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Thüringer Teams in unteren Ligen

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Brückenbauer

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| FUSSBALL |

THÜRINGER TEAMS IN UNTEREN LIGEN – eine Zustandsbeschreibung von Thomas Behlert.

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Wo der Ball kein Ziel mehr finden will

JA — ES GAB AUCH MAL ZEITEN, in denen Jena und Erfurt erstklassig spielten, wie etwa beim legendären FDGB-Pokalfinale anno 1980 — welches die Herren von der Saale übrigens 3:1 (n.V.) gewannen

Zwischen all den Berichterstattungen über große, dann aber doch langweilige Fußballspiele in Deutschland wird gerne das niedere Fußballvolk vergessen, das sich in den Regional- und Oberligen herumtreibt. Seit einigen Jahren trifft man da auf große Namen, zumeist aus dem Osten, die allerdings durch Insolvenzen, größenwahnsinnige Präsidenten und gescheiterte Sponsoren an den Rand des Ruins gekarrt wurden und jetzt mit Nachwuchsspielern und von Landesligen abgeworbenen Fußballern halbwegs über die Runden kommen wollen.

Besonders schlimm ist es derzeit in Thüringen, dem Bundesland mit großer DDR-Fußballvergangenheit und jetzigem Untergang. Keine alteingesessene Mannschaft ist mehr in der dritten Liga, denn die letzten Kämpfer sind ganz heroisch und ohne große Gegenwehr in die Regionalliga Nordost abgestürzt. Nun versucht sich dort der FC Carl Zeiss Jena, einstmals Teilnehmer in internationalen Pokalwettbewerben, zu halten, was allerdings schon nach den ersten sehr durchwachsenen Spieltagen sehr bezweifelt werden muss. Mit wenig Kampfgeist und lustlosen Spielern steht Jena nach wenigen Spieltagen tief im hinteren Tabellenfeld. Der gebürtige Berliner Dirk Kunert, dem man den sofortigen Aufstieg auf das verkaufte Fell geschrieben hat, ist als Trainer mit der Leistung seiner Schützlinge entsprechend alles andere als einverstanden: »Der Aufwand, den wir als ganzer Verein betreiben, steht in keinem Verhältnis zu dem, was wir aktuell an Punkten haben.« Die Stürmer treffen das Aluminium aus allen Lagen, der Rest der Truppe macht individuelle Fehler, die sogar zu Gegentoren führen. Danach wird am Spielfeldrand geflennt.

Der Verein kann noch nicht mal alles aufarbeiten, denn es warten weitere sogenannte Traditionsduelle gegen den BFC Dynamo, Chemie Leipzig oder Energie Cottbus. Alles einmal DDR-Oberliga Mannschaften mit Tradition, und sogar Teilnehmer in der Bundesliga (Energie). Die beste Thüringer Mannschaft war bisher ZFC Meuselwitz, die mit zwei Siegen in die neue Saison gestartet ist, aber leider unter anderem gegen den Favoriten Altglienicke Federn lassen musste. Die Berliner dominierten das Spiel und gewannen gegen die plötzlich wie Deppen aufspielenden Thüringer schließlich verdient 3:1. ZFC-Trainer Koray Gökkurt meinte dann auch über die Hauptstädter: »Das ist das stärkste Team der Liga, das ich bisher gesehen habe.«

INSOLVENZEN VS. AUFSTIEGSTRÄUME

Die zwei insolventen Vereine FC Rot Weiß Erfurt und Wacker Nordhausen, die immer noch in Rechtsstreitigkeiten mit Insolvenzverwalter, ehemaligen Sponsoren und Mitarbeitern des Clubs stecken, schieben sich im Moment den Ball mehr schlecht als sonst was in der Oberliga Süd zu. Die Verantwortlichen von Erfurt sahen nach dem ersten Match (Unentschieden) gegen Rudolstadt bereits Land. Sie faselten doch wirklich etwas von Wiederaufstieg. Natürlich folgte just am darauffolgenden Spieltag eine Niederlage und am nachfolgenden Wochenende gleich noch eine weitere. Mittlerweile konnten sie auch einige Spiele gewinnen, was man ihnen gönnt — mitunter aber auch nicht. In dieser Liga ist es doch so, dass all die kleinen Mannschaften unbedingt gegen den großen Namen aus Erfurt gewinnen wollen. Wie sagte mir ein unerkannt bleiben wollender Spieler von FSV Martinroda doch neulich: »Und wenn ich zwei Wochen auf dem Zahnfleisch zur Arbeit kriechen sollte: Gegen die Großfressen von Erfurt will ich Punkte holen!«

Ebenfalls in die Oberliga abgerutscht ist Wacker Nordhausen, deren ehemaliger Präsident Nico Kleofas eine ganz feine Insolvenz verschleppt hat und den Verein in die Schuldenfalle trieb, dass es ein großes Elend ist. Allerdings haben alle Verantwortlichen mitgemacht. Der Aufstieg sollte nicht teuer genug sein. Überbezahlte Spieler aus den höheren Ligen, die Wacker in die dritte Liga treten sollten, sind gleich wieder verschwunden und konnten somit die Niederlagen gegen einstmals schlechtere Mannschaften nicht verhindern. Hier ›träumt‹ man bestimmt schon schlecht von Landesligen oder Bezirksklassen. Nordhausens Trainer Philipp Seeland sprach aus Verzweiflung wahre Worte: »Selbst wenn wir noch einmal absteigen müssen. Diese Jungs, diese Mannschaft, das ist unsere Zukunft.«

Da die Spiele der beiden erwähnten Ligen sowieso kaum von Fans gesehen werden (Hygienekonzept sei Dank) und der MDR die Partien zu unchristlicher Zeit überträgt (sonntags 13 Uhr!), wird es bestimmt nicht auffallen, wenn die Thüringer Mannschaften noch weiter durchgereicht werden sollten. Oder: Eine Thüringer Mannschaft steigt auf und keiner bekommt es mit — außer bei Meuselwitz, dafür sorge ich. (tbe)

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