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GREGORIAN IM INTERVIEW

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DIE POP-MÖNCHE

DIE POP-MÖNCHE

0381-MAGAZIN: Sie wurden 2009 vom damaligen Papst eingeladen, auf einem Friedensfestival in Israel als Hauptact aufzutreten. Was ist die Botschaft Ihres Chors?

PETERSON: Es gibt bei uns absolut keine Botschaft. Ich entscheide immer aus dem Bauch heraus, was mir gerade fehlt. Wir haben über die Jahre immer größer gedacht. Irgendwann sind wir sogar in Arenen vor 15.000 Leuten aufgetreten. Entsprechend aufwendig wurden unsere Shows, fast wie bei Kiss. Es hatte eigentlich nichts mehr mit Gregorianik zu tun, abgesehen von dem Gesang und dem Stil. Es war für mich dann an der Zeit, Gregorian zusammenzuschrumpfen und mehr Tiefgang und Ernsthaftigkeit zu geben. Deswegen ist auch das Cover der neuen CD ganz simpel gehalten. Es hätte für mich gerade nicht in die Zeit gepasst, die nächste fette Show zu planen. Die Zeiten sind schon düster, gerade wenn man in der Unterhaltungsbran-

Müssen Sie eigentlich vor jeder Gregorian-Tour ein neues Bühnenprogramm konzipieren, das als Ganzes funktioniert und eine gute Dramaturgie

: Ja. Es wird mit der Zeit natürlich einfacher, weil sich eine Routine eingestellt hat und wir in über 1000 Konzerten gelernt haben, was beim Publikum ankommt und was nicht. Bei den ersten Tourneen hatten wir nur 12, 13 Songs, mittlerweile verfügen wir über 350 eigene Titel. Das ist die Qual der Wahl. Die Leute, die zu unseren Konzerten kommen, erwarten von uns glücklicherweise kein GreatestHits-Feuerwerk. Wir spielen immer viele Songs vom jeweils neuen Album. Unser neues „Pure Chants"-Programm enthält entkernte Versionen unserer Hits und ist ein bisschen wie ein Un- plugged-Konzert. Und wir nutzen die deutlich bessere Akustik von Kirchen, kleineren Sälen und Stadthallen.

0381-MAGAZIN: Welche außermusikalischen Probleme muss man lösen, damit solch ein Projekt musikalisch funktioniert?

PETERSON: Wir sind mit der Tour vor drei Jahren in Vorverkauf gegangen. Seitdem hat sich alles geändert. Es gibt wahnsinnige Personalprobleme, weil man kaum noch Leute findet, die das Equipment in die Hallen reintragen und beim Auf- und Abbau helfen. Und die wenigen, die man findet, wollen plötzlich das Doppelte haben. Der Stand, zu dem unsere Tour ursprünglich kalkuliert wurde, hat sich völlig verändert. Corona und ein damit einhergehendes Hygienekonzept auf Tournee ist immer noch ein Thema. Wir Künstler werden weiter versuchen müssen, unter uns und in einer Art Blase zu bleiben. Wir werden deshalb nach den Konzerten nur sehr eingeschränkt Autogramme schreiben können, um sicherzustellen, dass sich niemand von uns infiziert. Auch brauchen wir immer zwei bis drei Ersatz-Leute, die zuhause auf ihren Einsatz warten. Man muss heute an alle Eventualitäten denken.

0381-MAGAZIN: Stimmt es, dass Sie seit 1991 weltweit rund 40 Millionen Tonträger verkauft haben?

PETERSON: Gregorian steht bei ungefähr zehn Millionen. Aber ich war ja auch Mitinitiator von Enigma. Und Enigma hat bis heute 30 bis 40 Millionen Tonträger verkauft. Allein das Debüt gilt als das meistverkaufte Album aus Deutschland aller Zeiten. Es steht jetzt bei 16 Millionen Einheiten.

0381-MAGAZIN: Von solchen Verkaufszahlen können junge Künstler nur träumen.

PETERSON: Naja, es gibt kaum noch CDs, heute wird ja in Streams und Followern gerechnet. Was immer das auch heißt. Für mich bedeutet wahre Wertschätzung für Künstler und Musik nicht, bei Instagram aufs Herz zu klicken, sondern, sich seine Schuhe und seinen Mantel anzuziehen und in die Stadt zu gehen, um sich ein Album oder ein Ticket von dem Act zu kaufen, den man geil findet.

0381-MAGAZIN: Die Zeit der Compact Disc scheint abgelaufen. Werden Sie der CD hinterhertrauern?

PETERSON: Ja, ich finde diese Entwicklung schade. Ich bin halt mit Plattenläden wie WOM und Tower Records aufgewachsen. Ich wusste früher immer, was und wer gerade in den Charts hoch platziert war. Heute ist mir das völlig egal, denn die Single-Charts wirken manipuliert, intransparent und haben dadurch wenig Aussagekraft und für mich jegliche Wertigkeit verloren. Auch die Musik hat sich sehr geändert. Viele Künstler machen nur noch Songs mit einer Länge von zwei Minuten. Weil ja der Stream nach 30 Sekunden zählt. Warum sollte man da vier Minuten lange Nummern machen. Damals fanden wir Künstler das formatierte Radio ganz furchtbar, aber heute ist alles noch viel schlimmer! Ich verfolge die deutschen, britischen und US-Charts immer noch, muss aber sagen, dass ich populäre Musik heute als deutlich weniger spannend empfinde, als in den 70er, 80er und 90er Jahren.

0381-MAGAZIN: Heute muss man auf eine andere Art und Weise kreativ sein, wenn man einen Streaming-Hit landen möchte.

PETERSON: Vor allem musst du gucken, dass du am besten gleich mit dem Refrain anfängst und in den ersten fünf Sekunden eine Signalwirkung raushaust. Die Idee, wie Pink Floyd einen Song über 15 Minuten einfach wachsen zu lassen, kannst du heute vergessen. Bei der mittlerweile üblichen, eher geringen Aufmerksamkeitsspanne entscheiden bereits die ersten Sekunden über Hit oder Niete.

15.02.2023 · 20.00 Uhr · Stadthalle

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