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Alliance for Health Care | Management Perspectives | Ausgabe 04 | 05.2010

CONNECTING COMPETENCE FOR eHEALTH SERVICES Astronauten als Symbole

der Zukunftsaufgaben der Medizin Telemedizin verbessert Patienten­ver­ sor­gung Der Weg von eHealth zu mHealth Mobile Health Technology Piloting Mobile Health in Cities–putting the user at the centre Improving Health in Europe: Are Patients the Missing Link? The End of Paternalistic Medicine Transparenter Patientenfluss in der Ambulanz mit i.s.h.med und dem Patient Tracking System Medizinische Informations-Technologien (MIT) Persönliche Telemedizin vor dem Durchbruch? Das Projekt »elektro­ nische FallAkte« Mobile Lösungen im Gesundheitswesen Arzt-ArztKommunikation mit der Asklepios-Com-Suite eHealth Services ante portas



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Definition eHealth ­

Was der Kunstbegriff E-Health bzw. E-Gesundheit (auch: Health 2.0) genau bezeichnet, darüber herrscht bisher keine Einigkeit. Eine gemeinsame Definition fehlt (cf. Eysenbach, 2001). Je nachdem, um welchen Autor es sich handelt und welche Zielgruppe anvisiert wird, vermischt sich E-Health mit den etablierten Begriffen wie Telemedizin (und weiteren Tele-X-Begriffen) oder ebenfalls neuen Ausdrücken wie Online Health, Cybermedizin und Con­ sumer Health Informatics. Mitunter sind mit E-Health Anwendungen der Telemedizin gemeint, wenn sie sich auf die Internet-Infrastruktur oder -Technik stützen (zum Beispiel IT-gestützte Expertenkonsile oder das FernMonitoring der Vitalwerte von Patienten im eigenen Haus). Auch Ansätze einer direkten Patient-Computer-Interaktion zur Er­ gänzung des Arztgesprächs erhalten heute mit dem Internet neuen Schwung und werden in der Folge häufig zu E-Health gezählt. Oft werden mit E-Health auch die Vernetzungsbestrebungen im Gesundheitssystem umrissen (zum Beispiel elektronische Patientenakten) oder generelle IT-getriebene Infra­struktur­ini­t ia­ tiven (zum Beispiel elektronische Beschaffung via Internet) bezeichnet (cf. PWC, 1999). Darüber hinaus wird unter dem Begriff E-Health das Bestreben verschiedenster Akteure (von Ver­siche­ run­gen über Gesundheitsportale bis hin zu virtuellen Selbst­hilfe­ gruppen) geführt, Gesundheitsinformationen und Dienstleistun­ gen über das Internet Laien-Konsumenten zugänglich zu machen. Gleiches gilt für den global zu beobachtenden Trend, dass sich Patienten im Internet zu medizinischen Themen kundig machen und in der Folge stärkeren Einfluss auf ihre Gesundheitsversorgung nehmen. Diese „partizipative Gesundheitsversorgung“ steht im Zusam­ menhang mit den durch das sogenannte Web 2.0 geschaffenen Möglichkeiten, Patienten und andere Bezugsruppen bei der schnellen Verbreitung, Bewertung und Zusammenfassung von Gesund­ heits­informationen integrieren zu können. Das gemeinsame Ziel ist dabei eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung allgemein, sowie eine mögliche Verbesserung der Patien­ten­betreuung (patient experiences) und sowie letztlich auch der Behandlungsergebnisse (med­ical outcomes). Entsprechend umfassend angelegt ist daher einer der De­fi ni­ tions­versuche für den Begriff E-Health: Eysenbach (2001) sieht darin nicht nur „eine technische Entwicklung, sondern auch eine [...] (besondere) Denkweise, Einstellung und Verpflichtung zu vernet­ ztem und globalem Denken, um die Gesundheitsversorgung [...] durch den Gebrauch von Informations- und Kommuni­ka­t ions­ technologie zu verbessern“. Insgesamt zeichnet sich ab, dass der neue Begriff eingeführt wurde um deutlich zu kennzeichnen,p


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dass aus der Konvergenz von Internet und Medizin etwas Neues entstehen würde, verbunden sowohl mit Chancen als auch Risiken für alle Akteure im Gesundheitswesen. „E-Health wird vorangetrieben von Non-Professionals, namentlich den Patienten (oder, im E-Health-Jargon, den Kon­su­ menten), die mit ihren Interessen neue Services im Gesund­ heitswesen entstehen lassen – zumeist um ihre Emanzipations­ bestrebung durch den Zugang zu Informationen und Wissen zu stärken“ Im Jahr 2005 stellt die 58. World Health Assembly der Welt­ gesundheitsorganisation (WHO) fest, dass „E-Health den kostengünstigen und sicheren Einsatz von Informations- und Kommuni­ kationstechnologien beschreibt, um die allgemeine Gesundheit zu fördern“ – darin eingeschlossen sind die Unterstützung des Ge­ sundheitssystems, der Ge­sund­heitsberichterstattung, die Gesund­ heitsförderung sowie allgemein Wissen und Forschung. Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/EHealth#Verwandte_Begriffe_.28teilweise_Synonyme.29


INHALT

4 Astronauten als Symbole der Zukunftsaufgaben der Medizin Rupert Gerzer, Direktor, Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin 6 Telemedizin verbessert Patientenversorgung Dr. Uwe Perlitz, Deutsche Bank Research 20 Der Weg von eHealth zu mHealth C. Peter Waegemann, Vice President, mHealth Initiative 26 Mobile Health Technology–Connecting the Dots to Make Healthcare Easier and More Cost Effective Peter Hudson, M.D., Healthagen CEO 32 Piloting Mobile Health in Cities–putting the user at the centre Sascha Haselmayer, General Director, und Dr Jakob H. Rasmussen, Chairman, Living Labs Global 38 Improving Health in Europe: Are Patients the Missing Link? Mark Johnston, International Business Development Lead Health Solutions Group, Microsoft Corporation 44 The End of Paternalistic Medicine Kevin Kruse, Kru Research 50 Transparenter Patientenfluss in der Ambulanz mit i.s.h.med und dem Patient Tracking System Bernhard Calmer Siemens AG, Siemens Deutschland Healthcare Sector, Leitung IT Vertrieb Healthcare Deutschland 54 Medizinische Informations-Technologien (MIT) Prof. Dr. med. Stefan F. Winter und Dr. med. Dierk Heimann 60 Persönliches Telemedizin vor dem Durchbruch? Jens Seeliger, Strategic Relations Manager, Intel Digital Health Group 68 Das Projekt »elektronische FallAkte« Claudia Reuter, Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST 74 Mobile Lösungen im Gesundheitswesen Hakan Iyigün, Public Sector Channel & Sales Manager Germany Research In Motion Deutschland 78 Arzt-Arzt-Kommunikation mit der Asklepios-Com-Suite Oliver Heggblum, Projektmanager Asklepios Future Hospital Programm 82 eHealth Services ante portas Lothar Dörr, Advisor Healthcare IT, COMChanger


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Astronauten als Symbole der Zukunftsaufgaben der Medizin Rupert Gerzer

Menschen sind Individuen. Sogar eineiige Zwillinge entwickeln sich im Laufe ihres Lebens anders und – haben sie zwar am Anfang ihres Lebens identisches Erbgut – unterscheiden sich am Ende ihres Lebens wegen der Einflüsse, die das Leben auf ihr Erbgut ausübt. Auf die Medizin übertragen bedeutet das, dass man kranke Menschen nicht mit Standardtherapien, sondern individuell behandeln muss. Zurzeit wird dieses Prinzip bereits in der Onkologie schrittweise eingeführt. Die Medizin der Zukunft muss aber bereits viel früher einsetzen: nicht in der Behandlung, sondern in der Vorbeugung. Und hier verschwimmt auch die Schnittstelle zwischen klassischer kurativer und künftiger präventiver und individualisierter Medizin. Astronauten sind, abstrakt gesehen, gesunde Leistungsträger in der mobilen Gesellschaft. Die Raumfahrtmedizin hat die Auf­ gabe diese Individuen gesund und leistungsfähig zu erhalten, sie personalisiert zu betreuen und ihnen im Einsatz im Falle medizinischer Probleme Hilfe dorthin zu bringen, wo sie sie benötigen. Genau das sind auch die zwei zentralen Aufgaben der Zukunft der Medizin: • Individualisierte Prävention und Betreuung • Expertise zum Individuum (nicht wie bisher Patient zur Expertise) Da es nur sehr wenige und hoch spezialisierte Astronauten gibt, kann man die Aufgabe ihrer Betreuung auch symbolhaft sehen: Je mehr über individuelle Eigenschaften Einzelner bekannt ist, desto besser können diese auch individualisiert, geschlechts- und altersbezogen betreut werden. Und dabei stören große Fallzahlen, es geht auch nicht um Therapie von Krankheiten im Allgemeinen, sondern im Gegenteil um das Vermeiden und gleichzeitig um das individuelle Stärken von Motivation, um nicht nur Gesundheit, sondern auch Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Dies wiederum ist ganz im Sinne der modernen Definition von Gesundheit, die ja nicht nur die Abwesenheit körperlicher Krankheiten, sondern auch das psychische und soziale Wohlergehen beinhaltet. Wir können heute aufgrund der Revolution der molekularen Medizin unendlich viele Details über einzelne Menschen wissen. Wir versagen aber dabei, diese einzelnen Puzzlestücke zu einem Ganzen zusammen zu fügen, aus dem sich dann wieder fassbare und nützliche Aussagen für den Einzelnen dann herausfiltern las-

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Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin

sen, wenn er diese Aussagen braucht. Für die Betreuung von As­ tro­nauten wird deshalb derzeit international ein Projekt initiiert, das man „digital Astronaut“ oder „digital friend“ nennt und das genau diese Aufgabe lösen soll. Dieser Ansatz, den Teilekatalog des Menschen, der in den letzten Jahrzehnten mittels molekularer Erkenntnisse erstellt wurde, in einem integrativen Ansatz zu einem Ganzen zusammenzuführen, das individuelle Aussagen und Vorhersagen erlaubt, ist die eine zentrale Aufgabe der Medizin der Zukunft und nur über den Einsatz von Informationstechnologie zu lösen. Die zweite Aufgabe ist aber, wie beim Astronauten, das Wissen über den Einzelnen nicht wie in der Vergangenheit beim Experten zu belassen, sondern es dorthin zu bringen, wo es gebraucht wird, nämlich zum Individuum – und nicht erst, wenn diese Person erkrankt ist, sondern bereits lange vorher. Denkt man dies weiter, dann stellt sich die in Frage, ob das derzeitige Gesundheitssystem, das ja zumindest in Teilen mehr auf das Kurieren der Konsequenzen falscher Lebensweisen ausgelegt ist als auf die individuelle Prä­ ven­t ion, diese Aufgaben schultern kann. Je frühzeitiger ja Präven­ tion einsetzt, desto besser wirkt sie, desto weniger ist sie aber in unserem Gesundheitssystem als „Leistung“ vorgesehen. Deshalb braucht es eine neue Art von Gesundheitsleistung, also eine Art von persönlichem Coaching, das zur individuellen Lebensführung gehört und nicht unbedingt vom Gesundheits­ system finanziert werden muss. Mit den heutigen Möglichkeiten der In­formations- und Kommunikationstechnologie lassen sich diese Ziele bereits erreichen – die aktuelle gemeinsame Aktion von ASKLEPIOS und anderen, über das Handy personalisierte Ge­ sund­heitsratschläge überall und jederzeit verfügbar zu haben, ist ein großer Schritt in diese Richtung.

Rupert Gerzer, Direktor, Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Linder Höhe, 51147 Köln rupert.gerzer@dlr.de

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Telemedizin verbessert Patientenversorgung Dr. Uwe Perlitz

Telemedizin gibt es seit gut 25 Jahren. Seit Anfang der 1980er Jahre wird die Informations- und Kommunikationstechnik (IuKTech­nik) zunehmend auch für Telemedizin genutzt, also für das Erbringen medizinischer Dienstleistungen, bei denen Technik zur Überwindung von räumlichen Entfernungen eingesetzt wird. Skandinavien ist in Europa führend. Hier spielt die niedrige Be­völkerungs- und Arztdichte eine große Rolle. Deutschland befindet sich im Ranking der acht wichtigsten Länder im unteren Mit­tel­ feld, weil das deutsche Gesundheitssystem in vieler Hinsicht noch nicht für Telemedizin geeignet und die Arztdichte im internatio­ nalen Vergleich hoch ist. Telemedizin hilft sparen. Mit Telemedizin lassen sich Effi­zienz­ vorteile gegenüber traditionellen Behandlungsmethoden erzielen. Für die Anwender bedeutet die Technik mehr Komfort und Be­­ quemlichkeit. Durch die „Therapie aus der Ferne können häufig Arztbesuche oder Krankenhausaufenthalte entfallen und Medikamente schneller dem Krankheitsbild angepasst werden.

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Noch Risiken und Umsetzungshürden zu überwinden. Ein Hin­ dernis für den flächendeckenden Einsatz in Deutschland ist die Fragmentierung des Telemedizinmarktes. Zudem sind viele Me­­di­ ziner skeptisch, weil sie ihre Sorgfaltspflicht gegenüber den Pa­tienten gefährdet sehen. Rahmenbedingungen werden sich ändern. In den kommenden Jahren dürften sich die Rahmenbedingungen zugunsten der Tele­ me­dizin verbessern. Im Zuge der älter werdenden Bevölkerung nimmt die Zahl chronisch Kranker zu. Viele solcher Patienten sind für eine telemedizinische Anwendung prädestiniert. Siegeszug nicht mehr aufzuhalten. Alles in allem dürfte in Europa von 2006 bis 2020 der Umsatz für Telemedizin voraussichtlich um durchschnittlich ein Zehntel p.a. wachsen, während die Gesundheitsausgaben nur halb so schnell zunehmen. Auswirkungen auf Versorgungsstruktur. Der ambulante Sektor könnte verstärkt in Anspruch genommen werden zu Lasten des stationären Bereichs. Dafür spricht auch die Zunahme der Me­­di­zi­ nischen Versorgungszentren, die aufgrund ihrer Personalausstattung für telemedizinische Leistungen gut geeignet sind. 1. Einleitung Die IuK-Technik unterstützt in immer mehr Bereichen von In­­dus­­­ trie und Dienstleistungen sowie im privaten Umfeld das Handeln der Akteure. Dies liegt in erster Linie an Effizienzvorteilen (z. B. niedrigere Transaktionskosten und Zeitvorteile aber auch Kom­ fort) sowohl für die Unternehmen als auch für die Kunden. Auch das Gesundheitswesen ist für IuK-Technik geeignet, weil durch die Technik Ärzte schnell auf Patientendaten zurückgreifen können und sich der Gesundheitszustand von Kranken leichter überwachen lässt. Allerdings ist es keine leichte Aufgabe, Tele­me­di­zin­ dienste in die nationalen Gesundheitssysteme zu integrieren. Nach wie vor haben die Gesundheitsbehörden eine zentrale Be­ deutung, da sie die Hauptverantwortung für die Organisation, Finanzierung und Erbringung von Gesundheitsleistungen tragen. Diese Rahmenbedingungen zu ändern, ist oft schwierig. Im Zuge der New Economy in den späten 1990er Jahren entstand in Analogie zu den elektronischen Marktplätzen (eCommerce) der Begriff eHealth. Unter eHealth wird die elektroni­sche Vernetzung aller Akteure im Gesundheitsmarkt, also Leis­t ungs­ anbieter, Zulie­ferer aber auch Patienten, verstanden. Diese Ver­ knüp­f ungen er­­möglichen neue Geschäftsmodelle wie sie seitens der Online-Apotheken schon realisiert sind.1 Ein besonders wichtiges Segment von eHealth ist die Tele­me­ dizin, also das Erbringen medizinischer Dienstleistungen, bei denen die IuK-Technik zur Überwindung räumlicher Distanz eingesetzt wird. Dabei geht es nicht nur um das Speichern und Bear­ p

1 Siehe Perlitz, Uwe (2008). Apotheke der Zukunft. Mehr Ketten – mehr Wettbewerb – günstigere Produkte. Aktuelle Themen 437. Frankfurt am Main.

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beiten von Daten, sondern um die Übermittlung von Daten, Texten, Tabellen, Befunden sowie Bildern, die eine diagnostische oder therapeutische Interaktion ermöglichen. Ein Beispiel dafür sind ferngesteuerte Operationsroboter, die Eingriffe an entfernten Orten ermöglichen. Ferner können Patienten ihre Vitalparameter (Messzahlen für die Grundfunktionen des menschlichen Körpers) an ein Ge­­sundheitszentrum bzw. eine Arztpraxis übermitteln und bekommen von dort bei überhöhten Werten sofort eine Rück­mel­ dung, um entsprechend reagieren zu können. Telemedizin erst seit den 1980er Jahren Die erste Übertragung von Röntgenbildern mittels Kabel über eine Distanz von fünf Meilen gab es in den 1960er Jahren zwischen zwei Krankenhäusern in Montreal. Telemedizinische Verfahren werden aber erst seit den 1980er Jahren in größerem Stil erprobt. Beispiele hierfür waren die gesundheitliche Überwachung von Astronauten im Weltall, der Arbeiter auf Bohrinseln oder der Teilnehmer von Ex­peditionen, für die eine Vorhaltung von medizinischem Personal nicht möglich oder zu gefährlich war. Die Anwendungen waren zwar auf kleine Gruppen beschränkt, dennoch konnten hier erste

Erfahrungen gesammelt werden. Die Wirtschaftlichkeit spielte bei diesen Anwendungen nur eine untergeordnete Rolle. 2. Anwendungsbereiche Die beiden Säulen der Telemedizin sind die Interaktionen zwischen Ärzten (Doctor to Doctor; D2D) bzw. anderen Leis­t ungs­ erbringern sowie zwischen Ärzten und Patienten (Doctor to Patient; D2P). Diese Einteilung ist angelehnt an die Unterscheidung zwischen Business to Business (B2B)- und Business to Consumer (B2C)- Be­­ziehungen.

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Für Mediziner untereinander (D2D) Die Telekonsultation zwischen Ärzten dient der Einbeziehung medizinischen Sachverstandes auch außerhalb der Klinik oder der Praxis. Sie ist dort eine große Hilfe für den Arzt, wo die Beurteilung von Bildern eine entscheidende Rolle spielt. Dabei haben sich naturgemäß besonders solche Disziplinen als geeignet erwiesen, bei denen die Befunde in elektronischer Form erhoben und kommuniziert werden. Dies gilt insbesondere für bildgebende Systeme der Me­di­ zintechnik wie Röntgentechnik, Computertomografie sowie Kern­ spin­tomografie, Nuklearmedizin und Ultraschalldiagnostik. Auch Bil­der von pathologischen Schnitten oder Hauterkrankungen können auf diese Weise an Experten zur Begutachtung weitergeleitet werden, um die Diagnose des behandelnden Arztes abzusichern bzw. zu besprechen. Der Vorteil liegt also in der Möglichkeit, schnell und günstig auf die weltweit verfügbare Expertise zugreifen zu können. Für Sonderfälle ist dies mitunter entscheidend. Zudem können Mediziner ihr Behandlungsangebot vergrößern. Ähnlich wie in anderen Fachrichtungen gewinnt auch die elektronisch gestützte Aus-, Fort- und Weiterbildung, die seit Ende der 1990er Jahre zur Verfügung steht, in der Medizin an Bedeutung. Zu­ ­dem können die Fachärzte ihre Befunde zum Zwecke der Wei­ter­ bildung mit anderen Kollegen besprechen. Zwischen Arzt und Patient (D2P) In der Beziehung zwischen Arzt und Patient ist das wichtigste Segment das Telemonitoring. Hier wird der Gesundheitszustand eines Patienten mit Hilfe der Telematik über Distanz überwacht. Besonders hilfreich ist dieses System bei chronisch Kranken, wie Diabetes (Zuckerkrankheit) oder chronischer Herzinsuffizienz (Herz­­schwäche). Denn viele dieser Patienten müssen aufgrund der langen Krankheitsdauer, ihres Gesundheitszustandes und wegen der verordneten Arzneimittel regelmäßig und häufig überwacht werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um so genannte Vi­ tal­parameter wie Herzfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffgehalt des Blu­­tes und Atemfrequenz. Die Daten werden automatisch mit Hilfe von geeigneten Geräten erhoben. Im Rahmen der Telediagnostik greift der Arzt direkt auf die Daten des Patienten zu. Dies können bereits erfasste Angaben sein, wie Röntgenbilder, oder Werte, die an einem anderen Ort entstehen, etwa EKG (Elektrokardiogramm) oder Videoaufnahmen des Patienten. Demgegenüber haben sich Online-Sprechstunden im humanmedizinischen Bereich bislang noch nicht etabliert, da der Arzt seiner persönlichen Sorgfaltspflicht auf diese Weise nur sehr eingeschränkt nachkommen kann und eine Diagnose begrenzt möglich ist. Mittlerweile wurden schon ferngesteuerte Operationsroboter entwickelt, die von einem Chirurgen bedient werden, der sich nicht am Operationsort befindet. Dadurch können komplizierte Eingriffe auch an entlegenen Plätzen durchgeführt werden, ohne p

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dass der Spezialist selbst anwesend ist. Aufwändige Transporte könnten ent­­­fallen. 3. Vorteile der Telemedizin Die Vorteile der Telemedizin für die Leistungserbringer, -erstatter und nicht zuletzt für die Patienten belegen mittlerweile zahlreiche in- und ausländische Pilotprojekte.

2 Siehe OECD (2007). Health at a Glance.

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Kostenreduktion bei Leistungserbringern und -erstattern Vor allem die Krankenkassen suchen aufgrund ihrer Beitrags­satz­ entwicklung nach Möglichkeiten eine Kostenreduktion zu realisieren. Deutschland besitzt ein sehr differenziertes und im internationalen Vergleich gutes wenngleich teures Gesundheitswesen. Mittlerweise entfallen hier 10% des BIP auf Gesundheitsleistungen. Dies ist der vierthöchste Wert weltweit (nur übertroffen von den USA, der Schweiz und Frankreich), während in anderen großen EU-Ländern und in Japan dieser Anteil bei etwa 8% liegt. Nach einer Untersuchung der OECD könnte der Anteil der Gesundheitskosten am BIP in Europa von derzeit 10 auf bis zu 16% im Jahr 2020 steigen.2 Eine Möglichkeit, die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen zu bremsen, ist die weitgehende Vernetzung zwischen den einzelnen Anbietern bzw. ganzen Sektoren. Der Mannheimer Telemedizintechnikanbieter Vitaphone rechnet z. B. damit, dass bei einem telemedizintechnisch betreuten Herz­pa­t ien­ ten pro Jahr EUR 1.200, das ist etwa ein Fünftel der regulären Behandlungskosten, eingespart werden können, weil viele Arzt­ besuche und eine Reihe von Klinikaufenthalten entfallen. Bei einer Reform des deutschen Gesundheitswesens sollten sich die Entscheidungsträger nicht nur auf eine Verbesserung der Ein­nahmen konzentrieren. Denn auch die Ausgaben könnten weiter gesenkt werden. So hat z. B. der Gesetzgeber im Rahmen der so genannten integrierten Versorgung neue zusätzliche Ge­­staltungs­ möglichkeiten für Leistungserbringer und -erstatter eröffnet. Durch eine stärkere Vernetzung von Haus- und Fach­ä rzten sowie Krankenhäusern sollen neben einer besseren Patientenversorgung auch die Gesundheitskosten gesenkt werden, weil Doppel­unter­ suchungen entfallen. Ein Beispiel dafür sind die so genannten Disease-Management-Programme (DMP) für chronisch Kranke. Allerdings werden diese Möglichkeiten bisher nur unzureichend genutzt. Für die Krankenkassen ist der verstärkte Einsatz der Tele­ medizin insofern lohnend, weil sich damit teure Kranken­haus­ auf­enthalte der Patienten verringern lassen. Nach Angabe des Bundes­m inis­teriums für Gesundheit sind die Ausgaben für Kran­ken­haus­aufenthalte in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren um jährlich rd. 2% auf EUR 52,6 Mrd. gestiegen und repräsentieren damit den größten Ausgabenblock der Gesetz­ lichen Kranken­ver­sicherung insgesamt. Nach einer Gegen­über­ stellung der Kosten einer Gruppe von Patienten ohne telemedizi-


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nische mit denen mit telemedizinischer Behandlung lagen nach Reichelt die Kran­ken­hauskosten um rd. EUR 3.000 niedriger, d.h. um etwa die Hälfte. 3 Im ambulanten Bereich – vor allem bei chronisch Kranken – ist eine schnellere Linderung der Beschwerden möglich, je besser ein Arzt in die Behandlung eingreifen kann. Durch die Therapie aus der Ferne können Arztbesuche ent­fallen und Medikamente schneller dem geänderten Krankheitsbild angepasst werden. In amerikanischen Studien werden die potenziellen Einsparungen allein durch den erleichterten Austausch medizinischer Daten auf bis zu 5% der jährlichen Ausgaben für das Ge­sundheitswesen insgesamt geschätzt. Das entspricht etwa EUR 82 Mrd. pro Jahr. Nach einer Ver­öf­ fent­lichung von Levitt sparten in den letzten Jahren in Amerika die Ärzte durch Telemedizin etwa ein Viertel ihrer Zeit für die Datenverwaltung ein und hatten doppelt so viel für die Be­handlung von Patienten. In den Kran­ken­ häusern hat die Patien­tenzahl deutlich stärker zugenommen als die Zahl der Mitar­bei­ter.4 Versorgungsstrukturen ändern sich Durch den verstärkten Einsatz von Telemedizin könnte sich die Versorgungsstruktur der Patienten merklich ändern. Während der ambulante Sektor verstärkt in Anspruch genommen wird, dürfte der klassische stationäre Bereich weiter an Bedeutung verlieren. So konnte z. B. im Klinikum München die Krankenhausverweildauer von Patienten, die an der Telemedizin teilnahmen, von 12 auf 7 Tage gesenkt werden. In den Krankenhäusern dürfte sich somit der Trend einer abnehmenden Bettenzahl fortsetzen. Schon heute gibt es Krankenkassen, die z. B. bei Risikopatienten, chronisch Kranken oder in der Phase nach operativen Eingriffen die Kosten für eine telemedizinische Betreuung als zusätzlichen Dienst übernehmen. So schloss z. B. das Unternehmen PHTS Te­­le­ ­medizin 2008 einen Vertrag mit der Landwirtschaftlichen Kran­ ken­kasse (LKK) Niedersachen-Bremen mit dem Ziel einer bes­ seren Versorgung von Herzpatienten ab. Obwohl heute kaum jemand die Vorteile der Telemedizin bestreitet, wird in Deutschland schätzungsweise nur etwa 1% aller Patienten telemedizinisch versorgt. Niedrigere Kosten für chronisch Kranke … Durch Anwendung der Telemedizin lassen sich bei chronisch Kranken die Prozesse bei der Versorgung optimieren. Nach Be­­ rechnungen des Fraunhofer-Instituts entfallen in Deutschland etwa 80% der Ausgaben für das Gesundheitswesen auf chronische oder Langzeiterkrankungen, was in etwa einem Wert von EUR 200 Mrd. entspricht. p

3 Siehe Reichelt, Andreas (2008). Telemedizin als Innovation, eine Technikfolgenab-schätzung des Tele Home Care im deutschen Gesundheitswesen. Bayreuth. 4 Siehe Levitt, Steven D. und Dubner, Stephen J. Super (2009). Freakonomics, London.

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Die wichtigsten chronischen Krankheiten wie Herzbeschwer­ den, Asthma und Diabetes eignen sich besonders gut für die Über­wachung via Telemedizin: • Bei Herzinsuffizienz handelt es sich um eine Herzschwäche, bei der die Gewebe des Körpers nicht ausreichend mit Blut und Sauer­ stoff versorgt werden. In Europa leiden etwa 10 Mio. Menschen an Herzinsuffizienz, die mit etwa EUR 20 Mrd. gut 2% der gesamten Gesundheitsausgaben in der EU-27 verursacht. Die Krankheit bedarf einer lebenslangen Überprüfung und Therapie. Atembe­schwer­den und/oder schnelle Ge­ wichts­zunahme sind Schlüssel­parameter, die es täglich zu kontrollieren gilt. Eine frühzeitige Um­stellung der Behandlung auf Grundlage der Überwachungsdaten kann den Zustand der Patienten verbessern, die Zahl der Arzt­besuche verringern und Krankenhaus­aufent­ halte vermeiden oder verkürzen.

5 Siehe Häcker, Joachim, Barbara Reichwein und Nicole Turad (2008). Telemedizin. Markt, Strategien, Unternehmens­­ bewertung, München. 6 Siehe Perlitz, Uwe (2009). Diabetes – der Preis für zunehmenden Wohlstand.

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Bei der Behandlung dieser Krankheit werden die Kosten weniger durch Medikamente oder teure Herztransplantationen verursacht, sondern v.a. durch Krankenhausaufenthalte. Durch eine telemedizinische Betreuung können nach einer Studie der Kaufmännischen Krankenkasse Hannover (KKH) und des Telemedizinunternehmens ArztPartner almeda AG die Krankenhausaufenthalte für Patienten mit dieser Krankheit um etwa die Hälfte gesenkt werden. Die Gesamtbehandlungskosten pro Patient lagen um knapp EUR 7.000 unter denen einer Kontrollgruppe (Patienten ohne telemedizinische Betreuung).5 • Asthma ist eine chronische entzündliche Erkrankung der Atemwege. In Deutschland sind knapp 6 Mio. Menschen davon betroffen; in Schottland sind es sogar 18% der Bevölkerung. Mit Hilfe von Telemonitoring lässt sich die Therapie der Patienten besser überprüfen, und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes werden frühzeitig erkannt. • Diabetes beruht auf der ungenügenden Wirkung des in der Bauchspeicheldrüse produzierten Hormons Insulin, das für die Regulierung des Blutzuckerstoffwechsels verantwortlich ist. Auf­ grund des gestörten Blutzuckerstoffwechsels ist die ständige Kontrolle der Blutzuckerwerte erforderlich, um Folgeerkrankungen zu vermeiden, die außerordentlich kostenintensiv sind z. B. Augenund Fußleiden).6 Die Telemonitoring-Systeme sind auf die Über­tra­ gung von Informationen gerichtet, die es erlauben, dem Patien­ten Hilfestellungen für seinen Umgang mit der Krankheit zu liefern. Diese können aber auch Grundlage für eine Änderung der bestehenden Therapie sein. Gut eingestellte und überwachte Dia­be­tes­ patienten verursachen erheblich weniger Kosten als Pa­­tien­ten mit dauerhaft zu hohen Blutzuckerwerten und den daraus resultierenden Spätfolgen. Von den etwa 7 Mio. Diabetikern in Deutsch­ land dokumentieren derzeit etwa 60% ihre Werte. Bei vielen dient die Erhebung lediglich als Berechnungsgrundlage für die nächste zu verabreichende Insulinmenge.


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Bislang wurden z. B. Diabetiker erst dann aus dem Krankenhaus entlassen, wenn ihre Blutzuckerwerte wieder im Normalbereich lagen. Da die Leistungen der Krankenhäuser ab 2004 nicht mehr tageweise, sondern pauschal je nach Krankheit abgerechnet werden, gibt es einen Anreiz kostengünstigere Substitute zu prüfen. Die Patienten könnten aber dennoch gefahrlos entlassen werden, wenn via Telemedizin eine permanente Überprüfung der Blut­ zuckerwerte seitens des Krankenhauses oder des behandelnden Arztes gewährleistet wäre. Für die Patienten geht es aber gerade beim Thema Gesundheit nicht in erster Linie um Kosteneinsparung, sondern um Qua­li­täts­ sicherung oder -steigerung. Qualitätssteigerungen werden insbesonere im Bereich des Telemonitoring dank engmaschiger Über­ wachung der Risikopatienten und dank einer optimalen Ver­ netzung der Gesundheitsstrukturen erreicht. Die Fernbehandlung ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Arzt persönlich vom Zustand des Patienten in einer vorangegangenen Untersuchung überzeugt hat, in einer konkreten Situation die Fortsetzung der Behandlung aus der Ferne verantworten kann und er arbeitsteilig auf die Befunde oder Vorbehandlungen anderer Kollegen vertrauen darf.7 …aber nicht alle profitieren Die mit Hilfe der Telemedizin zweifellos bessere und flexiblere Patientenversorgung trifft aber nicht auf die gesamte Kohorte eines Krankheitsbildes zu, sondern muss differenziert betrachtet werden. So haben z. B. in Deutschland nach der Analyse von Häcker et al. derzeit nur etwa 22% der Diabetespatienten sowohl die nötige Affinität als auch Akzeptanz für die Anwendung der Telemedizin. Bezogen auf die Zahl der Diabetiker in Europa wäre dieser Anteil für das Jahr 2007 bereits 12 Mio. Patienten. Ähnlich sieht es auch bei anderen chronischen Krankheiten aus. Bei der Herzinsuffizienz kommt etwa nur ein Zehntel für die Anwendung telemedizinischer Überwachung infrage. Bei anderen chronischen Erkrankungen liegt diese Quote zwischen 5 und 25%. Ließen sich die obigen Einsparungen realisieren, könnten die Kosten für das Gesundheitswesen um mehr als 5% gesenkt werden. 4. Risiken und Umsetzungshürden Ein flächendeckender Einsatz der Telemedizin in vielen Ländern Europas hat jedoch noch Risiken zu kontrollieren und Um­­set­ zungshürden zu überwinden. Ökonomische Hürden noch hoch Ein großes Hindernis für eine stärkere Verbreitung der Telemedizin ist die Fragmentierung des Marktes. Zurzeit sind in Deutschland etwa 5.000 bis 6.000 Klein- und Mittelbetriebe tätig, die eine große Vielfalt an Produkten und Insellösungen anbieten. Amerikanische Studien belegen, dass die fehlende Kompatibilität der Systeme p

7 Das deutsche Fernbehand­lungs­ verbot besagt, dass Ärztinnen und Ärzte individuelle ärztliche Behandlungen nicht ausschließlich über Kommunikationsmedien oder Computerkommunika­tions­ netze durchführen dürfen. Dem­ gemäß ist lediglich eine ausschließliche Behandlung über die Kommunikationsnetze untersagt.

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untereinander die Realisierung eines sehr großen Einsparpotenzials verhindert. Ein Grund dafür ist die Vielzahl regionaler Anbieter. Zudem wirkt sich die lückenhafte Verflechtung der Entscheidungsund Kostenträger negativ aus, da dadurch ein flächendeckender Einsatz großer Projekte erschwert wird. Ferner ist in deutschen Arztpraxen die oft unzureichende IT-Infrastruktur ein Hemmnis, weil eine Erneuerung mit größeren Investitionen verbunden ist. Für die Patienten ist eine Anwendung telemedizinischer Maß­ nahmen u.a. der Kostenfaktor entscheidend. Telemedizin wird von den Krankenkassen nur in Ausnahmefällen erstattet. Der Patient zahlt die anfallenden Gesundheitsleistungen in der Regel aus eigener Tasche. Bisher ist in Deutschland dieses Instrument noch relativ wenig ausgeprägt – ein Beispiel sind die individuellen Gesundheits­leis­ tungen (IGeL). Dabei handelt es sich um Leis­t un­gen, die als medizinisch sinnvoll erachtet werden, von den Ge­­setzlichen Kran­ ken­­­kassen aber nicht bezahlt werden. Leichte Bedienbarkeit der Geräte wichtig Eine weitere Hürde für Telemedizin stellt die Bedienbarkeit der dafür benötigten Technologien dar – insbesondere für ältere Men­ schen. Diese Gruppe hatte bisher nur relativ wenige Be­­rüh­r ungs­ punkte mit solchen Geräten. Gerade bei chronisch Kranken ist dies von erheblicher Bedeutung, da die Patienten die entsprechenden Geräte selbstständig, meist in häuslicher Umgebung nutzen müssen. Vor allem ältere Menschen haben häufig Schwie­rigkeiten beim Sehen, Hören oder bei der Fingerfertigkeit. Dies muss bei der Gestaltung der Anzeigen und Bedienungselemente berücksichtigt werden.8 Zudem sind zusätzliche Kontrollen wichtig, um fehlerhafte Anwendungen zu vermeiden. Akzeptanz der Ärzte maßgeblich Ohne Überwinden der Akzeptanzprobleme seitens der Ärzte ist jedoch der Erfolg jedes telemedizinischen Projekts gefährdet. So raten z. B. noch immer viele Hausärzte von der Nutzung von telemedizinischen Anwendungen ab, da diese als Konkurrenz oder zumindest als Kontrollmöglichkeit der eigenen Tätigkeit wahrgenommen und daher möglicherweise nicht akzeptiert werden. Für den Arzt ist die telemedizinische Betreuung der Patienten mit In­ vestitionen in die Infrastruktur und einem administrativen Mehr­ aufwand verbunden. Zudem erfordert die permanente Ein­sicht der übertragenen Daten – ohne zwischengeschaltetes Call­center – für ihn eine große Sorgfaltspflicht gegenüber den Pa­t ien­ten. Denn bei Nichteinhaltung drohen Regressansprüche der Pa­t ienten.

8 Siehe Heng, Stefan (2009). Altersgerechte Informations­technik auf dem Vormarsch: Nur wenig bleibt beim Alten. Deutsche Bank Research. Economics 74. Frank­furt am Main.

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Zahlreiche juristische Grenzen Zu den ökonomischen Hürden kommen zahlreiche juristische Grenzen. Dazu zählt v.a. der Datenschutz. Die sensiblen Pa­t ien­ tendaten haben mitunter einen erheblichen Wert. Daher sind sie einem hohen Missbrauchsrisiko ausgesetzt. Außerdem lassen sich


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Daten einfach kombinieren und leicht vervielfältigen. Irgendwo müssen sie aber zusammenlaufen, sonst kann der Arzt kaum beraten. Nach einer Untersuchung der Fachhochschule Flensburg von 2008 halten rd. 62% der Leistungsanbieter und 86% der Ärzte die Gefährdung des Bürgers hinsichtlich der Verletzung des Datenschutzes für erheblich bis sehr erheblich. Allerdings lässt sich bei den Patienten nach dieser Studie diese Skepsis nicht erkennen.9 Offensichtlich sind sich viele der Missbrauchs­mög­lich­ keiten nicht bewusst. Wichtig ist vor allem die Trennung von krankheitsrelevanten und persönlichen Daten. Beispiele hierfür sind Datenerhebungen für Krankheitsstatistiken oder Unter­ suchungen von typischen Krankheitsverläufen. In diesen Fällen sind die Personen, die hinter der Krankheit stehen, nicht von Bedeutung und müssen stets ausgeblendet sein. 5. Der Markt für Telemedizin in Europa Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte sind die skandinavischen Länder gut geeignet für die Anwendung der Telemedizin: Auf einen Quadratkilometer kommen dort nur 10 bis 20 Einwohner, gegenüber 113 in der EU-27 und sogar 230 in Deutschland. Zudem ist die Arztdichte sehr gering. Entfallen z. B. in Italien auf einen Arzt nur etwa 170 Einwohner, in Belgien 240 und in Deutschland 270, sind es in Finnland, Norwegen und Schweden je etwa 350. In Deutschland bietet sich die Telemedizin vor allem in den neuen Bundesländern an, wo die Arztdichte gegenüber den alten Bun­ des­ländern merklich niedriger ist. Auf einen Arzt kommen im Osten rd. 300 Einwohner, gegenüber 250 in Westdeutschland (in Hamburg und Bremen lediglich 200).10 Neben der demografischen Situation ist aber auch ein staatlich finanziertes Gesund­ p

9 Siehe Trill, Roland und Fritz Grupe (2008). eHealth in Deutsch­ land, Bestandsauf-nahme, Perspektiven und Chancen eines Wachstumsmarktes. Fachhochschule Flensburg. Flensburg u. Hamburg. 10 Siehe Perlitz, Uwe (2008). Mediziner: Chancen durch neue Einnahmefelder. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 408. Frankfurt am Main.

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11 Häcker, Joachim, Barbara Reichwein und Nicole Turad (2008). Telemedizin. Markt, Stra­te­ gien, Unternehmens­bewer­tung. München. Um Gesundheitsmärkte miteinander vergleichen zu können, wurden sie auf die nationale Aus­ prägung telemedizinischer Entwick­ lungen hin analysiert. Die gewichte­ ten Resultate stellten die Autoren in einem Punktesystem dar.

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heitssystem für telemedizinische Anwendungen förderlich, wie es z. B. in Schwe­den anzutreffen ist. Dort finanzieren und planen die einzelnen Provinzen die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung und sind für die Mittelver-teilung zuständig; in ihrem Besitz sind Kran­ken­kenhäuser und Gesundheitszentren. Zudem ist die Bereitstellung der technischen Infrastruktur maßgeblich für die Verbreitung der Telemedizin. So gibt es in Nor­ wegen und Schweden bereits geschlossene Netze für eine flächendeckende Telemedizinanwendung, die elektronische Kommuni­ ka­t ion und Interaktion im Gesundheitssektor ermöglichen. Dort ist auch die elektronische Datenerfassung längst zum Standard geworden, was sich vorteilhaft für die Telemedizin auswirkt. Im Kern beinhaltet dies vor allem die Patientenakte, eine Sammlung von Befunddaten, Diagnosen und Behandlungsverläufen auf die die Ärzte zurückgreifen können. In der Schweiz hat sich sogar die Telekonsultation bereits als Instrument etabliert. Wer sich hier zuerst telemedizinisch betreuen lässt, bevor er zum Arzt geht, erhält bei vielen Krankenkassen Rabatt. Schon heute gehen beim führenden Zentrum Medgate täglich etwa 2.000 Anrufe von Patienten ein, die dort von Ärzten entgegen-genommen werden. Breites Angebot verfügbar Auf dem europäischen Markt sind inzwischen zahlreiche Unter­ nehmen tätig. Der europäische Markt für Medizintechnik insgesamt kommt auf ein Umsatzvolumen von etwa EUR 60 Mrd. und repräsentiert etwa ein Drittel des Weltmarktes. Die Tele­medizin­ technik hat daran einen Anteil von etwa 8%, also rd. EUR 5 Mrd. Die Wachstumsrate der vergangenen fünf Jahre war mit ca. 5% p.a. etwa so hoch wie die für die Industrie insgesamt. Allerdings war das Umsatzwachstum in den einzelnen Be­rei­ chen sehr unterschiedlich. Im D2D-Segment nahmen in den vergangenen fünf Jahren die Umsätze bei Ultraschallgeräten um jährlich ca. 8%, in der Sparte Computertomografie um 6% und bei Erzeugnissen für die Nuklearmedizin um ca. 5% zu. Demgegenüber fiel die Umsatzsteigerung im D2P-Bereich deutlich niedriger aus – so für Blutzuckermessgeräte, weil die Patienten und Ärzte noch traditionelle Methoden bevorzugten und die zur Verfügung stehenden Systeme bisher noch Modellcharakter haben. Ähnlich sieht es auch bei tele medizintauglichen Geräte für die Messung von anderen Vitalparametern aus; hier dürften die Zuwächse nur unterdurchschnittlich zugenommen haben. Die Märkte für eindeutig zurechenbare Dienstleistungen lassen sich nicht quantifizieren, weil es zurzeit noch keine hinreichenden Erhebungen gibt. Alles in allem findet der Einsatz von Telemedizin in Europa zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch überwiegend in Modell­pro­ jekten statt, und es fehlen große übergreifende gesundheitsökonomische Studien. In vielen Ländern fehlt derzeit oft noch eine klare Stra­tegie für einen breiten Einsatz der Telemedizin.


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IT-Ausgaben für Telemedizin in Skandinavien hoch Unter den acht weltweit wichtigsten Ländern mit Tele­medi­zin­an­ wendung belegen – nach der umfangreichen Analyse von Häcker et al.11 – die USA den ersten Platz, gefolgt von den nordeuropäischen Staaten Finnland und Schweden. Deutschland rangiert auf Platz sechs und die Schweiz ist das Schlusslicht. Das Abschneiden Deutschlands ist vor allem auf das nationale Gesundheitssystem zurückzuführen, das im internationalen Vergleich in vielen Be­ reichen wenig geeignet für Telemedizin ist. Zudem ist die Arzt­ dichte im internationalen Vergleich hoch. Daher verwundert es nicht, dass von den gesamten Ausgaben für IT nur etwa 2,5% auf das Gesundheitswesen entfallen, während es z. B. in Skan­dinavien schon 8,5% sind. Die Schweiz will bis 2015 mit verschiedenen Maßnahmen ihr Telemedizinsystem verbessern. Dazu gehören der Aufbau eines Geflechts von elektronischen Patien­ten­a kten sowie der Ausbau von Online-Diensten. Dies ist auch für Deutschland geplant. Alles in allem sind die Märkte in Europa noch sehr unterschiedlich entwickelt. Da es keine Daten über die Telemedizinnutzer für einzelne europäische Länder gibt, kann nur vermutet werden, dass aufgrund der unterschiedlich hohen Arztdichte der Anteil der Telemedizinnutzer – gemessen an der Patientenzahl – in den skan­­dinavischen Ländern und in den USA deutlich über 1% liegt. Das Ranking zeigt das große Potenzial der Telemedizin für europäische Länder. Aus diesem Grund will die EU mit verschiedenen Maßnahmen – wie mit dem für 2010 geplanten Pilotprojekt – den Einsatz von Telemedizin in den einzelnen Ländern forcieren und somit den Zielen der Gesundheitssysteme in Richtung Quali­täts­ steigerung und Kosteneffizienz besser gerecht werden. Ziel der EU-Kommission ist es, einen europäischen Raum für elektronische Gesundheitsdienste zu schaffen, was aber noch einige Zeit dauern dürfte. Denn der Einsatz der Telemedizin und der universelle Zugang zu den Gesundheitsdiensten der EU setzen für alle Länder die Anbindung an das Breitbandnetz voraus. Dies ist aber bei weitem nicht in jeder Region Europas gewährleistet.12 p

12 Siehe Heng, Stefan (2008). Telekom-Regulierung in der EU vor neuer Weichenstellung. Deutsche Bank Research. Eco­nomics 66. Frankfurt am Main.

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WW6. Wachstum der Telemedizin programmiert Rahmenbedingungen werden sich zugunsten der Anwendung ändern In den kommenden Jahren dürfte sich das Umfeld für Tele­me­ dizinanwendungen verbessern. So wird weltweit die Zahl der chronisch Kranken deutlich steigen. Allein in Europa nehmen die an Diabetes Erkrankten von derzeit etwa 53 auf 64 Mio. im Jahr 2025 zu. Das sind rd. 11 Mio. mehr. Der Anteil der Diabetiker an der Gesamtbevölkerung steigt von knapp 7 auf 8%. In Nordamerika könnte die Zahl der Dia­be­ ti­ker von 28 auf 41 Mio. wachsen, und die Diabetesquote von 8% auf knapp 10% zunehmen.

Zudem wird die Bevölkerung in den Industrieländern immer älter, und damit steigt auch die Verbreitung anderer altersbeding­ ter Krankheiten. Für Europa rechnet die UN für die Jahre von 2005 bis 2025 mit einer wachsenden Bevölkerungszahl der über 60-Jährigen von jährlich 1,5% auf 222 Mio. Die Zunahme von insgesamt 59 Mio. entspricht in etwa der Bevölkerungszahl Groß­ ­­britanniens. Der künftige Pflegebedarf im Alter ist hoch mit der Bevöl­ke­ rungs­entwicklung korreliert. Dementsprechend wird die Zahl der Pflegebedürftigen z. B. in Deutschland von derzeit gut 2 Mio. bis 2020 auf 2½ bis 3 Mio. steigen und 2050 zwischen 3¼ und 4 Mio. liegen.13 Von den Pflegebedürftigen wurden Ende 2007 rd. 70% zu Hause durch Angehörige und/oder ambulante Pflegedienste betreut und der Rest stationär versorgt. 13 Siehe Blinkert, Baldo und Bernhard Gräf (2009). Deutsche Pflegeversicherung vor massiven Herausforderungen. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 442. Frankfurt am Main.

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Anreize für niedergelassene Ärzte schaffen Für die niedergelassenen Ärzte fehlen in Deutschland bisher jedoch monetäre Anreize, sich in integrierte Versorgungsnetzwerke der Telemedizin einzubringen. Im Leistungskatalog der Gesetz­


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lichen Krankenversicherung ist die Erstattung telemedizinischer Leistungen nicht vorgesehen (stationärer Bereich) bzw. nicht erlaubt (ambulanter Sektor). Ein erster Schritt dürfte die Einbeziehung der Telemedizin in die Regelversorgung der Bevölkerung sein, die von den Gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird. Dazu müss­ ten aber die rechtlichen Voraussetzungen verändert werden. Zwar bietet der § 140 des Sozialgesetzbuches (Buch V) Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten für die integrierte Versorgung der Patienten. Diese reichen aber für einen stärkeren Einsatz der Telemedizin bei weitem nicht aus, da es sich immer um eine Einzelfallentscheidung handelt, die individuell zwischen dem Patienten in Verbindung mit dem Leistungserbringer und der Krankenkasse abgeschlossen werden muss. Zudem geht das Fernbehandlungsverbot oft an der medizinischen Realität vorbei, denn kein Laborarzt kennt z. B. seinen Patienten persönlich. Berufsrecht, Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht müssen deshalb rasch dem technischen Fortschritt und den realen Gege­ ben­heiten des medizinischen Alltags angepasst werden.14 Umsatzwachstum von jährlich einem Zehntel erwartet In den kommenden Jahren könnte dann die Bedeutung der Tele­ me­d izin in der EU zunehmen. Von 2006 bis 2020 dürfte der Markt für Telemedizin mit einem Plus von 10% p.a. auf knapp EUR 19 Mrd. deutlich schneller wachsen als der für eHealth (ohne Tele­me­d izin +5% p.a. auf EUR 34 Mrd.). Diese Zunahme ist aber nur dann zu erreichen, wenn sich die Rahmenbedingungen für die Telemedizin deutlich verbessern, d.h., dass die Telemedizin in den Erstattungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wird. Dieses Ergebnis ist im Einklang mit Um­ frageergebnissen der Fachhochschule Flensburg, die bereits oben genannt wurden. Danach rechnen etwa zwei Fünftel der von Trill et al. befragten Telemedizinunternehmen mit einer stark zunehmenden Bedeu­t ung von eHealth für das eigene Unternehmen und zwei Fünftel mit einem zunehmenden bzw. deutlich zunehmenden Einfluss. Demgegenüber erwarten nur 10% einen leicht bzw. sehr leicht zunehmenden Einfluss von eHealth für das eigene Unternehmen. Unternehmen sollten First Mover-Vorteile nutzen Der Trend zum verstärkten Einsatz der Telemedizin wird solchen Unternehmen zum Erfolg verhelfen, die mit innovativen Produkten auf den Markt drängen. Die Markterschließung wird mittelfristig weiterhin durch kleine, flexible Unternehmen vorangetrieben, die ihre Produkte und Dienstleistungen auf spezifische Kunden­w ün­ sche anpassen können. Parallel dazu werden sich, wo Standar­‑ di­sierungen möglich sind, auch die großen Marktteilnehmer stärker engagieren. Diese hatten in den letzten Jahren eine eher abwartende und beobachtende Rolle eingenommen. Mit fort­­­­­schrei­tender Marktdurchdringung wird es aber Konsoli­d ierungs­tendenzen zwischen großen und kleinen Unternehmen geben.

Artikel vom 27. Januar 2010 mit freundlicher Genehmigung der Deuschen Bank Research, Autor: Uwe Perlitz +49 69 910-31875 uwe.perlitz@db.com 14 Siehe Heng, Stefan und Elisabeth Wieland (2009). E-Health: Neue medizinische und pflegerische Optionen helfen Ärzten, Kassen und Patienten. Deutsche Bank Research. Aktu­ eller Kommentar, 01.04.2009. Frankfurt am Main.

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Der Weg von eHealth zu mHealth C. Peter Waegemann

1 Der Author wurde 30 Jahre lang international als einer der führen­ den EHR Experten angesehen und hat die EHR Entwicklungen in vielen Ländern analysiert. 2 Der Author war in den 80-er Jahren ein Befürworter des Patien­ ten­kartenprojekts, hat aber seit der Dominanz des Internets vor den Fehlern, des schwierigen Umgangs mit den Kartenlesegeräten und der Kosten des Patientenkartenprojekts gewarnt.

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Seit 30 Jahren versuchen Informatiker in Deutschland, wie in vielen Ländern, das Gesundheitswesen in das Internet- und Com­pu­ ter­zeitalter zu führen. Das Ziel war die Einführung von ICT Sys­ temen, die viele Prozesse des Gesundheitssystems digitalisieren und damit effektivere Arbeitsprozesse schaffen sollten. Die Vision des eHealth hatte fünf Bestandteile, nämlich die eAdministration, das eFinanzwesen, die eGesundheitsforschung, die eVolksgesund­ heitsmassnahmen (ePublic Health), und ecare, das Behandlungs­ methoden benutzt, die von Computer-und Kommu­nikationsmitteln unterstützt werden, und die ihrerseits wieder Ele­mente wie das elektronische Rezept und die elektronische Krankengeschichte beinhalten. eHealth ist die Einführung und Gestaltung der Com­ puter- und Kommunikationsmittel im Ge­sund­heitswesen, die sich mit dem Einsatz von Software und Hardware beschäftigt. Weltweit kann man grosse Unterschiede bei der Anwendung von eHealth Programmen feststellen. Wenn man davon absieht, dass in Skandinavien und in einigen anderen Ländern durchaus Teilerfolge erzielt wurden, muss man zugeben, dass in keinem Land eine vollständige elektronische Gesundheitsakte erfolgreich eingeführt werden konnte1. Ähnlich ist es mit den anderen Kom­ ponenten des eHealth. Ein typischer Bestandteil des eHealth Pro­ gramms war in Deutschland das Projekt der Patientenkarten. Ursprünglich eine gute Idee, wurde die Technologie bald vom Internet überholt und hat sich langsam in eine Sackgasse verwandelt, die es Verantwortlichen schwer gemacht hat zeitgemässe Wege zu suchen und einzuschlagen 2. Das Kartenprojekt ist ein Beispiel dafür, wie man unter dem Banner von eHealth versucht hat, Technologien in das Gesundheitswesen einzuführen ohne die Ärzteschaft zu befragen. Aber Deutschland ist nicht allein auf der Liste der fehlgeschlagenen Projekte. Denken Sie nur an England oder die Vernetzungsversuche in den USA (CHINs und RHIOs). Sie gehören alle in die Rubrik „Werft neue Technologien in das Gesundheitswesen und es wird schon werden.“ Es kostete viel Geld, klappte aber nicht. Während der Focus solcher Art auf eHealth gerichtet war, haben mehrere Entwicklungen unsere Gesellschaft grundlegend verändert. Das Internet hat die beutendste Rolle in unserer technologie-bedingten Gesellschaft eingenommen. Das Web verändert unsere Welt mehr als das Auto oder das Flugzeug es getan haben. Nun hat Web 2.0 hat eine neue Welle der “Demokratisierung und des Abbaus von Hierarchien“ in Amerika und in anderen Ländern gebracht, die sich langsam, aber unaufhaltbar ausbreitet


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und in einigen Jahren auch Deutschland erreichen wird. So beruht Wikipedia auf den Bei­ trägen von tausenden Leuten statt der üblichen wenigen Fachredigenten eines Lexikons. Das Inter­net ändert unsere Welt und unser Denken in vielerlei Hinsicht. Der Rahmen dieses Artikels erlaubt. nicht, die verschiedenen Blickwin­kel zu beleuchten. Jedoch sind vier Elemente wichtig, da sie auch das Gesundheitswesen beeinflussen. Erstens erlaubt das Internet völlig neue Kommunikationsstile (communication patterns), zweitens bringt es die Unterschiede zwi­­schen Informationen, Daten, und Wissen zur Vorfront, drittens ermöglicht es eine Demokratisierung der Gesellschaft (mit allen schlechten und guten Eigenschaften), und viertens schwingt es das Schwergewicht unserer Gesellschaft vom Auswendiglernen und „im Kopf Daten aufzubewahren“ zum Navigieren und Er­ken­nen der Zusammenhänge. In der Zukunft ist das Kind, welches das Internet gut zu navigieren versteht und die Zusammenhänge erkennt, dem voraus, das sich auf sein Datenlernvermögen stützt. Es ist das Verstehen der grossen Zusammenhänge, das Menschen in der Zukunft zu grösserem Wissen verhilft. Fügen Sie zu diesem Wandel die Entwicklung hinzu, dass mobile Telefone nur noch sekundär zum Telefonieren bestimmt, jedoch kleine und intuitive Computer- und Kommunkationsgeräte sind, die eine Unmenge von Informationen abrufen und verarbeiten können, dann haben Sie den Anfang einer neuen Informationsepoche. Diese wiederum ist durch neue Kommunikationsweisen geprägt. Es gab eine Zeit, in der es in Ordnung war, einen Brief nach Tagen oder auch Wo­ chen zu beantworten. Heute erwartet man schnelle Antworten, sei es per email oder Text. Was bedeutet dies für das Gesundheitswesen? Diese Internetentwicklungen müssen in die deutsche HIT einbezogen werden. Es geht nicht nur darum Computersysteme ins Ge­ sund­heitswesen zu bringen, sondern Strukturen so zu ändern, dass sie den neuen Gegebenheiten angepasst sind. Hierbei sind vier grundlegende Entwicklungen zu bemerken. 1. Neue Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten wird den Praxisbesuch teilweise verdrängen und durch einem 24x7 email-, Text-, Wort- und Photoaustausch ersetzen. Dies erfordert eine neue Datenschutzformulierung und ein neues Management p

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der Informationsflüsse, das verhindert, dass ein Arzt in der Flut der Kommunikation ertrinkt. 2. Mit mehreren tausend neuen medizinischen Applikationen sehen wir den Anfang der Umsetzung der medizinischen Wissen­ schaft von Büchern und vom Gedächtnis zu Software Appli­ka­ tionen, die in den Handys und im Internet zur Verfügung stehen und im auch im „Sprechzimmer“ zunehmend angewendet werden. 3. Gesunde und kranke Menschen werden zunehmend an ihrem Gesundheitsablauf teilnehmen. Wird dies jetzt oft noch durch Por­ tals getan, so wird dies in Zukunft mit mGeräten (mDevices, also smart phones und anderen Handy/mobilenGeräten) geschehen. 4. Globale Richtlinien für Disease Management und medizi­ nische Entscheidungen werden sich langsam durchsetzen und in automatischen Decisonsupport Applikationen eingebaut werden. Deshalb ist es Zeit, sich von der blossen Anwendung von Kom­ puter Programmen, wie sie im eHealth vorgesehen waren, abzu­ wenden und sich auf neue Systeme einzustellen, die erhebliche Änderungen erfordern. Neue Kommunikationsmethoden, inter­ aktive Anwendung von medizinischen Richtlinien, die sich auf das Internet beziehen sowie die Umstrukturierung des Versorgungs­ netzes sind hierbei wichtige Voraussetzungen. Was ist mHealth?

3 Patti Brennan, Project Health Design, http://www.projecthealth­ design.org/

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Während eHealth sich auf die Anwendung von Computer­pro­ grammen bezog, geht es bei mHealth darum das System zu verän­ dern. Software und mobile Kommunikation ermöglichen diese Um­ ­stel­lungen. Smartphones und mobile Computer- und Kommunika­ tionsgeräte unterstützen mHealth, sind aber nicht der wichtigste Teil von mHealth. Der wichtigste Faktor von mHealth ist eine Reihe von neuen Kommunikationsmethoden für das moderne Gesundheitswesen. Grundsätzlich wird sich die Kommunikation zwischen einem Arzt und einem Patienten weg bewegen vom Ge­ spräch in der Praxis zur fliessenden Kommunikation gemäss den patientenbedingten und medizinischen Erfordernissen, wie z. B. plötzlich auftretende Schmerzen. Studien an der University of Wisconsin3 haben gezeigt, dass in manchen Fällen am besten ge­ holfen werden kann, wenn die Kommunikation es erlaubt Sym­ ptome besser zu verstehen und rechtzeitig Massnahmen zu tref­ fen. So wird immer wieder festgestellt, dass ein Patient bei einem Praxisbesuch Schmerzstärke und genaue Zeit nicht genau vermit­ teln kann, da oft mehrere Tage oder Wochen zwischen einem Vorfall und dem Besuch in der Praxis verstreichen. Das Konzept der neuen Kommunikation, die tagein, tagaus stattfinden kann, wird in Amerika „Oberservations of Daily Living (ODL) genannt. Diese Beobachtungen des täglichen Lebens können per Telefon (durch Sprache), per Text oder Bild vermittelt werden. Neue Kom­ munikation macht es auch möglich, dass ein Patient seinem Hausarzt die Symptome durch „sicheres email“ mitteilt, worauf dieser für den Patienten z. B. Labortests oder Rönt­gen­aufnahmen


mHEALTH INITIATIVE

vor dem Besuch anordnet , was sowohl dem Versorger als dem Patienten einen Besuch erspart. Zudem wird in einer Reihe von Kliniken probiert, wie das Verhältnis zum Patienten verbessert werden kann, zum Beispiel mit einer Textmessage an einen Ju­gend­ lichen „How r u today?“ (Wie geht es Dir heute?). Dies ist nur der Anfang der Kommunikationsrevolution. Im Bereich Disease Management (DM) werden bereits gute Erfolge verbucht, wenn Patienten mit Diabetes, Asthma, Hypertension, oder Depression mit DM4 behandelt werden, das sich auf neue Kommunikationsmethoden stützt. Eine offene und zu lösende Frage befasst sich mit dem Problem, wie der Arzt mit den vielen emails oder Textmessages zurecht kommt. Neue Management­ methoden werden hierzu gerade entwickelt. Für viele Ärzte ist die email-Kommunikation einfacher und schneller und vermeidet zeit­ intensive Telefongespräche. Ist die neue Kommunikation ein Pfeiler von mHealth, so ist das Phänomen der Applikationen der zweite. Allein für das iPhone wurden ca. 4.000 Apps entwickelt, 1.000 im Dezember/Januar. Und noch viel mehr werden für das iPad erwartet. Ärzte und Pflegepersonal beschreiben, dass sie sich nicht vorstellen können, wie sie in der Vergangenheit ohne diese apps Patienten gut betreuen konnten (oder, wie Kollegen Patienten gut betreuen können, wenn sie diese Apps nicht kennen oder anwenden wollen). Die tausende von Apps (zugegeben, die meisten sind noch in englischer Sprache) sind ein Teil eines historischen Umschwungs in der Medizin. Historisch deshalb, weil die wissenschaftliche Me­ dizin an der Hochschule gelehrt und nicht mehr nur von Studenten gelernt wird (lernen= im Gedächtnis aufbewahren), sondern in kleine Gedächtnis- und Entscheidungshilfen verlagert wird, die am point-of-care auf einem entsprechenden mobilen Gerät wie Smartphone, MCA oder iPAD dem Arzt oder dem Pfleger zur Ver­ fügung stehen. Selbst wenn tausende von solchen Apps jeden Monat entwickelt würden, würde es Jahrzehnte dauern bis der Transfer einen grösseren Impakt haben wird. Die erste Welle der neuen „Communication Managers“ Neue Kommunikation und computer-basierende „mobile“ Soft­ ware angewendet in einem auf participatory health basierenden Gesundheitssystem machen einen Grossteil der mHealth Be­we­ gung aus. Zwei Dinge kommen hier zusammen. Internet 2.0, wie oben beschrieben, öffnet den Weg zu participatory health. Der Arzt ist weiterhin im Zentrum der Behandlung, nur ist er nicht isoliert von anderen Teilnehmern, die sich mit der Gesundheit des Patienten beschäftigen. Patienten, Chiropraktiker, Heilpraktiker, selbst Zahnärzte oder Therapeuten werden, wenn der Patient dies wünscht, eingebunden und nehmen an dem Gesundheitsverlauf teil. In anderen Ländern bilden sie ein „participatory“ Team. Ob und wann der Datenschutz dies in Deutschland zulässt, wagt man nicht zu erfragen. Ähnlich wie der Dirigent eines Orchesters p

4 DM = Disease Management, das auf kontinuierlicher Kommunikation zwiischen Patienten und Versorger basiert ist.

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wird der Arzt der Zukunft ein medizinisches Team leiten, das von der Krankenschwester bis zum Chiropraktiker alle die Spezialisten und Experten einschliesst, die sich für die Gesundheit des Pa­t ien­ ten verantwortlich zeichnen und daran beteiligt sind. Hierzu werden in Amerika medizinische Netzwerke geplant, die alle Krankheits- und Gesundheitsversorger, einschliesslich Sport- und Fitnessclubs, einbeziehen. Mayo Clinic hat vor über 150 Jahren mit dem Prinzip begonnen, dass jeder Patient von mehreren Spe­zia­lis­ ten behandelt werden sollte. Wird dies eines Tages in Deutschland möglich sein? Ein Gesundheitssystem, das sich auf die aktive Teilnahme von all denen stützt, die bisher im stillen Kämmerlein das gehütet haben, was sie über den Patienten wussten, und sich nicht geschert haben, ob in ein anderer Therapeut oder Arzt dem Patienten mehr helfen könnte, wenn man über die Erkenntnisse des Kollegen Be­ scheid wüsste kommt erst langsam zur Realität. Vergleichen Sie das Gesund­heitssystem mit Piloten in Fugzeugen, die nicht mit einander sprechen dürfen: weder warnt man einen Kollegen über Un­ wet­ter noch tauscht man wertvolle Erfahrungen aus. Wäre das heut­­zutage denkbar? Im Gesundheitswesen ist es gang und gäbe. Das zweite Element ist die neue Kommunikation, die das Arzt­ gespräch durch Text, email, Bilderaustausch und andere Mittel erweitert. Neue Systeme müssen geschaffen werden, die den Infor­ mationsfluss managen, damit der Arzt nicht in der Flut der emails und Textinformationen ertrinkt. Natürlich kommt ein solcher Um­ schwung nicht über Nacht. Der erste Schritt ist ähnlich wie bei der Mayo Klinik, der zweite ist komplizierter. Einige Dutzend Kran­ken­ häuser experimentieren mit ODLs (wie oben beschrieben). Orga­ ni­sationen wir Kaiser Permanente in den Staaten machen den An­ fang, aber auch sie haben noch einen langen Weg zu gehen. Was bedeuten diese internationalen Entwicklungen für Deutschland? Für die deutschen Gesundheitsinformatiker und die deutsche Informatikindustrie ist ein komplettes Umdenken notwendig. Das eingefahrene telemedizinische System mit derzeitigen Karten­lö­ sun­gen ist weder patientenkonform noch zeitgemäss. Die Frage, wie man ein Gesundheitssystem des 21. Jahrhunderts mit den bestehenden Daten- und Patientenschutzregeln des (mittleren) 20. Jahrhunderts in Einklang bringen kann, muss Priorität haben. Aber es gibt in Deutschland eine Reihe von positiven Ent­w ick­ lungen. So ist zum Beispiel die Reform der deutschen Hausärzte international wegweisend. In den vergangenen fünf Jahren hat der Deutsche Hausärzteverband eine immer größere Rolle in der medizinischen Versorgung erlangt. Ein transparentes System ist für Hausärzte geschaffen worden, das für Patienten, Versicherungen und Ärzte Vorteile bringt. Der Verband und seine Schwester­gesell­ schaft sind dabei, ein modernes Netzwerk für klinische und medizinische Daten zu schaffen. Dies wird international anerkannt und

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stellt selbst für amerikanische Verhältnisse ein Beispiel dar. Der nächste Schritt muss sein, der Welt zu zeigen, wie man in Deutsch­ land mit neuen Kommunikationstechniken nicht zwin­gend notwendige Arztbesuche, wie zum Beispiel bei Nach­be­sprechungen etc., verringern und dabei gleichzeitig die Versor­g ungsqualität verbessern kann. Die Grundlagen hierfür wurden schon geschaffen. Nun geht es darum, dieses System weiter auszubauen und mit anderen Versorgern (Spezialisten und Kran­ken­häusern) zu vernetzen. Wie anfangs gesagt, es geht nicht nur um die Einführung von Technologien, sondern um ein neues Verhalten von Patienten und Versorgern. Wer wird diese Ideen aufgreifen? Sollte es möglich sein, dass sich Deutschland für die mHealth Be­we­g ung erwärmen kann, dann kann es die Versprechen von neuen Arbeitsplätzen für die Industrie sowie bessere Versorgung für die Bevölkerung wahrnehmen. Neue Kommunikations­metho­den könnten auch in Deutschland dem Gesundheitswesen helfen.

C. Peter Waegemann, in Deutschland geboren, lebt seit über 30 Jahren in den USA. Vor 25 Jahren war Waegemann einer der Iniatiatoren der Patienten­karte in Deutschland. Seit den 80er Jahren hat er welt­weit als Vordenker der ePA ein gutes Dutzend amerikanischer und internationaler Normenaus­schüsse geleitet. Heute ist er Vice President der mHealth Initiative, die in Boston, USA, ihren Sitz hat und Gesundheitsreformen durch neue Kommuni­kationsmethoden befürwortet. Waegemann arbeitet an Participatory Health, d. h. an einer Neuordnung des Gesundheitssystems durch weniger Arztbesuche, mehr digitale Kommunikation und eine Rollenver­­schiebung aller Teilnehmer im Kranken-und Gesund­­heitswesen. Als Author von drei Büchern sowie über 300 Artikeln in der internationalen Fachpresse ist Waegemann ein gesuchter Referent auf dem eGA und mHealth Gebiet . Weltweit gilt er als kritischer Vordenker und unabhängiger Informationsstratege für HIT. Er wurde vom HealthLeader Magazin als einer der 20 einflussreichsten Persönlichkeiten im amerikanischen Gesundheitswesen gewählt. Waegemann fungiert auch als strategischer Berater zu Firmen, Verbänden, und Regierungen auf internationaler Basis. C. Peter Waegemann, mHealth Initiative, 398 Columbus Avenue, Suite 295, Boston, MA 02116, USA. P.Waegemann@mhealthinitiative.org

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Mobile Health Technology– Connecting the Dots to Make Healthcare Easier and More Cost Effective Better communication, more transparency, and greater access in today’s mobile environment Peter Hudson

Smart phones are transforming the way in which consumers are accessing medical information and finding healthcare providers. Gone are the days when patients only sought answers to their med­ical problems from their primary care doctor. At the same time, consumers have shunned the idea of flipping through traditional media like a Yellow Page directory to locate new healthcare providers. Instead, they now increasingly turn to web and smart phone technology to find healthcare information and providers, on the go. Nearly one in every three U.S. adult mobile phone subscribers now has either a smart phone or another Internet-enabled device, up from one in five less than a year earlier. Worldwide, those num­ bers are even more staggering. In Q4 2009, mobile phone distributors sold 53 million smart phones globally; that’s up 30% from 41 million sold in the same quarter of 2008. Because of improved connection speeds, better browsers, and native applications to connect to web-based data sources, smart phones are now driving huge in-

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creases in Web traffic. According to a new study by Quantcast, a company that tracks more than 200 billion requests for Internet content, the share of Web traffic from mobile devices increased 110% in North America over the past year, but globally, that in­ crease rose much higher to 148% over the previous year. Medical Applications Global Outlook Analysts at Gartner, the world’s leading information technology research and advisory company, say that mobile phone users will spend $6.2 billion downloading apps this year, up from $4.2 bil­lion last year. The recent Gartner report also forecasts sales in mobile application stores of about $29.5 billion by the end of 2013. This is especially interesting, because statistically, 82% of those apps are still free to consumers. As more consumers use their smart phones for communication and mobile Internet searches, it’s inevitable that their desire for quick access to medical information and transparency around that information will increase. As the first technology, company to build a geo-coded, mobile network of every hospital, urgent care, retail clinic, pharmacy, and physician for consumers to access, Healthagen and its iTriage product has garnered tremendous interest from consumers, healthcare providers, and even the current U.S. Administration. Each of these entities recognized Healthagen as the first company to leverage this healthcare network and integrate it with live hospital data feeds like emergency department wait times on a mobile healthcare application. Given that over 50% of hospital admissions come through the emergency department, intakes from the emergency department are generally a higher margin for hospitals. Patients on the fly, who are seeking immediate care over 120 million times each year in the US alone, are making these decisions about hospital choice. This market is large, critical to the healthcare delivery system, and is dependent on real time data. The smart phone is a natural platform to address these needs. p

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In addition, thinking through symptoms and getting educated about conditions, finding the right specialist for any medical condition, and knowing when an urgent care or a retail clinic is appropriate for an immediate need, all represent struggles that patient’s face on a daily basis. Networks need to provide content on the front end for assistance with these kinds of decisions that ulti­ mately, patients will either make with or without the use of technol­ogy and medical information. With more information available, in a real time mobile environment, patients will make better decisions on how and when to access the healthcare system on their own. Assorted Uses of Mobile Health Applications With the introduction of the iPhone® in 2007, Dr. Wayne Guerra and I realized that a tool had finally been built that could bring our vision of putting healthcare into the hands of patients around the world with iTriage—a healthcare decision application. Other med­ ical application development companies must be seeing the same possibilities, because a recent report by MobiHealthNews showed that healthcare related smart phone use is comprised of 70% consumers and 30% healthcare professionals. In a recent survey of iTriage users, Healthagen found some surpris­ing results in the way its application was being used. While the company knew that end users would be the primary patrons of its healthcare application, what it didn’t expect were all the ways in which consumers chose to use it. Some of those included: • Acute injury patients using the application to direct EMTs to a hospital with the shortest ER wait time. • Consumers using iTriage to educate themselves about symp­ toms that ultimately led to ER visits that saved their life. • Patients using the app to obtain quality reports on specialists to replace doctors who were not a good match for their care.

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• • • • •

Nurses located remotely, using the extensive database information as a back-up for their recommendations to patients about treatment. Distant caregivers using the application to help elderly parents locate healthcare, select doctors and assess possible causes to symp­toms. Mental Health Professionals accessing the application for a better understanding of their patients’ medical problems. Athletic trainers on the road, using iTriage to help make final decisions on the most appropriate point of care for injured athletes. Paramedics using the medical application when presented with an unfamiliar symptom.

These are just a few of the many ways that consumers told Healthagen why they access iTriage, but the most unexpected use, came from a veterinarian who says he uses iTriage in his animal ER clinic. While recognizing that the developers indeed designed iTriage for human medicine, he noted that the application, also has overlap for veterinarian medicine. Why Consumers Like What Mobile Provides The language of medicine is not well understood by consumers. However, when healthcare information about a symp­tom, disease or procedure is aggregated into structured fields, and then combined with multiple source information on a portable platform, healthcare consumers have ready access for their own healthcare problems, an often overlooked component of the U.S. healthcare debate—how to empower consumers to become more instrumental in their own healthcare. The opportunity the iTriage application and other mobile en­ ter­prise solutions have is to help restructure the consumer p

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healthcare experience from the puzzle they experience today, to one that makes more sense for the consumer and empowers them to take the most appropriate action. Mobile applications answer a number of consumer desires that involve healthcare, some of those offered include: • A convenient way to search and find healthcare at the exact time its needed. • On-the-go access to healthcare provider information that can lessen the level of anxiety in acute care situations. • Offers more consumer control about healthcare decisions involving providers, and delivers answers about when and where to seek help. • When patients access quality reports, they are assured that their healthcare provider selection is the best one for a given med­ical problem. Where Mobile is Headed Apple Chief Executive Officer, Steve Jobs, revealed at the start of 2010, that consumers had downloaded three billion applications in less than 18 months—a phenomenon like nothing ever seen before. With the iPhone and iPod touch now available in 77 countries and Android smart phones playing catch up, this surge is not likely to taper off any time soon. As smart phone use increases, consumers will make their mobile devices the nerve center and beacon for their lives, which will open up huge opportunities in the healthcare sector. Those opportunities include connecting patients in a unique and intimate way to measure their conditions, interact with their providers, relate to others with similar conditions, keep­ ing up with their medication regimen, and accessing their per­sonal health record. All of which makes it possible to pinpoint health­­care needs and intervention at the exact time they are most needed. Future mobile healthcare trends in the next decade will likely

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HEALTHHAGEN

emerge from the need to provide more remote physician monitor­ ing of patients, additional patient communication to create innovative and sustained engagement with healthcare providers, and a strong possibility that augmented reality capabilities can enhance mobile healthcare by providing real-time information about a facility through our smart phones. Mobile, with its unlimited possibili­ ties, is a total paradigm shift; early indicators from healthcare consumers and medical providers show that mobile healthcare is here to stay. About iTriage: iTriage helps connect individuals with medical information and healthcare providers, so that they can make the most appropriate decisions about their own healthcare. Similarly, the application also helps healthcare providers connect with patients who need healthcare services in an innovative and person way. The free mobile application allows users to check symptoms, learn about causes and then find healthcare providers to address their medical concerns; iTriage offers the only symptom-to-provider mobile pathway on today’s market. Created by emergency room physicians who saw a need to put more actionable health­care information into their own patient’s hands; the proprietary software now has information on thousands of symptoms, diseases and medical procedures contained within its database—all of which is available 24/7. iTriage also provides valuable physician and facility quality reports through HealthGrades, the leading independent healthcare ratings organization.

Dr. Hudson is a physician and entrepreneur with over 15 years of experience in healthcare-related businesses. Prior to co-founding Healthagen, Dr. Hudson has served as managing business partner and CFO of his multi-facility medical group, CEO of several healthcare-related startups, investment banking partner with EMA partners, a boutique mergers and acquisitions advisory firm, and independent consultant for healthcare-related private equity investments. Both with EMA and in his own business activities, Dr. Hudson has been involved in a variety of transactions, including restructurings, sell- and buy-side transactions, and founding and selling one of his startups to a public company in 2005.

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Piloting Mobile Health in Cities­–putting the user at the centre Sascha Haselmayer und Dr Jakob H. Rasmussen

The Economics of Mobile Health

1 http://www.livinglabs-global. com/showcase/Showcases. aspx?cat=2 2 http://www.livinglabs-global. com/showcase/showcase/206/ doctor-in-the-mobile-phone.aspx

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Health care systems in OECD countries are under pressure to re­ d­uce costs. In Europe, with publicly-funded health care, taxes are required to increase by up to 15 percentage point just to maintain current quality of services. Mobile services present an opportunity to reduce cost of service and introduce the same magnitude of effi­ ciencies in the 2010s that the Internet did to global industries in the 1990s. Globally, 21% of citizens have access to internet, whilst 61% have mobile phones. In most European countries, the number of mobile phone subscriptions exceeds the number of citizens, mean­ ing that mobile technologies promise to be the most accessible platform to provide services to citizens worldwide. Yet, these high penetration rates have not had a major impact on our economies and health services. In fact, most citizens today could wonder why mobile services have not changed their day-to-day lives. Mobile technologies, due to their high degree of penetration and familiarity with devices represent a formidable opportunity to deliver a response to the above challenges but require new ap­­­­ proaches to organising not only a value-network of public and private health care actors, but a broader transformation in our service environment. There is no shortage of mobile health applications. Blogs and newspapers almost daily report on new breakthrough services and devices that will empower new forms of diagnostics, epidemic man­agement, social and health care service delivery, and preventive medicine. Our Living Labs Global Showcase alone presents more than 40 such services1.


INTERLACE INVENT

Most value is created by applications that radically shake up service structures, yet herein lies the challenge not only for the health care industry, but a range of other actors. The example of iDoc242, a tele-dermatology service originating from Sweden, can illustrate this point. iDoc24 uses MMS (Multimedia Messaging Service), a standard function of any mobile phone with a camera, to allow users to send images of a skin irritations or other visual indicators for diagnosis within 24 hours. The service treats this first diagnosis anonymously and has, according to pilots, proven effective in about 80% of the cases. In Sweden, around 15% of all visits to the GP are related to skin indications that could be captured and handled by iDoc24 as a first point of diagnosis. With an average cost of EUR 170 per consultation in Sweden, the cost saving through iDoc24 could reach EUR 170M per year in Sweden, or EUR 94BN in OECD countries. Time saved by patients adds to productivity, which in Sweden would amount to an annual EUR 75M or EUR 27.5BN in OECD countries. These significant efficiency gains and cost savings can be complemented by additional impact measures such as the high number of indications of sexually transmitted diseases (STD) that were submitted in iDoc24 pilots that may otherwise have gone un-diag足 nosed, or the early identification of malign melanoma resulting in higher percentages of successful treatments. Countries with low doctor-per-citizen ratios and dispersed geographies are likely to benefit most, by bringing dermatology into reach of populations often not covered by specialists. iDoc24 is technologically simple, yet a systemic shake-up reorganising the first step of skin disease diagnosis and bringing p

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processes closer to patients and lowering barriers to get a medical review. A broad range of other mobile health care solutions have emerged that promise similar efficiency and quality gains. Ap­­­pli­cation areas include remote diagnostics, mitigating effects of disease or disability, monitoring environmental conditions, man­ ag­i ng clinical trials, preventive medicine supporting lifestyle changes and creation of peer-to-peer support networks. Shifting our focus from innovation to systemic adoption With all these innovations in the pipeline, our concern should move to our ability to adopt these into a broader systemic change. Today, the fundamental structure of health-care systems remains unchanged, a system of individual solutions without a global vision of what the service environment in an era of mobility will mean. The unfolding trajectory of change will be exceeding health care, probably restructuring our entire service environment result­ ing in mass-customisation of all services. For example, RATP, the regional transport company of Paris and other global cities includ­ ing Taipei, Caracas and Bogota, is working on implementing socalled “meaningful mobility” scenarios, in which passengers will not just use transport to get from ApB, but use the journey as meaningful time spent to work, learn, build relations or deal with health care. This is complementary to other innovations in the pipeline, integrating cardiovascular and other sensors into dayto-day objects such as bicycles and furniture. Behind the lagging impact of mobile services as compared to the impact of the internet on global GDP is that mobility represents a paradigm shift in terms of business and service models. On the one hand, we are seeing a major structural change about to take place in the telecommunications industry, which carries the infrastructure and much of the business models behind mobile services today. Unlike past utilities, mobility demands mass-cus-

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Mobile health can today be understood as being in beta testing, to identify and tailor the viability of a large number of service components such as iDoc24 that will shape our future health service environment.

t­ o­m­­­isation of services, value-networks of different companies to deliver solutions, and the shift of power from the operator to the end-user. For an industry that has been built on standard products and infrastructures, value-chains and very basic business models (e.g. pay by distance and time) this paradigm shift is proving more fundamental than expected during the massive deployment of 3G infrastructures. On the other hand, we are seeing the depth of change required among all the stakeholders in health care and other areas to deliver the mobility services that will release the full potential of the mobile paradigm. Users, it turns out, do not accept tedious services, demand context-specific solutions, and business models that represent the value-added by the service. In health care, this means that service and infrastructure operators need to group around the user and maintain the flexibility to tailor solutions around individual profiles. Mobile health can today be understood as being in beta testing, to identify and tailor the viability of a large number of service components such as iDoc24 that will shape our future health service environment. Each of these components will change the processes, structures and business models of health care in ways that we p

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Without transparency in the pipeline of new solutions entering the market we will be un­able to capture the full potential of mobile health.

are only just beginning to understand. Yet, without a strategy and abil­ity to adopt these changes we will not gain the full benefits. From a system-centric to a service-centric view on health care. Our personal health care system no longer consists of the past provider—consumer relationship which was well regulated around standard processes. From the user perspective, health care is an integral element of day-to-day life, only regulated in part by the health care and insurance system. The regulation and management of this personal health care system is in the patients’ hands, as are many of the decisions taken. Medical professionals will, after centuries of almost universal power, need to adapt to this chang­ing reality. If as the leading protagonist the user is em­ powered, the public health care system and its regulations will increasingly become one of the lobbying stakeholders, seeking influence in the patients’ choices. Convergence of solutions around data and technological standards, and user-preferences will place health care in different lifestyle contexts and may turn the other service structures, such as local transport systems, into points of delivery and business partners for the delivery of a truly personal health care system. Health care will most likely become embedded in a number of service environments, and may become a ubiquitous feature in our lives. Understanding the full socio-economic impact of this transition will require more than a laboratory, hospital or technology centre. Cities: Laboratories for piloting future health care environments? Cities offer the advantage of having a sufficient density of people and challenges in which a broad range of new services and technologies are deployed. Health services will be integral to the solution of many of these challenges, such as the Digital Excellence Action Agenda underway in Chicago, in which a range of investments are undertaken to integrate disadvantaged communities. Mobile and digital health services are complemented by education, job-market integration, environmental and security measures. In cities we can best understand the convergence of solutions around open standards and user-preferences that will place health care in different contexts and may turn the other service structures, such as local transport or education systems, into points of delivery and business partners for a truly personal health care sys­ tem.

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Through our Living Labs Global initiative we are developing an international piloting environment in cities around the world, plac­ing a broad variety of health care solutions in a user-context of day-to-day life and work. Our Showcase tracks these developments at international scale, presenting the many solutions that are deployed in the market across sectors like health, tourism, logistics, public services and transport. Without transparency in the pipeline of new solutions entering the market we will be un­ able to capture the full potential of mobile health. The user will eventually emerge fully at the centre of the health system and industry, possibly applying health care as a ubiquitous feature across many other activities.

Sascha Haselmayer General Director Living Labs Global, is an expert in the field of knowledge and innova­tion intensive urbanism in inter-national environments. Trained as an Architect at the Archi­tectural Asso­ciation in London, Haselmayer has worked on a wide range of design & strategy intensive urban and socioeconomic development projects across Europe, Asia, Latin America and Africa for non-governmental, public and private organisations. He co-founded Interlace-Invent, a research based consultancy behind many of the world’s leading innovation districts, and leads Living Labs Glo­bal, an initiative by cities, technology centres and more than 290 companies to promote in the way we organize healthcare and other urban services in more than 39 cities in Europe, Asia and the US.

Dr Jakob H. Rasmussen Chairman Living Labs Global, is a specialist in ICT, diffusion of technology, technical change, knowledge economy and regional innovation and development. Rasmussen is a successful entrepreneur, international consultant, technology specialist and academic, joining business insights and academic research with international consultancy, innovation and business creation. Rasmussen worked as a senior consultant for companies such as Telia, debitel, Sonofon, Astra Zeneca, Microsoft, Lego and Maersk developing ICT strategies, corporate strategy and advice relating to innovation and design of ICT. After

his initial years in Microsoft, he has started two successful ICT companies and has helped estab­­­lishing IBM’s Scan­di­navian CRM division. Rasmussen holds a PhD in regional de­velopment, institutional strategy and the diffusion of ICT from Copenhagen Business School, where he also serves as a visiting senior lecturer in innovation, ICT, and international strat­­egy. He is a partner of Interlace-Invent and Chairman of Living Labs Global, an initiative by cities, tech­nol­ogy centres and more than 290 companies to promote in the way we organize healthcare and other urban services in more than 39 cities in Europe, Asia and the US.

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Improving Health in Europe: Are Patients the Missing Link? Mark Johnston

In response to shifting trends and economic struggles, health systems look to technology to connect with patients where they live, work and travel While great interest has emerged in leveraging information technology to improve care in hospitals and physicians’ offices, discussions about patient-centric care in those settings miss the big picture: most care is managed by the patient in their home, workplace or on the road when they travel. As stakeholders in Europe struggle to improve care outcomes while controlling costs, there must be a refocusing of efforts away from acute and primary care settings to connecting with individuals and families at home. Improving Chronic Disease Management According to the World Health Organization (WHO), managing chronic conditions consumes up to 77 percent of the national health­care expenditure in the WHO European region and accounts for up to 86 percent of premature deaths. It is widely held opinion that encouraging patient engagement in managing their chronic condition can improve outcomes and reduce the burden on acute care providers. As the prevalence of chronic disease rises at an alarming rate throughout the world, the resulting economic and resource strain require the creation of innovative, cost-effective solutions that involve patients in proactively managing their health. Home is the place to start with chronic disease management. One of the most important developments in eHealth is giving individuals the information and tools they need to monitor their own health and to support disease prevention programmes. The emergence of consumer health devices allows the seamless capture and sharing of information in real-world setting­—whether at home, at the office, or traveling. Using home-based devices, patients have the flexibility to take measurements when it is convenient for them and their schedules. The power, however, comes from integrating the clinical data from these at-home devices with information available at the hospital or at the physician’s office. In December 2008, Cleveland Clinic in the United States and Microsoft launched a collaborative pilot to monitor diabetic, hypertensive and heart failure patients’ conditions in their homes. Par­ ti­cipants uploaded data from at-home heart rate monitors, gluco-

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meters, scales, pedometers or blood pressure monitors, depending on their disease to personal accounts with Microsoft HealthVault—a security-enhanced, Web-based data storage platform. This data was then connected to the patient’s personal health record and the electronic medical record system at Cleveland Clinic—bringing near real-time remote monitoring to patents and their providers. The project found a significant change in the average number of days between physician office visits for patients. Diabetic and hypertensive patients needed doctor’s office visits less often, increas­ ing the number of days between appointments by 71 percent and 26 percent respectively, indicating that patients had better control of their conditions. Heart failure patients, however, visited their physician more often, decreasing the number of days between visits by 27 percent, indicating that patients were advised to see their healthcare provider in a timelier manner to avoid more costly interventions such as surgery. Bridging Care Settings Another patient population that can greatly benefit from connected care are those recently discharged from hospitals, who may need help to avoid complications and readmissions. A New York Times article repor­ted that at NewYork-Presbyterian Hos­pital, a leading US hospital, approximately 20 percent of heart-surgery patients are re-admitted to the hospital within 30 days, often for preventable conditions like fluid accumulation in the lungs. Readmissions happen for many reasons, including lack of communication between surgeons who care for patients in the hospital and their physicians; missed referrals for home health care; and poor coordination and medication management during transitions from hospital to home or nursing home. Every time a patient is moved from one setting or facility to another, the potential for miscommunication increases. p

The emergence of consumer health devices allows the seamless capture and sharing of information in real-world setting­—whether at home, at the office, or traveling.

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With technology that shares data among the patient’s care providers after discharge, the conditions that lead to expensive readmissions to acute care can often be prevented. The integration of patient information from all primary and secondary care provider organisations is considered essential for early diagnosis and intervention. The free flow of data across healthcare constituents involved in a patient’s care is rarely achieved, however, due to the fragmentation of national and regional health systems, costly integration of legacy systems and data incompatibility. To address these types of challenges, NewYork-Presbyterian Hospital leverages Microsoft Amalga Unified Intelligence System (UIS) to aggregate institutional data such as EKG reports, Echo reports, surgery reports, discharge instructions and medications and to send it to the patient’s HealthVault account. Amalga UIS is Microsoft’s enterprise data aggregation platform for healthcare, enabling hospitals and health professionals to unlock the patient data stored in a wide range of existing systems and make it easily accessible to every authorised member of the team inside and beyond the hospital. Once the data is received into the patient’s HealthVault account, the patient can store, access, use and share this personal health information with other clinicians and special­ists anywhere, as determined by the patient. The online personal health record makes efficient communication and continuity of care far easier. Rise of Medical Mobility The need for technology to facilitate continuity of care is increas­ ingly critical when national borders are crossed. The growth of the international labour market in Europe is encouraging mobility within Europe and the rise of medical tourism is attracting patients to lower-cost but high-quality care in Asia.

The growth of the international labour market in Europe is encouraging mobility within Europe and the rise of medical tourism is attracting patients to lower-cost but high-quality care in Asia.

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A McKinsey Quarterly article, “Mapping the Market for Me­ dical Travel,” reported that 39 percent of medical tourism to Asian countries comes from European citizens. Medical tourism creates an unprecedented need for portable health data that can cross not only care settings, but international borders as well, so patients can maintain continuity with care providers at home and abroad. At Bumrungrad International Hospital in Thailand, a popular des-tination for medical tourists, patients can use HealthVault to gather, store and provide health information to doctors, family and others as they choose after receiving treatment. By connecting its hospital information system to HealthVault, Bumrungrad is allowing patients to receive a copy of their medical information generated at Bumrungrad—including test results, medications and dis­ charge summaries—into their individual HealthVault accounts. Once their personal health information is stored in HealthVault, the patient can provide it, as desired, to other clinicians and caregivers or use it with a wide range of personal health applications. Bumrungrad plans to also pull a patient’s medication lists, allergies and vital signs such as blood pressure and blood glucose from the patient’s HealthVault record into their hospital system, saving time for patients to provide their collected health information to Bum­ rungrad clinicians. Portability of patient data is a crucial tool required for patients to take an active role in their care. Washington State in the United States is showcasing an innovative model for national information exchange that has the potential to empower consumers, reduce healthcare risks and costs. The Community Choice Healthcare Net­ work, a healthcare consortium, is undertaking a pilot health record bank project as a feasibility study. A health record bank (HRB) is an emerging healthcare model which provides a secure and protected place to deposit consumer health information p

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As their own health man­agers, users decide the people who are permitted access and what information they allow to be released.

electron­ically from multiple sources and, with the patient’s permission, accessed by physicians in the course of providing care. This pilot is one of the first patient-controlled health record banks in the United States and is built on the HealthVault platform. With the patient’s permission, data from multiple physician practices and hospital medical record systems are “deposited” in the HRB and shared within this community for greater physician insight and oversight. Both patients and physicians have access to a holis­t ic view of their patient’s health information, enabling more in­formed delivery of healthcare services and improved management of the individual’s health and wellness. The Next Steps: Moving Forward Microsoft, in alliance with Siemens AG (through its Siemens IT Solutions and Services division) has recently announced their plans to introduce Microsoft HealthVault to Germany, the third country worldwide where the platform will be available. HealthVault provides citizens with a platform that allows them to better man­ age their health and the health of their families and facilitates their communication with providers. In the United States, over 150 com­ panies, ranging from health insurance companies and manufacturers of medical devices to pharmacies, are currently offering online applications for the HealthVault platform.

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The vision of the Microsoft-Siemens relationship is to enable German citizens to connect to various systems run by physicians, hospitals, pharmacies and even fitness facilities for a comprehensive view of their personal health information. Siemens will host all stored health data in security-enhanced data centers in Ger­ many. To help protect consumer privacy, user data is transmitted through an encrypted connection over the Internet. HealthVault provides citizens with a trusted place to store their personal health information because they alone control it. As their own health man­agers, users decide the people who are permitted access and what information they allow to be released. Moving Patient-Centric Care Forward At Microsoft, we believe that the European healthcare system will be characterized by two trends: the emergence of e-health and a shift from a provider-centric to a patient-centric approach. Looking toward the future, we foresee a dynamic technology research and development landscape in Europe that will create new knowledge, applications and jobs, as well as further investment, throughout the continent’s IT and healthcare sectors. By collaborating on efforts to drive patient-centric change throughout the healthcare sys­tem, Europe’s public- and private-sector healthcare planners, providers and innovators will, we are certain, develop a new generation of software and services that support and speed the move toward efficient, data-driven and connected care.

Mr. Johnston started his healthcare career in 1988 with Laboratory Corporation of America “LabCorp” and during his 12 year tenure with LabCorp, he served in a variety of field and corporate roles in-cluding his last position as Vice President of Natio­nal Managed Care and Hospital Alliances where he guided LabCorp’s connectivity strategy and sat on LabCorp’s strategic planning committee. In May 2000, Mr. Johnston started LabPortal.com and served as President and CEO until the company was acquired by Quest Diagnostics in April 2002. Mark then served as the Vice President of Sales and Marketing for MedPlus, the wholly owned technol-ogy subsidiary of Quest Diagnostics, where he managed the international sales efforts and helped to build and deploy the Care 360 product. After leav­ing MedPlus, Mr. Johnston served as Vice President of Sales for Practice Partner, a Seattle based EMR and Practice Management System software Develop­ment Company, until August of 2005 when he joined Pathology Associates Medical Laboratories “PAML”, a subsidiary of Providence Health and Services. At PAML, Mark was responsible for the Outreach Advantage LLC, which he successfully developed and sold to a global IT company, and also served as PAML’s CIO where he was responsible for IT operations, strategy and execution across PAML and all of her Joint Ventures. Mark joined Microsoft in August of 2008 and leads the team that is responsible for International Business Develop­ ment efforts for the HealthVault consumer health platform. Mark and his team develop and manage the relationships with the international customers and partners that operate the HealthVault based services within their countries. Mr. Johnston was a practicing CPA for Deloitte and Touche prior to entering the healthcare industry and graduated from Michigan State University with a degree in Accounting.

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The End of Paternalistic Medicine Kevin Kruse

The End of Paternalistic Medicine The trusted, compassionate doctor, who knew and treated the whole family, has been replaced with ten-minute primary care visits and quick referrals to specialists. The results are frightening. Estimates suggest that only half the patients take their medication as directed and doctors are discussing adverse events only 35% of the time1. Only a third of surgical patients can name even one risk factor of their surgery2. Patients are frustrated, and sometimes des­ perate. And don’t think for a minute that physicians are happy about any of this. They no longer completely control how they practice, what they prescribe, or how much to charge. In fact, half of primary care docs plan to reduce or end their clinical practice in the next three years3. This will obviously compound the problem of access to and quality of care. The Beginning of Participatory Medicine

1 Doctors baffled by patients not taking prescriptions, USA Today, March 29, 2007 2 Patients’ Assessment and Recall of Surgical Information after Laparoscopic Cholecystec­ wwtomy, Digestive Surgery, Vol 15, No 6, 1998 3 Survey research, Merritt Hawkins & AssociatesWhat’s an e-Patient?

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In response to the changes to the healthcare system we are all tak­ ing greater ownership and responsibility for our health, and beginning to act as leaders of our health teams. Patients are seeking information, sharing their data and opinions, and selecting their treatments more than ever before. Digital technology is not causing the shift from paternalistic to participatory medicine, but it is acting as an accelerator. The Inter­ net, broadband access, and now mobile technologies greatly reduce the friction associated with information gathering and commu­‑ ni­c­ating. Recommending a hospital or drug at your book club informs eight friend—making a recommendation on Twitter reaches 1,000 followers. Go Where Your Customers Are Thus far most health marketers and educators have been slow to respond to this new breed of health consumer. As physicians’ influence with patients is declining, resources need to shift more towards consumers. As TV watching and magazine reading declines, messages need to move to online destinations. The good news is that innovative marketers are showing the way. We can


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already see what’s working, and what’s not, with social media and other digital campaigns. The term “e-patient” is often loosely used to describe the 8 in 10 internet users who turn to the Internet for health information. The term was originally coined by the late Tom Ferguson, M.D. and its use today is driven by the e-Patient Scholars Working Group (http://e-patients.net). They consider an e-patient to be one that is equipped, enabled, empowered and engaged in their health care. That definition can be enhanced with a few more e’s added to the mix: educated, expressive, expert, and electronic. e-Patients are Online The Pew Internet/California HealthCare Foundation report, The Social Life of Health Information, finds that 83% of internet users search online for health information. Of these e-patients: • 59% have consulted blog comments, hospital reviews, doctor reviews, and podcasts • 20% have posted comments, reviews, photos, audio, video or tags related to health care • 60% say they or someone they know has been helped by following medical advice or health information found on the internet • 33% of adults have looked online for information about pre scription or OTC drugs p

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• •

35% of adults have looked online for information about doctors or other health professionals 28% of adults go online in search of information about hospitals or medical facilities

Healthcare Is Now a Consumer Market The 2009 Deloitte Survey of Health Consumers found definitively that, “[Health] consumerism is not a fad; it is a trend of enormous signif icance…[and]a growing numbers of consumers want to be actively engaged.” The notion of health consumerism means simply that patients aren’t just going online, they are seeking health information online and then making health choices. Notable findings from the De­ loitte survey include: • 30% of consumers report comparing doctors before choosing one in the last 12 months • 6 in 10 consumers say they looked online for information about treatment options in the past year Among prescription medication users, 1 in 3 consumers say they compared available treatment options • 57% say they would use quality rankings to compare doctors and hospitals in their community and 58% are interested in using cost information • 37% say they are interested in using online tools that could help them assess, monitor and manage their health • 68% are interested in home monitoring devices that enable them to check their condition and send the results to their doctor While this trend in health consumerism is already strong, the massive US government investment in electronic medical records planned for the next two years will open up new possibilities for tracking, insights and sharing.

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KRU RESEARCH

Buzzwords: Web 2.0, Social Media, Health 2.0 It’s easy to get lost in the hype of all the buzzwords and new terminology. But the concepts behind them are very simple. The early use of the Web, or Web 1.0, was to publish and access static pages of information. The next generation of the Web, or “Web 2.0,” is about user-generated content and using Web tech­ nol­ogies to connect with others. The term “social media” is used broadly to describe the various platforms and technologies that facilitate social connections and user generated content. Types of popular social media include: • Blogs and micro-blogs (e.g., WordPress, Twitter) • Social networks (e.g., LinkedIn, Facebook) • Wikis (e.g., Wikipedia) • Social bookmarks (e.g., Delicious, StumbleUpon) • Social news (e.g., Digg, Reddit) • Photosharing (e.g., Flickr) • Video sharing (e.g., YouTube, Vimeo) • Audio sharing (e.g., Last.fm) • Virtual worlds (e.g., Second Life) The term “Health 2.0” or sometimes “Medicine 2.0” is used to describe the new patient-driven health system we are entering. It’s a system where patients, in addition to relying on their healthcare providers, also connect with others who have the same condition. They publish their health data for the benefit of others, and seek information published by other patients in order to make fully informed decisions. YouTube, Facebook, and Twitter Before talking about specific social media platforms, it’s important to stress that social media is still just a channel; its a tactic, not a strategy. In fact, marketers have long known the most important variable in making a sale is a referral, or a recommendation from a friend or family member. Social media has just reduced the friction and increased the speed at which word of mouth marketing spreads. With that disclaimer covered, there are three social platforms that all health marketers should understand today. 1. YouTube is a video sharing site that enables individuals and companies to upload and share videos. Nielsen Online estimates that YouTube gets almost 100 million visitors a month, which puts it right up with Google and Yahoo as one of the top 5 most visited websites on the Internet. And it’s still growing fast. Johnson & Johnson is one phar­maceutical company that estab­lished their own YouTube“channel”, something that anyone can do for free. In less than a year J&J has posted over 140 videos, and the top 20 most watched have garnered over 425,000 views. Ad­ditional­ly, they have over 1,000 loyal “subscribers” who are notified of new content as it is broadcast. p

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2. Facebook enables users to upload information includ­ing their photos, interests, and what they’re doing. They can link with others to stay connected with their personal networks, and associate with groups they’re interested in. Facebook is by far the largest social network on the Internet, with over 200 million active users. This massive audience base is why many health marketers have turned to Facebook Groups as a way to spread their message and connect with patients and care givers. Examples of these groups include • Merck Take a Step Against Cervical Cancer (with over 105,000 “fans”) • WomenHeart and Bayer Strong@Heart (with over 14,000 “fans”) • McNeil Pediatrics ADHD Allies (with over 13,000 “fans”) • US CDC (with over 10,500 “fans”) • Mayo Clinic (with over 7,600 “fans”)

3. Twitter is a micro-blogging platform that enables users to send short, 140-character long messages, which are called “tweets” which are received by everyone who is following them. Like other social platforms, users choose to follow their friends and other people they’re interested in and receive their updates. In turn, users amass their own followings of people interested in reading their updates. According to Quantcast, Twitter had over 15 million visitors in March of 2009 and Comscore calls Twitter the fastest growing site on the Internet. While healthcare marketers are still exploring the best ways to use Twitter to engage with others, some early Twitter users include: • Johnson & Johnson • Boehringer Ingelheim • Novartis • Novo Nordisk • CDC • AIDS.gov • Over 250 different hospitals

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KRU RESEARCH

If you aren’t already familiar with these three platforms they are a good place to begin your social media explorations. However, you need to remember that these “hot” platforms of today will be replaced in the future. MySpace came before Facebook, and Friendster was popular before MySpace. But while the platforms themselves are ever changing, the mindshift and resource shift to more social, interactive channels will persist. We are witnessing the birth of a movement, and trends in wireless adoption and the inevitable fact that today’s youth will age, will be the accelerators to the e-patient movement. Indeed, those with mobile access to the internet are more likely than those who have tethered access to contribute their comments and reviews to the online conversation about health and health care. And mobile access is on the rise. Adults between the ages of 18 to 49 are more likely than older adults to participate in social technologies related to health. As younger adults face more health care questions and challenges, they may turn to the tools they have sharpened in other contexts of their lives to gather and share health advice. We are at a point where broadband and mobile web are becom­ ing ubiquitous, digital immigrants are aging, and Web 2.0 technol­ ogies are being refined. The signs of the e-patient revolution abound. Soon we will be immersed in the context of the Symantec Web, personal genomics will yield personalized medicine and the gamer generation will see signs that they, too, are mortal. Innovative marketers today are already realizing results of using new channels to reach e-patients. Those who wait in fear, ignorance or uncertainty risk losing market share. Are you ready to go social? Are you ready to go digital? A growing mass of epatients are waiting to welcome you.

What is Kru Research? Kru Research is a global think tank focused on “empowered patients” — those who are increasingly marshalling digital technologies and communicating with peers to actively manage their health. Our aim is to lead the ecosystem of life science professionals, Health 2.0 companies, and ePatients themselves as we collectively nurture the inevitable change to patient-centered health system. Our name was inspired by Kru, who are Cambo­ dian shaman (spirit practitioners) who can cure illnesses, prepare amulets to protect people from disease, and perform rituals to chase away the evil spirits that cause disease.

Kevin Kruse is an analyst, researcher and auhor in the areas of innovative health education, instruc­­tional design and behavior change. He leads Kr. Research and the e-Patient Consortium. PharmaVoice magazine named Kevin as one of the „Top 100 Most Inspiring People in the Life Science Industry.“ In the last twenty years he has founded, led and sold several businesses that designed and built e-learning for patients, doctors and pharmaceutical professionals. He has keynoted conferences throughout North America and Europe and he has written for or been interviewed by Fortune, Pharmaceutical Executive, PharmaVoice, CLO, HR, T&D, and Training. Addi­tionally, Kevin serves on the boards of The Library Project, Senior Adults for Greater Education, and Team Capital Bank. As a member of Delaware Cross­ing Investor Group he invests capital into a variety of emerging biotech companies.

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Transparenter Patientenfluss in der Ambulanz mit i.s.h.med und dem Patient Tracking System Bernhard Calmer

Begleitet durch das ASKLEPIOS Future Hospital Pro­ gramm entwickelten die Asklepios Kliniken Hamburg ein Konzept, um die klinischen Abläufe effizienter zu gestalten. Auf Basis des Krankenhausinformations­ systems i.s.h.med entstand eine neue IT-Lösung für Ambulanzen – das Patient Tracking System (PTS) – das unter anderem in der Zentralen Notaufnahme der Asklepios Klinik Barmbek eingesetzt wird.

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Ein typisches Szenario Denken wir uns eine Patientin: Heidi K. ist in ihrer Wohnung von der Leiter gestürzt, nicht tief, aber unglücklich. Der Rücken schmerzt, jede Bewegung ist ein kleines Martyrium. Mit dem Taxi kommt sie in die zentrale Notfallambulanz (ZNA) der Asklepios Klinik Barmbek. Ihre Daten werden in das SAP-System aufgenommen. Die Anzeige des „Patient Tracking System“ (PTS) vermerkt als Besuchsstatus „Wartend“ im „Wartebereich“. In der Tabelle links daneben leuchtet ein gelb eingefärbtes Feld. Gelb, das heißt: Der Pflegedienst hat Heidi K. bei der routinemäßigen Ers­t­ ein­schätzung die Behandlungspriorität 3 zugeordnet. Alle Patienten-Informationen auf einen Blick „Das PTS bietet alle für den Behandlungsprozess in der Ambulanz nötigen aktuellen Informationen auf einen Blick“, sagt Sabine Stapel, IT-Projektleiterin des Projektes Ambulanz-IT. „Neben den Patientendaten sind das z. B. dessen Besuchs- bzw. Behand­lungs­ status, sein Aufenthaltsort, das zuständige Pflegepersonal und der behandelnde Arzt.“ Das „Patient Tracking System“ entstand als eine kundenspezifische Programmierung durch Siemens Healthcare im Rahmen des KLINOVA -Teilprojektes „Ambulanz-IT“. Ziel war die Unter­ stützung der Prozesse in der Ambulanz mit i.s.h.med und die Sicherstellung einer schnellen und vollständigen medizinischen Dokumentation ambulanter Fälle. „Gemeinsam mit Siemens wurde ein Umsetzungskonzept entwickelt. Sehr hilfreich waren dabei Erkenntnisse, die bei Besuchen in Notaufnahmen amerikanischer Kliniken gesammelt werden konnten“, erinnert sich Jörg Krey, fachlicher Projektleiter des Projektes Ambulanz-IT.

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Steuerung des Behandlungsprozesses Zurück zu Heidi K.: Inzwischen hat sich eine Pflegekraft der Pa­ tien­t in angenommen und sich als verantwortliche Pflegekraft im PTS eingetragen. Heidi K. wartet auf einen Arzt. Sollte jetzt die maximale Wartezeit, die an die Behandlungspriorität gekoppelt ist, überschritten werden, signalisiert das PTS dies mit einem kleinen roten Warn-Dreieck. „Die maximale Wartezeit kann grundsätzlich im PTS frei eingestellt werden“, erläutert Jörg Krey. „Da wir in der Asklepios Klinik die Ersteinschätzung nach dem System der Manchester Triage vornehmen, sind die Zeiten allerdings fest vorgegeben.“ Spätestens wenn Heidi K. mit Behandlungspriorität 3 länger als 30 Minuten gewartet hat, wird sie der nächste freie Arzt übernehmen und sich ihr als „Behandler“ zuordnen. Bei einem Klick in die Spalte „PTS- Besuchsstatus“ öffnet sich ein Fenster, in dem der Besuchsstatus aktualisiert und dem Patienten ein freier Behand­ lungsraum zugeordnet werden kann. In der Spalte „Besuchsstatus“ erscheint nun der Eintrag „In Behandlung“. Verbesserung der Informationsdarstellung mit dem Dashboard Während das „Patient Tracking System“ in fast allen Notfall­am­bu­ lanzen der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH im Einsatz ist, gibt es in der AK Barmbek eine Besonderheit: In der zentralen Not­auf­nahme werden Informationen zur Raumnutzung, zum Pa­ tien­tenzustand und zum Fortschritt der medizinischen Behandlung über eine gesonderte Schnittstelle an einen gut einsehbaren 42‘‘-Monitor übermittelt, dem so genannten Dashboard. „Zur op-

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timierten Ausnutzung unserer Räumlichkeiten ist das Dashboard sehr hilfreich“ erläutert Holger Krüger-Rosenow, Pflegedienstleiter in der Zentralen Notaufnahme. „Man erkennt z. B. sofort, wo welcher Untersuchungsraum bei einem Notfall genutzt werden kann.“ Auch wenn sich ein Patient zu einer Untersuchung außerhalb der Ambulanz befindet, kann der aktuelle Aufenthaltsort im Sys­ tem hinterlegt und auf dem Dashboard angezeigt werden. Bei Heidi K. wird hier notiert, dass sie sich beim Röntgen befindet. „Mit dem ‚Patient Tracking System‘ gerät kein Patient aus dem Blick“, so Hol­ger Krüger-Rosenow. „Und wenn ein Patient einmal außergewöhnlich lange in der Ambulanz sein sollte, sehe ich das sofort und kann gezielt nachfragen, was bei diesem Patienten noch fehlt.“ „Früher“, erinnert sich Jörg Krey an die Zeit vor dem PTS, „wurde bei ambulanten Patienten nur der Aufnahmezeitpunkt dokumentiert Jetzt lassen sich die Aufenthaltsdaten des Patienten statistisch auswerten.“ „Mit einem Klick sind die Wartezeit, die Behand­lungs­zeit, die Gesamt-Verweildauer des Patienten in der Ambulanz, der behandelnde Arzt und die zuständige Pflegekraft zu sehen“, sagt Sabine Stapel. Nach Abschluss einer Behandlung, wenn der Patient entweder entlassen oder auf eine Station verlegt worden ist, ändert sich dessen Besuchsstatus ein letztes Mal in „Verlegt/Entlassen“. Bei Pa­ tien­ten wie Heidi K., die, so denken wir es uns, entlassen werden konnte, werden die Daten nach erfolgtem medizinischem Fall­ab­ schluss online an die Abrechnung übertragen und bei Einwilligung des Patienten für seinen Hausarzt im Arztportal zur Verfügung gestellt – noch während Heidi K. im Taxi auf dem Weg nach Hause ist.

Bernhard Calmer studierte Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen an der Fachhochschule Osnabrück. Nach Stationen als Wirtschaftsprüfer/-berater bei der Wirtschafts­prü­ fungs­gesellschaft Treyde & Stephan in Hamburg und als Assistent des Managements im Krankenhaus „Deutsches Rotes Kreuz- und Freimaurer Hospital“ in Hamburg-Rissen, wechselte er 1994 zur Dataplan Software GmbH. Im Zuge der Umwandlung der SMS Dataplan GmbH & Co. KG zur Siemens AG Medical Solutions, übernahm Herr Calmer im Jahr 2000 die Aufgabe der Vertriebsleitung Region Süd, bis ihm 2002 die Leitung der Geschäftsentwicklung Deutschland übertragen wurde. Von Mai 2004 bis September 2008 war Herr Calmer für das Businessmanagement Healthcare Information Systeme Deutschland verantwortlich. Im Oktober 2008 über­ nahm Bernhard Calmer die Leitung IT Vertrieb Healthcare Deutschland.

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Medizinische Informations-Technologien (MIT) Helfer, Hoffnungsträger, Haftungsschutz? Prof. Dr. med. Stefan F. Winter und Dr. med. Dierk Heimann

„Information ist nur das, was verstanden wird“. Dieses bekannte Zitat wird dem hochgeschätzten Alt-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zugeschrieben, und es beschreibt im Kern hervorragend, vor welchen Herausforderungen das Gesundheitssystem steht. Nicht nur, dass gerade seit 1990 zahlreiche Reformen neue Wege gegangen sind und viele Leistungserbringer umzudenken hatten, insbesondere der Zuwachs des medizinischen Wissens, der medizinische Fortschritt verlangt einen immer schnelleren Wis­ sens­transfer – und die Aufnahme und Umsetzung bei den Leis­­­tungs­ erbringern. Mehr Wissen – wenig Zeit

1 Zitat aus dem interaktiven, zertifizierten Fortbildungsangebot des Deutschen Hausärzteverbandes „Kommunikation mit Patienten – Sprache, Kommunikationsprobleme, Rhetorik“ Autoren: Hubert Bakker, Dr. Dierk Heimann, Prof. Dr. Thomas Lichte, IHF 2 GesundheitsMONITOR, Umfrage: 03-2010, repräsentative Umfrage von CompuGROUP, Medical Tribune und Rhein Zeitung. Veröffentlichung: 01.04.2010

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Der Blick auf die Eckpunkte der ärztlichen Kolleginnen und Kol­ legen im Land stimmt pessimistisch. Durchschnittlich 7,6 Minuten Zeit stehen für die Konsultation in der Praxis pro Patient zur Ver­ fügung 1. Damit verdichtet sich medizinisches Tun auf wenige Au­ gen­blicke, für ein kritisches Nachdenken bleibt häufig keine oder zu wenig Zeit. Hinzu kommen die zunehmenden bürokratischen und administrativen Herausforderungen. Eine Umfrage der Com­ puGROUP im März unter 440 repräsentativ ausgewählten, niedergelassenen Ärzten zeichnet ein klares Bild 2. Mehr als 80% der Mediziner im Land verbringen zwei Stunden oder mehr pro Tag mit Bürokratie. Wertvolle Zeit, in der sie nicht mit den Patien­ten sprechen oder ihr Wissen auf den neuesten Stand bringen können. An diesen Rahmenbedingungen ist erst einmal nicht zu rütteln. Sowohl die derzeitigen Verwaltungsvorgaben als auch die Nachfrage der Patientinnen und Patienten lassen sich nicht kurzfristig ändern. Und dennoch sollte einen diese Herausforderung nicht darüber hinwegsehen lassen, dass jedes gesundheitliche Problem der ungeteilten Aufmerksamkeit bedarf und es ethisch nicht vertretbar, wenn auch menschlich verständlich ist, die zeitlichen Ressourcen unterschiedlich zu verteilen.


COMPUGROUP

Wenig Zeit – hoher Informationsbedarf Damit stecken die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen im Land jeden Tag in einer unauflösbaren Zwickmühle. Einerseits möchten und müss(t)en sie mehr Zeit für ihre Patienten erübrigen, anderseits lassen Umsatzverpflichtungen und Bürokratieflut dies nicht zu. Letztendlich kann eine pragmatische und zugleich effektive Lösung damit nur in der Arztpraxis gefunden werden. Zumindest solange sich die äußeren Zwänge (noch) nicht verändert haben. Etwa alle 13 Sekunden – Gefahr auf Rezept Die Fakten sprechen für sich. Alleine in den letzten zwei Minuten, in denen Sie diese Zeilen lesen, wurden in der Bundesrepublik mindestens acht Rezepte ausgestellt, deren Medikamen­ten­kom­ binationen potentiell gefährlich für die Betroffenen sind. Aus einem Mangel an Informationen. Weil das Wissen um das Tun der mitbehandelnden Kollegen fehlt. Weil Informationen über Medikamente nicht zusammengeführt werden. Dies ist leider keine rein akademische Feststellung. Wirft man einen Blick in die Studien, dann sterben mindestens 16.000 Deutsche pro Jahr an solch (vermeidbaren) Wechselwirkungen3. Etwa alle 30 Minuten ein Patient. Manche Autoren sprechen gar von über 50.000 p Wechselwirkungs-Opfern.

3 Siehe Übersichtsartikel dazu im „Der SPIEGEL“ http://www.spiegel.de/ wissenschaftmensch/0,1518, 97721,00.html

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Dieses Beispiel macht dramatisch deutlich, wo die Probleme im Alltag tatsächlich liegen. Sie sind viel einfacher und unmittelbarer, als viele Diskussionen am „Grünen Tisch“ in Sachen Vernetzung es erahnen lassen. Und das Krankenhaus macht da keine Aus­nah­me. Aktuelle Untersuchungen4 aus England zeigen: Eine von zehn Klinikverordnungen ist fehlerhaft. Und Assistenzärzte irren dabei nicht häufiger als die Chefs. Weil Wissen fehlt. Risikomanagement als Anforderung Wenn wir den Blick für einen Moment in andere leistungsorientierte Systeme gleiten lassen, dann wird klar: Echtes Risiko­man­ agement beginnt mit der Erkenntnis, dass Fehler passieren können, reagiert mit Lösungsangeboten darauf und bleibt im Kern dennoch selbstkritisch. Denn Fehler, die passieren können, werden irgendwann auch passieren. So die These. Überträgt man diesen Ansatz auf das Gesundheitssystem, dann kommt man an der Tatsache nicht vorbei, dass der bereits beschriebene Wissenszuwachs und die gleichzeitigen äußeren Rahmenbedingungen mögliche Fehler und damit Nachteile für die Patienten hervorbringen müssen. Es ist lediglich eine Frage der Zeit. Damit stellt sich die Gretchen-Frage, welcher systematische Ansatz zu einer Verbes­ serung der Situation beitragen kann? Einfach. Schnell. Zuverlässig.

Intelligente medizinische Entscheidungs­ hilfen können dazu beitragen, mehr Gesund­ heit für den Einzelnen zu erreichen und weniger Kosten im System zu erzeugen.

Potential der Medizinischen Informations-Technologien (MIT) Fragt man den Arzt, von wem er sich eine inhaltliche Hilfestellung im Alltag erwartet, werden als Erste die Krankenkassen genannt – mit dem Ziel, ein Zuviel an Bürokratie abzubauen. Direkt dahinter aber – wenn auch mit größerem Abstand - folgen die medizinischen Informations-Technologien (MIT) und damit Software, die schon heute im Einsatz ist. Der aktuelle GesundheitsMONITOR unseres Hauses aus dem März / April 2010 zeigt: Mehr als 90% der Ärzte, die sich Hilfe von medizinischen Informations-Technologien (MIT) für den Alltag erwarten, möchten diese von Software erhalten, die sie bereits einsetzen – und bestens kennen. Nur 8% wür-

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den dafür zusätzliche Programme installieren wollen. Damit sind es bereits entwickelte, ausgereifte Lösungen des Marktes, denen das meiste Vertrauen entgegengebracht wird. Neuentwicklungen, durch wen auch immer, wären schlicht überflüssig und Ressour­cen­ ­verschwendung. Nimmt man diesen Wunsch ernst, muss die Frage folgen: Wann wäre der richtige Zeitpunkt, um solches Wissen zu präsentieren? Auch hier konnte unser Haus durch zahlreiche Umfragen dazu lernen. Über 70% der befragten Mediziner wünschen sich einen Hinweis während des Patientenkontaktes, mehr als 50% auch davor – auf Basis der in der Akte abgelegten Informationen über den Patienten. Mehrfachnennungen waren – abgestuft nach Prio­ ri­tät – möglich. Was bringt ein solcher Medical Decision Support (MDSS) im Alltag? Die CompuGROUP hat in den letzten Jahren Systeme entwickelt, die diesen Anforderungen der Mediziner Rechnung tragen – und diese Lösungen „Medical Decision Support (MDSS)“ genannt. Ne­ben dem flächendeckenden Einsatz, beispielsweise um Medi­ kamenten-Interaktionen aufzuspüren, laufen derzeit in Deutsch­ land mehrere Pilotprojekte, die deren Effekte evaluieren sollen. Exemplarisch sei hier ein Diabetes-Versorgungsprogramm genannt, in das in zwei Bundesländern im Auftrag mehrerer Kran­ ken­kassen derzeit etwa 10.000 Patientinnen und Patienten eingeschrieben sind. Die Ergebnisse aus dem seit 2007 laufenden Pro­jekt, die im November 2009 veröffentlicht wurden, sind viel­ver­spre­ chend. So lässt sich neben den medizinischen Erfolgen zeigen: Die Patienten leben länger als in der Vergleichsgruppe der Regel­ver­ sorgung und benötigen gleichzeitig weniger Ressourcen. Herz­ stück dieses integrierten Versorgungsmodells ist ein softwaregestützter Behandlungs- und Administrationspfad auf den bestehen­ den Arzt-Informations-Systemen von derzeit 400 teilnehmenden Ärzten. Auch wenn dies erste Ergebnisse sind, sie zeigen in die richtige Richtung: Intelligente medizinische Entscheidungshilfen können dazu beitragen, mehr Gesundheit für den Einzelnen zu erreichen und weniger Kosten im System zu erzeugen. 18% Effizienzsteigerung (und mehr) durch MDSS Damit erscheint es realistisch zu sein, die Effizienz des Gesund­ heitssystems als Ganzes durch den flächendeckenden Einsatz solcher MDSS-Lösungen zu erhöhen. Interne Untersuchungen gehen von 18% und mehr aus – durch den Abbau von Bürokratie, die Verringerung von unnötigen Ausgaben (bspw. Doppelunter­ suchun­gen), die Reduzierung von Überversorgung und nicht zuletzt durch ein „Mehr an Gesundheit“ dank der Vermeidung von Komplikationen und Folgeerkrankungen. Ein Schulterschluss aus medizinischem Streben und ökonomischen Notwendigkeiten. p

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Ist der MDSS-Einsatz wie die lebensrettende Gabe eines Antibiotikums zu werten? Denkt man diese ersten, positiven Resultate und Schlussfolgerungen in die spätere Flächenversorgung, muss eine kritische Fragestellung erlaubt sein: Wenn wir uns zu einer evidenzbasierten Medizin bekennen, die für die Patienten das Bestmögliche studiengesichert erreichen möchte, dann kann ein solcher Weg nicht vor innovativen, qualitätssteigernden Werkzeugen für die Ärzteschaft Halt machen. Wenn es zutrifft, dass Mediziner beispielsweise nur wenige Medikamentenkombinationen wirklich sicher aus dem Gedächtnis beherrschen können, warum sind dann softwaregestützte MDSS-Lösungen zur Vermeidung von gefährlichen Wechselwirkungen nicht längst Standard? In Praxis und Kran­ ken­haus? So wie es damals die Computer- und Kernspintomografen wurden. Risikomanagement – für uns alle längst lebensrettender Alltag Diese Selbstkritik müssen wir Ärzte uns vorlegen lassen – genau so, wie seinerzeit die Automobilindustrie. Es dauerte nur wenige Jahre, bis der Airbag aus den Luxuslimousinen den Weg in jedes noch so kleine, neue Auto fand und bisher bereits wahrscheinlich Hunderttausende Menschenleben hat retten können. Es ist nur eine Frage der näheren Zukunft, bis die erwähnten Ergebnisse eine Härtung in der Praxis erfahren und damit Medical Decision Support-Systeme (MDSS) ähnlich segensreich in der Fläche wirken können. Alleine in Deutschland sterben derzeit pro Jahr viermal mehr Menschen an Medikamentenwechselwirkungen als im Straßenverkehr – eine traurige Zahl, die durch konsequenten Einsatz von MDSS hoffentlich bald der Vergangenheit angehören wird.

Professor Winter ist als CMO der CompuGROUP konzernweit für Medizin, Kommunikation, strategische Beziehungen und Forschung verantwortlich. Bis August 2008 war Professor Winter über 3 Jahre Staatssekretär des Minis­ teriums für Arbeit, Gesund­heit und Soziales in Düsseldorf, zuvor Ministerial­ direk­tor am Bundesgesundheitsministerium, Deut­scher EU-Chief-Medical Officer sowie Wissen­schafts­dezernent der Bundesärztekammer, Vizepräsident des Len­ kungsausschusses Biomedizin des Europarates und Leiter des Technologiereferats am Bundesgesundheitsministerium. Seit 2000 ist Winter Berater der WHO. Nach Medizin-, Philosophie- und Molekular- und Zellbiologiestudium an den Universitäten Bonn, Marburg, Basel und Hamburg folgte 1988 eine klini­sche Ausbildung am UKE Hamburg-Eppendorf, der sich 1991 ein zweijähriger For­ schungsaufenthalt am National Cancer Institute, Washington, und der South­ western University Dallas anschloss. Professor Winter habilitierte 1998 an der Universität Bonn über Technikfolgenabschätzung und Medizin. Er ist seit 2004 Professor bei Public Health an der Medizinischen Hochschule Hannover und engagiert sich bei Havard Medical International.

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Persönliches Telemedizin vor dem Durchbruch? Verbleibende Hürden und viele Hoffnungszeichen Jan Seeliger

Zuerst zur Begriffsbestimmung: Persönliche Telemedizin unterscheidet sich von Professioneller Telemedizin, indem Sie Patienten mit Ihren medizinischen Betreuern auf Distanz verbindet – und nicht nur Mediziner untereinander. Aus der Sicht des Mediziners lautet die Definition: „Virtuelle Patienten-Konsultation auf Distanz und ohne physische Präsenz des Patienten“. Telemedizin kann bei der Diagnosefindung unterstützen, aber niemals die ärztliche Kom­petenz und die persönliche Beurteilung von Angesicht zu An­ gesicht ersetzen. Telemedizin ist definitiv kein Ersatz für eine normale Patienten-Arzt Beziehung und auch kein technologisches Spielzeug oder eine reines Mittel zur Steigerung der Kosteneffizienz. Vor allem aber ermöglicht Telemedizin, die Versorgung mehr um den Patienten zu zentrieren und dem Patienten selber mehr Mög­ lichkeit zum Selbstmanagement zu geben. Wer behauptet denn, dass es nicht in Kürze personalisierte, telemedizinische Dienstleistungen geben kann, welche dem Patien­ ten eine höhere Betreuungsqualität und ein höheres Sicherheits­ge­ fühl geben, als so mancher Besuch im überfüllten Wartezimmer mit lauter Kranken um Ihn herum sowie mit 5-8 Minuten netto Zeit im Behandlungszimmer? Die telemedizinische Interaktion kann nämlich z. B. heute nicht nur asynchron erfolgen, sondern mitt­lerweile auch synchron innerhalb einer persönlichen Video­

Telemedizin ist definitiv kein Ersatz für eine normale Patienten-Arzt Beziehung und auch kein technologisches Spielzeug oder eine reines Mittel zur Steigerung der Kosteneffizienz.

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konferenz geschehen. Schon alleine die Ersparnis jedes zweiten Arztbesuches kann doch sowohl für den Patienten als auch für den Arzt und das gesamte Gesundheitswesen von Vorteil sein! Und die Lieferung der Arzneimittel nach Hause ist ja spätestens seit der Einführung der Versandapotheken auch kein Hexenwerk mehr. Wer profitiert von Telemedizin? Zu allererst natürlich der Pa­ tient selbst, der laut vielfältigen Untersuchungen möglichst lange selbständig und selbstbestimmt leben und versorgt werden möchte. Vor allem trifft dies natürlich auf die steigende Zahl der älteren, chronisch Kranken Patienten zu. Speziell für diese Ziel­g ruppe (z. B. Patienten mit Herzinsuffizienz, Diabetes, COPD oder Blut­ hoch­druck) erhöht Telemedizin die Betreuungsqualität alleine dadurch, dass ein regelmäßiges, kontrolliertes und i.d.R. tägliches Monitoring Verschlechterungen des Gesundheitszustandes viel frü­her erkennen kann, als die gelegentliche, unkontrollierte Selbst­­­ messung oder der 2-wöchentliche Arztbesuch. Ältere Patien­ten werden bevorzugt im eigenen Zuhause auf Ge­sund­heitsdienst­leis­ tungen zugreifen. Aber auch jüngere Patienten werden immer früher zu chronisch Kranken und werden zukünftig verstärkt mobilen Zugriff auf Ge­sundheitsdienstleistungen fordern, ganz einfach weil sie seit der Grundschule leben. Viele dieser Dienstleistungen dienen nicht nur der Unterstützung der Regelversorgung – z. B. der ständig steigenden Anzahl von chro­nisch kranken Patienten – sondern werden auch für Präven­ ti­ves Monitoring, Rehabilitation, Fitness- & Wellness-Management sowie für sonstige Gesundheits-Services angeboten. Es müssen also neue Modelle der Gesundheitsversorgung entstehen und diese Art der Versorgung anbieten. Eine erfolgreiche Versorgung im eigenen Heim oder mobil erfordert verbesserte Kom­munikationswege zwischen Patienten und ihrem medizinischen Betreuer sowie besseren Zugriff auf die Patientendaten. Technologie wird also aller Voraussicht nach eine wichtige Rolle bei der Gesundheitsversorgung im eigenen Heim und mobil spielen und muss daher allen zur Verfügung stehen und leicht bedienbar sein. Einfache, benutzerfreundliche Technologien können dazu beitragen, dass Patienten aktiv, engagiert und mit ihrem ärztlichen Versorgungsteam in Verbindung bleiben, ihre Lebensqualität steigern und ihre Unabhängigkeit länger aufrecht erhalten. Verbleibende Hürden Datenschutz & Datensicherheit Hier wird allgemein und zu Recht – speziell in Deutschland – im Bereich eHealth oder bei der Telematikinfrastruktur ein sehr hoher Standard angesetzt. Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass dieses Argument auch von einzelnen Interessengruppen leicht als Vorwand für Ihre allgemeine Ablehnung genutzt werden kann. Hierbei sollte aber bitte auch immer der Status-Quo im Blick behalten werden, wo z. B. Arztberichte häufig noch per Fax unter p

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Kollegen versendet werden, und wo chronisch Kranke überhaupt kein kontrolliertes, regelmäßiges Telemonitoring erfahren oder Vitalwerte per Mail oder Fax versendet werden. Häufig stellt jeg­liches neue Szenario eine Verbesserung gegenüber dem IstZu­stand dar sowohl in der Datensicherheit als auch in der Betreu­ ungs­qualität! „Pilotitis“ Hiermit ist die Tatsache gemeint, dass die Vielzahl der TelemedizinProjekte von Anfang an unter dem Titel „Studie“ oder „Pilotprojekt“ laufen und damit von Anfang an mehr oder weniger feststeht, dass keine „Verpflichtung“ zur Überführung in den Regelbetrieb besteht. Weiterhin sind die Anforderungen für echte, klinische Studien so hoch, dass es aktuell nur 2 relevante TelemonitoringStudien in Deutschland gibt (Partnership for the Heart, CardioBeat), welche sich beide mit Herzkrankheiten auseinandersetzen und beide wahrscheinlich ohne Fördergelder nicht zustande gekommen wären. Diese und weitere klinische Studien werden aber von den Kostenträgern immer wieder gefordert, da die vielfältig vor­ handenen, internationalen Studien zur Telemedizin in Deutschland häufig nicht anerkannt oder nicht beachtet werden und lokal neu bewiesen werden sollen. Auch der G-BA und das IQWIG fühlten sich bisher nicht zuständig für eine Bewertung der Telemedizin, da diese weder als Hilfsmittel noch als Methode eingestuft wurde. Finanzierung Zuerst wird häufig das Fehlen einer Leistungsziffer als größte Hürde für die mangelnde Finnanzierung telemedizinisch unterstützter Regelversorgung genannt. Zumindest fehlt dadurch ein finanzieller Anreiz für niedergelassene Ärzte, sich über eine tele­ fonische Beratung hinaus mit einem Patienten telemedizinisch zu vernetzen und Zeit darin zu investieren, zumal er dafür sowohl seine Praxisabläufe anpassen müsste als auch eine Investition in die technologische Infrastruktur tätigen müsste. Die Kassen klagen darüber, dass Sie aufgrund Ihrer Abhän­g ig­ keit von den politischen Rahmenbedingungen für Ihre Finan­zie­ rung überhaupt keinen langfristigen Planungshorizont haben können, da Sie Ihre Einnahmesituation immer erst retrospektiv exakt festellen können und immer auch schon die nächste Ge­ sund­heits­reform vor der Tür steht. Aktuell ist es die unklare Ein­­ nahmesituation aus dem Gesundheitsfonds, sowie der fast schon überlebensnotwendige Kampf um die Vermeidung von Zusatz­bei­ trägen, welcher die freiwillige Investitionsbereitschaft in neue Ver­ sor­g ungsformen sowie in Präventionsmodelle auf ein Minimum reduziert, zumal die daraus erzielbaren Einsparungen selten kurzfristig eintreffen. Nicht zuletzt hat auch das Auslaufen der Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung zu einem Rückgang der Versor­ gungs­­projekte geführt, wobei die Datenlage bzgl. der Gründe für das Auslaufen der Projekte hier noch uneinheitlich ist.

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Selbstzahler-Motivation Im Gegensatz z. B. zum Amerikanischen Gesundheitssystem, ist die Selbstzahler-Motivation in Deutschland sehr gering ausgeprägt, da hier eher eine „Vollkasko-Mentalität“ bzgl. der Gesund­ heitsversorgung vorherrscht, denn der Leistungskatalog der Kran­ kenkassen umfasst heute (noch) fast alles – von der Schutz­ impfung bis zur Kur – inklusive teurer Diagnostik und alternativer Heilmethoden. Dies zeigt sich u.a. am Beispiel von IGEL, welche von Ärzten bislang nur mit mäßigem Erfolg angeboten werden konnten. So berichtet z. B. die Ärzte-Zeitung vom 02.12.2008 mit Bezug auf eine Studie von TNSHealthcare, dass wer IGeL ablehnt, zum großen Teil der Auffassung (37 Prozent) ist, dass die Kassen alle Leistungen bezahlen sollen. 20 Prozent halten solche Leistungen für nicht sinnvoll, 17 Prozent für zu teuer. Was darf eine IGeL kosten? Gar nichts sagten elf Prozent. 14 Prozent wären bereit, bis zu zehn Euro auszugeben, weitere 29 Prozent würden auch bis zu 50 Euro zahlen. Darüber, wie viele Patienten heute schon bereit wären, nicht nur einmalig pro Jahr oder pro Quartal, sondern regelmäßig, monatlich EUR 50,- für persönliche Telemedizin-Überwachung aus eigener Tasche zu bezahlen, gibt es keine verlässlichen Zahlen, aber es ist anzunehmen, dass diese Zielgruppe noch relativ überschaubar ist – mit steigender Wahrscheinlichkeit unter chronisch Kranken. Berufsrecht und Kostenerstattung Eine spannende Frage, welche in vielen Ländern (inklusive Deutschland) noch ungeklärt ist: Stellt die Anforderung an eine physische Präsenz des Patienten gegenüber seinem medizinischen Betreuer im Rahmen der Behandlung oder bei der Diagnostizierung als Grundlage für eine Kostenerstattung der Leistung, eine unfaire Hürde für das freie Angebot medizinischer Dienstleistungen dar? Sollte es nicht vielmehr dem Arzt überlassen werden, sich über die Möglichkeiten und Grenzen einer telemedizinischen Behand­ lungs­methode zu informieren und über deren Einsatzmöglichkeiten für seinen Behandlungsablauf zu entscheiden? Weitere Hürden: • Prävention wird bisher vielfach nur als PR-Instrument von Kassen gefördert und hat politisch leider noch keine Priorität. Dies hängt zusammen mit der fehlenden, sektorübergreifenden und gesamtgesellschaftlichen Betrachtung von Gesundheitskosten sowie mit der Trennung von Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. • Der politische Fokus im BMG liegt in den letzten Jahren eindeutig auf dem Großprojekt Telematik-Infrastruktur/eGK – nicht auf dem demographischen Wandel und dem Ärztemangel als Gefahr für die Flächenversorgung. p

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Nicht zuletzt führen die o.g. Hürden dazu, dass die Ein­stiegs­ hürden für neue Anbieter Telemedizinischer Dienst­leis­t ungen entsprechend hoch sind, da ein hohes Start-Up-Investment sowie ein lang­f ristiges Durchhaltevermögen erforderlich sind, um sich am Markt zu etablieren. Wer steuert die Versorgung? Ebenfalls eine sehr spannende Frage, deren Antwort keinesfalls einfach ist – speziell auch vor dem Hintergrund der Verteilungs­ kämpfe um die Berechtigung zur Erbringung Ambulanter Leis­ tun­gen. Die Kassen steuern natürlich zuerst einmal dadurch, mit wem Sie Versorgungsverträge abschließen und haben damit den größten Einfluss. Aber mit wem werden heute die Versorgungsverträge abgeschlossen – und damit sind nicht nur IV-Verträge sondern auch frei vereinbarte Versorgungsverträge gemeint! Sind es die Kassenärztlichen Vereinigungen, oder werden es zunehmend die Hausärzteverbände oder sogar einzelne Ärzte­ netz­werke oder MVZ sein, welche die Ärzte vertreten und Ver­sorgungsverträge abschließen? Zuletzt scheint das Modell mit den Hausarztverbänden die meiste Anziehungs­ kraft bewiesen zu haben. Bei den Ärzte­netz­ werken scheint es häufig noch am mangeln­­ den Management-Organisationsgrad zu schei­ tern, da häufig kein adäquater, professioneller Verhandlungspartner mit Verhand­lungs­auftrag für das Ärztenet­ zwerk gegenüber den Kassen zur Ver­f ügung steht. Wie wäre es also mit den privaten Managementgesellschaften sowie mit den Anbietern telemedzinischer Versorgungs­manage­ ment-Konzepte mit medizin. Call-Center im Hintergrund, von denen sich mittlerweile 10-15 am deutschen Markt versuchen? Diese kämpfen derzeit um die wenigen Ausschreibungen von Kas­ sen für Versorgungsmanagement und warten darauf, dass sich bei den Kas­sen die Investitionsbereitschaft in Versorgungs­pro­g ram­me erhöht und die Pauschalen für das Management chronisch kranker Patienten angehoben werden. Aber auch Kliniken erkennen mehr und mehr die Möglichkeiten der Versorgungssteuerung – über die eigenen Wände hinaus. Hier bieten sich nämlich enorme Möglichkeiten zur Verlängerung der Wertschöpfungskette: • Post-stationäres, telemedizinisches Therapiemanagement für die Nachbehandlung sowie als mögliches Zusatzangebot – um dabei gleichzeitig die Patientenbindung zu erhöhen • Telemedizinische Betreuung – auch außerhalb der normalen Sprechstunden • Versorgung von Flächenregionen mit Unterversorgung • Effizienter Einsatz vorhandener Personal-Kapazitäten & Ver marktung der eigenen, mediz. Kompetenz

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Dies erhöht die gesamte Wettbewerbsfähigkeit des Gesund­heits­ dienstleisters Krankenhaus. Selbstverständlich ist die Organisation des ganzheitlichen Ver­ sorgungsmanagements nicht originär und alleine eine Aufgabe der Kliniken – aber warum nicht hier die Lücke füllen, solange der Staat, die Kassen sowie die niedergelassenen Ärzte diese Aufgaben noch nicht besetzen? Denn wer zukünftig die Versorgung steuert, der ist auch erster Ansprechpartner für den Patienten. Und welchen besseren Zeitpunkt zur Patienten-Sensibilisierung gibt es als während des Klinik-Aufenthaltes? Startvorteile haben Häuser, die heute bereits an IV-Verträgen teilnehmen und in die ambulante Versorgung über MVZ eingestiegen sind. Die Hoffnungszeichen EU- & nationale Förderung Seit einigen Jahren fördert vor allem die EU in erheblichem Umfang Telemedizin-Projekte und eHealth-Interoperabilität im Rahmen der Framework-Programme. Dabei wurde zuletzt sehr stark ein Augenmerk auf den Einsatz marktreifer Lösungen und Produkte gelegt und weniger auf die Forschung nach immer neuen Technologien. Auch das BMBF in Deutschland fördert mittlerweile Projekte wie die „Gesundheitsregionen der Zukunft“ – innerhalb derer Tele­ ­medizinprojekten eine erhebliche Bedeutung zugewiesen wurde. Wissenschaftliche Nachweise Mittlerweile sind eine Vielzahl internationaler Studien und MetaStudien (z. B. J Am Coll Cardiol 2009; 54: 1683-94) über die Wirksamkeit von Homecare-Telemonitoring sowie persönlicher Telemedizin verfügbar. Dabei wurde vor allem die Kostenersparnis durch die Vermeidung von akutmedizinischer Behandlung (bis zu 30% pro Jahr und mehr) mehrfach nachgewiesen. Aber auch die Steigerung der Lebens- und Behandlungsqualität sowie das verbesserte Sicherheitsgefühl des Patienten kamen bei einigen Stu­ dien als dokumentierte Vorteile heraus. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Telemedizin-Projekten mit positiven, dokumentierten Ergebnissen, wie z. B. HeiTel, Diabetive, Zer­ tiva, DMP Diabetes Typ 2 in Nordrhein, etc… Politische Signale Sowohl im Koalitionsvertrag der neuen Regierung als auch in zahlreichen Äußerungen aus dem BMG ist zu erkennen, dass das Thema Telemedizin eine steigende Beachtung erfährt. Auch wenn noch keine konkreten Schritte zur Umsetzung erkennbar sind, so scheint das Thema endlich auf der politischen Agenda angekommen zu sein. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass beim Thema Telematik-Infrastruktur und eGK allmählich Land in Sicht ist und Themen wie eine zentrale Gesundheitsakte sowie Arztbriefe als geplante Mehrwertdienste wieder verstärkt in p

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den Fokus rücken könnten. Weiterhin scheint es Signale zu geben, dass Telemedizin zukünftig bei der Bewertung als neue Methode betrachtet werden könnte, was eine Aufnahme in die Gebüh­ren­ ordnung erleichtern sollte. Die Personal-Health-Infrastruktur wächst zusammen Um eine produktive Interaktion zwischen Patienten und seinem medizinischen Betreuer zu ermöglichen (d.h. nicht alleine passives Monitoring von Vitalwerten) ist eine Technologische-Infrastruktur notwendig, welche sinnvollerweise aus folgenden Komponenten besteht: • Medizinische Sensoren (z. B. Waage, Blutdruckmessgerät, Blutzucker-Monitor, Puls-Oxymeter, etc…). Hier gibt es eine Viel­ zahl von Herstellern und Geräten, welche teilweise auch bereits draht­los (BlueTooth, Infrarot) Daten austauschen können. Ins­be­ sondere gibt es in diesem Segment eine erfolgeiche Stan­dar­disie­ rungsinitiative, nämlich die Continua Health Alliance (www.continuaalliance.org), welche sich seit 4 Jahren für den Auf­bau eines offenen Marktes für interoperable, persönliche Tele­health-Geräte und -Dienstleistungen einsetzt. Mittlerweile hat die Initiative mehr als 200 Medizintechnik-Hersteller als Mit­g lie­der und erste Produkte sind auf der Webseite als Continua-com­pliant gelistet. • Personal Health Systems (PHS), welche die Daten der Sensoren automatisiert einsammeln und für den Patienten als sofortiges Feed­back mit Trendprognose aufbereiten, Ihn an tägliche Aufgaben zur Einnahme von Medikationen, Vitalwerte-Messungen, Therapeu­ tische Übungen o.ä. erinnern, Ihm kontextsensitiv MultimediaLerninhalte passend zu seinem Gesundheitszustand vermitteln und dem mediz. Betreuer die Möglichkeit zur sofortigen und persönlichen Kontaktaufnahme mit dem Patienten ermöglichen (z. B. via Video-Conferencing). Diese PHS ersetzen die bisherige Welt der Einbahnstraßen-Kommunikation mit iolierter Vitalwerte-Er­ fas­sung und separat zu vermittelnden Lerninhalten durch eine echte, bi-direktionale Kommunikation mit integrierter VitalwerteErfassung, integrierten Lerninhalten, individualisierten und kontextsensitiven Therapieplänen. PHS dienen der Patienten-Ermäch­ tigung. • Personal Health Records, welche dem Patienten die zentrale Verwaltung einer Patientenakte sowie die Verteilung von Zugriffs­ rechten auf seine medizinischen Dienstleister/Ärzte ermöglichen. In diese Akte kann also der behandelnde Arzt oder die ambulante Pflegekraft Einbklick bekommen, um alle bisher gesammelten Ge­ sund­heitsdaten des Patienten im Überblick zu bekommen. Promi­ nente Anbieter in diesem Segment, teilweise mit unterschied­li­chen Ansätzen, sind u.a. Microsoft, InterComponentWare, Vita-X und Google • Web/eHealth 2.0 – ermöglicht dem Patienten darüber hinaus die Information über seine Krankheit/Symptome im Internet auf diversen Webseiten, in Foren, sozialen Netzwerken, Live-Chats, etc. abzurufen.

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INTEL

Zusammenfassung Telehealth und Telemedizin haben mit Sicherheit den unumkehrbaren Punkt der Wahrnehmung Ihrer Existenz sowie Ihrer Vorteile durch alle Beteiligten am Versorgungsprozess überschritten. Es gibt nach wie vor eine Reihe von Hürden für die Ausweitung des Einsatzes von Telemedizin, aber auch eine Reihe von positiven Signalen. Die Technologie und die Infrastruktur scheinen auf jeden Fall bereit zu sein – also wie lange dauert es noch, bis persönliche Telemedizin ein Teil der Regelversorgung wird? Wir von Intel werden auf jeden Fall nicht abwarten, sondern aktiv etwas dafür tun, indem wir uns Partner wie die Asklepios Kliniken suchen, welche unsere Vision teilen und mit uns aktiv den Markt verändern wollen – zum Wohle des Patienten sowie der Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystemes. Unter www.intel.com/healthcare finden Sie weitere Informa­ tio­nen über Intels Bemühungen, die Transformation des Gesund­ heitswesens mit geeigneten Technologien und Standards voranzutreiben.

Jens Seeliger ist seit 4,5 Jahren bei Intel in der Digital Health Group als Strategic Relations Manager für das Business Development im Rahmen der Einführung innovativer Healthcare-IT-Plattformen in den deutschen Gesundheitsmarkt zuständig. Die Intel Digital Health Group arbeitet bei dieser Aufgabe eng mit einem großen Netzwerk von Partnern aus den Bereichen Hardware-Hersteller, Software-Hersteller, Service- und Systemhäuser zusammen, um neue Anwendungsszenarien und Business Modelle zu Healthcare-IT-Themen wie z. B. Mobile Point of Care oder Homecare-Telemonitoring zu etablieren. Vor seiner Tätigkeit bei Intel war Herr Seeliger 3 Jahre als Vertriebsbeauftragter für Klinikinfor­ma­ tions- und Workflow-Systeme bei Agfa Healthcare/ GWI im Einsatz. Davor baute er bei der Atoss Soft­ ware AG den Vertrieb von Dienstplan- und Zeit­ wirtschaftslösungen im Gesundheitswesen mit auf. Auch im europäischen Marketing und Vertrieb für Computer-Grafik-Karten war Jens Seeliger zu Anfang seines Berufsweges tätig. Seinen Abschluss machte Herr Seeliger als Internationaler Betriebswirt General Management.

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Das Projekt elektronische FallAkte Etablierung eines Standards zum sicheren, intersektoralen Austausch medizinischer Daten Claudia Reuter

Problemstellung und Hintergrund des Projektes Effiziente und effektive Kommunikation und Kooperation über Einrichtungsgrenzen hinweg erlangen im Gesundheitssektor zunehmend an Bedeutung. Im April 2009 wurden am Deutschen Krankenhausinstitut bereits ca. 3000 Verträge zur Integrierten Versorgung registriert, darüber hinaus wurden über 18.000 Disease Management Programme (DMP) und 429 Medizinische Ver­sor­ gungs­zentren (MVZ) gezählt. Chronische und komplexe Krank­ heits­bilder, Konzentration auf Kernkompetenzen, Stärkung des am­bulanten Sektors sowie Konsile und Verlegungen beschleuni-

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gen diesen Trend zur einrichtungsübergreifenden Zusammenarbeit noch mehr. Die Ausdünnung der ärztlichen Versorgung gerade in ländlichen Gebieten verstärkt die Notwendigkeit zum effizienten medizinischen Datentransfer. Angesichts dieser Realitäten führt an Werkzeugen, die den elektronischen Informationsaustausch im Gesundheitswesen unterstützen, kein Weg vorbei. Die elektroni­ sche FallAkte (eFA) stellt solche Werkzeuge zur Verfügung. Das Projekt »elektronische FallAkte« beruht auf einer Initiative des stationären Sektors, der sich entschlossen hat, die Probleme bei der intersektoralen Kommunikation grundlegend anzugehen; entstanden ist eine Lösung, die • den teuren Technikwettstreit zwischen den Krankenhäusern durch die Bereitstellung eines herstellerunabhängigen und frei verfügbaren Standards unnötig macht. • keine komplexen, zentralen Datenstrukturen benötigt, die unter Datenschutz- und Datensicherheitsaspekten extrem problematisch sind. • die in den Häusern bereits existierenden Systeme und internationale Standards berücksichtigt, um den Aufwand und die Kosten für die Einführung möglichst gering zu halten. • sich an den fachlichen Abläufen bei den Leistungserbringern orientiert, so dass die Vorteile der neuen Technologie die Nachteile der Einarbeitung bei den Anwendern klar überwiegen und kurzfristig eine Effizienzsteigerung erzielt werden kann. Projektergebnisse und Besonderheiten der Lösung Die Ergebnisse des Projektes unterteilen sich in zwei Bereiche. Zum einen wurde in enger Kooperation mit den Auftraggebern eine Detaillierung der politischen und technischen Ziele erarbeitet, um davon ausgehend die konkreten Anforderungen zu erheben und fachliche Umsetzungskonzepte zu entwickeln, die mit dem abgeglichen wurden, was aus technischer Sicht möglich ist. Zum anderen wurde eine service-orientierte Gesamtarchitektur kreiert, die sowohl den fachlichen Anforderungen entspricht, als auch heterogene Systemlandschaften und existierende Standards berücksichtigt. Als wichtigstes Ergebnis ist aus den Arbeiten eine Spezi­ fi­kation hervorgegangen, die nicht nur die Basis für die Entwicklung von mittlerweile über zehn Pilotprojekten durch die Industrie geworden ist, sondern auch den Ausgangspunkt für Anpassungen an den Konzepten der gematik und internationaler Standar­di­sie­ rungs­g remien repräsentiert. Die Spezifikation enthält eine Fülle von technischen Einzellösungen, die zusammen die Kooperation autonomer Akteure über eine föderierte Sicherheitsarchitektur ermöglichen. Bei der elektronischen FallAkte handelt es sich also nicht um eine neue Variante der internen elektronischen Akte, sondern sie geht weit darüber hinaus, indem sie sektorübergreifende Be­hand­ lungen durch die sofortige Verfügbarkeit der wichtigen Infor­ma­ tionen effizienter macht. FallAkten sind grundsätzlich an eine p

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Abbildung 1 Prinzip der föderierten Datenhaltung bei der elektronischen FallAkte

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Diagnose oder ein konkretes Krankheitsbild gebunden und repräsentieren keine unspezifischen Datensammlungen auf Vorrat. Sie richten ihr Augenmerk vor allem auf chronisch erkrankte Patien­ tinnen und Patienten, deren medizinische Ver­sor­g ung von vielen unterschiedlichen Leistungserbringern aus dem stationären und ambulanten Sektor koordiniert werden muss. Was die FallAkte auszeichnet ist, dass sie den Menschen, egal ob Leis­t ungserbringer oder Patient, in den Mittelpunkt rückt. Ärzte und Ärztinnen benötigen verlässliche und schnell verfügbare Informa­t ionen, auf deren Basis sie ihre Behandlungsentscheidungen treffen können. In der FallAkte bestimmen daher die Behandler eines Patienten, welche Daten in die eFA eingestellt werden sollen – so wie sich die Kol­ legen auch sonst aufeinander verlassen, weil sie ein gemeinsames Interesse verfolgen. Ärzte müssen nicht befürchten, dass sie von übervorsichtigen Patienten mit Informationen zugeschüttet werden und werden selbst auch keine irrelevanten Daten bereitstellen. Für die Patientinnen und Patienten erschließt sich der Sinn und Zweck der FallAkte sofort, weil sie den Behand­lungs­prozess wieder greifbarer macht. Häufig fühlen sich die Kranken der »Maschinerie« des Gesund­ heitswesens eher hilflos ausgeliefert, die sie von Ort zu Ort schickt, wo immer wieder etwas »Neues« versucht wird. Im Krankenhaus


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existieren ein oder mehrere Abrechnungsfälle, beim Hausarzt beginnt jedes Quartal von vorne. Die FallAkte jedoch befasst sich aus Sicht der Patienten konstant mit einem medizinischen Fall. Hat ein Patient dem Anlegen und der Nutzung einer eFA zugestimmt, kön­nen alle Leistungserbringer, die vom Patienten die entsprechende Berechtigung erhalten, auf die Akte zugreifen und auf diese Weise aktuell und zuverlässig den Krankheitsverlauf und die durchgeführten Untersuchungen und Therapien nachvollziehen. Ist die Behandlung der Erkrankung ausgestanden, wissen die Pa­ tienten, dass ein weiterer Datenzugriff nicht mehr notwendig ist und die FallAkte geschlossen wird. Darüber hinaus können Pa­ tienten jederzeit ihre Einwilligung zur Nutzung der eFA widerrufen, ohne dass ihnen Nachteile entstehen – abgesehen von der Tatsache, dass die Daten wieder längere Zeit brauchen, um von Arzt zu Arzt zu gelangen. Patientinnen und Patienten in Deutschland haben das Recht der freien Arztwahl; bei vielen technischen Lösungen zum medizinischen Datenaustausch wird dieses Recht eingeschränkt oder komplett unterlaufen. Die FallAkte jedoch integriert eine Lösung, bei der Patienten in Ruhe entscheiden können, zu welchen Ärzten sie gehen möchten und trotzdem kann der Zugriff auf die Daten in der FallAkte ermöglicht werden. Zu diesem Zweck existiert ein so genanntes »Offline Token«, über das der Patient einem von ihm frei gewählten Arzt das Recht zur Einsichtnahme in die eFA gewähren kann. Ein Standard basierend auf Standards Innovation ist nie Selbstzweck, sondern eine neue Lösung sollte immer der effizienten Verbesserung existierender Lösungen dienen. Gerade im Bereich der Informationstechnik bedeutet Innovation daher stets auch die Integration bestehender Systeme bzw. die Nutzung bestehender Verfahren und Methoden. In diesem Sinne repräsentiert die elektronische FallAkte zwar selbst einen Standard, sie setzt allerdings auf anderen Standards auf. So wurden bei der Konzeption der Sicherheitstechnik der Fall­ Akte internationale Standards berücksichtigt, was es ermöglicht hat, die Referenzimplementierung der FallAkte komplett basierend auf frei verfügbarer Software zu realisieren. Den Forderungen der Industrie entsprechend, besteht außerdem eine starke Nähe zu IHE (Integrating the Healthcare Enterprise). Die Zugriffsoperationen der eFA wurden auf die im IHE-XDS Profil vorgegebenen Ope­ra­ tionen abgebildet; konzeptionelle Einschränkungen, die sich im Hinblick auf IHE-XDS ergeben, wurden durch Anpassungen des eFA-Metamodells aufgefangen. Da IHE-XDS nur eine Ordnungs­ ebene für Dokumente zulässt und eine Schachtelung der Ord­ner­ strukturen nicht vorgesehen ist, ist es nicht möglich, Dokumente semantisch miteinander zu vernetzen oder darauf hinzuweisen, dass Dokumente in unterschiedlichen Zusammenhängen von Bedeutung sind. Da dieser Ansatz für viele medizinische Infor­ p

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mationen inadäquat ist, erlaubt das Metamodell der eFA die fachlich korrekte Vernetzung von Dokumenten, so dass oberhalb von IHE-XDS unterschiedliche Referenzen und Ordnungskriterien angegeben werden können. Für die Industrie ist die Nutzung des IHE Profils eine enorme Erleichterung in Bezug auf Aufwand und Kosten, da so Techniken und Komponenten genutzt werden können, die bereits in anderen Projekten und Ländern zum Einsatz kommen. Das Datenmodell wurde in Anlehnung an den HL7 Standard entwickelt. Auf diese Weise können Komponenten genutzt werden, die für HL7-Anwendungen entwickelt wurden. Metadaten zur Charakterisierung von Dokumenten in der FallAkte können ohne Konvertierung aus HL7 Nachrichten entnommen werden. Die elektronische FallAkte international Bei der Berücksichtigung internationaler Standards hat sich gezeigt, dass die Standardisierungsgremien stark amerikanisch geprägt sind, was dazu führt, dass Standards zum Teil nicht den deut­schen und europäischen Anforderungen entsprechen; dies gilt insbesondere für föderale Länderstrukturen und Daten­schutz­ aspekte. Bei der Entwicklung der elektronischen FallAkte spielten gerade diese Bereiche jedoch eine herausragende Rolle: Das Föde­ rationskonzept garantiert die Unabhängigkeit und Autonomie der Leistungserbringer im Hinblick auf die Verwaltung medizini­scher Daten. Die Anforderungen aus dem Datenschutz wurden bei der Spezifikation der eFA konsequent beachtet; laut Tätigkeits­bericht des Datenschutzes für die Jahre 2007 und 2008 führt die Anlage einer elektronischen FallAkte »nicht zu der aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklichen unbefristeten Speicherung sensibelster Gesundheitsdaten«. Durch das Projekt »elektronische FallAkte« konnten die Kräfte und der Einfluss der Leistungserbringer und IT-Anbieter in Deutsch­land gebündelt werden, so dass auf der letzten IHE-Sit­ zung drei europäische Vorschläge – alle im Umfeld der eFA – auf die priorisierten ersten Plätze gesetzt wurden. Es steht zu erwarten, dass sich die Konzentration auf gemeinsame Interessen im eFA-Bereich auch weiterhin erfolgreich nutzen lässt, um Erwei­te­ rungen und Anpassungen in die Standardisierungsgremien einzubringen. Auch das EU-Projekt »European Patients Smart Open Services« (epSOS), in dem ein europaweiter Zugriff auf Patienteninformationen erforscht wird, steht erheblich unter dem Einfluss der Spezifikation der elektronischen FallAkte. Wie bereits erwähnt wurde, hat die eFA zudem Auswirkungen auf die Arbeiten der gematik. Die Fall­ Akte stellt keine Konkurrenz zu den gesetzlich vorgeschriebenen Anwendungen des §291a SGB V dar; im Bereich »Mehrwertdienste« sind jedoch eFA-Konzepte von der gematik aufgenommen worden, so dass die Umsetzung der FallAkte als Mehrwertdienst der Telematikinfrastruktur frühzeitig erfolgen kann.

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Die elektronische FallAkte als Turbolader für die Gesundheitsreform Bereits im Nachgang der Eröffnung der CeBIT-Sonderveranstaltung 2006 wurde die elektronische FallAkte als »Turbolader für die gesamte Gesundheitsreform« (heise.de) bezeichnet. Daran wird deut­ lich, dass mit dem Projekt etwas geschaffen wurde, was anderen Bemühungen im Bereich Gesundheitswesen bislang verwehrt geblieben ist: Die kurzfristige Produktion einer Lösung für den sicheren einrichtungsübergreifenden Informationsaustausch im Gesundheitswesen, deren Nachhaltigkeit und Praxistauglichkeit im Rahmen flächendeckender Pilotprojekte erprobt und nachgewiesen wird. Konsequenterweise mündeten die Projektarbeiten in der Gründung des eFA-Vereins, der die Pflege und Weiter­ent­ wicklung des Standards betreiben wird. Aktuelle Mitglieder des Vereins sind private Klinikketten, Universitätskliniken, kommunale Häuser und Ärztenetze, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Damit repräsentieren die Vereinsmitglieder schon jetzt jedes vierte Krankenhausbett in Deutschland – Tendenz steigend. Mit der Anbindung von MVZ und niedergelassenen Ärzten in mehreren Pilotszenarien findet die FallAkte eine immer breitere Basis auch im ambulanten Sektor. Der Schritt der Vereinsgründung offenbart das Vertrauen der Kran­kenhäuser in die FallAkte als einen Standard, der deutschlandweit und darüber hinaus einen wesentlichen Anteil der behandlungsbezogenen Kommunikation realisiert. In den letzten Jahren gab es kaum eine Medizin-IT-Veranstaltung, auf der die elektronische FallAkte kein Thema war. Auch auf der conHIT 2010 ist die FallAkte präsent: Die Asklepios-Kliniken demonstrieren gemeinsamen mit dem Fraun­ hofer ISST, wie die Datenübertragung bei Verlegungen zwischen Krankenhäusern und unter Beachtung des Rechts auf freie Arzt­ wahl mit Hilfe der elektronischen FallAkte und des Offline-Tokens schon heute effektiv unterstützt werden kann.

Claudia Reuter arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST. Sie ist seit Beginn des Projektes »elektronische FallAkte« in die Entwick­lung der Spezifikationen involviert. Den Schwerpunkt ihrer Arbeiten bildet die Anforderungsanalyse sowie die Erstellung fachlicher Umsetzungskonzepte und der Abgleich mit existierenden Standards.

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Mobile Lösungen im Gesundheitswesen Harkan Iylgen

Die Herausforderungen Das moderne Gesundheitswesen – eine Branche, in der rund 4,4 Millionen Menschen beschäftigt sind – ist mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Durch den steigenden Kosten­ druck ist es oft schwierig, die individuelle Pflege und Betreuung der Patienten sicherzustellen und auch lange Wartezeiten sind vielerorts an der Tagesordnung. Eine Situation, die weder für die Pa­ tien­ten noch für das Pflegepersonal befriedigend ist. Hinzu kommt, dass der große Verwaltungsaufwand, der mit dem Betrieb eines Krankenhauses einhergeht, viele finanzielle und personelle Res­ sourcen bindet, die nicht für die Behandlung von Patienten zur Ver­f ügung stehen. Es stellt sich also die Frage, wie die Prozesse im Gesundheitswesen optimiert werden können, um Zeit und Geld zu sparen und die Qualität der Betreuung sowie die Zufriedenheit von Patienten und Personal zu steigern. Research In Motion, der Hersteller der bekannten BlackBerry Lö­sung, verfügt über eine große Expertise im Business-Bereich. Eine der Kernkompetenzen von BlackBerry ist das so genannte Push-Mail-Verfahren, bei dem E-Mails in Echtzeit auf den entsprechenden Geräten empfangen werden. Dies bedeutet eine deut­liche Zeitersparnis und ermöglicht ein ortsunabhängiges Ar­ beiten. Mo­bilität, Effizienz und die Möglichkeit, sofort auf neue Situationen reagieren zu können, sind nicht nur in der Ge­schäfts­ welt, sondern auch im Gesundheitswesen von elementarer Be­ deutung. Mithilfe von hochspezialisierten Anwendungen können die Kompetenzen der Lösung gezielt auf die Anforderungen des Gesundheitswesens zugeschnitten werden, sodass sich in der mobilen Pflege, dem Patiententransport und der Krankenhauslogistik völlig neue Ein­satz­möglichkeiten eröffnen. So wird eine spürbare

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Verein­fa­chung der Arbeit des Pflegepersonals, eine bessere Quali­ tät der Patien­tenbetreuung und eine Verminderung des Verwal­ tungs­­aufwands für die Pflegedienstleitungen erreicht. Bessere Pflege und einfachere Prozesse Die administrativen Routinearbeiten des Pflegediensts zum Bei­ spiel werden durch den Einsatz von Smartphones erheblich vereinfacht: Die Mitarbeiter (beispielsweise eines mobilen Pflege­ dienstes) können ihre Tätigkeiten direkt und in Echtzeit an ein Leitsystem übertragen, wo sie sofort von der Pflegedienstleitung und der Verwaltung weiterverarbeitet und abgerechnet werden kön­nen. Zudem haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, bei Bedarf auf aktuelle Patientendaten und Informationen über benötigte Medikamente und behandelnde Ärzte zuzugreifen. Der mobile Zugriff auf die Wissensdatenbanken steigert die Pflegequalität und die gewonnene Zeit kann in individuelle Betreuung investiert werden. Analog zu diesem Beispiel kann ein verbesserter Informa­ tionsfluss auch die Organisation einzelner Stationen oder spezieller Krankenhausbereiche wie Labor oder Radiologie optimieren. So können stationäre Patientenaufenthalte verkürzt werden. Die Kosteneinsparung durch effizientere Prozesse beträgt bis zu 86 Prozent, wie der Report des Verbands der EDV-Software und Bera­ tungsunternehmen e.V. (VDEB) vom April letzten Jahres bestätigt. Auch die Krankenhauslogistik profitiert vom Einsatz mobiler Lösungen, sei es beim Krankentransport oder der Materiallieferung. Die Mitarbeiter sind ständig unterwegs, sodass nur ihre sichere Er­reichbarkeit einen aktuellen Überblick über den Bearbeitungs­ stand garantiert und eine optimierte Disposition der Aufträge ermöglicht. p

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Im Notfall können Sekunden über Leben und Tod entscheiden, sodass die Optimierung von Alarmabläufen für jede Klinik höch­ ste Priorität besitzen sollte. Eine mobile Smartphone-Lösung bietet im Gegensatz zum herkömmlichen Alarmmelder des Arztes jederzeit Informationen darüber, welche Mitarbeiter verfügbar und zum Dienst angemeldet sind und wer sich wo genau aufhält. An­hand dieser Informationen werden Alarmabläufe signifikant beschleunigt und wertvolle Zeit eingespart. Beispiele für den Einsatz mobiler Lösungen Viele Unternehmen im Gesundheitsbereich setzten heute schon auf mobiles Arbeiten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Kli­ni­ kum Bad Hersfeld, einem Krankenhaus mit 577 Planbetten und rund 1.400 Angestellten, erhalten die Mitarbeiter des Trans­port­ dienstes ihre Aufträge per Push-Übertragung auf ihre Smart­ phones. Das Ergebnis sind deutlich kürzere Wartezeiten für die Patienten und eine optimierte Auslastung der Diagnostik­abteilung. Bei der Johanniter Unfallhilfe e.V. konnte die Kommunikation zwi­schen Leitstelle und Fahrzeug durch den Einsatz von Smart­ phones massiv erleichtert und verbessert werden, sodass es trotz des stetig steigenden Transportaufkommens möglich war, den Per­sonalaufwand in der Leitstelle konstant zu halten. Fazit Die positiven Auswirkungen des Einsatzes mobiler Lösungen auf die Zufriedenheit der Patienten sowie die betrieblichen Abläufe in Kliniken und die damit verbundenen Kostensenkungen bestätigen sich immer wieder. Mit einer mobilen Lösung können die vielfältigen Anforderungen im Gesundheitswesen bewältigt werden und eine qualitativ hochwertige Versorgung, die den einzelnen Patienten im Blick hat, ist auch in Zukunft gewährleistet.

Hakan Iyigün ist seit Mai 2009 als Public Sector Channel & Sales Manager bei Research in Motion tätig. Hakan Iyigün schaut auf eine fast zwölfjährige Laufbahn im Telekommunikationsbereich zurück und besitzt vor allem fundiertes Wissen auf dem Gebiet Lösungen für den Mittelstand sowie im Großkundensegment. Vor einem Zwischenstopp bei Siemens Enterprise Communications GmbH, arbeitete Hakan Iyigün zehn Jahre lang erfolgreich als Vertriebsspezialist im Geschäftskundenumfeld bei der Vodafone D2 GmbH.

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Arzt-Arzt-Kommunikation mit der Asklepios-Com-Suite Oliver Heggblum

Alle relevanten Daten schnell verfügbar zu haben ist ein wesentlicher Aspekt, wenn es um die IT-seitige Unterstützung von Behandlungsprozessen geht. Mindestens der gleiche Stellenwert kommt auch der direkten Kommunikation zwischen den behandelnden Ärzten zu, und das ist keinesfalls nur auf das Kran­ ken­haus beschränkt. Bei allen Bemühungen um schnelle, schlanke Lösungen darf jedoch nie verges­ sen werden, dass es hier um besonders schützens­ werte medizinische Daten geht. Die Kunst, Menschen gesund zu machen lebt, davon, Daten und Befunde, Gedanken und Erkenntnisse auszutauschen. Mit fortschreitender Spezialisierung ist dieser Austausch immer wichtiger geworden; die gleichfalls zunehmende Anspruchshaltung der Patienten, die sich dank Google, Wikipedia und unzähligen Inter­ netforen immer besser informiert wähnen, tut hier ein Übriges. Sollen Kommunikation und Informationsaustausch durch moderne IT-Verfahren unterstützt werden, stellen sich drei wesentliche Anforderungen an die Sicherheit entsprechender Lösungen: • Der Zugang zum jeweiligen Kommunikationskanal darf nur für ausdrücklich hierzu berechtigte Personen möglich sein. • Die Übertragung von Informationen muss verschlüsselt sein. • Die Identität der teilnehmenden Personen muss eindeutig sichergestellt sein. Diese Forderungen müssen gegenüber allen Verfahren gelten, die dem Austausch medizinischer Informationen dienen, seien es synchrone Medien, wie z. B. Videokonferenzen, oder auch asynchrone, wie elektronische Akten. Die Asklepios-Com-Suite, eine Komposition aus derzeit vier Bestandteilen für unterschiedliche Kommunikationsbedarfe, erfüllt diese Forderungen. Die Asklepios-Fallakte stellt eine Basis zum Austausch von Informationen zur Verfügung, wenn es um die gemeinsame Behandlung eines Patienten durch die Klinik, den Hausarzt, niedergelassene Fachärzte oder ggf. auch weiteren Kliniken geht.

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Durch den von Asklepios mitentwickelten Standard „elektronische Fallakte“ (eFA) steht den beteiligten Ärzten eine virtuelle Gesamtsicht auf alle fallrelevanten Daten zur Verfügung. Zum Einsatz kommt hier das jesaja.net der ISPRO GmbH, einer Tochter unseres AFH-Partners CompuGROUP. Mit Hilfe von Asklepios-Teamsites können Dateien von der Kurznotiz bis hin zum vollständigen DICOM-Datensatz einer Com­­putertomographie ausgetauscht werden, ohne dass bereits ein gemeinsamer Behandlungskontext besteht. Diese Lösung ist insbesondere interessant, wenn es um das Einholen einer zweiten Meinung geht. Als Basis dient hier der Microsoft Office Sharepoint Server, ein Produkt unseres AFH-Partners Microsoft. Seit einem Jahr steht mit Asklepios-UC eine Unified-Com­ munication-Lösung zur Verfügung, die es unseren Ärzten ermöglicht, sich von ihrem Arbeitsplatz aus in Videokonferenzen auszutauschen und sich dabei gegenseitig auch ihre Bildschirmansicht zu präsentieren. Mit dem Microsoft Office Communication Server setzen wir auch hier auf ein Produkt aus der AFH-Partnergemeinde. Vervollständigt wird die Asklepios-Com-Suite durch eine Mög­lichkeit zur Videokonferenz zwischen unseren Klinikärzten und Ärzten außerhalb des Asklepios-Konzerns. Hier entwickelt das Asklepios Future Hospital Programm gemeinsam mit dem Partner T-Systems eine Lösung, die unter dem Namen „Hallodoc“ niedergelassenen Ärzten die Teilnahme an Asklepios-UCKonferenzen ermöglichen soll. Ein kleines Beispiel soll das Zusammenspiel dieser vier Kom­ ponenten verdeutlichen: Herr Folk leidet seit einigen Wochen immer wieder unter heftigen Kopfschmerzen, so dass sein Hausarzt ihn an eine RadiologiePraxis überweist, um eine Computer-Tomographie des Gehirns machen zu lassen. Um dem Radiologen alle Unterlagen möglichst einfach übermitteln zu können, schlägt der Hausarzt Herrn Folk die Einrichtung einer elektronischen Fallakte vor. Der Radiologe kann über die elektronische Fallakte auf alle Vorbefunde des Hausarztes zugreifen und sich so ein Bild vom bisherigen Verlauf machen. Auf den Tomographiebildern erkennt er einen Gehirntumor und möchte diesen Befund mit einem Neuro­ chirurgen beraten. Die CT-Bilder stehen in Betrachtungsqualität bereits in der elek­t ronischen Fallakte zur Verfügung. Um jedoch dem Neuro­ chirurgen in der Asklepios-Klinik die Bilder auch in befundbarer Qualität zur Verfügung zu stellen, nutzt der Radiologe die Asklepios-Teamsite: innerhalb weniger Minuten lädt er die Bilder auf die Teamsite, während er bereits mit dem Neurochirurgen telefoniert und ihm den Fall schildert. Die Verbindung von der Praxis ins Asklepios-Rechenzentrum wird dabei mit Hilfe der Smartcard-Technologie abgesichert. p

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Der Neurochirurg in der Asklepios-Klinik schaut sich die Bilder aus der Teamsite an und rät zu einer baldigen Operation. Herr Folk wird daraufhin in die Klinik eingewiesen und stimmt bei seiner Aufnahme auch hier der Nutzung seiner elektronischen Fallakte zu. So haben die behandelnden Klinikärzte sofort Einblick in alle bisherigen Befunde und Dokumente zu ihrem neuen Patienten. Um Herrn Folk die umfassende medizinische Kompetenz eines ganzen Klinikkonzerns zu Gute kommen zu lassen, wird er in der sogenannten Tumorkonferenz vorgestellt. Hier nehmen neben den behandelnden Ärzten auch weitere Spezialisten aus anderen Asklepios-Kliniken teil. Dank des Office-Communication-Service können dabei aber alle beteiligten Ärzte in ihren jeweiligen Kliniken bleiben und müssen nicht reisen. Da keiner der Ärzte die medizinische Vorgeschichte von Herrn Folk so gut kennt wie sein Hausarzt, nimmt auch dieser an der Tumorkonferenz teil. Auch er muss natürlich nicht in eine Klinik fahren sondern kann die Verbindung von seiner Praxis aus herstellen. Dass sich der Hausarzt dabei außerhalb des gesicherten Kli­ nik­netzwerkes befindet, stellt besondere Anforderungen an die Sicherheit: die Verbindung muss natürlich verschlüsselt sein; außerdem muss sichergestellt sein, dass es auch wirklich der Hausarzt ist, der an der Konferenz teilnimmt. Zu diesem Zweck nutzt der Hausarzt Hallodoc. Mit einem speziellen USB-Stick, in den eine Smartcard integriert ist, kann er eine gesicherte Verbindung aufbauen und sich auch eindeutig identifizieren. Dadurch stehen ihm die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung wie allen anderen Konferenzteilnehmern aus den verschiedenen Asklepios-Kliniken auch – er kann zum Beispiel einen älteren Befund in seinem Praxis-System öffnen und dann seinen Bildschirm zur Betrachtung für alle Teilnehmer freigeben. So können alle Beteiligten den Befund direkt einsehen, ohne dass er kopiert werden müsste.


ASKLEPIOS FUTURE HOSPITAL

Sofern nicht gerade ein Befund, ein Bild o.ä. präsentiert wird, hat in der Konferenz der Protokollführer seinen Bildschirm freigegeben, so dass alle Teilnehmer das Konferenz-Protokoll während der Entstehung einsehen können. So können Missverständnisse unmittelbar erkannt und sofort korrigiert werden. Zum Abschluss der Klinikbehandlung bekommt Herr Folk noch eine ambulante Rehabilitation verordnet. Da der Arzt in der Reha-Praxis über ein älteres Praxis-Verwaltungs-System verfügt, das noch nicht nach dem eFA-Standard kommunizieren kann, benötigt er einen anderen Zugang zur elektronischen Fallakte von Herrn Folk. Hier hilft die Portal-Ansicht der Asklepios-Fallakte weiter, die der Reha-Arzt über eine mit Smartcard abgesicherte Internet­ver­ bindung in seinem Internet-Explorer öffnen kann – dort findet er sofort die Behandlungsdiagnosen und Befunde und vor allem auch den Entlassungsbrief. Bei dem geschilderten Beispiel handelt es sich zwar um einen fiktiven Fall, aber keineswegs um Utopie: • die Asklepios-Fallakte steht zur Verfügung, so dass die Kliniken des Konzerns nach und nach angeschlossen werden können; • die Asklepios-Teamsites werden bereits vielfach genutzt; • der Office-Communication-Service steht zur Verfügung; • eine Möglichkeit, externe Ärzte an der internen Kommunikation teilnehmen zu lassen, befindet sich noch in der Entwicklung und wird mit Hochdruck vorangetrieben. Es ist sicherlich für einen Klinikkonzern in der Größenordnung von Asklepios unmöglich, seinen Ärzten Zugang zu allen verfügbaren Akten- und Kommunikationslösungen am Markt zu gewähren. Die damit verbundenen Sicherheitsrisiken und der Ver­ wal­t ungsaufwand wären nicht zu überblicken. Wo jedoch bereits eine standardisierte IT-Umgebung wie in Form von Asklepios-OneIT existiert, liegt es nahe, auch die Kom­ munikationswege zu standardisieren und für entsprechende Schnitt­stellen nach außen zu sorgen. Mit der Com-Suite geht Asklepios genau diesen Weg.

Oliver Heggblum ist seit 1999 mit IT-Lösungen im Gesundheitswesen befasst und verantwortete über mehrere Jahre das Klinikinformationssystem der Asklepios-Klinik St. Georg, einem Haus der Maximalversorgung im Herzen von Hamburg. Vorher war er als Software­ entwickler für Service-Informations-Systeme tätig; seit 2007 ist er Projektmanager im Asklepios Future Hospital Programm und kümmert sich dort heute um Kommunikationslösungen für Health Professionals.

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eHealth Services ante portas Lothar Dรถrr

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COMChanger

Welche Branche weist derzeit die größte Diskrepanz zwischen der Notwendigkeit zur Umgestaltung und dem Einsatz vorhandener Technologien, um diese Erneuerungen zu unterstützen, auf? Rich­ tig, das Gesundheitswesen. Ist es doch mit einer Reihe von einschneidenden Entwicklungen, die grundlegende Erneuerungen ver­langen, konfrontiert. • Die „ Baby Boomer“, also die geburtenstarken Jahrgänge gehen auf die 60 zu und benötigen mehr medizinische Fürsorge • Die Regierung hat weitreichende Reformen im Gesund­heits wesen angekündigt • Der Kostendruck auf die Leistungserbringer steigt • Chronische Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes, die 85 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen ausmachen, treten immer häufiger auf Während also die gesundheits-politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen auf der einen Seite kontinuierlich steigen, müs­ sen sich auf der anderen Seite zu viele Gesundheitseinrichtungen auf nicht mehr zeitgemäße und teilweise veraltete Healthcare- und Telekommunikationssysteme verlassen, welche die Zusammen­a r­ beit zwischen den Leistungserbringern im Gesundheitssystem erheblich erschweren. Tatsache ist: Die Gesundheitsindustrie gibt nur 2-3 Prozent der Einnahmen für Healthcare IT aus, wohingegen andere Branchen zwischen 6-8 Prozent ausgeben.

Nicht die stärkste oder intelligenteste Art überlebt sondern die Art, die am besten auf Veränderungen reagiert. Charles Darwin

Die gute Nachricht ist, dass die Vorarbeiten, die von vielen Indus­t rie­u nternehmen, Gesundheitsanbietern, Verbänden und Organi­sationen geleistet wurden, sich anfangen auszuzahlen – und das Gesundheitssystem durchaus lernfähig ist und damit auf die kommenden Entwicklungen und Reformprozesse reagieren kann und auch wird. Im internationalen Markt erfährt dieser Veränderungsprozess bereits weitere und nachhaltige Unterstützung: vom Konsumenten. Health 2.0, „Participatory Medicine“ und „mHealth“ sind die Schlag­wörter dieser Konsumenten-Bewegung und eine neue Spezies scheint sich herauszuschälen, der „gesundheitsbewusste und gesundheitsaufgeklärte internetbewandte Gesundheitskunde“ der Homo versari in sanitas (Der sich mit Gesundheit beschäftigende Mensch). Und dieser erwartet jederzeit und überall p

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Zugang zu seinen Gesundheitsinformationen, eine „RundumFür­­­sorge“ in allen gesundheitlichen Fragen, einfachen und schnellen Zugang, aber vor allem „Service Oriented Health“ (SOH). Experten prognostizieren, dass die Ausgaben für Telekom­mu­ nikation im Gesundheitswesen steigen werden; über die nächsten drei Jahre geht man allein in den USA von einem Zuwachs von 44 Prozent aus (von $ 8.6 auf $ 12.4 Milliarden). Größter Nutznießer hierbei werden die Wireless Applikationen, - Geräte und -Lösungen sein, denn diese werden etwa zwei Drittel der zusätzlichen Aus­ga­ ben ausmachen. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor. Wir schreiben das Jahr 1986, Sie sind Vorstand eines Gesundheitsunternehmens und drei Geschäftsführer stehen vor Ihnen. Der Erste vertritt die Interessen eines Mobilfunkunternehmens, der Zweite die eines Internet­ dienst­anbieters, der Dritte die eines Main Frames Herstellers und alle würden Ihnen eine strategische Partnerschaft vorschlagen. Wenn diese Geschäftsführer Ihnen damals versucht hätten zu erklären, dass Sie eines dieser alten Handys, das zunächst dafür entwickelt wurde um in ein Auto eingebaut zu werden, zukünftig auch benutzen könnten um Patienten unter Beobachtung zu behalten oder sich EKGs anzuschauen, dass das Internet im Jahre 2010 als die zentrale Plattform auch und gerade für Online Health­ care gilt und dass ein Fernseher, ein Kühlschrank oder ein Monitor ihren Patienten helfen könnte gesund zu bleiben, dann hätten Sie ihn wahrscheinlich ausgelacht. Heutzutage benutzen in den USA bereits fast zwei Drittel aller Ärzte ein Smartphone, das genau über diese Funktionen verfügt. Und innerhalb der nächsten zwei Jahre werden über 80 Prozent ein Smartphone benutzen. In Europa nutzen bereits 80 Prozent der Ärzte das Internet als „point of care“ für den Datenaustausch, Video Conferencing oder für mobile devices. Heute leben mehr als 6.8 Milliarden Menschen auf der Welt, von denen mehr als vier Milliarden aktive Handynutzer sind – das sind weltweit mehr Handys als Fernseher, PCs und Autos gemeinsam. Das Handy ist die am schnellsten wachsende Technologie in der Geschichte der Erde. In Amerika sind Mobilfunkdienste Teil des täglichen Lebens für mehr als 277 Millionen Leute. Diese hohe Mobilfunkrate könnte auch eine außerordentliche Chance darstellen, um die Gesundheitspflege und den Zugang zur Gesund­ heits­pflege unabhängig von Ort, Alter, Geschlecht oder Be­hin­de­ rung zu verbessern. Healthcare Apps Eine neue Generation von Smartphone Applikationen stellt sofortigen und sicheren Zugang zu Laborergebnissen, Röntgen­auf­ nahmen, Lebenszeichen, Wechselwirkungen von Arzneimitteln und weiteren medizinischen Aufzeichnungen bereit. Vor nicht all zu langer Zeit hat man noch Heilmethoden im Internet recherchiert, mittlerweile gibt es eine Smartphone Applikation die sich

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„FluRadar“ (http://fluradar.webxelss.com) nennt. Diese stellt die aktuellsten Informationen bezüglich H1N1 zur Verfügung und zeichnet Influenzaausbrüche geographisch auf. Es gibt eine Hautkrebsapplikation, die eine Anleitung zur Verfügung stellt, wie man anhand von Form und Größe ein gutartiges und bösartiges Melanom bestimmt. Haben Sie schon mal aus Versehen in Ihr Handy gehustet? Es kann sein, dass Sie es ab jetzt mit Absicht machen. Es gibt eine Applikation die den Husten analisiert und Ihnen mitteilt ob es sich um einen nassen oder trockenen Husten, einen verschleimten oder schleimfreien Husten handelt. Andere fortschrittliche Beobachtungs- und Diagnose­anwen­ dungen senken die Kosten der Gesundheitspflege indem Sie Not­ fälle, Krankenhausbesuche oder die Anzahl an Arztterminen reduzieren. An der Universität von Washington in St. Louis haben z. B. zwei Ingenieure eine Ultraschallsonde entwickelt, die mit einem halben Watt aus einer Handybatterie arbeitet. Das bedeutet, dass Ultraschalluntersuchungen fast überall durchgeführt werden können und das Bild an einen Arzt weit weg vom Geschehen gesendet wird. Diese Erfindung könnte nicht nur die Kosten von Ultra­­schallgeräten verringern, sondern auch Rettungssanitätern, Är­zten in Kriegsgebieten, Krankenschwestern an Schulen und Geburtshelfern, die nicht in unmittelbarer Nähe von Kranken­ häusern arbeiten, zugeteilt werden. Aufzeichnungsgeräte mit Mobilfunkeigenschaften verändern die Lebensqualität von Personen, die an chronischen Erkrankungen leiden. Vor einigen Jahren gab es den Fall einer Krankenschwerster, die wegen ihres chronischen Übergewichts zeitweise arbeitsun­ fähig war. Zu Hause und ohne Kontakt zu Arbeitskollegen, verschlechterte sich ihr Zustand. Dadurch, dass sie weniger aktiv p

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war wurde sie zunehmend entmutigt, was ihre Kommunikation mit ihren Pflegern drastisch reduzierte. Sie befand sich in einer Ab­wärts­spirale. Aber dann statteten sie ihre Pfleger mit einem WLAN fähigem Bildschirm aus und fingen an mit ihr regelmäßig videounterstützte Beratungsgespräche zu halten. Da sie nun nicht mehr isoliert war, nahm die Patientin an einem Wellness Programm teil. Bald ging es ihr schon wieder so gut, dass sie ihre Arbeits­un­ fähig­keit überwand und zu ihrer Arbeit im Gesundheitswesen zurückkehrte. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass durch die Reduzierung von Krankenhaus- und Pflegeheimkosten die Ausgaben im Gesundheitswesen um bis zu $21 Milliarden im Jahr verringert werden könnten, wenn chronisch kranke Patienten sich von ihren Ärzten über Mobilfunktechnologie betreuen lassen. Die folgenden kurzen Beispiele sollen veranschaulichen, was ich meine. Den Anfang macht das Pflegeangebot für chronische Erkrankungen. In den USA ist Diabetes vom Typ 2 eines der ernstzunehmenden Gesundheitsprobleme. Knapp 60 Prozent der Be­ trof­fenen haben die Erkrankung nicht unter Kontrolle. Eine Frau mit Diabetes nimmt ihre Medikamente oral ein und kontrolliert ihren Blutzuckerspiegel mehrmals am Tag. Ihr Handy, ausgestattet mit einem virtuellen Trainer hilft ihr dabei (www.welldocinc.com). Wenn sie ihre Medikamente einnimmt, gibt sie das in ihr Handy ein. Sie und ihre Ärzte können auf diese Infor­mationen zugreifen und den Verlauf beobachten. Bis jetzt gelingt es ihr und anderen Patienten, die den virtuellen Trainer benutzen, ihren gesundheitlichen Zustand besser zu kontrollieren. Das nächste Beispiel: Herzinfarkte. Mediziner können Bilder und Graphiken, inklusive EKGs, CT Scans und Röntgenaufnahmen direkt von ihrem Handy zum Beispiel über über die „mVisum“ Applikation(www.mvisum.com) einsehen. Ein Kardiologe kann durch sein Smartphone gewarnt werden, dass ein Patient, der unter Schmerzen in der Brust leidet, auf dem Weg ins Krankenhaus ist. Wenn der Krankenwagen mit einem mobilen EKG ausgestattet ist, können die Daten sofort an das Krankenhaus und auf das Smart­phone des Arztes weitergeleitet werden. Der Arzt kann dann das EKG von seinem Smartphone aus einsehen und analysieren, und dadurch bestimmen, ob der Patient einen Herzinfarkt hatte oder nicht. Die Zeit, die man einspart, weil man nicht mehr auf die Ankunft des Patienten in der Notaufnahme, die Einweisung durch das Rettungspersonal und das Ergebnis der Röntgenuntersuchung warten muss, ist außerordentlich wertvoll. Das George Washington Univerity Hospital setzt diese neuen Möglichkeiten der schnellen Diagnose für seine Ärzte bereits seit längerer Zeit mit großem Erfolg ein. Stellen Sie sich eine Risikoschwangerschaft vor, bei der die werdende Mutter Bettruhe für die nächsten zwei Monate einzuhalten hat. Wöchentliche oder 14-tägige Arztbesuche zu Vorsor­ge­ untersuchungen stellen ein Risiko für die Patientin und das ungeborene Kind dar. Das Krankenhaus kann in so einem Fall ein fern-


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gesteuertes Patienten-Beobachtungs-Gerät zur Verfügung stellen - den Intel Health Guide, das von der Patientin mit nach Hause genommen wird. Das Gerät ist mit dem 3G Netzwerk ausgestattet und ermöglicht Videokonferenzen mit dem Pflegepersonal. Es kann auch an Untersuchungsgeräte angeschlossen werden (z. B. die Blutdruckmanschette oder das EKG). Der behandelnde Arzt kann die Situation somit rund um die Uhr in Auge behalten und wöchentliche Praxis-Besuche über Video abhalten. Vielleicht sind die Umstände aber auch so, dass man sich in einer abgelegenen Gegend, weit ab von der Praxis eines Facharztes befindet und der Sohn oder die Tochter wird daheim rehabilitiert und ein Transport kommt nicht in Frage. Die Krankenkasse könn­ te den behandelnden Arzt Ihres Kindes mit einem mobilen und video­konferenzfähigem Gerät ausstatten. Durch Mobilfunk ver-

In den USA ist Diabetes vom Typ 2 eines der ernstzunehmenden Gesundheits­­probleme. Knapp 60 Prozent der Betrof­fenen haben die Erkrankung nicht unter Kontrolle.

bindet das Mobilfunkunternehmen das Gerät mit dem Internet, und der behandelnde Arzt kann sich mit dem Facharzt in Ver­bin­ dung setzten, unabhängig davon, wie weit der Facharzt entfernt ist. Der Facharzt kann Behandlungstermine mitverfolgen und den Patienten und die Familie konsultieren, während der behandelnde Arzt anwesend ist. Die Kosten sinken und die Qualität der Gesundheitsversorgung steigt. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2013 allein der amerikanische Markt für nutzbaren Mobil­ funkapplikationen und Dienstleistungen im Gesundheits­bereich, die von zu Hause aus genutzt werden können, von $304 Millionen auf $4 Milliarden anwachsen wird. Quo Vadis LTE? Applikationen, die graphische Daten, Diagramme oder Videos mit hoher Auflösung nutzen, benötigen viel Bandbreite; Bandbreite, die heutige Netzwerke nur schwer zur Verfügung stellen können. Die nächste Generation der Wireless Technologie, 4G kann und wird dies ändern. Unter 4G versteht man die Nachfolgegeneration des Mobilfunk­ standards 3G. Die „Next Generation Mobile Networks“ (NGMN) ist ein Projekt aus Mobilfunkausrüstern und Mobilfunkbetreibern zur Entwicklung der nächsten Generation, die auch unter dem p

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Namen Long Term Evolution (LTE) bekannt ist. 3G sorgte durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen für viel Aufsehen in Deutsch­land. UMTS bietet die Möglichkeit unter optimalen Be­ din­g ungen Daten mit bis zu 384 Kilobit pro Sekunde herunterzuladen. Eine hohe Bandbreite ist aber gerade für Dienste wie Video­ telefonie und mobile Internetnutzung wichtig. Mit der Nach­folge­ generation 4G werden noch einmal deutlich höhere Band­brei­ten zur Verfügung stehen. In Deutschland soll noch in diesem Jahr LTE eingeführt werden. So geht der Mobilfunkausrüster No­k ia Siemens Networks davon aus, dass die kommerzielle Ein­f üh­r ung von LTE in Deutschland 2010 startet. Die Frequenzauktion im April 2010 sei eines der die Industrie beherrschenden Themen. „In Deutschland werden wir die ersten Markteinführungen von LTE in diesem Jahr sehen“, erklärte Thorsten Robrecht, Leiter LTEProduktmanagement bei dem finnisch-deutschen Joint Venture, auf der CeBIT 2010. Das Unternehmen fahre zu der 4G-Technologie „derzeit Tests mit allen namhaften Telekommunikationsanbietern. Wir sind sehr zufrieden mit den derzeitigen Ergebnissen“, so Rob­ recht. Mit Long Term Evolution ist es dann möglich mit unglaublichen Datenraten von bis zu 150 MBit/s im Internet zu surfen. Zu­ dem bedient sich 4G gesicherter und lizenzierter Bandbreite, eine grundlegende Verbesserung gegenüber Wi-Fi, gerade wenn es darum geht die Privatsphäre zu schützen. Die 4G Technologie wird es den Anbietern im Gesundheitswesen erleichtern, ihre Reichweite über das Telefon hinaus, mit Hilfe von fortschrittlichen Mobilfunkgeräten, zu erweitern. Eine Forschungs­ firma prognostiziert, dass bis 2014 weltweit 2.5 Milliarden „datacentric Geräte“ in Gebrauch sein werden. Mehr als die Hälfte davon sind keine Handys, sondern z. B. Fernseher, Netbooks, ferngesteuerte Beobachtungsgeräte und Geräte für Videokonferenzen, um nur einige Beispiele zu nennen. Durch 4G Netzwerke können Mediziner über Zeitzonen hinweg virtuell zusammenarbeiten und die Patienten daheim, über einen Monitor, konsultieren. Durch eine WLAN Videoübertragung können laufende OPs live übertragen werden; oder Fachärzte können Röntgenbilder mit großer Daten­menge auf ein mobiles Gerät herunterladen um die Diagnose zu beschleunigen. Stellen Sie sich einen Rettungswagen vor, der mit einer 4G Verbindung ausgestattet ist und live Videos über die vom Ret­ tungs­­­personal am Patienten durchgeführten Behandlungen sendet. Es können die den Patienten betreffenden Statistiken hochgeladen und ein live Video an dem Bereitschaftsarzt gesendet werden. Dadurch würde die Triage beschleunigt und die Zeit verkürzt werden, die zwischen der Ankunft des Patienten im Krankenhaus und der Durchführung einer lebensrettenden Operation vergeht. Oder greifen wir das Beispiel der werdenden Mutter mit einer Risikoschwangerschaft auf. Ausgestattet mit einem Wireless-Gür­ tel, kann dieser durch Sensoren den Herzschlag des Fötus und die Wehen ermitteln. Dieser Wireless Gürtel kann die Lebensdaten des Babys über eine 4G Verbindung an einen Laptop schicken,


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oder zum Smart Phone des Arztes. Ärzte wären somit sofort über Veränderungen oder Unregelmäßigkeiten informiert. Bald wird es möglich sein eine Pille einzunehmen, nicht größer als eine Vitamintablette, die über WLAN die Medikamente in mei­nem Körper aufzeichnet. Indem wir uns immer mehr in Richtung 4G Technologie entwickeln, wird diese Pille nicht nur fähig sein sämtliche Daten an den behandelnden Arzt zu schicken, sondern sie wird auch Bilder schicken können – direkt auf das WLAN Gerät meines Arztes. Bis Ende des Jahres werden die ersten 4G Smart Phones auf dem Markt sein, ausgestattet mit hochauflösenden Bildschirmen in Full HD-Qualität. Doch kommen wir noch einmal auf unser Ausgangszenario zurück. Wir schreiben das Jahr 1986, der Vorstand eines Gesund­ heitsunternehmens diskutiert mit den drei Geschäftsführern eines Mobilfunkunternehmens, eines Internetproviders und eines PC Herstellers über eine strategische Partnerschaft. Wenn er all diese Entwicklungen bereits 1986 geahnt hätte, wie wäre das Gespräch dann verlaufen? Nun, wir werden es niemals erfahren, aber eines ist sicher, ausgelacht hätte er die drei Geschäftsführer sicherlich nicht. Er wäre eher nachdenklich geworden. Nicht nur, weil die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung seit 1986 so extrem verblüffend ist, sondern weil er erkannt hätte, dass er diese neuen Technologien für sich nutzen hätte können, für seine medizinische Kompetenz. Er hätte erkannt, dass sich sein Gesund­heits­modell in der Zukunft verändert hätte, von einer medizinischen Zentra­li­sie­ rung hin zu einer selektiven, service-orientierten Ge­sundheitsDezentralisierung. Diese Entwicklung wird neue und aufregende Geschäftsmodelle schaffen und wird die Art und Weise wie viele Branchen arbeiten verändern. Das wird auf jeden Fall das Ge­sund­heitswesen beeinflussen. Wie könnte ein solches Modell aussehen?

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Disruptive Innovation – Neue Serviceangebote werden entstehen Seit Joseph L. Bower und Clayton M. Christensen, 1995 den Best­ sel­ler „Disruptive Technologies: Catching the Wave“ publiziert haben, ist der Begriff der „Disruptive Innovation“ auch im Gesund­ heitsmarkt angekommen. Gemeint ist damit z. B. eine technologische Innovation, ein Produkt oder eine Dienstleistung, die unter bestimmten Voraussetzungen und Entwicklungen eine aktuell dominierende Technologie verdrängen kann. Beispiele hierfür sind Flash-Speicher gegenüber Harddisks, VoIP (Voice ober IP) gegenüber klassischer Telefonie, Digitalkameras gegenüber Mittelformatund Kleinbildkameras. Solche „Disruptive Innovations“ sind meist in neuen Märkten zu finden, die sich gerade erst entwickeln. Was bedeutet dies für den Gesundheitsmarkt und für die damit neuen Servicemodelle und – Angebote? Die Rede ist nicht von „One-Minute-Clinics“ oder „Out-Patient-Clinics“ amerikanischer Prägung. Mit 40 Mil­ lio­nen nichtversichten Menschen kämpft das amerikanische Ge­ sundheitssystem gerade einen anderen Kampf. Gemeint ist vielmehr ein neues eHealth Verständnis und damit verbunden ein neues Serviceangebot. Es scheint die Regel zu sein, dass jede „Dis­ ruptive Innovation“ zu Beginn nicht alle die High-Level Er­war­ tungen oder Performanceleistungen zu erfüllen vermag, die von bestimmten Gruppen erwartet werden. Aber sie kann durchaus die Bedürfnisse und Erwartungen von vielen treffen und erfüllen, die eben nicht immer ein non-plus-ultra an Perfomance und Leis­ tung zu Beginn voraussetzen. Bestes Beispiel hierfür ist das Handy: viele Leute sind bereits heute mit den Funktionen moderner Smartphones überfordert. Als der PC auf den Markt kam, galt es nicht die bestehende Klasse der Mainframes zu schlagen. Er

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sollte nur das können, was der Kunde von zu Hause aus machen wollte: Textverarbeitung. Und damit war der PC kostengünstiger, leichter zu bedienen, einfacher zu nutzen. Die Mainframes ver­ schwanden und aus dem PC wurde heute die Generation der Net­books, iPADs und Notebooks. Wenn wir heute einen Flug oder eine Reise buchen, müssen wir nicht mehr zwingend zu einem Reisebüro gehen, das klassische Modell der Travel Agency hat sich überholt. Wir können heute online buchen, Autos, Hotels, Flüge reservieren, einfach, schnell, bequem. Egal ob dies von zu Hause aus, unterwegs, im Office, wo immer wir sind, dieser Service steht uns zur Verfügung. Das Beispiel des Asklepios Future Hospitals Programms Im Healthcare Service-Markt stehen wir noch am Anfang eines grundlegenden Veränderungsprozesses. Weg von der Zentra­lisie­ rung, hin zu einer Dezentralisierung der medizinischen Kompetenz und den damit verbunden Services. Eines der zentralen Kernthemen im Asklepios Future Hospital Programm, der größten europäischen Gesundheits-Allianz, ist die „Virtualisierung der medizinischen Kompetenz“. In der Informatik steht der Begriff der Virtualisierung für Methoden, die es erlauben, Ressourcen eines Computers (insbesondere im Server-Bereich) zu­sammenzufassen oder aufzuteilen. Primäres Ziel ist, dem Be­ nutzer eine Abstraktionsschicht zur Verfügung zu stellen, die ihn von der eigentlichen Hardware – Rechenleistung und Speicherplatz – isoliert. Spiegeln wir dies nun auf den Gesundheitsmarkt, dann müssen wir zunächst von folgenden Fakten ausgehen: Die medizinische Kompetenz ist in Kliniken per se immer stationär an das Krankenhaus gebunden. Hier arbeiten die Ärzte, das Pflege­per­ sonal, die Mitarbeiter. Hier ist die Arbeitweise der Ärzte zwar extrem mobil, aber sie ist dennoch auf eine feste räumliche Umgebung beschränkt, die Klinik, die Arztpraxis. Daraus leiten sich nun zwei zentrale Fragen ab. Erstens: Was muss getan werden, um diese stationäre medizinische Kompetenz in einen „mobilen Zustand“ generieren zu können? Und welchen Service wollen Gesundheitsunternehmen wie z. B. Kliniken zukünftig anbieten, um mit ihrer „medizinischen Kompetenz“ einen Mehrwert und Nutzen für den Kunden nachhaltig zu generieren? Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Die Asklepios Klinik Al­to­na hat 2009 drei unabhängige Gütesiegel für die Behandlung von Tumorpatienten erhalten und ist damit die erste Klinik in Nord­ deutschland die diese drei Gütesigel inne hat. Ausgezeichnet wurde das Onkologisches Zentrum, das Darm­ zentrum und das Brustzentrum. Zentraler Bestandteil der ausgezeichneten Tumorzentren ist die mehrmals pro Woche tagende Tu­ morkonferenz, das so genannte „Tumorboard“. Das Prinzip: Mediziner aller Fachrichtungen kommen im Hör­ saal der Klinik zusammen, besprechen anhand der Unter­suchungs­ ­­ergebnisse, wie Labordaten und Röntgenbildern gemeinsam p

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die aktuellen Krebsfälle und legen dann für jeden Patienten eine verbindliche Behandlungsstrategie fest. Die moderne Healthcare IT Infrastruktur, OneIT der Asklepios Kliniken hat das in dieser besonderen Form erst ermöglicht. Diese Art der Zusammenarbeit innerhalb einer Klinik, Ärzte aller beteiligten Fachrichtungen legen gemeinsam die Behandlungsstrategie für einen Patienten fest, ist gerade für den Patienten von enormer Wichtigkeit, denn er profitiert vom gesammelten Know-How der Mediziner der Asklepios Kliniken. Eines der Kernthemen der Zukunft wird es sein, die Frage zu beantworten, wie ein Leistungserbringer, wie eine Klinik, diese zukünftigen Anforderungen, die an die medizinische Versorgung und damit an das Gesundheitssystem schon sehr bald gestellt werden, umsetzen kann, um zehn so bereits bestehende oder neue Servicemodelle und Serviceangebote zu nutzen oder zu optimieren, um die medizinische Kompetenz zu virtualisieren und dorthin zu brin­gen, wo sie benötigt und gebraucht wird. Wir haben heute bereits Lösungen, die es erlauben, dass Ärzte egal wo sie sind – ob unterwegs oder zuhause – sicher und schnell auf ihre Daten, ihre Programme und auf den klinischen Arbeitsplatz zugreifen können, um ihr Wissen und ihre medizinische Expertise den Patienten zukommen zu lassen. Wir haben heute bereits Lö­ sungen, die es erlauben, dass Patienten mit niedergelassen Ärzten und Spezialisten sich online verbinden können. Doch dies sind erste Schritte hin zu neuen Serviceangeboten, die sich aufgrund der neuen technologischen Entwicklungen ergeben werden. Aufgabe der modernen Healthcare IT wird es sein, dass Mediziner, die für sie wichtigen Daten und Programme auf eine Art und Weise zur Verfügung gestellt bekommen, die es ihnen ermöglicht die bestmögliche medizinische Behandlung den Patienten zukommen zu lassen, egal wo sie sind. Aufgabe der Industrie muss es sein Lösungen, Produkte und Plattformen weiter zu entwickeln, die dem Patienten von heute und dem Ge­sund­ heitskunden von morgen diesen Zugriff auf die medizinische Kom­petenz erleichtern, ihn unterstützen und führen. Was zeichnet einen Health Service aus? eHealth Service @ online, @ mobile und @ home sollte als Service­ modell verstanden werden, das nur dann erfolgreich sein kann, wenn es gelingt die Brücke zu schlagen zwischen Arzt und Ge­ sundheitskunden, zwischen Kompetenz und Vertrauen, Nachfrage und Angebot. Und hier gilt es zu verstehen und zu hören, was der Kunde will. Denn der Gesundheitskunde, der Homo versari in sanitas wird entscheiden, vielleicht noch nicht heute und nicht so schnell, wie die Industrie dies gerne hätte. Und seine Entscheidung wird auf Nutzen und Mehrwert basieren, auf Leistung und Qualität, auf Preis und Verfügbarkeit. Gesundheitsanbieter, die dies rechtzeitig erkennen und entsprechend handeln, werden im Wettlauf um

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neue Business- und Servicemodelle und damit im Ringen um Wettbewerbsvorteile und Marktanteile die Nase vorne haben. Bei dem Prozess der anstehenden Dezentralisierung medizinischer Leistungsangebote sind Smartphones, Netbooks, iPADs und Co. nur Transporteure medizinischer Kompetenz und Services, egal wie groß und multifunktionsfähig, egal ob 3G oder 4G. Das Internet ist lediglich das Strassennetz auf dem gefahren werden kann, schnell und sicher, sechsspurig oder einspurig für „online Sprechstunden“ ,„online Konsultationen“, „online care und navigation“, „online Health Management“ – immer unter Einhaltung der Verkehrsregeln (in unserem Fall der Datensicherheit und des Patientenschutzes). Mobile Health Devices für Fitness und Well­ ness sind nützlich und hilfreich, um zu kontrollieren und zu überwachen, zu erinnern oder zu motivieren. Health Solutions @ home sind zwingend notwendig und hilfreich, unsere alternde Gesellschaft wird dies bald erkennen und entsprechend handeln müssen. Entscheidend aber wird sein, wer bindet die medizinische Kompetenz, die Mediziner, Experten, Spezialisten, die Schwestern und das Pflegepersonal in diese neuen Servicemodelle so ein, dass daraus ein markt- und tragfähiges Business-Modell entstehen kann. Wer motiviert und begeistert sie? Wer gibt ihnen die notwendigen Werkzeuge und Hilfsmittel dafür? Dies können heute nur wenige Kliniken, sie haben die Kompetenz und das KnowHow, die Mitarbeiter und die Qualität. Und nur sie können die hierfür notwendigen Investitions- und Vorhaltekosten stemmen. Bewegen sie sich, dann bewegt sich der Markt, bleiben sie stehen und warten, dann werden sie bewegt werden, dies ist das Merkmal der „Disruptive Innovation“. Hoffentlich ergeht es ihnen dann nicht so wie den Main Frames, lange haben sie die neue Generation der PCs ignoriert und falsch gehandelt, zu lange. Neue Service und damit Versorgungsmodelle werden kommen, und die neuen digitalen Technologien, Lösungen und Pro­ dukte können hierbei eine ganz entscheidende Rolle spielen. eHealth Services ante portas. Einfach machen, denn der Kunde wird die Tür öffnen. Bleibt nur die Frage offen wer zuerst eintritt und wie, ob als Fremder, Gast oder Freund?

Lothar K. Dörr Kommunikations- und Beratungsexperte mit über 25 Jahren Erfahrung in leitenden Positionen bei führenden deutschen Kommunikationsberatungen. Erfahrungs- und Arbeitsschwerpunkte im Bereich Healthcare, eHealth, IT/Digital und Corporate. Journalist, Autor mehrerer Bücher und Executive Coach für zahlreiche Führungskräfte. Das öffentliche Profil von Lothar K. Dörr finden Sie unter http://de.linkedin.com/in/doerrlothar.

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Herausgeber: Asklepios Future Hospital Progamm Projektkoordination und Redaktion: Lothar Dörr, COMChanger GmbH Gestaltung: Michael Stahl Visuelle Kommunikation Druck: G. Peschke Druckerei GmbH Fotos: Corbis (Titel) DigitalVision Fotolia iStockphoto NASA PhotoDisc Für den Inhalt der Beiträge inklusive verwendeter Zitate und Verweise sind ausschließlich die Autoren verantwortlich. Er muss nicht mit der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers übereinstimmen. Copyright © 2010

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