkt hat Fleißner bereits gefunden: Er nennt es „Wespenfreund“. Nun bleibt nur noch abzuwarten, ob die Geschäftsidee ausreichend Unterstützer findet, um die Umsetzung zu ermöglichen. Weitere Informationen: www.wespenfreund.com


Wenn es um’s Arbeitsrecht, um neue Märkte oder Innovationen geht. Wir sind für Dich da. In allen Tiroler Bezirken. Deine Servicecenter der Wirtschaftskammer Tirol.

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TECHNIK

Immer der Sonne nach Erneuerbare Energien gewinnen nicht nur an Relevanz, sondern stehen auch vor neuen Herausforderungen. Das Projekt SOLCLIM mit Beteiligung der FH Kufstein Tirol erforscht, wie sich verschiedene Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung im Tal und am Berg verhalten. Von Theresa Kirchmair

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öchte man eine Solaranlage aufbauen, zählt neben Standort und Wahl des Moduls auch, ob sie überhaupt einen rentablen Ertrag einbringt. Im Flachland ist die Technologie bereits weit verbreitet und es ist abschätzbar, wie viel Strom sie erzeugen wird. „In hohen Lagen, wie zum Beispiel am Gerlos, fehlen uns diese Daten aber noch“, erklärt Wolfgang Woyke von der FH Kufstein Tirol. Vom alpinen Standort darf man sich einige Vorteile erwarten, etwa durch die intensivere Sonneneinstrahlung, seltenere Nebellagen oder den reflektierenden Schnee. Auf 2.067 Metern ergeben sich jedoch auch hohe Anforderungen an die Technik: Das raue Klima und fehlende Infrastruktur machen ihr zu schaffen. Ob sich die Anlagen in der Höhe gegenüber jenen im Tal rechnen, hat das Projekt SOLCLIM zum Forschungsgegenstand erhoben.

schen Berg und Tal erst möglich ist. An beiden Standorten wurden drei verschiedene Trägersysteme ausprobiert. Nur eines davon wurde starr nach Süden ausgerichtet, die beiden anderen folgten dem Sonnenverlauf entlang einer bzw. zwei Achsen. Zusätzlich getestet wurden drei verschiedene Modultypen, also Photovoltaikpaneele selbst. Diese dienen, anders als eine thermische Solaranlage, nicht der Wassererwärmung, sondern der direkten Erzeugung von Strom aus Sonnenenergie. Der Experte beschreibt mögliche Problemquellen: „Gerade bei den beweglichen Teilen ist Vereisung sehr störend. Auf den Paneelen liegender Schnee wirkt nicht nur als Last auf sie, er kann auch ihre Funktion gehörig einschränken.“ Aber es gibt auch Vorteile am Standort Gerlos. Die Anlage wurde nahe der Bergbahn errichtet, die umliegende Landschaft wird also nicht noch weiter beeinträchtigt. Zudem kann bestehende Infrastruktur, wie Stromkabel, genutzt werden und durch die Bahn ist ein Abnehmer für den produzierten Strom gegeben.

Berg und Tal Die FH Kufstein Tirol stieß nachträglich zum Konsortium aus alpS, Universität Innsbruck, STEPS, MCI und der Firma Hilber Solar. Dieses betreute SOLCLIM und seine Anlagen bereits seit drei Jahren. Das System am Gerlos hat einen baugleichen Zwilling in Absam auf 700 Metern Höhe, durch den der Vergleich zwi-

Gewinn am Gerlos Schon seit drei Jahren liefert die Versuchsanordnung Daten. Mit Unterstützung des Tiroler Wissenschaftsfonds hat ein Team der FH Kuf-

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TECHNIK

Unterschiedliche Höhen, unterschiedliche Erträge Absam: 6,12 kWh; Gerlos 5,51 kWh ₃. März ₂₀₁₄ • Sonniger Tag mit Eintrübung • Eintrübung am Gerlos intensiver • Tagesertrag am Gerlos deutlich tiefer als Absam

1,5 kW 1,0 kW 0,5 kW 0,0 kW Stunden

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Absam Gerlos

Absam: 2,97 kWh; Gerlos 4,61 kWh ₁. Feber ₂₀₁₄ • Deutlich unterschiedliches Wettergeschehen an beiden Standorten • Berglage erreicht STC-Bedingungen • Tagesertrag am Gerlos deutlich höher als Absam

1,5 kW 1,0 kW 0,5 kW 0,0 kW 5

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stein Tirol diese nun in wirtschaftlicher Hinsicht geprüft. Hat sich der Aufwand, sensible Technologie ins Gebirge zu setzen, denn gelohnt? „Tatsächlich liefert die Anlage am Berg mindestens zehn Prozent mehr Energie als eine vergleichbare im Tal“, sagt Woyke. „Natürlich ist dieser Wert noch nicht das Maximum an Präzision, doch das Projekt hat viel Erfahrung in der Auswertung der Daten und dem Errechnen des Ertrages gebracht.“ Neben dem höheren Stromgewinn bietet SOLCLIM auch die Möglichkeit, Querverbindungen und Einflussgrößen genauer zu identifizieren. So lässt sich besser abschätzen, wie oft beispielsweise Instandsetzungsmaßnahmen nötig sind, Schnee abzuräumen ist oder wie genau sich tiefe Temperaturen auswirken. Diese Ergebnisse wurden bereits bei einer Solartagung in Schwaz und einem wissenschaftlichen Kongress in Graz präsentiert. Sonnige Zukunft SOLCLIM ist laut Woyke noch nicht das Ende der Zusammenarbeit. Ein zweiter Forschungsantrag wurde bereits gestellt. Ein neues Konsortium, wieder mit Kufsteiner Beteiligung, hat sich unter dem Namen „Mount++“ formiert. Der Standort

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Absam Gerlos

Wolfgang Woyke hat Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Regelungs- und Prozesstechnik an der TU München studiert. Er war dort und am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig und arbeitete später für die Bayernwerk AG und die E.ON Energie AG. Seit 2012 lehrt er als Professor (FH) für Europäische Energiewirtschaft an der FH Kufstein Tirol und ist stellvertretender Studiengangsleiter.

für das neue Projekt ist Alpbach, wo Infrastruktur wie die örtliche Bergbahn genutzt werden kann. Die Anlage vom Gerlos wurde bereits Mitte 2015 hierher übersiedelt. Ein neues Konzept kommt hinzu: Die Speicherung der erzeugten Energie. Man will erforschen, ob diese mittels Batterien möglich ist – die Anlagen in Höhenlage bringen zwar mehr Ertrag, doch die potentiellen Speichermedien sind z. B. gegenüber Kälte sehr anfällig. Sollte sich jedoch ein Weg zur Speicherung finden, macht diese Erkenntnis Photovoltaik nutzbarer. So böte es sich zum Beispiel für Hüttenwirte an, ihren Strom mittels Solarenergie selbst zu erzeugen.

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SOLCLIM könnte eine noch größere Auswirkung haben. Die gesammelten Daten und die Erfahrung mit ihrer Verarbeitung machen es möglich, die Standortsuche und Auswahl der Module zu erleichtern. Außerdem lässt sich mit diesem Know-how im Voraus berechnen, ob eine Anlage sich hinsichtlich Einnahmen und Ausgaben bezahlt macht. Der Experte fasst zusammen: „Durch dieses Projekt können wir das Risiko für mögliche Investoren reduzieren. Somit wird es wahrscheinlicher, dass sie in Projekte einsteigen und mehr Photovoltaikanlagen aufgebaut werden. Das wäre ein wichtiger Schritt Richtung Energiewende.“

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Stunden


MEDIZIN

AUSSERDEM: NEUES IN DER

TECHNIK EFFIZIENTER

GER & T E E NA

QUANTENRECHNER

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Zum ersten Mal in Tirol fand dieses Jahr der RoboCupJunior statt. Organisiert wurde der Roboter-Wettkampf vom MCI, dem Institut für Informatik der Universität Innsbruck, und dem TiRoLab– Tiroler Roboter Labor. Über 300 Schüler aus ganz Österreich, aber auch aus anderen Ländern wie England und Kroatien, kamen von 2. bis 3. April in Innsbruck zusammen, um ihre selbst gebauten Roboter miteinander zu messen. Die Gewinner konnten sich für die Weltmeisterschaft in Leipzig qualifizieren.

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TECHN

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it dem Shor-Algorithmus können in der Quanteninformatik Zahlen in Primfaktoren zerlegt werden. Diesen in der Mathematik und Physik wichtigen Vorgang können Quantencomputer so deutlich schneller lösen als klassische Rechner. Bislang war die Methode aber nur für kleine Zahlen und mit einem bekannten Ergebnis demonstriert worden. Physikern am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist es nun gemeinsam mit dem Massachusetts Institute of Technology, USA, gelungen, den Algorithmus erstmals ohne dieses Vorwissen umzusetzen. Und die dazu entwickelte Umsetzung ist dabei erstmals so effizient, dass sie sich auch für größere Zahlen eignet.

LEHRE UND PRAXIS

GENUG STROM FÜR EINE KLEINE STADT

VERSCHMELZEN

Mit 3.040 Quadratmetern Kollektorfläche betreibt das Fahrzeugwerk Empl in Kaltenbach die größte Photovoltaikanlage Westösterreichs. Aktuell liefern die Solarzellen dort bis zu 430.000 Kilowattstunden – theoretisch genug, um 132 Haushalte zu versorgen. Noch 2016 soll ein Ausbau erfolgen, der die Leistung um weitere 250.000 Kilowattstunden steigert. Gemeinsam mit den beiden anderen ebenfalls mit Photovoltaik ausgestatteten Werken in Hall und Uderns deckt Empl damit rund 50 Prozent seines Energiebedarfs in Tirol durch Solarstrom.

Der Halbleiterhersteller Infineon Austria arbeitet seit zwei Jahren eng mit dem Management Center Innsbruck (MCI) zusammen. Diese Kooperation ist nun um eine Facette reicher: Infineon wird gemeinsam mit dem MCI ein „Emerging Applications Lab“ in Innsbruck einrichten. Dort sollen MCI-Studenten, -Absolventen und -Lehrende die Möglichkeit erhalten, ihr Know-how in der Praxis umzusetzen und unter anderem bestehende Technologien für den Einsatz in globalen Märkten aufzubereiten.

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„Unser praxisorientiertes Studium erleichtert uns später den Berufseinstieg!“

12 BACHELORSTUDIENGÄNGE

>> Europäische Energiewirtschaft (vz) >> Facility Management & Immobilienwirtschaft (vz,bb) >> Internationale Wirtschaft & Management (vz, bb) >> Marketing & Kommunikationsmanagement (vz, bb) >> Sport-, Kultur- & Veranstaltungsmanagement (vz, bb) >> Unternehmensführung (vz) >> Web Business & Technology (vz) >> Wirtschafsingenieurwesen (vz)

9 MASTERSTUDIENGÄNGE

>> Digital Marketing (bb) >> ERP-Systeme & Geschäftsprozessmanagement (bb) >> Europäische Energiewirtschaft (bb) >> Facility- & Immobilienmanagement (bb) >> International Business Studies (vz) >> Sport-, Kultur- & Veranstaltungsmanagement (bb) >> Sports-, Culture & Eventmanagement (vz) >> Unternehmensrestrukturierung & -sanierung (bb) >> Web Communication & Information Systems (bb) vz=Vollzeit; bb= berufsbegleitend

www.fh-kufstein.ac.at

Open House Te rmin 16.04.2016 jeweils Samsta g, 10-13 Uhr


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Ideen richtig verwerten Das junge Start-up Blue Sparrow hat eine fliegende Actioncam entwickelt. 2015 mit dem Innovationspreis ausgezeichnet, will das Unternehmen sein Produkt heuer auf den Markt bringen.

© EMANUEL KASER (2)

Von Eva-Maria Hotter

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m Dezember 2014 gründete der Betriebswirt Moritz Willburger mit den Brüdern Michael und Stefan Niedermayr, ihres Zeichens Physiker und Architekt, das Unternehmen Blue Sparrow. Budgetär bedingt war der Standort schnell gefunden: die Innsbrucker WG von Moritz Willburger. „Innerhalb eines Monats waren wir dann bereits zu siebt“, erinnert sich der Betriebswirt. Kurzerhand funktionierte man das Schlafzimmer zum Büro, das Wohnzimmer zum Entwicklungslabor und die Abstellkammer zur Werkstatt inklusive 3D-Drucker um. „Zwei Drittel aller Start-ups existieren nach drei Jahren nicht mehr – dessen sind wir uns bewusst, und wir versuchen deshalb, die Kosten so gering wie möglich zu halten.“ Schon einen Monat nach Gründung gab es den ersten Prototypen, der sich seither stetig weiterentwickelt hat. Auch das Team ist gewachsen und setzt sich mittlerweile aus Physikern, Entwicklern, Ingenieuren und Wirtschaftswissenschaftlern zusammen. „Wir bezeichnen uns ungern als Startup im klassischen Sinn. Denn vielfach heißt ‚Start-up‘ etwas aufzubauen und die Idee dann zu verkaufen.“ Das sei aber nicht der Ansatz von Blue Sparrow: „Wir haben eine Firma gegründet und das Ziel

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Moritz Willburger

„Blue Sparrow ist leichter, kleiner und handlicher.“ ist, dass wir in 20 Jahren ein Unternehmen geschaffen haben, das für technischen Fortschritt und gesellschaftlichen Mehrwert sorgt.“ Fliegende Kamera „Es ging nie darum zu wachsen, sondern unsere Idee umzusetzen“, erklärt Willburger. „Wenn wir für die Umsetzung 100 Angestellte mehr brauchen, dann ist das so.“ Die Idee war für das junge Unternehmen namensgebend: Blue Sparrow – ein Quadcopter, ausgestattet mit einer Kamera und vier Rotoren. „Es ist eine fliegende Action-Kamera für In- und Outdoor“, präzisiert der Betriebswirt. Blue Sparrow lässt sich über eine App auf dem Smartphone steuern. Verbunden durch WLAN müssen Benutzer mit dem Handy nur in eine Richtung deuten und die Ka38

mera fliegt zum angezeigten Punkt. Der Abstand zum Fluggerät kann über das Display des Telefons geregelt werden. Das junge Unternehmen nannte die innovative, benutzerfreundliche Steuerung „Point & Fly“ – und ließ sie sich bereits patentieren. Das Produkt unterscheidet sich von der Konkurrenz vor allem durch sein geringes Gewicht. So wiegt die fliegende Kamera weniger als 250 Gramm, weshalb auch keine behördliche Genehmigung notwendig ist. „Blue Blue Sparrow ist leichter leichter, kleiner und handlicher.“ Bisher am Markt erhältliche Geräte mussten noch umständlich vor Ort zusammengebaut oder als Zusatzlast an Tasche bzw. Rucksack befestigt werden, nicht so die Blue-Sparrow-Cam: Um den Transport zu erleichtern, können die vier Rotoren eingeklappt werden. Innovation und Ideen „Die Idee zum Klappmechanismus entstand im Biergarten – mit runden Bierdeckeluntersetzern“, lacht Willburger. „Das half vor allem, das richtige Größenverhältnis zu finden und wirklich ‚portable‘ zu werden.“ Regelmäßig trifft sich das gesamte Team zum gemeinsamen Brainstorming, denn gerade im Austausch mit-


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einander entstehen die kreativsten Ideen. Einen wichtigen Punkt in der noch jungen Firmengeschichte markierte 2015 der Innovationspreis der Wirtschaftskammer Tirol und des Landes Tirol in der Kategorie „Konzepte mit Innovationspotenzial“: „Für das Team intern stellte diese Auszeichnung eine unglaubliche Motivation dar. Es war die erste Bestätigung von außen, dass unser Engagement und das bisher Geleistete auf positive Resonanz stößt.“ Der nächste Schritt in der Produktentwicklung sei nun die Marktreife der Actionkamera: „So viel sei verraten, bis zum vierten Quartal dieses Jahres wollen wir Blue Sparrow auf den Markt bringen.“

Moritz Willburger Der studierte Betriebswirt gründete 2014 gemeinsam mit Physiker Michael Niedermayr und Architekt Stefan Niedermayr das Start-up Blue Sparrow in Innsbruck, um die Idee einer fliegenden Actionkamera umzusetzen. Der Markteintritt für die Blue-Sparrow-Kamera ist im vierten Quartal 2016 geplant.

02 01 Das Blue-Sparrow-Team setzt sich aus Physikern, Entwicklern, Ingenieuren und Wirtschaftswissenschaftlern zusammen. 02 Anfangs löteten die Entwickler noch händisch einzelne Komponenten auf die Platine der Action-Kamera.

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Teamwork „Wir haben ein Ziel, das niemand alleine erreichen kann – das ist nur möglich, wenn sich jeder als Teamplayer versteht.“ Das Team baut auf den Stärken des anderen auf: „Unsere primären Ressourcen sind Bildung und die daraus resultierende Innovation. Es ist für uns der Schlüssel, um trotz niedrigem Budget vorne dabei zu sein.“ Auch die allmorgendlichen Meetings sind Ausdruck der Unternehmenskultur und -philosophie: „Das gemeinschaftliche Frühstück hilft, tagtäglich über den eigenen ‚fachlichen Tellerrand‘ hinauszublicken“, sagt Willburger und ergänzt: „Die Grundidee ist, über alles zu sprechen, was an dem jeweiligen Tag ansteht.“ Deshalb zählen diese Treffen auch regulär zur Arbeitszeit. „Da die Firma erst seit einem Jahr besteht, haben wir naturgemäß eine junge Unternehmenskultur, aber wir versuchen diese auch künftig beizubehalten“, so Willburger bereits im Hinblick auf den bevorstehenden Umzug. „Inzwischen umfasst unser Team etwa 15 Personen, damit sind wir größenmäßig eigentlich kein Start-up mehr, sondern normaler Mittelstand, und in der WG wird es leider zu eng.“ Deshalb bezieht Blue Sparrow Anfang April eine größere Bürofläche im Technologie- und Wirtschaftspark Innsbruck. „Nun gilt es, das umzusetzen, was wir bisher aufgebaut haben. Gelingt uns das, wird es ein sehr spannender weiterer Weg“, ist sich Willburger sicher. „Letztlich gibt uns der Markt dann Antwort, ob unsere Arbeitsweise eine ist, mit der man eigenständig, sprich ohne Subventionen, und langfristig bestehen kann.“


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01 Familienunternehmen unterliegen besonderen Dynamiken.

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Familiensache Wie ticken Familienunternehmen? Wie stehen sie zu Innovation und Internationalisierung und was passiert nach dem Generationenwechsel? Die noch relativ junge Forschung kennt noch nicht alle Antworten auf diese Fragen. Von Rebecca Müller

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aut der KMU Forschung Österreich sind 27.300 Betriebe in Tirol Familienunternehmen. In ganz Österreich gibt es 156.400 solcher Unternehmen, die in etwa 50 Prozent des Bruttoinlandproduktes erwirtschaften und mehr als 70 Prozent aller Erwerbstätigen beschäftigen. Zudem sind sie kein länder- oder branchenspezifisches Phänomen. Eine Studie der Europäischen Kommission zeigt, dass über ganz

Europa verteilt rund 70 bis 80 Prozent der Unternehmen Familienbetriebe sind – in den USA gar 89 Prozent. „Diese Zahlen zeigen, dass diese Betriebe in vielen Ländern Tradition haben“, erklärt Anita Zehrer, Leiterin des Zentrums Familienunternehmen am Management Center Innsbruck (MCI). Die Forschung rund um Familienunternehmen kann derweil und trotz ihrer Signifikanz für die Wirtschaft als relativ jung angesehen werden. 40

„Vor allem das Thema rund um die Faktoren und Prozesse einer erfolgreichen Nachfolgeregelung lässt noch viele Fragen offen“, bestätigt Zehrer. Stabil, authentisch und sympathisch Andere Besonderheiten von Familienunternehmen lassen sich bereits klar beschreiben. Zum Beispiel in puncto Image, das im Allgemeinen ein positives ist. Nachhaltigkeit, menschliche Ver-


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Anita Zehrer ist Hochschullektorin, Leiterin Zentrum Familienunternehmen sowie Stv. Leiterin des Hochschul-Kollegiums am MCI und lehrt unter anderem an der School of Business an der University of Notre Dame und der University of Canberra.

bindlichkeit, Authentizität, Stabilität und Qualität sind Merkmale, die den Unternehmen zugeschrieben werden. Anita Zehrer sieht sie auch als Sympathieträger und Gegenpol zu anonymen Managern und gesichtslosen Konzernen. „Ich denke aber auch, dass Familienunternehmen unter Druck stehen, vor allem durch Trends wie die Globalisierung und Digitalisierung. Hier müssen sie mithalten“, so Zehrer. Langsam, aber nachhaltig Schritthalten heißt es für Familienunternehmen natürlich auch gegenüber Konkurrenten. Studien über das Verhalten am Markt zeigen, dass aufgrund der priorisierten Langzeitorientierung des Betriebs ein eher risikovermeidendes Verhalten vorherrscht. Gewinne werden häufiger in das Unternehmen reinvestiert und anstelle kurzfristiger Gewinnmaximierung steht Nachhaltigkeit. „Das Ziel ist die familieninterne Fortführung des Unternehmens über Generationen hinweg“, erklärt Anita Zehrer. Familienunternehmen wachsen auch eher langsam, dafür nachhaltiger. „Stabilität bedeutet jedoch nicht automatisch Stagnation“, betont Zehrer. Die Professorin und Forscherin räumt aber ein, dass solchen Betrieben oft und nicht immer zu Unrecht nachgesagt

wird, sich mehr der Tradition als der Innovation zu verpflichten. Bestrebt, innovative Lösungen zu finden, sind sie dennoch. „Sie suchen stets nach Lösungen für ihre Kunden und sind grundsätzlich nahe am Kundenproblem“, betont Zehrer. Auch mit einer Internationalisierung lassen sich Familienunternehmen gerne ein wenig länger Zeit. Laut wissenschaftlichen Studien werden sie im deutschsprachigen Raum erst ab der dritten Generation international tätig. Natürlich, wachsen sie aber. „Denn zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ist Wachstum geradezu eine Notwendigkeit“, gibt Anita Zehrer zu Bedenken. Der Prozess ist dabei ein organischer: Klassische Wertschöpfung auf Basis von Innovationen, Umsatz, Mitarbeiteran-

mitunter einen Generationenwechsel mit sich bringen. Ein, besonders für Familienunternehmen, wichtiges, aber auch hochsensibles Thema. Schon im Tagesgeschäft müssen sie Emotionen, familiäre Bedürfnisse und Stabilitätserhaltung mit rein unternehmerischen Charakteristika wie nackten Zahlen, Nachfrage- und Wettbewerbssituation und Umweltveränderungen balancieren. Bei einer Übergabe müssen außerdem Planung, Prozess und nicht zuletzt der Zeitpunkt stimmen. Gerade letzterer birgt einige Gefahren – sowohl eine zu frühe als auch eine zu späte Übergabe kann schädlich sein. Außerdem stehen sich zwei Generationen gegenüber, deren Bedürfnisse berücksichtigt werden wollen. „Wenn

Anita Zehrer, Leiterin des Zentrums Familienunternehmen am MCI

„Vor allem das Thema rund um die Faktoren und Prozesse einer erfolgreichen Nachfolgeregelung lässt noch viele Fragen offen.“ zahl etc. werden der Erschließung neuer Märkte oder der Akquisition ausländischer Unternehmen, also anorganischen Wachstumsfaktoren, vorgezogen. Das bedeutet aber nicht, dass Familienunternehmen nicht international operieren können oder wollen. Organisches wie anorganisches Wachstum ist nicht auf nationale Märkte begrenzt. Emotionen und das System Familie Eine neue Ausrichtung, auch über bewährte (Länder-)Grenzen hinweg, kann 41

man Untersuchungen Glauben schenkt, schaffen nur zwei von drei Unternehmen den Sprung in die zweite Generation, in die dritte schafft es nur noch jedes dritte“, so Anita Zehrer. Die Leiterin des Zentrums Familienunternehmen am MCI betont aber gleichzeitig, dass gerade bei diesem Thema noch Forschungsbedarf besteht. So bleibt die Frage nach einem Generationenwechsel in Familienunternehmen eine zentrale – für die Unternehmen wie für die Forschung.


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Digitale Farbpakete für virtuelles Geld Am Institut für Informatik arbeitet Rainer Böhme an einem Mechanismus, der die Kryptowährung Bitcoin für viele Straftäter uninteressant werden lassen könnte. Zugleich soll aber der Nutzen des digitalen Geldes erhalten bleiben. Von Daniel Feichtner

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01 Transaktionen mit klassischen Währungen werden über eine vermittelnde Instanz abgewickelt. Die Kontobesitzer sind dabei bekannt, der Zahlungsverkehr jedoch nicht. 02 Bitcoins drehen dieses Prinzip um. Der Geldfluss ist öffentlich ersichtlich. Überweiser und Empfänger bleiben jedoch weitgehend anonym.

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ie allgegenwärtige Präsenz des Internets bringt viele Vorteile mit sich. Schnell und frei zugängliche Information, globale Vernetzung und Datenaustausch in Sekundenbruchteilen machen unser Leben einfacher, unsere Wirtschaft effizienter und vieles mehr. Doch diese Entwicklung hat ihren Preis. „Als logische Konsequenz müssen immer mehr soziale Prozesse in digitale Systeme verlagert werden“, beschreibt Rainer Böhme, Professor am Institut für Informatik der Uni Innsbruck und Experte für Datensicherheit und Datenschutz. „Das führt dazu, dass viele in der analogen Welt ‚gewachsenen‘ Mechanismen, denen wir vertrauen und die als Sicherheitsmaßnahmen dienen, nicht mehr vollends oder gar nicht mehr gültig sind.“ Mit der Ausprägung dieses Phänomens und seinen Folgen in den unterschiedlichsten Bereichen befasst sich Böhme. Ziel ist es, Lösungen zu finden und Methoden zu entwickeln, die auch in der virtuellen Welt Sicherheit garantieren und Kriminalität unterbinden.

Rainer Böhme hat in Deutschland Wirtschaftswissenschaften und Informatik studiert. Seit 2015 lehrt und forscht er im Rahmen einer Stiftungsprofessur der Archimedes Stiftung an der Universität Innsbruck. In Tirol befasst er sich vorrangig mit dem Bereich Datensicherheit und Datenschutz.

rem das Potenzial, im weltweiten Online-Handel als unabhängiges Zahlungsmittel eingesetzt zu werden, ohne von teuren Intermediären abhängig zu sein. Verschleierungsgefahr Damit verbunden sind aber auch Schattenseiten. Anders als bei regulären Bankkonten sind die Besitzer von Bitcoins nicht bekannt. Jeder Internetbenutzer kann ein Konto – ein sogenanntes Wallet – eröffnen, ohne sich identifizieren zu müssen. „Das macht die Währung für Geschäfte abseits der Kontrolle durch Gesetzgeber interessant“, erklärt Böhme. Dementsprechend beliebt sind Bitcoins zum Beispiel in Erpressungsfällen. Gerade bei sogenannten Kryptotrojanern – Schadsoftware, die Daten von Nutzern verschlüsselt und sie so sozusagen als Geisel nimmt – wird das Lösegeld oft in Form der virtuellen Währung gefordert. Daran, diesem Problem einen Riegel vorzuschieben, arbeitet Böhme. „Wir wollen aber nicht stupide die Mechanismen erzwingen, die in der analogen Welt eingesetzt werden, um das zu erreichen“, meint er. „Denn das würde bedeuten, die bewusst dezentral entwickelte Währung durch ein Zentralorgan komplett zu verwalten. Dadurch würden Bitcoins einen ihrer großen Vorteile einbüßen.“

Neues Geld Eines dieser Gebiete sind Zahlungssysteme. Dort entstehen seit einigen Jahren immer wieder Pendants zu einem grundsätzlich analogen System: virtuelle Währungen. Dieses „digitale Geld“ gibt es in verschiedensten Varianten. Am bekanntesten und damit auch am weitesten verbreitet sind die sogenannten „Bitcoins“, die seit 2008 im Internet kursieren. Und ihnen widmet sich auch das deutsch-österreichische BITCRIME-Projekt, das Böhme leitet. „Bitcoins sind eine digitale, dezentrale, kryptografische Währung“, beschreibt der Experte. „Das bedeutet, dass das virtuelle Geld direkt über das Internet weitergegeben werden kann, ohne dass eine Bank oder eine andere Instanz als Verwalter dazwischengeschaltet wird. Allerdings garantieren kryptografische Techniken dabei, dass die Bitcoins nicht gefälscht werden können.“ Damit haben sie unter ande-

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Fingerabdrücke Stattdessen plant er, sich eine Eigenheit der Kryptowährung zunutze zu machen: Bei analogem Geld sind die Kontoinhaber bekannt, seine Herkunft lässt sich aber durch Geldwäsche verschleiern. Bei Bitcoins verhält es sich genau andersherum: Die Wallet-Besitzer bleiben weitgehend anonym. Doch um die digitale Währung fälschungssicher zu machen, wird jede Transaktion in einer kryptografischen Datenstruktur – der sogenannten Blockchain – festgehalten. So hinterlässt jede Hand, durch die eine Bitcoin geht, einen digitalen Fingerabdruck. Zwar kann dadurch der Besitzer nicht identifiziert werden, es wird aber ersichtlich, aus welchem Wallet sie transferiert wurde. Und genau hier will Böhme einhaken. „Im Zuge des BITCRIME-Projekts erforschen wir die technische Machbarkeit einer Sperrliste.“ Ein solches System würde es Erpressungsopfern ermöglichen, Zahlungen zu melden. Wäre die Signatur des Lösegelds einmal in einem Index festgehalten, könnten Händler die Annahme von Bitcoins, die durch Straftaten gewonnen worden sind, verweigern. Das Lösegeld wäre damit wertlos – ähnlich wie Banknoten, die bei einem Bankraub durch ein Farbpaket markiert werden. Und zumindest ein Teil der Kriminellen würde vermutlich schnell das Interesse an der neuen Währung verlieren. Weltweite Anwendbarkeit Beim Entwurf eines solchen Systems wird BITCRIME vom österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie sowie dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. An dem Projekt beteiligen sich neben Informatikern auch Wirtschaftswissenschaftler und Juristen. So soll ein umsetzbares und rechtskonformes System skizziert werden, das es europaweit Straftätern schwerer machen könnte, Gewinne zu erzielen. Neben der praktischen Anwendung steht aber auch die Erweiterbarkeit im Vordergrund. „Auf lange Sicht könnte es dieses Prinzip möglich machen, eine weltweite Sperrliste zu implementieren. Dann würde es nahezu unmöglich werden, Bitcoins für solche Straftaten zu nutzen“, hofft Böhme. „Eine kriminelle Nutzung der virtuellen Währung könnten wir natürlich nicht komplett verhindern – Geldwäsche gibt es ebenso bei analogem Geld. Doch mit einem solchen Mechanismus wären wir in der Lage, eines der größten RisikoPotenziale von Bitcoins zu beseitigen.“

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Geteilte Verantwortung: Die Blockchain Bei einem normalen Geldtransfer kommt eine Kontrollinstanz, etwa eine Bank, zum Einsatz, der beide Seiten der Transaktion vertrauen. Sie garantiert, dass die Zahlung geleistet wird, die Währung echt ist und derselbe Wert den Empfänger erreicht. Außerdem verzeichnet sie die Überweisung in einer Buchhaltung, die in der Regel nicht einsehbar ist. Bei Bitcoins erfüllt diese Funktion die Blockchain – ein Register, in dem jede Transaktion dokumentiert wird. Im Gegensatz zur Bank „gehört“ diese Datenbank aber niemandem. Vielmehr ist sie im Bitcoin-Netzwerk auf einer Vielzahl von voneinander unabhängig betriebenen Computern parallel gespeichert. Jeder davon fungiert als Knotenpunkt und besitzt eine komplette Kopie der Blockchain. Werden irgendwo auf der Welt Bitcoins von einem Wallet ins nächste verschoben, wird anhand ihres „Lebenslaufs“ überprüft, ob sie echt sind. Erst dann wird die Transaktion in der Blockchain festgehalten. Und das auf allen beteiligten Computern weltweit. Stimmt der neue Datensatz aufgrund einer Manipulation nicht mit dem auf den anderen Computern überein, wird die Transaktion abgewiesen.


Das WTZ ist das größte Kompetenzzentrum für akademischen Wissens- und Technologietransfer Westösterreichs. Unter dem Dach des WTZ-West arbeiten sechs führende Universitäten (Universität Innsbruck, Medizinische Universität Innsbruck, Universität Salzburg, Mozarteum Salzburg, Kunstuniversität Linz, Johannes Kepler Universität Linz) und ihre assoziierten Partner gemeinsam daran, neue Wissenshorizonte zu schaffen, Potentiale zu bündeln und das Thema Forschung verstärkt in den Vordergrund zu stellen. www.wtz-west.at

Mit dem WTZ-West kommt die Wissenschaft ins Kino! Wenn es um Patente geht, sind die Inhalte oft sehr schwer verständlich. Vor allem, wenn man nicht vom Fach ist. Oder wie klingt das für Sie: Rhinospider, Patient Registration System for Submillimetric Accuray in Neurosurgery? In Tirol, Salzburg und Oberösterreich gibt es viele spannende und wichtige Forschungsansätze. Nicht nur die Entwicklung neuer Technologien, sondern auch die Vermittlung komplexer Forschungsthemen in einfachen

Worten und auf allgemein verständliche Weise, ist eine Kunst für sich. Was liegt daher näher, als gemeinsam mit einer Kunstuniversität genau das zu versuchen: Wissenschaftliche Inhalte von Patenten aus Universitäten, der Öffentlichkeit leicht und verständlich zugänglich zu machen?

So entstand im Rahmen des Wissenstransferzentrum West das Projekt „Patentvideos“. Unter künstlerischer Beteiligung werden dabei hoch komplexe Patentinhalte �ilmisch umgesetzt.

Durch diese enge Kopplung von Wissenschaft und Kunst nimmt das Projekt international eine Vorreiterrolle in der Wissenschaftsvermittlung ein.

FILM AB! FÜR INNSBRUCKER PATENT IM LEOKINO: Wer sich für diesen Ansatz der Wissenschaftskommunikation interessiert, hat in Innsbruck bald Gelegenheit dazu. Denn im Innsbrucker Leokino heißt es: Film ab! für ein Patent aus der Medizinischen Universität Innsbruck!

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DAS WTZ-WEST


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Die Macht der Musik Konsumentenmanipulation ist allgegenwärtig. Robert Schorn von der Privaten Gesundheitsuniversität UMIT in Hall geht der Frage nach, wie Hintergrundmusik unbemerkt unser Kauf- und Risikoverhalten steuert. Von Julia Brandner

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er Frühling ist angebrochen. Die ganze Stadt will die ersten Sonnenstrahlen genießen und sich dabei mit der neuen Frühjahrskollektion eindecken oder einfach eine Kugel Eis essen. Was sich hier so entspannt anhört, ist für die meisten allerdings das Gegenteil, nämlich purer Stress. Schlangen an den Kassen und Gedränge vor den Geschäften sind an der Tagesordnung. Komplett entnervt kämpft man sich bis zu einem Shop seiner Wahl durch und wird plötzlich ruhig. Die Schritte werden langsamer, die Atmung gemäßigter. Die Auswahl an den Kleiderständern will auf einmal wieder erkundet werden. Wer in der Eisdiele sitzt, blättert gelassen durch die Karte mit den leckeren Eisbechern und wartet geduldig auf die Bedienung. Und das alles wegen der Musik im Geschäft. Omnipräsente Beeinflussung Musik ist eine einfache, aber nicht zu unterschätzende Möglichkeit der Kundenmanipulation. Man muss also längst nicht nur beim Shoppen im Internet oder beim bargeldlosen Bezahlen aufpassen, dass die eigenen Gewohnheiten ausspioniert werden und man gezielt von den Unternehmen dazu angespornt wird, mehr Geld auszugeben. Auch im heimischen Supermarkt muss man schon vermehrt damit rechnen, dass man beeinflusst wird, ohne es zu merken.

„Für die UMIT ist Konsumentenschutz ein großes Thema“, sagt Robert Schorn, dessen Forschungsschwerpunkt auf Risiken und Prävention von Manipulation liegt. „Internationale Großkonzerne haben ein riesiges Budget, das sie in verschiedenste Forschungsprojekte über das Kaufverhalten investieren können. Als Privatperson hat man jedoch keine Einsicht in diese Erkenntnisse und weiß nicht, wo die Gefahren liegen.“

das Kauf- und Risikoverhalten der Menschen. Hier gibt es nämlich einige Faktoren, die menschliches Handeln gezielt steuern. „Musik weckt verschiedenste Assoziationen“, erklärt Robert Schorn, der selbst jahrelang Musiker war. „Das Paradebeispiel dafür sind Weihnachtslieder. Wenn man in einem Geschäft beispielsweise ‚Last Christmas‘ hört, denkt man unweigerlich an Geschenke und daran, dass man unbedingt welche kaufen sollte. Und genau das tut man dann auch meistens.“ Auch Länderstereotype können durch diese Taktik aktiviert werden. Untersuchungen in einem Weingeschäft haben gezeigt, dass die Leute mehr Weine aus Frankreich kauften, wenn im Hintergrund französische Chansons gespielt wurden. Außerdem beeinflussen bestimmte Lieder die Stimmung der Menschen. Beschwingte Klänge beispielsweise machen gute Laune. Wer fröhlich ist, ist weniger kritisch und neigt dazu, mehr Geld auszugeben, als es bei schlechter Stimmung der Fall wäre. Aus diesem Grund setzen Supermärkte meist auf motivierende Musik – es gibt sogar eigene Radios für Lebensmittelmärkte mit speziell auf diese abgestimmter Songauswahl.

Eine Frage der Stimmung Aus diesem Grund untersucht Robert Schorn auch den Einfluss von Musik auf

Tempo und Töne In seinen Untersuchungen, für die er die Musik zum Teil selbst komponierte, kon-

Robert Schorn studierte Betriebswirtschaftslehre und Psychologie an der Universität Innsbruck. Von 2002 bis 2012 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus an der Universität Innsbruck. Seit 2012 ist er Universitätsassistent am Institut für Psychologie an der UMIT. Seine Forschungsschwerpunkte sind Marken- und Konsumentenpsychologie, Risiken und Prävention von Manipulation sowie unbewusste Effekte im Denken, Fühlen und Verhalten von Menschen.

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Robert Schorn

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„Wenn man in einem Geschäft beispielsweise ‚Last Christmas‘ hört, denkt man unweigerlich an Geschenke und daran, dass man unbedingt welche kaufen sollte.“

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zentriert sich Robert Schorn aber nicht nur auf die Wirkung spezieller Genres, sondern vor allem auf drei Parameter: Tempo, Tongeschlecht und Töne pro Takt. Jeder dieser Faktoren wirkt sich unterschiedlich aus. Das Tempo beeinflusst unsere Bewegungen maßgeblich. Ähnlich verhält es sich mit den Tönen pro Takt, da Lieder mit mehr Tönen als schneller wahrgenommen werden. Wir passen unsere Bewegungen unbewusst an die Geschwindigkeit der Musik an. Schnelle Lieder führen daher dazu, dass wir rasch zum Ausgang hetzen. Umgekehrt werden die Schritte mit sinkendem Liedtempo gemächlicher. Langsame Musik hat daher den oftmals erwünschten Effekt, dass Kunden länger im Geschäft oder Restaurant verweilen. Je mehr Zeit man dort verbringt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man das zweite Paar Schuhe doch noch kauft oder ein Glas Wein zum Abschluss des Abendessens bestellt.

Unsere Ohren sind an die fröhlichen Dur-Klänge gewöhnt, da in unserem westlichen Kulturkreis die meisten Stücke darin komponiert werden.

Moll erhöht Risikobereitschaft In puncto Tongeschlecht konnten interessante Auswirkungen auf den Wagemut der Menschen festgestellt werden. Unsere Ohren sind an die fröhlichen Dur-Klänge gewöhnt, da in unserem westlichen Kulturkreis die meisten Stücke darin komponiert werden. Das melancholisch anmutende Moll dagegen 48

wird bei uns weniger häufig verwendet. Die Forschungen von Robert Schorn und seinen Kollegen zeigten, dass dieses für unsere Ohren eher ungewohnte Tongeschlecht, das beispielsweise häufig in russischer Musik vorkommt, besonders in Kombination mit einem schnellen Tempo unsere Risikobereitschaft signifikant erhöht. Kunden, die zum Beispiel in Wartezimmern von Finanzberatern mit schnellen Moll-Stücken beschallt werden, sollten dazu tendieren, mehr Geld in einen riskanten Fonds zu investieren. Musikalische Abschreckungsmaßnahmen Internationale Großkonzerne sowie lokale Einzelhändler wissen um die Effekte der Musik und machen sie sich zunutze. Ein äußerst wirksames Instrument, um eine bestimmte Klientel anzulocken, ist das Genre. Der Stil entscheidet maßgeblich mit, wie wohl wir uns an einem Ort fühlen. Eine Bar, deren Zielgruppe Teenager und junge Erwachsene sind, ist daher zum Beispiel mit moderner Rockund Popmusik besser beraten als mit Swing aus den Zwanzigerjahren. Lokale und Kaufhäuser versuchen allerdings nicht nur, die Menschen so lange wie möglich bei sich zu behalten, sondern es ist auch das Gegenteil der Fall. So wurden schon Studien getätigt, bei denen die Wirkung von klassischen Kompositionen auf Bahnhöfen untersucht wurde. Das Ziel dieser Forschungen war es, „unerwünschte“ Besucher, die nicht auf ihren Zug warten, vom Bahnhof fernzuhalten. „Einige Fast-Food-Restaurants greifen bevorzugt zu gecoverten Songs“, erklärt Robert Schorn zudem eine weitere Strategie. „Diese Lieder haben oftmals einen abschreckenden Effekt und die Leute bleiben nicht so lange im Lokal sitzen, sondern geben den Platz für andere zahlende Kunden frei.“


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Von der Idee zum Erfolg

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agtäglich werden in Tirol Ideen geboren. Sie kommen von Unternehmern und Unternehmerinnen, deren Mitarbeitern, von Studierenden oder anderen kreativen Köpfen. Durch die Umsetzung dieser Ideen in ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung entsteht Innovation. Und diese ist für uns alle wichtig, denn ohne Innovation kann es keine nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Tirol geben.

Kompetente Hilfe bei Finanzierungsfragen Da man bei der Entwicklung von Ideen immer neue Wege beschreitet, sind kleinere und größere Fragestellungen zu lösen. Eine wichtige Frage ist die Finanzierung, da die Umsetzung einer Idee immer ein gewisses Budget erfordert. In diesem Zusammenhang sind Förderungen sehr wichtig, von denen es in Tirol und Österreich einige gibt. So zahlreich wie das Angebot an Förderun-

gen ist auch die Anzahl der Förderstellen. Es lohnt sich daher, rechtzeitig die richtigen Informationen einzuholen und mit einem starken Finanzierungspartner gemeinsam zu planen. Die Förderexperten von Raiffeisen wissen, welche Förderung für Sie in Frage kommt und was beim jeweiligen Antrag zu beachten ist.

Ein starker Tiroler Partner für Ihren Unternehmenserfolg.

Auf Augenhöhe mit den Tiroler Unternehmen Unzählige erfolgreiche Förderprojekte haben die Tiroler Raiffeisenbanken gemeinsam mit den regionalen Unternehmern bereits umgesetzt und sich dadurch gut mit den Förderstellen vernetzt und wertvolle Erfahrung gesammelt. Die Raiffeisen-Bankengruppe Tirol konnte beispielsweise 2015 ihre Kunden mit Exportfinanzierungen in der Höhe von 44,6 Mio. Euro unterstützen, das waren um knapp 15 Prozent mehr als im Jahr davor. Ihr Raiffeisenberater informiert Sie gerne über alle Details.

Mit rund 2 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben stärkt die Raiffeisen-Bankengruppe Tirol nachweislich die Wirtschaft in unserem Land.

421 Millionen Euro stellten wir 2015 für die heimische Wirtschaft zur Verfügung.

Unser Netzwerk zu mehr als 200 nationalen und internationalen Banken ermöglicht unseren Kunden den Zugang zu Märkten und Produkten.

Für mehr als 25.000 Tiroler Firmenund Geschäftskuden ist Raiffeisen ein starker Partner.


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Eine Frage der

Ethik

Soziale Verantwortung und nachhaltiges Handeln wird für Unternehmen immer wichtiger. Doch kann davon direkt profitiert werden? In einem brandneuen Projekt wird wird nach einem Zusammenhang zwischen Ethik und Innovation geforscht. Von Daniel Feichtner

Carolin Egger

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„Mitarbeitern muss genügend Vertrauen entgegengebracht werden, um sie ‚machen zu lassen‘.“

nnovation ist ein schwer fassbares Thema. Dennoch ist der Begriff aus der Wirtschaft schon lange nicht mehr wegzudenken und wird nicht selten zur Messlatte des Erfolgs. Dementsprechend sind die innovative Leistung und die Frage nach ihrem Ursprung zunehmend Gegenstand der Forschung. „Vergleicht man beliebige Unternehmen miteinander, wird schnell ersichtlich, dass manche deutlich innovativer sind als andere“, beschreibt Carolin Egger den Grundgedanken eines vom Tiroler Wissenschaftsfonds geförderten Forschungsprojekts, das sie an der Fachhochschule Kufstein Tirol betreut. „Verantwortlich dafür sind mit Sicherheit eine Reihe von Faktoren. Wir befassen uns aber mit einem ganz speziellen Aspekt, der vor allem im Management-Bereich zunehmend diskutiert wird: der Ethik.“

sein muss. „Unter den Begriff ‚Ethik‘ fallen dabei alle Verhaltensweisen, die man als ‚nachhaltig gegenüber den Stakeholdern‘ eines Betriebs bezeichnen kann“, grenzt Egger die Definition ein. Das betrifft natürlich Kunden ebenso wie Mitarbeiter. Aber genauso maßgeblich sieht sie zum Beispiel die Beziehung zu Lieferanten an dem Netzwerk, das ein Unternehmen umgibt, beteiligt. „All diese Interaktionen wollen wir unter die Lupe nehmen. So können wir herausfinden, ob es eine direkte Korrelation zwischen dem Verhalten eines Unternehmens und seiner Innovationsleistung gibt.“ Schwer zu messen Generell lassen sich die Voraussetzungen, die Innovation bedingen, in zwei Kategorien unterteilen. Einerseits sind das die „harten Fakten“. Darunter fallen Finanzen ebenso wie Ressourcen, die Fähigkeiten von Mitarbeitern und die organisatorischen Strukturen. „Dieser Bereich ist relativ gut erforscht, da es hier oft messbare Werte gibt“, erklärt Egger. „Ethik spielt aber auch im Bereich der ‚weichen Faktoren‘ eine große Rolle. Dabei geht es um die Unternehmenskultur und die Werte, um Vertrauensbil-

Wirtschaftlicher Vorteil Egal ob man von der „Corporate Citizenship“ oder der „Corporate Social Responsibility“ spricht: In der Wirtschaft entwickelt sich zunehmend Bewusstsein dafür, dass ethisches Handeln nicht zwangsläufig ein Hemmschuh für Unternehmen

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Carolin Egger hat Wirtschaftsingenieurwesen an der FH Esslingen studiert. Außerdem verfügt sie über einen Master-Abschluss in Internationalem Management und hat an der Universität Lettlands, Riga, promoviert. Seit 2012 forscht und unterrichtet sie an der FH Kufstein Tirol im Studiengang Unternehmensführung. Dabei beschäftigt sie sich eingehend mit dem Thema Innovation und den nötigen Rahmenbedingungen, um diese zu ermöglichen.

dung und Kommunikation. Und das lässt sich nur schwer in Zahlen fassen.“ Deswegen wollen die Forscher an der FH Kufstein Tirol sich dieses bisher eher ignorierten Bereichs der Innovationsforschung annehmen und zeigen, dass auch hier großes Potenzial liegt.

die ihr als Nährboden dient. Dabei muss Mitarbeitern zum einen die nötige Freiheit gelassen werden, um innovativen Ideen nachzugehen. Zugleich gilt es aber, einen Anreiz zu schaffen, Neues zu kreieren. „So entsteht ein Balanceakt“, beschreibt Egger. „Mitarbeitern muss genügend Vertrauen entgegengebracht werden, um sie ‚machen zu lassen‘. Zugleich muss aber auch ein gewisser Druck zur Verbesserung herrschen, ohne dabei den persönlichen Willen und die Kreativität zunichtezumachen.“

Kommunikation als Schlüssel Dabei haben sie mehrere Mechanismen im Visier, die sich als innovationstreibend erweisen könnten. Als einen der wichtigsten Faktoren betrachtet Egger die Kommunikation, die stark von nachhaltigem Handeln beeinflusst wird. „Die bisherige Doktrin war es häufig, Innovation im Verborgenen zu betreiben, um sie vor der Konkurrenz zu schützen“, meint die Expertin. Doch die Verbesserung alter und die Entwicklung neuer Produkte, Prozesse und Strukturen ist oft abhängig von unternehmensexternen Wünschen und Bedürfnissen – sei es vonseiten der Kunden oder Lieferanten, sei es von Partnerunternehmen. „Um diese zu erfassen und zu verstehen, ist man auf eine gute und vor allem offene Kommunikation angewiesen. Und die kann nur entstehen, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet.“

Erst am Anfang Die erste Phase von Eggers Forschungsprojekt, in der die Fragestellungen erörtert werden sollen, ist inzwischen nahezu abgeschlossen. Als nächster Schritt sind Befragungen des Managements innovativer Tiroler Unternehmen geplant. Anhand dieser soll es dann möglich sein, eine Korrelation zwischen der Innovationsleistung und dem ethischen und nachhaltigen Verhalten der Betriebe nachzuweisen. „Dafür suchen wir noch Unternehmen aus allen Sparten, die sich an dem Projekt beteiligen möchten“, sagt Egger. „Je breiter es uns gelingt, die Thematik zu erforschen, desto eher wird es möglich sein nachzuweisen, in welchen Bereichen der Innovation unsere Annahme zutrifft.“

Fruchtbarer Boden Ähnliches gilt auch innerhalb des Betriebs. Innovation braucht eine Unternehmenskultur,

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MEDIZIN

AUSSERDEM: NEUES IN

WIRTSCHAFT & DIGITAL SE RV IC E DE SI GN

L E IC H T G E M AC H T

Kundenerlebnisse sind ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines Unternehmens. Eine Hilfestellung, um diese zu gestalten, liefern spezielle Tools, wie sie das Innsbrucker Unternehmen Smaply entwickelt. Die webbasierte Software stellt Kundengruppen, ihre relevanten Beziehungen und ihre Erlebnisse mit dem Unternehmen bzw. der Marke visuell dar – und schafft so Übersicht über komplexe Strukturen.

ABGESICHERT

FREUND &

Die MCI-Studentin Johanna Haas erhält als eine von drei Preisträgerinnen den Hammurabi Preis für ihre hervorragende Bachelorarbeit. Sie untersuchte, welche Faktoren die Versicherungswahl beeinflussen, und die Ergebnisse sprechen für sich: Sie stellen die Rolle der Werbung in Frage und rücken das persönliche Umfeld als Einflussfaktor in den Vordergrund. Mit dieser ausgezeichneten Arbeit schließt sie ihr berufsbegleitendes Studium „Wirtschaft & Management“ ab.

FEIND

GENUG STROM FÜR EINE KLEINE STADT

Mit 3.040 Quadratmetern Kollektorfläche betreibt das Fahrzeugwerk Empl in Kaltenbach die größte Photovoltaikanlage Westösterreichs. Aktuell liefern die Solarzellen dort bis zu 430.000 Kilowattstunden – theoretisch genug, um 132 Haushalte zu versorgen. Noch 2016 soll ein Ausbau erfolgen, der die Leistung um weitere 250.000 Kilowattstunden steigert. Gemeinsam mit den beiden anderen, ebenfalls mit Photovoltaik ausgestatteten Werken in Hall und Uderns deckt Empl damit rund 50 Prozent seines Energiebedarfs in Tirol durch Solarstrom.

SURTO

T E C H N O LO

GIE IM

© XAVIER BA

TOU R I S M U Eine weitere Studentin des MCI wurde für ihre wissenschaftliche Leistung im Bereich Tourismus ausgezeichnet. Rebecca Wahler erhält den ITB Wissenschaftspreis in der Kategorie „Beste Masterarbeit zum Thema eTourismus“. Mit der Arbeit identifiziert sie die aktuellen Erwartungen an touristische Websites und gibt Handlungsempfehlungen für die Branche. Relevant ist das Thema in jeder Hinsicht, denn die Anforderungen an Websites steigen mit der sogenannten „Generation Y“ und ihrem technologischen Wissen mit hoher Geschwindigkeit.

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sther Blanco und Björn Vollan, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Innsbruck, haben untersucht, wie sich der Naturschutz in der Region Baja California Sur auf die Verhaltensweisen der regionalen Fischer auswirkt. An der mexikanischen Küste werden zunehmend Schutzgebiete errichtet, um die Meere und Gebiete nachhaltig zu bewahren. Das Ergebnis der Untersuchung: In geschützten Gebieten besteht bei den Fischern untereinander sowohl eine gesteigerte Bereitschaft zur Kooperation als auch zur Rivalität.

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ZUM SCHLUSS

Preisverdächtig? Jedes Jahr werden wissenschaftliche Errungenschaften und Erkenntnisse mit einer Vielzahl von Auszeichnungen gewürdigt. Doch es gibt auch eine Reihe von Preisen für all jene, die sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Von Julia Brandner

Der IG-NOBELPREIS würdigt Leistungen, die „Menschen erst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen“. Unter anderem wird der Preis in der Kategorie „Frieden“ verliehen. In dieser ging er 2000 an die britische Royal Navy, die ihren Matrosen verbot, bei Übungen scharfe Munition zu benutzen. Stattdessen sollten sie einfach laut „Peng!“ rufen. Zwölf Jahre später ging der Preis an die russische SKN Company, die auf dekorative Art und Weise den Weltfrieden unterstützte, indem sie alte russische Munition zu neuen Diamanten verarbeitete. Wenn sich alle daran ein Beispiel nähmen, gäbe es statt Kriegen nur mehr Menschen, die sich mit Diamanten bewerfen und dabei Schussgeräusche imitieren.

Jeweils am 1. April wird der PIGASUS AWARD in unregelmäßigen Abständen vom kanadischen Illusionisten James Randi verliehen. Er hat es sich seit den 1970ern zur Aufgabe gemacht, Scharlatane und Pseudowissenschaftler zu enttarnen. Die Auszeichnung hieß ursprünglich „Uri Trophy“ nach Uri Geller, mit dem sich Randi seit langem eine persönliche Fehde liefert. Der aktuelle Name des Preises setzt sich aus dem englischen „pig“ (Schwein) und dem mythologischen „Pegasus“ zusammen und nimmt Bezug auf das englische Sprichwort „Wenn Schweine fliegen können“ – also unter keinen Umständen. Für ihre absurden Behauptungen und deren – mitunter gefährliche – Verbreitung wurden unter anderem der Verschwörungstheoretiker Alex Jones, Fernsehprediger Peter Popoff und die Impf-Gegner Andrew Wakefield und Jenny McCarthy ausgezeichnet.

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Mit dem GOLDENEN BRETT gibt es auch in Österreich einen Negativpreis: Er wird von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften für den „erstaunlichsten pseudowissenschaftlichen Unfug“ des Jahres im deutschsprachigen Raum vergeben. Nominiert war 2015 unter anderem FPÖ-Umweltsprecherin Susanne Winter dafür, dass sie den Klimawandel und die damit verbundenen Gefahren als „ideologische Pseudowissenschaft“ betitelte. Obwohl sie das Konzept des Preises verstanden hatte, ging sie in diesem Fall leer aus – zugunsten des deutschen Pseudowissenschaftlers und Autors Stefan Lanka, der bis heute in seinen Publikationen vehement die Existenz von Infektionskrankheiten inklusive HIV und Ebola leugnet.



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