DAS MAGAZIN ZU FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG AUSGABE 01/2015
IN TIROL
ABGEBAUT
Was Tiroler Bergleute im 16. Jahrhundert nach England trieb
AUFGESPÜRT
Warum Steueroasen auch mitten in Europa gedeihen
AUSGEPENDELT Wie Kranlasten sich frei schwebend stabilisieren lassen
FRÜHWARNSYSTEM Wie die Messung eines speziellen Proteins im Blut frühzeitig auf Erkrankungen hinweist
EDITORIAL
Inhalt PATENTE IN TIROL © SILBERBERGWERK SCHWAZ
Liebe Leserinnen, liebe Leser
Die Redaktion
Impressum Innovation in Tirol Beilage in der „Tiroler Tageszeitung“ Herausgeber, Medieninhaber und Verleger: TARGET GROUP Publishing GmbH Redaktion: Daniel Feichtner, Mag. Barbara Wohlsein, Mag. Klaus Erler, Max Schnabl, BA, Eva Schwienbacher, BA, Ernst Spreng, Mag. Sylvia Ainetter, Mag. Susanne Gurschler, Ines Burkhardt | Layout: Marco Lösch, BA, Thomas Bucher Illustrationen: Monika Cichoń | Anzeigenverkauf: Wolfgang Mayr Anschrift für alle: Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck, T: +43 (0)512/58 60 20 E: office@target-group.at, www.target-group.at | Druck: Intergraphik GmbH, Innsbruck
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GESCHICHTE, POLITIK & WIRTSCHAFT Knappen für die Insel
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Von wegen Karibik
10 © EMANUEL KASER
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rfindungen und Entdeckungen geschehen nahezu immer dort, wo keiner hinsieht. Das ist zum einen gut so, denn neue Technologien und Entwicklungen brauchen Schutz, bis sie in ein fertiges Produkt einfließen. Zum anderen stellen Innovationen aber auch einen großen Wert dar, der mit ihrem Bekanntheitsgrad steigt. Egal, ob eine neue Therapie, eine bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnis oder ein eben fertig entwickeltes Produkt: Sie leben oft nicht zuletzt von ihrer Präsentation und dem öffentlichen Bewusstsein um ihre Existenz. Im Gegenzug dazu macht Forschung neugierig. Sie gibt uns die Möglichkeiten, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen und einen Blick in eine mögliche Zukunft zu werfen. Und gerade die Tatsache, dass die Arbeit meistens versteckt in Labors oder Entwicklungsabteilungen vonstattengeht, macht sie umso spannender. Genau diese Brücke schlägt Innovation in Tirol: Zum einen richtet sich das Magazin an alle Tiroler und Tirolerinnen, die diese Neugierde kennen. Ihnen bietet es die Möglichkeit, einen Blick hinter den Vorhang zu werfen und zu erfahren, was in Tiroler Laboren, Unternehmen und an Hochschulen heute entwickelt und erforscht wird und vielleicht schon morgen die Welt verändern könnte. Zum anderen dient es als Bühne für Innovationen und die Menschen, die dahinterstehen, um zu zeigen, was in Tirol in allen Bereichen der Wissenschaft, Forschung und Technik geschieht und geleistet wird.
TECHNOLOGIE Die vierte Revolution
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Kontrolle auf allen Ebenen
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Erneuerbare Energie multimedial serviert
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Digitale Pistengaudi
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Wenn bester Schnee fällt
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Der Dreh mit der Kranlast
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MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE Blick in die Zelle
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Herzinfarkt-Diagnose in zehn Minuten
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Weg von der Nadel
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Ein Protein als Warnleuchte
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Eine Frage der Balance
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Ein Netzwerk für seltene Krankheiten
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Stressness oder Wellness?
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Tun, was Sinn macht
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Ressourcen finden, Chancen eröffnen
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WENN DIE NUR WÜSSTEN ...
Patente in Tirol:
₂₀₀ Jahre Schutz für Erfindungen Von Max Schnabl
Tirol:
SCHWAZ IST ERFINDERBEZIRK NR. 1
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2014 wurden beim Österreichischen Patentamt 156 Erfindungen für 125 Patente und 31 Gebrauchsmuster von Tiroler Unternehmen und Einzelpersonen angemeldet. Tirol liegt im Bundesländerranking in absoluten Zahlen an Erfindungsanmeldungen seit 2011 durchgehend an sechster Stelle.
gesamten In Tirol wurden im und ten Jahr 2014 69 Pa te eilt. ert r ste mu hs Gebrauc
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Reutte
hes Patentamt
Quelle: Österreichisc
Schwaz
Innsbruck Stadt Imst Das Patent Ein Patent schützt eine neue technische Lösung, die auf einer besonderen erfi nderischen Leistung beruht und gewerblich anwendbar ist. Es wird erst nach genauer Prüfung der Erfi ndung erteilt und garantiert ein räumlich und zeitlich begrenztes Ausschließungsrecht – es verbietet Dritten, den Gegenstand der Erfi ndung betriebsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen. Das Gebrauchsmuster Ein Gebrauchsmuster ist als „kleiner Bruder des Patents“ die zweite Möglichkeit, eine technische Erfi ndung zu schützen. Es entspricht sachlich dem Patent, wird aber nicht auf Neuheit und Erfi ndungseigenschaft geprüft. Jede formal einwandfreie Anmeldung wird registriert, kann aber auch auf Antrag Dritter für nichtig erklärt werden.
Landeck
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Innsbruck Land
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1820
Österreich gesamt:
wurde im Kaisertum Österreich ein mit dem heutigen Patentsystem vergleichbarer rechtlicher Erfindungsschutz eingeführt. Erfinder konnten Entwicklungen durch den Erhalt eines sogenannten Privilegiums offiziell eintragen lassen. Die Dauer eines Privilegiums betrug 15 Jahre. Der damaligen Regelung drückte der Kufsteiner Josef Madersbacher (1768–1850) maßgeblich seinen Stempel auf, indem er nach mehrmaliger Verweigerung eines Privilegiums für seine selbst entwickelte Nähmaschine hartnäckig für Änderungen des Privilegiengesetzes eintrat. Er erreichte schließlich sogar, dass sich der Kaiser persönlich mit Fragen des Erfindungsschutzes befasste.
2014 wurden beim Österreichischen Patentamt 3.111 Erfindungen angemeldet (2.363 Patente und 748 Gebrauchsmuster). Erteilt wurde der rechtliche Schutz im vergangenen Jahr nach teils mehrjährigen Prüfverfahren für insgesamt 1.450 Erfindungen. 80 Prozent dieser Patente und Gebrauchsmuster stammen aus Österreich.
1899
wurde ein Patentamt geschaffen, das Erfindungen nicht nur registriert, sondern diese auch vor Erteilung eines Patents überprüft.
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1935
Kufstein
übernahm die Handelskammer (heute Wirtschaftskammer) in Innsbruck die Betreuung von Tiroler Erfindern.
Kitzbühel
1900
stellte das Patentamt der österreichisch-ungarischen Monarchie die erste Tiroler Erfindung unter Schutz: einen Schnürschuhverschluss des Schwazers Anton Dirlinger.
1971
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wurde erstmals der Tiroler Erfinderpreis verliehen. Dahinter stand das Ziel, den Innovationsgeist im Land anzukurbeln. Ausgezeichnet wurde Rudolf Baldt, der als Prokurist der heute noch bestehenden Pharmazeutischen Fabrik Montavit in Absam ein chemisches Verfahren zur Herstellung von Eisen(III)-Komplexverbindungen entwickelt hatte.
1979
Lienz
traten das „Europäische Patentübereinkommen“ und der „Vertrag über die Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens“ in Kraft. Das Österreichische Patentamt erhielt damit zusätzliche Kompetenzen und ist heute eine Behörde, die jährlich über 1.000 internationale Prüfberichte zu Patenten verfasst.
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© SILBERBERGWERK SCHWAZ
GESCHICHTE, POLITIK & WIRTSCHAFT
Knappen für die Insel Im 16. Jahrhundert kam es in England zu einer Blüte des Bergbaus. Auslöser dafür waren Experten aus Tirol. Ein neues Projekt der Uni Innsbruck erforscht den Export ihres Know-hows und seine Konsequenzen. Von Daniel Feichtner
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ass Technologie ein wertvolles Gut ist, ist in hoch technisierten Zeiten wie heute kein Geheimnis. Dabei vergessen wir jedoch gerne, dass das richtige Know-how schon immer ein entscheidender Faktor dafür war. „Wie wertvoll Spezialisten und ihr Wissen seit jeher sind, zeigt sich quer durch die Geschichte“, erklärt Stefan Ehrenpreis, der am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäi-
sche Ethnologie an der Universität Innsbruck lehrt und forscht. „Die Verfügbarkeit von hoch entwickelter Technologie konnte über Aufstieg und Fall von Reichen und Dynastien entscheiden – egal ob in der Antike, dem Mittelalter oder der Neuzeit. Und damit waren Experten und ihr Wissen auch jeher ein wichtiges Exportgut von großem Wert.“ Doch für Ehrenpreis geht es bei Weitem nicht nur um wirtschaftliche Aspekte, sondern er 6
hofft mit seinem Forschungsprojekt aufzuzeigen, wie sich Migration und Wissenstransfer bereits seit dem 16. Jahrhundert auf Nationen und soziale Gefüge ausgewirkt haben. Indizien am Friedhof Dass solche Experten-Exporte auch von Tirol aus stattgefunden haben, kann Ehrenpreis mittlerweile belegen. Einen ersten Hinweis darauf gibt es weit weg von
GESCHICHTE, POLITIK & WIRTSCHAFT
01 Um Stollen in den Berg zu treiben und Bodenschätze im Untertagebau auszubeuten war und ist hochspezialisierte Technologie notwendig. Im 16. Jahrhundert war dieses wertvolle Wissen vor allem in Bergbauzentren wie Schwaz zu finden.
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Tirol in der Gemeinde Keswick in Cumbria im Norden Englands. Dort, auf einem Gräberfeld neben der lokalen Kirche, stehen heute noch mehrere Grabsteine aus dem späten Mittelalter, was für englische Gemeinden nicht unüblich ist. Allerdings findet sich auf einem von ihnen ein Name, der hier so gar nicht hinzugehören scheint: Begraben liegt dort ein gewisser Daniel Höchstetter, der Sohn eines Augsburger Patriziergeschlechts, der 1581 in Keswick seine letzte Ruhe fand. Auf mehreren anderen Grabsteinen prangen außerdem Namen, die vermutlich Tirolern zuzuordnen sind. Und nicht nur die Namen selbst sind auffällig. Vergleicht man die Lebensdaten, lässt sich daraus schließen, dass sie alle in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach England gekommen sind. Thron mit Hindernissen „Die Motive dieser Auswanderer waren eng mit der politischen und wirtschaftlichen Geschichte Englands verbunden“, holt Ehrenpreis aus, um die Hintergründe seiner bisherigen Erkenntnisse zu erläutern. „Ihren Anfang nimmt die Entwicklung, die wir erforschen mit dem
Herrschaftsantritt von Elisabeth I..“ Die damals 25-Jährige wurde 1559 zur Königin von England und Irland gekrönt. Doch ihre Regentschaft gestaltete sich von Beginn an schwierig. „Elisabeth war bereits eine durchaus umstrittene Person, als sie den Thron bestieg “, meint Ehrenpreis. Ihrer Krönung waren sechs Jahre dauernde Streitigkeiten um die Regentschaft vorangegangen, bis es ihr gelang, sich zu behaupten. „So hatte sie von Anfang an eine starke Opposition gegen sich, die sie auf mehreren Ebenen angriff.“ Die Tatsache, dass die Königin unverheiratet war, brachte Zweifel mit sich, ob sie fähig sei, ohne männliche Unterstützung die Geschicke des Lan-
ten unter Beweis zu stellen. Dabei baute sie vor allem auf die Unterstützung der Bevölkerung, die sie sich durch die Steigerung des allgemeinen Wohlstands sichern wollte. „Elisabeth beauftragte ihre Beamten, in ganz Europa nach Möglichkeiten zu suchen, um das Wirtschaftswachstum in ihrem Herrschaftsbereich voranzutreiben“, meint Ehrenpreis. „Dabei erwies sich nicht zuletzt der Bergbau als eine vielversprechende Option.“ Bislang hatte England vor allem die Wollindustrie forciert. Doch aus früheren Jahrhunderten war bekannt, dass es im Lake District im Norden des Landes Kupfer- und Bleivorkommen existierten. Allerdings konnten die La-
Stefan Ehrenpreis
„Die Motive dieser Auswanderer waren eng mit der politischen und wirtschaftlichen Geschichte Englands verbunden.“ des zu leiten. Außerdem entstammte sie aus der zweiten Ehe Henrys VIII., der sich von seiner ersten Frau scheiden lassen hatte. Vielen war diese damals unübliche Trennung ein Dorn im Auge und sie zweifelten die Rechtmäßigkeit von Elisabeths Thronfolge an. Und zu guter Letzt war die neue Königin strenggläubige Protestantin – in einer Zeit, als in England schwere, konfessionelle Konflikte tobten. Kupfer und Blei In dieser Situation musste die junge Herrscherin schnell Wege finden, um sich zu behaupten und ihre Fähigkei7
gerstätten früher nur im Tagbau ausgebeutet werden. Um Stollen zu graben, fehlte das nötige Know-how. So erschien das Vorkommen schnell erschöpft und das Interesse daran ging verloren. Unterstützung aus Augsburg „Sich das entsprechende Wissen zu beschaffen, war damals keine einfache Aufgabe“, erklärt Ehrenpreis. „Bevor es weitverbreitete Fachbücher oder gar elektronische Medien gab, war man auf Experten angewiesen, die sich das gesuchte Können selbst über lange Jahre hinweg angeeignet hatten. Solche Profis ausfindig zu machen, war vor allem
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GESCHICHTE, POLITIK & WIRTSCHAFT
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von der eigenen Vernetztheit abhängig.“ So besann sich Elisabeths Stab auf drei Handelsfamilien, die bereits vor der Herrschaft der Königin Beziehungen zu England unterhalten hatten und alle in Augsburg ansässig waren. Zum einen handelte es sich dabei um die Familien Haug und Langnauer, die vor allem als Finanziers tätig wurden. Und zum anderen beteiligten sich auch die Höchstetters an dem Unterfangen, denn sie waren in der Lage, genau das zu liefern, was Elisabeth benötigte: Bergbau-Technnologie, die sie sich beim Betrieb mehrerer Minen in ganz Tirol – einem der damals fünf größten Bergbauzentren in ganz Europa – und nicht zuletzt bei der Leitung des Bergbaus in Schwaz angeeignet hatten. Von den Aktivitäten der Firma Haug, Langnauer und Höchstetter zeugen bis heute zahlreiche Geschäftsbücher, die sich im Stadtarchiv Augsburg befinden. Experten-Export statt Wissenstransfer „Es ist anzunehmen, dass die Familie Höchstetter um den Wert ihrer Expertise wusste“, vermutet Ehrenpreis. „Immerhin handelte es sich dabei um sehr schwer zu erlangendes und wertvolles Hightech-Know-how.“ Anstatt also ihr Wissen preiszugeben und sich selbst Konkurrenz zu schaffen, schickten die Höchstetters ihre eigenen Experten nach England – allen voran Daniel Höchstetter, einen ihrer Söhne, der zuvor Unternehmungen in Tirol geleitet hatte. „Wir können noch nicht genau sagen, wie viele Tiroler an dieser Unternehmung beteiligt waren“, meint der Historiker. „Es ist aber anzunehmen, dass es mehrere Dutzend waren, die nach England gegangen sind. Und sie haben ohne Zweifel dort bislang unbekannte Fördertechnologie mitgebracht.“ Die Experten besaßen das nötige Wissen, um sicher Stollen in die Erde zu treiben. Und auch pferdebetriebene Pumpen, wie sie im Schwazer Bergbuch dargestellt sind, waren wohl Teil ihres Repertoires.
berichtet Ehrenpreis. „Einige sind also sesshaft geworden und haben Familien gegründet.“ Darin sieht der Historiker auch ein Indiz dafür, dass die Knappen durchaus gut verdient haben müssen. Denn ohne finanzielle Attraktivität mitzubringen, wäre es ihnen als Ausländer schwergefallen, in englische Familien einzuheiraten. „Es ist aber auch davon auszugehen, dass einige der Bergleute heimgekehrt sind“, vermutet Ehrenpreis anhand anderer Beispiele von zugereisten Experten. „Wir wissen zum Beispiel von der Vereinigten Ostindischen Kompanie, einer niederländischen kolonialen Handelsgesellschaft, in der Österreicher tätig waren, dass damals Verträge auf Zeit üblich waren.“
Stefan Ehrenpreis hat Geschichte, Sozialwissenschaften und Pädagogik in Bochum und Wien studiert. Seit 2014 ist er an der Universität Innsbruck als Professor tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen neuzeitlicher Religionsgeschichte, britischer und niederländischer Geschichte und Bildungs- und Erziehungsgeschichte.
Wirtschaftlicher Erfolg Die Minen in Cumbria waren für rund 50 Jahre im Betrieb, bevor die Vorkommen erschöpft waren. Das war aber mehr als ausreichend für den Plan Elisabeths I. und leitete eine Ära des Bergbaus in ih-
Die Suche nach den Heimkehrern Und genau diese Rückkehrer sind es, an deren Spuren sich Ehrenpreis nun heften möchte. Denn auch wenn sie mit dem Auftrag nach England gereist sind, um dort ihren Wissens- und Erfahrungsschatz umzusetzen, nimmt er an, dass sie ebenso viel Neues mit nach Tirol gebracht haben. „Zu Beginn der elisabethanischen Herrschaft lieferten sich Protestanten und Katholiken in England noch erbitterte Kämpfe. Innerhalb von 20 Jahren hatten sich die ersteren jedoch durchgesetzt“, meint er. Damit hätten die
Stefan Ehrenpreis
„Es ist anzunehmen, dass die Familie Höchstetter um den Wert ihrer Expertise wusste.“ rem Reich ein, welche die Kupferindustrie Englands bis ins 18. Jahrhundert wachsen ließ. Über die Schicksale der Tiroler Bergleute ist bislang allerdings wenig bekannt. „Auf einigen der Grabsteine in Keswick sind englische Namen von Ehefrauen und Kindern zu finden“, 8
Heimkehrer ins streng katholische Tirol die „andere Seite“ kennengelernt und möglicherweise auch protestantisches Gedankengut mitgebracht. Zudem haben sie andere gesellschaftliche Strukturen und ein anderes Regierungssystem aus erster Hand erlebt. „Das bringt unweiger-
GESCHICHTE, POLITIK & WIRTSCHAFT
© SILBERBERGWERK SCHWAZ
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02 Die Darstellungen des Schwazer Bergbuchs lassen Rückschlüsse darauf zu, welche Technologien die Tiroler Experten mit nach Keswick gebracht haben.
lich Konfliktpotenzial in der Heimat mit sich“, fährt der Historiker fort. Deswegen hofft er nicht zuletzt zum Beispiel in Gerichtsakten über Streitigkeiten fündig zu werden, in denen auf einen England-Aufenthalt verwiesen wird. Aktuelle Thematik Auch wenn sich die Geschichte von Daniel Höchstetter und den Tiroler
Bergbau-Experten vor mehr als vier Jahrhunderten zugetragen hat, können wir daraus wichtige Erkenntnisse gewinnen, ist sich Ehrenpreis sicher. Er hofft anhand von Quellen herauszufinden, wie der Aufenthalt in der Fremde die Migranten geprägt hat. Im Vordergrund stehen für ihn die Fragen, ob sie durch ihre Erfahrungen weltoffener zurückgekehrt sind und wie sich ihre 9
veränderte Geisteshaltung auf ihr Umfeld ausgewirkt hat. „Denn solche kulturellen Rückkoppelungen gibt es heute in einer Zeit von Fernreisen, Massentourismus und Flüchtlingsströmen viel häufiger. Anhand der Tiroler in England lassen sich möglicherweise Mechanismen von Integration aufzeigen, die heute aktueller sind denn je zuvor, vermutet der Historiker.“
GESCHICHTE, POLITIK & WIRTSCHAFT
Von wegen Karibik Die Soziologin Silke Ötsch befasst sich in ihrer Forschung mit Steueroasen sowie Offshore-Zentren und untersucht, wie derartige Systeme demokratische Gesellschaften und ihre Gesetzgebungen unterlaufen. Von Susanne Gurschler
Silke Ötsch studierte Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar und an der Ecole Nationale Supérieure D'Architecture de Paris La Villette; Dissertation 2005. Sie war u. a. als Projektleiterin und Architektin tätig sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte an der Architekturfakultät in Innsbruck (Weltfinanzarchitektur). Seit 2008 ist Ötsch Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac, forschte von 2009-2011 über Finanzialisierung in der Architektur (FWF-Projekt) und ist seit 2011 Universitätsassistentin am Institut für Soziologie der Universität Innsbruck im Rahmen des Erika-CremerHabilitationsprogramms.
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ie Postkarte ist provokant und entlarvend zugleich. Provokant, weil sie eine ganze Wand mit Briefkästen offensichtlicher Postkastenfirmen zeigt und darüber der Satz „Luxemburg ist keine Verdunkelungsoase“ steht. Entlarvend, weil das Motiv in jenem Haus in Luxemburg fotografiert wurde, in dem auch das luxemburgische Ministerium für Wirtschaft und Außenhandel untergebracht ist. Für Silke Ötsch veranschaulicht die Postkarte, die anlässlich der Ausstellung „Steueroasen“ 2009 gedruckt wurde, Grundlegendes: „Steueroasen sind nicht anderswo. Sie sind, in der Schweiz ebenso zu finden wie im Kleinwalsertal. Man muss nur wissen, worauf zu achten ist.“ Ötsch ist
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Mitarbeiterin am Institut für Soziologie an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Universität Innsbruck. Sie erforscht die Zusammenhänge zwischen Finanzsystem und Realwirtschaft am Beispiel von Steueroasen und OffshoreZentren, also Orten, die sich durch niedrige Steuern und ein hohes Maß an Geheimhaltung auszeichnen. Nicht nur die üblichen Verdächtigen Traditionell haben in Europa die Schweiz oder Liechtenstein den Ruf, eine Steueroase zu sein. Doch sie alleine sind es nicht. „Viele europäische Staaten, darunter Deutschland und Österreich, begünstigen mit ihrer Gesetzgebung Steuerflucht bzw. fördern sie sogar“, weiß Ötsch. Bis zum Ausbruch der Finanzkrise bewarben Banken im Internet ihre diesbezüglichen Angebote ganz offen. Seit kurzem sind die Offerte verdeckter, verschwunden sind sie nicht. „Es sind vor allem international tätige Konzerne und sehr reiche Privatpersonen, die steuerschonende Transaktionen ausführen. Sie verfügen über ausreichend Mittel und Möglichkeiten, ihre Gelder 10
dahin zu transferieren, wo sie wenig bis gar keine Steuern zahlen. Sie können sich Gebühren der Serviceleister und juristische Beratung leisten“, erklärt Ötsch. Die Tricks der Profis Vermögende Privatpersonen lukrieren die Vorteile, indem sie dort beispielsweise einen Zweitwohnsitz einrichten oder in Briefkastenfirmen „investieren“. Multinationale Konzerne sind u. a. begünstigt, weil sie konzerninterne Transaktionen illegal manipulieren oder gestalten, etwa bei Kreditvergaben, Lizenzzahlungen oder bei der Abrechnung von Gütern und Dienstleistungen zwischen den Konzernteilen. Schlecht ausgestattete Finanzämter schaffen es in vielen Fällen nicht, solche Konstrukte zu durchblicken. „Ein weiteres unterschätztes Problem stellen etwa Briefkastenfirmen dar: Strohleute fungieren als Geschäftsführer, die Letztbegünstigten können nicht identifiziert werden“, führt Ötsch aus. Zivilgesellschaftliche Organisationen, wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit, sammeln Zahlen, Daten, Fakten, um nachzuzeichnen und wie Steuerflucht
GESCHICHTE, POLITIK & WIRTSCHAFT
01 Ganz entgegen der klassischen Vorstellung sind es weniger karibische Inseln mit sonnigen Stränden abseits jeder Jurisdiktion, die als Steueroasen dienen. 02 Die Realität sieht deutlich weniger spektakulär aus: Auch Länder mitten in Europa bieten dank hoher Geheimhaltung und niedriger Steuern Steuerflüchtigen Unterschlupf. Alles was sie dazu brauchen, ist eine Briefkastenfirma.
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Silke Ötsch
funktioniert. Das ist übrigens ein Thema, das in der Wissenschaft bis vor kurzem nur marginal behandelt wurde. Wenig Licht im Dunkeln Da es keine offiziell anerkannte Liste von Steueroasen gibt, hat das „Tax Justice Network“ eine Methode zur Klassifizierung von Schattenfinanzplätzen erarbeitet und veröffentlicht seit 2009 ein Ranking. Demnach sind die Schweiz, Luxemburg und Hongkong die größten Schattenfinanzplätze der Welt, bzw. London mit kooperierenden Finanzdienstleistern in abhängigen Gebieten und ehemaligen Kolonien. „Es bräuchte mehr bissfeste internationale Abkommen für mehr Transparenz im Finanzsektor, eine gewisse Angleichung der Gesetze in den einzelnen Ländern“, erklärt Ötsch. Wie schwierig es ist, mit solchen Forderungen Gehör zu finden, zeigt sich für sie an der Debatte um das Bankgeheimnis in Österreich. „Die Politik spricht hier gerne von Omas hart erspartem Geld. Dabei geht es um die großen Summen, die der Kontrolle des Fiskus entzogen werden, nicht die kleinen“, sagt Ötsch. Es sei
„Ein weiteres unterschätztes Problem stellen etwa Briefkastenfirmen dar: Strohleute fungieren als Geschäftsführer, die Letztbegünstigten können nicht identifiziert werden.“ nicht nachzuvollziehen, dass bei Angestellten das Bankgeheimnis nicht gelte, bei Unternehmen aber schon. Hilfreich wäre zudem ein öffentlich einsehbares Register über Briefkastenfirmen und ihre Eigentümer und weitere wesentliche Maßnahmen, u. a. Mindeststeuersätze, länderbezogene Rechnungslegung sowie ein automatischer Informationsaustausch. Schätzungen statt Zahlen „Es gibt leider auch keine Vermögensregister, sodass man Berechnungen anstellen könnte, wie hoch die Steuerverluste sind und entsprechende Maßnahmen konzipieren kann, um mobiles Kapital nach der Gesetzeslage zu besteuern wie Arbeit und Konsum“, ergänzt sie. Hier 11
tut sich für die Wissenschaft ein besonderes Problem auf: Die Forschung kann nach wie vor nur mit geschätzten Summen operieren. Diese bewegen sich, je nach Zugang, zwischen 21 und 31 Billionen US-Dollar; einige Ökonomen sprechen von 5, 8 Billionen US-Dollar des privaten Finanzvermögens. „Die EU schätzt Verluste durch Steuervermeidung von Unternehmen in Europa auf rund 2 bis 2,5 Prozent des Bruttosozialprodukts“, sagt Ötsch. Je mehr Länder finanziell unter Druck geraten, desto größer wird allerdings ihr Interesse, der Steuerflucht einen Riegel vorzuschieben. Vor einigen Jahren noch undenkbar, hat die Schweiz ihr Bankgeheimnis gelockert, auch in Österreich wackelt es.
TECHNOLOGIE
Die vierte Revolution Technik wird einfacher zu bedienen, Geräte werden „smart“. Doch im Zeitalter der Digitalisierung fürchten viele, dass Roboter Arbeitsplätze ersetzen könnten. Dabei sollen die Maschinen bald wesentlich mehr können, als nur Produkte zu fertigen – sie haben das Potenzial, Mitarbeiter und Unternehmen zu entlasten und Platz für Neues zu schaffen. Von Ines Burkhardt
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TECHNOLOGIE
Neue Arbeitsbedingungen in Produktionsstätten In diesem Beispiel sind die Anwendungen auf den privaten Nutzen ausgelegt. Aber auch in der Industrie werden Fortschritte gemacht, um mit Hilfe der Technik neue Wertschöpfungen zu erreichen. Mario Moser vom Management Center Innsbruck (MCI) erforscht gemeinsam mit seinem Team die neuen Möglichkeiten der „Industrie 4.0“. „Es ist ein Optimierungsprozess der Wertschöpfung, aber auch der Wertschätzung für Unternehmen.“ Mittels neuen Datenanalysen könnten sich Firmen darauf fokussieren, ihre Produktionskette zu verbessern und mehr Potenzial aus sich heraus zu holen. Besonders für KMUs sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, sich damit zu befassen. Mit Hilfe smarter Technologien würden Menschen nicht nur entlastet, sondern gleichzeitig auch Werte gesteigert werden. „Dabei soll man aber nicht davon ausgehen, dass Menschen in der neuen Industrie ersetzt werden. Die Mitarbeiter sind das Wichtigste in einem Unternehmen, und ohne sie wird es auch in Zukunft nicht gehen“, fügt Moser hinzu. Kommunikation zwischen Mensch und Maschine Die Geräte an sich sollen nicht nur weiter entwickelt sein, sondern zudem digital untereinander und mit den Produkten kommunizieren können, ohne dass der Mensch ständig eingreifen muss. Ein weiterer Vorteil der Industrie 4.0 ist, dass damit auch individuelle Kundenwünsche einfacher und unkomplizierter umgesetzt werden können. Trotz dieser „Smart Factory“, die so entsteht, sollen Menschen aber nicht aus den Produktionsstätten verschwinden. Vielmehr werden diese intelligenten Systeme das Personal unterstützen und im Hintergrund die Produktionsprozesse vereinfachen und effizienter machen.
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s ist acht Uhr früh. Mit dem Läuten des Weckers auf der Smartwatch fahren die Rollläden hoch. Der Kaffee brüht sich von alleine auf, und die Fußbodenheizung im Bad verhindert eine unangenehm kalte Überraschung in der Früh. Später, als sich der Hausbewohner auf den Weg zur Arbeit macht, bekommt er eine Nachricht auf sein Smartphone. Der Kühlschrank hat festgestellt, dass Milch und Joghurt zur Neige gehen und der Käse bald abläuft. Damit der Bewohner aber keinen Stress hat, hat das Gerät selbstständig die Lebensmittel online nachbestellt, die dann nach Hause geliefert werden – Internet und Digitalisierung sei Dank. Dieses Szenario ist noch Zukunftsmusik. Allerdings entwickelt sich die Technologie rasant, sodass das Internet der Dinge (Internet of Things) immer realer wird. Anstatt, dass sich die Menschen vor einen Computer setzen und im Internet surfen, sollen technisch optimierte Geräte die Nutzer unmerklich und hinter den Kulissen unterstützen. Technik agiert vernetzt und im Hintergrund, ohne dass alle Prozesse vom Benutzer überwacht werden müssen.
Neue Jobs und neue Forschungsmöglichkeiten Auch wenn diese neuen Entwicklungen Moser zufolge keine Gefahr mit sich bringen, Arbeitsplätze zu ersetzen, werden sie unser Arbeitsleben dennoch tiefgreifend verändern. „Viele Berufsbilder befinden sich bereits jetzt im Wandel. Es wird in Zukunft noch viel mehr Fach- und Methodenkompetenz gefragt sein, als heute. Außerdem sind Social Skills bereits jetzt wichtiger denn je“, erklärt Moser. Zusatzqualifikationen werden dementsprechend immer unerlässlicher. Während manche Berufe wahrscheinlich der neuen Revolution zum Opfer fallen, werden neue Arbeitsplätze entstehen, die großes Know-how und technisches Verständnis erfordern werden. 13
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TECHNOLOGIE
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Mario Moser ist Hochschullektor am Management Center Innsbruck. Er ist verantwortlich für die Themenbereiche Prozess- und Supply-Chain-Management und seit 2015 Forschungsschwerpunktsleiter mit den Inhalten „ProOpex: Operational Excellence in der Prozessindustrie – Industrie 4.0 – Lean Production und Kata“. Dabei erforscht er, wie sich die Industrie 4.0 bei Unternehmen anwenden und umsetzen lässt.
Wie die österreichische Wirtschaft von morgen aussehen kann, sieht Moser bereits jetzt bei der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Studenten. Die Forschungsschwerpunkte sind nicht mehr auf eine Studienrichtung begrenzt. So entstehen zahlreiche Möglichkeiten, die neuen Technologien einzusetzen. Durch die Industrie 4.0 können Unternehmen ebenso wie Wirtschaftsbranchen beeinflusst werden. Durch den regen Austausch zwischen allen Bereichen werden die Branchen zusätzlich vernetzt, und es entstehen neue Möglichkeiten zur Kooperation, wie etwa beispielsweise im Tourismus. Tirols digitales Unternehmertum Das Prinzip der Industrie 4.0 ist dabei für internationale Konzerne ebenso interessant, wie für heimische Unternehmen. Mosers Studienschwerpunkte fokussieren sich deswegen unter anderem darauf, wie KMUs in Tirol das neue Potenzial nutzen können. „Eine Idee ist es zum Beispiel, ein Tool zu entwickeln, dass den Industrie-4.0-Reifegrad einer Firma beschreibt und hilft, sich gezielter zu optimieren“, sagt Moser. Dies könne dann so aussehen, dass durch eine gezielte Befragung aller Beteiligten, aber auch mittels Datenanalysen und Erhebungen, herausgefunden wird, wo das Unternehmen gerade steht. Was möchte die Firma erreichen? Welche Möglichkeiten gibt es, um sich auf ein Gebiet der In-
dustrie 4.0 zu spezialisieren? Was erwarten die Kunden vom Unternehmen und von den Produkten? Diese und andere Fragen werden ausgewertet und in einem Stufensystem präsentiert. Das Unternehmen hat dann die Möglichkeit durch den Einsatz neuer Technologien, aber auch durch Umstrukturierungen im Arbeitsprozess, bessere Ergebnisse zu erzielen. Mit dem Einsatz von intelligenten und vernetzten Robotern, heute auch Cyber-Physical-Systems genannt, wäre es zudem auch für KMUs wesentlich einfacher, sich an die ständig ändernden Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Für mehr Sicherheit lieber weniger preisgeben Die neuen, hohen Anforderungen an die Technik bringen aber auch Gefahren, die ebenso erforscht werden müssen. Denn mit der Vernetzung und Digitalisierung öffnen sich ständig neue Möglichkeiten, sensible Daten und Industrie-Geheimnisse zu entwenden. „Es ist schon schwierig genug, Firmeninterna nicht versehentlich auszuplaudern. Mit den neuen Medien kann man schnell ein Video zur Veranschaulichung eines Sachverhalts machen und per Mausklick versenden. Selbst wenn das gar nicht in böser Absicht geschieht, werden damit oft bereits firmeninterne Datenschutzrichtlinien verletzt“, erklärt Moser. Gerade in dieser Hinsicht werde die Forschung noch einige Probleme zu lösen haben. Dass die Industrie 4.0 nur ein kurzer Trend sein könnte, hält Moser für ausgeschlossen. „Mittlerweile sind wir im Privatleben durch unterschiedlichste Technologie mit zahlreichen Systemen vernetzt. Warum sollte sich das in der Industrie anders verhalten?“ Und mit dieser Meinung ist er nicht alleine. Auch auf staatlicher Ebene hat sich die Erkenntnis rund um die Relevanz der neuen Technologien bereits durchgesetzt. Deswegen werden Forschungsprojekte wie das von Moser mittlerweile mit Zuschüssen finanziert. 14
TECHNOLOGIE
© DOMINIQUE HUTER (2)
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Kontrolle auf allen Ebenen Das Internet der Dinge ist heiß umkämpft. Konzerne aus aller Welt versuchen, in ihren Branchen eine Marktführerposition zu etablieren und zu halten. Ein Tiroler Unternehmen geht jedoch einen anderen Weg und stellt die Unabhängigkeit der Konsumenten in den Vordergrund. Von Daniel Feichtner
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ernetzung ist das Schlüsselwort. Egal ob über Kabel oder Funksignale: Datenströme verbinden immer mehr Technologien, die im Alltag wie in der Industrie genutzt werden. Benötigt wird hierfür nicht zuletzt Steuerelektronik, die Komponenten und Geräte miteinander zum viel zitierten Internet der Dinge verbindet. Schätzungen zufolge belief sich der globale Markt rund um die Kommunikation zwischen Elektronik bereits 2013 auf 1,78 Billionen Euro. Bis 2020 soll er auf gut 6,6 Billionen Euro wachsen. Kein Wunder also, dass Konzerne darauf aus sind, sich ein möglichst großes Stück des Kuchens zu sichern. „Dazu versuchten
Anbieter eigene Standards zu etablieren und möglichst viele Hersteller daran zu binden“, erklärt Marco Riedesser, Elektronikingenieur und Geschäftsführer der Innsbrucker Firma SG-Tronic. „Das bringt Marktanteile“, fährt er fort. „Aber zugleich widerspricht es auch dem Prinzip des Internets der Dinge: „Alles kommuniziert mit allem. Es ist Standard, dass es keinen Standard gibt.“ Unscheinbar mit großer Wirkung Dieses Erzwingen von Normen wird aber nicht Bestand haben, ist sich Riedesser sicher. Und hier hakt er mit einer eigenen Entwicklung ein. Controllino heißt das unscheinbare graue Plastikkästchen, 16
dessen Oberflächen von zahlreichen Anschlüssen durchbrochen werden. Das Gerät ist eine Art SPS – eine speicherprogrammierbare Steuerung. Solche Kontrolleinheiten arbeiten von Benutzern meist unbemerkt. Dennoch findet man sie in fast jedem elektronischen Gerät. Sie bilden wichtige Knotenpunkte zwischen Komponenten oder vernetzten Anlangen. „Stark vereinfacht ist Controllino ein programmierbarer Mehrfach-Schalter“, meint Riedesser. „Über Eingänge werden Signale eingespeist. Sie können von verschiedensten Quellen kommen: einem Sensor, einem Eingabegerät oder einer anderen, vernetzten Maschine. In der SPS läuft ein Programm, das diese
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01 – 02 Controllino dient als elektronische Steuereinheit und ist auf ein Maximum an Kompatibilität ausgelegt. Das Gerät verfügt nicht nur über alle gängigen Anschlüsse, sondern kann auch komplett von Grund auf programmiert werden. Dadurch sind seinem Einsatz nahezu keine Grenzen gesetzt.
Signale verarbeitet und je nach Programmierung neue Anweisungen über Ausgänge weiterleitet.“ Damit sind solche Einheiten ideal für den Einsatz in allen Bereichen der Automatisierung: von Jalousien, die sich je nach Sonneneinstrahlung öffnen über automatische Türen bis hin zu Geldautomaten. Open Source als Philosophie Das Rad hat Riedesser damit nicht neu erfunden, denn SPS-Module gibt es viele. Allerdings leiden sie alle unter demselben Problem: „Solche Steuereinheiten werden mit vorgefertigter Software angeboten, bei der nur Einstellungen verändert werden können“, erklärt er. „Das macht sie teurer und schränkt ihre Anwendung ein.“ Bietet ein Hersteller eine benötigte Funktion nicht an, kann diese auch nicht verfügbar gemacht werden. Dadurch sichern sich Konzerne Kontrolle über ihre Produkte, Kunden nehmen sie aber ihre Unabhängigkeit. Mit Controllino geht Riedesser deswegen einen anderen Weg. Statt einer programmierten SPS hat er Hardware entwickelt, die jeder selbst mit Software versehen kann. Dadurch ist die Steuerung nicht nur billiger, sondern auch vielseitiger und mit neuen Funktionen nachrüstbar. Kompatibler als die Konkurrenz Um einen breiten Einsatz zu gewährleisten, wartet Controllino mit allen aktuellen Anschlüssen auf und ist in drei Größen erhältlich. Außerdem hat Riedesser bei der Entwicklung auf die Architektur der weitverbreiteten Arduino-Plattform zurückgegriffen. „Arduino ist eine Art Mini-Computer, den jeder benutzen und nachbauen kann“, erklärt der ElektronikIngenieur. „Deswegen wird es auch zur Entwicklung von Prototypen eingesetzt.“
Marco Riedesser hat Elektronik in der Schweiz studiert. Nach mehren Jahren bei großen Elektronik-Konzernen hat er SG-Tronic gegründet, um seine eigenen Ideen umzusetzen. 2013 ist er mit seinem Unternehmen von Vorarlberg nach Tirol übersiedelt und hat in Innsbruck Controllino entwickelt.
Das macht das Produkt für Entwickler interessant. Wurde Software einmal für Arduino geschrieben, funktioniert sie auch auf Controllino. Bei einer herkömmlichen SPS muss das Gerät unter Umständen an die beschränkten Funktionen der Steuerung angepasst werden, während hier das Programm einfach kopiert wird. So können marktreife Produkte schneller und billiger entwickelt
einiges an Vorwissen erfordert. Inzwischen hat die Arduino Community aber eine Vielzahl von Programmierwerkzeugen entwickelt, die auch deutlich einfachere Sprachen mit dem System kompatibel machen. „Das geht so weit, dass die Arduino-Plattform mittlerweile auch die visuelle Programmierung versteht“, erklärt Riedesser. „Dabei werden nur noch einzelne, vorgefertigte Elemente wie Lego-Steine miteinander verknüpft. Einfache Programme können so spielerisch sogar von Kindern entwickelt werden.“ Diese Vielseitigkeit erlaubt es, Controllino sowohl mit sehr mächtigen, komplexen Sprachen, aber auch mit einfachen Werkzeugen, zu programmieren. Internationales Interesse Das macht die Steuereinheit nicht nur ideal für kleinere Unternehmen, die sich mit den Bereichen der Heim- und Industrie-Automatisierung beschäftigen. Auch für Bastler und als Lehrmittel ist die Steuerung hochinteressant. Das zeigt sich anhand der bereits eingegangenen Vorbestellungen: Insgesamt haben sich über hundert Schulen aus der ganzen Welt, vom deutschen Max-Planck-Institut bis hin zum MIT in den Vereinigten Staaten, Controllinos gesichert. Und auch von Konzernen wie VW, Mercedes und vielen anderen Firmen sind schon Bestellungen eingegangen. Zusätzlich wurde der Elektronikingenieur einge-
Marco Riedesser, Geschäftsführer SG-Tronic
„Alles kommuniziert mit allem. Es ist Standard, dass es keinen Standard gibt.“ werden. Wegen dieser weiten Verbreitung gibt es außerdem bereits eine Fülle von Software, die auf Arduino funktioniert und von der Community kostenlos im Internet angeboten wird. Programmierung für jedermann Das hilft auch bei der Entwicklung von Programmen. Software für Arduino und damit auch für Controllino wird in der Programmiersprache C geschrieben, die 17
laden, Controllino Anfang Mai auf der IoT-World in San Francisco, der größten internationalen Messe rund um das Internet der Dinge, zu präsentieren. „Aktuell bin ich noch auf der Suche nach Investoren, die die weltweite Markteinführung und Weiterentwicklung unterstützen, um der großen Nachfrage gerecht zu werden“, meint Riedesser. „Aber die ersten fertigen Produkte werden noch vor dem Sommer ausgeliefert werden.“
TECHNOLOGIE
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Erneuerbare Energie multimedial serviert Eine Projektgruppe der Fachhochschule (FH) Kufstein Tirol ging der Frage nach, wie sich die Akzeptanz für Pumpspeicherkraftwerke in der Bevölkerung erhöhen lässt. Das innovative Ergebnis: ein mobiler Touchscreen auf vier Beinen.
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Von Eva Schwienbacher
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as Objekt ist 84 Zentimeter breit, 129 Zentimeter lang und 93 Zentimeter hoch und sieht auf dem ersten Blick aus wie ein normaler Tisch. Bei näherer Betrachtung sind aber Verkabelungen zu erkennen. Und das vermeintliche Möbelstück entpuppt sich als Smartdesk, sprich ein intelligenter Tisch. „Der Smartdesk ist eine Art Tablet, mit dem sich energiewirtschaftliche Zusammenhänge darstellen lassen“, erklärt Wolfgang Woyke, stellvertretender Studiengangsleiter des Bachelorstudiengangs Europäische Energiewirtschaft an der FH Kufstein Tirol. „Im Unterschied zu anderen Darstellungsarten reagiert der Smartdesk auf Befehle und macht energiewirtschaftliche Themen dadurch erlebbar.“ Unvorstellbares sichtbar machen Der Smartdesk wurde im Rahmen eines interdisziplinären Projekts zwischen den Studiengängen Europäische Energiewirtschaft und Web Business Technology entwickelt. Der Startschuss
dafür fiel im Frühjahr 2014. Rund ein Jahr haben angehende Energiemanager und IT-Experten Daten recherchiert und berechnet sowie Programme entwickelt. Hinter der Idee des interaktiven Präsentationstools steckt eine Herausforderung, der sich viele Politiker und Stakeholder in den Alpen im Zuge der Energiewende stellen müssen: „Es ist kein leichtes Unterfangen, der Bevölkerung aufzuzeigen, welche Nutzen sie von einem Pumpspeicherwerk in ihrer Region hat“, erläutert der Experte im Bereich erneuerbare Energien. Ziel des Forschungsprojekts war es deshalb, ein Simulationsgerät anzufertigen, das aktuelle Projekte transparent darstellt und in der Folge das Interesse und die Akzeptanz für Pumpspeicherwerke erhöht, erläutert Woyke. Als Beispiel wählten die Forscher das geplante Pumpspeicherwerk bei Einöden im Landkreis Rosenheim, über das es demnächst einen Bürgerentscheid geben wird. Die Bedienung des Smartdesks ist einfach: Per Fingerdruck können sich 18
Wolfgang Woyke ist seit 2012 stellvertretender Studiengangsleiter des Bachelorstudiums Europäische Energiewirtschaft an der Fachhochschule Kufstein. Er lehrt unter anderem die Fächer Erneuerbare Energien, Elektrotechnik, Managementmethoden und Innovation.
TECHNOLOGIE
Wolfgang Woyke
© FH KUFSTEIN TIROL (2)
„Wir verbinden unser Know-how in den Bereichen Energiewirtschaft und moderne Informationstechnik zur Akzeptanzbildung in der Energieökonomie.“
01 – 02 Anlässlich der Fachtagung „Dezentrale Erzeugung – Status und Perspektiven“ wurde der Smartdesk an der FH Kufstein Tirol einem Fachpublikum vorgeführt.
werden außerdem bildunterstützt beantwortet. „Im Falle des aktuellen Beispiels erkennt man klar, dass das Pumpspeicherwerk bei Einöden Auswirkungen auf die Stromautarkie der Region hat“, erklärt Woyke.
die Anwender verschiedene Szenarien zur Entwicklung der Region Rosenheim aufzeigen lassen. Ein Liniendiagramm zeigt beispielsweise die Erzeugungs- und Verbrauchskurven der einzelnen Kraftwerke und Energieverbraucher in stündlichen Schritten. Ein Tortendiagramm veranschaulicht den stündlichen Energiemix der Region. Auch die Import- und Exportbeziehungen von Strom sowie Werte wie CO2-Emissionen werden dargestellt. Fragen zum Stand von Photovoltaikanlagen in Oberbayern in der Vergangenheit, heute und in 20 Jahren
Wissen verknüpfen Mit dem Praxisprojekt Smartdesk nutzte die FH Kufstein Tirol Synergien, um ein Werkzeug zur Förderung des Energiedialogs zu entwickeln, erklärt Woyke. „Wir verbinden unser Know-how in den Bereichen Energiewirtschaft und moderne Informationstechnik zur Akzeptanzbildung in der Energieökonomie.“ Gerade für die Öffentlichkeitsarbeit eignet sich ein Kommunikationstool, das mit animierten Visualisierungen Zukunftsszenarien darstellt. Nun hofft Woyke weitere Beispiele zu finden, anhand deren sich die Anwendungen des Smartdesks weiterentwickeln und optimieren lassen. Auch Tirol verfügt über Pumpspeicherkraftwerke, die sich dafür eignen würden. 19
Das Prinzip eines Pumpspeicherwerks Pumpspeicherwerke bestehen in der Regel aus zwei Wasserbecken in unterschiedlicher Höhe, zum Beispiel im Tal und am Berg, und verfügen über eine Pumpturbine. Letztere kann je nach Drehrichtung sowohl als Turbine als auch als Pumpe verwendet werden. Zur Stromerzeugung wird Wasser vom oberen in das untere Becken abgelassen, wobei die Turbinen in Bewegung versetzt werden. Diese treiben wiederum Generatoren an, die Strom erzeugen. Auch der umgekehrte Prozess ist möglich: Wasser kann vom unteren Becken in das obere gepumpt werden. Das ist etwa dann erforderlich, wenn zuviel Strom im Netz ist. Derzeit bietet ein Pumpspeicherwerk die wirksamste Möglichkeit, über längere Dauer Energie zu speichern.
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Mit George in die Zukunft Um mit Riesenkonzernen aus der Telekommunikations-Branche wie Google und Apple Schritt halten zu können, sind Mut und Innovation gefragt. Das gilt auch für Banken. Die Tiroler Sparkassen beweisen beides mit ihrem neuen digitalen Banking „George“.
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ie viel Geld habe ich noch zur Verfügung bis zum nächsten Gehaltseintritt? Welche Ersparnisse liegen auf meinem Sparbuch? Wie viel habe ich im Winter fürs Skifahren ausgegeben? Bislang konnten solche Fragen vor allem mit einem detaillierten Haushaltsbuch und viel Kopfrechnerei beantwortet werden. Das Online-Banking bot dabei oft wenig Unterstützung. Mit „George“, dem neuen Online-Banking der Sparkassen, erhalten Kunden eine intelligente, benutzerfreundliche und sichere Plattform, um ihre Bankgeschäfte im Blick zu behalten. „George stellt den Kunden ins Zentrum“, erklärt Hans Unterdorfer, Vorstandsvorsitzender der Tiroler Sparkasse. „Mit dem neuen digitalen Banking ist
„Mit dem neuen digitalen Banking ist es ein Kinderspiel, die eigenen Finanzen zu managen. Obendrein macht es Spaß.“
bare Struktur die Auseinandersetzung mit dem Thema Geld. Die Konten lassen sich etwa zur schnellen Orientierung mit Namen versehen und mit Fotos sowie Farben gestalten. Trotz dieser Anlehnung an soziale Netzwerke stehen Datenschutz und -sicherheit an vorderster Stelle. Denn Vertrauenswürdigkeit hat bei den Sparkassen auch im Internet höchste Priorität, stellt Unterdorfer klar.
Kluge Köpfe es ein Kinderspiel, die eigenen Finanzen zu managen. Obendrein macht es Spaß.“ George wird auf allen Geräten, egal ob Desktop-PC oder Smartphone, optimal dargestellt. So können Nutzer überall und jederzeit ihr Konto aufrufen. Zusätzlich vereinfacht die klare und individualisier20
Mit George möchte die Sparkasse österreichweit eine Vorreiterrolle in puncto digitales Banking einnehmen. Ein interdisziplinäres Projektteam aus 200 Fachspezialisten – darunter Softwareentwickler, Web-Designer, Experten aus dem Bereich Zahlungsverkehr und Vertreter
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„ Ziel ist es, das gesamte Geldleben von einer Schnittstelle aus handhaben zu können.“
George – Vertrauen in die Technologie Lawrence Sperry, der vor rund hundert Jahren mit der Erfindung des Autopiloten, von den Piloten liebevoll auch „George“ genannt, die Luftfahrt revolutionierte, inspirierte die Sparkasse bei der Namensfindung. „Wir sehen George, den Autopiloten, als Vorbild für George, das modernste Banking Österreichs. Eine Erfindung, die Routineaufgaben übernimmt und die persönlichen Finanzgeschäfte ganz leicht macht“, erklärt Unterdorfer.
der Sparkassen – standen im Einsatz, um dieses Ziel zu verwirklichen. Auch Ergebnisse aus Kundenbefragungen flossen in die Entwicklung mit ein. Nach dem Motto „weniger ist mehr“, reduzierte man die rund 400 Funktionen des alten Netbankings auf 110. „Es hat sich gezeigt, dass unsere Kunden nur einen kleinen Teil der Funktionen intensiv verwenden, weshalb wir uns auf die wichtigsten konzentrierten und weitere Funktionen über „Plug-ins“ für spezielle Kundengruppen anbieten“, erklärt Unterdorfer.
Intelligentes Banking Zu den Stärken von George zählt etwa die automatische Darstellung der Daten in aussagekräftigen Graphiken. Ein Plus ist auch die praktische AutoFill-Funktion für Transaktionen, die dem lästigen Merken und Eintippen des IBANs ein Ende setzt. „Schon beim ersten eingetippten Buch-
staben sucht George nach Übereinstimmungen. Dann genügt es, einen Empfänger auszuwählen und schon werden die restlichen Felder von selbst ausgefüllt“, erläutert Unterdorfer. Weiters punktet George mit einer intelligenten Suchfunktion, mit der Kunden nützliche Informationen aus ihrem Konto filtern können. So lässt sich schnell herausfinden, wie viel man beispielsweise in einem bestimmten Zeitraum für Lebensmittel ausgegeben hat. Zu den Highlights zählt auch der Plugin-Store, der Funktionen zur individuellen Erweiterung des digitalen Bankings bietet, wie die Integration eigener Kontodaten bei Fremdbanken. „Ziel ist es, das gesamte Geldleben von einer Schnittstelle aus handhaben zu können“, betont Unterdorfer. Seit Jänner 2015 ist George verfügbar. Sparkassenkunden können bereits online zwischen dem alten und neuen OnlineBanking wählen. Der Wechsel gestaltet sich unkompliziert, die Datenübertragung erfolgt automatisch. Neukunden können nach einer Kontoeröffnung in den Genuss der Vorzüge des neuen digitalen Bankings kommen. Was George außerdem alles kann, zeigen informative und unterhaltsame Videos auf mygeorge.at.
Biographie Dr. Hans Unterdorfer ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Tiroler Sparkasse und für sämtliche Kommerz- und Privatkunden sowie alle anderen Vertriebsbereiche verantwortlich. Zuvor war er fast 25 Jahre lang im heimischen Finanzsektor tätig. Unterdorfer absolvierte die Diplomstudien der Rechts- und Politikwissenschaften sowie der Slawistik in Innsbruck, einen Master of Business Administration an der California State University Hayward sowie das Doktoratsstudium der Gesundheitswissenschaften an der UMIT im Bereich der Krankenhausfinanzierung.
Mit den praktischen Apps der Sparkasse können Bankgeschäfte entspannt am Smartphone getätigt werden. Die innovativsten im Überblick: • die QuickCheck-App liefert mit nur einem Fingertipp einen schnellen Überblick über Konten und s Kreditkarten. Auf Wunsch informiert eine Push-Nachricht über wichtige Kontobewegungen. • George Go bietet die schnellste und einfachste Möglichkeit, Transaktionen durchzuführen. • s CardControl hilft , alle persönlichen Karten aktuell zu überblicken und wichtige Kartenfunktionen zu steuern. • s Kontakt stellt in Nullkommanix Kontakt zum persönlichen Kundenbetreuer her. Sogar ein Wunsch-Beratungstermin kann über s Kontakt gebucht werden.
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TECHNOLOGIE
Digitale Pistengaudi Funsport für den einen und Wirtschaftszweig für den anderen – der Wintersport hat sich in den vergangenen Jahrzehnten radikal geändert. Nachdem die Ausrüstung jede Saison mit besseren Materialien aufwartet und auch die Bewirtschaftung der Pisten immer ausgeklügelter wird, hält auch die Virtualität in den Bergen Einzug. Von Ines Burkhardt
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© FH KUFSTEIN
01 Mit Augmented Reality am Berg: Die FH Kufstein unternimmt bereits Feldtests mit Daten-Skibrillen, die Wintersportler mit Zusatzinformationen direkt auf der Piste versorgen.
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ür die perfekte Abfahrt sind vielen Wintersportlern Pulverschnee und blauer Himmel schon lange nicht mehr genug. Eine sichere wie mo derne Ausrüstung macht die Abfahrt erst zum ultimativen Erlebnis. Im Vergleich zu dem, was Skifahrer zukünftig erwar tet, werden aber auch die neuesten Ski aus Carbon nur ein nettes Accessoir sein. Denn digitales Zubehör soll in Zukunft eine ganz neue Winterwelt erlebbar und den Aufenthalt am Berg zudem sicherer machen. Auch der Tourismus erhofft sich dadurch, Anlagen effizienter betreiben zu
können. Solche Systeme erforscht Mario Döller von der FH Kufstein gemeinsam mit Studenten in unterschiedlichen Pro jekten und zeigt, welche digitalen Erwei terungen am Berg interessant für Skifah rer, wie Pistenbetreiber sein könnten. Mit Routenplaner zum Skilift Bereits heute im Einsatz ist eine Daten skibrille. Einmal aufgesetzt bekommt der Träger auf den Gläsern verschiede ne Informationen eingeblendet, etwa in welche Richtung es zum nächsten Skilift geht. „Wir erforschen nun, wie sich das 22
auf das Fahrverhalten auswirken kann“, erklärt Döller. Denn je nach Können der Fahrer ändere sich auch der Fahrstil. „Für die Probanden mit der Ausrüstung zu fahren war natürlich ein großer Spaß“, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. Neben der Auswahl an Informationen für Skifahrer werden auch Möglichkei ten getestet, wie die Brille weitere Daten analysieren und an die Träger ausgeben kann. So können zum Beispiel Sensoren am Körper ermitteln, wie schnell die Fahrer sind, oder ob es auf der Strecke Unebenheiten gibt.
TECHNOLOGIE
Auf dem Brillenglas werden Pfeile, die den Weg weisen, Wetterprognosen oder auch Vitaldaten angezeigt. Die Realität wird also um virtuelle Elemente erwei tert. Der Fachbegriff dafür lautet „Aug mented Reality“ und die Technologie wird bereits via Smartphone auch in an deren Bereichen angewendet. „Apps, die regelmäßig Updates ge ben, wie beispielsweise Lawinenwarnun gen für Skitourengeher, gibt es ja bereits“, erklärt Döller. „Mittels der Datenskibrille wird bald auch ein LiveUpdate vor Ort und direkt im Blickfeld möglich.“ Daneben kann sich der FHProfessor auch Möglichkeiten wie LiveStreams von Abfahrten vorstellen, die dann in den Skihütten übertragen werden könn ten. Um aber für solche Visionen auch eine verzögerungsfreie Verbindung zu gewährleisten, muss die Netzabdeckung flächendeckend und konstant stabil sein. Ein Unterfangen, das im Bergland gar nicht so einfach ist. „Ein schwaches Netz sorgt bereits heute für Frustration. Und für solche Projekte müssten große Datenvolumen übertragbar sein“, erklärt Döller die Schwierigkeit. Effiziente und umweltfreundliche Pistenwirtschaft Neben den Wintersportlern selbst sind auch Betreiber interessiert daran, mit neuen Methoden ihre Arbeit zu optimie ren. So könne man errechnen, wie man Pisten ökologisch und zugleich wirt schaftlich präpariert. Das schone nicht nur die Umwelt, sondern spare auch Ressourcen. So gibt es mittlerweile auch
Jakob Schröger studierte Business Informatics an der Johannes Kepler Universität in Linz. Noch während des Studiums gründete er zusammen mit drei weiteren Kollegen das StartUp QGo, von dem er heute CEO ist. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Wartezeiten an Skiliften durch neue Technologien zu verkürzen.
Doch auch der beste Schnee hilft wenig, wenn am Ende der Piste eine lange War teschlange am Lift das Skivergnügen trübt. Zum Glück bietet die neue Tech nologie auch hier Möglichkeiten zur Op timierung. Optimales (Nicht-)Anstehen Das ewige Warten am Skilift ist nerven aufreibend. Und genau beim Schlange
Mario Döller, FH Kufstein
„Apps, die regelmäßig Updates geben, wie beispielsweise Lawinenwarnungen für Skitourengeher, gibt es ja bereits. Mittels der Datenskibrille wird bald auch ein Live-Update vor Ort und direkt im Blickfeld möglich.“ Versuche, „natürlichen Kunstschnee“ zu erzeugen, der in der Herstellung deutlich weniger Wasser braucht, als die bisheri gen Schneekanonen.
stehen kam Jakob Schröger deswegen auf die Idee, genau dort mit seinem Un ternehmen QGo anzusetzen. „Wir tun nichts anderes, als Wartezeiten genauer 23
Mario Döller ist Professor an der FH Kufstein und stellvertretender Studiengangsleiter für Web Business and Technology, sowie Web Communication and Information Systems. Er erforscht, welchen Nutzen Informationssysteme am Berg haben können. Zusammen mit Studenten entwickelte er bereits eine App für die Festung Kufstein. Ein weiteres Forschungsfeld Döllers ist Augmented Reality.
zu erfassen und besser vorherzusagen“, erklärt der Experte. QGo nutzt dazu spezielle Kameras, welche einzelne Per sonen erkennen und mit einer Software berechnen, wie lang die Schlange und da mit die Wartezeit ist. Natürlich mussten bei der Umset zung der Technologie Schwierigkeiten bewältigt werden: „Die Witterungsver hältnisse beim Skilift sind ganz anders, als in Gebäuden oder Freizeitparks.“ Ebenso musste das System lernen, Schatten oder herumstehende Men schengruppen von anstehenden Per sonen zu differenzieren. Mittlerweile wurde das System bei zwei Skigebieten installiert und die Kunden seien zufrie den, meint Schröger. Ob die digitale Revolution am Berg immer sinnvoll ist, bleibt abzuwarten. Aktuelle Lawinenwarnungen und nach haltige Bewirtschaftung von Liftanla gen werden mit digitaler Unterstützung sicher einigen Nutzen für Skifahrer und Pistenbetreiber bringen. Ob der Routen planer zur nächsten AprèsSkiParty das Fahrerlebnis auf der Piste verbessert, wird die Zeit zeigen.
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01 Schneilanze mit Nivosus-System, bei dem der Strahl mit einem Plasma behandelt wird. 02 Der Nivosus-Schneeball (rechts) ist vollständig durchgefroren und trocken.
Wenn bester Schnee fällt Die beiden MCI-Forscher Thomas Hermann Obholzer und Ronald Stärz haben ein neuartiges Verfahren entwickelt, um Kunstschnee zu erzeugen. Nivosus verspricht höhere Effizient, Kostenreduktion und bessere Qualität als herkömmliche Verfahren. Von Susanne Gurschler
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ei der Entdeckung spielte der Zufall mit. Die MCI-Wissenschaftler Ronald Stärz und Thomas Hermann Obholzer erforschten Möglichkeiten, die Kristallisationsprozesse bei der Abwasser-Behandlung zu beeinflussen. Sie fragten sich, auf welche Bereiche die gewonnenen Erkenntnisse noch anwendbar wären. „Aufgrund der geografischen Lage sind wir rasch auf den Schnee gekommen“, schmunzelt Stärz. So entwickelten die beiden eine neue Methode zur Produktion von Kunstschnee. Nivosus hat gleich mehrere positive Effekte. Die Technologie ist effizienter und wirtschaftlicher als bekannte Herstellungsprozesse. Zudem ist die Qualität des mit dem Nivosus-Verfahren produzierten Kunstschnees besser. Das bahnbrechende Verfahren liegt bereits beim Patentamt.
nennt sich die Methode, die molekulare Struktur des Wassers zu beeinflussen. „Unser System ist Plasma basierend. Die Wassermoleküle werden so beeinflusst, dass sie optimal ausfrieren“, erklärt Obholzer. Vergleichbar ist das von den beiden Wissenschaftlern entwickelte Verfahren mit dem, was in der Mikrowelle passiert – nur umgekehrt. Während Mikrowellen die Moleküle in Schwingung versetzen, sodass das Wasser heiß wird, geht es bei Nivosus in die andere Richtung. Die Moleküle werden zur Ruhe gebracht. „Bei den herkömmlichen Verfahren zur Schneeerzeugung liegt das Augenmerk auf dem Versprühen und Verstäuben. Wir beeinflussen die molekulare Struktur, nachdem das Wasser die Düse verlassen hat“, erläutert Obholzer. Eine mehr als deutliche Verbesserung des Kristallisationsprozesses ist die Folge. „Wenn das Wasser-Luft-Gemisch auf dem Boden auffällt, ist es bereits vollständig durchgefroren. Der Prozess ist abgeschlossen und wir haben erstklassigen Schnee“, ergänzt Stärz. Dabei kommt
Frieren auf molekularer Ebene Die Fachbezeichnung ist ein echter Zungenbrecher. Plasmainduzierte homogene Nukleation
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© MCI/OBHOLZER/STÄRZ (₂)
TECHNOLOGIE
Nivosus ohne chemische Zusätze aus. Es entstehen also keine schädlichen Abfallstoffe. Gut für Piste und Natur Die Technologie ist aus ökologischer und ökonomischer Sicht zukunftsweisend. Der Energieverbrauch minimiert sich beträchtlich. „Nivosus gewährleistet gleich viel Schnee bei 30 Prozent weniger Energiebedarf, oder umgekehrt, bei gleichem Energiebedarf gibt es 30 Prozent mehr Schnee. Wie auch immer der Skigebietsbetreiber die Rechnung macht, er spart“, betont Obholzer. Dazu kommt: Das Wasser zur Kunstschnee-Produktion muss in unseren Breiten Trinkwasserqualität haben. Viel Geld fließt also in die Entkeimung. Bei der von Obholzer und Stärz entwickelten Methode finden das Ausfrieren und Entkeimen gleichzeitig statt; eine vorherige „Behandlung“ des Wassers ist nicht notwendig. Ein weiterer Vorteil, der für Touristiker relevant ist: Das neue Verfahren kann bereits bei Temperaturen von -2 bis 0 Grad angewendet werden, was die Schneesicherheit beträchtlich erhöht. Luxus-Qualität Für die Wintersportler zählt daneben natürlich primär die Qualität der weißen Pracht. Und die ist bei der von den MCI-Forschern entwickelten Methode eindeutig besser als bei den herkömmlichen Verfahren zur Kunstschnee-Erzeugung. Der Schnee ist nicht wässrig, sondern trocken und weich. „Unser Nivosus steht dem berühmten ‚Champagne-Powder’ in Colorado in nichts nach“, freuen sich die beiden Ingenieure.
Ronald Stärz, Studium der Experimentalphysik an der Universität Innsbruck, seit 2009 Hochschullektor am MCI u. a. im Bereich Mechatronik Maschinenbau und Mechatronik Elektrotechnik. Seit 2013 ist er zudem Technischer Leiter bei der Firma ionOXess GmbH. Stärz wurde für seine Forschungen mehrfach ausgezeichnet.
Thomas Hermann Obholzer, Studium der Verfahrens- und Umwelttechnologie am MCI, seit 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Verfahrens- und Umwelttechnologie am MCI sowie seit 2012 Geschäftsführender Gesellschafter bei ionOXess, spezialisiert auf die Entwicklung von Ionisierungssystemen.
Im Moment sind sie auf der Suche nach einem strategischen Partner für die serielle Fertigung von Nivosus. Dabei haben die Zwei eine für Schneekanonenhersteller wie Skigebietsbetreiber positive Nachricht: Die bereits produzierten bzw. im Einsatz befindlichen Schneekanonen lassen sich mit dem neuen System aufrüsten. „Die bestehenden Beschneiungsanlagen tun weiter ihren Dienst, sie werden einfach nachjustiert“, betont Stärz. Umsetzung unter realen Bedingungen Nach Laborversuchen in Kooperation mit dem Schneelabor der Universität Innsbruck und ersten Testreihen im Freien steht nun eine Langzeitstudie an. Sie wird entweder diesen Sommer im Hochgebirge oder in der kommenden Wintersaison durchgeführt werden. Zudem steht die Unternehmensgründung kurz bevor, für deren Planung und Umsetzung sich die beiden Forscher Unterstützung vom CAST, dem Center for Academic Spin-Offs Tyrol, geholt haben. Außerdem erhielten Stärz und Obholzer auf diesem Weg Hilfe bei der Patentierung ihrer 2014 mit dem CAST-TechnologyAward ausgezeichneten Entwicklung.
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TECHNOLOGIE
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Der Dreh mit der Kranlast Am MCI-Department für Mechatronik wurde ein innovatives Konzept zum Ausrichten von Kranlasten bis zum internationalen Patent entwickelt. Dafür hat man ein altes physikalisches Prinzip modern interpretiert. Von Ernst Spreng
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enn ein Container an einem Kranhaken hängt, beginnt er sich durch Wind oder leichte Stöße zu drehen und muss vor dem Absetzen wieder von Hand exakt ausgerichtet werden. Dabei geht viel Zeit verloren und Personen befinden sich in gefährlicher Nähe zur Last. Das hat entsprechende Risiken für Menschen, Material und Umgebung zur Folge. Ein physikalisches Prinzip, das jeder kennt, kommt hier zu Hilfe: Sitzt man ohne Fußkontakt auf einem Drehstuhl und bewegt die ausgestreckten Arme nach rechts, dann dreht sich der restliche Körper nach links. Genauso funktioniert der vom MCI entwickelte Lastdrehkreisel, eine Erfindung die mittlerweile zum Patent angemeldet wurde. Praxisorientierte Forschung Verantwortlich für dieses Forschungsprojekt am MCI ist Sebastian Repetzki, der seit 2009 als Hochschulprofessor am Department für Mechatronik und Maschinenbau fungiert. Inzwischen ist aus der Idee, mit einem Kreisel die Rotation von Lasten zu kontrollieren, nicht nur ein Prototyp entstanden, sondern es wurden über die Jahre auch viele Bachelor- und Masterarbeiten verfasst, die gemeinsam zu einer Patentanmeldung führten.
„2009 sind wir mit einer Idee gestartet. Wir haben uns überlegt, welches praxisorientierte Projekt möglichst vielen Studierenden nützen könnte“, erklärt Sebastian Repetzki den Beginn. „Als wir dann 2011 den ersten Prototypen hatten, entstand in uns die Gewissheit, dass es nicht nur funktioniert, sondern dass es auch ein Produkt ist, das gemeinsam mit einem Unternehmen erfolgreich auf dem Markt positioniert werden kann.“ Der Wissenschaftler selbst hatte bis zur Idee für den Lastdrehkreisel schon mit Krantechnik zu tun und kommt eigentlich aus der Automobilbranche. Aber aus einem bekannten physikalischen Prinzip etwas entstehen zu lassen, das den Warenumschlag beschleunigt und für Sicherheit sorgt, hat die Mechatroniker am MCI nicht mehr losgelassen. Die Funktion In der Praxis funktioniert das Patent des MCI sehr einfach, die Innovation liegt jedoch in vielen Details. Zwischen dem zu transportierendem Gewicht und dem Kranseil wird ein Kreisel geschaltet, der sehr schnell entgegengesetzt rotiert. So werden Drehbewegungen des Transportgutes gezielt beeinflusst. Der Lastdrehkreisel ist also eine intelligente Schwungmasse, die einen Motor, Akkus 26
Sebastian Repetzki ist seit 2009 Hochschulprofessor im Department Mechatronik. Er betreut u. a. Konstruktionsprojekte, Bachelor- und Masterarbeiten und ist im Department für den Aufbau und die Weiterentwicklung des Fachgebietes Maschinenbau sowie für Forschungsprojekte und Industriekooperationen verantwortlich.
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© EMANUEL KASER (2)
01 – 02 In der Versuchsanordnung zeigt der Lastendrehkreisel, was er kann. Anstatt Menschen und Material Risiken auszusetzen, kann mit dem Gerät die Rotation von Kranlasten gesteuert werden.
und Elektronik enthält. Spezielle Lagesensoren und eine Energierückgewinnung – wie beim Bremsen von Elektroautos – vervollständigen das Konzept, das bereits in unterschiedlichen Anwendungen erprobt wurde. „Wir haben viele Probleme schon gelöst“, erklärt Repetzki. „Es gibt zum Beispiel keine externe Energieversorgung durch ein Kabel, das stören könnte, auch die besonderen, anfangs verblüffenden Effekte, die jeder Kreisel besitzt, haben wir schon sehr genau analysiert.“ In weiterer Folge will man sich vor allem damit beschäftigen, dieses System für den Kranfahrer so einfach wie möglich zu gestalten. „Genau das leistet die Mechatronik: Sensoren und Regeltechnik zu bauen, die das System einfach und praktisch einsetzbar machen. Hier können wir als MCI gemeinsam mit in-
gesamte System nicht mehr als etwa fünf Prozent der Transportlast ausmachen. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg.“ Interesse von Unternehmen gibt es bereits, wobei man in diesen Gesprächen auch auf weitere Einsatzgebiete ge stoßen ist. „Die Problematik der drehenden und schwingenden Last gibt es nicht nur bei Kranarbeiten, sondern beispielsweise auch bei Transportflügen mit Helikoptern“, erzählt Sebastian Repetzki, der davon überzeugt ist, dass in den nächsten fünf Jahren ein fertiges Produkt auf den Markt kommen könnte. Dafür braucht das MCI einen unternehmerischen Partner, der in die weitere Entwicklung investiert. „Vielleicht stoßen wir auf Einsatzgebiete in der Praxis, an die wir so noch gar nicht gedacht haben. Daraus ergeben sich oft weitere schutzfähige Produktideen. Unsere Aufgabe als unternehmerische Hochschule liegt in der Umsetzung dieser Ideen für das Partnerunternehmen, das seinerseits Marktkenntnisse sowie personelle und materielle Ressourcen zur Produktentwicklung beisteuert“, erklärt Repetzki. Am MCI-Department für
Sebastian Repetzki, Professor im Department Mechatronik des MCI
„Die Problematik der drehenden und schwingenden Last gibt es nicht nur bei Kranarbeiten, sondern beispielsweise auch bei Transportflügen mit Helikoptern.“ teressierten Unternehmen ein erfolgreiches Produkt schaffen“, so Repetzki. Eine der Schwierigkeiten des Prozesses war es auch, das Gewicht des Kreisels so gering wie möglich zu halten. „Im praktischen Einsatz müsste dieser Kreisel ungefähr gleich breit sein wie der Container, also ungefähr zweieinhalb Meter im Durchmesser haben“, beschreibt es der MCI-Professor. „Dennoch darf das 27
Mechatronik ist man überzeugt davon, dass diese neue Entwicklung großes Potenzial hat. In den vergangenen Jahren konnten wir den Nutzen und die Machbarkeit der Grundidee theoretisch und praktisch unter Beweis stellen. Jetzt geht es darum, diese Innovation bis zum fertigen Produkt voranzutreiben. Eine Chance für Unternehmen, MCI und Studierende.
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Blick in die Zelle Zahlreiche Erkrankungen gehen mit einer Störung der Zellatmung einher. Ein Forschungsteam der Medizinischen Universität Innsbruck hat mit dem Oxygraph-2k (O2k) ein Gerät entwickelt, das die Zellatmung sichtbar macht. Von Sylvia Ainetter
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MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
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er menschliche Körper besteht aus 10 bis 100 Billionen Zellen – und jede ist ein Wunderwerk für sich. Zellen können sich teilen, sie bilden Proteine, nehmen Sauerstoff auf und geben Botenstoffe, aber auch Giftstoffe ab, sie enthalten Erbgut und im Zellkern ist außerdem gespeichert, welche Aufgabe die Zelle zu erfüllen hat. Im menschlichen Körper gibt es rund 100 verschieden spezialisierte Zellen: etwa rote Blutzellen, die für den Sauerstofftransport zuständig sind oder Nervenzellen, die Informationen transportieren. Zur Energiegewinnung brauchen Zellen Sauerstoff. Man spricht von Zellatmung oder auch innerer Atmung. Diese findet mithilfe der Mitochondrien statt, Zellorganellen im Inneren der Zelle. Die Mitochondrien werden auch häufig als „Kraftwerke der Zellen“ bezeichnet – zu Recht: Ohne den biochemisch äußerst komplizierten Prozess der Zellatmung fehlt der Zelle der wichtigste Mechanismus der Energieumsetzung. Bei der Zellatmung werden – stark vereinfacht gesagt – mithilfe von Sauerstoff und Enzymen Nährstoffe (z. B. Traubenzucker oder Fett) verbrannt. Dabei entstehen Kohlendioxid und Wasser – und ein Stoff namens Adenosintriphosphat (ATP). Dieses ATP liefert der Zelle die Energie, die sie braucht, um ihre Arbeit zu
Erich Gnaiger ist Professor an der Innsbrucker Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie sowie Gründer und Geschäftsführer der Oroboros Instruments GmbH. Er ist außerdem Leiter des Projekts MitoFit.
verrichten. Ohne Zellatmung gibt es nicht genügend ATP, ohne ATP gibt es kein Leben. Präzises Messverfahren aus Innsbruck Die Zellatmung zu evaluieren, erleichtert die Diagnose von zahlreichen Krankheiten maßgeblich. Etwa bei Demenz, Typ-2-Diabetes, verschiedenen Formen von Krebs und zahlreichen weiteren degenerativen Erkrankungen besteht eine Dysfunktion der Mitochondrien. Diese zu messen, ebnet den Weg zur Diagnose.
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Das marktführende Messgerät für die Zellatmung wurde in Innsbruck entwickelt. Bereits 1988 startete im Rahmen eines Forschungsprojekts, finanziert durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), an der Universität Innsbruck (heute Medizinische Universität Innsbruck) die Arbeit an der Entwicklung des Oxygraph2k (O2k). Das Forschungsteam rund um Prof. Erich Gnaiger schuf eine Möglichkeit, die mitochondriale Funktion hoch auflösend und präzise zu messen. „Der FWF hat dann angeregt, mit technischen Firmen zu kooperieren, um den O2k auch kommerziell nutzbar zu machen“, erzählt Gnaiger. Das geschah dann auch. Durch die Gründung der Firma OROBOROS INSTRUMENTS in Innsbruck und mit WGT in Kolsass als Kooperationspartner konnte durch schrittweise Innovation der Oxygraph-2k vom Forschungsgerät zum wirtschaftlichen Erfolg geführt werden. „Lange Zeit wurde in der Medizin die Arbeit der Mitochondrien zu wenig beachtet. Inzwischen ist man sich ihrer Bedeutung zunehmend bewusst – und so ergibt sich auch ein Bedarf an verlässlichen Messgeräten“, erklärt Gnaiger. Die erste Generation des O2k ermöglichte erstmals eine sehr präzise Messung des Sauerstoffverbrauchs
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MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
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in den Zellen. Bis Ende der 1990erJahre wurden rund 70 Stück des O2k gefertigt und vertrieben. Das Gerät wurde im Rahmen des K-Regio Projekts MitoCom Tirol weiterentwickelt. Aufbauend auf der 2002-Generation konnte durch die Verbindung mit einem Fluoreszenz-Modul die Messung der Zellatmung erweitert und mitochondriale Funktionen sogar sichtbar gemacht werden. So ermöglicht die Kombination des O2k mit optischen Messverfahren neben der Messung des Sauerstoffverbrauchs auch die Evaluierung anderer zellulärer Funktionen, wie etwa die Bildung von reaktivem Sauerstoff (oxidativer Stress), die ATP-Produktion, die Kalzium-Konzentration und das mitochondriale MembranPotential. Rund 700 Labors weltweit arbeiten bereits mit der O2k-Technologie. „Wesentlich für den kommerziellen Erfolg war der Schulterschluss mit Privatunternehmen, die den weltweiten Vertrieb, den Service, die Weiterentwicklung und die Fertigung abwickeln“, so Gnaiger. 2012 wurde das Forschungsteam rund um Gnaiger für das Projekt Licht in die Kraftwerke der Zelle mit dem Houskapreis ausgezeichnet. 2014 wurde die Oroboros GmbH von Gnaiger für die Entwicklung des Oxygraph 2k für den Innovationspreis der Wirtschaftskammer Tirol und des Landes Tirol nominiert. Anwendung in der Prävention Und die Forschung schreitet voran. „Die Weiterentwicklung des Messverfahrens steht gerade in den Startlöchern“, erzählt Gnaiger. Unter dem Namen MitoFit soll künftig die mitochondriale Fitness bestimmt werden können. „Bei Menschen, die von Energielosigkeit oder auch Depression berichten, können Störungen der mitochondrialen Funktion festgestellt werden“, erklärt Gnaiger,
© OROBOROS INSTRUMENTS GMBH
01 Mit dem Oxygraph-2k wurde erstmals ein Gerät entwickelt, das in der Lage ist, den Sauerstoffverbrauch in Zellen präzise zu messen. Inzwischen kommt die Technologie in rund 700 Labors weltweit zum Einsatz.
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Erich Gnaiger, Univ. Prof. und Geschäftsführer von Oroboros Instruments GmbH
„Bei Menschen, die von Energielosigkeit oder auch Depression berichten, können Störungen der mitochondrialen Funktion festgestellt werden.“
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„dagegen haben jene, die regelmäßig Sport treiben, im Normalfall eine besser funktionierende Zellatmung – und mehr Lebensenergie.“ Aufgrund dieser Zusammenhänge sieht Gnaiger durch die Weiterentwicklung des O2k einen wichtigen Schritt für die Präventivmedizin und die personalisierte Medizin. Mit dem O2k kann detailliert beobachtet werden, wie sich Ernährungsverhalten und Bewegung auf die Zellatmung auswirken – und zwar individuell zugeschnitten auf die Gesundheit und Fitness des Menschen, was den auf die Krankheiten eines Patienten gerichteten Blickwinkel wesentlich erweitert. Weltweit steigt die Zahl der Übergewichtigen, dazu kommt, dass die Menschen immer älter werden. Diese Tatsachen bringen neue Herausforderungen für die Medizin mit sich – und damit wird auch die Kompetenz im Bereich der mitochondrialen Diagnostik weiter an Bedeutung gewinnen. Dazu gehören verlässliche Messgeräte – wie jenes, das in Innsbruck entwickelt wurde und mit MitoFit noch weiterentwickelt wird.
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NER T R A P IVE 1. T A V O N FÜR IN TERMIT UN RGEIST E NEHM
Der Tiroler Innovationspreis – wenn Forschung & Entwicklung am Markt Wirkung zeigen.
Von links nach rechts: Bucinator e.U. (Konzept), STEPS e.U. und Laserdata GmbH (Dienstleistungsinnovation), Liebherr-Hausgeräte Lienz GmbH (Technische Innovation)
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er Tiroler Innovationspreis vom Land Tirol und von der Wirtschaftskammer Tirol zeichnet bereits seit vielen Jahren Unternehmen aus, die sich mit einer außergewöhnlichen Idee am Markt bewähren. „Wichtig ist uns dabei, dass die Einreichenden in den Kategorien Technische Innovation und Dienstleistungsinnovation den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Entwicklung nachvollziehbar darstellen“, meint Gernot Bock, Leiter der Abteilung für Innovation und Technologie der Wirtschaftskammer Tirol. „Innovationen entstehen nicht über Nacht. Wir möchten genau die Unternehmen auszeichnen, welche den gesamten Weg von der Idee bis hin zum Markterfolg gegangen sind.“ Eine Ausnahme stellt die dritte Kategorie dar, mit der das Innovationspotential von Konzepten bewertet wird. Hier ist es ausschlaggebend, genau dieses Potential erkennbar darzustellen. Im Vorjahr ist das Dr. Johannes Hilbe von bucinator e.U. mit seiner „wachsamen Matratze“ am besten gelungen. Der Themenbogen spannt sich über verschiedenste Bereiche, wie z. B. Energie- und Umwelttechnik, Produktdesign, Informationstechnologie, Mobilität und Medizintechnik. Die einreichenden Unternehmen kommen aus entsprechend unterschiedlichen Branchen; die eingereichten Projekte beeindrucken unabhängig von der Firmengröße. In die Bewertung fließen neben Neuheitsgehalt und Markterfolg auch Aspekte wie Kooperationsaktivität ein. Verschiede-
ne erfolgreiche Projekte weisen eine enge Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten und universitären Einrichtungen auf. Auch im Jahr 2015 sind Tiroler Unternehmen wieder eingeladen, ihre Projekte einzureichen. Die Einreichphase beginnt Anfang Mai und endet Anfang Juli. Über die Sommermonate werden die eingereichten Projekte geprüft und bewertet. Mitte Oktober werden im Rahmen eines feierlichen Verleihungsabends alle nominierten Unternehmen vorgestellt und die Sieger ausgezeichnet. Die Abteilung Innovation und Technologie der Wirtschaftskammer Tirol freut sich auf Ihre Einreichungen und steht bei Fragen gerne zur Verfügung. 31
Zeitschiene Tiroler Innovationspreis 2015: Einreichstart: Einreichende: Verleihungsabend:
Montag, 4. Mai 2015 Montag, 8. Juli 2015 Dienstag, 13. Oktober 2015
Kontaktieren Sie uns: Wirtschaftskammer Tirol Innovation & Technologie Ing. Elke Bachler, BSc. elke.bachler@wktirol.at Tel. 05 90 90 5 - 1522
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
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HerzinfarktDiagnose in zehn Minuten Ein mobiles Labor zum schnelleren Erkennen von Herzinfarkten soll helfen, Überlebenschancen akut betroffener Patienten zu steigern und die Notaufnahmen der Spitäler zu entlasten. Derzeit wird das Gerät erstmals in einer europaweiten Studie erprobt. Auch ein Team der Innsbrucker Universitätsklinik beteiligt sich daran. Von Max Schnabl
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chmerzen in der Brust, Atemnot und Angst sind mögliche Symptome eines akuten Herzinfarktes. Treten sie auf, ist Eile geboten. Sollte nämlich tatsächlich ein Verschluss eines Blutgefäßes am Herzen vorliegen, werden Teile dessen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Je länger eine ärztliche Behandlung auf sich warten lässt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die unterversorgten Herzregionen absterben. Die Folgen sind gravierend, sie reichen von bleibenden Schäden bis hin zum Tod. In den westlichen Industrienationen sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache. Zwei Tropfen Blut Eine Neuentwicklung, an der mehrere internationale Technologiefirmen beteiligt sind, soll künftig die Zeitspanne zwischen dem ersten Auftreten von Beschwerden und dem Einleiten der richtigen Behandlung verkürzen. Mit dem Messgerät Minicare I-20 kann sofort nach Eintreffen des Patienten in der Notaufnahme direkt am Krankenbett ein Bluttest zur Herzinfarkt-Diagnose durchgeführt werden. Ähnlich wie beim Blutzuckermessen genügt ein kleiner Stich in den Finger. Zwei Blutstropfen auf dem Sensor des handlichen Minilabors reichen aus, um die Konzentration des Biomarkers Troponin I zu messen. Dabei handelt es sich um ein Eiweiß, das bei akuten Schädigungen des Herzmuskels von diesem ins Blut freigesetzt wird. 32
Nach zehn Minuten zeigt das Gerät einen TroponinWert und damit den Zustand des Herzens an. „Ein herkömmlicher Bluttest im Krankenhaus-Labor benötigt etwa eine Stunde länger“, sagt Johannes Mair, der das Innsbrucker Projektteam der internationalen Studie leitet. Alleine das Zentrifugieren, das Zerlegen des Blutes in seine Einzelbestandteile, dauere im Labor gleich lange wie der gesamte Test mit mit dem Minicare I-20-Gerät. Mehrstufer Diagnoseprozess Dieser Zeitgewinn soll künftig zu einer Entlastung der Notaufnahmen beitragen, da die Verweildauer der Patienten durch das schnellere Bestätigen oder Auschließen eines Herzinfarkts gesenkt wird. Zugleich nimmt bei einer sofortigen Überstellung des Patienten in ein Krankenhaus mit einem Herzkatheter-Labor, in dem Kardiologen Engstellen und Verschlüsse von Herzkranzgefäßen behandeln können, die Gefahr von Spätfolgen, wie chronischer Herzschwäche, ab. Besonders wertvoll ist der Troponin-Schnelltest für Krankenhäuser, die nicht selbst über ein Herzkatheterlabor verfügen, sagt Johannes Mair. Wenn fraglich ist, ob ein Notfallpa-
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
© EMANUEL KASER
01 Die Innsbrucker Forscher Katrin Wegscheidler, Gerhard Laschober, Bernadette Wille, Johannes Mair, Daniel Basic und Christina Mayerl präsentieren das neue Messgerät Minicare I-20
tient aus einer anderen Klinik in das Innsbrucker Herzkatheterlabor überstellt werden muss, schafft das Minicare I-20-Gerät klare Tatsachen. Dennoch ist der Einsatz des Testverfahrens nicht bei allen Patienten mit Herzinfarkt-Symptomen notwendig. Zur Diagnosefindung erfolgt zuerst eine bildliche Darstellung der Herzströme mittels eines Elektrokardiogramms (EKG), in manchen Fällen auch der Herzfunktion mittels Ultraschall. „Zeigen sich in den Bildern eindeutige Befunde, ist ein TroponinTest hinfällig, der Patient wird ohne Verzögerung in ein Herzkatheterlabor gebracht, wo die genaue Stelle des Gefäßverschlusses ermittelt und dieser beseitigt werden kann“, erläutert Mair. Der überwiegende Teil der Herzinfarkte zeige aber kein eindeutiges EKG-Bild. Genau in diesen Zweifelsfällen gibt der Troponin-Test eindeutig Aufschluss darüber, ob ein Infarkt vorliegt oder nicht.
Studienpartner: • Sheffield Teaching Hospitals NHS Foundation Trust • St. George’s Hospital London • Catharina Ziekenhuis Eindhoven • Hôpital de la PitiéSalpêtrière Paris • Medizinische Universität Innsbruck • Klinikum Nürnberg
Entscheidung soll 2016 fallen An der mehrjährigen Teststudie im Rahmen des EU-Projekts Lab2Go nehmen sechs europäische Krankenhäuser teil, die unterschiedlichen Fragestellungen zu Technik und Praktikabilität des 33
Johannes Mair ist Professor für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Innsbruck und Oberarzt an der Universitätsklinik für Innere Medizin III – Kardiologie und Angiologie. Er leitet das Innsbrucker Team der EU-Studie Lab2Go.
Messgeräts nachgehen. In Innsbruck werden Benutzerfreundlichkeit und Zuverlässigkeit des mobilen Mini-Labors erhoben. „Um zu prüfen, ob das Gerät verlässliche und richtige Werte liefert, entnehmen wir zusätzlich zu den Blutstropfen aus der Fingerspitze Blut aus einer Vene des Patienten. Dieses wird dann auch mittels eines etablierten Labortests analysiert. So haben wir immer eine Vergleichsprobe“, erklärt Mair. Anfang des Jahres wandten Ärzte in der Innsbrucker Klinik das neue Verfahren erstmals an einem realen Patienten an, aktuell werden vier Geräte im Probebetrieb eingesetzt. In Zukunft soll die Verwendung des Messgeräts auch im Rettungsdienst getestet werden. Dahinter steht die Vision, dass Notärzte bereits in der Wohnung des Patienten oder im Rettungswagen die Diagnose einer akuten Herzmuskelschädigung stellen und das entsprechende Krankenhaus telefonisch vorinformieren können. Vorerst ist das aber noch Zukunftsmusik, denn noch gilt es, die Ergebnisse der laufenden innerklinischen Studie abzuwarten. Die Entscheidung über die Zulassung des Medizinprodukts soll im kommenden Jahr fallen.
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Weg von der Nadel Die Medikamentengruppe der Peptid-Wirkstoffe lässt sich bislang nur über Injektionen verabreichen. Eine Entwicklung eines Tiroler Pharmazeuten soll das aber bald ändern. Von Daniel Feichtner
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eltweit leiden aktuell rund 350 Millionen Menschen an Diabetes. Besonders in Industrienationen breitet sich die Krankheit rasant aus. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2030 rund zehn Prozent der Weltbevölkerung an der Erkrankung leiden werden. Das hat dramatische Folgen. Neben der primären Gefahr einer Überzuckerung bringt Diabetes eine Vielzahl von Begleiterscheinungen wie Übergewicht und Organschäden mit sich, die das Durchschnittsalter der Patienten senken und ihre Lebensqualität beeinflussen. Außerdem steigen die Kosten für Gesundheitssysteme drastisch. Viele Medikamente, mit denen die Krankheit und ihre Folgeerkrankungen therapiert werden, beinhalten Peptid-Wirkstoffe. Dazu zählen neben Insulin auch Medikamente der GLP-1-Gruppe, die zusätzlich helfen, Übergewicht zu reduzieren. Hemmschwellen und hohe Kosten Im Bereich dieser Wirkstoffe hat der Tiroler Pharmazeut Florian Föger jahrelang geforscht. Anfang 2015 hat er mit der Unterstützung des CAST (Center for Academic Spin-Offs Tyrol) eine von ihm entwickelte Technologie patentiert und das Start-up Cyprumed gegründet, um diese zu vermarkten. „Das große Manko an Peptid-Wirkstoffen ist, dass sie injiziert werden müssen“, erklärt
der Experte. „Denn sie setzen sich aus den selben Bausteinen wie Proteine zusammen, aus denen auch ein großer Teil unserer Nahrung besteht.“ Deswegen werden sie im Verdauungstrakt sofort von Enzymen zersetzt, bevor sie in den Blutkreislauf gelangen. Für Patienten hat das zur Folge, dass sie oft mehrmals am Tag Medikamente spritzen müssen. Und das ist nicht nur mit Unannehmlichkeiten verbunden: „Studien belegen, dass Medikamente, die gespritzt werden müssen, von den Patienten unregelmäßiger angewandt werden, was gerade bei chronischen Erkrankungen problematisch ist“, erklärt Föger. „Außerdem führt die Hemmschwelle vor der Nadel dazu, dass später mit der Therapie begonnen wird. Gerade bei prophylaktischen Maßnahmen geht so wertvolle Zeit verloren.“ Dazu kommt auch ein wirtschaftlicher Faktor: Spritzen, sterile Nadeln und Flüssigkeiten sind in Herstellung, Lagerung und Transport relativ teuer. Tabletten statt Spritzen Eine Möglichkeit, Peptid-Wirkstoffe als Tabletten einzunehmen, würde all diese Problematiken beseitigen. Und das betrifft nicht nur Diabetiker. Mittlerweile sind über hundert dieser Medikamente am Markt und bieten Therapien für andere Erkrankungen, wie Wachstumsstörungen, Osteoporose und nicht zuletzt Krebs. Dessen sind sich die Pharmafir34
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
01 Magensaftresistenter Überzug bewirkt dass die empfindlichen PeptidWirkstoffe intakt bis in den Dünndarm gelangen.
02 Dort löst sich die Tablette auf und setzt Hilfsstoffe frei, die spezifische Verdauungsenzyme kurzfristig reversibel inaktivieren, damit die Peptid-Wirkstoffe nicht verdaut werden. Weiters enthält die Tablette Trägermoleküle, welche die Aufnahme der Wirkstoffe vom Verdauungstrakt in den Blutkreislauf bewerkstelligen.
men bewusst. „Aktuell forschen international rund 20 bis 30 Unternehmen in diesem Bereich“, schätzt Föger. Dazu gehört auch Cyprumed. Und wie es aussieht, hat die Technologie des Tiroler Unternehmens eindeutige Vorteile. Die von Föger entwickelte Technologie ist einzigartig und zugleich verhältnismäßig simpel. Zum einen greift er auf Substanzen zurück, welche die Wirkung der Verdauungsenzyme hemmen. Dieser Effekt tritt nur im direkten Umfeld der Tablette auf und hält weniger als 30 Minuten an. Dennoch genügt das, um die frühzeitige Zersetzung der Peptid-Wirkstoffe zu verhindern. „Zum anderen kommen Hilfsstoffe zum Einsatz, die schon natürlich vorhandene Spalten zwischen den Zellen in den Wänden des Verdauungsapparats zusätzlich erweitern“, erklärt der Pharmazeut. „Peptide sind recht große Moleküle. Deswegen fällt es schwer, sie vom Magen-Darm-Trakt in den Blutkreislauf zu transportieren.“ Weiten sich die Lücken zwischen den Zellen jedoch kurzfristig, können die Moleküle ungehindert in die Blutgefäße weitergeleitet werden, wo sie ihre Wirkung entfalten. Vorsprung Was schlussendlich zählt, ist die Bioverfügbarkeit – also die Menge des Wirkstoffs, die dort im Körper ankommt, wo sie gebraucht wird. Ist sie zu niedrig, ist das Medikament in dieser Form weder effektiv noch finanziell lohnend. „Intravenös gespritzt erreichen Wirkstoffe eine Bioverfügbarkeit von 100 Prozent. Bei Injektionen unter die Haut liegt sie zwischen 50 und 100 Prozent“, meint 35
Florian Föger hat an der Universität Innsbruck das Doktoratsstudium der Pharmazie absolviert. Nach seinem Abschluss war er sechs Jahre lang für einen dänischen Pharmakonzern in der Entwicklung tätig. Mittlerweile arbeitet er mit Cyprumed an seiner eigenen Entwicklung, für die er inzwischen auch ein Patent eingereicht hat.
Föger. „Bei den meisten Methoden zur oralen Gabe von Peptid-Wirkstoffen wird in vorklinischen Studien rund ein Prozent Verfügbarkeit erreicht. Mit der Technologie von Cyprumed gelangen bei Diabetes-Medikamenten 30 bis 35 Prozent in den Blutkreislauf und bei einem Krebspräparat rund 70 Prozent.“ Und auch was den Entwicklungszeitraum angeht, hat der Tiroler einen klaren Vorteil. Während andere Unternehmen völlig neue Wege entwickeln und zum Beispiel Proteine modifizieren und so neue Medikamente erschaffen, die alle klinischen Entwicklungsstufen durchlaufen müssen, setzt er bereits erprobte und freigegebene Wirkstoffe ein. Dadurch dürfte seine Technologie deutlich schneller Marktreife erlangen. Mit der Unterstützung des CAST rechnet Föger damit, dass noch dieses Jahr eine klinische Studie beginnen kann. Wenn diese erfolgreich verläuft, plant er eine Kooperation mit einem internationalen Konzern einzugehen. „Ich habe die Technologie“, meint der Pharmazeut. „Jetzt fehlt nur noch ein Unternehmen, das in der Lage ist, diese auch im großen Stil auf bereits vorhandene und neue Medikamente anzuwenden.“
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Ein Protein als Warnleuchte Afamin ist eines von tausenden Proteinen im menschlichen Körper. Seine Funktion ist bislang noch kaum geklärt. Doch bereits jetzt kann es als Frühwarnsystem für Schwangerschaftskomplikationen genutzt werden. Von Daniel Feichtner
© AMER. CHEM. SOC. 2005
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01 Über die Funktionen des Glykoproteins Afamin ist noch wenig bekannt. Dennoch können dank ihm bereits heute Erkrankungen frühzeitig erkannt und prophylaktische Maßnahmen ergriffen werden.
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MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Hans Dieplinger
„Es zeigte sich schnell, dass offenbar eine Relation zwischen einem erhöhten Afaminwert und dem sogenannten metabolischen Syndrom besteht. Allerdings lässt sich noch nicht genau sagen, wodurch dieser Zusammenhang schlussendlich ausgelöst wird.“
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or zwanzig Jahren wurde Afamin zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben. „Eigentlich ziemlich spät, wenn man in Betracht zieht, dass es in relativ hoher Konzentration im menschlichen Blutkreislauf vorkommt“, meint Hans Dieplinger vom Department für medizinische Genetik und klinische Pharmakologie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Damit ist das Protein eine ziemlich neue Entdeckung. Dementsprechend wissen die Wissenschaftler noch verhältnismäßig wenig darüber, welche Aufgaben es erfüllt und wozu wir es brauchen. Detektivarbeit Deswegen beschäftigen sich Dieplinger und seine Kollegen seit seiner Entdeckung mit Afamin und versuchen, seine Funktion zu entschlüsseln. Zwar hat das Protein noch lange nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben, aber bereits jetzt tun sich spannende Zusammenhänge auf. Um Afamin auf die Spur zu kommen, haben die Wissenschaftler eine groß angelegte Studie unternommen. „Ziel war es, das Protein mit verschiedenen Funktionen des Organismus in Verbindung zu bringen“, erklärt Dieplinger. „Dazu haben wir die Konzentration des Proteins im Blut von Personen quer durch die Bevölkerung ermittelt.“ Bei der Messung wurden bewusst Probanden beider Geschlechter, aller Altersgruppen, von verschiedenstem sozialem Status und mit unterschiedlichen Le-
bensweisen ausgewählt. Dann machte sich das Team daran, die Afaminspiegel mit anderen Messwerten wie Körpergewicht, Blutdruck und Ähnlichem zu vergleichen, um daraus eine mögliche Funktion abzuleiten.
Hans Dieplinger ist Doktor der Biochemie und ist seit 1985 an der medizinischen Universität Innsbruck tätig. Neben der Erforschung von Afamin beschäftigt er sich mit Herz-KreislaufErkrankungen und führt das universitäre Spin-off Vitateq Biotechnology.
Zivilisationskrankheiten „Bereits hier waren erste Auffälligkeiten erkennbar“, berichtet Dieplinger. „Es zeigte sich schnell, dass offenbar eine Relation zwischen einem erhöhten Afaminwert und dem sogenannten metabolischen Syndrom besteht. Allerdings lässt sich noch nicht genau sagen, wodurch dieser Zusammenhang schlussendlich ausgelöst wird.“ Denn bislang wird angenommen, dass das metabolische Syndrom, das hauptsächlich, aber nicht nur Menschen in Industrienationen betrifft, vor allem durch einen Lebensstil im permanenten Überfluss ausgelöst wird. Das Krankheitsbild vereint verschiedenste ursächliche und Folgeerkrankungen in sich. Zu den Erscheinungsbildern gehören neben Übergewicht auch Bluthochdruck und eine erhöhte Glukosekonzentration im Blut, die eine der Hauptursachen für Typ2-Diabetes ist. Zudem wird das metabolische Syndrom heute als einer der größten Risikofaktoren für Erkrankungen der Herz-Kreislauf-Gefäße betrachtet. Engmaschigeres Netz Diese ersten Verknüpfungen von Afamin mit Krankheitsbildern waren für
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MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
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Afaminkonzentration
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Dieplinger aber eher Vorarbeit, meint er. Im nächsten Schritt wurden Studien entwickelt, um eine direkte Verbindung zwischen dem Protein und konkreten Folgeerkrankungen nachzuweisen. Dabei zeigte sich unter anderem ein Zusammenhang zwischen einem erhöhten Afaminspiegel und dem Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS), einer Krankheit, die bei Frauen im gebärfähigen Alter auftritt. Beim PCOS kommt es zu einer Zerfurchung der Eierstöcke. Als Folge davon ist es den Betroffenen nahezu unmöglich, schwanger zu werden. Schätzungen gehen davon aus, dass rund vier bis zwölf Prozent der Frauen in Europa darunter leiden. „Allerdings wissen wir auch bei PCOS noch nicht, welche Rolle Afamin dabei genau spielt“, erklärt der Mediziner. „Es ist durchaus denkbar, dass ein Überschuss des Proteins zumindest Teilschuld am Ausbruch der Krankheit hat. Ebenso gut möglich ist es aber, dass Afamin nur ein Nebenprodukt von Vorgängen ist, die eine Erkrankung auslösen, die wir aber noch nicht kennen.“ Ungewöhnlicher Verlauf Aber nicht nur vor Beginn von möglichen Schwangerschaften zeigte der Afaminhaushalt Auffälligkeiten. „Wir haben auch den Proteinhaushalt von Schwangeren untersucht“, erklärt Dieplinger. „Dabei haben wir festgestellt, dass die Konzentration während der neun Monate stetig steigt und bis zur Entbindung den doppelten Wert erreicht. Danach fällt er rapide ab und normalisiert sich wieder.“ Diese Erkenntnis an sich war für die Mediziner nicht weiter verwunderlich. Während der Schwangerschaft steigen die Konzentrationen vieler Proteine an, da der Organismus den wachsenden Fötus mitversorgen muss. Allerdings entdeckten Dieplinger und
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sein Team, dass die Afaminmenge im Blut mancher Frauen während des ersten Schwangerschaftstrimesters deutlich schneller anstieg als bei den meisten anderen. Bei diesen Patientinnen blieb der Afaminwert dann im weiteren Verlauf der Schwangerschaft konstant, sodass auch bei diesen Frauen kurz vor der Geburt die doppelte Konzentration erreicht wurde.
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Schwangerschaftsbeginn
Warnzeichen „Diese übersteigerte Ausschüttung von Afamin geschieht offenbar nicht zufällig“, erklärt der Experte die bisherigen Forschungsergebnisse. Vielmehr ist es gelungen, einen Zusammenhang zwi-
Hans Dieplinger
„Weder beim metabolischen Syndrom noch bei der Präeklampsie oder dem HELLP-Syndrom sind bislang genaue Ursachen bekannt“
schen dem übermäßigen Vorhandensein des Proteins in der frühen Schwangerschaft und später auftretenden Komplikationen nachzuweisen. So neigen betroffene Frauen deutlich häufiger zur Präeklampsie, die sich unter anderem in erhöhtem Blutdruck und Proteinverlust über den Harn manifestiert – und damit ähnliche Symptome wie das metabolische Syndrom hervorbringt. Je nach Stärke und Ausprägung kann diese Erkrankung zu einer ernsten Gefahr für Mutter und Kind werden und erfor38
dert in jedem Fall eine strenge medizinische Überwachung der Schwangerschaft. „Außerdem hat sich gezeigt, dass der Afaminspiegel auch ein Indikator für Schwangerschaftsdiabetes und das HELLP-Syndrom ist, das drei bis fünf Prozent der betroffenen Mütter und zwischen zehn und 40 Prozent der Kinder das Leben kostet“, berichtet Dieplinger. Vom Labor auf den Markt Aufgrund dieser Erkenntnisse haben die Mediziner mittlerweile einen Test
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Afamin als Frühwarnsystem
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Auffälliger Verlauf
TECHNOLOGY
Normaler Verlauf
9 Monate
Schwangerschaftsende
Bei Schwangerschaften steigt die Afaminkonzentration vom Normalwert 50 linear an, bis kurz vor der Entbindung eine Verdoppelung erreicht wird. Dann sinkt der Spiegel rapide wieder auf den Ursprungswert zurück. In manchen Fällen nimmt die Konzentration jedoch deutlich rascher zu und der Anstieg verebbt, wenn ein Wert von 100 erreicht ist. Dieser ungewöhnliche Verlauf bietet schon im ersten Trimester einen Hinweis auf später auftretende Komplikationen.
entwickelt, mit dem die Afaminkonzentration im Blut im klinischen Alltag gemessen werden kann. Über das Innsbrucker Spin-off-Unternehmen Vitateq Biotechnology werden inzwischen nicht nur diese Testkits vermarktet, sondern Dieplinger und sein Team konnten sich dank einer Förderung der Wirtschaftskammer Tirol auch das Patent am Testverfahren sichern. „Unser Nachweis eignet sich sowohl für möglicherweise vom metabolischen Syndrom Betroffene als auch für Schwangere“, erklärt der Experte stolz. „Der Test ist einfach, billig und kann im Zuge einer normalen Blutuntersuchung vorgenommen werden, wie sie zum Beispiel beim Mutter-Kind-Pass vorgeschrieben ist.“ Früherkennung als Chance Während der Afamintest Möglichkeiten bietet, das Risiko, ein metabolisches Syndrom zu entwickeln, oder Schwangerschaftskomplikationen frühzeitig zu erkennen, ermöglicht er allerdings
noch keine Therapie. „Weder beim metabolischen Syndrom noch bei der Präeklampsie oder dem HELLP Syndrom sind bislang genaue Ursachen bekannt“, gibt der Mediziner zu bedenken. „Aber die Möglichkeit, Risiken richtig einzuschätzen, kann gerade im Fall von Schwangerschaftskomplikationen Leben retten.“ Denn je früher eine werdende Mutter um das erhöhte Risiko weiß und sich schont, desto niedriger ist die Gefahr von bleibenden Schäden oder einer Fehlgeburt. Und auch bereits frühzeitig von einer gesteigerten Eventualität zu wissen, an Diabetes zu erkranken, hilft, rechtzeitig prophylaktische Maßnahmen zu ergreifen. „Außerdem wissen wir noch nicht, welche Rolle Afamin bei all diesen Erkrankungen wirklich spielt“, meint Dieplinger. „Sollte es uns gelingen, eine Kausalität nachzuweisen, und zu belegen, dass das Protein der Auslöser ist, hätten wir damit auch einen völlig neuen Therapieansatz zur Verfügung" 39
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MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Eine Frage der Balance Die HTA-Forschungsgrupe an der UMIT in Hall untersucht und bewertet Gesundheitstechnologien. Ihre Empfehlungen helfen Politikern, Gesundheitsbehörden, Kassen, Ärzten und Patienten dabei, wichtige Entscheidungen zu treffen. Von Eva Schwienbacher
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orsorgen ist besser als Heilen – nach diesem Motto unterziehen wir uns regelmäßig Gesundheitschecks beim Arzt oder lassen uns vorsorglich impfen. Frauen wurde bisher beispielsweise empfohlen, im jährlichen Abstand an der Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge teilzunehmen. Heute wäre es durch neue, bessere Testkombinationen möglich, die Fehlerrate zu senken und infolgedessen den Abstand zwischen den Untersuchungen zu vergrößern. „Eine Untersuchung alle zwei bis drei Jahre könnte ausreichen, insbesondere wenn eine Frau wiederholt unauffällig war“, erklärt Uwe Siebert, Leiter des Public Health Departments an der Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften UMIT in Hall, wo zum Thema Gebärmutterhalskrebs geforscht wird. Beim Vorsorgen kann man wenig falsch machen, möchte man meinen. Doch eine zu engmaschige Vorsorge ist nicht immer zwingend sinnvoll, stellt Siebert klar: „Man riskiert damit, immer mehr Krankheiten zu entdecken, die eventuell nie zu Symptomen geführt hätten.“ Das Problem, das der Wissenschaftler und frühere Arzt damit anspricht, nennt sich Überdiagnose oder -therapie. Wie bei
Kurze Geschichte der HTA • 1970er: Erste HTAAktivitäten starten in Europa. • 1980er: Erste HTAProjekte werden in Österreich umgesetzt. • 1990er: Entscheidungsträger geben HTAs in Auftrag und wenden die Forschungsergebnisse zunehmend in der Politik und im Gesundheitswesen an. • 2005: Das Ludwig Boltzmann Institut für HTA wird als erstes unabhängiges HTAInstitut Österreichs in Wien gegründet, im selben Jahr startet auch die HTA-Forschungsgruppe in Hall ihre Aktivitäten. • Heute gibt es in Europa rund 100 HTA-Institutionen.
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Medikamenten gilt es auch bei Vorsorgeuntersuchungen, die optimale „Dosierung“ zu finden. Nutzen-Schaden-Balance Mit Themen wie der Erforschung des goldenen Mittelwegs in der Prävention beschäftigt sich die Forschungsgruppe HTA – Health Technology Assessment – am Public Health Department in Hall. Die Aufgabe dieser Forschungseinheit ist es sicherzustellen, dass neue Gesundheitstechnologien wirksam und ungefährlich sind: „Die Rolle von HTA ist es, den Schaden und den Nutzen einer medizinischen Technologie gegeneinander abzuwägen“, erklärt der Experte. Der Begriff Technologien ist im weitläufigen Sinne zu verstehen: „Es geht dabei nicht allein um Hightech-Geräte, die auf den Markt kommen, sondern auch um Medikamente, diagnostische Tests, Vorsorgeuntersuchungen und RehaMaßnahmen.“ In einem weiteren Schritt können auch die Kosten beurteilt werden. In der Nutzen-Schaden-Balance gilt Siebert zufolge oft: „Weniger ist mehr.“ Diesem Grundsatz folgte man international zum Beispiel in der Brustkrebs-Früherkennung, als das Alter der Frauen und
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Petra Schnell-Inderst
„Anhand von objektiven und evidenzbasierten Kriterien unterstützen wir Behörden und Kliniken.“
das zeitliche Intervall für die Untersuchung erhöht wurden. Denn auf der einen Seite besteht die Chance, dass durch die Therapie ein Leben gerettet werden kann, erklärt der Department-Leiter. Aber bei Mammografien können auch Geschwulste entdeckt werden, die sich nie zu gefährlichem Krebs entwickeln würden. Eine Behandlung schadet der Betroffenen in diesem Fall eher. Hier gilt es abzuwägen. „HTAs sind die Anwälte der Bürger und schützen die Bevölkerung vor zu viel Technologie“, bringt Siebert es auf den Punkt. Entscheidungsanalysen Da es sich meist um sehr komplexe Fragestellungen handelt, insbesondere beim Vergleich verschiedener Maßnahmen in der Prävention oder bei Langzeiteffekten, setzt die Forschungsgruppe HTA in Hall Entscheidungsanalysen ein. Das sind ModellUwe Siebert
„Die Rolle von HTA ist es, den Schaden und den Nutzen einer medizinischen Technologie gegeneinander abzuwägen.“ rechnungen, in denen sämtliche Daten aus relevanten Studien in Computermodellen zusammengeführt werden. Im Unterschied zu einer praktischen Studie lassen sich damit mehrere verschiedene Möglichkeiten durchspielen. „Das Modell berechnet anhand der eingegebenen Informationen die Vor- und Nachteile einer Gesundheitstechnologie und falls gewünscht auch die damit verbundenen Kosten“, erklärt Petra Schnell-Inderst, Leiterin der HTA-Forschungsgruppe. Das sei besonders dann wichtig, wenn es zu einem neuen Medizinprodukt noch keine Langzeitstudien gibt. Am Department arbeitet ein interdisziplinäres Team aus rund 30 Mitarbeitern, darunter Experten wie Statistiker, Epidemiologen, Ärzte, Gesundheitsmanager und Spezialisten aus Bereichen wie Ethik, Psychologie oder Recht.
Petra Schnell-Inderst hat in München Biologie und Public Health studiert. Heute ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der UMIT, koordiniert am Department für Public Health und HTA das Programm Health Technology Assessment (HTA) und vertritt die UMIT im Europäischen Netzwerk EUnetHTA.
International gefragt Die Forschungsergebnisse werden in sogenannten HTA-Berichten veröffentlicht. Ministerien, Krankenkassen und auch Kliniken ziehen diese in der Entscheidungsfindung heran, etwa wenn es um die Einführung neuer Behandlungsmethoden oder die Kostenerstattung geht. „Anhand von objektiven und evidenzbasierten Kriterien unterstützen wir Behörden und Kliniken“, erklärt SchnellInderst. Auch international spielt HTA in Hall eine Rolle. Die Forschungsgruppe ist Mitglied des europäischen Netzwerks für HTA (EUnetHTA). Weiters fungiert das Public Health Department als internationales Ausbildungszentrum für HTA und auf Kongressen geben die Forscher ihr Knowhow weltweit weiter. Der Bereich HTA in Hall ist mit seinen zehn Jahren zwar noch jung, aber im deutschsprachigen Raum bereits führend, was die Anwendung entscheidungsanalytischer Modelle betrifft, berichtet Siebert. Seine Vision ist, „dass unsere Aktivitäten in Ausbildung und Forschung zu einer schonenden Medizin beitragen, in der noch mehr als bisher die Belange der Patienten berücksichtigt werden“.
Uwe Siebert arbeitet als Universitätsprofessor an der UMIT, leitet das Department für Public Health und HTA sowie die HTA-Area im ONCOTYROL – Zentrum für Personalisierte Krebsmedizin. Weiters ist er Adjunct Professor an der Harvard University.
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MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
01 Detektivarbeit: Am Zentrum für Seltene Krankheiten heften sich Wissenschaftler an die Fersen von Erkrankungen, die bislang oft nur wenig erforscht sind.
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© EMANUEL KASER
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MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Ein Netzwerk für seltene Krankheiten Das Zentrum für Seltene Krankheiten der Medizinischen Universität Innsbruck kümmert sich um die Waisenkinder der Medizin. Von Ernst Spreng
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elten: Im Fall von Krankheiten definiert sich das Wort nicht dadurch, dass sie in Summe nicht oft vorkommen. Ist nicht mehr als eine Person von 2000 von einer bestimmten Krankheit betroffen, spricht die Medizin von „selten“. Da es aber rund 7000 oder mehr dieser auch als „Orphan Diseases“ (als Waisenkinder unter den Erkrankungen) bezeichneten Krankheitsbilder gibt, sind zwischen sechs bis acht Prozent der österreichischen Bevölkerung davon betroffen. In Österreich leiden rund 400.000 Menschen an einer seltenen Krankheit. Es sind unklare Symptome, die sich keiner der üblichen Krankheiten zuordnen lassen, Diagnosen, die noch nie vorher in Tirol gestellt wurden, Menschen, die hochspezialisierte Therapien benötigen. Dieser Personen nimmt man sich an der Med-Uni Innsbruck seit einiger Zeit vermehrt an. Eine der Anlaufstellen für seltene Krankheiten ist die Sektion Humangenetik, wo es immer öfter gelingt, durch modernste Analyseverfahren die genaue Ursache genetischer Krankheiten auf molekularer Ebene zu bestimmen. „Rund 80 Prozent der seltenen Krankheiten haben ihren Ursprung in einer genetischen Veränderung“, erklärt Johannes Zschocke, Direktor der Humangenetik in Innsbruck. „Unsere Aufgabe ist es, eine Diagnose zu stellen, die Menschen persönlich zu beraten und für den Einzelnen ein Netzwerk aus Fachkräften zu schaffen, das ihm hilft.“
verbunden. Abseits der reinen Diagnose hat sich hier ein Forum gebildet, das dem Seltenen auf der Spur ist. „Ein Aspekt ist, dass sich Menschen mit unklaren Symptomen an uns wenden können und wir versuchen, die Krankheit abzuklären“, erzählt Zschocke. „Es gibt aber auch regelmäßige Treffen mit verschiedensten Ärzten, wo aktuelle Fälle interdisziplinär besprochen werden. Diese enge Zusammenarbeit ist sehr wichtig. Nur so können wir diesen Menschen eine individuelle Betreuung und gegebenenfalls eine wirksame Spezialbehandlung anbieten.“ Die Diagnose In vielen Fällen ist dabei die Diagnose der Krankheit der erste und wichtigste Schritt. „Ich beschäftige mich zum Beispiel seit Jahren mit einer Krankheit, die weltweit bisher nur 35 Mal beobachtet wurde“, versucht Johannes Zschocke die Schwierigkeit des Erkennens auf den Punkt zu bringen. Aus den Einblicken, die wir durch die Beschäftigung mit sehr seltenen Störungen gewinnen, ergeben sich aber oft grundlegende Erkenntnisse über die vielen unverstandenen Funktionen des Körpers und neue Ansätze auch für das Verständnis und die Behandlung von häufigen Krankheiten. Dabei bieten die modernen Verfahren der genetischen Diagnostik umwälzende neue Möglichkeiten. „Der Quantensprung ist vor ungefähr 15 Jahren eingetreten, als es zum ersten Mal gelungen ist, die Grundstruktur des Genoms zu entschlüsseln“, meint der Direktor der Humangenetik. „Seither können wir die genetischen Ursachen von unbekannten Krankheiten immer besser analysieren und so den Menschen helfen.“
Ein Forum schaffen Die Med-Uni Innsbruck ist die zentrale Anlaufstelle für seltene Krankheiten in Westösterreich. Schon vor Jahren wurde hier zunächst von Humangenetikern, Pädiatern und Dermatologen das Forum Seltene Krankheiten gegründet. Inzwischen sind zahlreiche Kliniken und Institute in dem Netzwerk
Wie geht es weiter? Die Diagnose ist aber nur einer der Schritte, die das Zentrum für Seltene Krankheiten in Innsbruck dem Patienten anbieten kann. Die Therapie der 43
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02 Die Erforschung seltener Krankheiten profitiert enorm von der Entschlüsselung der Grundstruktur des menschlichen Genoms vor ungefähr 15 Jahren. Seither besteht die Möglichkeit, ihren genetischen Ursachen auf den Grund zu gehen.
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Krankheiten liegt zwar nicht mehr im Bereich der Humangenetik. Hier werden oft mehrere Fachärzte zusammengeschlossen, die dem Patienten in ihren Spezialgebieten weiterhelfen können. Zentraler Faktor ist aber auch die Psyche des Menschen und dessen drängende Fragen. Wenn eine Krankheit eine genetische Ursache hat, ist es meist wichtig
Ärzte. Auch österreichweit wurde ein nationaler Aktionsplan verabschiedet, um Seltenem und Unbekannten auf die Spur zu kommen. In Zukunft sollen vor allem an den medizinischen Universitäten Österreichs Excellence-Zentren entstehen, die sich auf bestimmte Krankheiten besonders spezialisieren. „Diese Struktur ist sehr wichtig und Innsbruck ist hier aktiv mit dabei“, erklärt Johannes Zschocke und spricht dabei auch das Thema Forschung an. „Ich bin mir sicher, dass wir in den kommenden Jahren durch intensive Forschung immer öfter die Ursachen für Krankheitsbilder erkennen können, die bisher vollkommen unbekannt sind. Die Verbindung von Patientenversorgung und Grundlagenforschung zum beiderseitigen Nutzen ist uns an der Med-Uni ein Herzensanliegen.“ Schlussendlich geht es bei den seltenen Krankheiten um ein sehr menschliches Bedürfnis, das den betroffenen Menschen Hoffnung gibt und das Johannes Zschocke mit einem Satz zusammenfast: „Wir sind für jene da, die medizinisch bisher kein Zuhause hatten.“
Johannes Zschocke
„Ich beschäftige mich zum Beispiel seit Jahren mit einer Krankheit, die weltweit bisher nur 35 Mal beobachtet wurde.“
herauszufinden, ob diese genetische Veränderung vererbbar ist. „Kann ich das an meine Kinder weitergeben? Sind auch andere Familienmitglieder betroffen? Gibt es eine Vorbeugung? – Das sind Fragen, die uns tagtäglich beschäftigen“, erzählt Johannes Zschocke aus dem Beratungsalltag.
Infos: Wer Fragen zu seltenen Krankheiten hat, kann sich an das „Forum Seltene Krankheiten“ wenden. E-Mail: info@forum-sk.at oder über die Helpline-Telefonnummer: 0512/9003-70532. Weitere Information zur Humangenetik in Innsbruck sind unter www.humgen.at erhältlich.
Netzwerk Österreich Um hier jedem einzelnen Patienten helfen zu können, gibt es nicht nur innerhalb der Med-Uni Innsbruck eine sehr intensive Zusammenarbeit vieler 44
MEDIZIN & BIOTECHNOLOGIE
Genetische Medizin Modernste genetische Diagnoseverfahren können für Menschen mit seltenen Krankheiten eine oft jahrelange Odyssee beenden – erzählt Johannes Zschocke im Interview. Das Interview führte Ernst Spreng.
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err Zschocke, wenn wir von seltenen genetischen Krankheiten sprechen: Welche Menschen kommen zu Ihnen? Johannes Zschocke: Das ist sehr unterschiedlich. Es sind Kinder mit ungeklärten Entwicklungsstörungen oder anderen ungewöhnlichen Krankheitsbildern, aber auch erwachsene Menschen beispielsweise mit seltenen neurologischen Krankheiten oder gehäuftem Auftreten von Krebserkrankungen in der Familie. Wir schauen die verfügbaren ärztlichen Unterlagen der Person und gegebenenfalls der Verwandten an, um die Krankengeschichte zu verstehen. Bei der körperlichen Untersuchung achten wir auch auf kleine Merkmale, die an sich keine Beschwerden machen, aber auf bestimmte Diagnosen hinweisen können. Schließlich können wir durch spezialisierte genetische Laboranalysen aus einer Blutprobe gezielt nach dem Gen suchen, das für die Beschwerden verantwortlich sein könnte. Der Nachweis einer Diagnose ist oft eine Erleichterung, auch dann, wenn es keine Heilung gibt. Endlich ist es möglich, die Krankheit beim Namen zu nennen, mehr über den Verlauf zu erfahren und sich vielleicht mit anderen Betroffenen auszutauschen. Sie sagen, für viele ist die Diagnose einer seltenen Krankheit eine Erleichterung. Ist das immer so? Nein. Manchmal ist es auch bedrohlich, was man über eine Diagnose liest. Deshalb ist es ganz wichtig, vor einer genetischen Untersuchung darüber zu sprechen, was herauskommen könnte. Wir schreiben immer einen persönlichen Beratungsbrief, in dem wir die Details noch einmal
ren Grundlagen besser und können sehr viel mehr Krankheiten diagnostizieren, gerade auch durch die neuen genetischen Untersuchungstechniken.
Johannes Zschocke ist Direktor des Zentrums Medizinische Genetik Innsbruck und seit 2008 Professor für Humangenetik an der Medizinischen Universität Innsbruck. Zuvor war der Mediziner u. a. Leiter der genetischen Poliklinik der Universität Heidelberg.
schriftlich erklären. Und man kann sich immer auch gegen eine genetische Untersuchung entscheiden, wenn es z. B. eine nicht behandelbare erbliche Krankheit in der Familie gibt und man lieber nicht wissen möchte, ob man betroffen ist. Aber für die meisten Menschen ist es tatsächlich eine große Erleichterung, genau zu wissen, wo eine Krankheit herkommt. Das kann auch Schuldgefühle abbauen. Oft lässt sich auch ableiten, ob bzw. mit welcher Wahrscheinlichkeit andere Personen in der Familie oder zukünftige eigene Kinder ebenfalls betroffen sein könnten. Gibt es heutzutage mehr dieser seltenen Krankheiten oder hat man sie bisher nur nicht diagnostizieren können? Die Zahl ist nicht gewachsen. Diese Krankheiten sind nur mehr ins Rampenlicht getreten. Wir kennen die molekula45
Wie kann man sich eine Diagnose auf genetischer Ebene vorstellen? Ich erkläre das gerne mit einem Bücherschrank. In unserem Regal befinden sich insgesamt 46 Kochbücher, genau genommen 23 verschiedene Bücher, von denen jedes in zwei Exemplaren vorkommt. Das sind unsere 23 Chromosomenpaare. Eines der beiden Exemplare hat man vom Vater, das andere von der Mutter bekommen, und man gibt eines der beiden Exemplare als Abschrift an ein Kind weiter. Die Rezepte in jedem Buch sind die Gene, in denen alles steht, was der Körper wissen muss. Insgesamt gibt es 20.000 bis 21.000 verschiedene Hauptgene, und die Gesamtmenge des genetischen Texts besteht aus mehr als drei Milliarden chemischen Buchstaben. In doppelter Ausführung, wie die Chromosomen. Unser Job ist es, die Rechtschreibfehler in den Genen zu finden, welche eine Krankheit verursachen. Das ist oft ein einzelner falscher „Buchstabe“ aus drei Milliarden! Und das gelingt inzwischen gut? Ja, das ist inzwischen technisch sehr gut möglich. In der täglichen Routine schauen wir uns nicht das ganze Erbgut an, sondern beschränken uns auf die Gene, von denen wir wissen, dass sie die speziellen Beschwerden erklären können. Aber wenn es notwendig ist, dann durchforsten wir alles. Und das Wissen nimmt in der Genetik täglich zu. Danke für das Gespräch.
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Tiroler Health & Life Sciences Universität UMIT Forschung und Lehre auf höchstem Niveau
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ie Tiroler Landesuniversität UMIT in Hall in Tirol hat sich als akkreditierte Universität den innovativen und zukunftsorientierten Themen Mechatronik, Medizin- und Bioinformatik, Gesundheitswissenschaften, Psychologie, Physiotherapie, Pflegewissenschaft, Gerontologie und verwandten Fächern verschrieben. Die UMIT bietet in diesen Bereichen universitäre Forschung und Lehre auf höchstem Niveau. Im Bereich der Forschung kooperieren die Institute der UMIT mit Forschungseinrichtungen aus aller Welt. Die Studien an der UMIT werden mit den international anerkannten akademischen Titeln Bachelor, Master/ Diplomingenieur und mit dem Doktorat abgeschlossen. Die Universität UMIT legt großen Wert auf eine intensive Ausbildung und auf engen persönlichen Kontakt
mit den Studierenden und Lehrenden. Dementsprechend bietet die UMIT beste Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium mit individueller Betreuung. Kleine und überschaubare Studiengruppen stellen eine Lehre auf dem höchsten Niveau sicher. Trotz ihres relativ kurzen Bestehens verfügt die UMIT bereits heute über eine hervorragende Forschungskompetenz. Die Forschung an der UMIT wird in regelmäßigen Abständen durch unabhängige Expertengremien im Zuge von Evaluierungsmaßnahmen überprüft. Namhafte Persönlichkeiten aus den Bereichen Gesundheitswissenschaften, Mechatronik, biomedizinische Technik und Ernährungswissenschaften, Pflegewissenschaft, Gerontologie und Public Health betreiben auf der UMIT Forschung und Lehre auf höchstem Niveau. Pro Jahr resultieren aus den 46
Forschungsprojekten zahlreiche Publikationen. Die UMIT steht für internationale wissenschaftliche Kompetenz, die auch den Studierenden zu Gute kommt. Derzeit sind an der UMIT 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung, Lehre und Verwaltung tätig. Ca. 1500 Studierende sind an der Universität inskribiert. Das Gesamtbudget der UMIT, die sich im Eigentum des Landes Tirol befindet, beträgt ca. 12 Millionen Euro.
Kontakt: UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Eduard Wallnöfer-Zentrum 1, 6060 Hall in Tirol, Tel. +43(0)50/8648-3000, lehre@umit.at, www.umit.at
START-UP DAY z端Idneden Zukunefn t 2015
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Stressness oder Wellness? Das Tiroler Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG) untersucht in einer wissenschaftlichen Studie, ob Kurzurlaube entspannen oder stressen. Von Klaus Erler
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oderne Urlaubsforschung und Volksweisheit scheinen sich hier einig zu sein: Damit ein Urlaub erholsam ist, darf er eine gewisse Länge nicht unterschreiten. Zwei Wochen wurden bisher als notwendige Untergrenze angesehen. Genau diese Länge wird allerdings im Arbeitsalltag zunehmend zum Problem. Je weiter man die Karriereleiter nach oben klettert, desto unmöglicher scheint es zu sein, 14 oder gar 21 Urlaubstage am Stück zu konsumieren. Wird die Langzeit-Urlaubs-Erholung also zu einem Auslaufmodell, wie es auch die Zahlen zur durchschnittlichen Urlaubsdauer in Tirol – vier Nächte – nahe legen? Werden zusammenhängende Urlaubswochen zunehmend nur noch den unteren Hierarchierängen vergönnt sein? Sind Erfolgreiche durch ihre Unabkömmlichkeit samt daraus resultierender Urlaubszeitverknappung zur schleichenden Erschlaffung oder gar zum Burnout verdammt? Kurzurlaub: touristischer Alltag Um diese Frage zu beantworten, initiierte das Tiroler Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus (ISAG) unter der Leitung von Wolfgang Schobersberger die wissenschaftliche Urlaubsstudie AMAS III. Schobersberger erklärt die Zielsetzung: „Wir haben es uns zum Ziel gemacht zu untersu-
Wolfgang Schobersberger
„Auch beim Kurzurlaub gilt: Der erste Tag ist zum Entspannen notwendig. Das Motto ‚Jetzt bin ich da, los geht’s‘ macht nach einer langen Autofahrt und vor allem für Menschen mit einem erhöhten Risiko bezüglich Herz- und Kreislauferkrankungen keinen Sinn!“
chen, ob der von der Tourismusindustrie ja längst angebotene Kurzurlaub auch wissenschaftlich nachvollziehbar einen regenerativen, stressabbauenden und erholsamen Effekt erzielen kann. Und falls ja, ob ein einmaliger Kurzurlaub ausreicht oder der Urlaub in Intervallen zu wiederholen ist, um überhaupt wirksam zu sein.“ Im Fokus der AMASIII-Studie, die im ersten Halbjahr 2015 in drei Durchgängen mit zwei Gruppen und einer Kontrollgruppe durchgeführt wird, stehen rund 70 Personen aus dem mittleren Management, die einem ho48
hen Stressniveau am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. Sie nehmen an einer oder mehreren aufeinanderfolgenden, wissenschaftlich überwachten viertägigen Urlaubseinheiten in Tiroler WellnessHotels der gehobenen Kategorie teil. Herzfrequenzvariabilitäts-Messung im Mittelpunkt Eingebettet in den Urlaubsablauf, der ein regeneratives Bewegungsprogramm genauso vorsieht wie mentale Entspannung und Infotainment, werden über subjektive und objektive Messmetho-
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© ISAG (3)
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01 Messung der kognitiven Leistungen sowie des EEG bei der Studie AMAS III. 02
02 Gute Herzfrequenzvariabilität (HRV), hohes Erholungspotenzial: Die dargestellte Aufzeichnung einer HRV während des Schlafs zeigt in allen Frequenzbereichen eine ausgeprägte Variabilität des Herzschlags.
perliches Aufbauprogramm wird sich in einem Kurzurlaub kaum umsetzen lassen. Wünschenswerte Regeneration geschieht in einer körperlichen Komfortzone, die zum Beispiel beim Wandern entspannte Gespräche noch zulässt!“ Eine wichtige Regel gelte es laut Schobersberger zudem einzuhalten, wolle man den Kurzurlaub in Wellness und nicht in „Stressness“ enden lassen: das Aufbauen eines Zeitpuffers zwischen Arbeits-Alltag und Urlaub. „Bürotüre zu, Autotüre auf, Abfahrt in den Urlaub: So funktioniert Erholung nur schwer, unabhängig davon, ob man nun vier Tage oder drei Wochen unterwegs ist!“
03 03 Schlechte HRV, niedriges Erholungspotenzial: Das dargestellte Bild zeigt eine eingeschränkte HRV während des Schlafs in allen Frequenzbereichen und weist auf eine schlechte Erholung im Schlaf hin.
den Daten zur Wirksamkeit des Kurzurlaubs gesammelt. Dr. Schobersberger skizziert kurz den komplexen Weg der Datenfindung: „Im Zentrum der wissenschaftlichen Untersuchung stehen Fragebögen, die das persönlich empfundene Stressniveau abfragen. Um die so gewonnenen Daten zu überprüfen, setzt das Team des ISAG auf technische Messverfahren, wie ein von der NASA entwickeltes EEG-Testverfahren, vor allem aber auf die HRV-Herzfrequenzvariabilitäts-Messung. Diese medizinische Messmethode kann als eine Art EKG verstanden werden, das allerdings nicht die Herzfrequenz, sondern den Abstand zwischen den einzelnen Herzschlägen misst. Aus der Stressforschung und Kardiologie weiß man, dass Menschen, deren Herzschläge einem starren Muster folgen, nur mehr wenige Möglichkeiten haben, auf Stress zu reagieren. Ein variables Herzschlagmuster lässt hingegen Rückschlüsse auf vorhandenen Spielraum bei der
Stressbewältigung zu. „Messen wir bei der Schluss-Untersuchung an einem Teilnehmer eine höhere Herzvariabilität während des Schlafs als bei Urlaubsantritt, können wir von einer geglückten Entspannungs- und Erholungszeit ausgehen.“ Entspannung ist essenziell Kernergebnisse zur Studie werden im Herbst 2015 vorliegen, kompakte Tipps zum richtigen Urlaubsverhalten kann Dr. Schobersberger schon jetzt liefern: „Auch beim Kurzurlaub gilt: Der erste Tag ist zum Entspannen notwendig. Das Motto ‚Jetzt bin ich da, los geht’s‘ macht nach einer langen Autofahrt und vor allem für Menschen mit einem erhöhten Risiko bezüglich Herz- und Kreislauferkrankungen keinen Sinn. Es gibt Studien, die belegen, dass innerhalb der ersten 48 Stunden am Urlaubsort die Herzinfarktrisikorate am höchsten ist.“ Auch bezüglich Bewegung ist Dr. Schobersberger schon jetzt sicher: „Ein kör49
ISAG und AMAS ISAG steht für Institut für Sport-, Alpinmedizin und Gesundheitstourismus der TILAK Innsbruck und der UMIT Hall: Die ISAG betreibt u. a. Forschung im Bereich des Gesundheitstourismus mit Partnern aus der Wirtschaft und dem Ziel, dem Tiroler Tourismus und der heimischen Bevölkerung Daten zu gesunden Urlaubsformen zur Verfügung zu stellen. Die aktuelle Studie ist bereits die dritte vom Institut durchgeführte Studie, die den Titel AMAS (Austrian Moderate Altitude Study) trägt. Bei der AMAS III handelt es sich um eine akademische Eigenstudie und keine Auftragsstudie. Forschungskooperationen gibt es mit dem IHS-Forschungsinstitut Bregenz (Univ.Prof. Dr. E. Humpeler) und dem Institut für Physiologie der Charité Berlin (Univ.-Prof. Dr. H. C. Gunga). Finanziell unterstützt wird die Studie durch das Land Tirol, die Best Wellness Hotels Austria, die Tirol Werbung und die Liechtensteiner Stiftung Propter Homines. Bisherige Fragestellungen dieser Studien waren: „Ist Wandern bei übergewichtigen Personen mit Bluthochdruck gesund oder gefährlich?“ (AMAS I, 1996–2002)
„Wie gut funktioniert der Stressabbau bei einem einwöchentlichen Urlaub?“ (AMAS II, 2005/2006)
„Können Kurzurlaube zur psychophysiologischen Regeneration beitragen?“ (AMAS III, 2012–2015)
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Tun, was Sinn macht In der Ergotherapie geht es darum, Menschen bei Handlungen zu unterstützen, die für sie in ihrem Leben und Alltag bedeutsam sind. Damit die Therapie so wirkungsvoll wie möglich ist, hat Ursula Costa von der fh gesundheit den KRAH®-Ansatz entwickelt. Von Barbara Wohlsein
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enn mich Kinder fragen, was ich als Ergotherapeutin mache, dann sage ich ihnen, dass wir in unserem Beruf Menschen unterstützen, damit sie das, was für sie wichtig ist, selber tun und erleben können.“ Mit dieser einfachen Erklärung bringt Ursula Costa, Leiterin des Lehrgangs Master of Science in Ergotherapie am fh gesundheit, fhg – Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol GmbH, ihren komplexen Arbeits- und Forschungsbereich auf den Punkt. Ergotherapeuten arbeiten in Institutionen wie Krankenhäusern, Reha-Zentren, Kindergärten oder Schulen, in Betrieben, selbständig in eigenen Praxen und häufig auch mobil. Das Arbeitsfeld ist breit gefächert, vom Kind mit einer Entwicklungs- oder Lernstörung, das Unterstützung dabei braucht, seine eigene Schultasche zu packen, bis zu Senioren, die trotz gesundheitlicher Einschränkungen den Haushalt weiterführen wollen.
Qualitätsmerkmale der Therapie Eine wichtige Grundannahme der Ergotherapie ist, dass sinnvolles Tun die Gesundheit fördert. In der modernen Wissenschaft müssen für Annahmen wie diese natürlich Nachweise erbracht werden – und genau das gestaltet sich komplex, wie Ursula Costa erklärt: „Es gab bislang kaum Studien, welche die Wirkung von sinnvoller Handlung als ergotherapeutisches Mittel und Ziel untersucht haben, weil dabei so viele verschiedene Einflussfaktoren wirksam sind.“ Sinnvolle Handlung als therapeutisches Mittel und Ziel soll sowohl für den Menschen selbst als auch in dessen Lebenswelt Sinn geben. Ein wesentlicher Schritt in Richtung Operationalisierung (genauere Definition des Begriffes zur Messbarmachung) von sinnvoller Handlung war die Entwicklung des KRAH®-Ansatzes, den Costa 2009 zum ersten Mal im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Arbeit formulierte. 50
„Um Wirksamkeitsnachweise für eine handlungsorientierte Therapie zu erbringen, muss klar sein, welche Eigenschaften diese Intervention hat“, schildert Costa die Ausgangslage. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, auf Theorien aus der Ergotherapie, den Handlungswissenschaften, benachbarten Disziplinen und in Verbindung mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung als Ergotherapeutin beschrieb sie ergotherapeutische Best Practice-Kriterien und erarbeitete so die Qualitätsmerkmale einer nachhaltigen, salutogenetischen (am Gesunden und Gesundheit Stärkenden orientierten) Therapie: Klientenzentrierung, Ressourcenorientierung, Alltagsrelevanz und Handlungsorientierung. Damit sich die Therapeuten in der praktischen Arbeit diese Punkte immer wieder vor Augen führen können, wurde das leicht merkbare Akronym KRAH geprägt. 2012 wurde der Begriff als Marke registriert. Anwendung der Kriterien Seither wurde der KRAH®-Ansatz auf verschiedenen Ebenen wissenschaftlich untersucht und eingesetzt: So überprüfte etwa vor kurzem eine Mas-
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01 Eine wichtige Grundannahme der Ergotherapie ist, dass sinnvolles Tun die Gesundheit fördert.
Ursula Costa hat die Akademie für Ergotherapie in Innsbruck absolviert und Occupational Therapy/Ergotherapie an der Boston School of Occupational Therapy studiert. Sie leitet den MSc-Lehrgang in Ergotherapie an der fh gesundheit in Tirol. Außerdem ist sie in der Forschung und Entwicklung im Bereich der Ergotherapie tätig und selbst praktizierende Ergotherapeutin.
terarbeit der fh gesundheit, ob ergotherapeutische Erstgespräche und Zielsetzungen im Arbeitsfeld der Neurologie die KRAH®-Kriterien berücksichtigen. Eine andere Masterarbeit analysierte gesundheitsfördernde Programme für Seniorinnen und Senioren in Bezug auf den KRAH®-Ansatz, eine weitere befasste sich mit Assessment-Instrumenten zur Erfassung und Unterstützung der Erwerbsfähigkeit von Menschen mit rheumatoider Arthritis. Und auch in der Aus- und Weiterbildung von Ergotherapeuten – in Tirol, aber auch im benachbarten Ausland (Südtirol, Schweiz, Deutschland) – werden diese Qualitätskriterien bereits eingesetzt. Ursula Costa selbst hat sich in einer Studie mit dem Titel „Sinnvolle Handlung als gesundheitsfördernder Wirkfaktor“ mit der Anwendung des KRAH®-Ansatzes bei der Therapie von Kindern beschäftigt. „Das Projekt wurde 2011 begonnen und zeichnet sich dadurch aus, dass die Endnutzer – also Kinder, Eltern und Pädagogen – direkt miteinbezogen und befragt wurden. Es hat sich gezeigt, dass durch die Anwendung der KRAH®-Kriterien – von der Befunderhebung über die Zielsetzung bis hin
Ursula Costa
„Um Wirksamkeitsnachweise für handlungsorientierte Therapie zu erbringen, muss klar sein, welche Eigenschaften diese Intervention hat.“
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zur Durchführung und Evaluation der Maßnahmen – in kurzer Zeit sehr gute Ergebnisse erzielt wurden. Es lohnt sich also, Zeit zur Erhebung der Perspektiven der Kinder selbst und ihrer Bezugspersonen sowie in die Erarbeitung gemeinsamer Zielsetzungen zu investieren und das direkte Umfeld bestmöglich miteinzubeziehen, um Therapien maßgeschneidert und damit effektiv gestalten zu können.“ Projekt für Senioren Ein weiterer aktueller Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt von Ursula Costa und einem interdisziplinären Team beschäftigt sich mit der gesundheitsfördernden Wirkung von ergotherapeutischen Gruppenangeboten für ältere Menschen. Auch hier geht man davon aus, dass das Ausüben von individuell relevanten Tätigkeiten zu einer Steigerung des Wohlbefindens beiträgt und das Wissen um den Einfluss von Handlungen auf die Gesundheit auch die Gesundheitskompetenz der teilnehmenden Senioren fördert. Dass die Bedeutung von bedarfsorientierter Ergotherapie für die Gesellschaft immer weiter wächst, kann man mit Sicherheit schon jetzt sagen.
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Ressourcen finden, Chancen eröffnen Eine Masterarbeit der fh gesundheit (fhg – Zentrum für Gesundheitsberufe Tirol GmbH) beschäftigt sich mit den Wünschen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge nach sinnvollen Tätigkeiten. Von Ernst Spreng
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ie Bilder von Flüchtlingen in kleinen Booten hilflos auf dem Mittelmeer prägen zurzeit die mediale Landschaft. Was nur wenige wissen ist, dass immer mehr Kinder und Jugendliche ohne Begleitung von Erwachsenen flüchten. Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge steigt von Jahr zu Jahr. Sie wollen nach Europa, wohin ist ihnen egal. Sie landen in einem fremden Land, haben ihre Familien oft noch in den Krisengebieten und müssen versuchen, sich im Asylverfahren zurecht zu finden und gleichzeitig in die Zukunft zu blicken und ihre Chancen zu finden. Eine Masterarbeit der fh gesundheit in Innsbruck beschäftigt sich aktuell genau mit dieser Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung. Denn genau hier kann auch die Ergotherapie ansetzen, indem sie dabei unterstützt, die Ressourcen eines Menschen zu entdecken und ihm Chancen aufzuzeigen, um sich zu entfalten. Der grundlegende Ansatz der Ergotherapie – nämlich die Ressourcen des einzelnen Menschen zu finden und konkrete Chancen zu eröffnen – kann gerade während des Asylverfahrens eine wertvolle Ergänzung zum klassischen
Masterstudium Ergotherapie Seit 2012 wird an der fh gesundheit der MasterLehrgang „Master of Science in Ergotherapie“ angeboten. Das Studium wird berufsbegleitend angeboten, dadurch beträgt die Studiendauer sechs Semester (insgesamt 120 ECTS-Punkte). Der Master-Lehrgang wird alle zwei Jahre angeboten. Weitere Informationen: www.fhg-tirol.ac.at
Betreuungsangebot sein. „Ergotherapie ist eine Profession, die sich konkret den Handlungsmöglichkeiten in Gegenwart und Zukunft widmet“, erklärt Ursula Costa von der fh gesundheit, die gemeinsam mit Pier Paolo Pasqualoni von der Universität Innsbruck diese Masterarbeit wissenschaftlich betreut hat. „ErgotherapeutInnen können in so einem Umfeld einen handlungsorientierten Zugang bieten, der den Menschen wieder neue Lebensfreude gibt und einen positiven Blick in die Zukunft ermöglicht.“ Ohne Heimat Hemmende Faktoren gibt es gerade bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auf vielen Ebenen. Es sind Jugendliche, die oft monatelang auf der Flucht waren und in Österreich gestrandet sind. 2014 wurden in Österreich laut Asylstatistik rund 2000 Asylanträge von jungen Menschen unter 18 Jahren verzeichnet, die ohne Eltern auf der Flucht sind. Die Studie Für die spannende Masterarbeit der ergotherapeutischen Möglichkeiten bei unbegleiteten minderjährigen Flücht-
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© UNHCR/LYNSEY ADDARIO, UNHCR/HELENE CAUX
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01 Immer mehr Kinder und Jugendliche flüchten ohne Begleitung von Erwachsenen aus den Kreisengebieten der Welt nach Europa. 02 Die meisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Österreich kommen aus Syrien, Afghanistan und dem Subsahara-Raum.
fh gesundheit wir bilden die zukunft Die fh gesundheit bietet FH-BachelorStudiengänge für die gehobenen medizinisch-technischen Dienste und Hebammen sowie Weiterbildungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten für Angehörige der Gesundheitsberufe mit international anerkannten akademischen Abschlüssen.
PPFH-Bachelor-Studiengänge ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Biomedizinische Analytik Diaetologie Ergotherapie Hebamme Logopädie Physiotherapie Radiologietechnologie
PPFH-Master-Studiengang
■ Qualitäts- und Prozessmanagement im Gesundheitswesen
PPMaster-Lehrgänge ■ ■ ■ ■ ■ ■
lingen hat Beate Wetzelsberger in Tiroler Betreuungseinrichtungen mit diesen Jugendlichen gesprochen. „Von den jugendlichen Asylwerbern werden sowohl Möglichkeiten, als auch Barrieren beschrieben. Positiv erleben sie die Möglichkeiten zur Ausbildung, wenn vorhanden, und das Erlernen alltäglicher Kompetenzen“, beschreibt Beate Wetzelsberger ihre Erfahrung. Einschränkungen seien bedingt durch die ungewisse Situation im Rahmen des Asylverfahrens, starre Gesetze und Vorschriften, schwerwiegende Lebensveränderungen und knappe finanzielle Ressourcen. „Das führt zu klaren Einschränkungen hinsichtlich des Wohlbefindens und der Gesundheit dieser jungen Menschen“, meint Beate Wetzelsberger, die in der Einbindung einer ressourcenfördernden Ergotherapie viele Chancen sieht. Für Wetzelsberger war diese Masterarbeit ein persönliches Anliegen: „Die Flüchtlingsproblematik betrifft uns alle. Durch Untätigkeit und Hoffnungslosigkeit während des Asylverfahrens kommt es oft zu körperlichen Einbußen. Hier könnte die Ergotherapie als zusätzliches Angebot die Situation verbessern.“
Advanced Practice Midwifery Biomedical Sciences Ergotherapie Klinische Diaetologie Pädagogik in Gesundheitsberufen Osteopathie
PPAkademische Lehrgänge
Beate Wetzelsberger ist Ergotherapeutin und eine der ersten, die an der fh gesundheit das Masterstudium Ergotherapie absolviert hat. Ihre Masterabeit analysierte, welche Möglichkeiten und Barrieren unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei der Ausführung bedeutungsvoller Betätigungen vorfinden.
AtempädagogIn Biomedizinische Analytik Ergotherapie Gesundheitspädagogik Hebamme Intensivpflege Kinder- und Jugendlichenpflege OP-Pflege Psychiatrische Gesundheitsund Krankenpflege ■ Qualitäts- und ProzessmanagerIn ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Masterstudium Die Masterarbeit von Beate Wetzelsberger war übrigens eine der ersten im Rahmen des Master-Lehrgang an der fh gesundheit. „Wir haben 2012 mit den ersten Masterstudierenden begonnen“, erklärt die Leiterin des Master-Lehrgangs MSc in Ergotherapie, Ursula Costa von der fh gesundheit. „Nachdem wir dieses Studium berufsbegleitend über sechs Semester anbieten, wurden jetzt die ersten Masterarbeiten fertig.“ In Zukunft will man an der fh gesundheit in Innsbruck alle zwei Jahre mit einem neuen Master-Lehrgang für Ergotherapie beginnen. 53
www.fhg-tirol.ac.at
ZUM SCHLUSS
Wenn die nur wüssten … Irren ist menschlich. Gerade innovative Köpfe äußerten im Laufe der Geschichte immer wieder abenteuerliche Prognosen zu technologischen Neuerungen. Mit dem heutigen Wissensstand wirken diese Fehleinschätzungen durchaus amüsant. Sie führen aber auch vor Augen, wie rasant sich die Welt, insbesondere im 20. Jahrhundert, verändert hat. Von Max Schnabl
„Es gibt keinen Grund dafür, dass jemand einen Computer zu Hause haben wollte.“ Ken Olson, Gründer von Digital Equipment Corp., 1977
„Das Erdöl ist eine nutzlose Absonderung der Erde. Es ist eine klebrige Flüssigkeit, die stinkt und in keiner Weise verwendet werden kann.“ Kaiserliche Akademie der Wissenschaften St. Petersburg, 1806
„Wir sind 60 Jahre ohne Fernsehen ausgekommen und werden es weitere 60 Jahre tun.“
„Ich denke nicht. In Amerika herrschen Bedingungen, welche die Verwendung von Entwicklungen dieser Art notwendiger machen als hier. Hier haben wir Eilboten im Überfluss.“
Avery Brundage, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, 1956
William Preece, Chefingenieur der Britischen Post, 1879 auf die Frage, ob das Telefon für die Bevölkerung von öffentlichem Nutzen sein werde.
„Staubsauger, die durch Kernkraft angetrieben werden, sind wahrscheinlich in zehn Jahren Realität.“
„Der Mensch wird es in den nächsten 50 Jahren nicht schaffen, zu fliegen.“
Alex Lewyt, Präsidenten der Lewyt Corp. Vacuum Company, 1955
Wilbur Wright, Pionier der Luftfahrt, 1901
„Kein Flugzeug wird jemals in der Praxis erfolgreich sein.“ Lord Kelvin, Physiker und Präsident der Royal Society, 1902
„Ein einziger Computer wird ausreichen, um alle Problemstellungen, die von einem ganzen Land an ihn herangetragen werden, zu lösen.“
„Theoretisch und technisch mag das Fernsehen realisierbar sein, wirtschaftlich nicht. Wir sollten auf diese Entwicklung keine Träume vergeuden.“
Charles Galton Darwin, Direktor des National Physical Laboratory London, 1946
Lee De Forest, Erfinder und einer der Väter des Elektronikzeitalters, 1926
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Source: Universum Survey & CHE
WHY NOT STUDY AT THE TOP? International studieren an der Unternehmerischen Hochschule ®
BACHELORSTUDIUM
EXECUTIVE MASTERSTUDIUM
Betriebswirtschaft NEU
General Management Executive MBA
Biotechnologie
Innovation & Intellectual Property Rights MSc
Business & Management
International Business MBA NEU
Lebensmittel- & Rohstofftechnologie
Management & Leadership MSc
Management, Communication & IT
Internationales Wirtschafts- & Steuerrecht LL.M.
Management & Recht Mechatronik Nonprofit-, Sozial- & Gesundheitsmgmt. Soziale Arbeit
ZERTIFIKATS-LEHRGÄNGE
Tourismus- & Freizeitwirtschaft
Modular kombinierbar zum Executive MBA und Executive MSc
Umwelt-, Verfahrens- & Energietechnik
Controlling & Unternehmenssteuerung | General Management | Innovations-, Produkt- & Prozessmanagement | International Management Program© | Management, Psychologie & Leadership | Marketing | Patent- & Lizenzmanagement | Personalmanagement | Sales Management | Tourismusmanagement & Führung | Tourismusmarketing & Innovation | Unternehmenskommunikation
Wirtschaft & Management Wirtschaftsingenieurwesen
MASTERSTUDIUM Biotechnologie International Business & Management* NEU International Business & Law International Health & Social Mgmt. Management, Communication & IT
MANAGEMENT-SEMINARE Impulse für Management, Führung, Kommunikation & Recht
Marketing Management & Tourism Mechatronik & Smart Technologies* NEU Lebensmittel- & Rohstoffwirtschaft Soziale Arbeit, Sozialpolitik & -mgmt.
Strategisches Management & Tourismus
FIRMENTRAININGS Innovative Programme für Unternehmen, Organisationen und Universitäten
Nonprofit-
Umwelt-, Verfahrens- & Energietechnik Wirtschaftsingenieurwesen
w w w. m c i . e d u
= in englischer Sprache, = in deutscher Sprache, = in deutscher und englischer Sprache; = Vollzeit, = berufsbegleitend; = in englischer Sprache in Vorbereitung; = Vollzeit in Vorbereitung; = Blended Learning (Online- & Präsenzmodule); * Änderung vorbehaltlich Akkreditierung; © Stubaier Gletscher
Top in der Forschung Mit ihren 16 Fakultäten und 5 Forschungsschwerpunkten bietet die Universität Innsbruck Forschung und Lehre auf höchstem Niveau.
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ie forschungsgeleitete Lehre, also die aktuellsten Forschungserkenntnisse direkt in den Unterricht einbringen, das ist das Alleinstellungsmerkmal von Universitäten. Die Universität Innsbruck bietet hierfür beste Voraussetzungen, denn sie ist eine der führenden Forschungsuniversitäten in Österreich. Neben den 16 Fakultäten verfügt sie über 5 große Forschungsschwerpunkte: Alpiner Raum – Mensch und Umwelt, Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte, Molekulare Biowissenschaften, Physik und Scientific Computing. Daneben bestehen 4 fakultätsübergreifende Forschungsplattformen
und 33 Forschungszentren, die die Vernetzung fördern und die internationale Sichtbarkeit des Universitätsstandortes Innsbruck unterstützen.
Internationale Vielfalt Bereits heute zählt die Universität Innsbruck zu den zehn Universitäten mit der stärksten internationalen Ausrichtung weltweit. Das zeigt das Times Higher Education World University Ranking: In der Kategorie „International Outlook“ liegt die Universität Innsbruck weltweit auf Platz sieben und ist damit die
internationalste Universität Österreichs. Die internationale Ausrichtung wird hier anhand von drei Kriterien gemessen: Die internationale Vielfalt unter den Studierenden, der Anteil der ausländischen Lehrenden und Forschenden sowie die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen, die gemeinsam mit Co-Autoren an ausländischen Forschungseinrichtungen veröffentlicht wurden. Im Gesamtranking 2014/15 ist die Universität Innsbruck unter den Top 225 Universitäten und zählt damit zum besten Prozent aller Universitäten weltweit. Diese Zahlen werden auch durch andere Hochschulrankings untermauert.
Universität Innsbruck Mit
39 Prozent internationalen Studierenden, 38 Prozent Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Ausland und
71 Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten gemeinsam mit Partnern aus aller Welt ist die Universität Innsbruck laut THE-Ranking eine der
Top 10 Universitäten mit der stärksten internationalen Ausrichtung weltweit.
Wir bauen Brücken in die Zukunft
www.uibk.ac.at