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ZUCKER MAG Mach mit, Mach‘s nach, Mach‘s
Free Art Magazin Issue 24
besser
INHALT 04 06 08 10 14
Lorenz Bethmann Elisabeth Wolf Jonathan Falk Manja Kendler Don Elektro
Idee/Layout/Einband: Jonathan Falk & Elisabeth Wolf, Leipzig Kontakt: zucker.mag@web.de
Besser Machen von Lorenz Bethmann
Ein junger Mann ohne Glück, Liebe und Wahrheit steht mit Zigaretten in einer fast leeren Wohnung und sucht es sich aus. Es ist ein großes Glück und eine große Liebe und eine große Wahrheit! Oder war. Oder es war nur ein kleines Glück, eine kleine Liebe und überhaupt keine Wahrheit. Eine winzig kleine, mickrige Liebe? Wenig Glück, keine Liebe und trotzdem die GRÖSSTE Wahrheit. Vielleicht ist das die Wahrheit: Es wird NICHTS besser oder gar gut. Das ist Schwachsinn! Wir gewöhnen uns daran, IMMER wieder zu verlieren, es zu versuchen und zu scheitern, es wieder zu versuchen und wieder zu scheitern. Und das einzige was passiert, ist, dass es uns egaler wird. Wir beginnen, einen gefestigten Charakter zu haben. Objektiv passiert nichts. Man fließt in sein Leben und erstarrt in einer Form. Die man sich nicht ausgesucht hat. In den Filmen treffen mutige Menschen große Entscheidungen und gehen weite Wege und erhalten dafür große Preise. Aber Dich verlässt sie einfach nur. Den Job verlierst Du nur, weil halt irgend jemand gehen muss und es im Prinzip auch egal ist, wer geht. Wenn sie geht, ist es nicht egal. Aber die Musik setzt trotzdem nicht ein, die Kameraarbeit ist lausig und 04
es ist immer noch dieselbe Wand, die Dich jeden Abend begrüßt. Wenn Du heimkehrst, von der Suche nach dem Glück, von dem glaubst, dass es Dir versprochen wurde. Du fließt zurück in Deine Form. Langsam erkaltend. Ein leises Zischen, was vielleicht nur zwischen Schläfen verhallt. Aber auch das ist einem bald egal. An einem gefestigten Charakter prallt auch das ab! Ich denke in Pflicht, ich denke in Notwendigkeit, ich denke in Überleben und all den anderen Wörtern, die nur Zwang bedeuten. Das ist es, was passiert ist! In all der Zeit! Das ist kein großes Glück, wie es mal war und keine große Liebe, wie sie mal war. Aber eine große Wahrheit! Scheiße. Die Schwaden ziehen durch die Küche und ich muss noch den Rest auspacken und einräumen. Alles wieder richtig stellen. Irgendwo raus holen und woanders reinstellen. Scheiße. Diesmal will ich es besser machen! Ich werde mich sehr anstrengen! Ich werde meine Fehler nicht wiederholen und die meiner Eltern und Freunde auch nicht und ich werde GLÜCKLICH SEIN! Das habe ich mir fest vorgenommen, mit meinem gefestigten Charakter. Man muss zu GROSSER LIEBE fähig sein, um große Wahrheiten zu finden! Auch wenn objektiv gar NICHTS PASSIERT. - Aber ich fließe noch, ich bin noch nicht erstarrt! Als erstes werde ich hier Schwaden verschlungene Körper in den Raum malen und an Momente mit dir und den anderen erinnern, werde ich nur noch diese letzte Zigarette rauchen.
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Elisabeth Wolf Look with childrens eyes 07
Mach’s besser! von Jonathan Falk
Schritte durch die Nacht, Wege durch die Trinkhallen, hier wird gesoffen, dort wird geschossen, in den Hinterzimmern tanzen Mädchen. Weder Steuer noch Krieg halten vom Vergnügen ab, Nasse werden gemacht an heißen Abenden, in glitzernden Städten und reichen Wüsten, weil Saufen keine Kunst ist, sondern Betäubung. Sei nicht enttäuscht, trink einen Kaktusschnaps. Sie treten dir entgegen und greifen in leere Taschen, leere Augen hinter einer langen Bar, leere Räume mit schlechter Werbung auf sechs Seiten. Form tritt Inhalt in den Hintern raus auf die Straße.
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Ich sag dir: Und manch ein schöner ist dabei, Trost den Motivierten, wenn sie fleischeslüstern sind, nach der dritten Pfeife abgebrannt und ohne Arbeit im Park zu was-weiß-ich aufrufen. Trost den Fleischlosen, den Verschobenen, die ihre Bäume pflegen… So geschehen, vielleicht nicht in deinem Leben. Wem die Freundschaft nichts zählt oder wer die Erde im eigenen Kopf beschmutzt, sich mit schlagkräftigen Scheinen durch die Menge zu schneiden glaubt, dieser ist es nicht, der ist raus, vielleicht nicht in deinem Leben.
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Gute Besserung von Manja Kendler
Gute Besserung „Aus dem Leben einer Garderobenfrau“ „Und bessere Dich!“, sagte sie, inklusive nonverbale Blinkepfeile auf das Ausrufezeichen. Zum Abschied wirkte das wie der doppelte Preis, den man zu zahlen hatte. Das schwere Los der Lösung. Ich war mit dem Lottchen einen heben, na und?! Das Beste vom Ganzen ist auch nur Entweder oder Oder. Entweder ein gering schwindender Anteil oder Alles. Alles oder Nichts. Ich habe Beides. Ich lad‘ uns drei zu einem Erdbeereis ein und führe ein Streitgespräch über die Wahrscheinlichkeit echte Erdbeeren in diesem Sahnepamphlet zu finden. Es steht 50/50, als ich mich für eine Stimmenenthaltung entschließe, da ich es nicht entscheiden will - es schmeckt einfach seltsam. Wie sie mich über die Brillenränder vorausschauend anblickte. Noch immer hallten ihre Worte echolog an meine Gehirnwindungen. Ich flüchte aus dem Straßencafé-Schaufenster auf die andere Seite der Straße. Ein älterer Herr beschimpft mich über die Verrohung der Jugend, keiner schaut mehr nach rechts oder links. Ich helfe ihm die Mitte vom Fahrradweg zu räumen und pflichte ihm bei, obwohl ich diesen Keiner nicht kenne. Im Kopf gründe ich Anti-Antibewegungen 10
und denke mir: dieser Gandhi hat es sich einfach zu einfach gemacht. Während dessen kackt der Hund des immer noch schimpfenden Mannes mitten auf den neuen Fahrradweg. Sie sagte ja sonst eher so was wie: „Na, gute Besserung!“ oder „Klären wir das mal ab, wird schon gut sein!“. Stets freundlich, weniger kompetent, mehr so nur Krankenschein. Ich zog mir die Kapuze über, wenn mich die von ganz oben hier flanieren sehen. „Scheeeeiße“ In Zeitlupe zog dieses Scheiße an uns vorbei und klebte an einem chromglänzenden 5-Sterne-Rad. „Da sehen sie, das mein‘ ich, wie die sich ausdrücken. Furchtbar. Und dann rasen die einen fast um.“ „Wuff.“ hechelte der Häufchentäter hinterher. „Bettruhe!“, antwortete ich und wandte mich ab, Richtung Süden. Mein Krankenschein halbzerknüllt und schweißdurchtränkt flatterte im Sommerwind. Hauptsache, dass es sich gut anfühlt - für heute wieder frei sein, wie ein Kind. Die Freiheit des Blaumachens. Der Gesellschaft kurz den Rücken kehren, liegengebliebene Dinge klären, selber liegen bleiben, in sich, oder ausgehen. 11
Kraft tanken. Licht am Ende des Tunnels sehen. Rebellion im Kleinen. Einen Stern durch mein Chaos pressen. Besser geht immer. Besser ist heute so – morgen sicher anders. Des Guten Feind, der ewige Kampf. Gut, besser, am besten. Der Beste macht bitte das Licht aus. Leistungsdruck ist, was mich diesen Weg gehen lies. Mehr als gut ist schon wieder schlecht. Wenn es mir nicht gut geht, geht es mir dann schlecht? Ist Krankheit immer schlecht? Gut oder schlecht? Ich hab‘ beides. Wir drei wechseln erneut die Straßenseite und nehmen den letzten Zug zum Strand. Das bessere Leben - da liegt es, Sonnencreme triefend, im Schweiße der ehemaligen Kohleabbaugebiete vor der Stadt. Neben dem Kraftwerk droh(n)t eine Pyramide des Vergnügungsparks. Ein Schelm, wer böses denkt. Freidenkern werden selten die Möglichkeiten gewürzt. Ich verbleibe gekürzt, mit folgenden Worten: Heilung ist, was du daraus machst. Bessere dich, impliziert ja nicht automatisch, dass vorher alles schlecht war, oder schon mal dauerhaft gut. Das Leben ist ein Auf und Ab zwischen Musterautomatismus und intergalaktischem Sozialkosmos. Wunder gibt es immer wieder, gönnt Euch zwischendurch Auszeiten und macht´s besser, wenigstens für euer Selbst. Namaste. e.t. 12
nature do it better
Don Elektro image pollution
Dies ist die dritte von drei Ausgaben im Themenkreis „Mach mit, mach‘s nach, mach‘s besser“, erschienen am 1. Juli 2014, Zucker Magazin, Leipzig, Ausgabe 24. Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe „The First“ aus der Dreierreihe „The First; The Last; Eternity“ ist Ende August. Wir danken allen teilnehmenden Künstlern. ZUCKER ist ein 2008 gegründetes Magazin. Die Redaktion präsentiert regelmäßig, thematische Arbeiten aus verschiedenen, künstlerische Bereichen. Das Magazin erscheint vierteljährlich als PDF im Internet. Unser digitales Archiv und Netzwerk erreicht man unter: issuu.com/zucker oder facebook.com/zucker.mag Wer das Magazin künstlerisch, organisatorisch oder in Sachen Bekanntheit unterstützen möchte, wende sich an die oben genannte Adresse. Wir freuen uns über jede Zuschrift. Außerdem danke ich allen Lesern für Ihr stetes Interesse am Projekt.
ISSN 2191-6985
Jonathan Falk, Herausgeber
stupid is as stupid does.