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HARTER KERN IN RAUER SCHALE

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VON C BIS Z

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Am 10. Februar wäre der Dramatiker und Lyriker Bertolt Brecht 125 Jahre alt geworden. Aus der Literatur- und Theatergeschichte ist er nicht wegzudenken; seine berühmte „Dreigroschenoper“ gilt als Delikatesse für ein breites Publikum. Leicht verdaulich aber sind seine Werke bis heute nicht, und seine Persönlichkeit bleibt widersprüchlich.

Ei ne Nase für effektvoll inszenierte Skandale hatte der große „BB“ schon immer: In einem Schulaufsatz entlarvte er das Horazsche Diktum, wonach es „süß und ehrenvoll“ sei, für das Vaterland zu sterben, als „Zweckpropaganda“, auf die nur „Hohlköpfe“ hereinfallen. Das war mitten im Ersten Weltkrieg, und Jung-Pazifist Eugen Berthold Friedrich Brecht wäre dafür fast vom Gymnasium geflogen. Aufmüpfig, sinnlich und kompromisslos – so sah sich der am 10. Februar 1898 geborene Augsburger Fabrikantensohn am liebsten, und so spiegelte er sich bereits in der Titelfigur seines frühen Stücks: Der wilde, asoziale „Baal“ ist inspiriert vom expressionistischen Aufschrei der Söhne gegen die Väter und doch ein Solitär in der Theaterliteratur.

Bald lag die Münchner Bohème dem charismatischen Medizinstudenten, der seinen zahlreichen Verehrerinnen lieber Lieder zur Klampfe vorkrächzte als ernsthaft zu studieren, zu Füßen. Produktive Freundschaften verbanden ihn mit Karl Valentin, Lion Feuchtwanger und Carl Zuckmayer, die wie er von der Umwälzung der Lebensverhältnisse nach 1918 für ihre Kunst profitierten: Die Zeit für einen Paradigmenwechsel war reif. Brecht ersann ein Theater, das den Zuschauer zum mündigen, kritischen Zeitgenossen erziehen sollte, der die Umgestaltung seiner Lebensverhältnisse beherzt in Angriff nimmt. Die Forderungen der Kommunisten unterstützte er, ohne – wie Erwin Piscator – die Kunst als Instrument von Agitation und Propaganda für die Partei einzusetzen. Seine Energien richtete Brecht auf die Formulierung seiner

Ideen in gut lesbaren theoretischen Texten und entwickelte ästhetische Mittel, die seine Absichten publikumswirksam in Szene setzten. Einlullendes Zaubertheater, wie es Theaterunternehmer Max Reinhardt damals sehr erfolgreich unter das Volk brachte, war ihm ein Graus. Stattdessen erfand er den „Verfremdungs-Effekt“, der die zum Nachdenken notwendige Distanz zwischen Zuschauern und Bühnengeschehen herstellen und garantieren sollte. Als „V-Effekt“ ist er in Theaterkreisen inzwischen ebenso legendär wie Brechts Verdikt: „Glotzt nicht so romantisch!“

Für sein „Episches Theater“ machte sich der Kleist-Preisträger (1922 für sein Stück „Im Dickicht der Städte“) die Methoden der neuen Wissenschaften zunutze. Seine Stücke sind experimentelle Versuchsanordnungen, geprägt von kritischer Neugier, produktivem Zweifel und der Bereitschaft zur Umkehr; sie sind gespeist von Erkenntnissen aus Psychologie, Ökonomie und Geschichte. Als moderner Mensch und aufmerksamer Zeitgenosse nutzte der Box- und Radsportfan die Faszination der neu entstandenen Medien Radio und Film für seine Theaterarbeit, und zum Dichten ging der Meister - Henry Ford hatte soeben das Fließband erfunden – in seine „Dichtfabrik“. Hier entstanden viele Stücke in Teamarbeit, so auch die 1928 uraufgeführte „Dreigroschenoper“, der größte Theatererfolg der Zwanziger Jahre. Und hier traf er auf willige und äußerst belastbare Mitarbeiter, die um des Privilegs willen, für Brecht arbeiten zu dürfen, nicht selten auf eine eigene literarische Karriere verzichteten. Meist waren sie weiblich und ganz und gar vom Charisma des berühmten Chefs verzaubert. Seiner Anziehung, seiner Strahlkraft konnten sie sich schwerlich entziehen. „Brecht war eine Sonne“, schrieb die in der Weimarer Republik gefeierte Jung-Dramatikerin Marieluise Fleißer rückblickend. Da versuchte sie gerade, sich das „Trauma“ Brecht in stark autobiografisch geprägten Erzählungen von der Seele zu schreiben. Mit einem untrüglichen Gespür für publicityträchtige Ereignisse nämlich hatte Brecht eine Liebesszene in dem durch ihn inspirierten zweiten Stück der Autorin kurzerhand in eine wackelnde Kiste auf den Friedhof verlegt. Der daraufhin entbrannte Skandal war einer der größten der Weimarer Republik und bescherte der Fleißer Haus- und Publikationsverbot.

Bertolt Brecht und die Frauen – ein Thema, das Regale füllt. Die begabten und geistreichen, die hoffnungsvollen und talentierten hatten es ihm angetan. Sie schreckte sein Auftritt als selbstherrlicher Häuptling im männerbündisch organisierten Literaturbetrieb wenig. Wie viele hat er auf dem Gewissen? Wie viele wären ohne ihn bekannte Autorinnen geworden mit eigenen Werk und eigenem Kapitel in den Literaturgeschichten? Fakt ist: Zum Ausbeuter gehört immer auch eine, die sich ausbeuten lässt. Helene Weigel, Ehefrau und kongeniale Darstellerin seiner Frauenrollen, hat es geschafft, sich über alle Fährnisse hinweg an der Seite des Genies mit dem „harten Kern in der rauen Schale“ (Brecht) als Frau und Künstlerin zu behaupten. Seine „Mutter Courage“ begleitete ihn ab 1933 durch 15 Jahre Exil in Europa und den USA, mit ihr gründete er 1947 das Berliner Ensemble in Ostberlin, das sie nach 1956 bis zu ihrem Tod 1971 in seinem Sinne weiter führte – bis heute eine der wichtigsten Spielstätten der Republik.

Was bleibt von Brechts Ideen heute, im Zeitalter des postdramatischen Theaters und der Globalisierung der Meinungen? Es ist vor allem der unverwüstliche Glaube an die Veränderbarkeit des Menschen und an seine Kraft zur Veränderung – ausgelöst durch die Kunst und ins Werk gesetzt durch den Verstand. Diese

Zuversicht spricht nicht nur aus Brechts zu Klassikern der Moderne gewordenen Stücken; auch der launige Herr Keuner in den gleichnamigen Geschichten erblasst, wenn man ihn freudig damit begrüßt, er habe sich gar nicht verändert. Auratisch und sprachlich kristallklar kommt es in der Gedichtsammlung „Buckower Elegien“ zu einem späten Höhepunkt der produktiven Verbindung von Poesie und Verstand. Und war Brecht als The- oretiker auch unversöhnlich, so zeigte er sich als Praktiker dennoch realistisch: Kunst muss Spaß machen! „Es ist nicht genug verlangt, wenn man vom Theater nur Erkenntnisse, aufschlussreiche Abbilder der Wirklichkeit verlangt“ schrieb er 1953. „Unser Theater muss die Lust am Erkennen erregen, den Spaß an der Veränderung der Wirklichkeit organisieren.“

SABINE GÖTTEL UND OLAF NEUMANN

Die Frau Im Nebel

Regie: Park Chan-Wook

Darsteller: Tang Wei, Park Hae-il, Jung-hyun Lee u.a.

KOR 2022

KRIMIDRAMA Als ein passionierter Hobbykletterer von einem hohen Felsen in den Berg stürzt, übernimmt die Polizei die Ermittlungen. Schnell deutet alles auf einen tragischen Unfall hin, doch der gründliche Polizist Hae-joon (Park Hae-il) hat seine Zweifel. Der Mann, der weiter alle ungelösten Fälle seiner Karriere mit sich herumträgt, will auch diese Sache nicht direkt zu den Akten legen. Stattdessen hat er schnell die junge Witwe des Toten im Visier: Ist die aus China nach Korea geflohene Seo-rae (Tang Wei), die sich so rührend und gut um ältere Menschen kümmert, eine gewiefte Mörderin? Immer besessener aber auch faszinierter wird Hae-joon. Er vernachlässigt die Fernbeziehung zu seiner Frau, verbringt ganze Nächte vor dem Anwesen der Tatverdächtigen. Und Seo-rae geht auf sein Spiel ein, verwickelt ihn in Gespräche, hilft ihm bei der Lösung alter Fälle. Doch die Frage bleibt: Ist sie eine gewiefte Mörderin?

Start: 02.02.2023

Aus Meiner Haut

Regie: Alex Schaad

Darsteller: Mala Emde, Jonas Dassler, Maryam Zaree u.a.

D 2022

SCIFI-DRAMA Leyla (Mala Emde) und Tristan (Jonas Dassler) sind schon lange ein Paar und auf den ersten Blick wirken sie wie füreinander gemacht. Doch beiden fehlt etwas. Als sie der Einladung von Leylas Jugendfreundin Stella (Edgar Selge) auf eine abgelegene Insel folgen, werden sie mit einer Idee konfrontiert, die alles auf den Kopf stellt. Mithilfe eines Tauschrituals sollen sie erleben, wie es sich anfühlt, in einem anderen Körper zu stecken. Dazu werden für sie Fabienne (Maryam Zaree) und Mo (Dimitrij Schaad) ausgelost, die wiederum für ein paar Tagen in ihren Körpern wohnen sollen. Leyla ist wie berauscht von dem neuen Gefühl, wohingegen Tristan sich nur schwer daran gewöhnen kann. Als es schließlich Zeit wird, den Tausch rückgängig zu machen, weigert Leyla sich und alles gerät außer Kontrolle.

Start: 02.02.2023

MAGIC MIKE – THE LAST DANCE

Regie: Steven Soderbergh

Darsteller: Channing Tatum, Caitlin Gerard, Salma Hayekn u.a.

USA 2023

TRAGIKOMÖDIE Mike Lane (Channing Tatum) hat seine Tage als Stripper Magic Mike mittlerweile hinter sich gelassen. Seine Geldprobleme und ein fehlgeschlagener Business-Deal zwingen ihn dazu, in Miami als Barkeeper zu jobben. Immerhin lernt er so eines Tages auch die Frau Maxandra Mendoza (Salma Hayek) kennen und lieben, die ihm die Chance bietet, seinen wahren Traum zu erfüllen: Eine große Striptease-Live-Show auf die Beine zu stellen, die erotisches Tanzen zur Kunstform erhebt und alles Dagewesene in den Schatten stellt. Mike und seine Geliebte siedeln nach London über, wo schon bald die Vorbereitungen für eine Show voller Leidenschaft, nackter Haut und großen Emotionen beginnen …

Start: 09.02.2023

Final Cut Of The Dead

Regie: Michel Hazanavicius

Darsteller: Romain Duris, Bérénice Bejo, Grégory Gadebois u.a.

F 2022

HORROR Die Dreharbeiten zu einem LowBudget-Zombiefilm finden in einer abgelegenen Halle statt, doch es geht nicht so voran, wie es sich der Regisseur Rémi (Romain Duris) vorgestellt hat. Die Darsteller sind ihm zu wenig engagiert, zu wenig glaubhaft in ihrer Angst vor den Zombies. Da kommt es ihm gerade recht, als plötzlich echte Untote auftauchen und dem Team Beine machen. Jetzt gilt es, möglichst viel vom Geschehen einzufangen.

Das französische Remake der ZombieHorrorfilmsatire „One Cut of the Dead“ des Japaners Shinichiro Ueda orientiert sich ziemlich genau am Original, wartet dennoch mit ein paar eigenen Interpretationen auf.

Start: 16.02.2023

Wann Wird Es Endlich

WIEDER SO, WIE ES NIE WAR

Regie: Sonja Heiss

Darsteller: Devid Striesow, Laura Tonke, Camille Loup Moltzen u.a.

D 2022

DRAMA Die Kindheit des siebenjährigen Joachims (Camille Loup Moltzen), der mit seiner Familie in einer Villa auf dem Gelände einer Kinder- und Jugendpsychiatrie lebt, ist nicht alltäglich. Joachims Vater Richard (Devid Striesow) ist der Direktor der Klinik. Unter den Patienten fühlen sich Joachim und sein Vater am wohlsten. Die Patienten sind ihre Freunde. Auf die Gesellschaft der „Anderen“, der „Normalen“, können sie verzichten. Joachims Mutter Iris (Laura Tonke) geht es aber anders. Sie sehnt sich in ein mondäneres Umfeld und trauert ihren Jugendabenteuern in Italien nach …

Start: 23.02.2023

Der Geschmack Der Kleinen Dinge

Regie: Slony Sow

Darsteller: Gérard Depardieu, Kyozo Nagatsuka, Pierre Richard u.a. F/JPN 2022

DRAMÖDIE Gabriel Carvin (Gérard Depardieu), ein Sternekoch aus Saumur wird von einem Restaurantkritiker mit seinem dritten Crystal-Stern ausgezeichnet. Noch am selben Abend verlässt ihn seine Frau Louise (Sandrine Bonnaire). Diese brutale Trennung löst eine Familienkrise aus. Für Gabriel trifft das Übermaß ihn mitten ins Herz. Der hyperaktive Mann erleidet einen Herzinfarkt und muss nun weit weg von seinen Kochtöpfen leben. Diese heilsame Pause wird es ihm vielleicht ermöglichen, eine neue Leidenschaft zu finden. Um auf andere Gedanken zu kommen, reist er nach Japan, wo er die einfachen Freuden der Freundschaft wieder aufleben lässt und versucht, die Geheimnisse von Umami, der fünften Geschmacksrichtung des Gaumens, zu ergründen.

Start: 09.02.2023

VANDANA SHIVA –EIN LEBEN FÜR DIE ERDE

Regie: Camilla Denton Becket, James Becket

USA/AUS 2021

DOKUMENTATION Wie wurde die eigensinnige Tochter eines Waldhüters aus dem Himalaya zum schlimmsten Albtraum von Monsanto? In ihrem Dokumentarfilm erzählen die Filmemacher:innen Camilla Denton Becket und James Becket die bemerkenswerte Lebensgeschichte der gandhistischen Öko-Ak.tivistin Dr. Vandana Shiva, wie sie sich gegen die Konzerngoliaths der industriellen Landwirtschaft behauptete, in der Bewegung für Ernährungsgerechtigkeit zur Berühmtheit aufstieg und einen internationalen Kreuzzug für Veränderungen inspirierte.

20.02.2023 · 19.00 Uhr · li.wu. in der FRIEDA 23

HEIMKINO NETFLIX

GIRLS5EVA

Showrunner: Meredith Scardino

Darsteller: Sara Bareilles, Busy Philipps, Paula Pell u.a.

USA 2022

KOMÖDIE Als eine One-Hit-Wonder-Girlgroup aus den 90ern von einem jungen Rapper gesampelt wird, schließen sich die vier Mitglieder wieder zusammen, um ihren Popstar-Träumen noch eine Chance zu geben. Sie mögen erwachsene Frauen sein, die mit Ehepartnern, Kindern, Jobs, Schulden, alternden Eltern und Schulterschmerzen zu kämpfen haben, aber können Dawn Solano (Sara Bareilles), Summer Dutkowsky (Busy Philipps), Gloria McManus (Paula Pell) und Wickie Roy (Renée Elise Goldsberry) im Musikgeschäft bestehen?

Start: 01.02.2023

HEIMKINO DISNEY+

BLACK PANTHER: WAKANDA FOREVER

Regie: Ryan Coogler

Darsteller: Letitia Wright, Angela Bassett, Danai Gurira u.a.

USA 2022

ACTION Der König ist tot! König T'Challa (Chadwick Boseman), der als Black Panther auch Mitglied der Avengers-Heldentruppe war, stirbt an einer unbekannten Krankheit und ganz Wakanda ist in Trauer. Die Weltgemeinschaft sieht ihre Chance gekommen, um das vermeintlich geschwächte Königreich endlich zu Zugeständnissen bei der Lieferung des mächtigen Minerals Vibranium zu bewegen – und scheut dabei auch vor bewaffneten Überfällen nicht zurück. Doch Königin Ramonda (Angela Bassett) bleibt standhaft und weist die Staatsoberhäupter in ihre Schranken. Wakanda wird auch ohne König T'Challa und den Black Panther weiter existieren und nicht vor anderen Nationen buckeln.

Start: 01.02.2023

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